Fächer im buddhistischen Thailand · 2/2011 THAILAND-RUNDSCHAU 45 Fächer im buddhistischen...

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2/2011 THAILAND-RUNDSCHAU 45 Fächer im buddhistischen Thailand Tosporn Kasikam Mit dieser vorliegenden Arbeit wird beabsichtigt, dem Leser einen Einblick in den Ursprung, die Ge- schichte, die Entwicklung, die Form, den Ge- brauchszweck und die Funktion bestimmter Fä- cherarten in Thailand zu ermöglichen, nämlich der Mönchs und nebenbei auch der zeremoniellen Hof- fächer. Da dieses Thema bis in die jüngste Zeit in der westlichen Fachliteratur kaum, wenn überhaupt behandelt worden ist, verdient das Thema einige Aufmerksamkeit. Die Besonderheit des Themas liegt darin, dass es selbst für viele Thai unbewussterweise zu einem abgeschlossenen, ja wegen seiner Selbstverständlichkeit unwichtigen Kapitel ihrer Kulturgeschichte zu gehören scheint. Jedoch ist es in Wahrheit ein noch lebendiges Phä- nomen, dessen Existenz und äußere, oberflächli- che Bedeutung sich alltäglich in der breiten Schicht der Bevölkerung – vom König bis zum ärmsten Mahosadha („Der große Weise“) mit Fächer Wandmalerei aus den zehn Wiedergeburtsgeschich- ten Buddhas (Jatakas) Foto Werner Dackweiler Obdachlosen – noch erkennen lassen. Dieser Wi- derspruch konnte so bestehen, weil die innere Be- deutung der Hof- bzw. der Mönchsfächer aufgrund ihrer vielfachen symbolischen Einzelheiten, die gleichzeitig die geistige Entwicklung einer Kultur widerspiegeln, im modernen Alltag keinen Platz mehr hat. "Fächer" wird im Thailändischen im allgemeinen mit phat übersetzt. Im heutigen Sprachgebrauch ver- stehen die Thai unter dem Begriff phat ein Gerät in Blattform mit oder ohne Griff, hauptsächlich zum Zufächeln von kühlendem Luftstrom, aber auch zum Anfachen des Feuers und zum Vertreiben lästiger Insekten und Fliegen, ohne dabei zu defi- nieren, bei welchem Anlass sonst oder zu welchem Zweck oder aus welchem Material es verwendet bzw. hergestellt wird. In diesem Zusammenhang soll noch auf ein ähnliches Gerät hingewiesen wer- den, nämlich auf den Wedel. Sae nennen die Thai ein Gerät in Büschelform mit einem festen Griff, das mehr zum Vertreiben von Insekten und Fliegen gebraucht wird. Die älteste Form des phat dürfte der sogenannte phatbailan sein; man macht ihn aus einem Blatt der Fächerblattpalme, indem man ihn mit einem schar- fen Messer so schneidet, dass er die Form eines Fächers hat, wobei der Blattstiel als Griff dient. Oder man bindet unten an die Blattform einen fes- ten Griff. Die spätere Entwicklung der Form und die Vielfalt der Materialien müsste nach unserer Vor- stellung keine Grenze kennen. Dagegen dürfte die ursprüngliche Form von sae ein Zweig, später ein Stück geeignetes Holz oder Rohr gewesen sein, dessen eine Hälfte zerfasert wird, und dessen an- dere Hälfte man als Griff übriglässt. Fächer und Wedel stellen in der Kulturgeschichte Thailands nicht nur alltägliche Gebrauchsgegen- stände der Bevölkerung dar, sondern sie haben auch bei den weltlichen Herrschenden und geistli- chen Würdenträgern des Landes einen festen, angesehenen Platz. Eine kanonische Darstellung aus dem 8. Jahrhundert zeigt die Geburt des Bod- hisattva, dem entweder der Weg eines Weltherr- schers oder der eines Welterlösers (Buddha) pro- phezeit wird; außer der Abbildung eines segensreichen weißen Elefanten sind auch noch ein königlicher Fächer und ein Wedel dargestellt. Nach einer historischen Erwähnung aus der Suk- hothai-Zeit (1238-1349; Sukhothai gilt als erste Hauptstadt des Thai-Reiches auf dem Gebiet des heutigen Thailand) gehörte ein Fächer bzw. ein Wedel neben einer Krone, einem Schwert, einem

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Fächer im buddhistischen Thailand

Tosporn Kasikam

Mit dieser vorliegenden Arbeit wird beabsichtigt, dem Leser einen Einblick in den Ursprung, die Ge-schichte, die Entwicklung, die Form, den Ge-brauchszweck und die Funktion bestimmter Fä-cherarten in Thailand zu ermöglichen, nämlich der Mönchs und nebenbei auch der zeremoniellen Hof-fächer. Da dieses Thema bis in die jüngste Zeit in der westlichen Fachliteratur kaum, wenn überhaupt behandelt worden ist, verdient das Thema einige Aufmerksamkeit. Die Besonderheit des Themas liegt darin, dass es selbst für viele Thai unbewussterweise zu einem abgeschlossenen, ja wegen seiner Selbstverständlichkeit unwichtigen Kapitel ihrer Kulturgeschichte zu gehören scheint. Jedoch ist es in Wahrheit ein noch lebendiges Phä-nomen, dessen Existenz und äußere, oberflächli-che Bedeutung sich alltäglich in der breiten Schicht der Bevölkerung – vom König bis zum ärmsten

Mahosadha („Der große Weise“) mit Fächer

Wandmalerei aus den zehn Wiedergeburtsgeschich-ten Buddhas (Jatakas)

Foto Werner Dackweiler

Obdachlosen – noch erkennen lassen. Dieser Wi-derspruch konnte so bestehen, weil die innere Be-deutung der Hof- bzw. der Mönchsfächer aufgrund ihrer vielfachen symbolischen Einzelheiten, die gleichzeitig die geistige Entwicklung einer Kultur widerspiegeln, im modernen Alltag keinen Platz mehr hat.

