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Messen und Entwickeln beruflicher Kompetenzen (COMET) Methodenhandbuch Felix Rauner

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Messen und Entwickeln beruflicher Kompetenzen (COMET )

Methodenhandbuch

Felix Rauner

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MethodenhandbuchMessen und Entwickeln beruflicher

Kompetenzen (COMET)

Felix Rauner unter Mitarbeit von: Nele Bachmann, Joy Backhaus, Birgitt Erdwien, Jenny Franke, Jenny Frenzel, Karin Gäumann-Felix, Ursel Hauschildt,

Bernd Haasler, Lars Heinemann, Daniel Hofer, Li Ji, Johanna Kalvelage, Jürgen Lehberger, Thomas Martens, Dorothea Piening, Zhiqun Zhao,

Yingyi Zhou, Rongxia Zhuang

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Felix Raunerunter Mitarbeit von: Nele Bachmann, Joy Backhaus, Birgitt Erdwien, Jenny Franke, Jenny Frenzel, Karin Gäumann-Felix, Ursel Hauschildt, Bernd Haasler, Lars Heinemann, Daniel Hofer, Li Ji, Johanna Kalvelage, Jürgen Lehberger, Thomas Martens, Dorothea Piening, Zhiqun Zhao, Yingyi Zhou, Rongxia Zhuang

Methodenhandbuch

Messen und Entwickeln beruflicherKompetenzen (COMET )

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© W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG Bielefeld 2017

Gesamtherstellung: W. Bertelsmann Verlag, Bielefeldwbv.de

Bestellnummer: 6004578ISBN (Print): 978-3-7639-5817-7ISBN (E-Book): 978-3-7639-5818-4

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Kapitel 1 Berufliche Kompetenz als Gegenstand der Kompetenzdiagnostik . . . . . . . . . . 141.1 Gestalten statt Anpassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151.2 Möglichkeiten und Grenzen der Large Scale-Kompetenzdiagnostik (LS–KD) . . . . . . . 18

Kapitel 2 Kategorialer Rahmen für die Modellierung und das Messen beruflicherKompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2.1 Die Berufsform gesellschaftlicher Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.2 Die Gestaltung von Arbeit und Technik: Implikationen für die Modellierung

beruflicher Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.3 Aufgabenanalysen: Ermitteln der charakteristischen beruflichen Arbeitsaufgaben . . . 332.4 Leitideen und Ziele beruflicher Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442.5 Theorien beruflichen Lernens und beruflicher Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Kapitel 3 Das COMET-Kompetenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623.1 Anforderungen an die Kompetenzmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633.2 Die Niveaus beruflicher Kompetenz (Anforderungsdimension) . . . . . . . . . . . . . . . . . 653.3 Struktur der Inhaltsdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693.4 Die Handlungsdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723.5 Eine berufsübergreifende Struktur beruflicher Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743.6 Erweitern des Kompetenzmodells: Umsetzung des Geplanten . . . . . . . . . . . . . . . . . 763.7 Identität und Engagement – eine Dimension der beruflichen Kompetenzentwicklung 78

Kapitel 4 Entwicklung offener Testaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884.1 Experten-Fachkräfte-Workshops zur Identifizierung der charakteristischen beruflichen

Arbeitsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 894.2 Ein offenes Testformat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934.3 Berufsübergreifende und fachbezogene Testaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954.4 Testarrangements für inhaltlich verwandte berufliche Bildungsgänge

unterschiedlicher Qualifikationsniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 964.5 Beschreibung der Lösungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 994.6 Evaluation und Auswahl von Testaufgaben: Pretest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1014.7 Test-Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1164.8 Schwierigkeitsgrad – ein problematisches Gütekriterium für Testaufgaben zum

Messen beruflicher Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

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Kapitel 5 Psychometrische Evaluation des Kompetenz- und Messmodells beruflicheBildung – COMET . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

5.1 Was macht eigentlich die Messung beruflicher Kompetenz so schwierig?Thomas Martens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

5.2 Absichern der Interrater-Reliabilität des COMET-Testverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 1375.3 Latent-Class-Analyse des COMET-Kompetenz- und Messmodells

Thomas Martens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1405.4 Konfirmatorische Faktorenanalyse

Johanna Kalvelage, Yingyi Zhou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1545.5 Validität und Interrater-Reliabilität bei der interkulturellen Anwendung der COMET-

KompetenzdiagnostikRongxia Zhuang/Li Ji . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Kapitel 6 Durchführen von Tests und Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1706.1 Wie Kompetenzdiagnostik und Prüfen zusammenhängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1716.2 Messen beruflicher Handlungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1796.3 Zusammenhangsanalysen zwischen Prüfungen und der Kompetenzdiagnostik für

Kfz-Mechatroniker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1926.4 Messen der Testmotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1966.5 Planen und Durchführen von COMET-Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Kapitel 7 Bewerten und Darstellen der Testergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2437.1 Die Einordnung individueller Leistungen in die beruflichen Kompetenzniveaus . . . . . 2457.2 Graphische Darstellung der Testergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2497.3 Die Kompetenzausprägung als Kompetenzprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2547.4 Heterogenität beruflicher Kompetenzausprägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2587.5 Messen von Identität und Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2667.6 Identität und Engagement als Determinanten beruflicher Entwicklung . . . . . . . . . . . 2767.7 Zum Zusammenhang zwischen der Entwicklung beruflicher Kompetenz und

beruflicher Identität/beruflichem Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Kapitel 8 Messen beruflicher Kompetenz von Lehrern beruflicher Fachrichtungen(LbF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

8.1 Begründungsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2898.2 Handlungs- und Berufsfelder für Berufsschullehrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2918.3 Das Kompetenzmodell „LbF“ (Berufsschullehrer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2978.4 Das Messmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3008.5 Testaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3048.6 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3068.7 Bewertung von Lehrproben im Rahmen der zweiten Phase der Ausbildung von

Lehrern mit einer beruflichen Fachrichtung (LbF): ein ErprobungsmodellJürgen Lehberger, Felix Rauner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

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8.8 Entwicklung und Evaluation des Modells „sozial-kommunikative Kompetenz vonLehrern“Jürgen Lehberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

8.9 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

Kapitel 9 Die didaktische Qualität des Kompetenz- und MessmodellsJürgen Lehberger/Felix Rauner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

9.1 Mit dem Lernfeldkonzept erhält die berufliche Bildung ein originäres,bildungstheoretisches Fundament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

9.2 Gestalten beruflicher Bildungsprozesse in beruflichen Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3249.3 COMET als didaktisches Konzept in der Pflegeausbildung an höheren Fachschulen

der Schweiz: Unterrichts- und PrüfungsbeispieleKarin Gäumann-Felix/Daniel Hofer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Kapitel 10 Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375Verzeichnis der COMET-Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390Schlagwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

