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0 0 Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur Das Feature Kompetenz aus einer Hand. Die besonderen Aufgaben des Bayerischen Bauernverbands Von Nora Bauer Regie: die Autorin Redaktion: Ulrike Bajohr Produktion: Dlf/BR 2020 Erstsendung: 02.06.2020, 19.15 Uhr Es sprachen: Anjorka Strechel, Tom Jacobs, Markus Scheumann und David Vormweg Ton und Technik: Gunther Rose und Roman Weingardt O-Töne: Tobias Heiß, Landwirt, BBV-Mitglied Sebastian Siglreithmaier, Landwirt, BBV-Mitglied Matthias Michlbauer, Geschäftsführer BBV Traunstein Mathias Borst, stellv. Generalsekretär, BBV Herwig Leipert, Chronist, BBV Carl von Butler, stellv. Generalsekretär, BBV Johann Kirchinger, Historiker, Universität Regensburg Rupert Ebner, Agrarsprecher der Grünen, Bayern Reinhild Benning, German Watch Gertraut Angerpointner, ABL Marion Ruppaner, BUND Bayern Musik: Bayerische Blasmusik, Valentin Gafus Bayern-Hymne_ https://www.youtube.com/watch?v=PO3hfvCS29A Kein schöner Land in dieser Zeit Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar -

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Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur

Das Feature

Kompetenz aus einer Hand.

Die besonderen Aufgaben des Bayerischen Bauernverbands

Von Nora Bauer Regie: die Autorin Redaktion: Ulrike Bajohr Produktion: Dlf/BR 2020 Erstsendung: 02.06.2020, 19.15 Uhr Es sprachen: Anjorka Strechel, Tom Jacobs, Markus Scheumann und David

Vormweg

Ton und Technik: Gunther Rose und Roman Weingardt

O-Töne: Tobias Heiß, Landwirt, BBV-Mitglied Sebastian Siglreithmaier, Landwirt, BBV-Mitglied Matthias Michlbauer, Geschäftsführer BBV Traunstein Mathias Borst, stellv. Generalsekretär, BBV Herwig Leipert, Chronist, BBV Carl von Butler, stellv. Generalsekretär, BBV Johann Kirchinger, Historiker, Universität Regensburg Rupert Ebner, Agrarsprecher der Grünen, Bayern Reinhild Benning, German Watch Gertraut Angerpointner, ABL Marion Ruppaner, BUND Bayern Musik: Bayerische Blasmusik, Valentin Gafus Bayern-Hymne_ https://www.youtube.com/watch?v=PO3hfvCS29A Kein schöner Land in dieser Zeit Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.

© - unkorrigiertes Exemplar -

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Atmo Krähen etwas freistehen lassen, unterlegen O-Ton Heiß Ich hab jetzt den Betrieb 2003 übernommen. Solange ich denken kann, setze ich mich mit der Materie auseinander.

Erzählerin

Der Bauer Tobias Heiß bewirtschaftet im Landkreis Traunstein in Südost-Bayern ca.

155 Hektar. Seine Schwerpunkte sind Biogas-Erzeugung und Kälberaufzucht. Wir

stehen auf seinem Acker mit zartgrünem Winterweizen, der an das Karree seiner

hellgelb gestrichenen Hofgebäude angrenzt. Am Horizont leuchtet der Schnee auf

den Gipfeln der Chiemgauer Alpen unter blauem Himmel.

Ein bayerisches Idyll.

O-Ton Heiß Ich hab die Berufsausbildung Landwirt gemacht, danach war ich in der Landwirtschaftlichen Fachschule, bei uns in Bayern sagt man die Winterschule, nach der Winterschule habe ich dann die Ausbildung zum Techniker gemacht, und das ist alles ein unheimlich langer Ausbildungsgang, aber ich glaub das nutzt alles nix, man braucht trotzdem dieses Hineinwachsen. Die Erfahrungen, die mein Vater mir schon mitgegeben hat, und die haben wir halt über Generationen gesammelt. Erzählerin Seit er den Hof führt, ist Tobias Heiß auch Mitglied beim Bayerischen Bauernverband. O-Ton Heiß Alles, was irgendwo gewohnt ist und einem Sicherheit bietet, da fühlt man sich am Ende doch wohl und gut aufgehoben. Und wenn die Kommunikation passt, wenn man Wissensaustausch machen kann mit den Berufskollegen, da kann man eigentlich nur profitieren. Und das ist, glaub ich, ein ganz wichtiger Punkt beim Bauernverband, weil, die machen ja auch immer wieder ihre Versammlungen, wo man eigentlich sonst nicht zum Wirt gehen würde, wenn diese Versammlung nicht wäre. Und durch diese Versammlung hat man die Möglichkeit, dass man sich mit Berufskollegen trifft, dass man bestimmte Themen diskutiert, die man sonst gar nicht ansprechen würde, und da trägt natürlich der Bauerverband einen großen Beitrag dazu bei. Und deswegen fühle ich mich da schon ganz gut aufgehoben und würde auch das gar nicht anders da wollen. Musik + Atmo

Ansage

Kompetenz aus einer Hand

Die besonderen Aufgaben des Bayerischen Bauernverbands

ein Feature von Nora Bauer

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Erzählerin

Der Freistaat Bayern ist das Bundesland mit den meisten landwirtschaftlichen

Betrieben in Deutschland: 90.450 nennt das Bayerische Staatsministerium für

Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Jahr 2019, etwa die Hälfte der Höfe wird

im Haupterwerb bewirtschaftet. Der Bayerische Bauernverband zählte im selben Jahr

rund 143.000 Mitglieder. 90 Prozent der Bauern in Bayern seien hier organisiert, so

schätzt der Verband. Der Bayerische Bauernverband ist sehr tief verankert in der

ländlichen Bevölkerung. Das ist sein Stolz, und sein Kapital. Wir erzählen heute, wie

es dazu kam. Und welche Folgen das hat.

O-Ton Borst Wir hören in Bayern in die Betriebe hinein, über die Mitgliedschaften und die Kontakte unserer Ehrenamtlichen. Wir haben gewählte Orts-Ehrenamtliche, dann wieder auf der Kreis-Ebene eine Bündelung, und von daher bekommen wir eben Informationen, was treibt die Betriebe um. Und so sammeln wir und schauen dann, was ist Richtung Politik heranzutragen.

Erzählerin

Matthias Borst ist stellvertretender Generalsekretär des Bayerischen

Bauernverbands. Seit siebenundzwanzig Jahren 'darf er', wie er selbst es formuliert,

von einem traditionsreichen, großbürgerlichen Büro aus – viel Eiche, viel Marmor –

im Schenk-Notzing-Palais in der noblen Münchner Max-Vorstadt, die Interessen der

bayerischen Bauern vertreten.

