Fachkräfte der Zukunft

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Dokumentation der Fachtagung Fachkräfte der Zukunft Hamburg, 7. April 2011

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Dokumentation der NORDCHANCE -Fachtagung am 7. April 2011 im Haus der Wirtschaft, Hamburg, veranstaltet von NORDMETALL e.V. und Bundesagentur für Arbeit

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Dokumentation der Fachtagung

Fachkräfte der ZukunftHamburg, 7. April 2011

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Herausgegeben von:

NORDMETALL Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V.Kapstadtring 1022297 Hamburg

Redaktion: Hans-Günter TrepteGestaltung: Peter Haas

Internet: www.nordmetall.de

Titelfoto und Foto Seite 3:Malte Kristan und Björn Grützmacher, NORDCHANCE-Teilnehmer bei HDW in Kiel.

Foto Seite 40:Leandro Martins Ramos, NORDCHANCE-Teilnehmer im Drahtseilwerk Bremerhaven

(mit Ausbilder Gerold Modersitzki).Foto Rücktitel:

Nikolaj Fass (vorne), NORDCHANCE-Teilnehmer bei STILL in Hamburg (mit Ausbildungsleiter Jörg Milla im Hintergrund).

(c) Juli 2011

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Eine Veranstaltung von:

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Neue Konzepte und Chancen für Unternehmen und Jugendliche

Im September 2008 hat NORDMETALL mit NORDCHANCE begonnen, bis zu 1.000 Jugendliche mit Vermittlungshemm-nissen in unser Ausbildungssystem zu integrieren. Der sich abzeichnende Fachkräftemangel und die sozialpoliti-sche Verantwortung der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie waren dabei für uns handlungsleitend. Zwei NORDCHANCE-Durchgänge mit je 100 Jugendlichen wurden bisher erfolgreich durch-geführt; der dritte Durchgang mit weiteren 105 Teilnehmern hat im Oktober 2010 begonnen.

Auf unserer Fachtagung haben wir gemeinsam mit unserern Partnern in den Bildungswerken der norddeut-schen Wirtschaft und den Agenturen für Arbeit erste Ergebnisse und Erfahrungen aus NORDCHANCE vorgestellt und über neueste Entwicklungen im Übergangssystem informiert.

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Vorwort

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In dieser Broschüre werden dieverfügbaren Präsentationen der meisten Programmpunkte dokumentiert.

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10.00 Uhr BegrüßungWarum sich NORDMETALL im Übergangssystem engagiert • Ingo Kramer, Präsident NORDMETALL

10.15 Uhr GrußwortAufgaben der Bundesagentur im Übergangssystem • Jürgen Goecke, RegionaldirektionNord der Bundesagentur für Arbeit

10.30 Uhr Vortrag 1Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung und deren Auswirkungen auf den Fachkräftebedarf • Prof. Dr. Eckart Severing, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung

11.15 Uhr Vortrag 2Das Übergangssystem und seine Entwicklung • Prof. Dr. Reinhold Weiß,Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

12.00 Uhr Vortrag 3NORDCHANCE in der dritten Runde: Präsentation der empirischen Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung • Prof. Dr. Hannelore Kruschel, Innovative Bil-dungs- und Kompetenzentwicklung (i.bke); Prof. Dr. Peter Dehnbostel, Helmut-Schmidt-Uni-versität

12.45 Uhr Gemeinsames Mittagessen

13.30 Uhr Good Practice Workshops: Aspekte von Übergangsmaßnahmen in der Diskussion

Workshop 1: Durchgängige individuelle Begleitung undFörderung zur Verbesserung der Integrations-chancen • mit: Elke Kruse u. Petra Gäde (TA Nord), Susan Mazaheri (Serco), Birgit Voigt (IN-BAS), Ines Hirschfeld (Agentur für Arbeit) • Moderation: Prof. Dr. Hannelore Kruschel

Workshop 2: Konzepte zur Verbindung von Theorie und Praxis, Lern- und Leistungsmotivation über praktische Tätigkeiten • mit: Björn-Ole Böttcher (TA Nord), ...

Programm

(...)Jürgen Maßon u. Udo Vomfey (Bildungszentrum der Wirtschaft im Unterwesergebiet), Günter Abraham u. Herbert Ewen (TA Nord) • Moderation: Prof. Dr. Peter Dehnbostel

Workshop 3: Zusammenarbeit Bildungsdienstleister –Unternehmen – Berufsschulen: Kooperationsmodelle im Übergangssystem am Beispiel des „Hamburger Modells“ • mit: Rainer Schulz (Hamburger Institut für BerufsbildungHIBB), Petra Jack (Gewerbeschule 1, Hamburg),Peter Gorzkulla-Lüdemann (Agentur für Arbeit) •Moderation: Hans-Dieter Körner (Serco)

Workshop 4: Qualifikation des Personals im Übergangssystem.Welche Kompetenzen werden benötigt? • mit: Dieter Bethke (AFZ Rostock), Gerd Labusch (Berufsförderungswerk Hamburg), Ralf Mahon (Schweriner Ausbildungszentrum SAZ) • Moderation: Prof. Dr. Helmut Ernst (SAZ)

Workshop 5: Situation und Perspektive benachteiligter Jugendlicher: Handlungsstrategien zur Überwin-dung sozialer Benachteiligungen • mit: Dr. Petra Lippegaus-Grünau (BIBB), Dr. Holger Seibert (IAB) •Moderation: Dr. Eva Maria Haarmann (Bildungs-werk der Niedersächsischen Wirtschaft)

15.00 UhrKaffee-Pause

15.30 UhrPodiumsdiskussion: Anforderungen an zukünftige Übergangssysteme • mit: Werner Stiehr (Siemens), Rainer Schulz (HIBB). Hans-Martin Rump (Agentur für Arbeit), Jürgen Thielemann (GESTRA), Georg Norman (Wirtschaftsministerium M-V), Prof. Dr. Reinhold Weiß (BIBB) •Moderation: Peter Haas (NORDMETALL)

Die gefetteten Programmteile finden Sie in die-ser Broschüre dokumentiert.

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Meine Damen und Herren,

ich freue mich, dass weit über 100 Teilnehmerin-nen und Teilnehmer unserer Einladung gefolgt sind. NORDMETALL ist der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie im Norden – von der holländischen bis zur polnischen Grenze. In un-seren Mitgliedsbetrieben sind zurzeit ca. 110.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Während in den vergangenen Jahren Fragen der Finanzierung, der Innovationskraft oder der Glo-balisierung die existenziellen Herausforderungen der Betriebe waren, nimmt ein neues Problem im-mer schärfere Konturen an:Wie ist bei der gegebenen demografischen Ent-wicklung der Fachkräftebedarf der Betriebe zu sichern?Immer älter werdenden Belegschaften stehen immer weniger gut qualifizierte Schulabgänge-rinnen und Schulabgängern gegenüber. Ebenfalls wissen wir, dass an den deutschen Grenzen keine Heerscharen gut ausgebildeter Fachkräfte auf das Ende der Arbeitnehmerfreizügigkeitsbeschrän-kung warten.Ab Mai dieses Jahres wird es formal leichter, Ar-beitskräfte aus den EU-Beitrittsländern einzu-stellen. Ich befürchte nur, dass die mobilen, gut qualifizierten Fachkräfte längst durch das Ver-bandsgebiet in die westlichen EU-Länder „gepen-delt“ sind. Viele werden da nicht mehr zu erwar-ten sein.

In Kenntnis dieser Entwicklung stellt sich unser Verband seit Jahren diesem Problem und hat dazu seine Bildungsaktivitäten in das Konzept ei-ner „Bildungskurve“ gebracht, die sich durch das ganze Leben zieht und auf der wir – passend zu jeder Lebensphase – mit verschiedenen Projek-ten Bildungsimpulse ge-ben. Und hier fangen wir im wahrsten Sinne des Wortes fast an der Wiege an.

Z.B. mit unserem Technik-Projekt „Versuch mach klug“ in Kindertagesstät-ten: Seit 2005 haben wir Erzieherinnen und Erzie-her von über 1.000 Kitas in Hamburg und Schles-wig-Holstein fortgebildet, wie man schon kleine Kinder mit spielerischen Experimenten für Na-turwissenschaft und Technik begeistert. In vielen Kitas ist das Konzept jetzt nachhaltig verankert. Der Schlüssel zum Nachwuchs sind dabei nicht die Kinder – sie sind von Natur aus kleine Forscher. Es sind die Erzieher und Eltern, die entweder selbst nie Interesse hatten an Technik, Physik, Chemie – oder im Laufe ihres Lebens den Bezug verlo-ren haben, weil es ihnen niemand auf spannende und verständliche Weise nähergebracht hat. Wer denkt, Elektronik ist was für vereinsamte Freaks, der wird Kindern den Spaß daran nie vermitteln.

Nach der Kita geht’s weiter zur Grundschule. Für diese Zielgruppe haben wir das Projekt „Miniphä-

Begrüßung

Ingo Kramer,Präsident NORDMETALL

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„Mit Bildung fangen wir fast an der Wiege an“

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nomenta“. Hier gilt es, Kinder an Experimentier-stationen mit naturwissenschaftlichen Phänome-nen vertraut zu machen. Das Projekt haben wir 2004 hier im Norden gestartet, seitdem ist es von einer Reihe anderer Verbände bis nach Bayern übernommen worden. Und in diesem Jahr wird die 1.000. Grundschule mitmachen. Auch bei der „Miniphänomenta“ sind Lehrer und Eltern die Schlüsselpersonen. In Fortbildungen gewöhnen wir den Lehrern erst einmal ab, sofort alles zu erklären. Denn damit wird der Forscher-drang der Kinder oft im Keim erstickt. Die Kinder sollen Wasser, Luft, Schwer- und Fliehkraft selbst erleben und im wahrsten Sinne begreifen und da-durch verstehen. Das Projekt sieht vor, dass die Experimentiersta-tionen erst einmal als Leihgabe in die Schule kom-men. Aber wir animieren Lehrer und Eltern, die Stationen dann nachzubauen, damit sie dauerhaft in der Schule stehen. Beim Nachbauen springt der Funke „Technikfaszination“ dann auch auf Eltern über. Und sie sind nach wie vor die wichtigsten Berater der Kinder bei der späteren Berufswahl.

Und deshalb bleiben wir auch nicht bei den Grund-schulen stehen, sondern gehen natürlich auch an die weiterführenden Schulen. Nehmen Sie unser

Infomobil, ein „Berufsin-formationszentrum auf Rädern“ sozusagen. Die-ser Gelenkbus ist ganzjäh-rig auf den Schulhöfen all-gemein bildender Schulen zu Gast, in jeder Woche an mindestens zwei Schulen irgendwo im Norden. Und

dann werden die Abschlussklassen über die Aus-bildungsmöglichkeiten in der M+E-Industrie infor-miert. Auch hier wird wieder Praxis geboten. Mit an Bord sind zwei professionelle CNC-Maschinen, an denen übrigens auch Mädchen erkennen: Ar-beit in der Metallindustrie ist heute nichts mehr nur für starke Männer und grobe Hände. Seit mehr als zwei Jahrzehnten engagiert sich NORDME-TALL auf diese mobile Art und Weise. Über 13.000 Schüler werden so jedes Jahr in Norddeutschland mit Berufsinfos versorgt.

