Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur · 2020. 1. 23. · 2 O-Ton 1 Jean-Claude Bernadet...

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1 Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur Freistil Edifício Copan Leben im größten Wohnhaus der Welt Von Tom Noga Produktion: Dlf 2016 Redaktion: Klaus Pilger Sendung: Sonntag, 26.01.2020, 20:05-21:00 Uhr Regie: Fabian von Freier Es sprachen: Wolfgang Rüter, Maya Bothe, Camilla Renschke, Justine Hauer, Volker Risch, Frank Meyer und Jonas Baeck Übersetzungen: Tays Serra-Noga Ton und Technik: Ernst Hartmann und Angelika Brochhaus Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar -

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Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur

Freistil

Edifício Copan

Leben im größten Wohnhaus der Welt

Von Tom Noga

Produktion: Dlf 2016

Redaktion: Klaus Pilger

Sendung: Sonntag, 26.01.2020, 20:05-21:00 Uhr

Regie: Fabian von Freier

Es sprachen: Wolfgang Rüter, Maya Bothe, Camilla Renschke, Justine Hauer,

Volker Risch, Frank Meyer und Jonas Baeck

Übersetzungen: Tays Serra-Noga

Ton und Technik: Ernst Hartmann und Angelika Brochhaus

Urheberrechtlicher Hinweis

Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt

und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein

privaten Zwecken genutzt werden.

Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige

Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz

geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

©

- unkorrigiertes Exemplar -

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O-Ton 1 Jean-Claude Bernadet (0:08min)

“O Copan como símbolo…. do concreto armado.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Das Copan spiegelt die Geschichte Brasiliens. Und es ist ein

Symbol für die Stahlbetonarchitektur.”

Regie Dono Affonso in der Sicherheitszentrale, weiter.

O-Ton 2 María Delgado (0:03min)

“Tem uma gestão … uma gestão um pouco dictatorial, sim.”

Sprecherin 4 Voice Over María Delgado

“Für mich… also für mich hat das hier etwa Diktatorisches, echt.”

O-Ton 3 Renato de Souza (0:13min)

“É uma comparação muita duvidosa… é outra historia.”

Sprecher 5 Voice Over Renato

“Nee, so kann man das nicht sagen. Wer hat denn schon mal in einer

Diktatur gelebt? Wer so was sagt, hat keine Ahnung, eine Diktatur ist

was ganz anderes.”

O-Ton 4 Jean-Claude Bernadet (0:17min)

“Conversei sobre isso… ….do concreto armado.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Ich habe mal mit einer Architektin aus dem Stab von Jean Nouvel

gesprochen. Sie hat mir erklärt, wie sehr das Werk Óscar

Niemeyers, insbesondere das Copan, aus der Architektur des

Stahlbetons herausragt.”

Ansage Edifício Copan - Leben im größten Wohnhaus der Welt

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Ein Feature von Tom Noga

O-Ton 5 Jean-Claude Bernadet (0:15min)

“È que São Paulo é uma cidade… ….o Pão de Açúcar.

Sprecher3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“São Paulo ist immer eine Stadt ohne Wahrzeichen gewesen, anders

als Brasília und vor allem Rio de Janeiro mit der Christusstatue und

dem Zuckerhut.

O-Ton 6 Jean-Claude Bernadet (0:23min)

“São Paulo não tem algo… Não tem que dar endereço, nada.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“São Paulo hat nichts, was so weit herausragt, außer dem Copan.

Wenn es nicht schon das Wahrzeichen dieser Stadt ist, wird es das

bald sein. Jeder kennt es. Wenn ich ein Taxi nehme, muss ich dem

Fahrer nur sagen: zum Edifício Copan. Keine Adresse, nichts.”

Regie Musik 1 “Little Big Bee” von Searchin’ @ Jazz Remix; CD

Brazilectro session 2”, Track 8, SPV 999-71430, LC 10936).

O-Ton 7 Carlos Lemos (0:19min)

“Hoje em dia não se faria mas um Copan… … 5 blocos encostados

formando um S:”

Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Heute würde niemand mehr auf die Idee kommen, so etwas wie das

Copan zu bauen Es ist ökonomischer vier oder fünf separate

Gebäude zu errichten. Das Copan dagegen besteht aus fünf

Blöcken, die zusammen ein S bilden.

Erzählerin Carlos Lemos. Er hat das Copan erbaut - nach Plänen von Brasiliens

Star-Architekt Óscar Niemeyer. 32 Etagen sahen die Pläne vor, mit

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1.160 Apartments in sechs separaten Blöcken, mit 72 Geschäften,

einem Theater, Kino und Hotel sowie zwei Parks, der eine vor dem

Haupteingang, der andere auf einer Freifläche im 1. Stock. 5.000

Menschen leben heute im Copan - damit ist es das größte

Wohnhaus der Welt.

Carlos Lemos ist Jahrgang 1925. Er empfängt auf dem Balkon seiner

Wohnung über den Dächern São Paulos - mit Blick aufs Copan.

O-Ton 8 Carlos Lemos (0:34min)

“Ficou uma construção muita bonita… … surgiram exatamente essa

forma.”

Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Eine sehr schöne Konstruktion. Die Wellenform ist einzigartig - eine

Augenweide. Ihr Entstehen verdankt sie einem Zufall. Als das Copan

geplant wurde, hat die Baugesellschaft vier Grundstücke im Zentrum

von São Paulo gekauft. Zwei von der katholischen Kirche, das dritte

von einem steinreichen Mann und das vierte von einer

Autowerkstatt. Die Lage der Grundstücke gab die Form eines S vor.”

O-Ton 9 Maren Harnack (0:16min)

“Das Copan ist ein Gebäude, das sehr eng mit der Stadt verbunden

ist. Wo es in der Erdgeschoss-Ebene, in der sich auch Läden und

Cafés befinden, eine Verknüpfung gibt von der Öffentlichkeit, die von

draußen kommt, zu den Leuten im Haus.”

Erzählerin Maren Harnack, Architektin, Stadtplanerin und Professorin für

Städtebau an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Sie hat zum

Thema architektonische Großprojekte geforscht und publiziert. Vom

Copan ist sie begeistert, spätestens seit sie es vor ein paar Jahren

besucht hat.

O-Ton 10 Maren Harnack (0:30min)

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“Es gibt bestimmt Läden, die eher von den Leuten im Haus

frequentiert werden, Wäschereien zum Beispiel Aber es gibt auch

die Bar, in der es angeblich den besten Kaffee von São Paulo gibt;

die wird auch von anderen Leuten frequentiert: das Café Floresta.

Ich habe da auch mehrmals Kaffee getrunken. Angeblich gibt’s da

den besten Kaffee, weil die den Kaffee re-importiert oder zumindest

den Kaffee gekauft haben, der normalerweise exportiert worden

wäre. Weil, die Brasilianer haben immer den guten Kaffee exportiert,

und den schlechten habe sie immer für ihre eigenen Leute

genommen.”

