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Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 1 Cholestase bei Neugeborenen und Säuglingen Zusammenfassung Cholestasen bei Neugeborenen und Säuglingen treten mit einer Häufigkeit von 1:2500 Lebendgeburten durchaus nicht selten auf. Es liegen viele unterschiedliche Ätiologien zugrunde, wobei beim Erkennen einer Cholestase eine zügige diagnostische Abklärung der Ursachen von grundlegender Bedeutung ist. Am wichtigsten ist der Ausschluss einer Gallengangsatresie, da eine frühzeitige Operation die Langzeitprognose wesentlich beeinflusst. Hereditäre Cholestasen schließen seltene genetische Erkrankungen wie das Alagille-Syndrom und progressive familiäre intrahepatische Cholestasen oder auch häufigere Erkrankungen wie den Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und die Mukoviszidose mit ein. Seltene Stoffwechselerkrankungen sind die Niemann-Pick-Typ-C-Erkrankung, die Galaktosämie, die Tyrosinämie, die CDG-Syndrome und peroxisomale sowie mitochond- riale Erkrankungen. Wesentlich ist, die Diagnostik adäquat zu priorisieren und die richtigen therapeutischen Maßnahmen einzuleiten. In den meisten Fällen gibt es leider keine spezifische Behandlung und die Krankheit kann sich progredient zu einer Leber- zirrhose oder einer Leberinsuffizienz weiterentwickeln, die eine Lebertransplantation erforderlich macht. Trotzdem sind palliative Maßnahmen wie optimale Ernährung, Vermeidung der Malabsorption fettlöslicher Vitamine und die Bekämpfung des Juck- reizes elementar. Sollte es zu einer Lebertransplantation kommen, sind die langfristigen Ergebnisse gut [1]. Schlüsselwörter Ikterus | Cholestase | Gallengangserkrankungen | Neugeborene | Säuglinge Titelbild: Embryotoxon posterius bei einem Kind mit Alagille-Syndrom. Prof. Dr. S. Wirth Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin HELIOS Klinikum Wuppertal Universität Witten-Herdecke Heusnerstr. Wuppertal

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Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

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Cholestase bei Neugeborenen und SäuglingenZusammenfassung

Cholestasen bei Neugeborenen und Säuglingen treten mit einer Häufigkeit von 1:2500 Lebendgeburten durchaus nicht selten auf. Es liegen viele unterschiedliche Ätiologien zugrunde, wobei beim Erkennen einer Cholestase eine zügige diagnostische Abklärung der Ursachen von grundlegender Bedeutung ist. Am wichtigsten ist der Ausschluss einer Gallengangsatresie, da eine frühzeitige Operation die Langzeitprognose wesentlich beeinflusst. Hereditäre Cholestasen schließen seltene genetische Erkrankungen wie das Alagille­Syndrom und progressive familiäre intrahepatische Cholestasen oder auch häufigere Erkrankungen wie den Alpha­1­Antitrypsin­Mangel und die Mukoviszidose mit ein. Seltene Stoffwechselerkrankungen sind die Niemann­Pick­Typ­C­Erkrankung, die Galaktosämie, die Tyrosinämie, die CDG­Syndrome und peroxisomale sowie mitochond­riale Erkrankungen. Wesentlich ist, die Diagnostik adäquat zu priorisieren und die richtigen therapeutischen Maßnahmen einzuleiten. In den meisten Fällen gibt es leider keine spezifische Behandlung und die Krankheit kann sich progredient zu einer Leber­zirrhose oder einer Leberinsuffizienz weiterentwickeln, die eine Lebertransplantation erforderlich macht. Trotzdem sind palliative Maßnahmen wie optimale Ernährung, Vermeidung der Malabsorption fettlöslicher Vitamine und die Bekämpfung des Juck­reizes elementar. Sollte es zu einer Lebertransplantation kommen, sind die langfristigen Ergebnisse gut [1].

Schlüsselwörter

Ikterus | Cholestase | Gallengangserkrankungen | Neugeborene | Säuglinge

Titelbild: Embryotoxon posterius bei einem Kind mit Alagille­Syndrom.