Kapitel 11 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400Anhang 1 Beschreibung der Lernbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401Anhang 2 Ratingskalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403Anhang 3 Beispiele für Testaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412Anhang 4 Raterübereinstimmung im Verlauf des Ratertrainings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419Anhang 5 Vier-Felder-Matrix (Tabellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420Anhang 6 Korrelationswerte zum Zusammenhang von beruflichen Kompetenzen und I-E-

Mittelwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

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Vorwort

Die Methoden der Kompetenzdiagnostik nachdem COMET-Testverfahren wurden in wenigerals einem Jahrzehnt zu einem internationaletablierten Instrumentarium für die Qualitätssi-cherung und Qualitätsentwicklung beruflicherBildung. Das methodische Instrumentarium um-fasst in seinem Kern das COMET-Kompetenz-und Messmodell als Grundlage für die Entwick-lung von Test- und Prüfungsaufgaben sowie dasBewerten der Aufgabenlösungen: das Ratingver-fahren. Die Einsicht, dass beim Lösen und Bear-beiten von Aufgaben in der Arbeitswelt stets einsituationsbezogener Lösungsraum sowie auf ge-sellschaftlicher Ebene darüber hinausreichendeGestaltungsspielräume bestehen, die es auszu-schöpfen gilt, wurde in die Form offener komple-xer Testaufgaben übersetzt. Die Erkenntnis, dassberufliche Aufgaben stets vollständig gelöst wer-den müssen, schon aus Gründen der Arbeitssi-cherheit, des Gesundheitsschutzes, der Umwelt-und Sozialverträglichkeit sowie nicht zuletzt ausGründen des Qualitätswettbewerbes, dem dieUnternehmen ausgesetzt sind, begründet dieTheorie der holistischen Lösung beruflicher Auf-gaben.Nachdem die psychometrische Evaluation desCOMET-Kompetenz- und Messmodells bereits2009 durch Thomas Martens und Birgitt Erd-wien erfolgreich verlaufen war, entwickelte sichdas COMET-Projekt zu einem internationalenForschungs- und Entwicklungsnetzwerk mit Pro-jekten zahlreicher gewerblich-technischer, kauf-männischer und personenbezogener Dienstleis-tungsberufe. Vor allem die Kooperationsprojektemit den COMET-Konsortien Chinas, unter Lei-tung von Professor Zhao Zhiqun sowie Südafri-kas, unterstützt durch die „sector education andtraining authotity merSETA“ und eine Doktoran-dengruppe, haben dazu beigetragen, die interna-tional vergleichende Berufsbildungsforschungim Bereich der interkulturellen Lehr-Lernfor-schung auszuweiten und zu profilieren.

Der Initiative von Professor Martin Fischer ist eszu verdanken, dass im Oktober 2013 im Rahmeneiner Konferenz am KIT unter dem Motto„COMET auf dem Prüfstand“ eine Zwischenbi-lanz zur COMET-Forschung gezogen werdenkonnte. Die Dokumentation der Präsentationenund Diskussionsbeiträge von COMET-Expertender Praxis, der Bildungsverwaltungen und derBerufsbildungsforschung sowie vor allem derErfahrungsaustausch mit den Kolleginnen undKollegen, die das COMET-Projekt aus einer über-geordneten berufspädagogischen Außensichtbewertet haben, trugen zu einem Konferenzer-gebnis bei, das sich nachhaltig auf die Weiterent-wicklung der COMET-Methodik ausgewirkt hat(Fischer, Rauner, Zhao 2015). Vor allem die Kritik,dass mit dem COMET-Kompetenzmodell nur diekonzeptuell-planerische berufliche Kompetenzerfasst würde, nicht jedoch das praktische Kön-nen, trug entscheidend zur Weiterentwicklungdes Kompetenz- und Messmodells bei. Inzwi-schen liegt ein erweitertes Messmodell als Grund-lage für die Durchführung kompetenzbasierterPrüfungen vor, den „praktischen“ Teil der Prü-fung eingeschlossen.Mit diesem Handbuch komme ich einem vielfäl-tig geäußerten Wunsch nach, die in den COMET-Projekten entwickelten und erprobten Methodenin einem Methodenhandbuch zusammenzufas-sen. Eine so umfangreiche Arbeit war nur mög-lich durch die Beteiligung der großen Zahl vonKolleginnen und Kollegen, die an der Entwick-lung dieser Methoden mitgearbeitet haben. DasSpektrum der dokumentierten Methoden reichtvon der Entwicklung von Testaufgaben über dieDurchführung von Pretests, Querschnitts- undLängsschnittsuntersuchungen, der Entwicklungund Evaluation von Skalen zum Messen berufli-cher und betrieblicher Identität sowie dem daraufbasierenden Engagement, der Entwicklung vonKontextanalysen bis zu einem Verfahren zumMessen der Testmotivation. Eine besondere Be-deutung kommt der Darstellung und exemplari-schen Veranschaulichung der Methoden der psy-chometrischen Überprüfung des Kompetenz-und Messmodells sowie der Skalen und Modelleder Kontextanalysen zu.

Vorwort 7

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In kaum einem anderen Feld der Berufsbildungs-forschung ist die Beteiligung von Lehrern undAusbildern am Forschungsprozess so unverzicht-bar wie in der Kompetenzdiagnostik. Das ist eineder wesentlichen Erkenntnisse aus der COMET-Forschung der vergangenen Jahre.Ich möchte mich daher bei den zahlreichen Pro-jektgruppen bedanken, die bisher an der Durch-führung der Projekte in einer zunehmendenBreite von Berufen und Fachgebieten der dualenErstausbildung, der Fachschulen und höherenFachschulen sowie der tertiären beruflichen Bil-dungsgänge ganz entscheidend mitgewirkt ha-ben. Dies gilt vor allem für die Bewertung der gro-ßen Vielfalt der Lösungen zu den Testaufgaben,die fachdidaktische Evaluation der Ratingskalensowie die Interpretation der Testergebnisse. Letz-tere setzt die intime Kenntnis der jeweiligen Lehr-Lernkontexte voraus.Das Handbuch stellt im ersten Teil noch einmalin drei einleitenden Kapiteln das COMET-Kompe-tenz- und Messmodell vor. Im vierten Kapitel wer-den die Methoden der Entwicklung und Evalua-tion von Testaufgaben dargestellt. Das fünfte Ka-pitel gibt anhand praktischer Beispiele einendetaillierten Einblick in die psychometrische Eva-luation des Testinstrumentariums.In den Kapiteln sechs und sieben werden dieSchritte der Planung, Durchführung und Auswer-tung der Tests dokumentiert.