Ein weiteres gutes Beispiel ist unser „NORDME-TALL Cup“, mit dem wir seit 2008 die Formel 1 in die Schule bringen. Dieser Wettbewerb richtet sich an Schüler ab 11 Jahren aufwärts und soll Be-geisterung für Technik und Wirtschaft wecken. Die Schüler bilden dazu einen eigenen Rennstall,

den sie auch vermarkten müssen. Und mit Hilfe professioneller Software konstruieren sie dann ei-nen kleinen Rennwagen, der dann in Landesmeis-terschaften gegen andere Teams antritt. Jedes Jahr mobilisieren wir mit diesem Wettbewerb gut 70 Schülerteams mit etwa 400 Teilnehmern aus Norddeutschland, die sich über mehrere Monate mit Konstruktionstechnik, Physik, Marketing und Team-Organisation beschäftigen. Dabei erfahren die Schülerinnen und Schüler hautnah, wie es sein könnte, als Ingenieur oder Projektleiter zu arbei-ten. Der Wettbewerb hat eine tolle Nachhaltigkeit und auch direkte Effekte für unsere Mitgliedsun-ternehmen. Einige Firmen engagieren sich näm-lich als Sponsor von Schülerteams und haben un-ter den Teilnehmern auch schon Auszubildende rekrutiert.

Wie entscheidend es ist, das MINT-Interesse zu Schulzeiten zu stärken, zeigt auch diese Zahl: 70 % der Studienanfänger in der Elektrotechnik hatten vorher Mathematik als Leistungskurs. Nur 16 % von ihnen hatten Deutsch. Wer also mehr Schüler schon in der Schule für MINT interes-siert, bekommt auch mehr MINT-Studenten. So-viel zur Theorie. Die Praxis ist ein dickes Brett. Aber wir bohren dran. So hat NORDMETALL erst vor kurzem ein neues Projekt mit der Hamburger Bildungsbehörde auf den Weg gebracht, bei dem jetzt in Stadtteilschulen MINT-Profile aufgebaut werden sollen. Das Projekt mit dem Namen „MINT-prax“ soll helfen, diesen Bereich systematisch zu entwickeln und nachhaltig zu verankern. Es ist gut, dass die Hamburger Schulverwaltung dieses Defizit erkannt hat.

Richten wir unseren Blick von der Schule zur Hochschule bzw. zum Übergang zwischen den Systemen. Hier gibt es eine große Chance zur Fachkräfterekrutierung, die sich „duales Studi-um“ nennt. Damit binden wir junge Talente bereits zu Beginn der Hochschulzeit an das Unternehmen und bekommen am Ende Absolventen, die längst in den Betrieb integriert sind. Wir fördern dieses Konzept, wo wir können. Nicht zuletzt mit der von NORDMETALL gegründeten Fachhochschu-le NORDAKADEMIE in Elmshorn, wo mittlerwei-le 1.200 Studierende ein Bachelor-Studium oder demnächst auch Master-Studium absolvieren. Den Vorteil dieses Systems haben mittlerweile über 500 Unternehmen erkannt, die ihre dualen Studenten zur NORDAKADEMIE schicken und dort zum Betriebswirt, Wirtschaftsingenieur und Wirtschaftsinformatiker ausbilden.

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„Über 13.000 Schüler pro Jahr im Infomobil“

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Wir binden Sozialpädagogen und Lehrer ein, die die Teilnehmer in einer Orientierungsphase fit ma-chen für ein Praktikum. Und dann vermitteln wir die Teilnehmer an Mitgliedsbetriebe, wo sie sich für eine reguläre Ausbildung empfehlen können. Über 300 junge Menschen im Norden haben schon mitgemacht, in einigen Gruppen schafften es über 70 Prozent in eine Lehrstelle. Alles Kandidaten, die „nach Aktenlage“ von den Unternehmen nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden wären, und jetzt voller Überzeu-gung beschäftigt werden, wie uns mehrere Personal- und Ausbildungsleiter be-stätigen.

Ich habe zu Anfang gesagt: Die Antwort auf das Fachkräfteproblem ist nicht einfach. Der Maßnah-menkatalog muss komplex sein. Und die Maßnah-men sind nicht billig. Allein NORDMETALL und die NORDMETALL-Stiftung investieren jedes Jahr mehr als 3 Millionen Euro in Bildungsprojekte. Ich finde: Das Geld und der Grips, der in den Projekten steckt, sind gut investiert. Sie wirken manchmal im Verborgenen, sind dafür aber effek-tiver, auch für unsere Mitgliedsunternehmen, als manche PR-Kampagne.

Ich würde mir als Ergebnis der heutigen Tagung wünschen, dass es uns noch besser gelingt, aus dem Übergangssystem ein System von Übergän-gen zu schaffen, mit dem wir sowohl Betrieben helfen, ihren Fachkräftebedarf zu decken, aber auch mehr jungen Menschen helfen, eine berufli-che Perspektive zu finden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Aber auch in den Ingenieurwissenschaften haben wir vor einigen Jahren mit der TU – Hamburg-Har-burg zwei duale Studienprogramme entwickelt: Infotronik und Mechatronik. Wie gesagt: Duale Programme, aber auf Universitätsniveau. Sehr anspruchsvoll, weil das ganz normale Uni-Studium hier keine zeitliche Rücksicht auf die Praxispha-sen im Betrieb nimmt. Aber: Tolle Absolventen!

Ich sagte aber auch schon: Gerade bei den Inge-nieuren sind es in Deutschland noch zu viele, die das Studium abbrechen. Deshalb machen wir im Dialog mit den Hochschulen immer häufiger die „Qualität der Lehre“ zum Thema. Was hilft es, mehr Schüler ans Ingenieur-Studium heranzufüh-ren, wenn fast jeder zweite auf der Strecke bleibt? Wir meinen: Eine Hochschule hat auch eine Ver-antwortung für den Erfolg ihrer Studenten. Ent-sprechende NORDMETALL-Projekte an der TU Harburg und der Fachhochschule Emden sammeln im Moment Erkenntnisse darüber, wie Lehrinhalte besser vermittelt werden können. Da geht es zum Beispiel darum, einmal durch Testfragen während einer Vorlesung zu überprü-fen, ob das gerade vom Professor Gesagte bei den Studenten angekommen ist und verstanden wurde. Das verlangt auch von Professoren einigen Mut. Aber es gibt Indizien dafür, dass die Lehre auch auf solche Weise verbessert werden kann – und am Ende auch mehr Studierende motiviert durchhalten.

Aber lassen Sie uns nicht nur auf die Studenten schauen, sondern auch auf die Facharbeiter der Zukunft. Und hier ist mir Eines ganz besonders wichtig: Dass wir vermehrt auch Schüler in unsere Auswahlprozesse einbeziehen, die bisher an den formalen Auswahlkriterien der Betriebe scheitern. NORDMETALL hat dazu vor einigen Jahren das Projekt „NORDCHANCE“ ins Leben gerufen. Da-mit bauen wir gemeinsam mit unseren Bildungs-werken der Wirtschaft und den Arbeitsagenturen jenen Jugendlichen ein Sprungbrett in unsere In-dustrie, die auf den ersten Blick nicht geeignet er-scheinen. Zielgruppe sind schlechte Hauptschüler oder Jugendliche ohne Schulabschluss oder sol-che, die seit Jahren Warteschleifen drehen. Meine Damen und Herren: Egal, ob es am Zeugnis, am Elternhaus oder sonstigen Umständen liegt, warum diese Bewerber bislang keine Ausbildung gefunden haben: Ich bin überzeugt, dass vielen von ihnen nur noch wenige Fähigkeiten bis zur Ausbildungsreife fehlen. „NORDCHANCE“ hilft auf diesem Weg.

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Ingo Kramer- Präsident NORDMETALL -

„Grips und Geld sind gut

investiert“

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Pressemitteilung

7. April 2011

Tagung „Fachkräfte der Zukunft“

„Mangel beklagen hilft nicht“

„Es hilft nichts, den Fachkräftemangel zu beklagen. Wir müssen etwas dagegen tun oder noch besser: wir müssen vorbeugen“, so Ingo Kramer, Präsident des Arbeitgeber-verbands Nordmetall, der heute 110 Experten aus Schulen, Betrieben, Verbänden und Behörden aus ganz Deutschland nach Hamburg geladen hat, um über Lösungen zu diskutieren. Ein Ansatzpunkt ist die Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Beruf.

Das Ziel müsse sein, jeden Jugendlichen gut auf die Berufswahl vorzubereiten und dann auch auszubilden. Denn die Berufsaussichten für Un- und Angelernte werden schlechter. Der technische Fortschritt und die Anforderungen an die Unternehmen durch Gesetze und Kundenvorgaben erfordern in Zukunft mehr höher qualifizierte Mitarbeiter denn je. Damit steigen auch die Ansprüche der Wirtschaft an Schulabgänger, die einen Ausbildungsplatz suchen.Wenn die Zahl junger Menschen abnehme, sinke aber auch die Zahl guter Schulabgänger. „Deshalb müssen Politik und Wirtschaft etwas tun, um auch Jugendlichen mit schlechtem oder gar keinem Schulabschluss eine Perspektive zu geben“, so Kramer. Das Nordmetall-Projekt „Nordchance“ sei ein Beispiel. Dabei sei es in den letzten Jahren gelungen, zwei Drittel der Teilnehmer in eine reguläre Lehrstelle zu vermitteln, obwohl sie nach Aktenlage keine Chance gehabt hätten. „Wir brauchen in Zukunft jeden“, bekräftigt Kramer.

Mit „Nordchance“ baue man gemeinsam mit den Bildungswerken der Wirtschaft und den Arbeitsagenturen jenen Jugendlichen ein Sprungbrett in die Industrie, die auf den ersten Blick nicht geeignet erscheinen. Nordmetall bindet dazu Sozialpädagogen und Lehrer ein, die die Teilnehmer in einer Orientierungsphase fit machen für ein Praktikum. Danach werden die Teilnehmer vornehmlich an Mitgliedsbetriebe vermittelt, wo sie sich für eine reguläre Ausbildung empfehlen können. Über 300 junge Menschen im Norden haben schon mitgemacht, in einigen Gruppen schafften es über 70 Prozent in eine Lehrstelle.

