Faire Nestlé-Schoggi · EVANGELISCH-REFORMIERTEZEITUNGFÜR DIEDEUTSCHEUND RÄTOROMANISCHESCHWEIZ...

10
EVANGELISCH- REFORMIERTE ZEITUNG FÜR DIE DEUTSCHE UND RÄTOROMANISCHE SCHWEIZ NR. 3 | 26. FEBRUAR 2010 WWW.REFORMIERT.INFO Faire Nestlé-Schoggi bald in der Schweiz? Moral pur oder Überleben im Süden GEGEN NESTLÉ. 1974 ereignete sich in der Schweiz ein politischer Urknall. Mit der Broschüre «Nestlé tötet Babys» sorgte eine junge Soli- daritätsbewegung mit den armen Ländern des Südens für Schlagzei- len. Und da der grösste Nahrungs- mittelkonzern der Welt gegen die Drittweltaktivisten klagte, bekam diese Bewegung noch mehr Auf- trieb. Übermütig liess man in Tansa- nia einen Löskaffee zusammen- brauen, der noch schlechter schme- cken sollte als das Original aus Vevey. Aber das erste Fair-Trade- Produkt war geboren − aus der Not heraus und gegen Nestlé. ETIKETTENSCHWINDEL. Die Schweizer Pioniere des fairen Handels wer- den es mit Erstaunen vernommen haben: Nestlé Grossbritannien ist nun mit seinem populären Schoggi- Riegel KitKat (siehe Artikel rechts) selber ein Teil des fairen Handels geworden. Auch ich habe mir erst die Augen gerieben und mein Welt- verbesserer-Ich hat sich aufge- bäumt: Das ist Etikettenschwindel. PERSPEKTIVE FÜR TAUSENDE. Nach der ersten Schrecksekunde habe ich weiter gedacht: Manchmal kommt das Gute in der Verkleidung des mo- ralisch Zweifelhaften daher. Wenn auch Nestlé vielerorts das Gemein- wohl der Menschen missachtet: Für 6000 Menschen an der Elfenbein- küste ist dank des neuen Fair-Trade- Siegels auf dem Nestlé-Schoggi- Riegel der Überlebenskampf zu En- de − oft auch ein Kampf um Leben oder Tod. Dass Nestlé sein Image da- mit aufpoliert, wiegt angesichts des- sen, dass Tausende Menschen wie- der eine Perspektive für ihre Zukunft haben, weniger schwer. Freuen wir uns also, falls Nestlé Schweiz dem britischen Vorbild nacheifern sollte. KOMMENTAR «Wow!» sagte der Erzbischof von York, John Sentamu, als er die Nachricht hörte: Am eng- lischen Hauptsitz von Nestlé inYorksollderenumsatzträch- tiger Schoggi-Riegel KitKat mit dem Fair-Trade-Siegel von Transfair vom Band ge- hen. Damit haben sich die anglikanische Kirche und die lokale Fair-Trade-Organisa- tion von York beim grössten Nahrungsmittelmulti der Welt Gehör verschaffen können. GROSSES SCHWEIGEN. Hat der Schritt der britischen Nestlé- Verantwortlichen Signalwir- kung für die Schweiz? Im- merhin ist der Schweizer Nestlé-Chef Roland Decorvet gleichzeitig Stiftungsrat des Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (Heks). Und Heks hat mit fünf anderen Hilfswerken 1992 die Max- Havelaar-Stiftung, die das La- bel für den fairen Handel ver- leiht, begründet. Am Schwei- zer Firmensitz in Vevey hüllt man sich indes in Schweigen. Man solle Ende Jahr noch einmal nachfragen, ob hier- zulande mit einer Zertifizie- rung des Schoggi-Riegels zu rechnen sei. GRUNDSATZFRAGE. Hier stellt sich aber die Grundsatzfra- ge: Sind Nestlé und Fair- Trade überhaupt miteinander vereinbar? Der Eintritt von NestléinsFair-Trade-Geschäft wurde denn auch harsch kri- tisiert. «Nestlé kann nicht für sich in Anspruch nehmen, im Kakaogeschäft nachhaltig zu sein. Denn der kleinen Men- ge fairen Kakaos steht das grosse Volumen von Kakao gegenüber, das mithilfe von Zwangsarbeit und Kinderar- beit produziert wurde», sagt beispielsweise Bama Athreya, Direktorin des International Labor Rights Forum. ZWEISCHNEIDIG. Auch für An- drea Hüsser von der Erklä- rung von Bern (EvB) ist die Fair-Trade-Zertifizierung von Nestlé-Produkten ein «zwei- schneidiges Schwert». Im Ver- gleich zur gesamten Produk- tion sind die 4000 Tonnen zer- tifizierte Kakaobohnen für KitKat wenig. Trotzdem ist für Hüsser der Markteintritt der britischen Nestlé in den fai- ren Handel ein erster Schritt: «Für die 6000 Bauern von der Elfenbeinküste ist dies eine gute Sache.» Aus dem bürger- kriegsgeplagten Land stam- men vierzig Prozent des welt- weit gehandelten Kakaos. Zwangs- und Sklavenarbeit sind häufig. STRENGER STANDARD. Dass Ethik in den Konzernstrate- gien mittlerweile eine Rolle spielt, freut auch Beat Diet- schy, Zentralsekretär von «Brot für alle» (Bfa). Bfa stellt die diesjährige vorösterliche Kam- pagne unter das Motto «Stoppt den unfairen Handel». Diet- schy betont aber: «Bei der Vergabe des Fair-Trade-Sie- gels von Transfair oder der Schweizer Schwester Max Havelaar handelt es sich nicht um einen Blanko-Cheque für das Unternehmen, sondern um das Auszeichnen von aus- schliesslich einem Produkt.» Erfreulich ist für Dietschy, dass die britische Nestlé mit Transfair einen effizienten und strengen Standard gewählt habe. Denn dies ist bei ande- ren Konzernen wie beispiels- weise Mars anders. Sie setzen auf die Rainforest Alliance (RFA) – in der Schweiz auch wegen des aufgeklebten grü- nen Fröschleins auf den Chi- quita-Bananen der Migros be- kannt. Die RFA-Standards gelten als «Fair Trade light», da sie den Bauern weder Mindestabnahmepreise noch Mindestlöhne garantieren. NESPRESSO HALBFAIR. Dass Nestlé Schweiz statt den har- ten Kriterien von Max Have- laar bei einer möglichen Fair- Trade-Strategie auf die RFA setzen wird, ist nicht auszu- schliessen. So will jedenfalls die Nestlé-Tochter Nespresso bis 2013 den grössten Teil ih- rer Kapseln von der RFA zerti- fizieren lassen. DELF BUCHER Der Erzbischof von York,John Sentamu (rechts), begrüsst den Schoggi-Riegel mit dem Fair-Trade- Label von Transfair BILD: ZVG ALBERT SCHWEITZER Viel Licht, aber auch Schatten ZWIESPALT. Für die einen ist Albert Schweitzer bis heu- te ein selbstloser Menschen- freund, andere sehen ihn und sein Spital Lambarene kri- tisch. Der Afrika-Kenner Al Imfeld schildert, wie er per- sönlich den Urwalddoktor und sein Wirken erlebte, und er beurteilt zwei neue Bücher über Schweitzer – den Arzt, Theologen und Musiker. > Seite 9 ZÜRICH Neue Struktur für Zürcher Gemeinden REFORM. Die Zürcher Kirch- gemeinden stehen vor einer umfassenden Strukturreform. Gründe dafür sind die sin- kenden Mitgliederzahlen, aber auch Unklarheiten in den Strukturen und Überschnei- dungen bei den Aufgaben. Der Zürcher Stadtverband hat ein Reform-Programm lan- ciert, dessen Umsetzung die- ses Jahr beginnt. > Seite 2 PORTRÄT DELF BUCHER ist «reformiert.»- Redaktor in Zürich FAIR TRADE/ Die britische Nestlé setzt auf fairen Handel. «Brot für alle» würde es begrüssen, wenn Nestlé auch Schweizer Produkte mit Havelaar-Label zertifizierte. / Kanton Zürich DOSSIER Vom Hundertsten ins Tausendste STEUERN. Alle Jahre wieder … kommt die Steuererklärung – und mit ihr die Aufforderung, Rechenschaft abzulegen über Einkünfte und Ausgaben, Erbschaf- ten und Darlehen, Krankenkassenprä- mien und Weiterbildungskosten. Für viele ist das Ausfüllen eine Qual – dabei zieht, wer ehr- und redlich Auskunft gibt, nicht nur Bilanz über ein Jahresvermögen, sondern auch über ein Lebensjahr. Und kommt zwangsläufig ins Grübeln: etwa über die findige Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und -hinterziehung, das Nichtvorhandensein einer Ökosteuer in Zeiten des Klimawandels oder den kan- nibalischen Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen. > Seiten 5 – 8 BILD: MARTIN GUGGISBERG (K)eine Missionarin MARGRIT MEIER. Sie ist reformiertes Kirchenmitglied und Präsidentin der Schweize- rischen Vereinigung für Para- psychologie, sie ist Wirtschafts- wissenschaftlerin und inter- religiöse Meditationslehrerin: Margrit Meier, 64, verbindet unterschiedliche spirituelle Welten mit Leichtigkeit. «Das tun viele Reformierte», ist sie überzeugt. > Seite 12

Transcript of Faire Nestlé-Schoggi · EVANGELISCH-REFORMIERTEZEITUNGFÜR DIEDEUTSCHEUND RÄTOROMANISCHESCHWEIZ...

EVANGELISCH-REFORMIERTE ZEITUNG FÜRDIE DEUTSCHE UNDRÄTOROMANISCHE SCHWEIZ

NR. 3 | 26. FEBRUAR 2010WWW.REFORMIERT.INFO

Faire Nestlé-Schoggibald in der Schweiz?Moral pur

oder Überlebenim SüdenGEGEN NESTLÉ. 1974 ereignete sichin der Schweiz ein politischerUrknall. Mit der Broschüre «Nestlétötet Babys» sorgte eine junge Soli-daritätsbewegung mit den armenLändern des Südens für Schlagzei-len. Und da der grösste Nahrungs-mittelkonzern der Welt gegendie Drittweltaktivisten klagte, bekamdiese Bewegung noch mehr Auf-trieb. Übermütig liess man in Tansa-nia einen Löskaffee zusammen-brauen, der noch schlechter schme-cken sollte als das Original ausVevey. Aber das erste Fair-Trade-Produkt war geboren − aus der Notheraus und gegen Nestlé.

ETIKETTENSCHWINDEL. Die SchweizerPioniere des fairen Handels wer-den es mit Erstaunen vernommenhaben: Nestlé Grossbritannien ist nunmit seinem populären Schoggi-Riegel KitKat (siehe Artikel rechts)selber ein Teil des fairen Handelsgeworden. Auch ich habe mir erstdie Augen gerieben und mein Welt-verbesserer-Ich hat sich aufge-bäumt: Das ist Etikettenschwindel.

PERSPEKTIVE FÜR TAUSENDE.Nachder ersten Schrecksekunde habe ichweiter gedacht: Manchmal kommtdas Gute in der Verkleidung des mo-ralisch Zweifelhaften daher. Wennauch Nestlé vielerorts das Gemein-wohl der Menschen missachtet: Für6000 Menschen an der Elfenbein-küste ist dank des neuen Fair-Trade-Siegels auf dem Nestlé-Schoggi-Riegel der Überlebenskampf zu En-de − oft auch ein Kampf um Lebenoder Tod. Dass Nestlé sein Image da-mit aufpoliert, wiegt angesichts des-sen, dass Tausende Menschen wie-der eine Perspektive für ihre Zukunfthaben, weniger schwer. Freuen wiruns also, falls Nestlé Schweiz dembritischen Vorbild nacheifern sollte.

KOMMENTAR

«Wow!» sagte der ErzbischofvonYork, JohnSentamu, als erdie Nachricht hörte: Am eng-lischen Hauptsitz von NestléinYorksollderenumsatzträch-tiger Schoggi-Riegel KitKatmit dem Fair-Trade-Siegelvon Transfair vom Band ge-hen. Damit haben sich dieanglikanische Kirche und dielokale Fair-Trade-Organisa-tion von York beim grösstenNahrungsmittelmulti derWeltGehör verschaffen können.

GROSSESSCHWEIGEN.Hat derSchritt der britischen Nestlé-Verantwortlichen Signalwir-kung für die Schweiz? Im-merhin ist der SchweizerNestlé-Chef Roland Decorvetgleichzeitig Stiftungsrat desHilfswerk der evangelischenKirchen Schweiz (Heks). UndHeks hat mit fünf anderenHilfswerken 1992 die Max-Havelaar-Stiftung, die das La-bel für den fairen Handel ver-leiht, begründet. Am Schwei-zer Firmensitz in Vevey hülltman sich indes in Schweigen.Man solle Ende Jahr nocheinmal nachfragen, ob hier-zulande mit einer Zertifizie-rung des Schoggi-Riegels zurechnen sei.