"Fächer" wird im Thailändischen im allgemeinen mit phat übersetzt. Im heutigen Sprachgebrauch ver-stehen die Thai unter dem Begriff phat ein Gerät in Blattform mit oder ohne Griff, hauptsächlich zum Zufächeln von kühlendem Luftstrom, aber auch zum Anfachen des Feuers und zum Vertreiben lästiger Insekten und Fliegen, ohne dabei zu defi-nieren, bei welchem Anlass sonst oder zu welchem Zweck oder aus welchem Material es verwendet bzw. hergestellt wird. In diesem Zusammenhang soll noch auf ein ähnliches Gerät hingewiesen wer-den, nämlich auf den Wedel. Sae nennen die Thai ein Gerät in Büschelform mit einem festen Griff, das mehr zum Vertreiben von Insekten und Fliegen gebraucht wird.

Die älteste Form des phat dürfte der sogenannte phatbailan sein; man macht ihn aus einem Blatt der Fächerblattpalme, indem man ihn mit einem schar-fen Messer so schneidet, dass er die Form eines Fächers hat, wobei der Blattstiel als Griff dient. Oder man bindet unten an die Blattform einen fes-ten Griff. Die spätere Entwicklung der Form und die Vielfalt der Materialien müsste nach unserer Vor-stellung keine Grenze kennen. Dagegen dürfte die ursprüngliche Form von sae ein Zweig, später ein Stück geeignetes Holz oder Rohr gewesen sein, dessen eine Hälfte zerfasert wird, und dessen an-dere Hälfte man als Griff übriglässt.

Fächer und Wedel stellen in der Kulturgeschichte Thailands nicht nur alltägliche Gebrauchsgegen-stände der Bevölkerung dar, sondern sie haben auch bei den weltlichen Herrschenden und geistli-chen Würdenträgern des Landes einen festen, angesehenen Platz. Eine kanonische Darstellung aus dem 8. Jahrhundert zeigt die Geburt des Bod-hisattva, dem entweder der Weg eines Weltherr-schers oder der eines Welterlösers (Buddha) pro-phezeit wird; außer der Abbildung eines segensreichen weißen Elefanten sind auch noch ein königlicher Fächer und ein Wedel dargestellt. Nach einer historischen Erwähnung aus der Suk-hothai-Zeit (1238-1349; Sukhothai gilt als erste Hauptstadt des Thai-Reiches auf dem Gebiet des heutigen Thailand) gehörte ein Fächer bzw. ein Wedel neben einer Krone, einem Schwert, einem

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Gehstock und einer Sandale zu den fünf königli-chen Machtsymbolen. In einem Bericht über die Krönungszeremonie eines Ayuthaya-Königs (Ayu-thaya war 1349-1767 die zweite Hauptstadt Thai-lands) wurde aber nur noch ein phatchanee (könig-licher Fächer) erwähnt. Es lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten, dass Fächer und Wedel austauschbar gewesen sein und als eine Einheit gezählt werden müssen.

Auf Anordnung von König Rama I (1782-1809), Gründer der bis heute herrschenden Chakri-Dynastie, wurden die fünf königlichen Machtsymbo-le neu errichtet. Bei diesem Anlass ließ der König auch einen neuen Fächer machen, nämlich phat-chanee fakmakham. Es ist ein Fächer aus Palmen-blatt, vergoldet, mit einem goldenen Griff. Der Griff ist etwas gebogen, wie die Frucht einer Tamarinde, daher der Name fakmakham (Tamarinde). Erst unter König Chulalongkorn, Rama V (1868-1910), wurde ein neuer Wedel aus Yak-Haaren gemacht. Von der chinesischen Kultur beeinflusst, glauben die Thai, dass Yak-Haare eine magische Kraft be-sitzen, mit der die bösen Geister bekämpft werden können.

Im heutigen Sprachgebrauch werden Fächer und Wedel, die königliche Insignien sind, mit dem Be-griff walwichanee (ein Sammelbegriff) bezeichnet. Zu den symbolischen königlichen Gebrauchsge-genständen von besonderem Rang gehört auch der phatbok (luftbewegender Fächer). Vermutlich war er ursprünglich ein notwendiger Gebrauchsgegen-stand eines reichen oder mächtigen Herrn oder einer vornehmen Dame, die sich einen Extra-Diener oder eine Dienerin leisten konnten, um sich beim Vorsitz in der Öffentlichkeit oder in privater Sphäre mit einem phatbok kühlen Wind zufächeln zu lassen, während ein kleiner Fächer oder ein Wedel von jenem Einzelnen selbst betätigt wurde. So hatte der König, der eine Audienz hielt oder sich in dem privaten Bereich seines Palastes aufhielt, immer einen Diener oder eine Dienerin, die ihm mit einem phatbok kühlen Wind fächelten. Nach und nach ist der phatbok bei verschiedenen staatlichen und zeremoniellen Anlässen, wo der König in der Öffentlichkeit erscheinen muss, ein königliches Hoheitssymbol geworden. Die Blattform eines phatbok ist groß und der Griff muss je nach dem Abstand zwischen dem König und dem Diener so lang sein, dass das Fächerblatt in derselben Höhe wie der König ist. Sitzt der König z.B. auf dem oft sehr hohen Thron, muss der Griff auch so lang sein. Deshalb muss der zuständige Diener kräftig bis sehr kräftig sein und auch genau wissen, wie man einen phatbok bedient und in regelmäßiger, rhythmischer Bewegung hält.