Nachdem die Beteiligung von Lehrern und Aus-bildern an den „Schüler“-Tests zu neuen Erkennt-nissen über den Transfer der berufsfachlichenKompetenzprofile der Lehrer/Dozenten berufli-cher Fachrichtungen (LbF) auf ihre Schüler/Studierenden geführt hat, wurde die COMET-Kompetenzdiagnostik auch für LbF entwickelt.Im achten Kapitel werden die Methoden der Kom-petenzdiagnostik und -entwicklung für LbF vor-gestellt, die zur Durchführung von Large Scale-Projekten sowie für die Aus- und Fortbildung derLbF zur Verfügung stehen.Im abschließenden neunten Kapitel geht esschließlich um das aus der Sicht der Berufsbil-dungspraxis entscheidende Thema der Anwen-dung des COMET-Instrumentariums für die Ge-staltung, Organisation und Evaluation beruflicherBildungsprozesse.Ich hoffe, dass mit diesem Methodenhandbuchein Instrumentarium in einer handlichen Formzur Verfügung steht, das der Qualitätssicherungund -entwicklung in der beruflichen Bildung ei-nen kräftigen Impuls verleiht.

Bremen, im Mai 2017

Felix Rauner

8 Vorwort

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Einleitung

In den Projekten der beruflichen Kompetenzdia-gnostik COMET1 werden seit 2006 Methoden zurEntwicklung und zum Messen beruflicher Kom-petenz, beruflicher Identität und beruflichen En-gagements entwickelt und vielfältig eingeführt(Rauner 2006; COMET-Bände 1–4; Fischer,Rauner, Zhao 2015). In zahlreichen Publikatio-nen wurde dabei auch über die methodischen As-pekte dieser Forschung und der darauf basieren-den Berufsbildungspraxis berichtet. In den Dis-kussionen mit der Testcommunity, aber auch mitden für die Qualitätssicherung verantwortlichenBerufsbildungsverwaltungen und nicht zuletztmit den vielen an den COMET-Projekten beteilig-ten Lehrern und Ausbildern wurde mittlerweiledas Interesse an einer zusammenfassenden Dar-stellung der Methoden des COMET-Projektsgeäußert. Das methodische und methodologi-sche Interesse richtet sich dabei nicht nur auf dietesttheoretischen Aspekte der beruflichen Kom-petenzdiagnostik, sondern auch auf den didakti-schen Stellenwert des dem Verfahren der Kompe-tenzdiagnostik zugrundeliegenden Kompetenz-modells: Was können Lehrer und Ausbilder vonder Modellierung und vom Messen beruflicherKompetenz und beruflicher Identitätsentwick-lung für die Gestaltung und Organisation beruf-licher Bildungsprozesse lernen? Sind Test- undLernaufgaben miteinander verwandt und was un-terscheidet sie voneinander?Testtheoretisch geht es um Fragen, die allemAnschein nach in der bisherigen Diskussion umdie Methodik der Kompetenzdiagnostik in derberuflichen Bildung unterschätzt wurden. Da dasParadigma der „richtig/falsch“ zu lösenden Test-aufgaben bei der Suche nach innovativen, zweck-mäßigen und kreativen Lösungen beruflicherAufgaben in der Arbeitswelt nur einen sehr ein-geschränkten Stellenwert für spezifische Teil-

aspekte beruflicher Aufgabenlösungen hat, ver-liert hier das normorientierte Testformat – v. a.aber in der verbreiteten Form der Multiple-Choice-Aufgaben – seine Bedeutung. An seineStelle treten realitätsnahe Aufgabenstellungen,deren Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten selbstfür Fachleute manchmal kaum überschaubar ist.Schon die alltägliche Aufgabe für einen Hei-zungsmonteur, einen Kunden bei der Moderni-sierung seiner Heizung zu beraten und dabei dieVielfalt der technischen Möglichkeiten, ihre Um-weltverträglichkeit, ihren Gebrauchswert sowiedie Investitions- und Folgekosten zu berücksich-tigen und dieses Vorhaben in die betriebliche Ar-beitsplanung zu integrieren, zeigt, dass sich be-rufliche Kompetenz dadurch auszeichnet, die jegegebenen Lösungs- und Gestaltungsspielräumesituationsgerecht unter Abwägung miteinanderkonkurrierender Kriterien (und Werte) auszu-schöpfen. Ganz allgemein bedeutet das, eineKompetenzdiagnostik zu entwickeln, die sich vonder Erkenntnis leiten lässt, dass berufliche Fach-kräfte bei der Wahrnehmung großer und kleinerAufgaben eingebunden sind in Gestaltungs- undVerantwortungsprozesse, bei denen es stets umdie Suche nach klugen Kompromissen geht. Sozeichnet sich z. B. ein Zweiradmechaniker da-durch aus, dass er in der Lage ist, im Gesprächmit einem Kunden herauszufinden, welche Fahr-radkonfiguration für ihn die angemessene seinkönnte.Thomas Martens und Jürgen Rost ordnen dasMessen beruflicher Kompetenz daher zutreffendin den Kontext der kompetenzdiagnostischenDiskussion ein, in dem sie feststellen: „ImCOMET-Projekt wird ein Fähigkeitsmodell über-prüft. Es geht darum, modellhaft abzubilden, wieProbanden, deren Lösungen unterschiedliche Ausprä-gungsgrade aufweisen, offene berufliche Aufgabenstel-lungen bewältigen“ (Martens, Rost 2009, 98).Ob und wie es gelingt in einer Welt mit höchstunterschiedlichen Berufsbildungssystemen unddazu noch mit offenen Testaufgaben eine sowohlinhaltlich valide als auch nach psychometrischen

1 Anm. zur Schreibweise KOMET/COMET: Seit der von der European Training Foundation (ETF) 2010 ausgerichteten internationalenCOMET-Konferenz wurde die Schreibweise COMET eingeführt. Schriftenreihe COMET-Bände I-IV, A+B-Forschungsberichte undProjektberichte → S. 557.

Einleitung 9

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Kriterien solide international vergleichende Kom-petenzdiagnostik zu etablieren, erfordert über-zeugende Antworten. Dies gilt schon deshalb, dadie Fülle der dabei zu lösenden Probleme als eineschier unüberwindliche Hürde erscheint (vgl.Baethge u. a. 2006).Seit der erfolgreichen empirischen Überprüfungdes COMET-Testverfahrens (2007–2012) stehtnun jedoch ein Kompetenz- und Messmodell zurVerfügung, das der Kompetenzdiagnostik denZugang zur komplexen Welt der Berufe, Berufs-felder und der schier unübersehbaren Vielfalt be-ruflicher Bildungsgänge und -systeme eröffnet.In dem vorliegenden Methodenhandbuch geht esallerdings nicht nur um die grundlegenden Fra-gen der Modellierung beruflicher Kompetenzund die psychometrische Evaluation des COMET-Testverfahrens, sondern auch um die folgendenThemen:

Die Möglichkeiten und Grenzen der LargeScale-KompetenzdiagnostikSchon ein flüchtiger Blick in die Aufgabenbe-schreibungen von Berufen zeigt, dass sich zahlrei-che berufliche Kompetenzen mit einem vertretba-ren Aufwand mit den Methoden der Kompetenz-diagnostik messen lassen. Im ersten Kapitel wirddargelegt, welche beruflichen Fähigkeiten sichproblemlos und welche sich nur mit größeremAufwand empirisch erfassen lassen. Im drittenund sechsten Kapitel wird dargestellt, wie mit denMethoden der Kompetenzdiagnostik die Qualitätvon Prüfungen verbessert werden kann.