Prof. Dr. S. WirthZentrum für Kinder- und JugendmedizinHELIOS Klinikum WuppertalUniversität Witten-HerdeckeHeusnerstr. Wuppertal

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Cholestase bei Neugeborenen und Säuglingen

Einleitung

Eine neonatale Cholestase, die definitionsgemäß innerhalb der ersten 4 Lebens­wochen beginnt, kommt mit einer Inzidenz von 1:2500 Lebendgeburten eher selten vor, aber doch so häufig, dass man jederzeit damit konfrontiert werden kann und wis­sen muss, dass eine zügige Diagnostik und Therapie erforderlich ist. Die Identifizie­rung der Ätiologie der Cholestase ist deshalb so wichtig, da die häufigste Ursache, die Gallengangsatresie, vor dem 45. Lebenstag korrigiert werden sollte, um die Gesamt­prognose zu verbessern [2, 3]. Das Spektrum der frühkindlichen Cholestase ist zwar sehr groß, doch werden 95% der Fälle von etwa 15 verschiedenen Erkrankungen ver­ursacht, auf die im Folgenden nach Häufigkeit priorisiert eingegangen werden soll. Tabelle 1 präsentiert die Systematik der cholestatischen Differenzialdiagnosen bei Säuglingen.Die Definition der Cholestase bezieht sich auf das direkte Bilirubin, welches im patho­logischen Fall > 1 mg/dl (17 µmol/l) bei einem Gesamtbilirubin von < 5 mg/dl oder > 20% des Gesamtbilirubins liegt, wenn dieses bei > 5 mg/dl (85 µmol/l) liegt [4, 5].

Bei persistierendem Ikterus (Icterus prolongatus) muss bei flaschenernährten Kindern nach 14 Tagen und bei muttermilchernährten Kindern nach spätestens 21 Tagen eine medizinische Evaluation durchgeführt werden. Meist ist die anhaltende Bilirubinerhö­hung harmlos und Ergebnis einer verzögerten Ausreifung des Metabolisierungssys­tems. Ist aber das direkte Bilirubin erhöht, welches immer untersucht werden muss, besteht eine Cholestase und eine weitere Abklärung ist notwendig. In diesem Zusam­menhang sollte auch eine Analyse der Stuhlfarbe erfolgen. Acholische bzw. weißlich­gräuliche Stühle ohne Farbpigmente sind sehr spezifisch für das Vorliegen einer Cho­lestase, allerdings auch erst ein Spätzeichen.Bei Verdacht auf eine cholestatische Lebererkrankung im Neugeborenen­ und Säug­lingsalter besteht die Primärdiagnostik zunächst darin, das Ausmaß der Cholestase und der Funktionsbeeinträchtigung zu bestimmen. Neben der Bestimmung des indi­rekten und konjugierten Bilirubins werden die Aspartataminotransferase (AST), die

Tab. 1Cholestaseformen

Komplette Obstruktion

Partielle Obstruktion Ohne oder variable Obstruktion

• Gallengangsatresie• Gallengangszyste

• Neonatale Hepatitis• Syndromatische Gallengangs­

hypoplasie (Alagille­Syndrom)• Nicht­syndromatische Formen• Byler­Syndrom, PFIC, BRIC• Gallensäuresynthesestörung

Metabolische Erkrankungen:• Alpha­1­Antitrypsin­Mangel • Zystische Fibrose• HFI (hereditäre

Fruktoseintoleranz)• Galaktosämie, Tyrosinämie• Peroxisomale Erkrankungen

(z. B. Zellweger­Syndrom)• Mitochondriale Erkrankungen• Mukopolysaccharidosen• Neonatale Hämochromatose• Niemann­Pick­Typ­C­

Erkrankung• Wolman­Erkrankung• CDG­Syndrome

• Infektionen: bakteriell, Protozoen, viral

• Chromosomenstörungen• Hypothyreose• Hypopituitarismus• Hypoadrenalismus• Parenterale Ernährung• Medikamente• Leberfibrose• Caroli­Syndrom• Vaskuläre Läsionen• Neonatale Hepatitis• Autoimmunhepatitis

P Bei einem Icterus prolongatus oder anderweitigem Verdacht auf eine cholestatische Leberfunktionsstörung müssen das Gesamtbilirubin und das direkte Bilirubin untersucht werden. Die Entfärbung des Stuhls ist ein alarmierendes Zeichen mit Verdacht auf Gallenwegsobstruktion.