Eine andere Entwicklung bei königlichen Fächern ist der schattenspendende Fächer. In den tropi-schen Ländern müssen die Menschen bei Bewe-gung im Freien an einem sonnigen Tag einen Schutz vor der Sonne haben, wie einen Schirm. So 1

Mönchsfächer mit weißer Bespannung Foto Werner Dackweiler

auch der König und Mitglieder seiner Familie. Dazu kommt noch der Glaube, dass niemals der Schat-ten eines Königs auf den Boden fallen darf, wo-durch er von anderen Sterblichen betreten werden könnte, was eine der schlimmsten Formen der Ma-jestätsbeleidigung bedeuten würde. Deshalb hat der König immer einen Diener, der ihm mit einem großen Schirm Schatten spendet. Dies ist aber nur möglich, wenn die Sonne sich hoch über dem Kopf befindet. Am frühen Morgen und am Spätnachmit-tag, wo der Sonnenschein tief von der Seite kommt, ist der schwere große königliche Schirm mit seinem langen Griff nicht mehr praktisch. So wurde ein großer kanprabangsun (wörtlich: zum Versperren des Sonnenscheins) entwickelt. Dieser einfache, große Fächer ist leicht und besonders praktisch, wenn sich der König oder auch ein besonders ver-ehrtes Objekt, etwa eine Buddhafigur, in einer Staatszeremonie vorübergehend in einem offenen Pavillon oder auf einer offenen, nur mit einem Dach versehenen Plattform befindet. Der Fächer dient dann als Stellwand, allerdings mit Griff.

Nicht nur bei den weltlichen Herrschern und Wür-denträgern, auch bei den Geistlichen spielen die Fächer eine symbolisch wichtige, aber auch eine praktische Rolle, jedoch nicht der Wedel. In der Umgangssprache werden alle Arten von Mönchsfä-chern unter dem Sammelbegriff tallapat zusam-mengefasst. Das Wort stammt aus der altindischen

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Phra Khru Dr. Apisit, Fang / Chiang Mai Foto Werner Dackweiler

Sprache PALI [tal+patta], wörtlich übersetzbar als Palmenblatt. Das mit dem eben erwähnten Wort bezeichnete Gerät muss noch vor Buddhas Lebzei-ten, d.h. noch vor etwa 543 v. Christus, entstanden sein, und zum Zufächeln vom Wind und zum Schutz vor dem starken Sonnenschein gedient haben. Erst später, nachdem besondere Mönchsfä-cher extra für hochverehrte oder würdentragende Mönch erfunden worden waren, hat die ursprüngli-che Bedeutung von tallapat abgenommen; heute werden damit in der Umgangssprache einfache Mönchsfächer bezeichnet, und zwar im Gegensatz zu phatyot (Fächer zum Titel) und zu phat, Fächer der Laien.

In den kanonischen Schriften wird der tallapat in dem Zusammenhang erwähnt, dass die DEVADAS (Engel) Buddha am Tag vor seiner Erleuchtung einen Fächer geschenkt haben; und noch einmal wird erwähnt, dass sie Buddha, während er nach seiner Erleuchtung über seine neuerworbenen Ein-sichten meditiert, beistehen und ihm mit Fächern Kühlung zufächeln. Tallapat gilt im buddhistischen Glauben auch als ein Symbol der 108 segenspen-denden Insignien, die unter anderem auf dem Fuß-abdruck des Buddhas dargestellt werden.

Über die Ursachen, weshalb die Mönche – aus anderen als den obengenannten Gründen – einen tallapat bei sich tragen, herrscht keine überein-stimmende Meinung. Einige berufen sich auf einen

Lebensabschnitt des Buddha, nämlich, als er nach mehr als achtjähriger Abwesenheit wieder zu sei-nem greisen, kranken Vater zurückkehrte, um ihn zu besuchen und ihm und seinen Verwandten die Vier Wahrheiten zu offenbaren. Buddha soll dabei einen Fächer bei sich getragen haben. Seitdem folgen die Mönche seinem Beispiel, wenn sie in eine weltliche Behausung eintreten. Andere sehen in der Lebensgeschichte von phra Sangkacchaya (phra = allgemeiner Rufname für Mönche) den ur-sprünglichen Anlass, weshalb die Mönche einen Fächer brauchen, wenn sie zeremoniell mit Laien zu tun haben.

Eine Legende erzählt: Phra Sangkacchaya ist ein sehr hübscher junger Mann; sein besonders gutes Aussehen beeindruckt alle, die ihn sehen, und er-weckt möglicherweise heimliche Wünsche bei Mädchen und Frauen. So kommt es, wenn er vor Laien seine Predigt hält, dass die Zuhörer sich nicht konzentrieren können und, statt sich durch Er-kenntnis den Weg in den Himmel zu gewinnen, eher durch unerlaubte Gedanken den Weg in die Hölle bereiten. Das merkt Phra Sangkacchaya bald und will dies aus gutem Willen seinen Laien erspa-ren; so verwandelt er sich, da er bereits ein Heiliger ist und ihm eine besondere der Magie ähnliche Kraft zu Verfügung steht, zu einem hässlich dicken Mönch. (Dieser dicke Mönch darf nicht verwechselt werden mit dem sogenannten "dicken Buddha". "Der dicke Buddha" findet sich im chinesischen Kulturkreis und symbolisiert Wohlstand, Reichtum und Fruchtbarkeit.) Aus diesem Grund halten die Mönche, immer wenn sie eine Predigt halten, einen Fächer vor ihr Gesicht, damit ihre Zuhörer sich besser konzentrieren, so wie sie selbst auch. Die-ser Denkweise folgend gab es bis vor kurzem in Nordthailand eine Praxis, dass zum Predigen die Mönche einen Hochstuhl besteigen und einen Vor-hang zuziehen. Ebenfalls in Nordthailand ist es noch vor weniger als 50 Jahren üblich gewesen, dass Mönche bei einer Handlung, in der ein religiö-ses Verdienst von den Laien erworben werden sollte, immer einen Fächer zwischen sich und den Laien in der Hand halten, z.B., wenn sie ins Haus kommen, um eine Nahrungsspende in Empfang zu nehmen. Hier ist zu erwähnen, dass Mönche, selbst wenn sie keinen Fächer bei sich haben, nach all-gemeinen Verhaltensregeln seit Buddhas Lebzeiten beim Gehen und Sitzen, besonders vor der Öffent-lichkeit, immer den Blick so nach unten richten, dass sie nicht mehr als etwa 2-4 Schritte weit se-hen können. Damit will der große Meister erreichen, dass seine Schüler sich auf sich selbst und ihre eigene innere Welt konzentrieren. Es soll auch eine Art Schutzmaßnahme sein, sowohl für die Mönche als auch für die Laien.