GRUNDSATZFRAGE. Hier stelltsich aber die Grundsatzfra-ge: Sind Nestlé und Fair-Trade überhaupt miteinandervereinbar? Der Eintritt vonNestléinsFair-Trade-Geschäftwurde denn auch harsch kri-tisiert. «Nestlé kann nicht fürsich in Anspruch nehmen, imKakaogeschäft nachhaltig zu

sein. Denn der kleinen Men-ge fairen Kakaos steht dasgrosse Volumen von Kakaogegenüber, das mithilfe vonZwangsarbeit und Kinderar-beit produziert wurde», sagtbeispielsweiseBamaAthreya,Direktorin des InternationalLabor Rights Forum.

ZWEISCHNEIDIG. Auch für An-drea Hüsser von der Erklä-rung von Bern (EvB) ist dieFair-Trade-Zertifizierung vonNestlé-Produkten ein «zwei-schneidigesSchwert». ImVer-gleich zur gesamten Produk-tion sind die 4000Tonnen zer-tifizierte Kakaobohnen fürKitKat wenig. Trotzdem ist fürHüsser der Markteintritt derbritischen Nestlé in den fai-ren Handel ein erster Schritt:«Für die 6000 Bauern von derElfenbeinküste ist dies einegute Sache.»Aus dembürger-kriegsgeplagten Land stam-men vierzig Prozent des welt-weit gehandelten Kakaos.Zwangs- und Sklavenarbeitsind häufig.

STRENGER STANDARD. DassEthik in den Konzernstrate-gien mittlerweile eine Rollespielt, freut auch Beat Diet-schy, Zentralsekretär von «Brotfür alle» (Bfa). Bfa stellt diediesjährige vorösterliche Kam-pagneunterdasMotto«Stopptden unfairen Handel». Diet-schy betont aber: «Bei derVergabe des Fair-Trade-Sie-gels von Transfair oder derSchweizer Schwester MaxHavelaar handelt es sich nichtum einen Blanko-Cheque für

das Unternehmen, sondernum das Auszeichnen von aus-schliesslich einem Produkt.»Erfreulich ist für Dietschy,dass die britische Nestlé mitTransfaireineneffizientenundstrengen Standard gewählthabe. Denn dies ist bei ande-ren Konzernen wie beispiels-weiseMars anders. Sie setzenauf die Rainforest Alliance(RFA) – in der Schweiz auchwegen des aufgeklebten grü-nen Fröschleins auf den Chi-quita-BananenderMigros be-kannt. Die RFA-Standardsgelten als «Fair Trade light»,da sie den Bauern wederMindestabnahmepreise nochMindestlöhne garantieren.

NESPRESSO HALBFAIR. DassNestlé Schweiz statt den har-ten Kriterien von Max Have-laar bei einer möglichen Fair-Trade-Strategie auf die RFAsetzen wird, ist nicht auszu-schliessen. So will jedenfallsdie Nestlé-Tochter Nespressobis 2013 den grössten Teil ih-rer Kapseln von der RFA zerti-fizieren lassen. DELF BUCHER

Der Erzbischof vonYork, John Sentamu(rechts), begrüsstden Schoggi-Riegelmit dem Fair-Trade-Label von Transfair

BILD

:ZVG

ALBERT SCHWEITZER

Viel Licht,aber auchSchattenZWIESPALT. Für die einenist Albert Schweitzer bis heu-te ein selbstloser Menschen-freund, andere sehen ihn undsein Spital Lambarene kri-tisch. Der Afrika-Kenner AlImfeld schildert, wie er per-sönlich den Urwalddoktor undseinWirken erlebte, under beurteilt zwei neue Bücherüber Schweitzer – denArzt,Theologen undMusiker.> Seite 9

ZÜRICH

Neue Strukturfür ZürcherGemeindenREFORM. Die Zürcher Kirch-gemeinden stehen vor einerumfassenden Strukturreform.Gründe dafür sind die sin-kenden Mitgliederzahlen, aberauch Unklarheiten in denStrukturen und Überschnei-dungen bei denAufgaben.Der Zürcher Stadtverband hatein Reform-Programm lan-ciert, dessen Umsetzung die-ses Jahr beginnt. > Seite 2

PORTRÄT

DELF BUCHERist «reformiert.»-Redaktor in Zürich

FAIR TRADE/Die britische Nestlé setzt auf fairen Handel.«Brot für alle» würde es begrüssen, wenn Nestléauch Schweizer Produkte mit Havelaar-Label zertifizierte.

/ Kanton Zürich

DOSSIER

VomHundertstenins TausendsteSTEUERN.Alle Jahre wieder… kommtdie Steuererklärung – undmit ihr dieAufforderung, Rechenschaft abzulegenüber Einkünfte undAusgaben, Erbschaf-ten und Darlehen, Krankenkassenprä-mien undWeiterbildungskosten. Für vieleist dasAusfüllen eine Qual – dabei zieht,wer ehr- und redlich Auskunft gibt, nichtnur Bilanz über ein Jahresvermögen,sondern auch über ein Lebensjahr. Undkommt zwangsläufig ins Grübeln: etwaüber die findige Unterscheidung zwischenSteuerbetrug und -hinterziehung, dasNichtvorhandensein einer Ökosteuer inZeiten des Klimawandels oder den kan-nibalischen Steuerwettbewerb zwischenden Kantonen. > Seiten 5–8

BILD

:MAR

TINGUGGISBE

RG

(K)eineMissionarinMARGRIT MEIER. Sie istreformiertes Kirchenmitgliedund Präsidentin der Schweize-rischenVereinigung für Para-psychologie,sie istWirtschafts-wissenschaftlerin und inter-religiöse Meditationslehrerin:Margrit Meier, 64, verbindetunterschiedliche spirituelleWeltenmit Leichtigkeit. «Dastun viele Reformierte», ist sieüberzeugt. > Seite 12

2 Zürich reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010

Die Zürcher Kirche ist im Umbruch. Aufkantonaler Ebenebringt zurzeit das neueKirchengesetz einschneidende Verän-derungen mit sich; unabhängig davonstartet nun aber auch ein umfassenderReformprozess in den Kirchgemeindender Stadt Zürich. Die Vorarbeiten habenschon Ende 2006 begonnen (s. Spaltelinks), dieses Jahr wird es nun konkret.Als Initiantin und verantwortlich für dieDurchführung steht der Verband derStadtzürcherischen Evangelisch-refor-mierten Kirchgemeinden.

WenigerMitglieder. «Im Jahr 1980 gabes rund 260000 Reformierte in der StadtZürich»,erklärtderHönggerKirchenpfle-gepräsident JeanE.Bollier, derdieRefor-men leitet. «Heute sind es knapp 100000Reformierte.» Der Mitgliederrückgangist einer der Hauptgründe für das Über-denken der Strukturen und die Suchenach Bündelung der Kräfte. «Kirchge-meinden, die früher 5000 bis 6000 Mit-glieder hatten, sind heute zum Teil bisauf 2000 Mitglieder zurückgegangen.»Wenig genutzte Kirchgemeindehäuseroder zu breite Aufgabenfelder sind nureinige der Probleme, die sich damit stel-len. Vor allem zeichnet sich aber auchab: Langfristig ist die Infrastruktur für34 eigenständige Kirchgemeinden nichtmehr finanzierbar.

StrukturprobleMe. Doch auch derStadtverband hat eine Reform nötig,

so ist Projektleiter Bollier überzeugt.Der 1909 gegründete Stadtverband soll-te ursprünglich den Finanzausgleichzwischen den Gemeinden sicherstellen.Mit den Jahren übernahm er auch Ko-ordinationsfunktionen und unterstützteeigene Projekte wie die Streetchurchoder die Bahnhofkirche. Doch die Ver-bandsstrukturen hielten nicht Schrittmit der Entwicklung. Unklarheiten überZuständigkeiten oder Schnittstellenzwischen Stadtverband und Kirchge-meinden machten die Arbeit schwierig,konstatiert Bollier. Deshalb soll auchder Stadtverband einer Strukturreformunterzogen werden.

AnAlySe. Bereits 2007 beauftragte dieReformkommission das Institut Landert,das bereits mehrere Studien zur Situati-on derKirche durchgeführt hat,mit einerAnalyse. Die neueStudie empfiehlt unteranderemdasZusammenlegenderKirch-gemeinden von heute 34 auf 20 odersogar nur noch 15. Aufgaben,welche dieGemeinden zu stark absorbieren oderviel Fachwissen erfordern, sollen an denStadtverband als «gemeindeorientierteDienstleisterin» abgegeben werden. SozumBeispiel Liegenschaftenverwaltung,Personaladministration und Kontrolleder Finanzen – oder gemäss der Stu-die alles, was «hohe Professionalität»erfordert.

Die gesamte Reform, die bis 2016dauern soll, wurde in sechs Teilprojekte

aufgefächert, welche die folgenden Be-reiche abdecken: 1. Finanzen, Liegen-schaften, Personal, 2. Strukturen desVerbands, 3. Geschäftsstelle, 4. Stadt-kirchliche Angebote, 5. Kirchgemein-den, 6. Blick auf eine «StadtkircheZürich2020». Die Teilprojekte 1, 2 und 5 sindzurzeit startbereit.

diSkuSSionSprozeSS. Wie aber siehtnun die Zukunft für die Kirchgemeindenaus – drohen Fusionen, Entlassungen,Zentralisierung? «Nein, wir halten anstarken Gemeinden fest», stellt Bollierklar. Und ebenso: «Es wird kein Diktatvon obengeben.» Für alle geplantenVer-änderungen werde das Einverständnisder Gemeinden gesucht und vorher zubreit angelegten Diskussionveranstal-tungen eingeladen.

Und was meinen die Kirchgemeindendazu? Vielen ist die Notwendigkeit einerReform offensichtlich bewusst. Jeden-falls hat bei der Abstimmung in der Zen-tralkirchenpflege nur eine Gemeinde einNein abgegeben. Allerdings, so ein De-legierter: «Wenn dann die Gottesdiensteplötzlich nicht mehr in der ‹eigenen›Kirche, sondern in der Nachbarkirch-gemeinde stattfinden, könnte es andersklingen.» Mit dem Leiter des Teilpro-jektes 5, bei dem es um die Reform derKirchgemeinden geht, wurde jedenfallsmit Roland Diethelm, Pfarrer in Zürich-Hottingen, ein Mann der Gemeindengewählt. ChriStine VoSS

Bild

:Gatar

icFo

toGr

aFie

NachrichteN

Skeptische reaktionen aufneue heks-namenhilfSWerk. Mehr als 2200 Personenhaben sich bereits an der Abstim-mung beteiligt, welche das Hilfswerkder evangelischen Kirchen Schweiz(Heks) lancierte, um die Akzeptanzeines neuen Namens zu testen(www.meinhilfswerk.ch). Die beidenvon Heks vorgeschlagenen Namen«Respecta» und «Vitalibra» vermoch-ten nicht zu überzeugen, meldet Heksin einer Medienmitteilung. Es sei abernormal, dass neue Begriffe gewöh-nungsbedürftig seien. Gemäss Markt-forschung hätten die beiden neuenNamen ein grosses Potenzial. hekS

Mehr kirchenaustritteim Jahr 2009kAnton züriCh. Im Jahr 2009 gabes im Kanton Zürich so viele Kirchen-austritte wie noch nie, meldete dieZeitung «Sonntag». Die Rekordzahl istallerdings der katholischen Kirchezuzuschreiben: 3864 Katholikinnenund Katholiken sind letztes Jahrausgetreten, das sind 1322 mehr alsim Vorjahr.Aus der reformierten Kirche tratenletztes Jahr 3325 Mitglieder aus, dassind rund 300 mehr als im Vorjahr.Anders als bei der katholischen Kirche,die im letzten Jahr unter anderemmit der Holocaust-Leugnung durchBischof Williamson negative Schlag-zeilen machte, sind die Gründe beiden Reformierten weniger offensicht-lich. Die Wirtschaftskrise könneeine Rolle gespielt haben, vermutenKirchenvertreter. CV

Sek zur forschung amMenschen: «Ja, aber…»AbStiMMung. Der SchweizerischeEvangelische Kirchenbund (SEK)begrüsst den neuen Artikel zur For-schung am Menschen, über denam 7.März abgestimmt wird. Er be-mängelt aber die unklare Regelungder Forschung an sogenannt «urteils-unfähigen» Menschen und fordertstattdessen «eine rigide Bewilligungs-praxis». rnA

Wer arm ist, kann sich mitun-ter keinen Computer oder In-ternetzugang leisten. In dieseLücke springt das «Kafi Klick»der IG Sozialhilfe mit seinem In-ternetcafé für Armutsbetroffenein Zürich.

hilfe. In den vier Monaten sei-nes Bestehens haben sich dieBesucherzahlen des «Kafi Klick»im Kreis 4 bereits mehr als ver-doppelt. Rund siebzehn Leuteschauen täglich an der Müller-strasse 56 vorbei, um im Internetnach einer Wohnung zu suchen,sich um einen Arbeitsplatz zubewerben, mit der Familie imHeimatland zuchattenoder aucheinfach, um einen Schwatz zuhalten mit den fünf freiwilligenMitarbeitenden, die Projektlei-ter Christoph Heusser bei seinerArbeit unterstützen. Das Team

greift den Besucherinnen undBesuchern auch beim VerfassenvonBriefen anÄmter undBehör-den unter die Arme. Einige derRatsuchenden haben noch niemit einem Computer gearbeitet,andere brauchen Hilfe beim Ge-stalten oder Formulieren einesBriefes, so Christoph Heusser.