O-Ton Borst Bei uns in Bayern, die Bauern sehen sich auch geehrt oder auch gewürdigt, wenn man sie als Bauer anspricht. Sie sind bodenständig, der Bezug zum Eigentum –der Werthaltung auch dessen, welche Bedeutung man im Ort hat, also dort zur Gesellschaft, zu ehrenamtlicher Tätigkeit sich engagiert zu zeigen, das verbinden bei uns die Bauernfamilien und die Bauern sehr stark. Bei uns schwingt viel Tradition mit, wir haben Betriebe, die teilweise schon in 10ter Generation ihren Familienbetrieb so fortführen. Und da merkt man schon, da schwingt eben hier auch Emotion mit. ___________________________________________________________________ Musik Erzählerin

Ein Bayerisches Idyll. Der Bayerische Bauernverband ist kein xbeliebiger

Berufsverband. Er nimmt eine Sonderstellung ein - nicht nur im Kreis der anderen

deutschen Landes-Bauernverbände, und das hat historischer Gründe.

O-Ton Leipert Vor 1933 gab es den Christlichen Bauernverein, den Landwirtschaftlichen Verein, den Bauern-Bund und den Bayerischen Landbund. Und die waren natürlich immer irgendwo auch in einer gewissen Konkurrenzsituation. Diese Organisationen sind mit

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der Machtübernahme der NSDAP liquidiert worden und es gab nur noch den Reichsnährstand.

Erzählerin

Herwig Leipert war von 1979 bis 2013 im Münchner Generalsekretariat des

Bayerischen Bauernverbands als Referent für Öffentlichkeitsarbeit tätig und

anschließend verantwortlich für Personal und Finanzen. Heute im Ruhestand, gilt er

als der Chronist des Verbandes.

O-Ton Leipert Und als '45 der Krieg vorbei war, haben sich eine Handvoll von Verantwortlichen aus den Organisationen von vor '33 Gedanken gemacht, Gedanken gemacht, was notwendig wäre, um die Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg auch gesellschaftlich irgendwo wieder zu platzieren und der Kerngedanke war: wenn, dann nur in einer einzigen Organisation, in einer Einheitsorganisation. Erzählerin

Diesen Gedanken trugen die Gründerväter des Bayerischen Bauernverbands kurz

nach Kriegsende auch der amerikanischen Militärregierung in München an.

O-Ton Leipert Es gab dann im Bauernverband eine Diskussion, reiner Interessensverband oder Interessensverband und Selbstverwaltung. Und der Selbstverwaltungsgedanke ist ja der Kammergedanke.

Erzählerin

Eine Berufskammer setzt Pflichtmitgliedschaft voraus – also: die demokratische

Teilnahme aller – und kann deshalb vom Staat übertragene Aufgaben erfüllen.

Ein Interessensverband besteht aus freiwilligen Mitgliedern und vertritt deren

Interessen. Das heißt: Interessensverband und Selbstverwaltung schließen einander

aus. Die Gründerväter wollten aber beides.

Musik O-Ton Leipert Der Spagat: ist man eine Interessensorganisation oder hat man auch eine Erfüllungsfunktion. In der Gründungsversammlung war ziemlich eindeutig klar, dass man gesagt hat, wir wollen Kammerfunktionen – und irgendwie müssen wir das ja organisieren. Musik unterlegen

Erzählerin

Zum Glück für die Bauernvertreter lehnte auch die amerikanische Militärregierung

Landwirtschaftskammern mit Pflichtmitgliedschaften ab. Sie präferierte Freiwilligkeit

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und einen schlanken Staat. So wurde aus dem Dilemma der Gründer 1946 der

Bayerische Sonderweg in der Landwirtschaftsverwaltung und -Politik: Ein

Bauernverband mit alleinigen Vertretungsanspruch, also: Selbstverwaltung ohne

Pflichtmitgliedschaft. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern gibt es

in Bayern bis heute keine Landwirtschaftskammer.

O-Ton Leipert Das Hauptinteresse bei der amerikanischen Militärregierung war natürlich, aber das galt für alle Organisationen, die sich damals gegründet haben, dass … Personen, die in der Nazi-Zeit irgendwelche Affinitäten mit dem Nazi-Regime hatten, dass solche Personen in diesen neuen Organisationen nicht vorkommen.

Erzählerin

Die Personen wurden ausgetauscht, die Einheits-Struktur blieb erhalten.

Zitator 1

Verordnung Nr. 106 über die Aufgaben des Bayerischen Bauernverbands vom 29.

Oktober 1946. Bayerische Rechtssammlung 7800-2-L:

O-Ton Leipert Die Verordnung Nr.106 ist eine Verordnung, die von der amerikanischen Militärregierung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Bauernverband wohl formuliert worden ist.

Zitator 1

Der Bayerische Bauernverband hat die Belange der Landwirtschaft in allen Fragen

des ländlichen Lebens zu vertreten. Ihm werden auch Aufgaben übertragen, wie sie

früher zum Teil von der Bayerischen Landesbauernkammer sowie den Kreis- und

Bezirksbauernkammern durchgeführt worden sind. Damit ist die Selbstverwaltung der

bayerischen Landwirtschaft in ihren eigenen Belangen gewährleistet und der

Bayerische Bauernverband als die Berufsorganisation der bayerischen

Landwirtschaft anerkannt.

Erzählerin

Die amerikanische Militärregierung verlieh dem neuen Berufsverband den Status

einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Allerdings mit einer wesentliche

Einschränkung: Diese Aufgaben haben keinen Hoheitscharakter, sie können das

staatliche Engagement nicht ersetzen. Deshalb ist der Bayerische Bauernverband

eine atypische Körperschaft öffentlichen Rechts – und eine Interessensvertretung.

Das hat Folgen für die Landwirtschaft, bis heute.

O-Ton Leipert Was bedeuten denn die Körperschaftsaufgaben? Sie bedeuten, dass der

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Bayerische Bauernverband immer, zum Beispiel in Gesetzgebungsverfahren, die die Landwirtschaft betreffen, beteiligt sein muss, auf Landesebene, auf Bundesebene, auf europäischer Ebene.

Erzählerin

Das zuständige Staatsministerium veröffentlicht in seinem Agrarbericht 2018 diese

Aufgaben:

Zitator 1

"Mitwirkung bei der Entwicklung und Umsetzung von Gesetzen, Verordnungen,

Bekanntmachungen und Richtlinien der Europäischen Union, der Bundesrepublik

Deutschland und des Freistaates Bayern durch Auskünfte, Vorschläge,

Stellungnahmen und Gutachten;

Berichterstattung und Information, d. h. Information aller Landwirte über Produktion,

Vermarktung und Veränderung politischer Rahmenbedingungen;

Bildung, insbesondere staatsbürgerliche Erziehung der Landwirtschaft zur

demokratischen Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens;

Beratung aller landwirtschaftlichen Betriebe in sozialen und arbeitsrechtlichen

Fragen.

Für die Wahrnehmung der oben genannten Aufgaben erhielt der BBV jährlich eine

Kostenerstattung in Höhe von rd. 1,5 Mio. €."

O-Ton Leipert Eines ist klar, dass die Körperschaftsrechte dem Verband ein politisches Gewicht, ein anderes politisches Gewicht von Anfang an gegeben haben, als wenn es einfach nur ein eingetragener Verein gewesen wäre. Erzählerin

Der Bayerische Bauernverband ist auf Orts- Kreis- und Bezirksebene organisiert.