Dass heutzutage die Fächer noch sehr intensiv bei den verschiedenen Abläufen der Bestattungszere-monien benutzt werden, z.B. bei der Überführung des Leichnams aus dem Krankenhaus oder aus dem Haus in den Tempel und beim Gebetsingen

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der Mönche vor dem Toten, lässt auch vermuten, dass die Verwendung von Fächern bei Mönchen vielleicht darin ihren Ursprung hat: Mönche sollen Fächer benutzt haben, um den unangenehmen Geruch zu entfernen, wenn sie von den Leichen ihre Kleidungsstoffe holten. Anfangs hatte Buddha vorgesehen, dass Mönche nur von den in den Friedhof gebrachten, von allen Verwandten verlas-senen Toten Stoffe zu nehmen hatten, aus denen sie ihre Gewänder machten. Erst später erlaubte er auf dringliche Bitte seiner Anhänger den Mönchen, auch von ihren "Förderern" Kleidung zu empfan-gen. Aber die Sitte ist bis heute, auch wenn nur noch symbolisch, erhalten geblieben: Bevor der Leichnam zum Verbrennen getragen wird, geben die Verwandten dem Toten Mönchsgewänder, in-dem sie sie vor den Sarg des Toten legen. Dann kommen Mönche mit einem Fächer, singen ihr Gebet und holen sich das Gewand.

Fest steht, dass Mönche in Thailand seit jeher ei-nen Fächer besitzen und ihn für bestimmte Anlässe gebrauchen. Zahlreiche künstlerische Darstellun-gen in der Plastik, in der Malerei oder auch in der Literatur belegen dieses. In Thailand sind Mönchs-fächer ein besonderes Kapitel; sie stellen im Ver-gleich zu anderen buddhistischen Ländern ein ty-pisch thailändisches Phänomen dar. Um dieses zu verstehen, muss ein kurzer Einblick in den ge-schichtlichen und soziologischen Hintergrund ge-geben werden: Wie es eigentlich der buddhisti-schen, seit Buddhas Lebzeiten existierenden Tradition entspricht, sind alle Mönche in Thailand in einem einzigen Orden organisiert, der im Laufe der Geschichte des Landes anfangs nur lose verbun-den, später immer zunehmend zentralisiert worden ist. Aufgrund der wachsenden Bedrohung durch europäische Kolonialmächte und der konsequen-terweise verstärkten Stellung Bangkoks den ehe-mals selbständigen Regionen und Provinzen ge-genüber wurde Anfang des 20. Jahrhunderts der Nationalismus propagiert. Die in der Zeit entstan-dene Staatsideologie „Nation-Religion-König“ gilt bis heute. Die buddhistische Lehre und der bud-dhistische Orden wurden zur Legitimierung der Politik systematisch eingesetzt, was dazu führte, dass einerseits sich in Thailand die intellektuelle Bedeutung des Buddhismus erheblich wandelte, und dass andererseits in der Organisation des Or-dens eine funktionale Parallele zwischen der weltli-chen und geistlichen Verwaltungsform entstand. Ein anderer Faktor kommt noch hinzu. In einer "formierten", aufgrund übernommener altindischer und chinesischer Weltbilder streng hierarchischen Gesellschaft wie in Thailand spielt die Kennzeich-nung des Ranges und der sozialen Stellung eines Einzelnen in dem zwischenmenschlichen Verhältnis eine entscheidende Rolle. Zur Kennzeichnung des Ranges innerhalb des Ordens und der "politischen" Funktion innerhalb des mönchischen Verwaltungs-systems dienen die Fächer und die dazu gehören-den würdetragenden Attribute. So entstehen aus

den normalen Mönchsfächern tallapat drei neue Begriffe: 1. phatrong, 2. phatyot und 3. phatparien. Phatrong nennt man einfache Fächer für normale Mitglieder des buddhistischen Ordens ohne beson-dere Verwaltungsbefugnisse.

Nachdem besondere Fächer für geistliche Würden-träger erfunden worden waren, ließ König Mongkut, Rama IV. (1851-1868), auch einen phatrong entwi-ckeln. Er besteht aus einem langen Stiel, an des-sen Ende ein ovaler Rahmen aus Bambus befestigt ist, der mit Stoff oder Seide bespannt wird. Auf die Bespannung kommt eine Stickerei. Mit Vorliebe wurden anfangs Seiden- und Goldfäden aus China verwendet; Hofdamen machten damals für ihre Lieblingsmönche solche hübsche Fächer. Sie taten dies so eifrig, dass wir jetzt sagen können, dass die phatrong aus den 1880er Jahren eine große kunst-handwerkliche Sammlung bilden, nämlich der kunstvollen Stickerei. Später werden die Bespan-nungsstoffe bedruckt; es dürfen keine weltlichen Motive sein. Oft sind es devadas (Engel), kunstvolle Muster und nicht selten Schriftzüge, die über den Anlass der Fächer-Vergabe Auskunft geben. Der phatrong ist sozusagen kein persönliches Stück der Mönche mehr, vielmehr der weltlichen Gastgeber, die die Mönche zu sich in ihr Haus eingeladen ha-ben. Sie sind Gastgeschenke für die Mönche wie eine andere Kleinigkeit für sonstige Gäste. Und wenn die Mönche wieder in das Haus kommen, bringen sie den Fächer ihres Gastgebers mit. Selbst der König schenkt den eingeladenen Mön-chen seinen persönlichen phatrong, wenn er sie privat zu sich einlädt, so auch alle staatlichen Ein-richtungen und privaten Unternehmen.