Modellieren beruflicher KompetenzDer einfachen Frage, was berufliche Kompetenzausmacht, kann ein Methodenhandbuch nichtausweichen. Erschwert wird die Antwort auf dieseeinfach erscheinende Frage dadurch, dass die be-rufspädagogische Literatur darauf sehr unter-schiedliche Antworten anbietet. Die Notwen-digkeit, diese Frage unter dem Aspekt der Model-lierung beruflicher Kompetenz sowie derKompetenzdiagnostik und der Gestaltung vonPrüfungen aufzugreifen, fordert zu einer über-zeugenden und international anschlussfähigenAntwort heraus. Das COMET-Kompetenzmodellwird im dritten und der dem Modell zugrundelie-

gende kategoriale Rahmen im zweiten Kapiteldargestellt.

Das Format der TestaufgabenDas Konzept der Testaufgaben sowie das Verfah-ren ihrer Entwicklung ist eine der Nagelproben,an denen sich ganz praktisch erweist, ob das Test-verfahren über einen jeweils nationalen Rahmenhinaus anwendbar ist. Die bisherigen Erfahrun-gen mit dem COMET-Projekt zeigen, dass in in-ternationalen Vergleichsprojekten die Beteili-gung der involvierten Länder in erster Linie davonabhängt, ob die Fachdidaktiker bzw. die Fachleh-rer und Ausbilder auch dann, wenn sie an der Ent-wicklung der Testaufgaben nicht mitgewirkt ha-ben, diese als repräsentativ und inhaltlich validefür den jeweiligen Beruf bzw. Bildungsgang be-werten. Kapitel vier widmet sich ausführlich demFragenkomplex des COMET-Testarrangements

Modellieren und Messen beruflicher Identitätund beruflichen EngagementsEine Besonderheit des COMET-Testverfahrenssind die Modellierung und das „Messen“ berufli-cher Identität und beruflichen Engagements. Da-bei geht es neben dem Messen von Motivation alseiner Variablen, die zur Interpretation der gemes-senen Kompetenz herangezogen wird, um einzentrales Anliegen (Ziel) der beruflichen Bildung.Die Entwicklung beruflicher Kompetenz und be-ruflicher Identität gilt in der Berufspädagogik alsein sich wechselseitig bedingender, nicht auflös-barer Zusammenhang (Blankertz 1983). Die Er-weiterung des Kompetenz- und Messmodells umdiesen Aspekt der beruflichen Entwicklung wirdin Kap. 3.6 behandelt.

Modellieren und Messen der Kompetenz vonLehrern beruflicher FachrichtungenNachdem die Beteiligung von Lehrern und Aus-bildern an den „Schüler“-Tests zu neuen Erkennt-nissen über den Transfer der berufsfachlichenKompetenzprofile der Lehrer auf ihre Schüler/Studierenden geführt hat, wurde die Methode derCOMET-Kompetenzdiagnostik auch für Lehrerberuflicher Fachrichtungen (LbF) entwickelt underprobt. Im achten Kapitel wird das COMET-Kompetenz-und Messmodell dargestellt und be-

10 Einleitung

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gründet. Der Stand der Forschung zeigt, dass da-mit jetzt ein Instrumentarium für Large Scale-Projekte sowie für die Aus- und Fortbildung vonLbF zur Verfügung steht.

Die Gütekriterien für die beruflicheKompetenzdiagnostik und die Gestaltung vonPrüfungenDa die Methoden der Kompetenzdiagnostik inder beruflichen Bildung sich ganz offensichtlichin wesentlichen Punkten von denen der allgemei-nen Bildung unterscheiden, ist zu klären, wie dieGütekriterien für die Kompetenzdiagnostik in derberuflichen Bildung interpretiert werden müs-sen.Das Buch ist so angelegt, dass Teile, in denenteststatistische Verfahren und methodologischeFragestellungen vertieft diskutiert werden, vomeiligen Leser auch übersprungen werden können.

Das COMET-Methodenbuch ist gedacht für▪ Lehrer, Ausbilder und Personalentwickler, diesich mit dem Stand der Entwicklung und For-schung im Bereich der Kompetenzdiagnostik be-rufliche Bildung vertraut machen wollen;▪ für Studierende und Wissenschaftler der Be-rufspädagogik, der beruflichen Fachrichtungenund ihrer Didaktik sowie der Berufsbildungsfor-schung, die sich diesem Forschungsschwerpunktzuwenden wollen und▪ Berufsbildungsplaner und das Berufsbildungs-management, die vor der Aufgabe stehen, die me-thodischen Instrumente der Kompetenzmessungund -entwicklung für die Qualitätssicherung und-entwicklung in der beruflichen Bildung auf derEbene der Gestaltung und Organisation berufli-cher Lernprozesse zu nutzen.

Einleitung 11

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Kapitel 1Berufliche Kompetenz als Gegenstandder Kompetenzdiagnostik

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1.1 Gestalten statt Anpassen

Die Bestimmung der Ziele beruflicher Bildung istseit jeher geprägt durch das Spannungsverhältniszwischen den auf die Entwicklung der Persönlich-keit zielenden Bildungszielen und den Qualifika-tionsanforderungen der Arbeitswelt sowie dendaraus abgeleiteten (Ausbildungs-) Zielen. Inder berufspädagogischen Diskussion lässt sicheine Vielzahl von Versuchen ausmachen, diesesSpannungsverhältnis in der Form eines ganzheit-lichen Berufsbildungskonzepts (Ott 1998; Heid1999) aufzulösen. Auf die Tradition der Meister-schaft (i. w. S.) wird oft als ein Beispiel einer ganz-heitlichen Berufsbildung verwiesen. RichardSennett hat mit seinem Buch „Handwerk“ diesozial-historischen und philosophischen Wur-zeln der Meisterschaft untersucht und ihr eineweit über das institutionalisierte Handwerk hi-nausreichende Bedeutung zugemessen, in demer der Welt der fragmentierten Fertigkeiten dieMeisterschaft entgegenstellt (Sennett 2008).Die emphatische Formel der „Bildung im Medi-um des Berufes“ repräsentiert wohl am ehestendie immer aufs Neue unternommenen Versuche,Bildung und Qualifikation miteinander zu ver-söhnen (Blankertz 1972). Harry Bravermanstuft mit seiner De-Skilling-These solche Versu-che als idealistische Fehleinschätzungen der Ar-beitswirklichkeit ein. Ihr wohne das Prinzip derDequalifizierung inne, zumindest in der indus-triellen Arbeit mit ihren Prozessen der fortschrei-tenden Maschinisierung menschlicher Arbeit –unter den Bedingungen der kapitalistischen Ka-pitalverwertung (Braverman 1974). In den vom1969 gegründeten Bundesinstitut für Berufsbil-dungsforschung (BBF) initiierten industriesozio-logischen Studien zum Wandel der Qualifika-tionsanforderungen im Bereich der industriellenFacharbeit bestätigen die Autoren diese Thesebzw. modifizieren sie zur sogenannten Polarisie-rungsthese. Danach steht der größeren Zahl derDequalifizierten die kleinere Gruppe der Höher-qualifizierten gegenüber: die Rationalisierungs-gewinner (Kern, Schumann 1970; Baethge u. a.1976). Diese Position findet sich gelegentlichauch in aktuelleren Diskussionsbeiträgen. NicoHirtt sieht die angelsächsische Tradition der