Die Bezirke entsenden ihre Mitglieder in Landesfachausschüsse und

Arbeitsgemeinschaften, in denen Stellungnahmen zu Gesetzesvorlagen vorbereitet

werden. .

O-Ton Leipert Das sind jetzt 5000 Ortsobmänner, und es gibt daneben ja auch noch die Frauen. Die Landfrauengruppe im Bauernverband entsendet qua Satzung in jeden Vorstand auf jeder Ebene die erste Vorsitzende und die Stellvertreterin mit Sitz und Stimme Erzählerin

Auch wenn keine Mitgliederlisten veröffentlich sind, lässt sich mit Sicherheit sagen,

dass auch die Agroindustrie, z.B. der Raiffeisen-Verband mit seinen

Genossenschafts-Mitgliedern, im Bayerischen Bauernverband als Funktionsträger

und im Kreis der Ehrenamtlichen vertreten ist.

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Ein Mitglied des Präsidiums wird sogar vom Bayerischen Genossenschaftsverband

benannt. 1

O-Ton Leipert Und natürlich ist das ein Potential von Menschen, die ich in der Politik brauchen kann. Und die natürlich ihre Vergangenheit möglichst nicht ablegen sollen, wenn sie den Plenarsaal betreten, sondern, die wissen vorher sie kommen und dann die Interessen vertreten.

Erzählerin

Trotz des gut organisierten Einflusses auf die Politik hat der Bayerische

Bauernverband heute ein Problem. Eine Untersuchung der Umweltorganisation

German Watch aus dem Jahr 2019 ergibt: Die Akzeptanz für die konventionelle

Landwirtschaft, wie seit den Gründertagen des Verbandes von der Mehrzahl seiner

Mitglieder betrieben wird, ist in der Bevölkerung stark geschrumpft.

O-Ton Heiß Wenn wir uns jetzt im Jahre 1945 oder '46 befänden, da würde die Gesellschaft komplett geschlossen hinter der Landwirtschaft stehen, weil sie das schätzen, dass die Versorgung sichergestellt ist. Wenn ich das aber vergessen hab, weil jeder in Hülle und Füll und Überfluss lebt, dann vergisst man, dass man eigentlich den Landwirt für das tägliche Leben eigentlich braucht. Und deswegen entfernt sich auch die Gesellschaft so stark von der Landwirtschaft.

Atmo

Erzählerin

Tobias Heiß sitzt mit Kollegen um seinen Küchentisch. Es gibt bayerische Krapfen

und Espresso-Kaffee aus Kapseln, dazu Dosenmilch. Die Bauern verstehen die Welt

nicht mehr.

O-Ton Heiß Naja, ich hab halt die Vermutung, dass das Ganze ein System hat. Und zwar wird da der Verbraucher auch irgendwo mit benutzt und zwar durch eine gezielte Angstmache: wir Landwirte, wir verunreinigen das Wasser mit Nitrat, wir Landwirte sind maßgeblich verantwortlich für das Artensterben. So dass der Verbraucher im Hinterkopf hat, Mensch, die Landwirtschaft, die muss man bremsen, die muss man reglementieren, weil sonst machen die unsere Kulturlandschaft kaputt. So. Die Politik sagt, ok, der Mainstream ist so, die Öffentlichkeit, die Gesellschaft will eine Ökologisierung, die will haben, dass hier Grenzen gezogen werden. Dann können die Dünge-Verordnungen einführen, weil die Gesellschaft nicht mehr geschlossen hinter der Landwirtschaft steht.

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Musik / Werbung Sprecher / Werbung

[https://www.forum-moderne-landwirtschaft.de/wir-ueber-uns]

72 Prozent der Deutschen wissen "eher wenig" über Moderne Landwirtschaft. Das

Forum Moderne Landwirtschaft schlägt die Brücke zwischen moderner

Landwirtschaft und urbaner Gesellschaft…

Erzählerin

So wirbt das Forum Moderne Landwirtschaft für sich im Netz. Es wurde gegründet,

um die Bevölkerung sozusagen wieder auf Linie zu bringen.

Mitgliederliste und Organisationsstruktur des Forums belegen eindrucksvoll die

Vernetzung aller Landesbauernverbände mit Produktions-Genossenschaften,

Agroindustrie und Agrochemie.

O-Ton Reinhild Benning Wenn Bürger*Innen auf die Straße gehen, zur 'Wir haben es satt'-Demo, wollen sie ein anderes System der Landwirtschaft. Es kann aber gut sein, dass der gleiche Verbraucher im Supermarkt sagt, "ich muss jetzt vertrauen, weil, ich will das nachher in den Mund stecken!" Und wenn da drauf steht: 'Meine Metzgerei' oder wenn sie zum Wochenmarkt gehen und 'ihren Bauern' treffen, vertrauen sie ihm. Erzählerin

Reinhild Benning ist staatlich geprüfte Landwirtin und für German Watch als

Agrarexpertin tätig.

O-Ton Reinhild Benning Diese Ebene von Vertrauen nutzt die Agrarindustrie und holt sich den Bauernverband als Vertrauensträger und Feigenblatt für seine Lobbyinteressen. Erzählerin

Zentrales Projekt des Forum Moderne Landwirtschaft ist der Erlebnisbauernhof:

In Bonn, Dortmund, Hamburg, Hannover, Münster – und vor allem auf der

Internationalen Grünen Woche einmal jährlich in Berlin. Rund 60 Aussteller

präsentieren hier auf ca. 6.000 Quadratmetern gemeinsam eine Landwirtschaft zum

Anfassen mit Tieren, Ställen, Ackerparzellen, Bauern, Infoständen und modernen

Maschinen. Die Sponsorenliste ist lang.

Musik Werbung Sprecher / Werbung

[https://www.forum-moderne-landwirtschaft.de/zusammen-mehr-erreichen]

Unsere Mitglieder: die BASF AG, die Bayer Crop Science inklusive Monsanto, die

Bundesverbände des Großhandels für Dünge- und Pflanzenschutzmittel, der

Deutschen Pflanzenzüchter e.V., für Tiergesundheit e.V., der Deutsche

Raiffeisenverband, K+S Kali GmbH, VDMA Landtechnik, Verband der Chemischen

Industrie, und die Zentralverbände der Deutschen Geflügelwirtschaft und der

Deutschen Schweineproduktion.

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Atmo

Erzählerin

Der Bauer auf eigner Scholle als Sinnbild für bayerische Qualität. Dazu ein

Berufsverband, der sich für seine Mitglieder ins Zeug legt. Der der Politik in der

komplexen Materie den rechten Weg weist und dafür vom Freistaat Erstattung

erhält.

Der für geprüfte Qualität sorgt. Dem wir Verbraucher und Verbraucherinnen

vertrauen können. Glückliche Kühe auf der Alm, die Rosi heißen, oder Liesl, und

Landwirtschaft zum Anfassen. Das ist doch das bayerische Idyll.