SpendenbüChSe.Bei einemBe-such kürzlich waren alle sechsArbeitsplätze besetzt und dieüberwiegend jungen PC-Benut-zer in die Arbeit am Bildschirmversunken. Eine Bücherwandmit einer kleinen Bibliothektrennt den hinteren Raumteilvom Café im Eingangsbereich.Wer will und kann, füttert dieSpendenbüchse als Dank für dieunentgeltlichen Dienste. Die IGSozialhilfe (Abkürzung für In-teressengemeinschaft) ist eine

Gratis-Internetzugangfür ArmutsbetroffeneZürich/Der kostenlose Internetzugang des «KafiKlick» für Armutsbetroffene ist gefragt. Seit Oktoberhaben sich die Besucherzahlen mehr als verdoppelt.

iMpreSSuM/«reformiert.» ist ein Kooperationsprojekt des aargauer,Bündner, Zürcher «Kirchenboten» und des Berner «sae-mann».www.reformiert.info

redaktion: delf Bucher, Jürgen dittrich, Samuel Geiser,rita Gianelli, Käthi Koenig, Fadrina Hofmann, rita Jost,reinhard Kramm,Martin lehmann,annegret ruoff, danielaSchwegler, christine Voss

blattmacher:Martin lehmann

layout:Marcel deubelbeiss, Nicole Huber,Brigit Vonarburg

korrektorat:Yvonne Schär

Auflage: 720000 exemplare

Verlagsleitung (gesamtausgabe): christian lehmann

reformiert. kanton zürichherausgeber:trägerverein reformiert.zürichPräsident: Pfr. rolf Kühni, Stäfa

geschäftsleitung: Kurt Bütikofer, Präsidentredaktionsleitung: Jürgen dittrichAdresse Redaktion/Verlag: Postfach, 8022 Zürichtel. 044 268 50 00, Fax 044 268 50 [email protected]: elsbeth MeiliVerlagsleitung: corinne [email protected]: Preyergasse 13, 8022 Zürichtel. 044 268 50 30 Fax 044 268 50 [email protected]: 3.März 2010(erscheint am 26.März 2010)Adressänderungen:Stadt Zürich: 043 322 18 18StadtWinterthur: 052 212 98 89Übrige Gemeinden: Kirchgemeinde-Sekretariat(s. Gemeindebeilage)

Die Kräfteneubündelnreform/Neue Strukturenund Aufgabenvertei-lungen für die StadtzürcherKirchgemeinden – dasplant der Zürcher Stadt-verband.

Bild:liliaNeGer

aud

Christoph Heusser freut sich über die vielen Besucher

Chronologieder reformende 2006: einsetzungeiner reformkommis-sion mit demauftrag,die Situation der Stadt-zürcher Kirchgemein-den zu analysieren.

2007–2008: das insti-tut landert übernimmtdie durchführung deranalyse.

2009: Gesamtberichtdes landert-institutsliegt vor. es finden in-formationskonferenzenmit den Gemeinde-verantwortlichen statt.

Juli–September 2009:die reformpläne wer-den ausgearbeitet unddurch die Zentral-kirchenpflege bewilligt.

ende 2009/anfang2010: das Vorhabenwird in sechs teil-projekte aufgegliedert,Projektleiter werdeneingestellt. drei dersechs teilprojekte sindzurzeit startbereit.

Nicht nur die Stadtquartiere, sondern auch die Kirchenstrukturen werden in Zürich umgebaut

private Initiative. Auch das «Ka-fi Klick» wird durch Spendenfinanziert. Die BetriebskostenproMonat betragen rund 10000Franken. Die Stadt Zürich hattezur Gründung im Oktober eineStarthilfe von ebenfalls 10000Franken geleistet. «Für das ersteJahr ist unserBetrieb gesichert»,so Heusser. Doch weitere Spen-den seien dringend nötig.

Dem Treffpunkt-Betreuer ge-fällt die Arbeit mit armutsbetrof-fenen Menschen: IV-Bezügerin-nen, Arbeitslose, alleinerziehen-

de Mütter, Leute von der Gasse.«Das sind spannendeMenschen,die oft anecken. Trotzdem habeich sie sehr gerne!» Am be-friedigendsten sind für den Stel-lenleiter die Erfolgsgeschichten.«Kürzlich fand ein Migrant hierim Netz eine neue Wohnung»,erzählt er. «Das war ein Fest füruns alle!» dAnielA SChWegler

www.kafiklick.ch,Müllerstrasse 56,Zürich. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag,14–18 Uhr, Donnerstag 10–20 Uhr.Tel. 043 243 98 38,Mail: [email protected]

reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010 schweiz /welt 3

Der Biotrend hat nach den Kühlschränkennun auch die Kleiderschränke erreicht: Grü-ne Mode, hergestellt aus Biobaumwolle, istangesagt. Eine gute Sache. Denn 25 Prozentder chemischen Insektenvertilger, die welt-weit versprüht werden, gehen auf das Kontodes Baumwollanbaus.

Gefälscht. Nun aber hat der rasante Auf-stieg der Textilien aus organischer Baum-wolle einen empfindlichen Dämpfer erhal-ten. Vor einem Monat entdeckten indischeBehörden, dass in vielen Baumwollballen,auf denen Bio stand, gar nicht Bio drin war.Schlimmer noch: Die Baumwolle stamm-te zum grössten Teil aus gentechnischverändertem Anbau. Für die Öko-Fashionvon den Einzelhandelsketten H&M sowieTschibo bedeutet dies einen immensenImageschaden.

Kontrollen fehlen. Patrick Hohmann, dermit seiner FirmaRemei seit JahrzehntenPio-nierarbeit beim Anbau von Biobaumwolleleistet, ist über den Skandal wenig verwun-dert. «Der Bedarf war in den vergangenenJahren so stark, dass das Angebot schonlange nicht mehr mit der Nachfrage mithal-ten konnte», kommentiert er die Situationauf dem Markt. Denn für die Umstellungvon konventionellemAnbau auf die Bioland-wirtschaft braucht es durchschnittlich dreiJahre. Für Hohmann, dessen Baumwollezur Hauptsache vom weltweit grössten Bio-baumwollevermarkter Coop über die «Na-turaline» vertrieben wird, deckt der Skandalaber noch einen anderen Fehler bei denNeueinsteigern in das Öko-Textilgeschäftauf: Die Firmen wollten einfach «businessas usal» und im Textilgeschäft rappenspal-terisch kalkulieren. «ScharfeKontrollen überdie ganze Handelskette hinweg fehlen.» Fürden Biopionier aus Rotkreuz ist deshalbklar: «Die Handelsketten müssen ganz ver-tieft bis zum Baumwollfarmer hinunter dieProduktionsketten durchdringen. Und daskostet Geld.»

transparenz . Durchsichtige Produktions-abläufe – das fordert Brot für alle (Bfa) schonlange. Zentralsekretär Beat Dietschy deutetdas Beispiel der gefälschten Biobaumwolleso: «Unkontrolliertes Wachstum ist unge-sund.» Die weltweiten Handelsbeziehungenmacht das evangelische Hilfswerk Bfa auchdieses Jahr zusammen mit seinem katholi-schen Partner Fastenopfer unter demMotto«Stopp dem unfairen Handel» zum Thema.Die Hilfswerke wollen es dabei nicht beiAppellen belassen. Deshalb haben beidedie international tätige Fair Wear Founda-tion (FWF) mitbegründet. Im Zentrum derStiftung stehen aber nicht die vergiftetenBaumwollbauern in ihren chemisch be-sprühten Monokulturen, sondern die er-schöpften Näherinnen, die in stickigen Fab-riken von einer Sonderschicht zur anderengehetzt werden. Kinderarbeit, Hungerlöhneund Überstunden bis zumUmfallen – genau dieseentwürdigenden Arbeits-bedingungen will die Stif-tung FWF ausschliessen.«Für viele ist es vielleichterklärungsbedürftig, dassHilfswerke auch Kontroll-organisationen mittra-gen», sagt Dietschy. Abernur unabhängige Instan-zen könnten Einflussnah-men von aussen widerstehen und auf dieEinhaltung strenger Standards dringen.

ausschluss. Dass es die FWF mit ihrenStandards ernst meint, zeigte sie mit demAusschluss der Modemarke Mexx, die sichauf einen chinesischen Zulieferer mit wenigTransparenz einliess. Erfreulich dabei: Trotzder strengen Normen sind neben dem Pio-nierunternehmen Switcher, das seit seinerGründung die soziale Nachhaltigkeit alsGrundmaxime seines Handelns sieht, nochvier andere prominente Schweizer Sporttex-til- und Outdoor-Hersteller bei FWF dabei:Mammut, Odlo, Blackout und Manroof.

rechtlos. Dass die Textilfabriken in denSonderwirtschaftszonen Asiens den Ange-stellten durch ihre Hungerlöhne das letzteHemd ausziehen, ist schon lange ruchbargeworden. Pionierhaft hat die vorösterlicheKampagne von Bfa und Fastenopfer vor dreiJahren «High tech – no rights» die dunkleSeite der Computerbranche ausgeleuchtet.Hinter dem unvermeidlichen «Made in Chi-na» auf den Computergehäusen von Acer,Apple undDell verbergen sich oft unbezahlteÜberstunden und Rechtlosigkeit. Die Kam-pagne zwang die IT-Branche zumindest zuethischen Lippenbekenntnissen.

Wie bereits bei den Textilien stiessendie Hilfswerke auch in der Computerbran-che auf ein Grundproblem: Die moder-nen IT-Konzerne haben sich schon langedavon verabschiedet, in eigenen Werkenin den Entwicklungsländern zu produzie-

ren. Stattdessen stehendie Rechercheure der Ar-beitsbedingungen in derComputerbranche vor ei-nem undurchdringlichenDickicht von Zulieferern,die verschiedene Kompo-nenten herstellen. So ist esoft schwer auszumachen,wem die katastrophalenArbeitsbedingungen an-zulasten sind.

lanGer WeG. Aber die Kampagne «Hightech – no rights» hat auch reale Fort-schritte erzielt. Die Computermarke HewlettPackard hat in einem Pionierprojekt dieArbeiterinnen und Arbeiter geschult, umihre verbrieften Rechte wahrzunehmen. Beiden Kontrollen vor Ort durften auch Vertre-ter von Nichtregierungsorganisationen dieFabriken inspizieren. Auch andere Werkeverpflichteten sich zu einem Kodex, ohneaber die Handelskette bis ins letzte Glied zudurchdringen. Bis der faire Computer käuf-lich ist, werden noch einige ökumenischeKampagnen von Bfa nötig sein. Delf Bucher

Bessere Kontrollen schützendie Menschen im Süden

Baumwollfarmer in Indien bringen ihre Ernte ein. Das Land als zweitgrösster Exporteur von Baumwolleist mit gefälschter Biobaumwolle in die Schlagzeilen geraten

«Gott gibts!»weltgebetstag/ ImZentrum des Welt-gebetstags vom 5.Märzsteht Kamerun.Vier Fragen an eineKamerun-Kennerin.

18 Millionen Einwohnerinnenund Einwohner, rund 250 Volks-gruppen und ebenso vieleSprachen: Das ist der zentralafri-kanische Staat Kamerun gemässStatistik. Heidi Zingg Knöpfli,wenn Sie anhand von drei Gegen-ständen das diesjährigeWelt-gebetstagsland in die Kirchentragen müssten:Welche Gegen-stände würden Sie wählen?Eine halbierte Kalebasse,ein farbenfrohes Stück Stoffund – wenn das ginge – eingelbes Buschtaxi. Die Kale-basse dient als Gefäss beimZubereiten des Nationalge-richts Fufu und ist für michSinnbild derGastfreundschaftim Land. Die wunderschönenStoffe sind allgegenwärtig,selbst ärmste Frauen verste-hen sich damit faszinierendzu kleiden. Und das Taxi, voll-gequetscht mit Passagieren,steht symbolisch für Improvi-sation und Aufbruch.

Die Liturgie 2010 trägt denTitel «Alles, was Odem hat, lobeden Herrn». Das Land ist sehrarm – warum dieser Lobgesang?In Kamerun ist, im Gegensatzzur Schweiz, das Glas immerhalb voll. «God i de!» (Gottgibts!) sagen die Menschen,wenn ihnen Gutes widerfährt.Und sie sagen es oft!Wenn ih-nen hingegen einUnglück ge-schieht, hadern sie nicht – siefragen einfach: Wer trägt dieSchuld? Und Musik und Ge-sang sind einfach das Höchs-te. Auch im Gottesdienst.

Sind die Menschen in Kamerunreligiös?Sehr. Und sie sind auch tole-rant. Christen, Muslime undAnhänger der traditionellenReligionen leben friedlichnebeneinander. Man brichtamMorgen sogar gemeinsamzum Gottesdienst auf: die ei-nen in die Kirche, die anderenin die Moschee und die Drit-ten zu ihrem Kraftort.