„competency-based education“ als Ausdruck der„marketisation of education“ und als Antwort aufeine technologisch und ökonomisch induzierte„low skilled work force“ (Hirtt 2011, 172).Zwei Strategien wurden dem Trend der vermeint-lich fortschreitenden Taylorisierung der berufli-chen Arbeit entgegengesetzt.(1) Der Rückzug der beruflichen Bildung auf dassichere Terrain der berufsübergreifenden Bildungunter den schützenden Schirm staatlicher Bil-dungspolitik eröffne den Zugang zur allgemei-nen und damit auch zur „akademischen“ Bildung(Kruse 1976, 262; Grünewald 1979, 15 ff.).(2) Die arbeitswissenschaftliche Initiative der Hu-manisierung der Arbeit wurde mit Forschungs-und Entwicklungsprogrammen des Bundes undder Länder gestützt (vgl. zusammenfassend Bröd-ner, Oehlke 2008). Diese setzten der fortschrei-tenden Arbeitsteilung das ganzheitliche Konzeptder vollständigen Arbeitshandlung entgegen und be-gründeten dies handlungstheoretisch. Danachumfasst eine menschliche Handlung eine Anzahldefinierter, aufeinander aufbauender Schritte,um die Arbeitshandlung wieder als eine Einheitvon Planen, Durchführen und Bewerten zu betrach-ten und zu gestalten. Damit erhält die Leitidee dervollständigen Arbeitshandlung eine handlungs-theoretische (wissenschaftliche) Grundlage (vgl.Hacker 1973, Volpert 2003). Bei genaueremHinsehen basieren die Konzepte humaner und so-zialverträglicher Arbeitsgestaltung darauf, in einerArbeitswelt, die durch den technisch-ökonomi-schen Wandel determiniert zu sein scheint, Refu-gien für Humanisierungsziele zu begründen.Erst in den 1980er Jahren gelang es, im Zuge ei-ner kritischen Auseinandersetzung mit dem öko-nomischen und technologischen Determinismus dieGrundlagen für das Paradigma der Gestaltung undGestaltungsbedürftigkeit von „Arbeit und Technik“ zubegründen und die darauf Bezug nehmende Leit-idee der Befähigung zur Mitgestaltung der Arbeits-welt zu formulieren (Rauner 1988). Technik wirdhier nicht mehr als ein Faktor gesehen, der beruf-liches Handeln (und damit auch berufliche Qua-lifikationsanforderungen) determiniert. Vielmehrwird von einem Wechselverhältnis zwischen dertechnologischen Entwicklung sowie der Gestal-tung und Organisation von Arbeit und Bildung

Kapitel 1 Berufliche Kompetenz als Gegenstand der Kompetenzdiagnostik 15

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ausgegangen. Die Qualifizierung der Beschäftig-ten wird danach nicht länger über die Qualifika-tionsanforderungen definiert, sondern als relativunabhängiges Potenzial für Innovationen im Ar-beitsprozess verstanden. Aus ökonomischer Sichtbegründet Dieter Ganguin diesen Perspektiv-wechsel: „Wenn flache Organisationsstrukturen, ko-operatives Management, Arbeit im Team und auto-nome Entscheidungen wesentliche Merkmale zukünf-tiger Arbeitsorganisation sind, muss dies sowohlgelehrt als auch trainiert werden. Daher muss die Be-rufsbildung völlig neue Wege gehen […]. Das Grund-muster vom mündigen, eigenverantwortlichen undsozial handelnden Bürger muss zur Leitidee jeglicherBildung werden“ (Ganguin 1992, 33).2 Der bil-dungsprogrammatisch und bildungstheoretischvollzogene Paradigmenwechsel von einer auf An-passung an die Arbeitswelt hin zu einer auf ihre(Mit-)Gestaltung zielenden beruflichen Bildungmarkiert einen konsequenten Schritt hin zu einermodernen Berufspädagogik. Dass zahlreicheWissenschaften, Forschungstraditionen und diePolitik an einem technikdeterministischen Welt-verständnis bis Ende der 1980er Jahre festgehal-ten haben (vgl. Lutz 1988, 16 ff.), ist heute kaumnoch zu verstehen. Bis zur Umsetzung einernicht-deterministischen beruflichen Bildung, diesich konsequent an der Leitidee der Gestaltungs-kompetenz orientiert, war es ein durch vielfältigeUm- und Irrwege gekennzeichneter Weg, dernoch immer nicht so ausgearbeitet ist, dass ermühelos in der Berufsbildungspraxis begangenwerden kann. Als Meilenstein kann die Vereinba-rung der Kultusministerkonferenz über die Be-rufsschule von 1991 sowie der mit Blick aufden allgemeinen Bildungsauftrag der beruflichenSchulen formulierte Anspruch betrachtet wer-den, die Auszubildenden zu befähigen, die Arbeits-welt und die Gesellschaft in sozialer und ökologischerVerantwortung mitzugestalten (KMK 1991).3 Darausresultierte in der Diskussion des Unterausschus-ses berufliche Bildung der Kultusministerkonfe-renz schon bald die Einsicht, dass dieser Perspek-

tivwechsel von einer anpassungsorientierten zu einergestaltungsorientierten Berufsbildung einer grundle-genden Curriculum-Reform bedarf (Gravert,Hüster 2001, 89). Mit dem in der berufspädago-gischen Diskussion bis heute unterschätzten,weitreichenden Reformprojekt der Einführungvon auf Lernfeldern basierenden Rahmenlehrplänen,mit denen eine auf Gestaltungskompetenz zie-lende Berufsbildung intendiert ist, wurde bil-dungsplanerisch der Paradigmenwechsel zu ei-nem nicht-deterministischen Weltverständnisund der sich daraus ergebenden Leitidee der Ge-staltungskompetenz vollzogen (→2.4; 2.5). Nach-dem die Schwierigkeiten offenkundig wurden, ei-ne so grundlegende Reform auch in die Bildungs-praxis umzusetzen – dieser Prozess dauert bisheute an –, besteht ein gewisses Risiko, dass dasals historisch einzustufende Reformprojekt dochnoch scheitert.Die Versuchung, sich neuen pädagogischen Kon-zepten zuzuwenden, die einen bequemen Auswegaus dem mit einigen Anstrengungen verbunde-nen Reformprojekt „Lernfeldorientierte Curricu-lumentwicklung“ anbieten, ist groß. Die Europä-ische Union bietet mit dem EuropäischenQualifikationsrahmen (EQR) ein anscheinendhandliches Instrumentarium für engagierte Pä-dagogen und Bildungsplaner an, um etwas Neues– diesmal sogar etwas Internationales – auszu-probieren. Die Entwicklung eines nationalenQualifikationsrahmens (NQR) eröffnet die Mög-lichkeit, sich in einen internationalen Trend ein-zufügen, der seinen Ausgangspunkt in der Ent-wicklung eines modularen Zertifizierungssys-tems (National Vocational Qualifications, NVQ)in Großbritannien hat. Diese Entwicklung wirdaus erziehungswissenschaftlicher Sicht als höchstproblematisch eingeschätzt (Young 2007; Gran-ville 2003; Grollmann, Spöttl, Rauner 2006;Hirtt 2011).Eine weitere attraktive Einladung zur Abkehr vonpädagogisch anspruchsvollen Leitideen und Pro-jekten scheint die empirische Wende in der Bil-

