Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene...

13
Fall 7 – „Kartenspiele“ 1. Tatkomplex: Die ec-Karte A. Strafbarkeit des A gemäß § 242 Abs. 1 StGB bzgl. der ec-Karte I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand fremde bewegliche Sache (+), die ec-Karte des O Wegnahme (+), durch Ansichnehmen der ec-Karte durch A 2. Subjektiver Tatbestand Vorsatz (+), wissentliche und willentliche Wegnahme der ec-Karte Zueignungsabsicht = Absicht bzgl. zumindest vorübergehender Aneignung und dolus eventualis bzgl. dauerhafter Enteignung (d.h. Entziehung der Sache oder des in ihr verkörperten Sachwertes) hier: Aneignungsabsicht (+) aber: zum Zeitpunkt der Wegnahme will A die ec-Karte nach dem Abhebevorgang wieder auf den Schreibtisch des O zurücklegen – deshalb: kein Enteignungsvorsatz hinsichtlich der ec-Karte als solcher (Sachsubstanz)

Transcript of Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene...

Page 1: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

Fall 7 – „Kartenspiele“

1. Tatkomplex: Die ec-KarteA. Strafbarkeit des A gemäß § 242 Abs. 1 StGB bzgl. der ec-Karte

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand• fremde bewegliche Sache (+), die ec-Karte des O• Wegnahme (+), durch Ansichnehmen der ec-Karte durch A

2. Subjektiver Tatbestand• Vorsatz (+), wissentliche und willentliche Wegnahme der ec-Karte• Zueignungsabsicht = Absicht bzgl. zumindest vorübergehender Aneignung und dolus

eventualis bzgl. dauerhafter Enteignung (d.h. Entziehung der Sache oder des in ihr verkörperten Sachwertes)

hier: Aneignungsabsicht (+)aber: zum Zeitpunkt der Wegnahme will A die ec-Karte nach dem Abhebevorgang wieder auf den Schreibtisch des O zurücklegen – deshalb: kein Enteignungsvorsatz hinsichtlich der ec-Karte als solcher (Sachsubstanz)

Page 2: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

aber: Enteignungsvorsatz hinsichtlich des Sachwertes der ec-Karte?

eine Enteignung liegt auch dann vor, wenn der Täter einen der Sache innewohnenden, spezifischen Funktionswert, d.h. einen in ihr selbst verkörperten wirtschaftlichen Wert entzieht und dadurch den Wert der Sache mindert

zwar kann A mit der ec-Karte an Geld des O gelangen, in der ec-Karte selbst ist aber kein Geldbetrag verkörpert, sie ist kein Legitimationspapier iSv § 808 BGB (anders als beim Sparbuch); die Karte fungiert vielmehr nur als Schlüssel und eröffnet nur den tatsächlichen Zugang zum im Automaten verwahrten Geld – dies genügt nicht für die Zueignung eines Sachwertes

→ Enteignungsvorsatz (-), Zueignungsabsicht (-), subjektiver Tatbestand (-)

II. Ergebnis: keine Strafbarkeit des A gemäß § 242 Abs. 1 StGB

B. Strafbarkeit des A gemäß § 246 Abs. 1 StGB

wohl (-), Sachverhalt aber ungenau bzgl. einer Rückgabe der Karte durch A…

Page 3: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

C. Strafbarkeit des A gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB bzgl. der ec-Karte

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand• Tatobjekt iSv Nr. 1: Urkunde

= verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässthier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank)

• Tatobjekt iSv Nr. 2 : beweiserhebliche Daten i.S.d. § 202a Abs. 2 StGBhier (+), im Magnetstreifen der Karte abgespeicherte Daten

• fehlendes Verfügungsrecht des Aentscheidend ist das Recht, die Urkunde als Beweismittel zu gebrauchen (nicht Eigentumsverhältnisse)hier (+), O hatte Verfügungsberechtigung, nicht A

• Tathandlung: Unterdrücken= jede Handlung, durch die dem Berechtigten die Benutzung der Urkunde/Aufzeichnung als Beweismittel (zumindest vorübergehend) entzogen oder vorenthalten wirdhier (+), durch die Wegnahme werden ec-Karte sowie auf ihr gespeicherten Daten dem O vorenthalten

Page 4: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

2. Subjektiver Tatbestand• Vorsatz (+)• Nachteilszufügungsabsichthier (-), denn der durch die von O geplante Geldabhebung zugefügte Nachteil entsteht nicht aus der Vereitelung der Beweisfunktion der ec-Karte, sondern erst aus ihrer weiteren missbräuchlichen Nutzung (d.h. der Nachteil resultiert nicht aus dem Unterdrücken)