Kameruner kennt man hierzu-lande als geniale Fussballspieler.Was zeichnet die Kamerunerin-nen aus?Sie sind fröhlich, gastfreund-lich und arbeiten extrem viel.AlsSelbstversorgerinnen,Geld-verwalterinnen, Mütter undFamilienfrauen. Und: Kame-runerinnen sind tolerant ge-genüber der patriarchalenGesellschaftsstruktur, die dortherrscht. Sie sind auch eman-zipiert, aber anders, als wir eskennen: Sie suchen nicht dieKonfrontation, sondern orga-nisieren sich einfach selberundgehenihreneigenenWeg.IntervIeW: rIta Jost

heIDI zInGG KnöpflI, 55, ist Autorinvon «Schuhe für meine Kinder – Kurz-biografien von Frauen aus Kamerun»(Basileia-Verlag).DerWeltgebetstag findet am 5.März statt.Die Liturgie wird jedes Jahr von denFrauen eines anderen Landes erarbeitet.

Heidi ZinggKnöpfli lebtemit ihrerFamilie jahre-lang in Kame-run und ar-beitete dortals Erwachse-nenbildnerinB

ild:Z

VG

Bild:Pola

ris

/adee

lHalim/d

ukas

steuern fürfaire compisNicht nur bei den klei-nen konsumenten willBrot für alle (Bfa) dasBewusstsein für dieskandalösen Zuständeder Computermanu-fakturen schärfen.auchbei den informatikein-käufern von öffentlichenÄmtern setzen Bfaund ihr katholischer Part-ner Fastenopfer an.Gute Nachrichten kom-men ausGenf: dieCalvin-stadt, in der auchdie internationale ar-beitsorganisation ilo deruNo beheimatet ist,machte als erstes dieilo-standards zur mess-latte beim kauf vonComputern.kinderarbeit,unbezahlte und erzwun-gene Überstundensowie ungleicher lohn fürgleiche arbeit bei män-nern und Frauen sinddamit ausgeschlossen.auch die stadt Zürichhat diese Vorgabenzur Norm erhoben. undfür den kanton könn-te es ebenfalls baldWirk-lichkeit werden: Vorwenigen monaten über-wies der kantonsratdas Postulat für einenachhaltige öffentlicheBeschaffung vonComputern an den re-gierungsrat. Bu

«Die handelskettenbis zum Bauernhinunter zu durch-dringen – daskostet Geld.»

patrIcK hohmann

Kampagne/ «Brot für alle» nimmt undurchsichtige Handelsketten derTextil- und IT-Branche und deren Arbeitsbedingungen ins Visier.

4 schweiz reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010

Schweiss tropft von oben herab auf denBoden. Sven liegt auf einem beweg-lichen Balken in acht Metern Höhe.Roger steht auf einem anderen Balkenzwei Meter unter ihm. «Roger, du stehstfest und sicher. Du musst jetzt Sven hel-fen!», ruft Michael Randl, ein Outdoor-Trainer, der unten steht und sichert.Diese Szene spielt sich nicht etwa ineinem alpinen Klettergarten ab, sondernin der reformierten Kirche Straubenzellim St.Galler Quartier Bruggen. Für fünfWochen ist dort ein mobiler Klettergar-ten aufgebaut. «Xtreme Heaven» heisstdas Projekt. VerschiedeneKletterwände,Leitern und Balken können ausprobiertdabei werden. Ganz Mutige können sichaus 25 Metern Höhe vom Kirchturmabseilen lassen.

Lernende Kirche.Wie ist die Idee einesKlettergartens in der Kirche entstanden?Kurt Pauli, Diakon und Projektleiter von«Xtreme Heaven», sieht eine Parallelezwischen Klettern und Glauben: «Ähn-lich, wie man sich an ein Seil bindet undauf die Untenstehenden verlässt, kannman sich auch auf Gott verlassen, dereinen trägt, wenn man ausrutscht.» Fürjunge Leute braucht es aus seiner Sicht

einen neuen Zugang zur Kirche. «Her-kömmliche Kirchgemeinden erreichenjunge Leute oft nicht», sagt er.

Vertreter von «Kirche in der City»,einem ökumenischen Projekt der StadtSt.Gallen, sowie Vertreter der evange-lischen und katholischen JugendarbeitSt.Gallen gründeten vor etwa drei Jah-ren den Arbeitskreis «Kirche mit jungenLeuten». Daraus entstand das Projekt«safranblau». Es verknüpft Begegnung,Event und Stille miteinander und sprichtgezielt junge Leute von achtzehn bisdreissig Jahren an. Der Graben zwischenJugendkulturen, ChristentumundKirchesoll so überwunden werden. «XtremeHeaven» ist das erste Projekt für jungeErwachsene, das im Rahmen von «saf-ranblau» entstand.

MuLtifunKtionaLeKirche.Die Idee desKletterns in der Kirche kommt bei denjungen Erwachsenen und Organisatorengut an. «Junge Leute, die ansonstenkaum bei kirchlichen Veranstaltungenzu finden sind, kommen aufgrund diesesProjekts jetzt vermehrt hierher in dieKirche», meint Simon Kugler, Zivildienst-leistender der Kantonalkirche St.Gallen.Nach dem Klettern kann man sich in

einem mit grünem und gelbem Licht ge-stalteten Loungebereich ausruhen. Aufdessen Boden befinden sich schwarzeSitzgelegenheiten, zwischen ihnen stehenPalmen. An vier Freitagen legen DJs Elec-tro Musik auf. Dann befinden sich bis zusiebzig Leute in der Kirche.

Wie geht es dabei zu? «Die Jugendli-chen behandeln die Kirche mit Respekt.Sie verhalten sich anders als in einerBar. Innerhalb von vier Tagen hatte ichso viele Gespräche über Gott und dieKirche wie sonst in einem halben Jahr»,sagt Kurt Pauli.

experiMentierfreudig. Während derfünf Wochen des Projekts gehen dieGottesdienste weiter. Sonntags werdenStühle in den Innenraum zwischen denKletterseilen aufgestellt. «Straubenzellist schon immer eine experimentierfreu-dige Gemeinde gewesen», sagt AnninaPolicante, die Präsidentin der Kirchge-meinde Straubenzell.LiLo-Marie ruther

xtreMe heaven: Das Projekt läuft noch bis zum 7.Märzin der Kirchgemeinde Straubenzell, Bruggen.Nähere Informationen zu den Öffnungszeiten im Internet:www.xtremeheaven.ch oder www.safranblau.ch

Kirche als Klettergarten –ein Besuch in St.Gallenneue zugänge/ In der reformierten Kirchgemeinde Straubenzell des St.Galler QuartiersBruggen ist seit Anfang Februar ein mobiler Klettergarten aufgebaut. Das Projekt sollgezielt junge Leute von achtzehn bis dreissig Jahren in ihren Lebenswelten ansprechen.

Wer eine Biografie schreibt, färbt sichdarin unweigerlich selbst ab. So ge-schieht es auch in den zwei neuenBüchern über Albert Schweitzer. Derin Oxford ausgebildete Historiker undTheologe Nils Ole Oermann, der an derBerliner Humboldt-Universität im Be-reich «Religion, Politik und Ökonomie»forscht, geht kritisch an eine Personheran, die inzwischen längst ein Mythosgeworden ist. Er stellt Schweitzer in sei-ne Zeit hinein und zeigt, dass auch einGenie dem Zeitgeist nie ganz entrinnenkann. So vermag selbst ein Schweitzerdem kolonialen Denken und Handelnnicht zu entfliehen. Er konnte gar nichtanders, und als er nach Lambarene zog,um den «Negern» zu helfen, sass er erstrecht und unweigerlich in der Falle. Erwill – wie alleMissionare jener Zeit – hel-fen undbekehren.Unddabei geht es ihmum die grosse abendländische Kultur.

vorbiLd. Der Theologe Friedrich Schor-lemmer kann seineMoraltheologie nichtabstreifen. Er dringt nicht so tief in dengeschichtlichen Kontext ein wie Oer-mann, ihn interessiert mehr das ethisch-moralische Vorbild Albert Schweitzer.Letztlichgeht es ihmnichtumdiePerson,sondernumihreAusstrahlung.Für ihn istAlbert Schweitzers ethisches Programm«Ehrfurcht vor dem Leben» nicht zuhinterfragen, sondern in unsere Zeit undZukunft hinein zu entwickeln. Schweit-zer wirkt weiter, das ist für Schorlemmerder Anlass, sich mit diesem «Heiligen»zu befassen. Schweitzer hat mit seinerengagierten Vagheit der Ehrfurcht vordemLebendieGrundlagengelegt zu denheutigen Menschenrechten – ebensovage und von jedem Grosskulturbereich(etwas) anders verstanden.

Der moralischeKolonialmenschAlbert schweitzer/Der Afrika-KennerAl Imfeld vergleicht zwei Biografien mitseinen eigenen Schweitzer-Erfahrungen.

Bild:daNielammaNN

Bild:z

Vg

voMSocKeLgeStürzt. Ichweiss,wovonich schreibe, denn ich habe nach derMa-tura Schweitzer in Lambarene besucht.Da er auf den Tag, Stunde und Minutesechzig Jahre älter war als ich, hatte ichihn zu meinem Vorbild gemacht. Ichhatte mich durch meine Mutter seit derfrühesten Jugend für ihn begeistern las-sen und wollte ihm nachfolgen. Also ver-suchte ich alles, um ihn vor meinem Ein-tritt ins Missionsseminar zu besuchen.Als ich in Lambarene ankam, stürzte dasgrosse Vorbild vom Sockel. Schweitzer,als Kind seiner Zeit, zweifelte am vol-len Menschsein der Schwarzen; für ihnwaren sie Kinder. Er verteidigte daherden Kolonialismus als «zivilisatorischenAuftrag» des Abendlandes gegenüberSchwarzafrika. Für mich starb damalsein Idol, doch warum sollte ich ihm bösesein? Er öffnete mir die Augen. Ich flohaus Lambarene und schwor in diesemMoment des plötzlichen Abschieds, dassich nicht ein zweiter Schweitzer werdenwollte. Lange habe ich über diesenSchreckensmoment geschwiegen.

diLeMMa. Die zwei neuen Bücher ver-suchen, einiges vom Dilemma, aberauch vom Doppelleben oder vom Seinund Schein Albert Schweitzers aufzu-arbeiten. Etwa den möglichen Vernebe-lungsmechanismus gewisser Worte wie«Ehrfurcht vor dem Leben». Aber dannziehen beide Autoren doch nicht andereSchlüsse für afrikanisch-asiatisches Le-ben. Ausgerechnet Schweitzer, der gros-se Aufklärer in Bezug auf biblische My-then, vermochte nicht, die EinbildungendeswestlichenChauvinismusgegenüberAfrika anzukratzen. Wo er wirklich kon-kret wurde, war in seinem Engagementgegen die Atombombe. Gleiches hätte

man von ihm gegenüber der Apartheiderwarten dürfen; er gab jedoch Südafri-kas Politik der Weissen recht.

Mehrdeutig. Im Nachhinein wird vielesbei Schweitzer mehrdeutig oder gar wi-dersprüchlich. Schorlemmer nimmt an,dass Lambarene ein Zeichen der Sühnewar und Schweitzer nach Afrika ging,um Busse zu tun (S. 175). Falls dem soist, würde es klar offenbaren, wie ver-fänglich, doppeldeutig und verlogen dasVerhältnis Christentum – Kolonialismuswar. Oermann ist realistischer und siehtbei Schweitzer manches als Flucht. Seinübertriebener Ehrgeiz musste ihn anGrenzen desVersagens bringen.Ob er insolchenLagenwohl einen theatralischen

Abgang inszenierte? Was den Autorenklar ist: Schweitzer war ein grossartigerPR-Mann, einer, der wie keiner vor ihmim Bereich der Wohltätigkeit und Hilfeinszenieren und stimulieren konnte.

Oermanns Buch zeigt, dass Schweit-zer keinHeiliger, sondern ein Zeitgenos-se war. Schorlemmers Buch trägt zwarim Untertitel das Wort Genie, es würdeaberwohl ehrlicher heissen: «Meister imUmgang mit dem Zwiespalt». aL iMfeLd

friedrich SchorLeMMer (unter Mitarbeit vonMarcus Hawel): Albert Schweitzer.Genie der Menschlichkeit. Aufbau-Verlag, Berlin 2009.255 Seiten,mit 41 Abbildungen, Fr.39.50.

niLS oLe oerMann: Albert Schweitzer. 1875–1965.Eine Biographie. C.-H.-Beck-Verlag, München 2009.367 Seiten,mit 49 Abbildungen, Fr.43.90.

albertSchweitzer –ein Meisterim umgangmit demzwiespalt.

Im Innenraum der reformiertenKirche Straubenzell in St. Gallen-Bruggen ist für fünfWochen einKlettergarten aufgebaut

Schwarze sind wie Kinder,meinte Albert Schweitzer, selbst ein Kind seiner Zeit

Dossierversteuert/

reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010 5

BiBlisch/ «Wer Steuern erhebt, richtet das Landzugrunde»: Die Bibel über die Verschwendungssucht.ethisch/ «Werden Reiche privilegiert?»: Ein Ethikerund eine Wirtschaftsfrau über die Steuergerechtigkeit.