Jürgen Goecke, Chef der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit,begrüßte das Engagement von Nordmetall bei diesem wichtigen Thema: „Denn wir brauchen insbesondere die Unterstützung der Betriebe, wenn wir Jugendliche mit schwierigen Biografien nachhaltig in Ausbildung und Arbeit integrieren wollen.“ Hierbei seien ihm zwei Botschaften wichtig: Erstens dürfe es angesichts des demografischen Wandels und des drohenden Fachkräftemangels grundsätzlich keine Bildungsverlierer geben, die später am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt kaum noch Chancen hätten. „Zweitens müssen besonders die schwächeren Schülerinnen und Schüler – mit Blick auf die fast unüberschaubare Zahl beruflicher Perspektiven – so früh wie möglich individuelle Orientierung erhalten.“

weiter auf Seite 2

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(Seite 2)

Goecke ergänzte, dass alleine die Berufsberater der regionalen Arbeitsagenturen im Jahr 2010 in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern 135.000 Beratungsgespräche mit Schülern geführt haben. „Hier zeigt sich der große Informations- und Beratungsbedarf. Doch nicht nur diese Angebote sind unverzichtbar, auch unsere vielfältigen Qualifizierungschancen für junge Menschen beim Übergang in Ausbildung und Beruf sind notwendige Investitionen in die Zukunft. Im Norden waren dies 300 Millionen Euro im Jahr 2010.“

Prof. Dr. Reinhold Weiß, Ständiger Vertreter des Präsidenten und Forschungsdirektor beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn sieht Maßnahmen des Übergangssystems zu Recht in der Kritik: „Es wird bemängelt, dass sie zu selten zu einem Anschluss, also einer anerkannten Berufsausbildung, führen und zu häufig in Warteschleifen und Bildungssackgassen enden. Das Übergangssystem ist sowohl für betroffene Jugendliche wie für Betriebe intransparent und – gemessen am finanziellen Aufwand und den erzielten Ergebnissen – ineffizient.“ Das sei die eine Seite. Ebenso stehe aber fest, dass ein unmittelbarer Übergang aus der Schule in eine anerkannte Berufsausbildung vielen Jugendlichen nicht gelinge. Das habe viele Gründe: „Es mangelt noch immer an betrieblichen Ausbildungsplätzen, Berufswünsche und Ausbildungsangebot passen nicht zueinander, Jugendliche sind in ihren Berufswünschen unsicher oder es fehlen die erforderlichen Kompetenzen, um eine Berufsausbildung erfolgreich zu absolvieren“, so Weiß. Eine Neuausrichtung des Übergangssystems sei überfällig. Der Dschungel an unterschiedlichen Maßnahmen müsse gelichtet werden. Es müsse klar zwischen Maßnahmen für noch nicht ausbildungsreife und ausbildungsreife Jugendliche unterschieden werden. Letztere müssten den Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung erhalten. Weiß weiter: „Generell notwendig ist eine stärkere Ausrichtung auf die betriebliche Praxis. Die kann nur die Wirtschaft selbst leisten. Notwendig sind deshalb Initiativen und Förderangebote der Unternehmen und Verbände. Das Modell ‚Nordchance‘ stellt ein solches Angebot dar.“

Pressekontakte:

Peter Haas,Pressesprecher NORDMETALL Tel.: 040 / 6378-4231 Mobil: 0171-53 53 930 E-Mail: [email protected] facebook.de/PeterHaasHamburg Twitter: PeterHaasHH

Dr. Horst Schmitt, Pressesprecher Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Nord Tel.: 0431 / 3395-5160 Mobil: 0160-969 90 601 E-mail:[email protected]

Andreas Pieper, Pressesprecher Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) Tel.: 0228 / 107-2801 Mobil: 0170-160 99 44 E-Mail: [email protected]

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Referat 1: Dr. Juliane Roloff, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden

Vortrag 1

Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung und deren Auswirkungen auf den Fachkräftebedarf

Prof. Dr. Eckart Severing, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung

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Vortrag 2

Das Übergangssystem und seine Entwicklung

Prof. Dr. Reinhold Weiß, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

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Vortrag 3

NORDCHANCE in der dritten Runde: Präsentation der empirischen Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung Prof. Dr. Hannelore Kruschel, Innovative Bildungs- und Kompetenzentwick-lung (i.bke), Prof. Dr. Peter Dehnbostel, Helmut-Schmidt-Universität

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Referat 1: Dr. Juliane Roloff, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden

Workshop 1

Durchgängige individuelle Begleitung und Förderung zur Verbesserung der Integrationschancen

Moderation: Prof. Dr. Hannelore Kruschel

Im Workshop waren übergreifende Ergebnisse und Erfahrungen aus der individuellen Beglei-tung in Übergangssituationen sowie aus der Arbeit mit differenzierten Teilnehmergruppen in NORDCHANCE Gegenstand. Das Vorgehen, der Einsatz verschiedener Formen und Methoden in der Be-gleitung wurde im Kontext von Zielen, Bedingungen sowie qualitativen Ansprüchen an die Begleitung in Übergangssituationen dargestellt und diskutiert.

Referentinnen:• Elke Kruse (TA Nord Kiel)• Susann Mazaheri (Serco Hamburg)• Ines Hirschfeld (Agentur für Arbeit Hamburg)• Birgit Voigt (INBAS Berlin-Brandenburg)

Worauf kommt es in der Begleitung benachteilig-ter Jugendlicher an, um ihren Übergang in eine Ausbildung zu unterstützen? Was bewährt sich in der Begleitung? Das sind die Fragen, die in den Beiträgen und in der Diskussion im Mittelpunkt standen.Unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte aus der Sicht dieser Fragen waren Gegenstand – die Erschließung subjektiver Potenziale für den Über-gang, migrationsspezifische Anforderungen an die Begleitung, die Unterstützung der Begleitung durch die Zusammenarbeit im NORDCHANCE –Team und die Umsetzung von Qualitätsstandards in der Begleitung. Im Einzelnen zu den Ergebnis-sen:

1. Selbstbild und Selbsteinschätzung als Grundlage für die Integration Elke Kruse (TA Nord Kiel)

Selbstvertrauen und Zielstrebigkeit der Teilneh-mer sind subjektive Potenziale, die die Chancen für den Übergang in eine Ausbildung verbessern. Sie beeinflussen das Auftreten und Verhalten der Teilnehmer. Obwohl die Teilnehmer oftmals meh-rere berufsvorbereitende Maßnahmen durchlau-fen haben, ist kaum ein Selbstbild über ihre Stär-ken und Schwächen, eigene Wünsche und Ziele vorhanden. Die Unterstützung der Teilnehmer bei der Selbstreflexion und dem Aufbau eines Selbst-bildes ist deshalb eine grundlegende Aufgabe in

der Begleitung. Die Erfahrungen machen deutlich, dass nach einer Phase des Beziehungsaufbaus und Kennenlernens (ca. 7 Wochen) neben Selbst-einschätzungen auch Fremdeinschätzungen aus dem NORDCHANCE-Team einbezogen werden sollten. Insbesondere vergleichende Darstellun-gen regen die Teilnehmer zu Überlegungen und zur kritischen Reflexion eigener Einschätzungen an. Diskutiert wurden in diesem Zusammenhang außerdem rationelle und informative bzw. aussa-gekräftige Formen der Dokumentation.

2. Migration und berufliche Integration Susann Mazaheri (Serco Hamburg)

Besondere Anforderungen an die Begleiter sind gestellt, wenn in den Gruppen überwiegend Teil-nehmer mit Migrationshintergrund sind. Es treten zusätzliche Vermittlungshemmnisse auf, die be-dingt sind durch die Sozialisation in einem anderen ethnischen Umfeld. Probleme der Migrantengrup-pen untereinander oder auch der unterschiedli-che Status verschiedener Migrantengruppen sind außerdem Konfliktfelder, die sich in Gruppenkon-flikten widerspiegeln und der Bearbeitung bzw. Vermittlung bedürfen. Die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, in der Begleitung auftretende Pro-blemsituationen – z.B. Konflikte zwischen den Mi-grantengruppen, Probleme der Achtung und des unangemessenen Verhaltens, aber auch des Wi-derspruchs zwischen dem eigenen Verhalten und dem Anspruch, als Erwachsener zu gelten - aktiv aufzunehmen, mit den Teilnehmern ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu erarbeiten, die die Bewusstheit der Teilnehmer über das eigene Ver-halten erhöhen. Nur dadurch ist es möglich, eine Basis für die Arbeit in der Gruppe und mit einzel-nen Teilnehmern zu schaffen und ihre Vermittlung in Unternehmen aktiv zu unterstützen.

Workshop-Bericht

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3. Effekte der sozialpädagogischen Begleitung aus der Sicht der Berufsberatung Ines Hirschfeld (Agentur f. Arbeit, Hamburg)

NORDCHANCE ist ein Vorhaben, in das von vorn-herein Unternehmen einbezogen sind und in dem es eine klar definierte Anschlussperspektive gibt. Die zunehmende Vernetzung und Zusammenar-beit der Akteure in der Begleitung hat wesentli-chen Einfluss auf den erfolgreichen Übergang der Teilnehmer in eine Ausbildung. Aus diesem Grund ist die Optimierung der Zusammenarbeit mit den Begleitern auch weiterhin eine wichtige Aufgabe.

Die Zielgruppe - schwächere sozial Benachtei-ligte, vorwiegend mit Hauptschulabschluss und positiver Prognose – ermöglicht keinen direkten Einstieg in eine Einstiegsqualifizierung in einem Unternehmen, sondern erfordert eine Vorberei-tung über 5-6 Monate.

4. Individuelle Begleitung: entwicklungsoffen versus anforderungsbezogen Birgit Voigt, INBAS Berlin-Brandenburg

Auch wenn in NORDCHANCE der Anforderungs-bezug im Vordergrund steht, sollte der ganzheitli-che Blick auf die Persönlichkeit der Jugendlichen erfolgen und das Verhalten in anderen Leistungs- und Anforderungssituationen in den Blick genom-men werden, um Entwicklungsprozesse auf einer breiten Basis zu unterstützen.

Die Übergangsbegleitung ist mit besonderen An-forderungen an die Begleiter verbunden. Um wel-che es sich im Einzelnen handelt, sollte analysiert und in einem Anforderungs- bzw. Tätigkeitsprofil als Begleiter beschrieben werden. Diese Kompe-tenzen sollten Grundlage für bedarfsgerechte Qualifizierungsangebote sein.

Präsentationen der Referentinnen

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Referat 1: Dr. Juliane Roloff, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden

Workshop 2

Konzepte zur Verbindung von Theorie und Praxis.Lern- und Leistungsmotivation über praktische Tätigkeiten

Moderation: Prof. Dr. Peter Dehnbostel

Im Workshop standen zwei Erfahrungsberichte im Mittelpunkt, in denen im Projekt NORDCHANCE die Fachpraxis exemplarisch mit der Fachtheorie verbunden wird. Dargestellt und diskutiert wurde, wie die Selbständigkeit, Motivation und Arbeitshaltungen der Jugendlichen über eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis wesentlich verbessert werden können.