Regie Atmo 16 (Floresta 1). Darüber O-Ton 11: José, der Inhaber,

kassiert. Der Kunde sagt, was er hatte, José zählt zusammen

O-Ton 11 José Augusto dos Santos (unübersetzt 0:13min)

“Fala, doctor - 8 - 14- 22.”

O-Ton 12 Edyr Sabino (unübersetzt, 0:07min)

“Deliro, um cafezinho, por favor.”

Regie Klingeln eines Handys über Atmo 16. Edyrs Vorstellung über die

Pause in OT 13 (wenn die andere Person am Telefon redet).

O-Ton 13 Edyr Sabino (unübersetzt, 1:03min)

“Camí? Tem que esperar todo…… Vocé o expido jà.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Hallo Camí…. Das muss warten, bis ich wieder im Büro bin.”

Erzählerin Edyr Sabino, ein schlaksiger Mann mit zottligen Haaren, grauem Bart

und Nickelbrille. Er trägt Freizeitkleidung, Jeanshemd und Khaki-

Hosen. Edyr Sabino ist Internet-Unternehmer: Seine Firma handelt

mit medizinischen Geräten. Er wohnt in Block D des Copan, im

obersten Stockwerk, dem 32.

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Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabio

“Noch ein bisschen Geduld, bitte, ich schicks dir gleich.”

O-Ton 14 Edyr Sabino (0:18min)

“Eu trabalho no outro lado da rua… … cafezinho preto.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Ich arbeite drüben auf der anderen Straßenseite. Ein paar Mal am

Tag komme ich auf einen Kaffee ins Floresta. Auf einen cafezinho,

typisch brasilianisch. Der Kaffee hier ist sehr gut, Exportqualität. Ich

trinke ihn ohne Milch.”

Regie Evtl. Atmo 17 (cafezinho) über Atmo 16. Wir hören, wie eine

Tasse auf die Theke gestellt wird. Diesen Sound haben wir auch

in OT 15, aber schwächer

O-Ton 15 Edyr Sabino (0:14min)

“Obrigado. Mais o quero… … Obrigado”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Danke. Kann ich noch weißen Zucker haben? Danke.”

O-Ton 16 Edyr Sabino (0:14min)

“Os Brasileiros tomam com muito açúcar.. Mais eu so um

pouquinho.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Die Brasilianer nehmen viel Zucker, ich nur ein bisschen.”

Regie Dono Affonso in der Sicherheitszentrale. Dann Musik 1.

O-Ton 17 Carlos Lemos (0:31min)

“Desde o primeiro dia… … já trabalhava com Óscar.”

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Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Ich war vom ersten Tag beteiligt an der Planung des Copan. Óscar

Niemeyer hatte ein Büro in São Paulo, er war mein Boss. Ich war

damals 27, 28 und hatte schon als Student drei Gebäude für eine

Bank entworfen. Er brauchte jemanden, der sein Büro in São Paulo

leitet. So kam es, dass ich dabei war, als das Copan geplant und

entworfen wurde.”

O-Ton 18 Maren Harnack (0:30min)

“Ósacar Niemeyer ist eine schillernde Persönlichkeit, einer der ganz

großen Helden, die immer noch Leute inspirieren. Er ist sicher auch

einer der ganz großen Egomanen, die häufig ihre gestalterischen

Vorstellungen der tatsächlichen Benutzbarkeit übergeordnet haben.

Obwohl er das nie so gesagt hat, er hat immer gesagt, das ist alles

ganz rationell hergeleitet, was er da tut. Aber ich glaube, heute ist

man sich weitgehend einig, dass er einen ganz starken ästhetischen

Gestaltungsanspruch damit verbunden hat.”

O-Ton 19 Edyr Sabino (0:38min)

“Lembro uma vez… … cresceu bastante.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Ich erinnere mich noch, wie wir Kindern mit meinen Eltern nach São

Paulo gefahren sind. Ich war damals 6, 7 Jahre alt und das Copan

noch im Bau. Wir sind hier unten vorbei spaziert, mit meinen

Tanten. Wir kamen vom Land und waren total überwältigt. So viele

Menschen, so viele Autos. Es gab sogar Straßenbahnen.

Als ein Bus vorbeifuhr, habe ich die Hand meiner Tante ganz fest

gedrückt: “Was ist das denn?” Verrückt, nicht wahr? Das war eine

ganz andere Welt. Lange bevor São Paulo zum Großraum mit 22

Millionen Einwohnern geworden ist.”

Regie Atmo 16. Edyr bezahlt. Nur er ist übersetzt

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O-Ton 20 Edyr Sabino (0:03min)

“Quanto, Deliro?”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Was macht das?

O-Ton 21 Joisé (0:01min)

“Cuatro.

O-Ton 22 Edyr Sabino (0:02min)

“Quanto?”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Wie bitte?”

O-Ton 23 Joisé (unübersetzt, 0:14min)

“Quatro reais.

12, 14, 15 e 5, 20. Obrigado.”

O-Ton 24 Edyr Sabino (0:14min)

“Obrigado.

Até.

Tudo bom?

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Danke.

Bis dann

Sollen wir”

Regie Edyr hat sich uns zugewandt. Wir verlassen das Floresta, gehen

durch die Galerie und fahren im Aufzug zu seiner Wohnung.

Atmo 18 (Galeria) soll kurz frei stehen. Evtl. Schritte aus Archiv

darüber. Dann Atmo 19 (Elevador).

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O-Ton 22 zwischen Ansage “térreo” und “32 andar” bei 0:46.

Die Fahrt des Aufzugs dazwischen bitte verlängern.

O-Ton 25 Edyr Sabino (0:56min)

“Meu pai e meus tios… … com 440 metros quadrados.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Anfang der 70er haben mein Vater und seine Brüder sich gedacht:

Die Kinder werden später in São Paulo studieren, lasst uns dort ein

paar Wohnungen kaufen. Ich komme aus einem kleinen Dorf, über

1.000 Kilometer entfernt, und São Paulo ist von dort die nächste

große Stadt. Sie haben in Block B gekauft, dort sind die Wohnungen

sehr klein, eher Studios mit weniger als 30 Quadratmetern,

insgesamt 20 pro Etage. Als ich geheiratet habe, wurde uns das zu

klein, deshalb haben wir eine größere Wohnung in Block F gekauft -

wir haben sie immer noch, aber vermietet. Und als auch das zu klein

wurde, sind wir in den obersten Stock von Block D gezogen. Dort

sind die Wohnungen sehr groß, pro Etage gibt es zwei. Wir haben

beiden im 32. Stock gekauft, die Wände herausgerissen und sie

zusammengelegt. Jetzt haben wir die größte Wohnung im Copan,

mit 440 Quadratmetern.”