II. Ergebnis: keine Strafbarkeit des A gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 StGB

D. Strafbarkeit des A gemäß § 303a Abs. 1 Var. 2 StGB bzgl. der ec-Karte

(+)

E. Strafbarkeit des A gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 2 Nr. 1 StGB bzgl. der PIN

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand• Qualifiziertes Nötigungsmittelhier qualifizierte Drohung (+), durch Vorhalten des Messers als konkludente Ankündigung seiner Verwendung

Page 5: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

• abgenötigtes Opferverhalten/Nötigungserfolg: Handlung, Duldung oder Unterlassen

→ Muss hierin eine Vermögensverfügung liegen?Rspr.: (-), jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen ausreichend

h.L.: (+), Erforderlichkeit einer Vermögensverfügung (= jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt)

hier: Preisgabe der Geheimnummer durch O – hierdurch allein tritt aber noch keine Vermögensminderung ein, sondern als Zwischenschritt bedarf es noch des Abhebens des Geldes durch A

→ Reicht dies für die Bejahung der Unmittelbarkeit der Vermögensverfügung aus?e.A.: bei der Erpressung genügt jedes unentbehrliche abgenötigte Opferverhalten, mag es auch lediglich eine Gewahrsamslockerung bewirken und nicht unmittelbar zur Vermögensminderung führen

hiernach Vermögensverfügung (+), denn ohne Kenntnis der Geheimzahl kann A das Geld nicht abheben

a.A.: auch bei der Erpressung muss die Vermögensverfügung unmittelbar zur Vermögensminderung führen

hiernach Vermögensverfügung nur dann (+), wenn O schon durch die Preisgabe der Geheimzahl sein Vermögen mindert – hierfür ist die Beantwortung der Frage entscheidend, ob durch das Abnötigen der Geheimzahl bereits ein Vermögensschaden eingetreten ist

Page 6: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

• Vermögensschadendurch Abnötigen der Geheimnummer? eigentlich (-), A muss noch das Geld abheben, um den Vermögensschaden

herbeizuführen aber: nach h.M. genügt eine sog. schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung,

sofern die Gefahr des Vermögensverlustes nach den Umständen des Einzelfalls so nahe liegend und groß ist, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung schon im Bestehen dieser Gefahr eine reale Minderung der Vermögens liegt

hier: A ist schon im Besitz der ec-Karte und kann nach Erfahren des PIN sofort durch einen nahe gelegenen Geldautomaten auf das Konto des O zugreifen, daher:schadensgleiche, konkrete Vermögensgefährdung durch Preisgabe der PIN (+) (a.A. vertretbar)

• Qualifikationsmerkmale des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a) und Abs. 1 Nr. 1 StGB (+), Beisichführen und Verwenden des Küchenmessers

2. Subjektiver Tatbestand• Vorsatz (+)• Absicht der stoffgleichen Bereicherung, Rechtswidrigkeit der Bereicherung und diesbzgl.

Vorsatz (+)• Vorsatz bzgl. § 250 Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 2 Nr. 1 StGB (+)

Page 7: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

II. Rechtswidrigkeit (+)

III. Schuld (+)

IV. Ergebnis: Strafbarkeit des A gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 a), Abs. 2 Nr. 1 StGB (+)

F. Ergebnis und Konkurrenzen 1. Tatkomplex:

§ 240 Abs. 1 StGB tritt im Wege der Spezialität hinter §§ 253, 255 250 StGB zurück, ebenso § 253 StGB. Innerhalb von §§ 253, 255, 250 StGB tritt § 250 Abs. 1 Nr. 1 a) hinter § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB im Wege der Spezialität zurück.