Referenten:• Björn-Ole Böttcher (TA Nord Kiel)• Jürgen Maßon und Udo Vomfey (BWU Bremen)• Günter Abraham und Herbert Ewen (TA Nord Kiel)

Im Workshop standen zwei Erfahrungsberichte aus NORDCHANCE im Mittelpunkt, in denen die exemplarisch entwickelte Verbindung von Theorie und Praxis präsentiert wurde.

Bei dem ersten Erfahrungsbericht handelt es sich um eine fachpraktische Berufsvorbereitung des Bildungswerks der Wirtschaft im Unterweserge-biet (BWU) in Bremen, die im Zeitraum Oktober bis Dezember in 60 Stunden Fachpraxis an jeweils zwei zusammenhängenden Wochentagen in der Ausbildungswerkstatt des Mercedes-Benz Werks in Bremen durchgeführt wurde (s. erste Präsenta-tion im Folgenden). Die Betreuer der 20 Jugendlichen im Alter von 17 – 21 Jahren mit teilweise Migrationshintergrund waren Herr U. Vomfey von der Fa. Flowserve- Gestra und Herr J. Maßon vom Mercedes-Benz Werk Bremen. Beide können auf jahrzehntelange Erfahrungen und Erkenntnisse im Ausbildungsbe-reich zurückgreifen. Ziele der fachpraktischen Berufsvorbereitung sind u. a.: den Berufswahlprozess zu unterstützen, Selbstwertgefühle aufzubauen, auf die Arbeitswelt und die nachfolgende betriebliche Einstiegsquali-fizierung vorzubereiten. Im Mittelpunkt der Fach-praxis stand für die Jugendlichen die Aufgabe, ei-nen Briefhalter und eine Uhr zu fertigen. Hierbei handelt es sich sozusagen um Kleinstprojekte, für deren Durchführung die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse im Vorfeld erworben wurden. Ge-zielt wurden Organisation und Motivation des Qua-

Workshop-Berichtlifizierungsprozesses gefördert, u. a. durch feste Regeln und Vereinbarungen zum Arbeitsbeginn, zur Arbeitskleidung, zu Sicherheitsbestimmungen und zur Beurteilung. Es wurde ein Tagesbogen für die Projektleitung geführt, eine Benotung gab es nicht, und die Jugendlichen konnten in wachsen-dem Maße selbstständig arbeiten.

Der andere Erfahrungsbericht hat ein die The-orie und Praxis verbindendes Kurzprojekt in der Berufsvorbereitung zum Gegenstand, das Projekt „Weltkugel“ (vgl. zweite Präsentation). Das Pro-jekt wurde von den Betreuern Herr G. Abraham als verantwortlicher Ausbilder und Herr H. Ewen als begleitender Lehrer durchgeführt, beide sind seit Jahrzehnten im Ausbildungsbereich als Ex-perten tätig. Die Jugendlichen, die alle über eine Haupt- oder Realschulabschluss verfügen, teilten sich für die Projektarbeit zu Ende der Orientierungsphase im Januar 2011 in vier Gruppen zu je drei Teilneh-mern auf, die jeweils eine Weltkugel anfertigten. Der Verzahnung von Theorie und Praxis kommt in dem Projekt eine besondere Bedeutung zu. Ziel ist es, das Projekt Weltkugel zu planen, durchzu-führen, zu kontrollieren und zu präsentieren. Der Ausbilder nimmt dabei eine lernprozessbegleiten-de und Coachingfunktion wahr, die in diesem Fall vom Lehrer unmittelbar unterstützt worden ist. Weitergehendere Ziele sowie die detaillierte Ab-laufplanung des Projekts sind aus der Präsentati-on zu ersehen.

In der engagierten Diskussion, an der mehrere Jugendliche der Standorte Kiel und Bremen leb-haft teilnahmen, wurde mehrfach betont, dass Ju-gendliche mit schlechten Schulerfahrungen und theoretischen Defiziten am besten über sinnvolle praktische Tätigkeiten zu motivieren und sozial zu integrieren sind. Die fachpraktische Berufsaus-

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bildungsvorbereitung an beiden Standorten wur-de als sehr erfolgreich bewertet. Hervorgehoben wurden besonders Engagement, Einfühlungsver-mögen und Erfahrungen der beteiligten Ausbilder und Lehrer.

In der Diskussion wurde allerdings auch kritisch angemerkt, dass in der allgemein bildenden Schu-le zu wenig unternommen wird, um Jugendliche an die Arbeitswelt heranzuführen. Die Rolle der Unternehmen könnte hierbei sicherlich über Be-triebspraktika und Betriebserkundungen verstärkt

werden, allerdings ohne zusätzliche finanzielle Belastungen. Zudem wurde für Bildungsträger gefordert, dass sie so ausgestattet und personell besetzt sind, dass eine systematische und kon-tinuierliche Verbindung von Theorie und Praxis gewährleistet und über eine Qualitätssicherung abgesichert werden kann. Und schließlich wurde gefragt, wie denn die im Workshop vorgestellten erfolgreichen Maßnahmen fortgeführt werden können, wenn das Projekt NORDCHANCE beendet ist.

Präsentationen der Referenten

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Auszug aus einem Leitfadenentwurf für die Durchführung eines Theorie und Praxis verbindenden Kurzprojekts in der BerufsausbildungsvorbereitungProjekt „Weltkugel“Günter Abraham (T-A-Nord), Herbert Ewen (T-A-Nord), unter Mitarbeit von Sascha Heeren (HSU) Voraussetzungen der Projektdurchführung:

Das Projekt Weltkugel wurde am Standort Kiel durchgeführt. Der Abschluss der Orientierungsphase gestaltet sich in Kiel in Form einer Projektwoche, in der sich die Teilnehmer gezielt auf ein Projekt kon-zentrieren können. Das Ziel soll es sein, in der praktischen Ausbildung das Kurzprojekt „Weltkugel“ zu planen, durchzuführen, zu kontrollieren und zu präsentieren. Dem Ausbilder kommt dabei eine lernpro-zessbegleitende und Coachingfunktion zu, und auch der Fachtheorielehrer ist in dieser Funktion hinzu-gezogen. Die Gesamtverantwortung einschließlich der vorbereitenden, planenden und bewertenden Funktion liegt weiterhin beim Ausbilder. Der Verzahnung von Theorie und Praxis kommt in dem Projekt eine besondere Bedeutung zu, denn es gilt vor allem, die praktische Anwendbarkeit des Erlernten und Perspektiven für die Zukunft der Jugendlichen aufzuzeigen. Die zentralen Ziele sind:• Eigenständig Erfahrung machen,• Selbstständigkeit, Interessiertheit und Engagement,• Motivation, Ganzheitlichkeit, • Heranführen an theoretische Reflexion,• Aufbrechen schlechter Schulerfahrungen.Um das Projekt durchführen und die Weltkugel herstellen zu können, sind folgende Fertigkeiten und Arbeitstechniken notwendig, die in der Orientierungsphase vor Projektbeginn vermittelt wurden:Zeichnungen lesen, Arbeitsplan, Anreißen, Körnen, Bohren, auch Anschleifen, Senken, Scheren, Sägen

Page 32: Fachkräfte der Zukunft

32

Hand/Maschine, Gewinde schneiden innen/außen, Löten, Schweißen, Putzen der Nähte, Biegen, Rich-ten, Treiben (CU), Trennschleifen, Teilkopf – indirektes Teilen, Streichen (Farbe), Montageplan

Matrixdarstellung des Projektablauf (Ablaufplanung):

In der folgenden Matrixübersicht sind der zeitliche Projektablauf und die jeweils herangezogenen Fach-theorie- und Fachpraxisinhalte aufgelistet. Die Fachtheorie ist lernfeld-orientiert ausgerichtet, da sie sich an der Lernfeldstrukturierung der Berufsschule nach KMK-Vorgaben orientiert; sie ist kompetenz-orientiert, da sie sich an dem Leitziel der beruflichen Handlungskompetenz im Sinne der von der KMK definierten Fach-, Sozial- und Personalkompetenz orientiert. Die der letzten Spalte zugeordneten Hin-weise gehen auf wesentliche didaktische und methodische Aspekte bei der Projektdurchführung ein, insbesondere thematisieren sie das Theorie-Praxis-Verhältnis.

4

Zeit/Phase Fachpraxis Fachtheorie (lernfeld- und kompetenzorientiert)

Didaktisch-methodischeHinweise

1. Tag

• Vorstellen des Projekts (Lehrmeister G.

Abraham)

• Ablauf und Zeitplan

• Bearbeiten der Projektmappe

• Einführung Projektprotokoll

TN sind durch Fachlehrer (H. Ewen) auf das

Projekt „Weltkugel“ vorbereitet. Außer

Schweißen und Schleifen sind die geforderten

Tätigkeiten zur Herstellung der Weltkugel im

theoretischen Unterricht behandelt worden.

Die Grundkenntnisse sind in Anlehnung an die

Praxis (Orientierungsphase) vermittel worden.

Im theoretischen Unterricht wäh-

rend der Orientierungsphase die

Weltkugel mithilfe von Draht

(Durchmesser 3 mm) gebogen. Als

Süd- und Nordpol diente ein

Schwamm.

• Berechnungen zum Umfang

(Äquator)

• Zeigen von Entwicklung von

Jahreszeiten zur Ekliptik

• Mond- und Sonnenfinsternis

durch angestrahltem Tennisball

demonstriert

2. Tag

• Ablaufbesprechung

• Vorstellungen entwickeln für Halterung

(Fuß der Weltkugel), dazu Skizzen anfer-

Unterweisung über Handhabung und Unfallge-

fahren beim Arbeiten mit dem Winkelschlei-

fer.

• Demonstration praktischer Ar-

beiten mit Winkelschleifer.

• Skizzen werkstattgerecht be-

5

tigen

• Aus Schrottkasten Material aussuchen

• Mit Winkelschleifer Fuß bearbeiten

maßen

3. Tag

Lagerhalter T2 (2x):

• Anreißen Fl-Band (40x6) auf L = 40 mm

• Sägen (Maschine) auf L = 40 mm

• Entgraten

• Auf Anreißplatte mit Höhenreißer Boh-

rungen markieren:

o ϕ = 6,5 mm – 4x

o ϕ = 19,0 mm

Sägen:

• Winkel am Schneidwerkzeug α β γ

• Freischneiden

Mit Schrenkzange stumpfen Fuchs-

schwanz zum Freischneiden brin-

gen. Demonstration nach Ausrich-

ten der Zähne (Holzschnitt).

4. Tag

Gewindeplatte T3 (2x):

• Nach Sägen entgraten

• Mit Höhenreißer anreißen:

o ϕ = 5,0 mm – 4x

Prüfen:

• Unterscheiden Messen und Lehren

• Toleranzen

• Oberfl.-Zeichen in Zeichnung

Gruppenbildung im Klassenraum

(Orientierungsphase): Prüfen mit

Messschieber, Bügelmessschraube,

Lehrdorn usw.