Phatyot sind Fächer, die der König, als Förderer aller im Land vertretenen Religionen und Beschüt-zer des buddhistischen Glaubens, allen buddhisti-schen Würdenträgern schenkt. Sie haben eine symbolische Bedeutung als registrierte Ehrenzei-chen und dürfen nur in königlichen und staatlichen Zeremonien, bei denen der König selbst oder des-sen Vertreter anwesend ist, benutzt werden. Über den Anlass der königlichen Schenkung eines pha-tyot sind sich die Fachleute ziemlich einig, nur nicht

Mönchsordination Wat Lat Patoo, Hua Hin Foto Werner Dackweiler

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über den Zeitpunkt, wann diese weltliche Sitte auch für die Geistlichen zum ersten Mal praktiziert wur-de. Schon sehr früh besuchten die Mönche aus buddhistischen Ländern Süd- und Südostasiens einander. Oft wurden sie von dem König und Fürs-ten von Mon- und Thai-Königsreichen nach Ceylon geschickt, um die Lehre Buddhas und Glaubensre-geln zu lernen, oder um die wertvollen ursprüngli-chen kanonischen Schriften zu kopieren und heim-zubringen. Nicht selten haben auch Könige Südostasiens Mönche aus Ceylon zu sich eingela-den, damit sie einheimische Gläubige in der Lehre festigen, um den aus irgendeinem Grund schwach gewordenen Glauben Buddhas im eigenen Land nicht untergehen zu lassen, aber auch umgekehrt. Die Mönche wurden nach ihrer Heimkehr für die Gefahren der Reise, ihr neuerworbenes Wissen und die vollbrachte Leistung mit besonderer Würde anerkannt und ausgezeichnet. Der König verlieh ihnen einen hervorgehobenen Titel und beschenkte sie mit besonderen Attributen, darunter auch Fä-cher. Damit ist der Anfang einer Tradition der Schenkung von phatyot gemacht worden. Die pha-tyot -Fächer sind in erster Linie nur mit dem Titel verbunden und nicht mit der Person des Empfän-gers. Das bedeutet, dass alle Mönche, die densel-ben Titel innehaben, auch denselben Fächer ha-ben. Da die Fächer dieser Gattung sehr eng mit der

Mönch mit Fächer Wandgemälde im Wat Tha Tanom

Foto Werner Dackweiler

Verwaltung des Ordens zusammenhängen, soll darauf kurz eingegangen werden, um einen Ein-blick darin zu bieten, aber ohne die geschichtliche Entwicklung zu berücksichtigen. Nach dem heuti-gen ordensgesetzlichen Stand gibt es acht Rang-stufen von samanasak, wörtlich „mönchischer Titel“ oder „Würden“, nämlich:

1. Der Patriarch. Er hat im allgemeinen den Titel somdet phraariyawongsakha-tayan somdet phrasanggharat sakonmahasangghaparinayok (etwa übersetzbar: Hochverehrter Ehrenwürden-träger, Heiliger Nachfolger des Herrn Buddha, Hochverehrter Ehrenwürdenträger, Oberster der Mönche, Herr über das Große Reich des Bud-dhistischen Ordens). Es wird auch unterschie-den, ob er aus einer bürgerlichen oder der kö-niglichen Familie stammt. Ist das der Fall, weicht der Titel voneinander noch etwas ab.

2. somdet phrarajakhana (Hochverehrter Ehren-würdenträger) von der Rangstufe: Herrscher des Großen Ordens der Goldenen Klasse. Es sind 8 Würdenträger in dieser Rangstufe.

3. phrarajakhana (Ehrenwürdenträger) von der Rangstufe: Herrscher des Kleinen Ordens der Silbernen Klasse. Es gibt 14-16 Würdenträger dieser Rangstufe.

4. phrarajakhana von der Rangstufe: Herrscher des Ordens der Dharma-Klasse. Es gibt 25-28 Würdenträger dieser Rangstufe.

5. phrarajakhana von der Rangstufe: Herrscher des Ordens der Deva-Klasse. Es gibt 45-54 Würdenträger dieser Rangstufe.

6. phrarajakhana von der Rangstufe: Herrscher des Ordens der Raja-Klasse. Es gibt 108-124 Würdenträger in dieser Rangstufe.

7. phrarajakhana von der Rangstufe: Herrscher des Ordens der Einfachen Klasse. Es gibt 324-326 Würdenträger in dieser Rangstufe sowie vier weitere Unterteilungen innerhalb dieser Rangstufe, je nach dem Wissen und der Aufga-be, nämlich: a) Herrscher des Ordens der Einfa-chen Klasse mit parien-Abschluss. (parien ist eine Kennzeichnung des staatlich, von der Or-densverwaltung geprüften Wissenstandes in der altindischen Pali-Sprache und in kanonischen Studien. Es gibt neun parien-Stufen.), b) Herr-scher des Ordens der Einfachen Klasse ohne parien-Abschluss, jedoch mit großem Fachwis-sen. c) Herrscher des Ordens der Einfachen Klasse mit Aufgaben im vipassana-(Meditations-)Unterricht. d) Herrscher des Ordens der Einfa-chen Klasse, der vom Patriarchen direkt ernannt wird.