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Alaninaminotransferase (ALT) und die Gammaglutamyltransferase (GGT) ergänzend untersucht, des Weiteren die Gallensäuren und die alkalische Phosphatase als Choles­taseparameter sowie die Cholinesterase und Parameter der Blutgerinnung (z. B. Quick­Test bzw. INR, Prothrombinzeit) zur Beurteilung der Syntheseleistung. Die alkalische Phosphatase ist nur eingeschränkt verwertbar, da das Knochenisoenzym je nach Wachstumsphase überwiegen kann [6]. Die Differenzialdiagnostik sollte nach der Wahrscheinlichkeit der vermuteten Grund­erkrankung in Kenntnis der Basisdiagnostik stufenweise erfolgen. Hierzu gehört Erfah­rung und vor allem das Wissen, dass biliär­obstruktive Erkrankungen sofort und ziel­gerichtet abgeklärt werden müssen.

Infektionen

Kongenitale Infektionen gehen meist mit einer Hepatosplenomegalie, Trinkschwäche oder anderen allgemeinen Krankheitszeichen sowie möglicherweise auch mit Blut­bildveränderungen einher. Differenzialdiagnostisch muss an eine Zytomegalie­Infek­tion oder eine Herpes­Virusinfektion gedacht werden. Infektionen mit Bakterien oder Parasiten (Toxoplasmose) können ebenfalls Leberfunktionsstörungen verursachen.

Endokrine Störungen

Obwohl im Guthrie­Test das TSH bestimmt wird, muss differenzialdiagnostisch bei einer Cholestase auch an eine Hypothyreose gedacht werden. Sehr selten kann als Ursache auch ein Hypopituitarismus, d. h. also ein Ausfall der Hormonsynthese durch die Adenohypophyse vorliegen.

Extrahepatische Erkrankungen

Rein extrahepatische Ursachen einer neonatalen oder Säuglingscholestase sind mit­tels Ultraschall leicht zu diagnostizieren. Die wesentliche Differenzialdiagnose sind Gallensteine, die in diesem Alter selten vorkommen. Eine Choledochuszyste kann als weitere sehr seltene Ursache vorliegen (s. Abb. 1).