Veranschaulichung durch Tisch-

bohrmaschine: Benennen der Bau-

6

o ϕ = 12,0 mm

• Körnern, Bohren, Entgraten (T2 und T3)

• Innengewinde M6 – 4x schneiden

• Auf Achse (T1) beidendig M6 schneiden

Bohren:

• Bohrer anschleifen und auf Schneidhaltig-

keit durch Bohrversuch prüfen

• Funkenprobe durch Werkstücke aus

HSS/S235/GGG

• Rechnungen Vc/n/f für Bohrerdurchmesser

5,0 mm; 12,0 mm

Gewinde:

• Darstellung Innen- und Außengewinde in

Zeichnung

• Bohrungsdurchmesser für Gewinde

teile und auf Vorlage eintragen;

Berechnungen zu i (Übersetzungs-

verhältnis) nach Messen der Keil-

riemenscheiben; Arbeiten nach dem

Tabellenbuch (>1<).

Drehzahldiagramm erstellen.

Gewinde:

• Bestimmen von D, d, P bei Re-

gelgewinde.

• Arbeiten mit Tabellenbuch

• Entwickeln von Spannungs-

Dehnungsdiagramm für

Schraube 6.8

5. Tag

• Erdteile auf Cu-Blech (t = 0,5 mm) skiz-

zieren, ausschneiden mit Handschere o-

der mit Meißel (klein) trennen, entgraten

Verhalten der Werkstoffe Cu, S235 durch Er-

wärmen, Warm-und-Kalt-Ziehen von S- und

E-Stählen

Probeblech (Cu) erwärmt und ab-

geschreckt. Wir beobachten da-

durch bessere Verformbarkeit beim

Treiben

Page 33: Fachkräfte der Zukunft

33

11

• Fertigen der Motorhalterung T20 und

T21 nach Zeichnung

• Motorbuchse T13 von unten auf Achse

drehen

• Motor in Motorhalterung schieben und

Welle mit Motorbuchse durch Gewinde-

stift arretieren

• Blechkastenummantelung auf Blech

zeichnen, ausschneiden und Öffnung für

Schalter anbringen

• Biegen unter Verwendung eines Holz-

klotzes (im Schraubstock)

• Löten der offenen Seite der Motorum-

mantelung

• Stromkabel von Motor zu Schalter – von

Schalter zu Stromquelle verlegen und lö-

ten

• Motorummantelung auf Motorhalterung

ten

• Hilfsstoffe beim Löten

• Schweiß- und Lötverbindungen in Zeich-

nungen eintragen können

Bleche:

• Bezeichnungen (z. B.: DC01)

• Warm und Kalt gezogene Bleche

(Randadhäsion) und reflektie-

ren auf Lötspalt

• Begriff „Kohäsion“ durch Ver-

wendung von Spülmittel de-

monstrieren

• Zeigen von blanken Blechen

(kalt gezogen) im Vergleich zu

warm gezogenen Fl-Bändern

T10 und T11

• Zeigen der Rückfederung beim

Biegen von Blechen und damit

das Überstrecken der Winkel-

biegungen erkennen (s. auch

Tabellenbuch)

• Erkennen der Kabel +/-/0 –

Leiter anhand der Farben

12

schieben und verschrauben

• Kontrolllauf durch Anschließen an

Stromquelle 12 V

11. Tag Präsentation der Weltkugel als Projektergeb-

nis in den einzelnen Gruppen

Freier Vortrag und Vorstellung der

eigenen Arbeit.

TN berichten über erworbene Fer-

tigkeiten und Kenntnisse und auf-

getretene Schwierigkeiten.

Auswertung durch G. Abraham und

H. Ewen – Lob an die Teilnehmer.

10

• Z. T. mit Winkelschleifer Schweißnaht

nachputzen

9. Tag • Achse durch Polringe schieben

• Polringe durch leichtes Gegeneinander-

drücken Erdform erreichen

• Arretieren durch Gewindestifte

• Distanzring auf Ende der Achse schieben,

um gleichmäßigen Lauf (Abstand) gegen

Haltering zu gewährleisten

• Achse durch Aufbiegen des Halteringes

in diesen einführen.

• oben herausragendes Gewinde der Achse

durch Scheibe und Mutter sichern

• Fuß und Halteringe mit schwarzer Farbe

versehen

10. Tag • Erdteile durch Lötklammern an Ringe

befestigen

Löten:

• Unterschied zwischen Weich- und Hartlö-

• Begriff „Adhäsion“ durch Was-

ser im Glas demonstrieren

9

7. Tag

• Polplatte T9 in Teilkopf einspannen

• 16 Bohrungen (ϕ = 6,2 mm; t = 15 mm)

über LK (Lochkreis) 28 anbringen

• 1x Bohrung (ϕ = 5 mm) für Gewindestift

auf Zapfen bohren

• Alle Bohrungen entgraten

• Für Gewindestift M6 schneiden

• Ringe I-V nach Zeichnung zuschneiden,

auf Biegemaschine biegen und anschlie-

ßend ausrichten

• Ring I (8x) mittig durch Sägen trennen

• 16 Ringe nach Sägen und Entgraten in

Polkappen schieben

• Arbeiten mit Teilkreisen, i = 40

• Für Herstellung der 16 Bohrungen: 2 ganze

Umdrehungen und 14 LA auf 28er LK

• Zählen der LK auf Lochscheibe

und vergleichen mit Tabellen-

buch

• Erläutern Schneckengetriebe

(1/40 bei Teilapparat)

8. Tag

• Ring II-V nacheinander auf Ring I durch

Klammern halten und justieren

• Alle Ringe durch MAG-Verfahren ver-

schweißen

s. o. s. o.

8

durch Reißnadel markieren

• Ebenso mittig Bohrung 6,5 mm kenn-

zeichnen

• Körnern und Bohren, Entgraten

• Gewinde M6 in Haltering T11 schneiden

• Wälzlager (Kugel)

o D = 19,0 mm,

o D = 6,0 mm eindrücken in Lager-

halter T2

• Verschrauben der genannten Bauteile von

oben mit Schrauben M6x15 mm – Unter-

legscheiben verwenden

Schleifen

• Begriffe wie Körnung, Bindung, Poren

herausarbeiten

• Harte-weiche-Scheibe und deren Verwen-

dung

• Eintragen von RZ und Ra in Zeichnungen

Schrauben

• Arten

• Festigkeit

• Verwendung

• Bezeichnungen D, d, d3, P

• Bohrerdurchmesser für M6 bestimmen

• Grobe Formel auch (Mx0,8mm)+0,2

Vergleichen von Schleifpapier ver-

schiedener Körnungen. Betriebsbe-

sichtigung bei Hydraulik-Buchholz

– Schwerpunkt: Schleifen, Honen –

Oberflächengüte begutachten durch

Mikroskop (bei o.g. Firma).

Im Vordruck „Schrauben“ diese

benennen. Arbeiten mit Tabellen-

buch.

Zeigen von Regel- und Feingewin-

de durch zurechtgeschnittenes Pa-

pier (Steigung). Dazu auf einer

Schräge mit verschiedenen Halte-

winkeln Metallbauteil rutschen

lassen und damit Regel- und Fein-

gewinde nachhaltig erkennen las-

sen.

7

• Treiben der Erdteile in vorgefertigter

Stahlform durch Gummihammer

6. Tag

• Haltering T10 auf L = 1150 mm durch

Maschinensäge zuschneiden

• Haltering T11 auf L = 1185 mm zu-

schneiden

• T10 und T11 auf Handmaschine biegen

• 12x Zwischenringe T12 mit Handsäge

zugeschnitten und entgratet

• Einweisung Schweißen durch G. Abra-

ham

• Schweißübung

• T10 und T11 mit T12 verschweißen –

entgraten durch Winkelschleifer

• Gewindeplatte T3 und Lagerhalter T2 an

Haltering T10 von innen anpassen und

von unten 4 Bohrungen (ϕ = 5,0 mm)

Biegen

• Kalt- und Warmbiegen

• Dazu: Betriebsbesichtigung HDW

Schweißen

• Besichtigung der vorliegenden Schweißan-

lage und Erläuterungen dazu

• Arbeiten mit richtiger Ampere-Zahl und

Gasdruck

Flexibles Durchmesser 150mm-

Rohr an Tafel biegen. Draht auf

neutrale Zone legen. Anschließend

Länge von Rohr und Draht verglei-

chen. Erkennen von Strecken und

Stauchen.

Atommodell von Argon mit Elekt-

ronen, Protonen, Neutronen an

Schultafel demonstrieren. Begriff

„Edelgas“ anhand der Anzahl der

Elementarteilchen erkennen. Arbei-

ten mit Tabellenbuch.

Praktische Schweißübungen und

Auswertung

Page 34: Fachkräfte der Zukunft

34

Referat 1: Dr. Juliane Roloff, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden

Workshop 3

Bildungsdienstleister – Unternehmen – Berufsschulen: Kooperations-modelle im Übergangssystem am Beispiel des Hamburger Modells

Moderation: Hans-Dieter Körner

Im Workshop waren neue Modelle der Zusammenarbeit von beruflichen und allgemein bildenden Schu-len, Betrieben, Arbeitsagenturen und Bildungsdienstleistern im Übergangssystem Gegenstand. Auf der Grundlage der Ist-Situation - Jugendliche im Übergangssystem und der Problemlage – wurden Perspektiven und innovative Lösungsmodelle zur Diskussion gestellt.

Referenten:• Rainer Schulz (Hamburger Institut für Berufsbildung HIBB)• Petra Jack (Gewerbeschule 1 Hamburg)• Peter Gorzkulla-Lüdemann (Agentur für Arbeit Hamburg)

Ergebnis des Workshops:

1. Zu einer erfolgreichen Integration in den äu-ßerst aufnahmefähigen ersten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt führen in der Regel nur betriebsna-he Modelle, in denen die Lernorte Betrieb, Berufs-schule und Bildungsträger sowie die Agentur für Arbeit eng und klientenbezogen zusammenarbei-ten.

2. Die berufsbildungspolitische Zielsetzung, im Übergangssystem zukünftig die sogenannten Schulschleifen zu vermeiden und jedem Schüler eine berufsqualifizierende Ausbildung anzubie-ten, wird begrüßt und nachhaltig unterstützt.

Workshop-Bericht

3. Den Bildungsbegleitern kommt in diesem Sys-tem eine zentrale Bedeutung zu, sowohl präventiv im Rahmen der Berufsvorbereitung in den Allge-meinbildenden Schulen als auch während der be-ruflichen Qualifizierung, gleich in welcher Träger-schaft.

Damit das Übergangssystem auch seinem Namen gerecht wird, ist es so umzugestalten, dass für Ju-gendliche ein Übergang mit System stattfindet.Dies ist • durch verbesserte Berufs- und Studienorientie-rung ab Klasse 8 in den allgemeinbildenden Schu-len,• durch eine verbesserte berufsnahe Ausbildungs-vorbereitung für nicht ausbildungsreife Jugendli-che• und eine möglichst duale Berufsanleitung si-cherzustellen.