Regie Atmo 20 (chegada). Bei 0:20 Aufschließen der Tür. Atmo aus der

Wohnung ist nicht vorhanden. Muss über Raum gelöst werden.

Wir gehen an Fenster, ein Vorgang wird geöffnet - dies bitte aus

Archiv.

O-Ton 26 Edyr Sabino (0:43min)

“Eu gosto muito morar aqui… … uma cidade de concreto, de

pedras.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Mir gefällt es hier sehr. Das Copan ist eine Ikone. Wenn ich Leuten

erzähle, wo ich lebe, heißt es immer: “Wow, im Copan!” Alles ist um

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die Ecke. Da unten meine Bank, gegenüber ein Supermarkt, zwei

Häuser weiter mein Büro. Direkt vor dem Eingang eine

Bushaltestelle und einen Block entfernt die U-Bahn. Alles fußläufig,

wie ein kleines Dorf im Zentrum dieser chaotischen Stadt. Und dann

diese Aussicht. Von hier oben liegt mir die ganze Stadt zu Füßen.

Heute ist es leider bewölkt, aber bei klarem Himmel sind die

Sonnenuntergänge atemberaubend - wow! Aber klar, man sieht nur

Beton.”

Regie Szene mit Dono Affonso in der Sicherheitszentrale. Er klickt

sich durch Überwachungskameras.

O-Ton 27 Maren Harnack (0:22min)

“Es gab in den 20, 30er, auch noch 50er Jahren viele Architekten,

die sich mit der Frage von Automatisierung im Wohnen beschäftigt

haben. Nicht nur in der Reproduktion von Wohnräumen, sondern

auch im Betrieb. Das kommt aus einer ganz allgemeinen, sehr

positiven Sicht auf Maschinen und Zukunft, wo man sich vorgestellt

hat, das nimmt einem sehr viel Arbeit und viel Mühe ab.

O-Ton 28 Carlos Lemos (0:53min)

“O edifício Copan originalmente… … vamos dizer assim: a metade .”

Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Ursprünglich sollte das Copan eine Touristenattraktion werden, zum

400. Jahrestag der Gründung São Paulos im Jahr 1954. Gebaut von

der Companhia Pan-Americana de Hoteis e Turismo abgekürzt:

Copan. Damals herrschte Aufbruchstimmung in Brasilien. Geplant

war ein architektonischer Komplex, mit einem Theater, einem Kino,

mit Restaurants, Galerien, Wohnungen und einem Hotel. Aber

wegen politischer und ökonomisch Probleme ist das Copan erst

1966 eingeweiht worden, zwei Jahre, nachdem das Militär die Macht

in Brasilien übernommen hatte. Und von unseren Plänen konnten wir

vielleicht die Hälfte umsetzen.”

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Musik 1

O-Ton 29 Carlos Lemos (0:44min)

“Até que chegou ano … até ele morreu.”

Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Im Jahr 1956 oder 1957, ich erinnere mich nicht mehr genau,

bekam Óscar den Auftrag, Brasília zu bauen, die neue Hauptstadt.

Er durfte keine anderen Projekte mehr verfolgen, weil er einen

Exklusivvertrag unterschrieben hatte. Ich habe das Copan von ihm

übernommen und fertig gestellt. Alle Änderungen sind von mir. Und

Óscar und ich sind Freunde geblieben, bis zu seinem Tod vor ein

paar Jahren.”

O-Ton 30 Maren Harnack (0:27min)

“Es ist genau die Vorstellung: Ich habe ein großes Gebäude, das wie

eine Stadt ist. Da gibt es Wohnungen, durchaus verschiedener

Größe. Da gibt’s auf dem Dach Freiflächen für die Bewohner und

einen Kindergarten. Da gibt es Läden, also alles,. was man zum

Leben braucht. Das kommt aus der Vorstellung, dass man es

organisieren kann wie eine Fabrik. Wohnen, das ist auch ein

bisschen fordistisch gesehen, dient der Reproduktion der Kräfte, und

da braucht man außer der Wohnung noch diverse andere Sachen.”

Regie Kurz Dono Affonso in der Sicherheitszentrale. Dann

Szenenwechsel in Edyr Sabinos Wohnung. Evtl. Türklingel aus

dem Archiv.

O-Ton 31 Edyr Sabino (0:18min)

“Aaaah, chegar as crianças… … dar pra se ver.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Ah, da sind ja die Kinder. Meine Frau Naira. Daniel: Er ist verrückt

nach Fußball und spielt immer hier in der Wohnung. Das ist Elena,

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eine echte Abenteurerin. Sie liebt Radfahren. Komm zeigt uns das

mal hier oben.”

Regie Atmo 21 (jogar). Ist mono. Darin O-Ton-Fetzen von Edyr

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino (0:04-0:06 in Atmo 21)

“Setz dich mal auf dieses Dreirad.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino (0:07-0:10 in Atmo 21)

“Hinter mich. Und jetzt warte einen Moment.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino (0:20-0:22 in Atmo 21)

“Kann mal jemand diesen Lärm ausmachen?”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino (0:33-0:37 in Atmo 21)

“Wenn’s woanders nicht geht, müssen die Kinder halt hier oben

spielen.”

Regie Szenenwechsel zu Dono Affonso in der Sicherheitszentrale. Er

wendet sich einer Frau zu, die schüchtern den Raum betreten

hat. Sie soll im Dialog ängstlich und unterwürfig rüber kommen,

er gönnerhaft.

O-Ton 32 Dono Affonso & Lininha (0:23min)

Fala Lininha… … Obrigada, Dono Affonso”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Sprich Lininha, was gibt es?”

Sprecherin 8 Voice Over Lininha

“Ich habe eine Frage, Dono Affonso

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

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“Was hast Du denn auf dem Herzen?

Sprecherin 8 Voice Over Lininha

“Es gibt eine Sache, die ich nicht verstehe, Dono Affonso.

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Was denn, meine Liebe.”

Sprecherin 8 Voice Over Lininha

“Eine Mitbewohnerin fragt, warum unser Hausgeld um 10.000 Reais

erhöht worden ist.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Da ist für das Weihnachtsgeld meiner Leute.”

Sprecherin 8 Voice Over Lininha

“Wird das dann im nächsten Monat in der Abrechnung aufgeführt?

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Aber natürlich.”

Sprecherin 8 Voice Over Lininha

“Ich verstehe.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Sonst noch etwas?”

Sprecherin 8 Voice Over Lininha

“Nein, vielen Dank, Dono Affonso.”

Regie Szenenwechsel: Atmo 22 (Floresta2)

O-Ton 33 José Augusto dos Santos (unübersetzt 0:15min)

“Fala, querido.

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Todo bom?

Obrigado.”