Abb. 1

Sonografischer Befund einer Gallengangszyste

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Die Gallengangsatresie ist mit 1:10.000–12.000 Lebendgeborenen auch eine seltene Erkrankung, darf aber auf keinen Fall übersehen werden. Sie ist die Folge eines Ver­schlusses der extrahepatischen Gallenwege, der bereits intrauterin oder in der frühen nachgeburtlichen Phase beginnt. Die Ursache ist unbekannt, wobei genetische und auch infektiöse Ursachen diskutiert werden. Durch die progrediente Obliteration der extrahepatischen Gallenwege, die sich später auch auf die mittleren und kleinen intra­hepatischen Gallengänge auswirkt, kommt es unbehandelt zu einer tödlichen Leber­insuffizienz. Frühe Leitsymptome sind neben dem Ikterus eine beginnende Hepato­megalie, dunkler Urin, wenig gefärbte bis entfärbte Stühle und eine Gedeihstörung, später dann auch eine Splenomegalie und eine Koagulopathie. Diagnostisch wird sonografisch untersucht, wobei Auffälligkeiten in der Morphologie der Gallenwege und der Gallenblase gefunden werden können. Eine Leberfunktions­szintigrafie mit Technetium kann durchgeführt werden, um die Ausscheidung des Nukleids in den Darm zu beurteilen. In spezialisierten Zentren kann eine endosko­pisch retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) durchgeführt werden. Mit guter Auflösung leistungsstarker Geräte lassen sich die Gallenwege auch durch die Magnet­resonanz­Cholangiopankreatikografie (MRCP) beurteilen. Ein weiterer Mosaikstein kann die Leberbiopsie darstellen, die zumindest bei fortgeschrittenen Befunden eine hohe diagnostische Spezifität aufweist. Je früher die Biopsie durchgeführt wird, desto unspezifischer sind allerdings die histologischen Veränderungen, sodass man sie in der frühdiagnostischen Phase nicht gut verwerten kann.Die einzige wirksame Therapie ist die Hepatoportoenterostomie nach Kasai, die inner­halb der ersten 7 Lebenswochen durchgeführt werden sollte, um bei den Patienten einen Gallefluss zu erreichen. Nach der Operation wird versucht, durch die Gabe von Ursodeoxycholsäure in einer Dosis von 20 mg/kg KG pro Tag den Gallefluss zu stimu­lieren und die Fließeigenschaften der Galle zu verbessern. Wichtig ist, dass im weite­ren Verlauf Cholangitiden vermieden werden und durch eine hochkalorische Ernäh­rung ein normales Gedeihen erreicht wird. Langjährige Erfahrungen zeigen, dass bei einem hohen Prozentsatz (30–60%) der Patienten ein langjähriges Überleben ohne Transplantation möglich ist. Eine Lebertransplantation ist in den Fällen notwendig, in denen langfristig keine ausreichende Galledrainage durch die Operation erreicht wer­den kann. In diesen Fällen kommt es zu einer biliären Leberzirrhose [7, 8].

Genetische Erkrankungen mit Cholestase

Alagille-Syndrom

Beim Alagille­Syndrom handelt es sich um eine autosomal dominant vererbte Erkran­kung mit unterschiedlicher Penetranz, die auch als syndromale Form der Gallengangs­hypoplasie bezeichnet wurde. 95% der Patienten sind von einem Defekt auf dem JAG1­Gen betroffen, welches bei der interzellulären Signaltransskription, der Embryo­genese und der Zelldifferenzierung eine wichtige Rolle spielt. Neben der Cholestase sind ein Embryotoxon posterius, ein Vitium cordis (am häufigsten: periphere Pulmo­nalstenose), Skelettveränderungen, wie z. B. Schmetterlingswirbel, sowie eine relativ typische Fazies mit breiter Stirn, tiefliegenden Augen, Hypertelorismus und einem verhältnismäßig spitz zulaufenden Kinn (s. Abb. 2) charakteristische Merkmale. Der kli­nische Verlauf ist variabel, wobei viele Kinder im Laufe des Kindesalters einer Leber­transplantation unterzogen werden müssen. Bei der Betreuung dieser Kinder sind die Behandlung des Juckreizes sowie die kompetente Ernährung und der Ausgleich der Malabsorption fettlöslicher Vitamine besonders wichtig [9].

P Nach Diagnosestellung muss so früh wie möglich eine Hepatoporto-enterostomie (Kasai-Operation) durchgeführt werden.

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Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Hierbei handelt es sich um eine recht weit verbreitete autosomal rezessiv vererbte Erkrankung, die mit einer Häufigkeit von 1:2000 Lebendgeburten auftritt. Sie ist damit etwa genauso häufig wie die zystische Fibrose. Das Alpha­1­Antitrypsin­Protein wird in der Leber synthetisiert und in die Lunge exportiert. Bei einer cholestatischen Leber­erkrankung wird das Protein in der Leber akkumuliert. Die häufigsten Allele sind M, Z und S, wobei ein homozygoter Z­Genotyp eine Cholestase im Kindesalter bzw. eine Lungen­ und Lebererkrankung im Erwachsenenalter entwickeln kann. Bei den meis­ten Kindern treten keine signifikanten Leberstörungen auf und nur ein kleiner Teil der Kinder mit homozygotem Z­Typ (10–15%) entwickeln in der Neugeborenenperiode eine Cholestase. Man kann davon ausgehen, dass der Verlauf in der Regel günstig ist. Circa 10% der Patienten erfahren allerdings eine progrediente Verschlechterung der Lebererkrankung und müssen transplantiert werden. Eine spezifische Behandlung gibt es nicht. Lungenveränderungen treten vor der Pubertät praktisch nicht auf. Ein wesentlicher Beratungsaspekt besteht darin, dass diese Patienten im Erwachsenenal­ter keinesfalls rauchen dürfen, damit den pulmonalen Komplikationen vorgebeugt wird [10].