Hierfür ist es notwendig, dass alle Akteure abge-stimmt und systematisch zusammenarbeiten.

Präsentationen der Referenten

Fachtagung NORDMETALL„Neue Konzepte für den Fachkräftenachwuchs“

am 07.04.2011

Hamburger Institut für Berufliche Bildung

„Den Übergang von der

Schule in den Beruf gestalten“

„Übergang Schule - Beruf“

Schulz, Rainer, HIBB 2

Agenda

1. Problemaufriss Bundesweite EntwicklungEntwicklung in Hamburg

2. Übergang Schule – Beruf2.1 Aufgaben und Ziele 2.2 Hamburger Ausbildungsmodell / Berufsqualifizierung

Page 35: Fachkräfte der Zukunft

35

Schulz, Rainer, HIBB 3

„Übergang Schule - Beruf“

1. ProblemaufrissBundesweite Entwicklung

• Übergang von der allg. Schule in die Berufsausbildung gelingt 400 TSD Jugendlichen nur mit Verzögerung oder gar nicht!

• Steigender Anteil von Jugendlichen ohne Abschluss in Sek II seit 2000

• Neue Brisanz durch demografischen Wandel und Fachkräftemangel

• Heterogene Gruppe der benachteiligten Jugendlichen

• Außerdem Jugendliche, die als marktbenachteiligt gelten

• Maßnahmen sind nicht ausreichend auf die Jugendlichen zugeschnittenund im Sinne einer Kohärenz aufeinander abgestimmt

Schulz, Rainer, HIBB 4

„Übergang Schule – Beruf“

1. ProblemaufrissEntwicklung in Hamburg

• 28% der Schüler verlassen die allg. Schule ohne hinreichende Basisqualifikation

• Besonderheiten des “guten Ausbildungsmarktes”

• Hohe Quote von Umländern in der Ausbildung

• Kein demografischer Wandel bis 2020

• Alterstrukturelle Verschiebung innerhalb der 20- bis unter 60-jährigen

• Hoher Migrationsanteil und Anteil von Schülern ohne Abschluss

• 40 Mio € im schulischen und 60 Mio € im außerschulischen Bereich

2. „Übergang Schule - Beruf“

Schulz, Rainer, HIBB 5

2.1 Aufgaben und Ziele

• Nachhaltige Berufs- und Studienorientierung in SEK I und II durch Kooperation der allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen und der Berufsberatung der Arbeitsagentur in der SEK I (Klasse 8 -10)

• Befähigung der Jugendlichen zur Aufnahme einer Ausbildung, die ihren Neigungen und Fähigkeiten entspricht

• Konzentration der Angebote in der Ausbildungsvorbereitung auf die Jugendlichen ohne hinreichende Ausbildungsreife

• Niederschwelliger Einstieg durch eine anrechnungsfähige Qualifizierung für ausbildungsreife, aber marktbenachteiligte Jugendliche oder Problemgruppen des Ausbildungsmarktes (statt weiterer Warteschleifen)

10. -

7. / 8.

SJ

Berufs- und Studienorientierung Stadtteilschule

in Kooperation mit berufsbildenden Schulen und außerschulischen Partnern

11.SJ

Voll-schul.

Aus-bil-

dung

BFS vq

Ober-Stufe

StS

GYM

BG-GYM

HAMBerufs-

qualifizierung

Ausbildungsreife vorhanden

BetrieblicheAusbildung

Ausbildungs-vorbereitung

in Verbindung mit EQ / QuAS

Ausbildungsreifepartiell / nicht vorhanden

Produkt.-schulen

ÜBERGANGSMANAGEMENT

Reform Übergang Schule - Beruf

Geförderte Ausbildung

HAM(Anrechnung

Berufs-qualifizierung)

z.B.BaEHABJBHHAP

HAM Hamburger AusbildungsmodellBaE Berufsausbildung in außerbetrieblichen EinrichtungenHAB Hamburger Arbeit BeschäftigungsgesellschaftJBH JugendberufshilfeHAP Hamburger Ausbildungsplatzprogramm2. „Übergang Schule - Beruf“

Schulz, Rainer, HIBB 7

2.2 Hamburger Ausbildungsmodell / Berufsqualifizierung

• ausbildungsreife, schulpflichtige Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz im dualen System erhalten haben

• Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen

• Lernorte sind die berufsbildenden Schulen, Träger und Betriebe

• Gestaltung des Angebotes- 1. Jahr ist schulisch organisiert/ Fachpraxis findet in Schule und

Betrieb statt/ soll auf anschließende Ausbildung angerechnet werden

- 2. und 3. Ausbildungsjahr findet im Rahmen der betrieblichen Ausbildung oder bei Trägern und in Betrieben nach BBIG / HWO statt

Informationen zum Übergang Schule - Beruf

Kooperationsmodelle im Übergangssystem Schule - Beruf

an der

G1

Petra Jack /AL BvB

Bernd-Peter Mitze/ AL BFS, BQ April 2011

Gestaltung des Übergangs Schule - Beruf

Die Elemente des Übergangssystems an der G1 in Kooperation mit Bildungsdienstleistern und Unternehmen

1. Berufsqualifizierung zum „Metallbauer“ (BQ / Hamburger Modell)

2. Einstiegsqualifizierung (EQ)

3. Good Practice – Good Practice? (BQ / EQ)

4. TransFer/neue Ausbildungsvorbereitung (AV)

5. Good Practice – Good Practice? (AV)

2

Page 36: Fachkräfte der Zukunft

36

1. Ausblick

Im kommenden Schuljahr werden in der Berufsqualifizierung insgesamt

200 Plätze in folgenden Berufen angeboten:

• Anlagenmechaniker/-in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, G2

• Bürokauffrau/-mann, H7 und H10

• Elektroniker/-in, Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik, G10

• Gastronomieberufe: Fachfrau/-mann für Systemgastronomie, Hotelfachfrau/-mann, Köchin/Koch, Restaurantfachfrau/-mann,Fachkraft im Gastgewerbe, G11

• Lagerberufe: Fachkraft für Lagerlogistik, Fachlagerist/-in, G7

• Metallberufe: Metallbauer/-in, Konstruktionsmechaniker/-in, G1

5

2. EQ – Ziel

• Ziel: Aufnahme einer Ausbildung

• Zielgruppe: - Nicht mehr schulpflichtige Schulabgängerohne Anschluss

- i. d. Regel mit HSA

- ohne ausreichende Ausbildungsreife

6

2. Eckpunkte

Zwei Dualisierungsphasen in einem Jahr:

1. Beginn Oktober mit Praxisanteilen beim Bildungsdienst-leisterBS (2 Tage) + Vermittlung von Ausbildungsmodulen (3 Tage) z.B. Metall-Bauteileherstellung bei Serco mit Bildungsbegleitung

„Bergfest“- Präsentation

2. Beginn März mit Praktikum im BetriebBS (2 Tage) + Praktikumsphase in Unternehmen, Überleitung in Ausbildung (3 Tage) mit Bildungsbegleitung

7

3. Good Practice

8

Stärken: 100%ige Vermittlung in Praktikumsbetriebe

durch Bildungsbegleitung des Bildungsdienstleisters (Serco) bzw. BS/Kollegen:- Orientierung an den Kompetenzen, Interessen und Stärken

des Schülers, die in der 1. Phase deutlich werden

- intensive Praktikumsvorbereitung

- gewachsene Kooperationen mit Betrieben (z.B. Still)

- umfangreiche Betriebskontakt-Datenbank/

hohe Bereitschaft der Unternehmen

Vermittlung in Ausbildung

3. Good Practice?

9

Problem:Nach Beginn der 2. Phase der Dualisierung Häufung von Vertragsauflösungen Gründe: - „Betriebsschock“, wegen unzureichender betrieblicher

Lernerfahrungen

- Begleitstruktur beim betrieblichen Lernen

- schwieriges Schülerklientel (geringe Frustrationstoleranz, verminderte Konfliktfähigkeit, zu hohe Selbsteinschätzung)

- Erwartungshaltungen der Betriebe

- Keine (Aus-)bildungsvergütung

Aus Bewährtem lernen…

1. Kompass (ESF-Projekt 2004-2007)

3 Förderschulen + G12 + bbw entwickelten ein Übergangssystem fürFörderschülerInnen in eine Ausbildung oder Arbeit ohne Warteschleifen

2. TransFer (ESF-Projekt 2007 – 2011)

6 Stadtteilschulen einer Region + G12/G1 entwickelten ein Übergangs-system in Anlehnung an Kompass

3. Neue Ausbildungsvorbereitung (AV) + ESF-Projekt „AV – dual“

Entwicklung eines Übergangssystems in Anlehnung an TransFer (20 AV Schulen in 7 Bezirken HHs)seit 2010/11 Erprobung AV an den Pilotschulen G8 + G12

4. TransFer/Neue Ausbildungsvorbereitung

10

1. BQ - Ziel

3

• Ziele: Aufnahme einer Ausbildung

• Zielgruppe: Berufssschulpflichtige Schulabgänger/innen- möglichst mit einem Schulabschluss- mit ausreichender Ausbildungs- und Berufsreife

Sinnvoll für eine Vermittlungschance ist in der Regel ein Schulabschluss!

1. Dualisierung

4

Berufsschulunterricht und Betriebsunterweisung wie im ersten Ausbildungsjahr des jeweiligen Berufes + die Lehrgänge des 1.

Ausbildungsjahres

Probehalbjahr Abschlussbeurteilung

Beurteilungen durch Betriebe, Lernbegleiter und Schule

Alle Inhalte des ersten Ausbildungsjahres werden abgedeckt

Eine Übernahme ins zweite Ausbildungsjahr des Betriebes

ist Ziel dieser Maßnahme!Fällt der Betrieb aus, springt ein Träger ein.

Page 37: Fachkräfte der Zukunft

37

• Ziele: Aufnahme einer Ausbildung/berufliche Erwerbstätigkeit

• Zielgruppe: Berufssschulpflichtige SchulabgängerInnen ohne ausreichende Betriebs- bzw. Ausbildungsreife

4. TransFer/Neue Ausbildungsvorbereitung

11

Heterogene Lerngruppen•FörderschülerInnen (Kompass)

•SchülerInnen mit/ohne Hauptschulabschluss (TransFer)

•Schulpflichtige „Bildungsgang-Abbrecher“ z.B. BFS, BQ, EQ

(Benachteiligte, Schulversager, Jugendliche mit Behinderungen, Absentisten, Migranten etc.)

Bildungsbegleitung

• Mentor ist fester Ansprechpartner im Betrieb und für den Schüler

• Möglichst wöchentliche Lernbegleitung im Betrieb.