Anouk HoltHuizen TexT / MArcel Deubelbeiss, nicole Huber GesTalTuNG

Jaja, die Steuererklärung. Seit ich sie bekomme, fülle ich siezwar immer zu spät, aber insgesamt doch ziemlich gewissen-haft aus. Nur ein einziges Mal regte sich Widerstand in mir:Ich hatte gerade geheiratet und intern durchgeboxt, dassmeinNachname zum Familiennamen wurde – doch das Steueramtadressierte dasKuvertmit denUnterlagenweiterhin ungeniertmit dem Nachnamen meines Mannes. Ich rief unverzüglichdort an. Die Beamtin erklärte höflich, das Computerprogrammnehme bei Ehepaaren halt automatisch den Nachnamen desMannes. Nein, das könne man nicht einfach anders eingeben.Interessante Software. Sie versah die Steuerfalle (siehe Seite 6,Ziffer 1), in die ich durch die Heirat getappt war, mit einemzusätzlichenWiderhaken. Ich bleibe durchdieDoppelbesteue-rung nicht nur finanziell, sondern auch namentlich anmeinemGatten hängen.

unerklärlicH. Nachdem mir die Dame vom Steueramt da-mals sozusagen den geltenden familienpolitischen Tarif er-klärt hatte, dachte ich zum ersten Mal in meinem Leben über

steuererklärung/ Ob auf Papier oder perInternet: Wer die Steuererklärung ausfüllt,legt sich auch Rechenschaft übers eigene Lebenab. Und kommt zwangsläufig ins Grübeln.

den Begriff «Steuererklärung» nach – und kam zum Schluss,dass diese Bezeichnung ihrem Inhalt nicht gerecht wird. Vorallem der zweite Teil: die «Erklärung». Was, bitte schön, istan der Steuererklärung erklärend? Ich bin es, die erklärt:wer ich bin, wie ich lebe, wie viel ich verdiene und was ichmit meinem Geld mache. Mir aber erklärt niemand, wofürgenau ich überhaupt Steuern zahle (siehe Seite 6, Ziffer 2) undwie sie bemessen werden. Und wer weiss schon, was «nachvereinfachtem Verfahren bereits versteuerte Einkünfte» oder«Nutzniessungsberechtigte» sind? Das ist, mit Verlaub, eherverwirrlich als erklärend. Jedenfalls werden steuertechnischeLaien wie ich, die das Formular selbst ausfüllen, das Gefühlnicht los, haufenweise abzugsberechtigte Ausgaben zu über-sehen. Trotzdem vertrau ich dem Staat irgendwie, schliesslichsorgt er sonst ordentlich für mich.

Und deshalb füll ich die Steuererklärung jetzt nach bestemWissen und Gewissen aus. Wie immer. Schön der Reihe nach.Rechts neben dem Formular liegt ein Blätterberg mit Lohn-ausweisen, Kinderbetreuungsabrechnungen, Steuer- •

Wissen GewissenundNach bestem

Auslegeordnung:Woher kommt das Geld, wo geht es hin – und wie lebe ich überhaupt? Die Steuererklärung macht nachdenklich

Bild:MarTiN

GuGGisBer

G

«Steuerwettbewerb unterhöhlt das Primat der Politik»: Ulrich Thielemann «Gesunder Steuerwettbewerb ist etwas Heilsames»: Vreni Spoerry

ULRICHTHIELEMANN, 49ist stellvertretenderLeiter des Instituts fürWirtschaftsethik derUniversität St.Gallen.Der gebürtige Deutscheist vehementer Kritikereines «zum Prinzip er-hobenen Markts».

VRENISPOERRY, 72war von 1983 bis 1996National- und von 1996bis 2003 Ständerätinfür die FDP des KantonsZürich. Heute ist diestudierte Juristin Stif-tungsratspräsidentinvon Pro Senectute.

«Unethisch» oder «haushälterisch»?DISPUT/ Der Wirtschaftsethiker und die alt Politikerin zu vier fiskalischen Reizthemen:Steuerflucht, Pauschalbesteuerung, Steuererleichterung und Steuerwettbewerb.

«Exzessiver Steuerwettbewerbbedeutet eine Gefahr für denFöderalismus und unsere Demo-kratie», so Bundesrätin EvelineWidmer-Schlumpf. Andere sagen,Steuerwettbewerb führe zueinem effizienten, schlankenStaat. Was stimmt?

ULRICH THIELEMANN. Überhaupt nicht. Es gibt keine Legitimation, Ausländer, die ihr Ver-mögen von Schweizer Banken verwalten lassen, durch Verweigerung des Informations-austauschs von ihrer Steuerpflicht in ihren jeweiligen Wohnsitzstaaten zu befreien. Diegleichen Kräfte, die dieses Argument bemühen, würden sich eine solche Einmischung indie Schweizer Politik übrigens verbitten. Kommt dazu, dass der Anteil der Einkommenssteu-ern am Bruttoinlandprodukt in Deutschland nicht etwa höher, sondern tiefer ist als in derSchweiz. Arbeitnehmer in Deutschland haben aber in der Tat eine höhere Steuerbelastungals Arbeitnehmer in der Schweiz. Das liegt unter anderem just daran, dass sich das Kapitalzunehmend seiner Steuerpflichten entledigt hat – nämlich mithilfe von Ländern, die Beihilfezur Steuerhinterziehung leisten. Die Schweiz ist also für diese angeblich oder tatsächlich «zuhohe» Steuerlast mitverantwortlich.

VRENI SPOERRY. Deutschland ist kein ka-putter Staat, sondern ein demokratischregierter Rechtsstaat. Seine Gesetze sinddemokratisch legitimiert. Das gilt auch fürdie Steuerbelastung. Deshalb kann manbei Steuerflucht aus Deutschland nichtvon Notwehr sprechen, selbst wenn dieSteuern hoch sind. Notwehr kann allen-falls bei völlig korrupten Regierungen einThema sein, die missbräuchlich Vermö-gen konfiszieren.

«Die Bürger bringen ihr Geld nurvor dem kaputten deutschenStaat in Sicherheit», so «Welt-woche»-Chefredaktor RogerKöppel zur aktuellen Kontroverseum deutsche Steuerhinterzie-her. Steuerflucht als Notwehr derSteuergeknechteten – ist das fürSie in Ordnung?

ULRICH THIELEMANN. Auch hierwird dasWohnsitzprinzip unterlaufen:nämlich durch die Privilegierung der Superreichen. Ihnenwird ja einepauschale Steuerbefreiung auf ihre Millioneneinkommen gewährt,die sie irgendwo in der Welt erzielen und für die sie vorher in ihremWohnsitzstaat besteuertwurden.Dabei handeln übrigens beide Seitenunverantwortlich: der Steuerflüchtling, der die Möglichkeit einer fastvollständigen Steuerbefreiung nutzt, ebenso wie der Staat, der siegewährt. Aus weltinnenpolitischer Optik betrachtet, führt diese listi-ge Praxis dazu, dass gerade diejenigen, denen es in nicht unbedingtleistungsgerechterWeise gelingt, sich sehr grosse Anteile amWeltso-zialprodukt anzueignen, auch noch kaum mehr besteuert werden.

VRENI SPOERRY. Die Pauschalbesteuerung schafft in der Tat einesteuerliche Ungleichbehandlung. Deshalb wurde sie im KantonZürich kürzlich in einer Volksabstimmung als ungerecht abge-schafft. Es ist allerdings ein Instrument, das auch Länder kennen,die steuerlichmit der Schweiz in einemKonkurrenzverhältnis ste-hen. Für einige Kantone mag deshalb die Pauschalbesteuerungals Einnahmequelle wichtig sein. Ich meine aber, dass die Be-messung angepasst werden sollte, um die Ungleichbehandlungzu entschärfen. Es ist fraglich, obwir Ausländer kritisieren sollen,die von der Pauschalbesteuerung profitieren, so lange diese inunserem Land gesetzlich abgestützt angeboten wird.

«Michael Schumacher ist einSteuerpreller und sein Verhaltenmoralisch und ethisch verwerflich»,sagt der ehemalige Preisüberwa-cher Rudolf Strahm über den For-mel-1-Fahrer. Ist die Pauschalbe-steuerung, die reiche Ausländer ge-genüber Schweizer Steuerzahlernmassiv bevorteilt, legitim?

ULRICH THIELEMANN. Es scheint sich ein neuer Virus breitzumachen: der Libertaris-mus. Steuern sind aus dieser Sicht eine Art Diebstahl. Dass es öffentliche Aufgabengibt, derenFinanzierung sich nicht über das Prinzip vonLeistungundGegenleistungvollziehen kann, wird dabei ebenso übersehen, wie der Sinn des liberalen Rechts-staats unverstanden bleibt. Mit diesem geben wir uns nämlich eine Ordnung unddamit die Sicherheit, dass wir nicht alleine die Kosten tragen für Aufgaben, derenNotwendigkeit doch von jedem Bürger aus freien Stücken eingesehen werdenmüsste. Libertäre hingegen meinen allen Ernstes, dass Steuern durch Spenden zuersetzen seien, was in eine neue Klassengesellschaft führen würde.

VRENI SPOERRY. Solange Steuererleichterungenim Rahmen der Grundsätze unseres Steuerrechtsbeschlossen werden, freut sich sicher jedermanndarüber. Das heisst, die Gleichbehandlung mussgewährleistet, die steuerliche Leistungsfähigkeitberücksichtigt und eine einzelne Gruppe darf nichtprivilegiert werden. Demokratisch beschlosseneSteuererleichterungen haben nichts zu tun mitSteuerflucht oder Steuerhinterziehung.

«Wer an die Freiheit glaubt, freutsich über Steuererleichterungen –egal, wo sie gewährt werden, undegal, wer davon profitiert», dekla-rierte Bundesrat Ueli Maurer seinCredo kürzlich vor der deutsch-schweizerischen Handelskammer.Was meinen Sie dazu?

VRENI SPOERRY.Grundsätzlich ist ein gesunderWettbewerbetwas Heilsames, auch bei Steuern. Tiefere Steuern in ei-nem Nachbarkanton spornen dazu an, haushälterisch mitden eigenen Mitteln umzugehen. Das kommt allen zugute.

Exzessiver Steuerwettbewerb ist aber in einem kleinräu-migen Land wie der Schweiz ungesund. Dagegen richtetsich der Finanzausgleich. Vor einigen Jahren haben wirvorgeschlagen, diesen deutlich auszubauen, um zu krasseUnterschiede zu glätten. Ich bin stolz, dass auch Geberkan-tone, insbesondere der Souverän im Kanton Zürich, diesemSchritt zugestimmt haben.

ULRICH THIELEMANN. Wenn es Steuerwettbewerb geben soll, muss es einLeistungswettbewerb sein, was die Ab- und Zuwanderung der Steuerflüch-tigen voraussetzt. Doch selbst ein Steuerleistungswettbewerb unterhöhltdas Primat der Politik und ist deshalb ethisch fragwürdig. Die Frage, wasein guter Staat ist, muss die Demokratie beantworten. Marktmetaphysikerwollen diese Aufgabe jedoch an denWettbewerb delegieren.Wie «effizient»oder «schlank» der Staat sein soll, kann nicht derWettbewerb beantworten.Der innerschweizerische Steuerwettbewerb erfüllt zumindest insofern dasPrimat der Politik, als er sich innerhalb eines Regelwerks abspielt (Finanz-ausgleich). Allerdings privilegiert er hohe Einkommen, da sich nur dieseden Ortswechsel aus rein steuerlichen Gründen leisten können.

8 RÜCKFRAGE reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010

«Die Bürger bringen ihr Geld nur vor dem kaputten deutschen

so «Welt- Staat in Sicherheit»,

genüber Schweizer Steuerzahlernlegitim? bevorteilt, massiv

BILDER

:MARTIN

GUGGISBER

G

reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010 Leben /GLaube 9

Obdachloseproben für dengrossen AuftrittZürich/ Wenn Obdachlose Theaterspielen, geht es turbulent zu und her.Ein Blick ins Vorzelt des «Pfuusbusses»,wo Pfarrer Siebers Theatergruppe«Schräge Vögel» ihr neustes Stück probt.

Pfarrer Siebers Laientheatergruppe «Schräge Vögel» mit Leiterin Nicole Stehli (M.) bei den Proben

Bild:liliaNegÉr

aud

ich kannmicheinfach nichtentscheiden!EinrichtEn.Als die Zügelmännerkamen, musste ich schnell ent-scheiden: den Schreibtisch an derWand oder frei im Raum? Links oderrechts? Und wohin mit dem Bücher-gestell? Ich wusste es nicht, sagtemal dies, mal jenes, bis schliesslichalles irgendwo stand, aber nichtsdort, wo es hätte sein sollen. Nach-dem die Männer gegangen waren,schob ich die Möbelstücke noch lan-ge selbst durch den Raum. Mit demErgebnis, dass mich am Schluss einelatente Unzufriedenheit und einhandfester Hexenschuss plagten.

AbwägEn. Entscheidungen könnenganz schön schwierig sein. Selbstdann, wenn es um Leichtgewich-tiges geht: die schwarze oder dieblaue Jacke? Die Einladung anneh-men oder absagen? Eine kleineoder eine grosse Portion? Bei mirverläuft es dann so, dass ich hinund her überlege, irgendeinmal ent-scheide und sogleich befürchte,die falsche Wahl getroffen zu haben.Was manchmal auch zutrifft.