Zystische Fibrose

Die zystische Fibrose ist hierzulande eine der häufigsten Erbkrankheiten mit einer Frequenz von etwa 1:2000 Lebendgeburten. Die neonatale Cholestase ist eine zwar typische, aber doch recht seltene primäre klinische Manifestation und wird häufig mit einem Mekoniumileus in Verbindung gebracht. Der zugrunde liegende Mechanismus ist zwar unklar, wird aber aufgrund einer abnormen Schleimsekretion wahrscheinlich eine obstruktive Komponente der Gallengänge beinhalten. Bei Patienten mit Muko­viszidose und Leberbeteiligung wird man frühzeitig mit einer Ursodeoxycholsäure­Behandlung beginnen. Elementar ist auch hier das Ernährungsregime und die Sup­plementierung des Pankreasenzyms ist Grundlage der Behandlung [11].

Abb. 2

Junge mit der typischen Fazies bei Alagille-Syndrom

P Alpha-1-Antitrypsin-Mangel und zystische Fibrose sind häufige Stoffwechselerkrankungen, an die immer gedacht werden muss.

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Familiäre intrahepatische Cholestasen

Die Gruppe der progressiven familiären intrahepatischen Cholestasen (PFIC) umfasst eine Reihe von genetisch determinierten Erkrankungen, die durch Transportdefekte von Gallebestandteilen in die Galle­Canaliculi der Leber charakterisiert sind [12]. Man unterscheidet 3 verschiedene Formen der PFIC, wobei Defekte in den FIC1­, BSEP­ und MDR3­Genen für die klinisch unterschiedlichen Formen verantwortlich sind.Das Protein BSEP transportiert monovalente Gallensäuren und das MDR3­P­Glycopro­tein transportiert Phospholipide. Das ATP8­B1­Protein (FIC1) transportiert Phosphati­dylserin von der äußeren zur inneren Membranschicht (Flippase).Beim ATP8­B1­Mangel (FIC1­Mangel, auch PFIC­1, Byler­Syndrom) können auch extra­hepatische Organmanifestationen wie Diarrhö, Gehörverlust oder Pankreatitis eine Rolle spielen.Beim BSEP­Mangel (auch PFIC­2) ist die Serumaktivität der GGT wie beim ATP8­B1­Mangel normal. Dies unterscheidet sich von den übrigen cholestatischen Leberer­krankungen. Histologisch findet man in den frühen Stadien das Bild einer Riesenzell­hepatitis und progressiven Fibrose, die in eine Leberzirrhose übergehen kann. Sehr häufig entsteht im ersten bzw. zweiten Lebensjahrzehnt eine terminale Leberinsuffi­zienz.Der MDR3­Mangel (auch PFIC­3) unterscheidet sich von den anderen progressiven Cholestasen laborchemisch durch eine erhöhte GGT. Auch scheinen der Pruritus und der Kleinwuchs weniger stark ausgeprägt zu sein, Komplikationen wie portale Hyper­tension und Leberinsuffizienz können aber auch auftreten [13, 14].Differenzialdiagnostisch kommen sehr selten Gallensäuresynthesedefekte (s. Tab. 1) infrage [15]. Neben der Cholestase leiden viele Kinder unter einer Gedeihstörung oder auch unter Kleinwuchs. Hartnäckiger Pruritus lässt die Kinder schlecht schlafen und bedeutet eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Die Differenzierung zu einer Gal­lengangsatresie ist wichtig, da bei diesen Patienten eine Kasai­Operation vermieden werden muss. DNA­Analysen, an einigen Zentren auch auf Chip­Basis, ermöglichen eine Diagnose und Zuordnung der familiären Cholestase. Bei progredienter Erkrankung muss langfristig eine Lebertransplantation durchge­führt werden. Das Risiko eines hepatobiliären Malignoms ist erhöht. Regelmäßige Ver­laufskontrollen inkl. Ultraschall und der Bestimmung des Alphafetoproteins sollten daher durchgeführt werden. Als Besonderheit bei den familiären Cholestasen kann bei Kindern mit starkem Juck­reiz operativ eine externe biliäre Ableitung angelegt werden. Man muss sich dazu allerdings relativ frühzeitig entscheiden, da diese Operation bei Patienten mit fortge­schrittener Fibrose nicht mehr eingesetzt werden sollte. Eine Abstimmung mit einem entsprechenden Zentrum ist daher notwendig [10]. In Tabelle 2 sind die genetischen Cholestasen zusammengefasst.