8. phrakhru (Großer Lehrmeister). Folgende phrakhru -Klassen sind zu unterscheiden: (1) Der Klasse von phrakhru sanyabat gehören die-jenigen an, die vom König persönlich ernannt werden. (2) In der Klasse von phrakhru thana-nukrom sind diejenigen, die vom Patriarchen und von einem somdet phrarajakhana oder von einem phrarajakhana ernannt werden; ihre Auf-

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gabe ist der eines Sekretärs ähnlich. Jeder somdet phrarajakhana und phrarajakhana ver-fügt über eine bestimmte Anzahl von phrakhru thananukrom, die er nach freier Wahl und Ent-scheidung ernennen darf. (3) In der Klasse von phrakhru pratuan sind diejenigen, die vom Gre-mium der Ordensverwaltung aufgrund ihrer Ver-dienste dem Orden und dem Staat gegenüber ernannt werden. Alle Würdenträger bekommen vom König, der nach allen bisherigen Verfas-sungen Thailands Förderer aller im Land vertre-tenen Religionen und Beschützer des buddhisti-schen Glaubens ist, d.h. vom Staat, außer monatlichem Gehalt auch noch ein "Zubehör" zu ihrem samanasak, dem mönchischen Titel, zu dem auch immer ein phatyot gehört.

Um einen Einblick in die thailändische Welt der buddhistischen Geistlichen zu schaffen, sollen hier zwei Beispiele von dem "Zubehör" genannt werden: Das "Zubehör" zum samanasak eines Patriarchen besteht aus 1. einem phatyot; 2. einer goldenen Urkunde, aus der sein Lebenslauf, seine Verdienste und die Begründung der königlichen Ernennung hervorgehen. Die Urkunde ist auf ein Goldblatt, 48 Gramm schwer, 18 cm breit und 20 cm lang, ge-schrieben; 3. einer kunstvollen Tragtasche aus Goldfäden; 4. einem dreistufigen Schirm aus wei-ßem Tuch; 5. einem gehobenen Sitzplatz, einem Thron ähnlich; 6. einer Reihe von alltäglichen Ge-brauchsgegenständen, die jedoch für unsere Ver-hältnisse heute selbst Kunstgegenstände sind, denn sie sind alle aus thompat, d.h. bunter glas-staubhaltiger Glasur auf Kupfer. Hierzu zählen: Beteltablett mit Fußgestell; Betelschachtel mit Fü-ßen, im Deckel ein Abbild des königlichen Drei-zacks, eines chakri; kleine Betelschachtel für Are-kanuss; Betelmörser; sechseckige Beteldose mit Inhalt; rundes Wassergefäß mit geflochtenem De-ckel, bespannt mit einem weißen Tuch; geschlos-senes Wassergefäß mit Deckel und Fuß; Wasser-karaffe mit Deckel und Fuß; Waschbecken mit Zubehör für Gesicht; Spucknapf mit weitem Rand; Spucknapf mit mittelgroßem Rand; großer Spuck-napf ohne Rand; mittelgroßer Spucknapf ohne Rand; Abfallgefäß; zylindrische Teekanne; Teeser-vice; Essensbehälter, gestapelt, zusammengehal-ten von einem Tragbügel; Trinkgefäß in Form eines Flaschenkürbis; Almosenschale mit Deckel und Untersatz.

Der Inhalt des "Zubehörs" ändert sich jedes Mal beim Wechsel bzw. bei Neuernennung des Patriar-chen, denn es hängt vom Belieben des Königs allein ab, wen er zum Patriarchen ernennt. Steht der Würdenträger dem König sehr nah, so könnte das "Zubehör", besonders die genannten Stücke, sehr wertvoll sein. Das "Zubehör" zum samanasak der Rangstufe phrarajakhana der Einfachen Klasse besteht normalerweise aus einem phatyot, einer Urkunde, einem Satz Mönchsgewänder aus feinem Stoff, einer Tragtasche, einer Almosenschale mit

Fächer aus getrockneten Palmenblättern Foto Werner Dackweiler

Deckel und Untersatz, dekoriert mit Perlmutt, einer Wasserschale mit Unterteil, und einem großen Abfallgefäß, beide aus thompat. In der Praxis be-schränkt sich heutzutage die Gabe von "Zubehör" an die Würdenträger von der Rangstufe des Herr-schers des Ordens der Deva-Klasse abwärts nur noch auf einen phatyot und eine Urkunde. An dem "Zubehör" erkennt man die Rangstufe eines Wür-denträgers, aber an einem phatyot noch mehr, nämlich den Titel. Zum Beispiel gab es früher ins-gesamt zehn Würdenträger, die die Rangstufe phrarajakhana der Dharma-Klasse innehatten. Je-der von ihnen hatte einen verschiedenen Titel, also aufgrund der gleichen Rangstufe das gleiche "Zu-behör", aber, obwohl ihre phatyot gleich an Form und Muster sind, eine verschiedene Farbe der pha-tyot -Bespannung.

Es ist ersichtlich, dass der phatyot ein ganz wichti-ger Bestandteil in der Titel- und Ehrenzeichen- und auch in der Ordensverwaltung in Thailand ist. Denn er gibt Auskunft über die Rangstufen und die Unter-teilung innerhalb einer Rangstufe, über den Titel sowie von der Rangstufe Herrscher des Ordens der Deva-Klasse abwärts über die Lebensführung des Würdenträgers (z.B. ob er ein sogenannter Wald- oder Stadtmönch ist. (In Thailand wird im allgemei-nen unterschieden zwischen aranyavasi (im Wald lebend) und khammavasi (in der Stadt lebend); ein Waldmönch praktiziert Meditation und erstrebt das nirvana, während ein Stadtmönch sich mit kanoni-schen Texten befasst und der Lehre bedient.). Für die Rangstufe phrakhru und darüber ist erkennbar, ob der Würdenträger in Bangkok oder in einer Pro-vinz tätig ist, wessen phrakhru Würdenträger ist, d.h. wer sein Vorgesetzter ist sowie zu welcher Rangstufe sein Tempel gehört, wenn der Würden-träger Abt eines königlichen Tempels ist. (Die kö-niglichen Tempel haben insgesamt zwölf Rangstu-fen.)