O-Ton Kirchinger Es handelt sich hier um dieses agrarromantische Leitbild, dieser Bauer auf eigener Scholle musste ja erst einmal in die Realität umgesetzt werden, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, und dann mit bestimmten Eigenschaften versehen werden.

Erzählerin

Johann Kirchinger ist Historiker an der Universität Regensburg und forscht zur

Geschichte und strukturellen Entwicklung des Bayerischen Bauernverbands.

O-Ton Kirchinger Also diese Eigentumsorientierung der Landwirtschaft, die wurde ja dann hergestellt durch die Bauernbefreiung, das war ja vorher nicht. Es sollte ihn zum Eigentümer machen, warum? Um intensiv zu wirtschaften, damit mehr landwirtschaftliche Produkte für die industrielle Bevölkerung zur Verfügung stehen. Also, im Ursprung war die bäuerliche Landwirtschaft verbunden mit Intensivierung, um intensiv zu wirtschaften. Und das ist nicht in der Landwirtschaft entstanden, sondern in den aufgeklärten Kreisen in der Bürokratie, und das war halt dann erfolgreich, weil es dann natürlich Wohlstand gebracht hat und die Bauern haben das dann übernommen. Erzählerin

An der eigenen Scholle kleben Subventionssysteme mit insgesamt 6,2 Milliarden

Euro pro Jahr für Deutschland – 5 Milliarden allein für Direktzahlungen, die

sogenannte Hektar-Prämie aus Brüssel, die vom Bayerischen Bauernverband

vehement unterstützt werden. Sie fließen auf die Konten der Landeigentümer,

fördern aber nicht die umweltgerechte Bewirtschaftung. Aus dem aufklärerischen

Leitbild vom freien Bauern ist die intensive konventionelle Landwirtschaft geworden,

die Lieferantin billiger Rohstoffe für die Agro-Industrie und willige Kundin der Agro-

Chemie.

Die bayerische Idylle erodiert. Damit haben vor allem die Bauern ihre Not.

Atmo O-Ton Heiß Und wie gesagt, wenn die Gesellschaft hinter der Landwirtschaft stehen würde, dann

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würde sich die Politik schwer mit solche Verschärfungen tun, weil die Gesellschaft sagen würde, oh, wir müssen aber aufpassen, wir dürfen die Bauern nicht zu stark maßregeln, weil wir brauchen die noch. Atmo / Hund bellt O-Ton Gertraut Angerpointner Es ist nix einfacher, als wie zu sagen, Bauern, produziert extensiver, arbeitet extensiver, ihr schützt damit die Umwelt, ihr schont eure Nerven, ihr schont eure Böden, ihr schont eure Familien, und dafür müssen wir aber schauen, dass die Preise stimmen.

Erzählerin

Gertraut Angerpointner bewirtschaftet mit ihrer Familie einen Biobergbauernhof im

Berchtesgadener Land. Sie und ihr Mann sind in der ABL, der Arbeitsgemeinschaft

bäuerliche Landwirtschaft organisiert, der Konkurrenz zum Bayerischen

Bauernverband. Gertraut Angerpointner ist die Landesvorsitzende der ABL. Während

Tobias Heiß den Verbraucher und dessen mangelnde Solidarität als Kern des Übels

ausmacht, konstatiert Gertraut Angerpointner den Bauernverband und seine

industriefreundliche Agrarpolitik als Verursacher.

O-Ton Gertraut Angerpointner Wir haben einen Verlust der Artenvielfalt, wir haben Nitrat im Grundwasser, wir haben einen Abbau vom Humus, wir müssen uns jetzt mal mit den ökologischen Zusammenhängen befassen und wir müssen eine andere Landwirtschaft betreiben, die einfach nachhaltig ist und die Enkel-tauglich ist, wo wir positive externe Effekte produzieren.

Erzählerin

Die Frage ist, ob man ohne strenge gesetzliche Auflagen man jemals zu einer

Annäherung in der Landwirtschaft kommen kann. Die Auffassungen davon, was die

'gute fachliche Praxis' eigentlich ausmacht, sind bei intensiver und extensiver

Bewirtschaftung gar zu unterschiedlich.

Atmo O-Ton Siglreithmaier Gerade in unserem Bereich, wir haben Niederschläge, wir haben das Klima dazu, Futter wächst bei uns pro Hektar für drei GV, dreieinhalb GV, ist überhaupt kein Problem.

Erzählerin

Sebastian Siglreithmeier, BBV-Kreisobmann des Landkreis Traunstein, sitzt am

Küchentisch seines Kollegen Tobias Heiß. Der moderne Bauer redet heute nicht

mehr von Kühen oder Rindern, sondern von GV, Großvieheinheiten.

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O-Ton Siglreithmaier Unser Grünland, das können wir fünfmal schneiden, manche Betriebe schneiden sogar sechsmal oder ein siebtes Mal, wenn's ist, aber fünfmal dürfte der Standard sein und damit braucht das Grünland Nährstoffe, damit wir einfach entsprechend Futter produzieren, für unsere Viecher, und damit kommen wir mit der 170- Kilogramm-Regelung nicht zurecht.

Erzählerin

Mit der '170-Kilogramm-Regelung' ist die aktuelle Begrenzung von organischen

Düngemitteln auf maximal 170 kg Stickstoff je Hektar und Kalenderjahr gemeint.

O-Ton-Heiß Warum so hohe Schnitthäufigkeiten, klar, um so höher ist die Eiweißkonzentration von dem Grünland, umso weniger bin ich auf den Zukauf von Eiweiß aus Übersee angewiesen.

Erzählerin

Hochleistungsfutter für Hochleistungstiere. Klingt logisch. Gertraut Angerpointner sitzt

ca. 30 Kilometer südlich an ihrem Küchentisch. Sie vertritt eine andere Position.

O-Ton Gertraut Angerpointner Die Kuh hat sich entwickeln können, das Grasland einfach hat wachsen können, ohne menschlichen Einfluss. Und da hat sich die Kuh einfach angepasst an das. Bei uns in der Gegend, wir haben 2000 Liter Niederschläge pro Jahr, das ist wirklich gut, und das Grünland ideal. Aber wenn ich die sehe, die sechs- bis siebenmal mähen, nach jedem Mal Mähen wird da Gülle und Kunstdünger gestreut. Aber wenn ich halt wenigstens einen Teil der Flächen nur dreimal mähen täte, dass auch wieder was blühen kann, dann hätte ich für die Insekten was, und es gibt ja so viele Zusammenhänge, wie zum Beispiel von Insekten bestäubte Blühpflanzen, die wieder für die Fruchtbarkeit der Kühe verantwortlich sind und da einen positiven Einfluss haben. In der Natur ist ja nichts, wo keinen Sinn macht. O-Ton Siglreithmaier Das ist in der Diskussion, artenreiches Grünland. Aber es ist ein Problem von artenreichem Grünland Milch zu erzeugen, weil wir vom Grünland einfach … entsprechendes Eiweiß runterholen möchten, … zur Milcherzeugung brauchen wir ja Eiweiß. O-Ton Gertraut Angerpointner Mit dem sechs bis siebenmal Mähen – das heißt, wir produzieren hauptsächlich Eiweiß, und das Eiweiß braucht die Kuh, damit sie viel Milch gibt. Jetzt gibt die Kuh viel Milch, wird aber anfälliger, also Klauenprobleme, Fruchtbarkeitsprobleme mit dieser intensiven Fütterung. Und was haben wir davon, wenn wir so viel Milch produzieren? Wir haben einen schlechten Milchpreis, wir haben ein Überangebot. O-Ton Siglreithmaier [ Auf der anderen Seite sind wir in der Kritik, dass wir Soja aus Übersee zukaufen. Und das wäre heimisches Eiweiß, das tun wir da vor Ort produzieren. Wir brauchen kein Übersee-Soja für die Rinderfütterung. O-Ton Gertraut Angerpointner