O-Ton 34 Cristina Peralta (0:24min)

“En el Copan vivimos hace 4 años… … El tráfico era un problema,

no.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Wir leben seit 4 Jahren im Copan. Ins Zentrum sind wir wegen der

guten Verkehrsanbindung gezogen. Vorher hatten wir in einem

anderen Viertel gelebt, sehr schön und ruhig, mit einem Park vor der

Tür. Aber wir wollten ein Kind, und damit wurden die Dauerstaus in

São Paulo zum Problem.”

O-Ton 35 Gustavo Spandau (0:27min)

“Pasa que, bueno…… Aquí quedamos.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Im Grunde war’s Zufall. Wir haben im Zentrum gesucht, aber eher

am Rande, in einem Viertel wie Higienópolis. Mal war die Wohnung

zu teuer, mal stimmte etwas mit den Papieren nicht oder es hat

sonst wie nicht gepasst. Bis wir eine Wohnung im Copan besichtigt

haben. Und jetzt sind wir hier.”

Erzählerin Cristina Peralta und Gustavo Spandau leben in Block A des Copan.

Sie ist Spanierin, aus einem kleinen Dorf in Katalonien, er Argentinier

aus Buenos Aires. Beide sind Juristen, arbeiten aber als Übersetzer

und Spanisch-Lehrer. Sie haben sich im Floresta auf einen Kaffee

getroffen. Ihr Sohn Julio fährt im Eingang des Copan Bobby-Car.

O-Ton 36 Cristina Peralta (0:40min)

“¿Cómo es con un hijo en le Copan… … entonces lo vendimos y sí.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta & Gustavo Spandau

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“Mit Kind im Copan? Das ist…”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“… super einfach…”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta & Gustavo Spandau

“Echt! Du kannst alles zu Fuß erdledigen, ohne Auto. Alles ist um die

Ecke, zur Kinderkrippe sind’s keine zehn Minuten, zur U-Bahn fünf,

Ärzte sind um die Ecke.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Bis ins Jahr 2012 hatten wir ein Auto. Aber wir haben es

abgeschafft.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta & Gustavo Spandau

“Lohnt sich nicht, wir haben es zwei, dreimal im Monat benutzt.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Oder mal am Wochenende. Das hat sich nicht rentiert, also haben

wir’s verkauft.”

O-Ton 37 José Augusto dos Santos (unübersetzt 0:15min)

“Fala, menino.

Todo bom?

Obrigado.”

O-Ton 38 Cristina Peralta (1:20min)

“Estoy pensando en crear una plaza… … tomar el aire.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta & Gustavo Spandau

“Aber was fehlt, sind Spielplätze. Im 1.Stock auf den Freiflächen ist

Platz genug. Man könnte Bäume pflanzen und Geräte aufstellen.

Und Bänke für Eltern, damit sie den Kindern beim Spielen zusehen

können. Aber dort darf niemand hin. Vor Kurzem haben wir in der

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Gasse neben dem Haupteingang mit ein paar Kindern Fußball

gespielt. Ein Pförtner kam raus und sagte uns, das sei verboten. Wo

gibt’s denn so was, dass Ballspielen auf der Straße verboten ist.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Wenn die Hausordnung es nun mal nicht erlaubt…”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta & Gustavo Spandau

“Von Hausordnung hat der Typ nichts gesagt, nur dass es verboten

ist.

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Steht wahrscheinlich in der Hausordnung,.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta & Gustavo Spandau

“Ich glaube, die sind es nicht gewohnt, dass hier wieder Kinder

leben. Die Altersstruktur im Haus ändert sich gerade. Ihnen gefällt

nicht, dass wir Eltern unseren Kindern viel Freiheit lassen, sie fänden

es besser, wenn die Kinder nur in einem abgegrenzten Raum

spielen würden. Dabei ist diese Gasse doch einer der Vorteile am

Copan. Die Kinder können dort rennen, Fußball spielen, Radfahren

oder Rollschuhlaufen.

Regie Szene mit Dom Affonso in der Sicherheitszentrale. Er erhebt er

sich schwerfällig und schlurft durch den Raum, holt einen

Fotoband aus dem Regal und blättert auf - muss im Studio

gemacht werden.

O-Ton 39 Dono Affonso (0:19min)

“Esse é Óscar Niemeyer… … o movimento de aquele projeto pra

ver.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Das ist Óscar Niemeyer mit zwei Direktoren der Baufirma. Und das

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bin ich, zu Besuch in seinem Studio in Rio de Janeiro. Ich zeige ihm

den Fortgang des Projektes.

Erzählerin Affonso Celso Prazeres de Oliveira, Jahrgang 1938: massige Figur,

förmlich gekleidet in Stoffhose und knitterfreiem Hemd. Er ist der

síndico des Copan, der Verwalter. Seit der Eröffnung des Gebäudes

im Jahr 1966 bewohnt er ein Apartment von 80 Quadratmetern in

Block A. Während der Militärregierung hat Dono Affonso, wie ihn alle

nennen, für die Bundesregierung gearbeitet, nach Brasiliens

Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1985 für den Staat São Paulo, Er

ist studierter Betriebswirt und hat nach eigener Aussage eine

militärische Ausbildung mit Schwerpunkt Bekämpfung von

Terrorismus.

O-Ton 40 Dono Affonso (0:23min)

“Esse é o sucesor Óscar Niemeyer… … o movimento de aquele

projeto pra ver.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Das ist Óscars Nachfolger, Carlos Lemos, ziemlich jung, gerade

erst das Studium beendet. Er hat das Copan gebaut. Und das sind

Fotos aus dem Jahr 1955. São Paulo war damals eine Boomstadt:

Man sieht überall am Horizont neue Hochhäuser aufragen.”

Regie Szenenwechsel

O-Ton 41 Carlos Lemos (0:54min)

“Eu tirei o teatro… … parece uma gaiola de passarinhos.”

Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Ich habe den Bau des Theaters gestrichen, auch den des Hotels

direkt daneben. Nicht weil ich es wollte sondern weil die Banken

mich dazu gezwungen haben. Die Räumlichkeiten, die fürs Theater

vorgesehen waren, wurden für eine Ladenzeile genutzt. Auch die

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Gärten, die wir für den ersten Stock entworfen hatten, wurden nie

gebaut. Stattdessen sind dort Büros. Hinauf führt eine steile

Außentreppe, geplant war aber eine umlaufende Rampe mit

fliegenden Treppen. Alles sollte offen sein. Aber die Rampe war

unmöglich innerhalb des Budgets zu bauen. Deshalb wurde sie

durch die Treppe ersetzt. Anfangs sah sie schön aus, aber heute ist

sie komplett vergittert. Sie sieht aus wie ein Vogelnest.”