• Lernbegleitung in der Schule

4. Eckpunkte

13

• mehr Übergänge in Ausbildung und QuAs als bei BV-Standard (Praxislernen in der Werkstatt, berufsfeldabhängig )

• Frühzeitige und zahlreiche betriebliche Lernerfahrungen vermeiden „Betriebsschock“ („aus Fehlern lernen dürfen“)

• Intensive Lernbegleitung der Mentorin/des Mentors fördert Kooperation mit den Unternehmen/SchülerInnen

(„Reaktion nicht erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“)

• Mentorenrunde klärt aktuelle Probleme („von anderen lernen“)

• Wöchentliche Teamsitzungen/G1 Übergangssysteme ermöglichen schnelle und passgenaue Vermittlungen

5. Good Practice

15

• Vermittlung von Ausbildungsplätzen ohne HSA „Ich nehme den Schüler nur, wenn der HSA geschafft wird“

• „Verprellen“ von Betrieben„ Ich nehme keine Auszubildende/Praktikanten mehr.“„ Ich nehme nur gute Auszubildende/Praktikanten“

• „Praktikumsverweigerer“

• Nichtaufnahme einer Ausbildung aufgrund persönlicher Probleme (Kriminalität, psychisch etc.)

• Abbruch von Ausbildungen nach Berufsschulpflicht

Chance? Geplante Ressourcenverbesserung (BS und AV-Begleiter von Bildungsdienst-leistern) + ESF-Begleitstruktur AV - dual

5. Good Practice?

16

Individualisierung des Lernens und Lernen für die Arbeitswelt

3. Eckpunkte

14

Dualisierung: Lernort Schule (2 Tage), Langzeitpraktika im Lernort Betrieb (3 Tage), berufsfeldübergreifend

4. Eckpunkte

12

TransFer

Lernen im Betrieb

AV - Lernorte

Lernen im Betrieb

Lernen im Betrieb

Mentorenrunde/Lernen für die

Arbeitswelt

Lernaufgabe

IndividualisiertesLernen

Arbeitswelt Arbeitswelt Schule SchuleArbeitswelt

Lernen in Schule und Arbeitswelt

Lernaufgabe

Individualisiertes Lernen

Page 38: Fachkräfte der Zukunft

38

Fachtagung Nordchance 07.04.2011

Fachkräfte der Zukunft

Peter Gorzkulla-Lüdemann – Bereichsleiter U25

Fachkräfte der ZukunftZusammenarbeit Bildungsdienstleister - Unternehmen-Berufsschulen - Berufsberatung der Agentur für Arbeit

Budget und Eintritte nach Förderart

BvB EQ

3.572.365

3.307.207

Budget in €

1.472.8451.524.000

Budget in €

Agentur für Arbeit Hamburg - SGB II und SGB III Bereich

* Eintritte bislang

** geplante Eintritte

Seite 2

3.145.600

2009/2010 2010/2011* 2011/2012*

1.086

892

830

2009/2010

2010/2011*

2011/2012**

Eintritte

1.472.845

1.368.000

2009/2010 2010/2011* 2011/2012*

613

474

450

2009/2010

2010/2011*

2011/2012**

Eintritte

Peter Gorzkulla-Lüdemann – Bereichsleiter U25Quelle: Co-Sach NT

Budget und Eintritte nach Förderart

BaE abH

6.123.6005.892.142

Budget in €

955.000

Budget in €

Agentur für Arbeit Hamburg - SGB II und SGB III Bereich

* Eintritte bislang

** geplante Eintritte

Seite 3Peter Gorzkulla-Lüdemann – Bereichsleiter U25

5.114.400

2009/2010 2010/2011* 2011/2012*

586

619

490

2009/2010

2010/2011*

2011/2012**

Eintritte

645.019955.000 836.000

2009/2010 2010/2011* 2011/2012*

434

141

412

2009/2010

2010/2011*

2011/2012**

Eintritte

Quelle: Co-Sach NT

Gemeinsame Steuerung Sonderprogramm 2009Agentur für Arbeit Hamburg

Zielgruppe sind Jugendliche unter 27 Jahren mit Wohnsitz in Hamburg, die allgemein bildende Schulen ohne Anschlussperspektiven verlassen und höchstens einen Realschulabschluss erworben haben. Besondere Berücksichtigung finden Altbewerber sowie Bewerber mit Migrationshintergrund, von denen zu erwarten ist, dass sie eine begleitete betriebliche Ausbildung erfolgreich absolvieren können.

500 Ausbildungsplätze mit einem Mittelvolumen von rund 11,4 Mio. €.

Seite 4Peter Gorzkulla-Lüdemann – Bereichsleiter U25

500 Ausbildungsplätze mit einem Mittelvolumen von rund 11,4 Mio. €.

Außerbetriebliche Ausbildung bei einem Bildungsträger mit der Möglichkeit, diese nach der Hälfte der Ausbildungszeit in einem Betrieb fortzusetzen und dort zu beenden.

Steuerung in Form einer kooperativen Lenkungs- und Steuerungsgruppe bestehend aus BWA, BSB (HIBB und Amt W) und der Agentur für Arbeit.

PerspektivenAgentur für Arbeit Hamburg

Weitere Fokussierung der Agentur auf frühzeitige Berufsorientierung (ab Jahrgangsstufe 8), Beratung und Vermittlung in Ausbildung – Präsenz der Berufsberatung an allen allgemeinbildenden Schulen

Finanzielle Ressourcen in erster Linie für betriebsnahe Programme: ausbildungsbegleitende Hilfen, Einstiegsqualifizierung, geförderte Ausbildung in kooperativer Form

Seite 5Peter Gorzkulla-Lüdemann – Bereichsleiter U25

kooperativer Form

Zusammenarbeit im Aktionsbündnis für Bildung und Beschäftigung (Hamburger Behörden, Agentur für Arbeit, Wirtschaft, Gewerkschaften) an der Implementierung eines abgestimmten Übergangssystem.

� Gemeinsame Operationalisierung der Kriterien zur Ausbildungsreife

� Expertise und Abstimmung der Produkte und Programme

Page 39: Fachkräfte der Zukunft

39

Referat 1: Dr. Juliane Roloff, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden

Workshop 4

Qualifikation des Personals im Übergangssystem. Welche Kompetenzen werden benötigt?

Moderation: Prof. Dr. Helmut Ernst

Angesichts des demografischen Wandels, zunehmender Heterogenität der Lerngruppen, wachsender Anforderungen im Übergangssystem und eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels sind gemein-sam mit den Unternehmen neue Strategien zu entwickeln, um das berufspädagogische Personal für diese Herausforderungen fit zu machen. Welche erfolgreichen Schritte dazu gegangen werden sollten, war Gegenstand des Workshops.

Workshop-Bericht

Referenten:• Dieter Bethke (AFZ Rostock)• Gerd Labusch (Berufsförderungswerk Hamburg)• Herbert Michel (Schweriner Ausbildungszentrum)• Petra Gaede (TA Nord Kiel)

Im Mittelpunkt des Workshops stand die weitere Professionalisierung des berufspädagogischen Personals in Bildungseinrichtungen und Unter-nehmen. Angesichts demografischen Wandels, zunehmender Heterogenität der Lerngruppen und wachsenden Anforderungen an die Hand-lungskompetenz der Lernenden sind neue Quali-fizierungsstrategien für die betrieblichen und au-ßerbetrieblichen Ausbilder dringend erforderlich.

in den letzten Jahren haben sich tief greifende Änderungen in der Qualifizierung des berufspä-dagogischen Personals ergeben. Nicht nur die Ausbilder-EignungsVerordnung (AEVO) ist wieder – im neuen Gewand - in Kraft gesetzt worden, son-dern es wurde auch der Grundstein für eine bun-desweit angelegte Qualifizierungsoffensive für alle Ausbilder, Weiterbildner, Coaches, Trainer und anderes Bildungspersonal gelegt.

Die berufspädagogische Qualifizierung in der beruflichen Bildung ist deutschlandweit neu ge-regelt. Die AEVO ist heute die erste Stufe einer „Qualifizierungstreppe“. Darauf aufbauend kön-nen sich Ausbilder und Ausbilderinnen nun auch zu geprüften Aus- und Weiterbildungspädagogen und geprüfte Berufspädagogen qualifizieren. Ergänzend und erweiternd müssen Ausbilder dar-über hinaus aber auch eine Reihe von Zusatzqua-lifikationen erwerben, um den Anforderungen des

dualen Systems auch künftig gerecht zu werden. Wie sich dieser Prozess gegenwärtig gestaltet und welche erfolgreichen Schritte dabei bisher gegangen wurden, brachten Gerd Labusch vom BFW Hamburg und Herbert Michel vom Schweri-ner Ausbildungszentrum in ihren Beiträgen zum Ausdruck.

Beide betonten, dass das berufspädagogische Personal ihrer Einrichtungen vor allem fit gemacht werden muss, noch intensiver mit den Unterneh-men zusammen zu arbeiten und ihnen wirksamer zu helfen, den Herausforderungen künftigen Fach-kräftemangels zu begegnen. Insbesondere mit den neuen Fortbildungsberufen werden Experten für die praktische Berufsbildung ausgebildet, die alle Prozesse der beruflichen Bildung planen, or-ganisieren, durchführen und auswerten können. Auf der Grundlage fundierter methodischer und fachdidaktischer Kompetenzen auf dem neues-ten berufspädagogischen Stand sind sie u. a. in der Lage, betrieblichen Qualifikationsbedarf und subjektive Qualifikationswünsche, -bedarfe und –potentiale zu ermitteln, aufeinander zu beziehen und in angemessene Berufs- und Qualifizierungs-strukturen umzusetzen; sie können berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen bedarfsge-recht und wirtschaftlich planen, fach- und sach-gerecht entwickeln bzw. einrichten und ihre Quali-tät sichern und optimieren. Vor allem das Lernen am betrieblichen Arbeitsplatz und die Anleitung der ausbildenden Fachkräfte gewinnt dabei zu-nehmende Bedeutung. Vor allem gelingt es ihnen, Lern- und Verhaltensprobleme von Jugendlichen offensiv anzugehen und so Übergänge mit System aktiv zu gestalten.

Diesen Gedanken vertiefte auch Petra Gaede von der Technischen Akademie Nord e.V. Kiel in ihrem Beitrag. Sie stellte dar, wie Berufspädagogen in enger Lernortkooperation lernbehinderten und

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benachteiligten Jugendlichen helfen, ihre Stärken zu erkennen und Lerndefizite zu überwinden. Auf diese Weise gelingt es, rechtzeitig eine betriebli-che Ausbildung zu erschließen.

Die Verantwortung, die ein Bildungsdienstleister in diesem Prozess hat, brachte Dieter Bethke vom AFZ Aus- und Fortbildungszentrum Rostock GmbH zum Ausdruck. Er wies nach, dass pädagogisch befähigte Ausbilder in enger Zusammenarbeit mit Sozialpädagogen und Lehrern und gemeinsam mit kleinen und mittelständischen Unternehmen Jugendlichen mit vielfältig unterschiedlichen Vo-raussetzungen helfen, sich neue Perspektiven zu erschließen, Ausbildungsabbrüche zu verhindern und einen gelungenen Übergang in Ausbildung und Arbeit zu vollziehen.