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Da es hier nicht möglich ist, eingehend in allen Einzelheiten über phatyot, z.B. über die Form, die Muster, die verwendeten Materialien und die Far-ben zu schreiben, wird an dieser Stelle versucht, einen zusammenfassenden Überblick über ihre bedeutungstragenden, aussagefähigen Teile zu geben. Ein phatyot besteht aus folgenden Teilen: der Spitze, der Form des Bespann-Rahmens, der Musterung auf dem Bespannboden, dem khophat ("Fächerhals") oder der Halterung sowie dem Stiel. Die Spitze ist immer aus Elfenbein. Der Patriarch bekommt eine Spitze mit dem Abbild eines drei-, fünf- oder sieben-stufigen Schirms oder einer Gro-ßen Krone. Alle somdet phrarajakhana und phrara-jakhana bis zur Rangstufe Herrscher des Ordens der Einfachen Klasse haben ein Abbild von überei-nander liegenden Lotusblumen auf der Spitze ihres phatyot. Alle anderen Mönche haben einfach einen Knopf. Der Bespann-Rahmen hat verschiedene Formen. Die Fächer mit dem Bespann-Rahmen in Form eines nanang, des Mädchengesichts, be-kommen einfache Mönche, d.h. als phatrong, und Mönche mit parien-Kenntnissen und phrakhru von der Klasse thananukrom abwärts; phrakhru thana-nukrom selbst und phrakhru sanyabat stehen Fä-cher mit Bespann-Rahmen in Form einer sternför-migen phuttan-Blume, mit gezacktem Rand in Form von Lotusblättern zu; phrakhru mit höheren Verwal-tungsbefugnissen, z.B. als Provinzordensverwalter oder als Abt eines königlichen Tempels erster Klas-se werden einen phatyot mit Bespann-Rahmen in Form eines flammenförmigen Blattes mit gezack-tem Rand verliehen bekommen. Herrscher des Ordens aller Klassen, Herrscher des Kleinen Or-dens und des Großen Ordens und der Patriarch bekommen einen blattförmigen phatyot mit fünf- bis neunfach gezacktem Rand. In der Mitte auf dem Bespannboden eines phatyot befindet sich die Hauptmusterung: Für den Patriarchen ist eine Sti-ckerei oder eine Applikation eines Abbildes zur Ehre des Königs, z.B. einer Großen Krone, eines königlichen, neunstufigen Schirms oder eines per-sönlichen Wappens des jeweils regierenden Kö-nigs, vorgeschrieben. Alle übrigen Würdenträger haben auf dem Bespannboden ihres phatyot ein Abbild von baithet, eine künstlerische Darstellung eines Baumblattes. Zur Verbindung des Bespann-Rahmens mit dem Stiel dient der khophat, der Hal-terung. Der khophat des phatyot für den Patriar-chen und Würdenträger bis zu der Rangstufe phra-rajakhana der Deva-Klasse ist dekoriert mit einem thepphanom (eine Halbfigur eines betenden En-gels) und für die übrigen Würdenträger mit einer Anordnung von Lotusblüten. Der Fächerstiel ist nur für den Patriarchen aus einem Stück massivem Elfenbein, sonst ist er aus mehreren Teilen zu-sammengesetzt.

Das war ein kurzer Einblick in die Welt des phatyot der thailändischen Würdenträger, genau gesagt, aller Würdenträger, die in den thailändischen bud-dhistischen Orden organisiert sind. Aber in Thailand

leben seit jeher auch Chinesen und seit Anfang der Rattanakosin-(Bangkok-) Periode (1782 war die Gründung Bangkoks als vierte Hauptstadt Thai-lands) auch Vietnamesen. Sie sind vorwiegend Buddhisten und haben für ihre Gemeinden Tempel und Mönche eigener Prägung. Erst unter König Chulalongkorn wurden sie im Rahmen der politi-schen Zentralisierung in den großen Buddhisti-schen Orden Thailands aufgenommen. Somit ver-fügen seitdem auch sie für ihre offiziell anerkannten Machtbefugnisse über eigene Verwaltungsorgane und damit ihren samanasak und die Attribute, da-runter auch einen phatyot. Auch bei den chinesi-schen und vietnamesischen Mönchen in Thailand gilt weiterhin dasselbe Prinzip, nämlich: Ein phatyot gibt über Amt, Titel, Rangstufe und Aufgaben des jeweiligen Würdenträgers Auskunft. So bekommt der chaokhanayai chinnikaya (Oberster des Großen Ordens Chinesischer Sektion) mit dem Titel phra-mahakhanajanchin dharmasamathiwat (Der große Meister aller chinesischen Ordensmitglieder, für den die Dharma-Lehre und die Meditation zum natürlichen Bestandteil seines Lebens geworden ist) einen gezackten, blattförmigen phatyot, ganz aus Elfenbein, mit Applikationen aus Gold am Rand. Der chaokhanayai annamnikaya (Oberster des Großen Ordens Annamesischer Sektion) mit dem Titel phrakhananam dharmasamathiwat (Der Meister aller annamesischen Ordensmitglieder, für den die Dharma-Lehre und die Meditation zum natürlichen Bestandteil seines Lebens geworden ist) auch einen gezackten, blattförmigen phatyot, aber mit einem Bespann aus Gold- und Seidenfä-den, bestickt mit Golddraht-Fäden; der Stiel ist aus Elfenbein. Außer dem phatyot, der zusätzlich zu einem samanasak verliehen wird, gibt es noch eine besondere Art von phatyot, einen phatyotphiset (Sonder-phatyot). Dieser wird aus dem ganz per-sönlichen Belieben des Königs einem Mönch ge-schenkt, selbst wenn der Mönch kein Amt und kei-nen Titel innehat, aber dem König irgendwie näher steht. Die Schenkung eines Sonder- phatyot beruht, wie erwähnt, allein auf der persönlichen Entschei-dung des Königs. Diese Art von phatyot ist beson-ders hübsch, künstlerisch hochwertig und an keine Form und Regel der bisher geschilderten phatyot gebunden. Der phatyot phiset darf nur an bestimm-ten Tagen bei bestimmten Anlässen, für die er vor-gesehen ist, und in Anwesenheit des Königs oder dessen Vertreters benutzt werden. phatparien sind Fächer, die den Mönchen mit geprüften Kenntnis-sen in kanonischen Texten und der Pali-Sprache verliehen werden. Es gibt neun Stufen von Prüfun-gen; die erfolgreichen Kandidaten bekommen für ihr Fachwissen ein Zeugnis und einen phatparien. Die Grundform des Bespann-Rahmens ist eine des Mädchengesichts, des nanang; die Fächer selbst haben die gleiche Ausführung, aber drei Farben. Für das geprüfte Fachwissen der höchsten Stufe 9 gilt die Farbe buddhistisches Gold, für die Stufen 8, 7 und 6 die Farbe Gelb und für die Stufen 5, 4 und 3 die Farbe Rot. Die Stufen 1 und 2 sind die Vor