UnEntschlossEn. Immerhin habeich entschieden. Eine andauerndeUnentschiedenheit kann nämlichganz verhängnisvolle Folgen haben,wie ein altes Gleichnis zeigt: Dasteht ein Esel zwischen zwei gleichgrossen Heuhaufen und weissnicht, welchen er zuerst fressensoll. Weil er hin und her gerissenist und sich einfach nicht ent-schliessen kann, verhungert erschliesslich. Aus Angst vor einerfalschen Entscheidung gar nicht zuentscheiden, ist zwar auch eineEntscheidung – aber bestimmt nichtdie klügste.

PhilosoPhiE. Der dänische Philo-soph Sören Kierkegaard kenntdieses Dilemma. Ihm bereiteteschon die Auswahl der passendenTasse für seinen Nachmittagskaffeeunendliche Mühe. Die Möglichkeitder Wahl macht uns erst wirklichzu Menschen, schreibt er. Doch erbrauchte Jahre, um herauszufinden,ob er seine Verlobte heiraten solloder nicht. Schliesslich verliesser sie – und bereute es sein Lebenlang. «Entweder – oder» heisstder Titel eines seiner Hauptwerke.Selbst blieb er oft dazwischenstecken.

ritUAl. Kierkegaard weiss auch,was die Wahl zur Qual macht:Es ist die Idee, das Richtige wählenzu können. Das ist gar nicht mög-lich, meint er, weil wir die Folgeneiner Entscheidung nie genau ken-nen. Den Entscheidungsschwachenempfiehlt er deshalb, mutig eineWahl zu treffen, ohne sich grossum das Ergebnis zu kümmern. Wasfür ihn zählt, ist die Wahl an sich.Sie formt den Menschen und zeigtihm, wie es um ihn steht. Sie hat fürden Philosophen sogar etwas rich-tig Feierliches. Die Wahl als Ritual.Das braucht Zeit. Unentschlossenewie ich sind damit rehabilitiert. Siefeiern einfach ausgiebig ihr Ritual.

UMstEllEn. Übrigens, wenn ichjetzt so um mich blicke, scheint mirklar, wo die Möbel stehen müssten.Soll ich also noch einmal alles um-stellen? Ja? Nein? Janein? Neinja?Ach, ich lass das wohl lieber sein.Oder doch nicht?

SpirituaLitätim aLLtaG

LebenSfraGen

Warumgeschiehtmir immer wiederdas gleiche?LebenSmuSter/Vielen geht es so:Trotz besserer Einsicht macht man immerwieder die gleichen Fehler. Was tun?

illu

strat

ioN:Brig

itta

garcia

lopez

In der Rubrik «Lebens-und Glaubensfragen»beantwortet einkompetentes nationalesTeam Fragen unsererLeserinnen und Leser.Senden Sie IhreAnfrage an:reformiert. Zürich,Postfach, 8022 Zürich,[email protected].

roMAn Angst-vonwillErist theologe und ar-beitet als seelsorger inder «Bahnhofkirche»des zürcher Haupt-bahnhofs ([email protected])

lorEnzMArtiist Redaktor Religion beiRadio DRS und Buchautor

Ein unbescholtener Bürger, Hochbauzeichner,schreitet ein, als ein Mann eine Frau verbalattackiert. Bei der anschliessenden Ausweis-kontrolle durch die Polizei wird er irrtümlichverhaftet. Unversehens findet er sich mit einemSchwerverbrecher in derselben Zelle wieder.

So turbulent beginnt das Theaterstück «Eskommt anders, als man denkt» der Theater-gruppe der Sozialwerke Pfarrer Sieber. Auchdie Schauspielerinnen und Schauspieler sindandere, als man erwartet: Unter der Leitungder Sozialpädagogin Nicole Stehli haben sichobdachlose Menschen zu einer bunt gemisch-ten Laientheatergruppe zusammengefunden.Darstellerinnen und Darsteller, Bühnenbildner,Kostümverantwortliche, für den InternetauftrittVerantwortliche: Sie alle leben auf der Strasseoder sind sonstwie aus dem sozialen Rahmenherausgefallen. «SchrägeVögel» halt – aus einerbürgerlichen Warte betrachtet. Und so heisstdenn auch ihre Theatergruppe.

ProbEn. Mitte Februar steckt die Gruppe inintensiven Proben für ihr zweites Stück, das sie– inspiriert durch Szenen aus ihrem eigenen Le-ben – selber geschrieben haben. Als Proberaumdient das an die Notschlafstelle «Pfuusbus»angebaute Vorzelt. An der Zeltwand hängt einKruzifix. Matrazen stapeln sich in einer Ecke.Durch die Plastikfenster fällt warmes Sonnen-licht auf die Verschalungsbretter der Bühne.Vier Gassenhunde gehören mit zur Szenerie.

Plötzlich tritt ein unerwarteter Gast durchden Zeltvorhang: Pfarrer Sieber,mit zerzaustemsilbernem Haar, ganz in Schwarz gehüllt, festes

Schuhwerk, langer, schwerer Ledermantel. Ererinnert an einen Hirten und sein Aufritt wäh-rend der Stippvisite hat etwas Theatralisches– Pfarrer Sieber, wie er leibt und lebt. «DieTheaterproben zeigen: Diese Leute sind fähig!»,lobt er seine Freunde vor den anwesendenJournalisten. «Die ‹schrägen Vögel› sind Teilunserer Gesellschaft und haben ein Recht aufMenschenwürde – wie wir alle!» Das Theater-spiel gibt den Obdachlosen tatsächlich Würdezurück, wie sich im Lauf des Probenachmittagszeigt, wo den Darstellern ein schalkhaftes Lä-cheln über das Gelingen einer Passage überdie Gesichter huscht und sie zusammen spie-len, dass es eine Lust ist, der schrägen Truppezuzuschauen.

rEgiE. Die Regiefäden zieht SozialpädagoginNicole Stehli mit klarer, ruhiger Hand. Sie gibthier eineAnweisung, spielt dortwas vor, undge-mahntdieHundezurRuhe,wennsie kläffenddieProben stören. Stehli bildet sich an der ZürcherHochschule der Künste zur Theaterpädagoginweiter. Das Zusammenarbeiten mit den Ob-dachlosen macht ihr Spass. «Alle sind motiviert

und bringen das ein, was sie ausmacht.» Zielihrer Theaterarbeit ist es denn auch, die Res-sourcen der Mitspielenden zu fördern und demPublikum einen Einblick in das Leben der

«schrägenVögel»zu geben. Der-weil sind dieProben bei derChoreinlage an-gelangt: Vereintschmettern dieSchauspieler BobDylans «Knockin'onHeaven'sDoor»in denRaum,mu-

sikalisch untermalt mit Trommel-, Querflöten-und Pianoklängen. Wie hatte Pfarrer Sieberdoch gesagt? «Der liebe Gott hat sein Gottes-reich zuerst den Ärmsten versprochen.»DAniElA schwEglEr

«schrägE vögEl», die Laientheatergruppe der Sozial-werke Pfarrer Sieber, treten mit ihrem aktuellenTheaterstück «Es kommt anders, als man denkt» aufAnfrage gerne in Kirchgemeinden oder Schulen auf.Kontakt: Nicole Stehli, Projektleiterin, Tel. 079 473 16 99.

«Die leute sindfähig, wie die Probenzeigen. sie habenein recht aufwürde– wie wir alle.»

PfArrEr siEbEr

frAgE.Es ist zumDavonlaufen. Icherlebe im-merwieder dasGleiche.Zunächst geht es gut,wenn ich in eine neue Lebenssituation kom-me. Dann ecke ich in meinem Umfeld mit ei-ner Kleinigkeit an.Und dannwerde ich kaltge-stellt. Obwohl ich den Mechanismus langsamkenne, schlagen alle Versuche, ihn zu ändern,fehl. Ich komme einfach nicht vom Fleck. D.S.

Antwort. Liebe Frau S., ich versteheIhren Ärger gut. Es gibt tatsächlich Mus-ter im Leben, die sich wiederholen – wieRäder,diesich ineinanderverzahnthaben.Gerne würde ich Sie jetzt bitten, mir die-ses «immer Gleiche» zu beschreiben. Wirkönntendannmiteinanderdanachsuchen,ob es nicht doch Unterschiede zwischenden beschriebenen Situationen gibt.

Denn ich finde: Nichts ist immer gleich.Wenn wir die Unterschiede erkennen,können wir auch Wege aus dem Musterhinaus finden. Deshalb ist ganz wichtig:Wer das Gefühl hat, nicht vom Fleck zukommen, wer glaubt, das immer Gleichezu erleben, soll das Gespräch suchen.

Fremde Augen und Ohren können dieMechanismen besser entdecken und da-mit mögliche Los-Lösungswege finden.Diesekönnendannvon Ihnenausprobiertund, wenn sie sich bewähren, eingeübtwerden.

Gerne würde ich diesen Weg mit Ihnengehen. Ich bin sicher, dass uns zusam-men einiges auffallen würde. Und genaudas könnte Ihnen weiterhelfen. Ja, undvielleicht würden Sie dann sogar sagen:«Diese Einsicht verändert mein Lebentotal! Aber ich weiss nicht, ob ich dazubereit bin, ob ich das überhaupt will.»

Natürlich machen uns VeränderungenAngst – auch wenn sie manchmal be-freien. Sie führen uns in Neuland, zuneuen Herausforderungen. Werden wirbestehen können? Mit dem Alten habenwir schlecht und recht leben gelernt.Wollen wir uns dem Neuen stellen?

Leben drängt vorwärts. Nicht vom Fleckkommen nimmt uns hingegen jede Le-

benslust. Lebenbraucht also genaudieseVeränderung, die Sie suchen. Nur sokommen wir weiter. Veränderung machtaber auch Angst. Deshalb ist es wichtig,dass wir wissen, worauf wir vertrauenkönnen. Wir brauchen einen Bezugs-punkt, der hält und trägt.

Diesen letzten Punkt kann ich allerdingsnur persönlich angehen: Für mich istGott der Halt, auf den ich vertraue. Er istmit mir auf dem Weg der Veränderung.Ich vertraue aber auch auf das Netz vonMenschen, das sich im Lauf meines Le-bens um mich gebildet hat und in demich Zuneigung, Unterstützung undKritikerlebe. Solche Netze gilt es zu pflegen,denn auch durch Beziehungen könnenwir uns weiterentwickeln.

Liebe Frau S., ich freue mich auf einpersönliches Gespräch mit Ihnen. EinGespräch zu suchen, wäre für Sie viel-leicht schon ein erster Ausstieg aus Ih-rem Verhaltensmuster, der Veränderungbringen könnte.

marktplatz. Inserate:[email protected]/anzeigenTel. 044 268 50 31

Seit 16 Jahren finden Singles ihren Wunschpartner bei

PRO DUEDank seriöser Vorabklärungen kommen Sie mit Leuten

in Kontakt, die gut zu Ihnen passen. Machen auch Sie diesenSchritt und verlangen Sie unsere Informationsunterlagen.

ZH 044 362 15 50 www.produe.ch

Tauchen Sie ein in meine Musik

www.a4jproject.ch

Sich weiterbilden. Inspiration beim Blick in die Traumlandschaft istvorprogrammiert! Grosszügige Seminarräume bis 100 Personen.Topinfrastruktur. Ruhige Hotelzimmer, zwei Cafeterias und einemarktfrische Küche sorgen für Entspannung.HotelArtos, 3800 Interlaken,T 033 828 88 44, hotel-artos.ch

Sonderheft zum

Schon ab90 Rappen imMengenbezug!

Schon ab90 RappenMengenbezug!

Schon ab90 RappenMengenbezug!