2 Mitglied einer IBM-Arbeitsgruppe zur Entwicklung einer offenen Architektur für integrierte Informationssysteme in der Ferti-gungsindustrie (1984/85).

3 Howard GARDNER begründet diese Leitidee pädagogisch, indem er auf die Erziehung seiner Kinder hinweist. Sie sollen nicht nurlernen, die Welt zu verstehen, sondern sie mitzugestalten (1999, 217).

16 Kapitel 1 Berufliche Kompetenz als Gegenstand der Kompetenzdiagnostik

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dungsforschung und Bildungspolitik anzubieten.Die Erfolge des internationalen PISA-Projekts be-fördern ganz offensichtlich die in regelmäßigenAbständen wiederkehrenden bildungspolitischinspirierten Wünsche, die pädagogische Kunstguter Bildung endlich auf eine kalkulierbare Ba-sis zu stellen, damit den staatlichen Inputs in derForm von Bildungsressourcen auch nachweisba-re Outputs gegengerechnet werden können. Dieempirische Erziehungswissenschaft suggeriertmit dem PISA-Projekt, dass das ökonomische In-und Output-Kalkül nun auch auf das Messen pä-dagogischer Erträge angewendet werden kannund verspricht eine empirisch fundierte Pädago-gik, die es erlaubt, Bildungsprozesse und -syste-me nach definierten Standards und mit wirksa-men Steuerungsinstrumenten zu organisieren(Klieme u. a. 2003). Die Autoren der PISA-Studie2000 weisen selbst auf dieses Risiko hin und set-zen sich auch mit der Reichweite ihres Projektesauseinander. „Man kann gar nicht nachdrücklichgenug betonen, dass PISA keineswegs beabsichtigt,den Horizont moderner Allgemeinbildung zu ver-messen. Es ist gerade die Stärke von PISA, sich sol-chen Allmachtphantasien zu verweigern…“ (Bau-mert u. a. 2001, 21).Einen vergleichbaren Versuch der technologi-schen Erneuerung des Bildungssystems habenBund und Länder schon mit dem bildungstech-nologischen Reformprojekt der 1970er Jahre ver-sucht. Die Entwicklung und Erprobung compu-tergestützter Lehr- und Lernformen bestimmtenmehr als ein Jahrzehnt die Phantasien und Ver-suche, Lehrerarbeit zu substituieren und sie zuprogrammieren (vgl. BLK 1973, 75). Damit schienes für eine Weile möglich, Bildungsprozesse zuobjektivieren und technologisch verfügbar zu ma-chen. Die Gesellschaft für programmierte In-struktion (GPI) sowie die Kybernetische Pädago-gik versprachen die Befreiung der Bildungssyste-me und -prozesse von einer Pädagogik als einervon der Bildungspolitik bisher nicht zu verein-nahmenden Kunst, über die viele Pädagogen ir-gendwie verfügen – unterschiedlich gut – und diesich bisher allen Rationalisierungsversuchen ent-zogen hatte (Frank 1969). Die mit jeder neuenInformationstechnik einhergehenden Versuche,die bildungstechnologische Wende in der Pädago-

gik doch noch zu bewältigen, haben an Mächtig-keit jedoch eingebüßt, da das immer raschereAufeinanderfolgen des Scheiterns der IT-gestütz-ten Bildungsreformen – zuletzt richtete sich dasInteresse auf das Internet – zur Einsicht beigetra-gen hat, dass die bildungstechnologische Beherr-schung der Bildungsprozesse möglicherweisevon Anfang an eine fixe – und zudem eine teure– Idee war (Heinze 1972).Es ist vorhersehbar, dass auch künftige Versuche,Bildungssysteme über messbare Outputs und In-puts zu steuern, scheitern werden, da die wichti-geren Bildungsziele und -inhalte sich einer durchdas ökonomische Kalkül geprägten „Input/Out-put-Didaktik“ entziehen (Young 2009).Die kurzschlüssigen Überlegungen von Bildungs-experten, Bildungsprozesse über Standards zusteuern, deren Erfolg in der Form eines LargeScale Assessment auch gemessen werden kann,reduziert Bildung auf das Messbare. Hier liegt dieAffinität zum bildungstechnologischen Reform-projekt. Problematisch sind die überhöhten Er-wartungen an das Large Scale Kompetenz-Assess-ment als einer umfassenden pädagogischen Re-formidee auch deshalb, da eine realistischeEinschätzung der pädagogisch-didaktischen undbildungspolitischen Potenziale der Kompetenz-diagnostik den Werkzeugkasten der Akteure we-sentlich bereichern kann.

1.1 Gestalten statt Anpassen 17

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1.2 Möglichkeiten und Grenzen derLarge Scale-Kompetenzdiagnostik(LS–KD)

Die Differenzierung beruflicher Fähigkeiten nachQualifikationen und Kompetenzen ist von einigerBedeutung für die Überprüfung der Berufsfähig-keit und das Erfassen beruflicher Kompetenzen.Eine Prüfung gibt Auskunft darüber,▪ ob die in einem Berufsbild sowie in den entspre-chenden Ausbildungsordnungen festgelegtenFähigkeiten im Sinne von Qualifikationsanforde-rungen beherrscht werden und▪ ob die Berufsfähigkeit erreicht wird.Dies erfordert eine Differenzierung nach▪ Fähigkeiten/Qualifikationen, die zweifelsfreiund sicher beherrscht werden müssen, da diesez. B. sicherheitsrelevant sind▪ Fähigkeiten/Qualifikationen, die zu einem be-stimmten Grad beherrscht werden müssen sowieschließlich nach▪ Fähigkeiten/Qualifikationen, die nicht zu denKernqualifikationen zählen und daher als mehroder weniger wünschenswert eingestuft werden.Eine Prüfung muss alle für die Berufsfähigkeit re-levanten Qualifikationen und Anforderungen ein-beziehen. Die Überprüfung des praktischen Kön-nens muss notwendigerweise in realen berufli-chen Situationen erfolgen (situiertes Prüfen). Diekognitiven Dispositionen in der Form des hand-