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Das hat wieder die Auswirkung: dann machen wir Milchpulver, Energie-intensivst, also Milch getrocknet, dann mischt man vielleicht sogar noch Palmfett rein, totale Sauerei, und dann schafft man das Milchpulver nach Burkina Faso. Also wär' doch viel besser, man arbeitet ein bisschen extensiver, man mäht vielleicht nur noch viermal, hat weniger Milch, hat gesunde Kühe, hat weniger Tierarztkosten, braucht weniger Trockenställe, und so weiter. Beschädigt nicht andere Märkte, und hat, letztendlich, auch einen anderen Milchpreis und zufriedene Bauern. Atmo Erzählerin

Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie eine Wahl hätten? Und Sie haben die Wahl,

Sie sind der Verbraucher! Lösen ließe sich dieser Konflikt, der auf Kosten von

Umwelt, Boden-, Wasserqualität und nicht zuletzt der Kühe geht, die, Schwerarbeiter

im Dauereinsatz – nicht mal für ihre Kälbchen – sondern für uns schuften, durch eine

andere, vom Weltmarkt unabhängige Agrar-Politik, bis hin zum angemessenen

Milchpreis.

31 Jahre lang gab es die Brüsseler Milchquote, eine Produktionsbegrenzung, die die Erzeugerpreise für die europäischen Bauern erträglich hielt. 2015 wurde sie abgeschafft - indirekt auch mit Stimmen aus dem Bayerischen Bauernverband, erklärt Rupert Ebner, Agrarsprecher der Grünen in Bayern. O-Ton Rupert Ebner Also das System der Milchpreisregulierung hat der Bayerische Bauernverband befürwortet, dass es bleibt, aber der Deutsche Bauernverband abgelehnt, und Sonnleitner als Vorsitzender des Bayerischen und des Deutschen Bauernverbands hat es dann auf eben EU-Ebene befürwortet, dass es sterben muss, ja?! Eine Situation, in der es in jedem anderen Verband eine Revolution gebe. Aber die Bauern sind halt das Untertänigsein gewohnt. O-Ton von Butler Wir hatten eine Milchgarantiemengen-Regelung - die Auflösung … das ist sehr schwierig zu beantworten –

Erzählerin

Carl von Butler, von Haus aus Landwirt und Jurist, ist auch stellvertretender Generalsekretär des Bayerischen Bauerverbands und überwiegend in juristischen Belangen unterwegs. Er gibt sich macht los, was die Milchquote betrifft. O-Ton von Butler Sie können sich die Erlös-Situation der Milch-Erzeuger die letzten 10 Jahre, oder die letzten 20 Jahre, oder die letzten 30 Jahre anschauen, Sie werden feststellen, ob mit Milchgarantiemengen-Regelung oder ohne Milchgarantiemengen-Regelung, die Preis-Situation ist unverändert. Deshalb hat das System leider, außer bei der Einführung den Verlust einiger Betriebe, nichts gebracht. Das ist leider so. Ob mit oder ohne Quote, der Rohstoffpreis ist immer niedrig. O-Ton Benning 'Marktordnung' heißt, dass man die Überschüsse regulieren wollte. Und heute ist das eine Subvention für die Ernährungsindustrie, damit die Überschüsse sich rechnen für

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die. Da gehörte die Milchquote dazu, aber die ordnet ja jetzt nichts mehr, sie ist weg. Wenn der Milchpreis unter ein bestimmtes Niveau sinkt, dann kann der Staat intervenieren und Milchpulver vom Markt nehmen, damit der Preis sich erholen kann. Und sobald der Weltmilchpreis sich ein bisschen erholt, können sie das Milchpulver wieder auf den Markt werfen. Das heißt, der Milchpreis wird nie wieder richtig steigen, weil, es ist immer so viel in den Lagern, dass damit der Weltmilchpreis beeinflusst werden kann.

Erzählerin

Erklärt Reinhild Benning, Agrarreferentin von German Watch, die Situation.

O-Ton Benning Bauern möchten hohe Einkommen haben in Form von angemessenen Preisen für ihre Agrarprodukte, für ihre Rohstoffe. Molkereien und Schlachthöfe möchten billige Rohstoffe haben, sie haben das gegenteilige Interesse. O-Ton von Butler Da muss man sehr auf die einzelnen Verbände, die bei uns Mitglied sind, abstellen. Zum Beispiel der Raiffeisen Verband. In manchen Fällen spielt er eine Rolle, bei denen es zum Beispiel um Milch geht. Weil der Raiffeisen Verband ca. 50 Prozent der bayerischen Milchverarbeitung auf genossenschaftlicher Seite vertritt. Und damit ist er natürlich ein wichtiges Sprachrohr für diese Interessen. Erzählerin Für die Interessen von Firmen wie BayWa AG, Bayernland eG, Milchwerke

Regensburg. Deren Interessen an billigen Rohstoffen haben sich durchgesetzt.

Und die Milchquote war vom Tisch. So sieht also kompetente Politikberatung aus.

Musik / Werbung Atmo / standing ovations, Sektkorken knallen, Happy Birthday Gesang Sprecher / Werbung [https://www.bayerischerbauernverband.de/themen/land-verband/75-jahre-einsatz-

fuer-bauernfamilien-11078]

75 Jahre Einsatz für Bauernfamilien. Großes Gewinnspiel zum BBV-Jubiläum

Im Jahr 2020 feiert der Bayerische Bauernverband sein 75-jähriges Jubiläum. Wir

nutzen die Gelegenheit, um nach vorn zu blicken - und Sie können dabei tolle Preise

gewinnen!

Erzählerin

Wirbt der Bayerische Bauernverband auf seiner Website.

Kompetenz aus einer Hand! heißt es auf einem seiner Plakate

Musik

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O-Ton Borst Die Informationsvermittlung an die Betriebe alle, das ist die Kerntätigkeit Bayerischer Bauernverband. Unsere Aufgabe als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Erzählerin

Und dafür eben gibt es die Kostenerstattungen von jährlich rund 1,5 Millionen Euro.