Page 8: Fächer im buddhistischen Thailand · 2/2011 THAILAND-RUNDSCHAU 45 Fächer im buddhistischen Thailand Tosporn Kasikam Mit dieser vorliegenden Arbeit wird beabsichtigt, dem Leser einen

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Mönchsfächer, Ayutthaya Foto Jürgen Koppelin

aussetzung für die Zulassung zu anderen Prüfun-gen und werden nicht besonders gekennzeichnet. Um die gleichfarbigen Fächer zu unterscheiden, ist in der Mitte des Fächerblatts die Ziffer der betref-fenden Stufe eingestickt. Ist der erfolgreiche Kandi-dat ein Angehöriger der königlichen Familie, so ist die Ausführung seines phatparien etwas abwei-chend.

Wie gelegentlich erwähnt, dürfen die phatyot nur in königlichen und staatlichen Zeremonien benutzt werden, und zwar bei bestimmten Abläufen. König-liche Zeremonien sind Zeremonien, in denen der König, die Königin oder dessen bzw. deren Vertre-ter den Vorsitz hat. Auch werden phatyot in den Zeremonien benutzt, in denen der Kronprinz oder die Kronprinzessin anwesend ist. Königliche Zere-monien sind auch bestimmte religiöse Veranstal-

tungen, deren Durchführung eine ausdrückliche Zustimmung des Königs oder der Königin benötigt, z.B., Zeremonien zur Schenkung der Mönchsge-wänder in einem königlichen Tempel, oder zur Ver-leihung der phatyot und der Urkunde zum samana-sak oder der phatparien. Staatliche Zeremonien sind z.B. solche, die auf Anlass der Feier zum Ge-burtstag des Königs oder der Königin, unbeachtet wo sie stattfinden und wer den Vorsitz hat, oder auf Anlass der Neueröffnung eines Regierungsgebäu-des veranstaltet werden. In allen anderen Fällen benutzen auch die hohen geistlichen Würdenträger normale Mönchfächer, die phatrong. Tatsächlich ist der Gebrauch von phatyot sehr eingeschränkt und kommt nur sehr selten vor, denn ein phatyot ist einerseits angesichts seiner aufwendigen Ausfüh-rung sehr schwer, was den oft alten Würdenträgern die Handhabung erschwert, und andererseits sehr spitz, wodurch er auch zur Waffe werden kann. So ist es nicht erlaubt, dass der zuständige Würden-träger einen phatyot auf den hohen Predigtstuhl mitnimmt, wenn er vor dem König eine Predigt hält; er muss einen normalen phatrong benutzen. Man will mit dieser Regelung einen Unfall, durch den der neben dem Predigtstuhl sitzende König verletzt werden kann, und eventuell sogar ein Attentat ver-meiden.

Zusammenfassend lässt sich unter diesem Ge-sichtspunkt sagen, dass unter den Mönchsfächern der phatrong den größten Gebrauchswert hat, wäh-rend der phatyot, auch der phatyotphiset und der phatparien von großem künstlerischem und kunst-handwerklichem Wert sind. Der hier vorliegende Beitrag musste notwendigerweise auf das Wesent-liche beschränkt bleiben; in Wahrheit ist das Gebiet mit seinen Einzelheiten noch umfangreicher. Ob-wohl diese alten Dinge auch in Thailand langsam aus dem Bewusstsein der Menschen schwinden, leben sie doch noch voll, wo sie hingehören. Der Buddhismus in Thailand ist voller Kraft und Leben, und hier gelten die alten Regeln und Bräuche nach wie vor, selbst wenn sie nicht immer richtig oder gar nicht mehr verstanden werden. Es ist zu hoffen, dass es noch Leute gibt, die sich für dieses Kapitel der Kulturgeschichte Thailands interessieren und sich auch damit in irgendeiner Form befassen, so dass das alte Erbe nicht untergeht. Dieser Aufsatz soll ein Beitrag zur Erweiterung des Wissensstan-des sein. Der Verfasser hofft auch, mit dieser Arbeit ein wenig Interesse am Thema erwecken und zum Verständnis der Kultur beitragen zu können.

Tosporn Kasikam ist öffentlich bestellter und vereidigter Urkundenübersetzer und Verhandlungsdolmetscher der thailändischen Sprache (seit 1983) für Chiang Mai, Thailand, ferner ehemaliger Lehrbeauftragter für Thai an den Universitäten Hei-delberg und Frankfurt sowie ehemaliger Universitätsdozent an der Deutschen Abteilung der Humanistischen Fakultät, und später an der Politikwissenschaftli-chen Fakultät, beide an der Chiang Mai-Universität. www.thai-deutsch.eu