→ Strafbarkeit des A gemäß § 303a Abs. 1, §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, § 53 StGB (a.A. vertretbar)

Page 8: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

2. Tatkomplex: Das Abheben des Geldes

A. Strafbarkeit des A gemäß § 263 Abs. 1 StGB

(-), Täuschung nur gegenüber Mensch möglich

B. Strafbarkeit des A gemäß § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

• unbefugte Verwendung von Daten

Verwendung von Daten (+)

unbefugt: Wie ist das Merkmal auszulegen/zu verstehen?o computerspezifische Auslegung

o subjektivierende Auslegung

o betrugsspezifische Auslegung

→ i.E. unbefugt (+)

Page 9: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

• Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs

→ Wortlaut legt zwar nahe, dass ein bereits laufender Datenverarbeitungsvorgang beeinflusst werden muss, aber nach ganz h.M. ist beim Geldautomaten in der Betriebsbereitschaft ein bereits laufender Vorgang zu sehen; außerdem stellt das In-Gang-Setzen die stärkste Form der Beeinflussung dar

• Vermögensschaden (+), abgehobener Geldbetrag

2. Subjektiver Tatbestand

• Vorsatz (+)

• Absicht stoffgleicher Bereicherung (+)

• Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und diesbzgl. Vorsatz (+)

II. Rechtswidrigkeit (+)

III. Schuld (+)

IV. Ergebnis: Strafbarkeit des A gemäß § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB (+)

C. Strafbarkeit des A gemäß § 265a Abs. 1 StGB

(-), da Geldautomat kein Leistungsautomat, sondern Warenautomat ist; kein Erschleichen

Page 10: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

D. Strafbarkeit des A gemäß § 266b Abs. 1 StGB

(-), beim diesem Sonderdelikt kann nur der berechtigte Karteninhaber Täter sein

E. Strafbarkeit des A gemäß § 242 Abs. 1 StGB bzgl. des Geldes aus dem Automaten

I. Tatbestand

Objektiver Tatbestand• fremde bewegliche Sache→ Fremdheit des abgehobenen Geldes? – ursprünglich stand Geld im Eigentum der Bank; diese könnte aber gemäß § 929 S. 1 BGB das Geld übereignet habene.A.: Übereignung ist dadurch bedingt, dass der Abhebende auch legitimiert ist

danach hier: fremd (+), keine Übereignung an den Nichtberechtigten A, der die ec-Karte durch verbotene Eigenmacht erlangt hat

a.A.: es erfolgt eine unbedingte Übereignung des Geldes an denjenigen, der die ec-Karte besitzt und die zutreffende Geheimnummer eingibt

danach hier: fremd (-), A hat Geldautomat vorschriftsmäßig bedientbeides vertretbar, nach hiesiger Ansicht Fremdheit (-)

Page 11: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

II. Ergebnis: keine Strafbarkeit des A gemäß § 242 Abs. 1 StGB bzgl. des Geldes

F. Strafbarkeit des A gemäß § 246 Abs. 1 StGB

(-), da Geld nicht fremd (s.o.)

G. Ergebnis 2. Tatkomplex

→ Strafbarkeit des A gemäß § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB

3. Tatkomplex: Der Ring

A. Strafbarkeit des A gemäß § 263 Abs. 1 StGB zulasten des P

I. Tatbestand• Täuschung (= jede intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen, um in

diesem einen Irrtum hervorzurufen)

Page 12: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

→ Täuschung durch Vorspiegeln nicht gegebener Eigentumsverhältnisse durch A?

(-), da A Eigentum an dem Geld erlangt hat

II. Ergebnis: keine Strafbarkeit des A gemäß § 263 Abs. 1 StGB

B. Strafbarkeit der B gemäß § 259 Abs. 1 StGB durch Entgegennahme des Rings

I. Tatbestand

Objektiver Tatbestand

• Sache, die ein anderer durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat erlangt hat

der Ring selbst wurde nicht durch eine rechtswidrige Vortat erlangt (kein § 263 Abs. 1 StGB zulasten des P, s.o.)

§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB zulasten der Bank als rechtswidrige Vortat? – Identität zwischen erlangter und gehehlter Sache?

→ nur mittelbar durch eine Vortat erlangte Sachen genügen nicht § 259 Abs. 1 StGB –die sog. Ersatzhehlerei/Werthehlerei ist nicht von § 259 Abs. 1 StGB umfasst

hier: nur das Geld hat A unmittelbar durch den Computerbetrug erlangt, nicht auch den Ring, so dass mangels Identität der Sachen keine Vortat iSv § 259 StGB gegeben ist

II. Ergebnis: keine Strafbarkeit der B gemäß § 259 Abs. 1 StGB

Page 13: Fall 7 –„Kartenspiele“ - uni-wuerzburg.de€¦ · hier (+), ec-Karte (darauf enthaltene Angaben: Karteninhaber, Kontonummer, kartenausgebende Bank) •Tatobjekt iSv Nr. 2 :

Gesamtergebnis und Konkurrenzen:

→ Strafbarkeit des A: § 303a Abs. 1, §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, § 53 StGB

→ Strafbarkeit der B (-)