Schon im Jahr 2012 richtete die Abgeordnete von Bündnis 90 / Die Grünen Anne

Franke eine schriftliche Anfrage an die Landtagspräsidentin: Sie forderte eine

Begründung für die übertragenen Aufgaben und die damit verbundene wirtschaftliche

Sonderstellung des Bayerischen Bauernverbandes. Der Staatsminister für

Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Helmut Brunner ließ als Antwort wie immer

das Agrarwirtschafts-Gesetz zitieren:

Auf Musik Zitator 1 (im Zeitraffer)

Der Bayerische Bauernverband nimmt gemäß Art. 5 Abs. 2 des

Bayerischen Agrarwirtschaftsgesetzes als atypische Körperschaft des öffentlichen

Rechts die ihm, insbesondere nach Maßgabe der Verordnung Nr. 106 über die

Aufgaben des Bayerischen Bauernverbandes, übertragenen Aufgaben wahr. Der

BBV nimmt zu allen für die Land und Forstwirtschaft relevanten Gesetzesvorhaben

auf EU, Bundes und Landesebene Stellung und bringt die Interessen der

Agrarwirtschaft ein.

Häufig enthalten die schriftlichen Stellungnahmen des BBV zu Normgebungen auch

konkrete Vorschläge für Gesetzesformulierungen. Daneben gibt es auch Vorschläge

zu Gesetzesänderungen. Eine Aussage, wie viele und welche Organisationen die

Staatsregierung bei Gesetzesvorhaben beraten, ist dem Bayerischen

Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht abschließend

möglich.

(Zeitraffer weg)

Grundsätzlich werden im Rahmen von Gesetzesvorhaben

Nichtregierungsorganisationen und sonstige Institutionen gehört. Für diese

Stellungnahmen werden keinerlei Entgelte gewährt.

Erzählerin

Warum das so ist, wird nicht beantwortet. Eine Email aus der Presseabteilung des

Ministeriums gibt aber darüber Aufschluss:

Zitator 1 17.12.2019. Sehr geehrte Frau Bauer, hier nun unsere Antwort auf Ihre Anfrage: Der Bayerischen Staatsregierung und dem Landtag ist es im Sinne effizienter Abstimmungsprozesse ein besonderes Anliegen, dass die Interessen der gesamten Landwirtschaft durch einen Einheitsverband gebündelt werden. Aus diesem Grunde

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wurde die Sonderstellung des Bayerischen Bauernverbandes vom Gesetzgeber auch im Bayerischen Agrar-Wirtschafts-Gesetz manifestiert. Durch die Übertragung werden die oben genannten Aufgaben erfüllt. Der Staat kann sich aus den übertragenen Aufgaben zurückziehen. Atmo

O-Ton Kirchinger Das Landwirtschaftsministerium hat den Bauernverband in den Griff bekommen. Und da hat es natürlich nicht Interesse, da irgendwelche anderen reinzulassen. Schauen Sie, die Frage: wenn ein Amtschef des Bayrischen Landwirtschaftsministeriums Mitglied der CSU ist, beeinflusst die CSU dann das Landwirtschaftsministerium oder beeinflusst das Landwirtschaftsministerium die CSU? Diese Frage wird nie gestellt!! Es ist immer klar, dass die CSU das Landwirtschaftsministerium beeinflusst, warum wird die Frage nicht umgekehrt gestellt? Aber ich habe Ihnen schon gesagt, Sie müssen dieses Feld als Kontinuum betrachten, dieses Politikfeld Landwirtschaft ist im Hinblick auf die Organisationen: Landwirtschaftsministerium, Politik, also Parteien, Bauernverband ein Kontinuum.

Erzählerin

Der Bayerische Bauernverband ist folglich die Schnittstelle zwischen Politik,

Bürokratie, Agro-Industrie und den Bauern. Der Einheitsverband garantiert die

Durchlässigkeit in alle Richtungen erklärt der Historiker Johann Kirchinger.

O-Ton Kirchinger Also das ist in der Politikwissenschaft keine neue große Erkenntnis, dass Verbände nicht nur dazu dienen, Interessen gegenüber dem Staat zu vertreten, sondern dass Verbände auch Interessen des Staates oder der Politik gegenüber ihrer eigenen Klientel vertreten.

Erzählerin

Deshalb ist es interessant zu wissen, dass der Raiffeisenverband nicht nur Mitglied

im Bayerischen Bauernverband, sondern der Bayerische Bauernverband auch

Mitglied im Raiffeisenverband ist. Und beide sind Mitglied in der VLI, der

Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie e.V., in der sie alle eng zusammensitzen,

die Agro-Industrie, die Agro-Chemie, die Bürokratie in Form von

Landwirtschaftskammern, die Versicherungen und die Banken. Und die

Bauernverbände.

Musik / Werbung Sprecher / Werbung [https://www.vli-agribusiness.de/fileadmin/documents/D_B_K_02_28.pdf] Die erfolgreiche Arbeit des Bauernverbands beruht nicht zuletzt auch auf der Zusammenarbeit mit anderen, dem Agrobusiness nahestehenden Organisationen und Verbänden. Ein Baustein dieses Netzwerkes ist seit vielen Jahren die in Kassel ansässige Verbindungsstelle Landwirtschaft – Industrie, kurz die VLI! Erzählerin

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Auf ihren Webseiten wirbt die VLI für ihre Kompetenz als Netzwerker. Sprecher / Werbung [https://www.vli-agribusiness.de/home/] Unser erklärtes Ziel ist es, den Dialog zwischen Landwirtschaft und Industrie zu fördern. Ein übergeordnetes Ziel bildet die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Industriestandortes Deutschland unter Beachtung der Internationalisierung der Märkte. Dies wird durch den persönlichen Einsatz eines jeden VLI-Mitgliedes im Sinne eines Botschafters gemeinsamer Ziele und Interessen von Landwirtschaft und Industrie möglich.

Atmo O-Ton Siglreithmaier Das ist unser Bauernverband, der wird schlechthin als Lobbyist bezeichnet! Mit ein paar bäuerlichen Organisationen, die BayWa noch, und von mir aus sind noch ein paar Pflanzenschutzmittelfirmen, was weiß ich, Bayer oder BASF, oder weiß der Kuckuck was, das ist die Agrar-Lobby, wie es so geschwollen heißt, die, was aber in meinen Augen in der Form gar nicht gibt. Weil, die vertreten halt die Interessen der Landwirtschaft und das muss doch legitim sein!

Erzählerin Sebastian Siglreithmaier und Matthias Michlbauer, BBV-Geschäftsführer in Traunstein, sitzen noch immer bei ihrem Kollegen Tobias Heiß bei Kaffee und Krapfen am Küchentisch. Es verbindet die drei Männer ein gewisser Stolz auf ihren Verband. O-Ton Heiß Die Struktur ist sehr engmaschig, bis runter zu dem kleinsten Dorf. Bei dem Ortsobmann laufen diese Informationen aus der Geschäftsstelle ein, und der macht dann in regelmäßigen Abständen auch Versammlungen beim Wirt zum Beispiel. Ist gesellschaftlich eine gute Sache, weil da der Austausch stattfindet, damit eben die Information ganz nach unten durchkommt. Ich bin überzeugt beim Bauernverband Mitglied, weil ich ohne den Bauernverband diese Informationen oder sehr wichtige Informationen gar nicht bekäme.