lungsleitenden, handlungserklärenden und -re-flektierenden Arbeitsprozesswissens lassen sichdagegen mit standardisierten Prüfungsmethodenüberprüfen.Die COMET-Methode der Kompetenzdiagnostik,Kompetenzniveaus und Kompetenzprofile zu identi-fizieren, vergleichende Kompetenzerhebungendurchzuführen mit dem Ziel, Bildungsgänge undBildungssysteme miteinander zu vergleichen,reicht weit über das Prüfen im Kontext geregelterberuflicher Bildungsgänge und die Überprüfungdes „Lernerfolges“ in Bezug auf die in einem spe-zifischen Curriculum definierten Lernziele hi-naus.Insbesondere international vergleichende LS-KD-Projekte definieren die inhaltliche Validität derKompetenzerhebung nicht primär curricular, daes ein wesentliches Ziel der Kompetenzforschungist, auch Einsichten in die Stärken und Schwä-chen der nationalen Bildungsstrukturen (u. a.sind dies die Curricula) zu gewinnen. Die inhalt-liche Validität der Testaufgaben orientiert sich beiden LS-KD-Projekten im Bereich der beruflichenBildung – in Anlehnung an die InternationalWorld Skills (IWS) – an der beruflichen Validität(Hoey 2009).Vielfältige Aspekte beruflicher Fähigkeiten – inEinzelfällen auch bedeutsame – entziehen sichden Methoden des Messens. Nicht selten begrün-det z. B. das „Tacit Knowledge“, das implizite Wis-

Tab. 1: „Qualifikation“ versus „Kompetenz“ (COMET-Bd. I, 33)

Qualifikationen Kompetenzen

Objekt-Subjekt-Bezug Qualifikationen sind objektiv durch dieArbeitsaufgaben und -prozesse unddie daraus resultierenden Qualifika-tionsanforderungen gegeben.

Kompetenzen sind bereichsspezifischeFähigkeiten und Strategien im Sinnevon psychischen Leistungsdispositio-nen; sie sind anwendungsoffen.

Lernen Im Prozess der Aneignung von Qualifi-kationen ist der Mensch ein Trägerme-dium für Qualifikationen, eine (huma-ne) Ressource, die durch Training zurAusübung spezifischer Tätigkeiten be-fähigt.

Die Aneignung von Kompetenzen istTeil der Persönlichkeitsentwicklungund umfasst auch die Fähigkeiten, diesich aus den Bildungszielen ergeben.

Objektivierbarkeit Qualifikationen beschreiben die nochnicht objektivierten/maschinisiertenFertigkeiten und Fähigkeiten und defi-nieren den Menschen als Träger vonQualifikationen, die aus den Arbeits-prozessen abgeleitet werden.

Berufliche Kompetenzen zielen vor al-lem auf die nicht oder nur schwer ob-jektivierbaren Fähigkeiten beruflicherFachkräfte, die über die aktuellen be-ruflichen Aufgaben hinaus auf die Lö-sung und Bearbeitung zukünftiger Auf-gaben zielen.

18 Kapitel 1 Berufliche Kompetenz als Gegenstand der Kompetenzdiagnostik

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sen (vgl. Polanyi 1966; Neuweg 1999; Fi-scher 2000), wichtige berufliche Fähigkeiten,die sich nur in einer praktischen Prüfung nach-weisen lassen. Dazu bedarf es einer um die Di-mension „Umsetzen des Geplanten“ erweitertenKompetenz- und Messmodells mit einem ent-sprechenden Ratingverfahren (→ 3.6, 6.1).

Implizites berufliches Wissen (tacit knowledge)Implizite Fähigkeiten lassen sich bei der Aus-übung beruflicher Tätigkeiten und vor allem an-hand der Arbeitsergebnisse beobachten und in ih-rer Qualität bewerten. Sie entziehen sich jedochweitgehend der expliziten fachsprachlichen Be-schreibung und Erklärung. Sie sind aber oft vonzentraler Bedeutung für das berufliche Könnenund daher auch Gegenstand von Prüfungen. Mitden im COMET-Projekt entwickelten Ratingver-fahren lassen sich grundsätzlich auch tacit skillserfassen.

Berufliche Handlungskompetenz(Berufsfähigkeit)Die Berufsfähigkeit wird in der Regel mit denmehr oder weniger traditionsreichen Formen desPrüfens ermittelt. Neben dem Überprüfen des be-ruflichen Wissens kommt es bei einer Prüfungvor allem darauf an, die in den Berufsbildern de-finierten Qualifikationsanforderungen in realen be-ruflichen Arbeitssituationen als praktisches Kön-nen zu überprüfen. Prüfungen schließen daherden Nachweis einer hinreichenden Praxiserfah-rung während der Ausbildung ein. Überprüft wer-den die für die Berufsfähigkeit in den definiertenBerufsbildern festgelegten Qualifikationen. Diesist für eine professionelle Prüfungspraxis not-wendig, damit die Zertifizierung der Berufsfähig-keit, die in der Regel auch mit der Zuerkennungvon Berechtigungen verbunden ist, möglich ist.Die Kompetenzdiagnostik stellt mit ihren Metho-den der standardisierten Bewertung beruflicherKompetenzen ein Instrumentarium zur Verfü-gung, mit dem die Anforderungen an die Test-Gütekriterien erreicht werden.

Tab. 2: Möglichkeiten und Grenzen des Messens beruflicher Kompetenz

Messen

…lassen sich …lassen sich nur mit entsprechendem Aufwand

Kognitive domänenspezifischeLeistungsdispositionen Situierte berufliche Qualifikationen

Kompetenzniveausberufsbezogen sowie berufsübergreifend, unabhän-gig von den Formen und Strukturen der Bildungs-gänge von Testgruppen auf der Basis individuellerTestergebnisse

Implizites berufliches Wissen(tacit knowledge)

Individuelles situiertes berufliches Können (Berufs-fähigkeit)

Kompetenzausprägungen in der Form von Kompe-tenzprofilen

Heterogenität der Kompetenzausprägungen

In Kombination mit den Daten der Kontexterhebun-gen ergeben sich Erkenntnisse zu einer Vielzahlsteuerungs- und gestaltungsrelevanter Zusammen-hänge.Unter anderem zu:

▪ Bildungssystemen und Bildungsgängen▪ Inhalten und Formen des beruflichen

Lernens▪ Lernortkooperation und Bildungsplänen▪ Arbeitsgestaltung▪ Schulorganisation▪ Internationalen Vergleichen

Handwerkliche Geschicklichkeit

Soziale Kompetenzen (mit Einschränkung)

Fähigkeiten, die in der interaktiven Verlaufsform derArbeit zum Ausdruck kommen (mit Einschränkung)