P Erhöhte Transaminasen und eine normale GGT bei Cholestase sind verdächtig auf eine familiäre intra-hepatische Cholestase Typ 1 oder Typ 2.

Tab. 2Genetische cholestatische Lebererkrankungen

Erkrankung GGT Gallensäuren Chromosom Genetischer Defekt

Morbus Byler (PFIC­1)

n hoch 18q21­q22 Mutationen im FIC1­Gen

BRIC n hoch 18q21­q22 Mutationen im FIC1­Gen

Dubin­Johnson­Syndrom

n n 17q22 Mutationen im MRP2­Gen

BSEP­Mangel (PFIC­2)

n hoch 2q24 Mutationen im BSEP­Gen

MDR3­Mangel (PFIC­3)

hoch hoch 7q21 Mutationen im MDR3­Gen

Alagille­Syndrom hoch hoch 20p12 Mutationen (Deletionen) im JAG1­Gen

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Niemann-Pick-Erkrankung

Hierbei handelt es sich um seltene genetische Stoffwechselerkrankungen, die sich als Lebererkrankung vom Typ A oder Typ C manifestieren können. Beim Typ A besteht ein Mangel an lysosomaler Sphingomyelinase und ein Ikterus kommt selten vor. Die Nie­mann­Pick­Typ­C­Erkrankung ist eine Störung der Cholesterinveresterung und mani­festiert sich häufiger mit einer Cholestase. Neben der Hepatomegalie besteht eine Splenomegalie. Mit zunehmendem Alter wird eine psychomotorische Retardierung offensichtlich. Bei dieser Erkrankung gibt es keine spezifische Behandlung.

Weitere hereditäre Erkrankungen mit einer möglichen Cholestase sind die Galaktosä­mie, die Tyrosinämie Typ 1, mitochrondriale und peroxisomale Erkrankungen sowie die CDG­Syndrome. Auch eine transiente neonatale Cholestase kann vorkommen. Letztere wurde auch als neonatale Hepatitis bezeichnet. Histologisch weisen diese Kinder eine Riesenzellhepatitis mit mehrkernigen Riesenzellen, geringer duktulärer Proliferation und mäßiger entzündlicher Infiltration und Fibrose auf. Die Ursache ist unklar, die Langzeitprognose kann aber günstig sein.