Erzählerin

Das Gespräch wendet sich der aktuellen Dünge-Verordnung zu. Deutschland drohte

ein Vertragsverletzungsverfahren der EU: wegen zu hoher Nitratwerte in Gewässern

als Folge der Überdüngung landwirtschaftlicher Flächen. Deshalb hat das

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein Gesetz zur

Mengenbegrenzung verabschiedet, das seit April 2020 gilt. Um Nitrat-Werte im

Grundwasser zu ermitteln, wurde ein Mess-Stellen Netz eingerichtet. Schon 1996

wurden Daten aus 186 Mess-Stellen ausgewertet.

Die Bauern sind bis heute mit der Dichte des Messstellennetzes im hohen Maße

unzufrieden.

O-Ton Heiß Ich hab den Eindruck, dass da vielleicht einfach ein Vertrauensverhältnis da war, wo

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es geheißen hat, ja, gut, wir haben die Messwerte und in Deutschland wird alles nach Recht und Ordnung gemacht. Vielleicht ist das irgendwo unter den Tisch neigerutscht und hat da keiner so genau draufgeschaut, ob diese Messstellen überhaupt für diese Sache geeignet sind. Es schaut fast danach aus! O-Ton Michlbauer Ich möchte, dass das differenzierter ist, dass das ausgeweitet wird, dass wir mehr Messstellen haben, um ein repräsentatives Ergebnis an die EU melden zu können. O-Ton Heiß Man kann das auch nicht von dem kleinen Landwirt verlangen, dass er sich drum kümmern muss, für das haben wir unsere Ministerien, unsere Wasserwirtschaftsämter undundund. Man kann nicht vom Landwirt oder auch vom Bauernverband verlangen, dass der das alles bis ins kleinste nachrecherchiert und kontrolliert, ob das damals alles richtig gelaufen ist. O-Ton Michlbauer 2006 hat man sich vereinbart, dass die Bunderegierung bis 2012 die Düngeverordnung überprüfen muss, das ist nicht passiert, erst mit Verspätung. 2017 haben wir Knall auf Fall eine neue Düngeverordnung bekommen, die in der Praxis tatsächlich schon ein großes Problem ist. Aber jetzt neuerlich noch etwas draufzusetzen, was ohne jegliche Begründung ist, und wo es keine Messergebnisse von den dazwischen liegenden Neuerungen von unserer Düngeverordnung 2017 gibt, ist einfach praxisfremd und nicht vertretbar. Also ich bin Angestellter beim Bauernverband, der Bauernverband, der bayerische, hat es sicher nicht versaubeutelt, aber die Politik hat hier einiges schleifen lassen.

Erzählerin

Die Bauern reden sich allmählich in Rage. So entstehen falsche Fakten.

Alle vier Jahre veröffentlicht die Bundesregierung ihren Nitratbericht an die EU. Den

letzten fristgerecht 2016. Der basierte auf Daten aus einem 2014 komplett

überarbeiteten Mess-Stellennetzwerk.

Die Bauern reagieren auf dieses Faktum überrascht.

O-Ton Michlbauer Zu 2014 kann ich jetzt nichts ergänzen, weil ich es nicht weiß. Ich weiß nicht, was für ein Kompromiss da gefunden worden ist, also ich werde dem nachgehen. O-Ton Benning Damals ist unter Berücksichtigung der Beratung, also quasi mit Beteiligung der Bauernverbände das Messstellen-Netzwerk in Deutschland komplett überarbeitet worden, und dann ein repräsentatives Netzwerk eingerichtet worden. Was ich besonders infam finde, ist jetzt, 2020, zu sagen, die Messstellen seien nicht in Ordnung. Man hat damals daran mitgearbeitet, die Messstellen repräsentativ zu machen, und dann muss es auch mal gut sein.

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Erzählerin

Reinhild Benning, Agrarexpertin von German Watch, könnte den Bauern bei der

Recherche behilflich sein. Sie ist die immer gleichen Klagen, letztlich aufgrund

mangelnder Information, allmählich leid. Im Nitratbericht 2016 heißt zum

überarbeiteten Messnetz:

Zitator 2

Aus den nun zur Verfügung stehenden 1.200 Messstellen ergab sich für Deutschland

eine Messnetzdichte von ca. 3,5 Messstellen pro 1000km2. Das neue EU-A-

Messnetz gibt damit einen repräsentativen Überblick über die Belastung des

Grundwassers mit Nitrat in Deutschland über alle Landnutzungen und ist Grundlage

der Auswertungen des vorliegenden Berichts.

Erzählerin

Dazu veröffentlichte der Deutsche Bauernverband am 3. Januar 2017 eine

Stellungnahme:

Zitator 1

Der Nitratbericht von 2016 enthält erstmals Daten aus dem 2014 neu aufgestellten

repräsentativen Messnetz. Im neuen Nitratbelastungsmessnetz werden im

Gegensatz zum alten Belastungsmessnetz nicht mehr an rund 50 Prozent der Mess-

Stellen die Schwellenwerte überschritten, sondern nur noch an gut einem Viertel.

Dies trägt dazu bei, die Diskussion um die Gewässerqualität zu versachlichen und

den Gewässerzustand nicht schlechter darzustellen als er ist.

Erzählerin

Das kann man wohl nicht anders verstehen, als dass der Deutsche Bauernverband

mit der Überarbeitung des Mess-Stellen-Netzwerks von 2014 zufrieden war.

Wie ist es möglich, dass drei Mitglieder des Bayerischen Bauernverbands von dem

neuen Mess-Stellen-Netz nichts wissen?

Immerhin sind zwei von ihnen Funktionäre. Und der dritte hat die Protestfahrt der

Traktoren von 'Land schafft Verbindung' nach Berlin mit organisiert.

__________________________________________________

Atmo/Musik

O-Ton Ebner Der Bauernverband hat ein ganz enges Netz, wo er auch die bayerischen Traditionen hoch missbraucht, also das Dirndl und das Volksfest und der Maibaum, Erzählerin Sagt Rupert Ebner, der Agrarsprecher der Grünen in Bayern. O-Ton Ebner ist ganz tief involviert in vermeintliche Traditionen, und es traut sich praktisch niemand, diesen Knoten zu durchschlagen und zu sagen, wir müssen unsere

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wirtschaftlichen Interessen, die ich als der einzelne Bauer habe, sauber formulieren! Sondern man überlässt es diesem Moloch Bauernverband, der auch durch das Delegiertensystem ja keine Demokratie hat.

Erzählerin

Töchterunternehmen und Dienstleister des Bayerischen Bauernverbands:

Zitator 1

[https:///www.bayerischerbauernverband.de/der-bbv/bbv-

dienstleistungsunternehmen]

BBV Beratungsdienst, BBV Bildungswerk, BBV Buchstelle, BBV Computerdienst,

BBV Landsiedlung, BBV Service Versicherungen, BBV Touristik, BBV Verkehr und

Technik

Erzählerin

Wie die Bauern am Küchentisch zufrieden bemerkt haben, ist der Bayerische

Bauernverband sehr geschickt darin, engmaschige Netze zu spinnen und den

eigenen Einfluss dahinter auszubauen.