Regie Musik 3 (Skyscraper” von Deodato; CD “Deodato 2”, Track 5,

Sony 88697569652, LC 00162)

O-Ton 42 Carlos Lemos (1:00min)

“Foram outras alterações … …é uma só: classe mediamente.”

Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Manchen Änderungswunsch der Banken habe ich verweigert. Sie

wollten zum Beispiel, dass ich die Wohnungen umplane, alle sollten

vier Schlafzimmer haben. Das habe ich nicht gemacht, weil wir mit

dem Copan ursprünglich etwas schaffen wollten, was es in Brasilien

nie gegeben hatte und bis heute nicht gibt: ein Gebäude, in dem

Menschen aus allen sozialen Schichten leben und sich begegnen.

Menschen aus der oberen und unteren Mittelschicht, Studenten,

Einzelpersonen und große Familien. Aber als der Verkauf begann,

ist etwas passiert, was niemand vorausgesehen hatte. Das Gebäude

wurde überall gefeiert, Óscar Niemeyer war durch Brasília berühmt

geworden. Und die Leute fingen an, 4, 5, 6, bis zu 10 der kleinen

Studios zu kaufen.

Mit der Folge, dass die untere Mittelschicht, für die diese Studios

vorgesehen waren, leer ausging. Heute gibt es nur eine Klasse im

Copan: die obere Mittelschicht.”

Regie Atmo 23 (bei Gilda)

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O-Ton 43 Gilda D’Almeida (0:31min)

„É um lugar estratégico… dizer que mora no Copan.”

Sprecherin 11 Voice Over Gilda D’Almeida

“Die Lage ist fantastisch. Hier hat man so viele Möglichkeiten. Das

habe ich von Anfang an gemocht. Dafür bin ich gemacht, nicht fürs

Leben auf dem Land. Ich möchte fühlen, wie das Leben pulsiert, hier

im Zentrum. Zu sagen, dass ich im Copan wohne, macht mich stolz.

Erzählerin Gilda d’Almeida: 78 Jahre alt, roter Pagenkopf, faltenfreies Gesicht.

Sie wohnt im 24.Stock von Block D des Copan. Vor Kurzem hat sie

ihre Wohnung von einer Innenarchitektin neu designen und

einrichten lassen. Möbel, Wände und Böden sind in Weiß und

Creme gehalten, alles ist sauber und flusenfrei. Dona Gilda sitzt am

Esstisch, aufrecht und gebieterisch, während ihre Haushälterin

nebenan für noch mehr Ordnung sorgt.

O-Ton 44 Gilda D’Almeida (0:43min)

„Em 1968 eu e meu marido… … e assim a gente fez a vida aqui.”

Sprecherin 11 Voice Over Gilda D’Almeida

“Im Jahr 1968 haben mein Mann und ich geheiratet, damals war das

noch so, dass man sich kennenlernt und sofort an Heirat denkt. Im

Copan waren ein paar Blöcke bewohnt, in anderen wurde noch

gebaut. Wir haben uns für eine Wohnung in Block A entschieden.

Zwei Jahre später wurde Block D fertig. Wir haben uns diese

Wohnung angesehen und uns sofort in sie verliebt. Und so haben wir

die Wohnung in Block A verkauft und uns hier eingerichtet.”

Regie Atmo 24 (Escritório). Darüber: Klingel eines Telefons. dann

Atmo 25 (Sérgio teléfono1). Das Telefon klingelt, Sérgio meldet

sich: “Condominio Copan…”. Soll dann unter OT46 auslaufen.

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O-Ton 45 Dono Affonso (0:43min)

“Esse aqui es nosso escritório… … é praticamente tudo no Copan

assim.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Das ist die Verwaltung, hier schlägt das Herz des Copan. Wir haben

mehr als 100 Angestellte. Es gibt Kaffee rund um die Uhr Kaffee,

weil hier rund um die Uhr gearbeitet wird. Auf diesen Monitoren

kontrolliere ich alles. Hier: der Hydraulik-Raum. Da: die Generatoren.

Meine Telefonzentrale. Und die Tiefgarage. Ich begleite jeden, der

sich dort unten bewegt, jedes Auto, das rein oder raus fährt. Und hier

die Ladenzeile. Wie alles im Copan überwache ich sie mit etlichen

Kameras.”

Regie Atmo 26 (Embalar 1). Ist relativ kurz; wenn ausläuft, Wechsel zu

Atmo 27 (Embalar 2). Soll kurz frei stehen. Wir hören das

Abreissen des Klebebandes.

O-Ton 46 Renato de Souza (0:29min)

“Mais uma foto que vai... …como era previsto”

Sprecher 5 Voice Over Renato

“Das ist ein Foto, das ich verkaufte habe. Ich verpacke es und

schicke es dem Käufer. Ich habe es aus einem Hubschrauber

gemacht, als ein Vorhang vors Copan gezogen wurde, weil sich so

viele Mosaikfliesen gelöst hatten, gleich in der ersten Woche. Ich

wollte den Moment einfangen, bevor der Vorhang verwittert.”

Erzähler Renato de Souza: angegraute Haare, Ziegenbart. Er ist Fotograf,

spezialisiert auf Landschaften und Architektur. Er lebt in Block B des

Copan und betreibt in der Ladenzeile im Erdgeschoss eine Galerie.”

O-Ton 47 Renato de Souza (0:17min)

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“Essa foto foi pensada... … o fase azul do Copan.”

Sprecher 5 Voice Over Renato

“Das Foto ist inszeniert. Ich wollte genau dieses Licht, damit von den

anderen Gebäuden kein Schatten aufs Copan fällt. Das hast du nur

um 2 Uhr nachmittags. Ich nenne es die blaue Phase des Copan.”

Regie Atmo 24 (Escritório). Darüber das Klicken von Monitor zu

Monitor.

O-Ton 48 Dono Affonso (0:20min)

“Esse é a galeria… … sem ser acompanhado não tem ascenção”

. praticamente tudo no Copan assim.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Die Ladenzeile, aufgenommen von einer anderen Kamera. Hier die

sechs Eingänge ins Copan… Ah, der Postbote. Wir kriegen pro Tag

3.000 Sendungen. Und wir haben eine eigene Postleitzahl: CEP

01046-924. Hier der Hintereingang… und die Terrasse ganz oben.

Ohne Begleitung kommt man da nicht rauf.“

Regie Atmo 28 (Sérgio teléfono2) als Trenner über Atmo 23

O-Ton 49 Dono Affonso (0:33min)

“Tem uma sala de segurança…… eu falo saúde.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Außer dieser Sicherheitszentrale hat jeder Pförtner ein Monitor-

System für seinen Block. Wir sehen alles, was im Copan vorgeht, in

den Aufzügen, auf den Fluren. Wie viele Kameras wir haben, sage

ich nicht, aus Sicherheitsgründen. Aber wenn irgendjemand

irgendwo niest, wünsche ich ‘Gesundheit.’”