Behandlung von Kindern mit Cholestase

Neben einer möglichen spezifischen Behandlung, insbesondere der extrahepatischen Gallenwegserkrankung, gilt es, die Folgen der Cholestase zu behandeln, um Kompli­kationen zu reduzieren. Die wesentliche Komplikation der Cholestase hinsichtlich der nutritiven Situation ist die Malabsorption fettlöslicher Vitamine. Unbehandelt kann es zu Blutungen (Vitamin­K­Mangel), Rachitis (Vitamin­D­Mangel), Neuropathien (Vita­min­E­Mangel) und Augenleiden (Vitamin­A­Mangel) kommen. Man muss also die Spiegel im Serum messen und eine adäquate Supplementierung der fettlöslichen Vitamine vornehmen. Die Störung der Fettresorption und die Cholestase wirken sich häufig wachstumshemmend aus. Im Säuglingsalter kann die Fettzufuhr durch die Gabe von Triglyzeriden verbessert werden und es sollte hochkalorisch mit einem Ernährungsquotienten (EQ) von annähernd 150 ernährt werden. Damit liegt die Kalorien zufuhr je nach Alter zwischen 140 und 180 kcal/kg KG pro Tag. Die Gabe von Ursodeoxycholsäure erwies sich in der Behandlung als nützlich und sollte in einer Dosierung von 20 mg/kg KG pro Tag durchgeführt werden. Der anhaltende Pruritus als quälendes Symptom kann die Lebensqualität wesentlich beeinträchtigen. Man muss daher eine effektive Behandlung anstreben. Antihistaminika helfen nicht. Die wirksamste Behandlung ist die Gabe von Rifampicin in einer Dosis von 3–10 mg/kg KG pro Tag. Wesentlich ist ebenfalls, alle geplanten Impfungen rechtzeitig durchzuführen. Unter dem Aspekt einer eventuell notwendigen Lebertransplantation ist ein komplet­ter Impfstatus besonders wichtig [16, 17].

Fazit

Entscheidend für die Prognose cholestatischer Lebererkrankungen im Neugeborenen­ und Säuglingsalter kann der Zeitpunkt der Diagnosestellung sein. Die Bestimmung des direkten Bilirubins sowie die Beachtung der Stuhlfärbung sind wesentliche Para­meter in der Primärdiagnostik und gehören in die diagnostische Verantwortung jeden Primäruntersuchers.

P In der Behandlung der Säuglings-cholestase sind eine hochkalorische Ernährung und die Vermeidung einer Malabsorption fettlöslicher Vitamine besonders wichtig.

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Zu empfehlende Literatur

1 Ling SC. Congenital cholestatic syndromes: what happens when children grow up? Can J Gastroenterol 2007; 21: 743–751.

2 Bassett MD, Murray KF. Biliary atresia: recent progress. J Clin Gastroenterol 2008; 42: 720–729.

3 Bernard O. Early diagnosis of neonatal cholestatic jaundice. Arch Pediatr 1998; 5: 1031–1035.

4 D’Agata ID, Balistreri WF. Evaluation of liver disease in the pediatric patient. Pediatr Rev 1999; 20: 376–390.

5 Dick MC, Mowat AP. Hepatitis syndrome in infancy – an epidemiological survey with 10 year follow up. Arch Dis Child 1985; 60: 512–516.

6 De Bruyne R, Van Biervliet S, Vande Velde S, Van Winckel M. Clinical practice: neonatal cholestasis. Eur J Pediatr 2011; 170: 279–284.

7 Haafiz AB. Liver fibrosis in biliary atresia. Expert Rev Gastroenterol Hepatol 2010; 4: 335–343.

8 Serinet MO, Wildhaber BE, Broué P, Lachaux A, Sarles J, Jacquemin E, Gauthier F, Chardot C. Impact of age at Kasai operation on its results in late childhood and adolescence: a rational basis for biliary atresia screening. Pediatrics 2009; 123: 1280–1286.

9 Piccoli DA, Spinner NB. Alagille syndrome and the Jagged1 gene. Semin Liver Dis 2001; 21: 525–534.

10 Santos JL, Choquette M, Bezerra JA. Cholestatic liver disease in children. Curr Gastroenterol Rep 2010; 12: 30–39.

11 Lykavieris P, Bernard O, Hadchouel M. Neonatal cholestasis as the presenting feature in cystic fibrosis. Arch Dis Child 1996; 75: 67–70.

12 Davit­Spraul A, Gonzales E, Baussan C, Jacquemin E. The spectrum of liver diseases related to ABCB4 gene mutations: pathophysiology and clinical aspects. Semin Liver Dis 2010; 30: 134–146.