Zitator 1

Deutscher Landwirtschaftsverlag, Einkaufen auf dem Bauernhof, Haus der

Bayerischen Landwirtschaft Herrsching, Landwirtschaftliche Qualitätssicherung,

Bayerischer Milchförderungsfonds, Urlaub auf dem Bauernhof.

Erzählerin

Schauen wir pars pro toto auf die Landwirtschaftliche Qualitätssicherung, die LQB

GmbH. Sie teilt sich mit dem Bayerischen Bauernverband die Münchner Nobel-

Adresse. Die Geschäftsleitung haben zwei Herren inne, Christian Kagerer, der

gleichzeitig Geschäftsführer des Fleischprüfringes ist, und Carl von Butler,

stellvertretender Generalsekretär des BBV.

Musik Werbung Sprecher / Werbung

[https://www.lq-bayern.de/]

Die LQB hat es sich zur Aufgabe gemacht, die verschiedenen

Qualitätssicherungssysteme … zu bündeln und als … Schnittstelle zwischen

landwirtschaftlichen Betrieben und …. Vermarktern zu fungieren. Unsere

Kernkompetenz ist das Ausarbeiten von Kontrollkonzepten. Wir machen Sie fit fürs

Audit der Qualitätssicherungssysteme GQ und QS! Damit einer erfolgreichen

Zertifizierung nichts im Wege steht!!

Erzählerin

GQ, Geprüfte Qualität in Bayern, und QS, Qualitätssystem, sind die Kürzel für

Prüfsiegel. Vermarktungszertifikate, die nach einer Kontrolle verliehen werden und

dem Verbraucher wieder Vertrauen in Produkte der konventionellen Landwirtschaft

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einflößen sollen. Hauseigene Konkurrenz zu den Bio-Siegeln sozusagen. Carl von

Butler gibt bereitwillig Auskunft.

O-Ton von Butler Da gibt es eine Landwirtschaftliche Qualitätssicherung Bayern GmbH, die ungefähr zur Hälfte dem Bayerischen Bauernverband gehört und zur anderen Hälfte der Schlachtwirtschaft. Die letzte Auftragsvergabe der LQB ist an die QAL GmbH erfolgt. Die QAL GmbH ist ein Tochterunternehmen des Fleischprüfrings. Und nachdem die LQB der größte Lizenznehmer ist, handelt es sich da- zwischen, naja - fünfzehnhundert und zweieinhalbtausend Kontrollen, die pro Jahr abgewickelt werden müssen. Das schafft die QAL alleine nicht, und bindet deshalb sinnvoller Weise auch Kontrolleure, die beim Milchprüfring beschäftigt sind, ein.

Erzählerin

[https://www.qal-gmbh.de/qal-gmbh/ueber-uns/]

Carl von Butler Zahlenangaben sind sehr vorsichtig angesetzt, die QAL GmbH gibt

auf ihrer Website 25.000 erfolgreiche Zertifizierungen pro Jahr an.

Gewinne werden bei der Gelegenheit natürlich auch gemacht:

Interessant ist die Nähe der beiden Qualitätssicherungsgesellschaften zu

Milchprüfring und Fleischprüfring. Diese beiden sind eigenständige Unternehmen,

aber im Sinn des Ministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten auch

Zitator 1

…mit Hoheitsaufgaben beliehene Unternehmer des Freistaats Bayern.

Erzählerin

Auf der Website des Milchprüfrings lässt sich das so nachlesen:

Zitator 2

"Der Milchprüfring Bayern e.V. führt im Rahmen des Programms GQ, 'Geprüfte

Qualität in Bayern' des Bayerischen Bauern Verbands im Auftrag der QAL GmbH …

Kontrollen durch und leitet die Ergebnisse an die QAL GmbH … weiter."

Erzähler

Dabei ist GQ angeblich ein Label, das im Auftrag des Bayerischen

Landwirtschaftsministeriums entwickelt und vermarktet wurde.

Der Milchprüfring, als beliehenes Unternehmen der Freistaates Bayern eigentlich

zuständig für die Umsetzung der Milchgüteverordnung, lässt sich also über die QAL

von der LQB, einer Tochter des Bayrischen Bauernverbands, in den Dienst nehmen.

Das klingt nicht nur undurchsichtig. Das ist es auch.

Der Vorstandsvorsitzende des Milchprüfrings wurde vom Bayrischen Bauernverband

bestellt, der 1. Stellvertreter vom Verband der Bayerischen Privaten Milchwirtschaft

e.V., der 2. Stellvertreter vom Genossenschaftsverband Bayern e.V. Einen Vertreter

des Bundes Deutscher Milcherzeuger sucht man im Vorstand vergeblich.

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So sehen erfolgreiche Geschäftsmodelle aus. Kompetenz aus einer Hand.

O-Ton Kirchinger Der Bauernverband hat keine hoheitlichen Aufgaben, man kann das aber umgehen. Und er hat das umgangen, und zwar durch sogenannte beliehene Unternehmen. Also, in der bayerischen Verfassung steht, dass der Bauernverband keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen darf, aber es steht natürlich nirgends drin, dass der Bauernverband keine Unternehmen gründen darf.

Musik / alle Sprecher*in summen 'Kein schöner Land' unterlegen O-Ton von Butler Nach '45 war es wieder wichtig, die Bevölkerung demokratisch zu erziehen. Und das ist ja eine Aufgabe des Bayerischen Bauernverbands bis zum heutigen Tage, deren Volumen man nicht unterschätzen darf. Wir kommen in rauheres Fahrwasser, … (Stimme versagt) das wird noch kritisch werden! Und da spielt der Bauernverband eine Rolle und das ist unsere Verantwortung.

Erzählerin

Was meint Herr von Butler mit 'rauherem Fahrwasser'? Warum versagt ihm die

Stimme? Fürchtet er vielleicht, dass er seiner Aufgabe, die Bauern im Freistaat zur

Demokratie zu erziehen, nicht mehr gerecht werden kann?

Und „seine“ Bauern nicht mehr mehrheitlich CSU wählen, sondern die AfD?

Atmo+Musik / Montage

Absage

Kompetenz aus einer Hand

Die besonderen Aufgaben des Bayerischen Bauernverbands

Sie hörten ein Feature von Nora Bauer

O-Ton Kirchinger Ich schätze den eigenen Handlungsspielraum von Politik, von Politikern gegenüber vorhandene Strukturen äußerst gering ein. Ich entdecke in meiner Forschung immer weniger handelnde Personen. Ich will dem Bauernverband nicht an den Karren fahren, ich will ihn nur historisch genau positionieren. Und meiner Ansicht nach, ist er nicht der mit sicherer Hand über die Landwirtschaft wacht, damit da alles gut läuft. Das ist er sicher nicht.

Absage

Ton und Technik: Gunther Rose und Roman Weingardt

Es sprachen: Anjorka Strechel, Tom Jacobs, Markus Scheumann und David

Vormweg

Regie: Nora Bauer

Redaktion: Ulrike Bajohr

Eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Bayerischen Rundfunk, 2020