Regie Atmo 26/27 hoch. Endet dann

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O-Ton 50 Renato de Souza (unübersetzt 0:01min)

“Okay, pronto.

O-Ton 51 Fabia Parreira (0:07min)

“Quando o Copan foi construído…. … uma novidade.”

Sprecherin 12 Voice Over Fabia Parreira

“Als es gebaut wurde, war das Copan das wichtigste Gebäude der

Stadt, etwas ganz Neues.”

Erzählerin Fabia Parreira, Journalistin: lockige, schulterlange Haare, ernster

Gesichtsausdruck. Sie lebt in Block B und ist Renato de Souzas

Lebensgefährtin.”

O-Ton 52 Fabia Parreira (0:31min)

“O Copan ha estado…. … e bandidos.”

Sprecherin 12 Voice Over Fabia Parreira

“Aber schon bald nach der Fertigstellung entstand im Stadtteil

Paulista ein neues Finanzzentrum. Die großen Unternehmen zogen

dort hin, die Innenstadt verkam. Und mit ihr das Copan. Viele

Bewohner zogen aus, gesellschaftliche Außenseiter ein:

Prostituierte, Drogendealer, andere Verbrecher.”

O-Ton 53 Edyr Sabino (0:48min)

“Me lembro uma vez… … dar pra se ver.”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Ich erinnere mich an eine Begebenheit aus meiner Studienzeit in

den 70ern, als ich noch in Block B gewohnt habe. Meine Nachbarin

hatte Telefon. Das war ungewöhnlich, das konnte sich damals kaum

jemand leisten. Allein der Anschluss kostete 2.000 Dollar. Eines

Tages musste ich dringend telefonieren. Ich klopfe bei ihr an. Sie

öffnet die Tür, mehr nackt als bekleidet. Ich bin im Boden versunken.

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Aber klar, sie war eine Prostituierte, sie brauchte Telefon, sie hatte

das Geld dafür. Wenn so etwas heute noch im Copan existiert, dann

viel diskreter. Aber damals geschah es vollkommen offen.”

O-Ton 54 Fabia Parreira (0:27min)

“A gente tinha medo…. … tinha medo de andar nos corredores.”

Sprecherin 12 Voice Over Fabia Parreira

“Die Leute hatten Angst. Wo ich wohne, in Block B, sind die

Korridore sehr lang, und sie beschreiben eine Kurve. Die Freundin

meines Cousins hat damals hier gelebt. Sie hat mir erzählt, dass die

Leute ihren Müll auf den Flur statt in die Mülltonnen gebracht haben.

Oder sie haben ihn einfach aus dem Fenster geworfen. Und wenn

die Freundin meines Cousins ihre Wohnung verlassen musste, ist

sie zu den Aufzügen gerannt, so groß war ihre Angst.”

O-Ton 55 Edyr Sabino (0:28min)

“Antigamente, muito antigamente… … entraram ali os foragidos..”

Sprecher 7 Voice Over Edyr Sabino

“Während der Militärdiktatur, haben sich hier viele politische

Flüchtlinge versteckt, vor allem als Teile des Copan noch im Bau

waren. Aber auch später, als viele Wohnungen leer standen. Es gab

hier ein konspiratives Netzwerk: Die Regimegegner wurden von

einer Wohnung zur anderen geschleust und von einem Stock in den

nächsten. Bis ein bestimmter Bewohner des Copan davon erfuhr und

der Geheimpolizei von dem Netzwerk berichtete.”

O-Ton 56 Gilda D’Almeida (0:32min)

„Nós tivemos uma epoca… que e Dono Affonso.”

Sprecherin 11 Voice Over Gilda D’Almeida

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“Der Niedergang war wirklich schlimm. Das Gebäude ist von innen

verfallen. Sein Ruf war so schlecht, dass ich auf Fragen, wo ich

wohne, nur noch gesagt habe: an der Kreuzung Ipiranga und São

Luiz. Die Rettung haben wir nur Dono Affonso zu verdanken.”

Regie Atmo 24 (Escritório).

O-Ton 57 Dono Affonso (0:34min)

“Veja bem, ninguém trabalha sozinho… … É uma questão da

autoridade.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Niemand arbeitet allein. Ich hatte Verbindungen, sehr gute

Verbindungen. Und mit der Zeit habe ich eine Organisation

aufgebaut, die dem Copan einen anderen Horizont eröffnet hat. Aber

es war nicht leicht, die Prostituierten loszuwerden und die Leute, die

sich von Drogen angezogen fühlen. Letztlich war’s eine Frage der

Autorität.”

Regie Atmo 29 (Sérgio diálogo) als Trenner über Atmo 24

O-Ton 58 Dono Affonso (0:20min)

“Então, todos sabem… … Nós acompanhamos a vida de cada

unidade, separadamente.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Heute kennt jeder im Copan, ob Eigentümer oder Mieter, die

Grenzen seiner Privatsphäre. Wir überwachen alles, auch die Flure

vor den einzelnen Wohnungen.”

Regie Szenenwechsel: Atmo 22 (Floresta2)

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O-Ton 60 Cristina Peralta & Gustavo Spandau (1:02min)

“Las cámaras ?… … a las personas les gusta sentirse seguros.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Die Kameras hier im Copan?”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Die gibt’s doch auch anderswo, egal, wo du hingehst.

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Auch auf der Straße.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Sie gehören zum Leben in einer großen Stadt.

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Mir fallen sie gar nicht auf. Ich lebe mein Leben, egal ob da

Kameras sind oder nicht.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Wir leben im 21.Jahrhundert. wenn sie dich stören, was willst du

machen? Ich mache mir darüber keinen Kopf.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Du hast sie hier wirklich überall: in der U-Bahn, in Banken,

Einkaufszentren. Überall, in jedem größeren Gebäude. Das ist

typisch für São Paulo. In dieser Stadt gibt es sehr viel Gewalt. Die

Kameras vermitteln den Menschen ein Gefühl von Sicherheit.”

Regie Atmo 22 als Trenner hoch

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O-Ton 61 Jean-Claude Bernadet (0:20min)

“Essas câmaras de segurança… …. julgar que é necessário.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Die Sicherheitskameras analysieren doch nicht was vorgeht. Sie

zeichnen nur auf, aber reagieren nicht. Es braucht immer noch einen

Menschen, der sich das ansieht und entscheidet, was notwendig ist.”

Erzählerin Jean-Claude Bernadet. Jahrgang 1936: klein, hager und weißhaarig.

Von Beruf Filmwissenschaftler und Drehbuchautor. Jean-Claude

Bernadet ist Franzose, aber in Brasilien aufgewachsen. Während der

Militärdiktatur von 1964 bis 1985 war er als Linker mit Berufsverbot

belegt. Er wohnt in Block C des Copan.