13 Jansen PL, Sturm E. Genetic cholestasis, causes and consequences for hepatobiliary transport. Liver Int 2003; 23: 315–322.

Literatur

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14 Englert C, Grabhorn E, Richter A, Rogiers X, Burdelski M, Ganschow R. Liver transplantation in children with progressive familial intrahepatic cholestasis. Transplantation 2007; 84: 1361–1363.

15 Heubi JE, Setchell KD, Bove KE. Inborn errors of bile acid metabolism. Semin Liver Dis 2007; 27: 282–294.

16 Nightingale S, Ng VL. Optimizing nutritional management in children with chronic liver disease. Pediatr Clin North Am 2009; 56: 1161–1183.

17 Tandon P, Rowe BH, Vandermeer B, Bain VG. The efficacy and safety of bile acid binding agents, opioid antagonists, or rifampin in the treatment of cholestasis­associated pruritus. Am J Gastroenterol 2007; 102: 1528–1536.

Literatur

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Fragen zur Cholestase bei Neugeborenen und Säuglingen

Frage 1:Welche Bilirubinwert­Kombination bei einem 6 Wochen alten Säugling ist für Sie unbedenklich?

EE Gesamtbilirubin 8 mg%, direktes Bilirubin 1,8 mg%EE Gesamtbilirubin 11 mg%, direktes Bilirubin 5,6 mg%EE Gesamtbilirubin 3,9 mg%, direktes Bilirubin 0,8 mg%EE Gesamtbilirubin 2,7 mg%, direktes Bilirubin 1,9 mg%EE Gesamtbilirubin 12 mg%, direktes Bilirubin 0,7 mg%

Frage 2:Welcher Untersuchungsparameter ist am geeignetsten für eine Verdachtsdiagnose Cholestase bei Säuglingen?

EE Erhöhtes GesamtbilirubinEE StuhlfarbeEE HautfarbeEE Erhöhtes direktes BilirubinEE Erhöhtes indirektes Bilirubin

Frage 3:Welche Aussage zur Gallengangsatresie trifft zu?

EE Häufigkeit ca. 1:4000EE Spontane Remission wahrscheinlichEE Ein Frühzeichen ist die SplenomegalieEE Eine primäre Lebertransplantation ist indiziertEE Kasai­Operation als primäre Intervention

Frage 4:Welche Differenzialdiagnose der neonatalen Cholestase ist nicht zu berücksichtigen?

EE Alpha­1­Antitrypsin­MangelEE GallengangsatresieEE Zytomegalie­InfektionEE Morbus WilsonEE Zystische Fibrose

Frage 5:Auf welche Diagnose deutet eine normale GGT bei Säuglings­cholestasen hin?

EE Zystische FibroseEE GallengangsatresieEE BSEP­MangelEE CholedochuszysteEE Niemann­Pick­Typ­C­Erkrankung

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Frage 6:Welche cholestatische Erkrankung hat in der Regel keinen bekannten Gendefekt?

EE Zystische FibroseEE PFIC­2EE PFIC­3EE Alagille­SyndromEE Wachstumshormonmangel

Frage 7:Welcher Ernährungsquotient (EQ) ist bei Säuglingen mit Cholestase anzustreben?

EE 150EE 100EE 115EE 130EE 80

Frage 8:Welche Aussage ist richtig? Bei cholestasebedingtem ausgeprägtem Juckreiz wirkt am aussichtsreichsten:

EE AntihistaminikaEE RifampicinEE CholestyraminEE ErythromycinEE Ursodeoxycholsäure

Frage 9:Welches Vitamin kann bei Kindern mit Cholestase bezüglich der Supplementierung am ehesten vernachlässigt werden?

EE Vitamin DEE Vitamin AEE Vitamin B1

EE Vitamin KEE Vitamin E

Frage 10:Was ist eine typische Nebenerscheinung im Langzeitverlauf bei Kindern mit Cholestasen?

EE Abstehende OhrenEE KleinwuchsEE HypertrichoseEE Zyanotische HerzfehlerEE Adipositas