Stille entdecken –Gott begegnen

Bestellen Sie jetzt:www.bvzeitschriften.net/sonderheftTel: 0848 222 777 · [email protected]

ZUSAMMENUNTERWEGSVELOREISEN FÜR SENIORENBegleitete, gemütliche Velofahrten durchinteressante Landschaften in der Schweiz,in Österreich, Deutschland und Italien.Bestellen Sie jetzt den Katalogund reservieren Sie rechtzeitig:

RENORAMA AG, Postfach, 8604 VolketswilTel: 044 826 05 55・Fax: 044 826 05 [email protected]・www.renorama.ch

www.lihn-singwochen.ch079 232 49 02

Top-Reisehits 2010Süd-Irland Ferienreise31.5.-10.6. mit Pfr. U. Zimmermann03.7.-11.7. mit Beatrix BöniFerien direkt am See in einmaligerLandschaft. Top-Ausflüge

Blumeninsel Madeira13.-20.5. Freizeit mit ERF Medien03.-12.6. mit M.-T. & H. KuhnFerien auf der Atlantikinsel mit einma-liger Pflanzenvielfalt und Landschaft

.ch

Prospektbestellung bei: KULTOUR Ferienreisen, Tel. 052 235 10 00

[email protected] / www.kultour.ch

Reise nach Armenien31.5.-12.6.mit Pfr KlausGuggisberg20.5.-31.5. mit Gabriele DeparadeEntdeckungsreise ins älteste Land derChristenheit. Top-Reiseprogramm

Frauenreise nach Israel7.-14.11. mit Lotti SchumBegegnungmit Frauen unterschiedlich-ster Kulturen.Ausgesuchte Besuchs-orte. Informativ, aktiv und erholsam

Griechenland-Freizeit13.-25.9. mit PfrKlausGuggisbergBade- & Genussferien im traumhaftenHotel HinitsaBaymitmalerischer Bade-bucht. InteressantesAusflugsprogramm

Israel -Land der Bibel4.-14.10.mit Heilsarmee-Offizieren26.4-5.5.mit Ueli Stettler, TheologeBiblische Reisen nach Israel mit Top-Reiseprogramm und Badetagen

Zypern-Badefreizeit18.-26.9. Ferienmit ERFMedienBlaue Lagunen und kulturelle Sehens-würdigkeiten. Beliebtes Hotel direktamMeer. InteressanteAusflüge

Oper Nabucco in Israel2.-7.6. Kurzreise zur Aufführung28.5.-7.6. Rundreisemit NabuccoVerdi’s “Jüdische Oper” vor einmaligerKulisse Massadas. 2 Reisevarianten

46BC6#A563A88A 965!)78#A2C +/#/8!-6!>,# 0$ /6; 7*:)-,.=6>0#=2 '$6##,# (#& >?,09&

: &/A"/5 A5 '/!%#*2C, =@%/#>A!A15 @50 -162CA5" 6@$, ;A/■ +,?8#.,25=>"9=,.,#) '$6##%,#!02,2 <2. -=>6#3,=>,2.,

C8E1"1D8;831" C83 :DE1D8;831" $"63CAEDB C83 #"1C83!7F;#E>D7F%C!;::18;"91DE18

■ #,1?>9=1?, <2. =2?69>9=1?, 40#"63,2 318 *1:1D831;C#9;C #<"31"8->;EE18!E";!!1 5. , .)&' /0"D7F?1>, )55 ')' )2 )2 , +;= )55 ')' )2 (2A;";E4A;EF;"D8;@D>>D,7F , @@@,A;EF;"D8;@D>>D,7F

<6(#6B ( ./#6B@5" ( +/#!1568 ( ?/2CB

KREUZ/ Was meinenwir, wenn wir vomKreuz sprechen?ERSCHEINT AM 12.MÄRZ 2010

VORSCHAU

BESONDERE GOTTESDIENSTEÖkumenische Abendmeditation. JeweilsMittwoch,3./17./30.März, 20 Uhr, in deralten Kirche Zürich-Witikon.

Gottesdienst für Lesben, Schwule undandere. 7.März, 18.15Uhr, Kulturhaus Helferei(Kapelle), Kirchgasse 13, Zürich.

Politischer Abendgottesdienst. «Im Dienstvon Gerechtigkeit und Frieden.» Der Pazifistund religiöse Sozialist Hans-Heiri Zürrererzählt aus seinem Leben. 12.März, 18.30Uhr,im Chor des Fraumünsters Zürich, EingangLimmatseite.

Taizé-Gottesdienst. Stille,meditativeGesänge und Musik. 12.März, 20Uhr,ref. Kirche Herrliberg (Nähe Bahnhof).

TREFFPUNKTRundgang auf dem Friedhof Sihlfeld.Aus Anlass des Internationalen Tags der Frau.Führung (1 Std.) zu Gräbern berühmterFrauen.Mit TrudiWeinhandl.8.März, 16Uhr,Treffpunkt: Hauptporte, Ämtlerstrasse 151,Zürich. Unkostenbeitrag: Fr.5.–.

Kraft und Macht der Frauen. PolitischerAbend zum Internationalen Tag der Frau.Referat: Corine Mauch. GesprächsrundemitClaudia Bandixen (KirchenratspräsidentinAG), Susanne Blank (Verwaltungsrätin Postund Suva), Barbara Schmid-Federer (Natio-nalrätin), Ursula Keller (Physik-Professorin).8.März, 19–21Uhr, alte Börse Zürich,Bleicherweg 5. Eintritt frei, Anmeldung:www.frauenzentrale-zh.ch (Rubrik Anlässe).

Hände-Auflegen. In der reformierten KircheDürnten.8.März, 16–19Uhr.Auskunft:K.Mohn, 0552408385.

Veranstaltung für Frauen. «Katharina vonBora, Nonne und Ehefrau des ReformatorsMartin Luther». Referentin: M. Bless-Grabher,11. und 16.März, 14–17Uhr, Rest. Brahmshof,Brahmsstrasse 22, Zürich. Info/Anmeldung:Evang. Frauenbund Zürich (EFZ),044 4057330, [email protected]

«Fiire mit de Chliine». Formen des Gebets.Leitung: Andreas Manig.6.April, 19.30–21.30Uhr, Kirchgemeindehaus Liebestrasse 3,Winterthur. 15.April, 19.30– 21.30Uhr,Hirschengraben 50, Zürich. Info/Anmeldung:0442589266, [email protected]

KURSE/SEMINAREDer engagierte Eremit. Balance findenzwischen Kontemplation undAktion.12.–14.März,Via Cordis-Haus, Flüeli-Ranft.Info/Anm.: 0416605045, www.viacordis.ch

Jugend und Arbeit. Schöne neue Arbeits-welt?Was erwartet einen jungen Menschenbeim Eintritt in die Arbeitswelt? Fachtagung

Schöpfungsmystik

RADIO-/TV-TIPPSWer sind wir und woher wissen wir das?Sternstunde Philosophie. Ohne Teilhabe am le-bendigen kollektiven Gedächtnis verstehen dieMenschen weder, wer sie sind, noch, in welcheZukunft sie steuern.28.Februar, 11.00, SF 1

Glück im Vergessen. Dok.Marianne Pletscherssensibler Film über Demenzkranke zeigt,dass Glück imVergessen möglich ist, wennden Menschen entsprechend geholfen wird.4.März, 20.00, SF 1

Zwischen Rom und Kondom. Das päpstlicheKondomverbot löst viel Kritik aus. DieseHaltung ist auch in der katholischen KircheSüdafrikas umstritten.5.März, 12.30, 3sat

Liebe und Exil. Der Iraner Said schreibt aufDeutsch. Seine Lyrik beschreibt die Liebe unddas Leben im Exil. In seinen «Psalmen» tritt erdarüber hinaus in einen interreligiösen Dialog.7. März, 8.30, DRS 2 (Wdh. 11.3., 15.00)

Der Mann ohne Vergangenheit. Regie: AkiKaurismäki. Ein Mann in Helsinki wird verprü-gelt und verliert sein Gedächtnis.Als er ineinen Überfall verwickelt wird, ermittelt diePolizei seine Identität und er muss sich seinemalten Leben stellen. 11.Februar, 22.25, 3sat

So entstand der Koran. Die Dokumentation(F 2009) macht sich auf eine Entdeckungs-reise zwischen Tradition undmodernerForschung. 13.März, 21.00, Arte

GOTT IM SPIEGEL DER NATUR/Christli-che Schöpfungsmystik in Vergangen-heit und Gegenwart. Begegnungen inWort und Musik. Wort: Franz Müller,Renate von Ballmoos und Ingrid Grave.Musik: Pius Strassmann (Flöten) undChristian Döhring (Orgel/Klavier).

PREDIGERKIRCHE IM NIEDERDORF, Predigerplatz,Zürich. 4./ 11./ 18.März, jeweils 19.30Uhr.Mit anschliessendem Gespräch im Kirchenschiff.Infos: www.predigerkirche.ch

AGENDA

für Mitarbeitende in Jugend- und Sozialarbeit,Lehrlingsverantwortliche und Interessierte.Veranstalterin: Jugendseelsorge Zürich,ref. Landeskirche u.a. 16.März, 9–16 Uhr,aki, Katholisches Akademikerhaus, Hirschen-graben 86,Zürich. Info/Anmeldung (bis 8.März):0442589241, [email protected]

Kontemplation. Kursleitung: AnemoneEglin, Franz N.Müller, 18.–21.März, StiftungFelsentor, Romiti/Rigi. Info/Anmeldung:0413971776, [email protected]

«Mit den Augen hören». Begegnung zwischenHörenden und Gehörlosen.20./21.März,Kloster Kappel, Kappel amAlbis. Info/Anmel-dung (bis 5.März): Ref. Pfarramt für GehörloseZürich, Oerlikonerstrasse 8, 8057 Zürich,[email protected]

Menschen stärken im Gespräch.Weiter-bildung für Freiwillige. 7./14./21.April, jeweils14–17Uhr, Haus am Lindentor, Hirschengraben 7,Zürich. Info/Anmeldung: 0442589256,www.zh.ref.ch/freiwillig

KULTURIn Paradisum – alte und neue sakraleGesänge. Die SingfrauenWinterthur verbindenälteste Musik mit zeitgenössischen geistlichenKompositionen.6.März, 20Uhr, StadtkircheWinterthur.Vorverkauf: 0522676700,www.ticket.winterthur.ch. Sowie 7.März,

IHRE MEINUNG interessiert uns. Schrei-ben Sie an [email protected] an «reformiert.» Redaktion Zürich,Postfach, 8022 Zürich.

Über Auswahl und Kürzungen entschei-det die Redaktion.Anonyme Zuschriftenwerden nicht veröffentlicht.

reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010 VERANSTALTUNGEN 11

BILD:Z

VG

18Uhr,Augustinerkirche Zürich.Vorverkauf:0442537676, Billettkasse Jecklin.

Orgelkonzert. Christian Gautschi spieltWerkevon Rheinberger, Bach, Buxtehude. 7.März,17Uhr, ref. Kirche Buchberg-Rüdlingen.

Manchmal ist Liebe nicht genug. Im Theater-stück Lantana des Autors Andrew Bovellwerden Grenzen verwischt.Aufführung der«Theatergruppe am Buck». 12.–14.März und19.–21.März, jeweils 20Uhr, ref. Kirchgemein-dehaus Oberwinterthur, Hohlandstrasse 9.Eintritt frei. Kollekte zugunsten Verein Jugend-wohngemeinschaft Eulach.

«Totentanz». Die «ars cantata zürich» singtaus der Johannespassion von Heinrich Schützund demTotentanz von Hugo Distler.20.März,19.30 Uhr, Predigerkirche, Zürich.Vorverkauf:0442537676 (ab 1.März, Billettkasse Jecklin)oder www.arscantata.ch

«Lebensschalen». Ausstellung von Schalender Künstlerin MirjamThomen-Lepek aushandgeschöpftem Papier.Bis 28.März,täglich 8–20Uhr, Kloster Kappel, Kappel amAlbis.5.–26.März: Ausstellung zum gleichenThema in der City-Kirche Offener St.Jakobam Stauffacher, Stauffacherstrasse 8, Zürich.

TIPPLESERBRIEFE

REFORMIERT. 29.1.2010«Suizidbeihilfe erneut inder Diskussion»

GRUNDRECHT«Es ist für uns ethisch schwierig,dass wir für Menschen aus demAusland etwas anbieten, wasihnen dort verweigert wird.» Die-ser Satz von Stefan Dollenmeiermacht stutzig: In der Folge wärees also auch ethisch schwierig,dass wir Flüchtlinge und Einwan-derer bei uns aufnehmen, da wirihnen Arbeit, soziale Sicherheitund Schutz vor politischer oderreligiöser Verfolgung anbieten,was ihnen in ihren Ländern ver-weigert wird? Die Option, inWür-de sterben zu können, gehörtmeines Erachtens zu den Grund-rechten einer modernen huma-nen Gesellschaft.THOMAS BOLLIGER, HOMBRECHTIKON

GELASSENHEITDer Kommentar von JürgenDittrich zur Thematik Suizidhilfeist dankenswerterweise fair, aus-gewogen und sachlich differen-ziert. Die Palliativmedizin sehenwir bei Exit als einen sehr wichti-gen, von uns seit Jahren finanziellgeförderten Bereich an. Situa-tionen von Angst, Hoffnungslosig-keit und Verzweiflung gibt es beiden Exit-Sterbewilligen hin undwieder. In der grossen Mehrzahltreffen wir Freitodbegleiter aberMenschen an, die sich mit gros-ser Klarheit, eindrucksvoller Sou-veränität und Gelassenheit fürden Prozess der Vorbereitung undDurchführung eines begleitetenSuizids entscheiden. In der Regelsind auch die Reaktionen vonAngehörigen, nach denen wir unsin der Nacharbeit erkundigen,nach einem solchen Geschehenvon Dankbarkeit für die als Erlö-sung für den Sterbewilligen emp-fundene Freitodhilfe geprägt.WALTER FESENBECKH, EXIT-FREITOD-

BEGLEITER, FREIENSTEIN

REFORMIERT. 29.1.2010«Heks: An ihrem Namen solltihr sie erkennen»

EIN SNACK-RIEGEL?Ich finde Heks eine gute, logischeBezeichnung.Vitalibra erinnertmich an einen (Snack-)Riegel.Wenn schon, dann die Schreib-weise: VitaLibra. ILSE MÖTTELI, RÜTI

WARUM SO TEUER?Sie schreiben, dass diese Vorab-klärungen Fr. 200000 gekostethaben.Was kosten dann noch diedefinitiven Abklärungen und dieUmsetzung?Wir haben in der Indu-strie vor zwanzig Jahren Namenfür Produkte, die seither einenweltweiten Jahresumsatz von biszu hundert Millionen Franken ein-bringen, an internen Brainstor-mings erarbeitet, Kostenpunkt proNamen: geschätzt 10000 Franken(zwanzig Leute à ca. zwei bisdrei Stunden Brainstorming undfünf Leute nochmals vielleichtvier Stunden für Vorbereitung undAufarbeitung undAuswertungund Entscheidungsrunde).ROBERT KURATLE, WINTERTHUR