In der anschließenden Diskussion stand vor allem die Lernortkooperation zwischen Schule, Betrieb und Ausbildungsträgern im Mittelpunkt. Dabei kam die Überzeugung zum Ausdruck, dass die neuen Fortbildungsberufe für das berufspädagogische Personal auch eine gute Basis darstellen, damit Lehrer der beruflichen Schulen, betriebliche Fach-kräfte und die Pädagogen der betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildung noch wirksamer und effektiver sowohl in der Berufsorientierung, der Berufsvorbereitung als auch in der unmittel-baren Ausbildung zusammen arbeiten können.

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Workshop 5

Situation und Perspektive benachteiligter Jugendlicher: Handlungsstrategien zur Überwindung sozialer Benachteiligungen

Moderation: Dr. Eva Maria Haarmann

Workshop-Bericht

Referenten:• Dr. Petra Lippegaus-Grünau (BIBB)• Dr. Holger Seibert (IAB Berlin-Brandenburg)

In Workshop 5 haben wir uns vor allem mit der Si-tuation und auch den Perspektiven sozial benach-teiligter Jugendlicher beschäftigt. Die Teilnehmer des Workshops stammten aus sehr unterschiedlichen Bereichen, es waren sowohl Ausbilder größerer und kleinerer Firmen vor Ort als auch Vertreter der Agenturen für Arbeit und Mitarbeiter unterschiedlicher Träger. Interessan-terweise beeinflusste die regionale Herkunft der Teilnehmer den Verlauf des Workshops maßgelb-lich, denn es wurde schnell deutlich, dass die Be-dingungen in den einzelnen norddeutschen Bun-desländern sehr unterschiedlich sind.

Folgende Ausgangsthese leitete den Workshop: Aus der alten Weisheit: „Lern was, dann bist du was!“ wird für viele Jugendliche heute „Sieh zu, dass du dein Leben einigermaßen geregelt be-kommst, dann stehst du auch eine Ausbildung durch!“

Frau Lippegaus-Grünau führte mit einem Vortrag über die soziale Benachteiligung von Jugendlichen in die Thematik ein. Dabei fokussierte sie ihren Blick auf eine wissenschaftliche Betrachtung der Zielgruppe und setzte diesen in Zusammenhang mit verschiedenen Forschungsprojekten, aber auch Förderrichtlinien. Insgesamt ermöglichte sie den Zuhörern ein einheitliches Verständnis der Kategorie „Benachteiligung“.

Deutlich wurde, dass soziale Benachteiligungen eine Kumulation unterschiedlicher schwieriger Lebensbedingungen darstellen, die nicht auf al-

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len Ebenen wirken müssen, sondern individuell gewichtet das Leben beeinflussen. Abschließend stellte sie notwendige Konsequenzen für eine ziel-gruppengerechte, sozialpädagogisch orientierte Berufsausbildung auf allen Ebenen der Bildungs-kette dar:

• Umdenken: von der Norm- und Defizitperspek-tive zum Kompetenzansatz und zur beruflichen Bildung der Vielfalt• Kooperative Modelle der beruflichen Bildung: z.B. triale Konzepte: Betrieb - Berufsschule – Trä-ger; Ausbau und Intensivierung der horizontalen und vertikalen Lernortkooperation• Rolle der Träger: Bildungsdienstleister für Ju-gendliche und für Betriebe / Aufbau von Unter-stützungsstrukturen • Professionalisierung des Personals bei Trägern, in Berufsschulen und in Betrieben

Herr Seibert fokussierte in seinem Vortrag den Blick auf Jugendliche mit Migrationshintergrund. Dabei analysierte er (angelehnt an Mikrozensus-untersuchungen) verschiedene Faktoren und Rah-menbedingungen von Menschen mit Migrations-hintergrund, die sich nicht zuletzt in ihrem Status ausdrücken: Haben Sie die deutsche Staatsbür-gerschaft (als Indiz für eine fortgeschrittene In-tegration)? Haben sie deutsche Schul- und Bil-dungsabschlüsse?

Dabei wurde deutlich, dass nicht nur an der ersten Schwelle, sondern auch an der zweiten Schwelle formelle Komponenten im Integrationsprozess eine wichtige Rolle spielen – sowohl die deut-sche Staatsbürgerschaft als auch der Erwerb deutscher Abschlüsse fördern eine gelingen-de Integration. Im Zusammenhang mit den Her-kunftsländern wurde deutlich, dass (europäische) Abstammungsländer mit ähnlichem kulturellen Hintergrund mit einem höheren Grad der Integra-tion einhergehen und zum Teil sogar überbieten. Migranten aus Ländern und Kulturkreisen, die der deutschen eher fern sind, haben im Gegensatz dazu signifikant schlechtere Eingliederungschan-cen an beiden Schwellen, unabhängig davon, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft oder deut-sche Abschlüsse erworben haben.

Zusammengefasst sind die Gründe für die Chan-cenungleichheit von Jugendlichen mit Migrations-hintergrund:

• Arbeitsmarktrelevante Ressourcen fehlen (Deutschkenntnisse; Netzwerke / Informationen über offene Stellen; soziale Herkunft)• Einstellungen gegenüber Migranten als Beschäf-tigungsbarriere• Institutionelle / organisationale Benachteiligung (die betriebliche Organisation führt zum Aus-schluss von Migranten, z.B. im Rekrutierungsver-fahren -> keine Fürsprecher im Betrieb; mangeln-de Erfahrung mit Migranten; unklarer Signalwert von Bildungszertifikaten; Angst vor einer Störung der Betriebsabläufe)

Als Handlungsempfehlungen resultieren daraus:

• Mehr Investitionen in Bildung und Ausbildung (mehr Berufsvorbereitung bereits in der Schule; Demographierendite an den Schulen belassen; mehr individuelle Förderung)• Wege in den Betrieb ebnen (Bewährungsmög-lichkeiten schaffen; EGZ, Praktika, Schnupperleh-re, Ausbildungsbonus)

In der anschließenden Diskussion wurden diese Themen kurz aufgegriffen, interessanterweise wurde jedoch von den Beteiligten der Migrations-hintergrund der Jugendlichen nicht als übermäßig problematisch eingeschätzt; denn die regionalen Probleme haben andere Ursachen. Teilnehmer aus dem Bereich Mecklenburg-Vorpommern beklag-ten eine seit Jahren vorherrschende Landflucht, die ein Ausmaß angenommen hat, das die Region nicht mehr verkraften kann. Vor allem die kleinen Betriebe haben kaum eine Chance, Nachwuchs über die eigene Ausbildung zu generieren. Vor allem die Sogkraft von Hamburg spielt hier eine große Rolle. Dabei beobachten sie einen selekti-ven Wegzug der Jugendlichen, denn vor allem die Leistungsstärkeren, die auch in der Lage sind, in einer fremden Stadt zurechtzukommen, verlassen ihre Heimat für eine Ausbildung, ein Studium. Die eigene Region besitzt in diesem Zusammenhang keine Attraktivität oder keine Möglichkeiten.

Hamburger Teilnehmer im Gegensatz dazu ver-spüren die Nachwuchssorgen noch nicht so aus-geprägt, wie es mit Blick auf die eigenen Absol-venten sein müsste, da sie die „Gewinner“ der Landflucht aus den neuen Bundesländern sind – sie haben aus dieser Region überdurchschnittlich viele Bewerbungen, sodass in der Regel Stellen besetzt werden können.

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Präsentationen der Referenten

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Redner/Moderatoren

Prof. Dr. Eckart SeveringForschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)gemeinnützige GmbHE-Mail: [email protected]: www.f-bb.de

Prof. Dr. Reinhold WeißBundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB)E-Mail: reinhold.weiß@bibb.deInternet: www.bibb.de

Prof. Dr. habil. Hannelore KruschelInnovative Bildungs- und Kompetenzentwicklung(i.bke)E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Peter DehnbostelHelmut-Schmidt-UniversitätE-Mail: [email protected]: www.peter-dehnbostel.de,www.hsu-hh.de/debo

Hans-Dieter KörnerSERCOE-Mail: [email protected]: www.serco.de

Prof. Dr. Helmut ErnstSchweriner AusbildungszentrumE-Mail: [email protected] Oder [email protected] Internet: www.sazev.de

Dr. Eva Maria HaarmannBildungswerk der Niedersächsischen WirtschaftE-Mail: [email protected]: www.bnw.de

Kontakte

Veranstalter

NORDMETALL Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V. Hans-Günter Trepte, Leiter Arbeitsmarkt und BerufsbildungE-Mail: [email protected]: www.nordmetall.de

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Gerd LabuschBerufsförderungswerk HamburgE-Mail: [email protected]: http://bfw-hamburg.info

Dr. Petra Lippegaus-GrünauBundesinstitut für berufliche BildungE-Mail: [email protected]: www.bibb.de

Jürgen MaßonBildungszentrum der Wirtschaft im UnterwesergebietE-Mail: [email protected] Internet: www.bwu-bremen.de

Susan MazaheriSERCOE-Mail: [email protected]: www.serco.de

Herbert MichelSchweriner AusbildungszentrumE-Mail: [email protected]: www.sazev.de

Rainer SchulzHamburger Institut für berufliche BildungE-Mail: [email protected]: www.hibb.hamburg.de

Dr. Holger SeibertInstitut für Arbeitsmarkt und BerufsforschungE-Mail: [email protected]: www.iab.de

Birgit VoigtINBAS Berlin-BrandenburgE-Mail: [email protected]: www.inbas.com

Udo VomfreyBildungswerk der Wirtschaft im UnterwesergebietE-Mail: [email protected] Internet: www.bwu-bremen.de

Referenten

Günter AbrahamTechnische Akademie NordE-Mail: [email protected] Internet: www.t-a-nord.de

Dieter BethkeAus- und Fortbildungszentrum RostockE-Mail: [email protected]: www.afz-rostock.de

Björn-Ole BöttcherTechnische Akademie NordE-Mail: [email protected]: www.t-a-nord.de

Herbert EwenTechnische Akademie KielE-Mail: [email protected] Internet: www.t-a-nord.de

Petra Gaede:Technische Akademie NordE-Mail: [email protected]: www.t-a-nord.de

Peter Gorzkulla-LüdemannAgentur für Arbeit HamburgE-Mail: [email protected] Internet: www.arbeitsagentur.de/hamburg

Ines HirschfeldAgentur für Arbeit HamburgE-Mail: [email protected] Internet: www.arbeitsagentur.de/hamburg

Petra JackGewerbeschule 1 HamburgE-Mail: [email protected] Internet: www.gewerbeschule1.de

Elke KruseTechnische Akademie NordE-Mail: [email protected]: www.t-a-nord.de

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