O-Ton 62 Jean-Claude Bernadet (0:35min)

“As câmeras são baratas… …. com os dados.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Kameras sind billig, billiger jedenfalls als Menschen. Menschen

beziehen ein Gehalt, sie bekommen Weihnachtsgeld, sie nehmen

Urlaub. Von diesen Kosten möchten sich die Eigentümer befreien,

damit das Hausgeld sinkt. Außerdem könnten diese Menschen direkt

auf Geschehnisse reagieren, Kameras eben nicht. Aber die Frage

bleibt: Was passiert mit den Daten?”

Regie Musik 4 (Latin Flute” von Deodato; CD “Deodato 2”, Track 6,

Sony 88697569652, LC 00162)

O-Ton 63 Dono Affonso (0:09min)

“Secreto. Fala que estão eterno… … já tem como identificando.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Das ist geheim. Sagen wir: Die Daten werden für immer

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gespeichert. Und wenn die Polizei mich um irgendeine Information

bittet, kann ich ihr helfen.”

O-Ton 64 Jean-Claude Bernadet (0:55min)

“Eu ouvi dizer isso.. …. a gestão dele.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Man munkelt, dass Dono Affonso während der Diktatur der

Informant im Copan gewesen sein soll. Ich habe eine Person, die

das verbreitet, nach Beweisen gefragt, aber diese Person sagte,

dass sie es auch nur von anderen gehört hatte. Auf der anderen

Seite wird in einer Diktatur starker Druck auf Menschen ausgeübt,

ihre Nachbarn oder Kollegen auszuspionieren. Deshalb tue ich mich

schwer, Menschen automatisch für etwas zu verurteilen, was sie

damals getan haben mögen. Was Dono Affonso angeht: Auf

Gerüchte gebe ich nichts. Ich schaue auf seine Amtsführung. Und

die ist ehrlich und korrekt.

O-Ton 65 Dono Affonso (0:09min)

“Eu vou fazer…. Fala que estão eterno. já tem como identificando.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Jetzt mache ich eine Inspektion - durchs ganze Gebäude. Das ist

meine tägliche Routine.”

Regie Blende zu Atmo 30 (Passeo). Beginnt mit Schritten im

Treppenhaus. Wenn das zu kurz ist, bitte Atmo 31 (Passos)

verwenden. Dann Blende zu Atmo 32 (Corredor). In der

Ladenzeile begegnet ihm eine Dame.

O-Ton 66 Dono Affonso (nur er ist übersetzt; 0:17min)

“Bom dia… ….”

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Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Guten Tag.

Machen Sie einen Spaziergang

Ihr Ehemann? Sehr erfreut!”

Regie Atmo 32 als Trenner kurz hoch ziehen

O-Ton 67 Dono Affonso (0:48min)

“Em total são 5.000 moradores… ….colete a prova de bala ”

Sprecher 1 Voice Over Dom Affonso

“Im Copan leben rund 5.000 Menschen. Damit läge es in der Liste

der größten Städte Brasiliens auf Platz 457.

Im Grunde ist das Copan eine kleine Stadt, mit den Problemen, die

Städte nun mal haben. Verkehr zum Beispiel: Die Straßen und

Buslinien einer Stadt sind unsere Gänge und Aufzüge.

Dienstleistungen wie die Wasserversorgung müssen funktionieren.

Und wie in jeder Stadt gibt es Gefahren, die man immer wieder aufs

Neue abwehren muss. Ständig versuchen Verbrecher, im Copan

Fuß zu fassen. Aber sie schaffen es nicht. Sie haben mich oft

bedroht und tun es immer noch. Ich bin vorsichtig, in meinem

Schrank habe ich eine kugelsichere Weste.”

Regie Atmo 33 (Party)

O-Ton 68 María Delgado (0:24min)

“Essas questão das câmaras… … ache que que veio com muitas

questões que lá.”

Sprecherin 4 Voice Over María Delgado

“Die Kameras sind relativ neu. Als ich vor zehn Jahren ins Copan

gezogen bin, gab es sie noch nicht, zumindest nicht so viele. Von

Besuchern wurden auch keine Fotos gemacht. Das ist auch neu,

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eine von vielen Sachen, die ich kritisch sehe.”

Erzählerin María Delgado, Jahrgang 1984: Innenarchitektin von Beruf. Die

gebürtige Portugiesin besucht eine private Weinprobe in Block D. Sie

selbst lebt in Block A des Copan.

O-Ton 69 María Delgado (0:44min)

“So que aconteceu… … não combina com o projectodo Copan.”

Sprecherin 4 Voice Over María Delgado

“In meinen Augen hat Dono Affonso einen sehr begrenzten Horizont.

Seine Ansichten widersprechen Óscar Niemeyers Vision. Das Copan

sollte ein offenes Gebäude werden, innerhalb der Stadt und als Teil

der Stadt. Aber Dono Affonso schließt einen Gemeinschaftsbereich

nach dem anderen, zuletzt sogar die Stellplätze für Fahrräder in der

Garage. Die Geschichte des Copan bedeutet ihm nichts. Er ist ein

Mann der Rechten, dessen Ansichten nicht zum Copan passen.”

Regie Atmo 22 (Floresta2)

O-Ton 70 Jean-Claude Bernadet (0:48min)

“Eu devo reconhecer… … uma pessoa se ha que declarar.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Natürlich sind viele Neuerungen lästig. Jetzt muss man sogar

Mitbewohner bei der Verwaltung anmelden, auch kurzfristige. Ein

Freund hat mal ein paar Wochen bei mir gewohnt. Ich hatte ihn nicht

angemeldet, und eines Tages wollte der Pförtner ihn nicht

reinlassen. Ich musste persönlich mit ihm in der Verwaltung

vorsprechen. Ich verstehe diese Vorschrift, angesichts der Probleme,

die es im Copan gegeben hat. Aber sie erinnert mich doch an die

Jahre der Diktatur. Damals musste man sich bei der Polizei

anmelden, sobald man mehr als zwei Nächte irgendwo blieb.”

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Regie Atmo 22 als Trenner kurz hoch

O-Ton 71 Jean-Claude Bernadet (0:27min)

“Veja que eu fiz… … me deu uma pequena satisfação.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Wissen Sie, was ich gemacht habe? Ich habe die offizielle

Anmeldung mit allen erforderlichen Daten ausgefüllt und zusätzlich

eine zweite, ironische. Mit seiner Größe, seinem Gewicht, wo er

geboren wurde, dass er schreibt und Musik macht. Die Verwaltung

hat nicht darauf reagiert, aber mir hat es Befriedigung verschafft.”

Regie Atmo 32 (Corredor)

O-Ton 72 Dono Affonso (nur er ist übersetzt; 0:08min)

“Bom dia… ….”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Guten Tag

Wie geht es Ihnen?