REFORMIERT. 15.1.2010«Christliche Leitkultur sorgtfür Diskussionen»

MACHTGIERDas Neue Testament weiss nichtsvon der Gottgewolltheit HeiligerKriege.Wohl aber der Koran; dennMohammed selber liess sich, umin Mekka einziehen zu können, aufmachtgierige kriegerische Politikein, die eigentlich seiner Bot-schaft widersprach und ihr eineunfromme aggressive Verfrem-dung zufügte, was heute auch vonreligiösen Muslimen bedauertwird. GERHARD FRICK, ZÜRICH

Sterbezimmer einer Suizid-beihilfeorganisation

BILD:KEY

STONE

REFORMIERT. 29.1.2010Dossier: Auf der Suche nachdem Sinn des Lebens

GOTTDer Sinn des Lebens besteht darin,dass wir erkennen, dass «Gottalles ist, was ist». Es gibt nichts,was nicht Gott ist! Denn gäbe esetwas,müsste dies durch einenanderen Schöpfer geschaffen

worden sein. Da es aber nur eineallumfassende Kraft gibt — undzwar unabhängig davon, wie wirsie nennen —, ist also alles Gott.Gott ist bedingungslose Liebe zuseiner Schöpfung! ALBERT STEINER

SCHÖPFER DES SINNSSeit unsere Kinder erwachsen ge-worden sind, hat sich mir einneuer Lebenssinn erschlossen:

Der Sinn des Lebens? Einige Antworten der «reformiert.»-Umfrage

FORUM: DER SINN DES LEBENS

Mich über meinen Familienkreishinaus mit ebensolcher Liebeanderen Menschen,Aufgaben undZielen zu widmen. Etwa in derKirchenpflege oder der Familien-hilfe. Ich vertraue darauf, dassder Schöpfer des Lebens auchden Sinn meines Lebens geschaf-fen hat. Erkennen kann ich ihn,weil ich ein Kind Gottes bin.THERES RUEF-LEHNER, EGG

AUFTRAGEs macht Sinn, den Sinn desLebens zu entdecken und damitdie Aufgabe und die Anlagenummeine ureigene Persönlich-keit zu werden.Wenn es gelingt,der oder die zu werden, welcheGott so gemeint hat, ist vielesvom Lebenssinn gelungen. Dane-ben sich freuen.Wie der Pfarrerund Schriftsteller Kurt Marti sagt:«Nicht die Sünde war zu gross,die Freude war zu klein.»KASPER-SIDONIA, FELSBERG

TUN UND LASSENLeben und leben lassen.Lieben und lieben lassen.Helfen und sich helfen lassen.MARGARETHA JOLY

EINHEITGott zur Ehre, dem Nächstenzum Segen und sich selber zurFreude leben.ANNAMARIE INDERBITZIN

ANMASSUNGDas Leben wurde mir aus Liebegeschenkt.An diesem Geschenkfreue ich mich. Ich versuche, esfroh und achtsam zu tragen undumsichtig zu nutzen. Ich hoffe,dass ich die Dankbarkeit undFreude daran bewahren kann,bis ich es abzugeben habe; auchwenn ich es einst auch eine Zeit-lang ertragenmusste. Die Frageaber nach dem Sinn dieses Ge-schenks ist für mich müssig odergar eine Anmassung. ALFRED PAULI

HEIMKEHRWir sind mit demVorsatz geborenworden, ein Stück Himmel zurErde zu bringen. So arbeiten wirHand in Hand an der HeimkehrzumVater — ein jeder auf seineArt undWeise und nach seinemVermögen.PATRICK RIGGENBACH

TRADITIONAls Glied einer unendlich langenKette habe ich Liebe empfangenund will sie weitergeben. Urgross-mutter, Grossmutter und Mutterreichen mir aus der Vergangen-heit die Hand. Ich gebe meineHand den Kindern, Enkeln undUrenkeln. Dieses starke Band istmeine Erfahrung von Sinn: Stau-nen, Lächeln, Freude,Tränen undTrauer. ELLY WEBER

BERUFUNGBergbäuerin sein.DOROTHE SALVIERI

UNSINNDer Clown weiss, dass das Lebenkeinen Sinn macht, darummachter Unsinn! Denn es gibt einensiebten Sinn: den Unsinn! Er ent-springt aus dem golden Samendes Herzens! Dort, wo wir dasScheitern zu Herzen nehmen, esin Liebe einhüllen, über uns la-chen und heil, ja ganz heil werden.ROMANA CATTI / CLOWN ROSA

EWIGES LEBENHeute bin ich davon überzeugt,dass es letztlich nicht an mir liegt,den Sinn des Lebens selbst zuformulieren, sondern denselbenvielmehr zu erkennen und anzu-nehmen, wie er uns in der Bibeloffenbart wird. Dazu 1.Johannes5, 20:Wir wissen aber, dass derSohn Gottes gekommen ist undhat uns einen Sinn gegeben, dasswir erkennen denWahrhaftigen,in seinem Sohn Jesus Christus.HANS OSWALD, STÄFA

BILD:STEF

AN

MAURER

12 DIE LETZTE reformiert. | www.reformiert.info | Nr.3/26.Februar 2010

GrETchEnFraGE

Menschen, Kirchen und Kultur

Die FachstelleOeME der Reformier-ten Landeskirche Zürich führtvom 17. bis 26.September eineStudienreise nach Rumäniendurch. Organisiert und geleitetwird sie vonWernerWagner, Pfar-rer in Hütten. Er stammt ausSiebenbürgen und betreut verschie-dene Aufbauwerke in Rumänien.

Das Reiseprogrammmacht deut-lich, wie viele unterschiedlicheKulturen in Siebenbürgen vertre-ten sind. Sowohl ungarischewie auch deutsch und jüdisch ge-prägte Dörfer werden besucht,die alten Holzkirchen und die be-rühmten orthodoxen Klöster mitFresken an den Aussenmauern.

Dazu kommen BegegnungenmitVertreterinnen undVertretern ver-schiedener Bevölkerungsgruppen.Käthi Koenig

«Colt de rai» – Studienreise nachRumänien, 17.–26.September 2010.Leitung: Pfr.WernerWagner,Fachstelle OeME, Zürich. Preis: Fr. 2350.–.Detailprogramm: www.zh.ref.ch/oeme

STuDIEnrEISE

BiLDER

:ZVG

RuMäNiEN

Begegnungen inSieBenBürgen

carToon

zwischen diesen Ansätzen? «Die Zu­versicht, dass wir Menschen mitten imirdischenDaseinmit Gott in Kontakt seinkönnen», antwortet Margrit Meier.

BeSCheiden. Eines gelte es zu vermei­den: den spirituellenDünkel, der leider inesoterischen Kreisen weit verbreitet sei.Ihr ist wichtig, «immer wieder zum Null­punkt zurückzukehren und mir bewusstzu machen, dass ich weder Gott nochWeisheit besitzen kann». Diese Erfah­rung machte Margrit Meier am eigenenLeib, als sie vor vierzehn Jahren ernsthafterkrankte. Ganz ehrlich erzählt sie: «Ichmusste feststellen, dass ich mit meinerdamaligen esoterischen Erhabenheitnicht weiterkam.» VomChristentum sagtsie, es sei zu ihr zurückgekommen, ohnedass sie es gesucht habe. Ursprünglichreformiert aufgewachsen, wandte siesich als Jugendliche von der Kirche ab.Bei der Beerdigung ihres Vaters spürtesie dann allerdings, «dass es für diesenMoment kein stimmigeres Gebet gab alsdas Unservater». SaBine SChüpBaCh

den von ihren eigenen Anschauungenüberzeugen – auch heute nicht.

Bewegt. Bei einem Thema überkommtMargrit Meier allerdings schon ein we­nig missionarischer Eifer: Sie ist über­zeugt, dass «sehr viele»Reformierte ähn­lich wie sie selbst eingestellt sind – undsich eine Kirche mit offener Spiritualitätwünschen. Zu dieser Überzeugung kamsie, als die von ihr initiierte Veranstal­tungsreihe «Neumond – Vollmond» vorzwei Jahren in Bern und letztes Jahr inZürich zum Publikumsmagneten wurde.Vertreter von Kirche und Parapsycholo­gie diskutierten über Themen wie Re­inkarnation und Kontakt mit den Toten.

Margrit Meier selbst verbindet unter­schiedliche spirituelle Welten mit Leich­tigkeit. Beim Meditieren orientiert siesich nicht nur am Zen, sondern auch anRudolf Steiner, Oshound amchristlichenHerzensgebet. Ihr riesiges Bücherregalvereint Bücher aus verschiedenen Re­ligionen, Theologie, Philosophie undEsoterik.Was ist für sie das Verbindende

Margrit Meier ist eine Frau, die nichtleicht einzuordnen ist. Sie ist reformier­tes Kirchenmitglied – und Präsidentinder Schweizerischen Vereinigung fürParapsychologie. Sie ist Wirtschaftswis­senschaftlerin – und bietet Kurse zuMeditation, schamanischen Praktikenund Feuerlaufen an. Neuerdings hat sieauch eine interreligiöse Meditationsaus­bildung ins Leben gerufen (vgl.Kastenrechts). Und doch sagt sie, das Christli­che sei ihre Basis: «Das Christentum istTeil von mir, und ich bin Teil von ihm.»

BedaCht. Margrit Meier, 64 Jahre alt,lebt in Köniz bei Bern: eine bedachteunddifferenziert argumentierende ältereDame, die ein Einfamilienhaus mit zweiFreundinnen und vier Katzen teilt. Bis zuihrer Pensionierung war sie Vizedirek­torin des Staatssekretariats für Bildungund Forschung. Ihre spirituellen Interes­sen habe sie immer klar getrennt vondie­ser Funktion in der Bundesverwaltung,betont sie. Erstens sei das so angebrachtgewesen, und zweitenswolle sie nieman­

Sie kehrt immer wiederzum Nullpunkt zurückSpIrITuaLITäT/ Margrit Meier verbindet verschiedene religiöseWelten mit Leichtigkeit. «Das tun viele Reformierte», sagt sie.

«Weder Gott nochWeisheit kann man besitzen»: Margrit Meier,Wirtschaftswissenschaftlerin und Meditationslehrerin

BiLD:MARcOZANONi

MilenaMoSer, 46, istSchriftstellerin undMutter.Ihr Buch «Schlampenyoga»wurde Kult. Das neusteWerk «Möchtegern» isteben im Nagel-&-Kimche-Verlag erschienen.

«ich hatte eineheftigeAffäremitder Kirche»Milena Moser, wie halten Sie es mit derReligion?Ich hatte eine heftige Affäre mit derKirche. Mit zwölf Jahren liess ich michtaufen. Als ich dann aber mit sechzehnKazantzakis «Griechische Passion» las,war ich so erschüttert, dass ich dieKon­firmation verweigerte. Seither miss­traue ich jeder Form von institutionali­siertem Glauben.

Glauben Sie aber an eine höhere Macht?Ja. Ganz klar. Ich könnte nur nicht sa­gen,wie diese aussieht.Wasmichnichtdaran hindert, mich mehrmals täglichan sie zu richten.

Ist Yoga für Sie wie Beten?Wenn ich alleine übe, ja. Es ist eine ArtGebet in Bewegung, eine Mischungaus Konzentration und Hingabe.

Macht Yoga glücklich?Glück ist ein Moment. Yoga ist ein Zu­stand, der beschrieben wird als Inne­halten der Bewegungen des Geistes.Das istmir imAlltag eine unverzichtba­re Hilfe, auch wenn ich diesen Zustandnicht sehr lange halten kann. Ich weissjetzt immerhin, dass es ihn gibt.

Woran halten Sie sich in Momenten dergrössten Verzweiflung?Dann vergesse ich alles, was mir inMomentenmittlerer Verzweiflunghilft:sitzenbleiben,weiteratmen.Aufschrei­ben. Freunde umarmen. Reden. Weintrinken. Eine wirklich grosse Verzweif­lung bricht übermich einwie eineWel­le und reisst mich mit. Im besten Fallweiss ich dann noch, dass ich bisherimmer wieder aufgetaucht bin.

In Ihrem neuen Roman schreibt die ganzeSchweiz: Schreiben als Therapie?Therapie ist ein Fachbegriff, den ichnur mit Vorsicht verwenden würde.Schreiben ist eine Form von Selbst­verwirklichung. Auf dem Papier pas­sieren Dinge, die man anders nicht er­lebt. Alles istmöglich. Schreibenmachtglücklich. Ob es einen zu einem besserfunktionierendenMitglied derGemein­schaftmacht, wie es das Ziel einer The­rapie ist, ist damit aber nicht gesagt!interview: daniela SChwegler

Meditieren,interreligiösDie interreligiöse Aus-bildung in Meditation(zwei Jahre Grund-ausbildung, zwei JahreAusbildung zumMe-ditationslehrer) machtmit den mystischenStrömungen derWelt-religionen vertraut,vermittelt Meditations-praktiken und psy-chologische Selbster-fahrung.Start: 13.März 2010.Es sind noch wenigePlätze frei.

Info im Internet:www.meditationschweiz.ch

BiLD:KEy

StONE