Das ist schön.”

Regie Atmo 34 (Elevador2)

O-Ton 73 Dono Affonso (0:17min)

“O terraço do prédio… ….a frequência das pessoas ”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Die Dachterrasse. Sie ist immer noch Gemeinschaftsbereich, aber

man darf sie nur noch mit Sondergenehmigung betreten. Die Leute

haben Sachen runtergeworfen, es gab Selbstmordversuche.

Deshalb mussten wir den Zugang einschränken.”

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O-Ton 74 Dono Affonso (0:27min)

“Nós tivemos muitos problema…. …a frequência das pessoas ”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Wir hatten ständig Probleme, mit Drogen, mit Frauen, die sich oben

ohne gesonnt haben. Völlig verantwortungslos, so was. Aber damit

habe ich Schluss gemacht. Die Eigentümerversammlungen

unterstützen meinen Kurs. Ohne diese Unterstützung würde ich nicht

weiter machen.”

Regie Blende zu Atmo 33 (Party)

O-Ton 75 María Delgado (0:10min)

“Sim creio que as coisas.. … como ele governa.”.”

Sprecherin 4 Voice Over María Delgado

“Er ist seit mehr als 20 Jahren an der Macht - das mutet nicht nur

diktatorisch an, er herrscht hier auch wie ein Diktator.”

O-Ton 76 Renato de Souza (0:33min)

“É uma comparação muita duvidosa… … apagando incêndios em

tempo todo.”

Sprecher 5 Voice Over Renato

“Ich finde diesen Vergleich sehr zweifelhaft. Wer hat denn schon mal

in einer Diktatur gelebt? Wer so was sagt, hat keine Ahnung, eine

Diktatur ist was ganz anderes. Natürlich gibt es hier eine gewisse

Befehlsordnung, aber die braucht jede Organisation. Und klar,

Sicherheit ist ein großes Thema, gerade in diesen paranoiden

Zeiten. Von Dono Affonso werden Lösungen erwartet, er muss

ständig Brände löschen.”

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Regie Atmo 22 (Floresta2)

O-Ton 77 Jean-Claude Bernadet (0:26min)

“Eu sim apoio a política dele… … é uma degradação única.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Trotz allem unterstütze ich seine Politik. Ich weiß, dass ihn viele zu

autoritär finden. Sie sehen ihn als unseren Bürgermeister. Seine

Entscheidungen mögen manchmal auch autoritär sein Aber man

muss sehen, wie es vor ihm hier zugegangen ist. Die Verwahrlosung

damals, das können sich viele nicht vorstellen.”

O-Ton 78 Cristina Peralta & Gustavo Spandau (0:50min)

“Fuimos una vez… Es secreto, né.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Wir waren einmal auf einer Eigentümerversammlung.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Ich glaube zweimal. Aber was sollen wir da? Klar, man kann sagen,

was man denkt. Aber alles ist schon vorher beschlossen.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Da gehen nur die Älteren hin, junge Leute wie wir sind in der

Minderheit, wir können nichts machen.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Es gibt nur einen Kandidaten, der wird immer wiedergewählt.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Und er diktiert die Bedingungen, zu denen er weiter macht.

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“So extrem ist das auch nicht.”

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Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

“Ich sollte mich zur Wahl stellen.”

Sprecher 10 Voice Over Gustavo Spandau

“Finde ich gut, mach das.”

Sprecherin 9 Voice Over Cristina Peralta

Wir müssen das gut vorbereiten, solange bleibt’s geheim.”

Regie Atmo 36 (Terraço)

O-Ton 79 Dono Affonso (0:08min)

“Agora aqui é um privilegio… por um trabalho que ha realizado.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Was für ein Privileg, hier oben auf der Dachterrasse zu stehen und

diesen Blick zu genießen. Ich bin glücklich, weil hier gute Arbeit

geleistet wird.”

Regie Atmo 36 (Terraço)

O-Ton 80 Dono Affonso (0:11min)

“Seria bom… … Ninguém fez nada igual ou parecido.”

Sprecher 1 Voice Over Dono Affonso

“Es wäre gut, wenn es mal eine Opposition gäbe. Immer nur ja, ja, ja

ist schlecht. Andererseits leiste ich exzellente Arbeit. Niemand

könnte es annähernd so gut wie ich.”

O-Ton 81 Gilda D’Almeida (0:31min)

„Ele levantou o prédio… … vale mas que um milhão.”

Sprecherin 11 Voice Over Gilda D’Almeida

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“Er hat das Gebäude wieder auf Vordermann gebracht, er zeigt der

Welt, welche Bedeutung dieses Werk von Oscar Niemeyer hat.

Heute wollen alle im Copan leben. Dadurch ist der Wert der

Wohnungen gestiegen. Vor seiner Zeit waren sie praktisch nichts

wert, heute kostet ein Apartment wie meins weit mehr als eine Million

Real, rund 270.000 Euro.”

O-Ton 82 Gilda d’Almeida (0:12min)

“Olha, ultimamente não tem… … sendo bem direccionado.”

Sprecherin 11 Voice Over Gild d’Almeida

“Im Copan gibt es keine Opposition, es braucht auch keine. Alles ist

gut.”

Regie Achtung: unter OT 82 ist eine Sirene.

O-Ton 83 Jean-Claude Bernadet (0:25min)

“Esse é um problema… … ele fica.”

O-Ton 84 Jean-Claude Bernadet (0:06min)

“Eu acho que…… … eu pessoalmente lhe apoio.”

Sprecher 3 Voice Over Jean-Claude Bernadet

“Ein Problem haben wir doch: Wir glauben, dass Dono Affonso ewig

ist. Ich bin 80, ich habe ihn neulich gefragt: Dono Affonso, werden

Sie auch mit 80 noch weiter machen? Seine Antwort lautete:

Solange meine Politik unterstützt wird, werde ich bleiben. Meine

Unterstützung hat er auch weiterhin.”

Absage Edifício Copan - Leben im größten Wohnhaus der Welt

Ein Feature von Tom Noga

O-Ton 85 Carlos Lemos (0:13min)

“O edifício Copan … …sem dúvida.”

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Sprecher 6 Voice Over Carlos Lemos

“Das Copan ist wirklich ein schönes Gebäude. Mir gefällt alles daran,

auch heute noch. Ohne Zweifel.”

Absage Es sprachen. Wolfgang Rüter; Maya Bothe, Camilla Renschke

Justine Hauer, Volker Risch, Frank Meyer und Jonas Baeck

Übersetzungen: Tays Serra-Noga

Ton und Technik: Ernst Hartmann und Angelika Brochhaus

Regie: Fabian v. Freier

Redaktion: Klaus Pilger

Die Recherchen für dieses Feature wurden durch ein

Stipendium der Filmstiftung NRW gefördert.

Produktion: Deutschlandfunk 2016