Kompetenzen, die im gestalterischen Handeln ihrenAusdruck finden (z. B. des Kunsthandwerks)

1.2 Möglichkeiten und Grenzen der Large Scale-Kompetenzdiagnostik (LS–KD) 19

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Handwerkliche GeschicklichkeitDie handwerkliche Geschicklichkeit ist für eineVielzahl von Berufen ein wesentliches Kriteriumberuflicher Qualifikation – nicht nur des Kunst-handwerkes (Sennett 2008). HandwerklicheGeschicklichkeit setzt ein hohes Maß an Übungvoraus und basiert auf einem Mindestmaß an kin-ästhetischer Intelligenz (vgl. Gardner 2002).Zahntechniker, Goldschmiede, aber auch Werk-zeugmacher und andere gewerblich-technischeBerufe gehören zu einer Klasse von Berufen, beidenen die handwerkliche Geschicklichkeit einenwesentlichen Anteil der Berufsfähigkeit aus-macht.Auch das Messen von Geschicklichkeit ist mög-lich. Zur Anwendung kommen hier vor allem Ra-tingverfahren wie sie z. B. im Bereich des Kunst-turnens üblich sind.

Soziale Kompetenzen und Schlüssel-kompetenzenSozialen Kompetenzen kommt in der beruflichenArbeit und damit auch in der beruflichen Bildungein sehr hoher Stellenwert zu. Strittig ist, obsoziale Kompetenzen als berufsübergreifende„Schlüssel“-Kompetenzen gemessen werden kön-nen. Nach Jochen Gerstenmaier widerlegt dieLern- und Expertiseforschung die These von einerEntwertung des inhaltlichen Wissens zugunstenallgemeiner Fähigkeiten wie der des „Problemlö-sens“.4 Es lasse sich dagegen zeigen, dass dieKompetenz, Probleme zu lösen, auf domänen-spezifischem Wissen basiert (Gerstenmaier1999, 66; 2004, 154ff.).Einen interessanten Versuch der Annäherung andie empirische Erfassung überfachlicher Kompe-tenzen haben Grob und Maag Merki unternom-men. Sie haben anhand einer Vielzahl von Skalenüberfachliche Kompetenzen gemessen (Grob,Maag Merki 2001), allerdings nicht als „Schlüs-

selkompetenzen“, sondern solche, die auf allge-meiner Ebene die fachgerechte Durchführungvon Arbeitsaufgaben begünstigen. Unstrittig istin diesem Zusammenhang, dass z. B. beruflicheArbeit die Zusammenarbeit mit anderen Fachkräf-ten derselben community of practice sowie mitFachleuten angrenzender Fachgebiete notwendi-gerweise einschließt und damit eine zentrale Di-mension beruflicher Kompetenz repräsentiert.Im Rahmen des COMET-Projektes gibt die Kon-textbefragung Hinweise auf die Konzepte berufli-cher Zusammenarbeit der Befragten.

Fähigkeiten, die in der interaktivenVerlaufsform der Arbeit zum AusdruckkommenDiesen Fähigkeiten liegt der Typus des gestalteri-schen Handelns – im Gegensatz zum Typus deszweckrationalen Handelns – zugrunde (vgl. Bra-ter 1984). Das künstlerische Handeln ist nachBrater der Prototypus dieser Handlungsform.Das Arbeitsergebnis lässt sich bei diesem Hand-lungstypus nur begrenzt planerisch-konzeptio-nell vorwegnehmen.Vor allem im Bereich der sekundären Facharbeit(Instandhaltung, Fehlersuche u. ä.) müssen „ausder Situation heraus Möglichkeiten gesucht, Ideen ge-boren, Lösungswege gefunden werden. Hier ist nichtPlantreue, sondern Originalität gefordert“ (Brater1984, 67). Die etablierten Formen des Messensberuflicher Kompetenz stoßen hier an ihre Gren-zen, die durch die offene Verlaufsform von Arbeits-prozessen gegeben ist. Dies gilt insbesondere fürBerufe mit stark intersubjektivem Anteil, wiez. B. im Erziehungs- und Pflegesektor. Der inter-aktive Aspekt beruflicher Arbeit kann bis zu ei-nem gewissen Grad durch die offene Struktur derLS-KD-Testaufgaben oder durch ein auf Beobach-tungen basierenden Rating erfasst werden.

4 Zur Kritik von Schlüsselkompetenzen vgl. Howard GARDNER (1999, 130).

20 Kapitel 1 Berufliche Kompetenz als Gegenstand der Kompetenzdiagnostik

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Kapitel 2Kategorialer Rahmen für die Modellierungund das Messen beruflicher Kompetenz

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Bei der Identifizierung der Anforderungen an dieKompetenzmodellierung im Bereich der berufli-chen Bildung ist man in der pädagogischen Dis-kussion und der Berufsbildungsforschung mit ei-ner großen Vielfalt von Kompetenzdefinitionenund -begriffen konfrontiert, die in ihrer Bedeu-tung und Handhabbarkeit für die Gestaltung be-ruflicher Bildungsprozesse und die empirischeErfassung beruflicher Kompetenzen weit ausei-nanderliegen. Die in der berufspädagogischenDiskussion verbreiteten Vorschläge, Kompetenz-modelle auf der Grundlage von Lernzieltaxono-mien oder auf der Grundlage des von HeinrichRoth eingeführten Konzepts der beruflichenHandlungskompetenz zu entwickeln, werden inder Kompetenzforschung kritisch bewertet.Dieter Euler zieht zu den berufspädagogischenVersuchen, berufliche Kompetenz zu modellie-ren, eine kritische Bilanz:1. „Es werden in den Arbeiten unterschiedliche Kom-petenzmodellierungen verwendet, deren Anschlussfä-higkeit an die bestehenden Modellierungen für diebetriebliche und schulische Berufsausbildung offen-bleibt.2. Die Entwicklungen bleiben im Hinblick auf einenumfassenden Kompetenzbegriff […] partiell, d. h., eswerden nur einzelne Kompetenzdimensionen und-facetten aufgenommen und abgedeckt. Es besteht ins-besondere in den Entwicklungen für den kaufmänni-schen Bereich eine enge Fokussierung auf Sachkom-petenzen. Die behaupteten Bezüge zu Sozialkom-petenzen (Winther, Achtenhagen 2008, 531)entbehren einer tragfähigen theoretischen Fundie-rung.3. […] Eine Übertragung dieser Entwicklungen in dieRegelpraxis der Ausbildungsabschlussprüfungenbleibt jedoch fraglich […]“ (Euler 2011, 60).

Diese kritische Einschätzung teilt die Klieme-Kommission in ihrer kritischen Bewertung abs-trakter Kompetenzbegriffe als Grundlage derKompetenzmodellierung (Klieme u. a. 2003). Te-north hebt in diesem Zusammenhang hervor,dass „fachbereichsübergreifende Schlüsselkompeten-zen“ wie soziale, personale und methodische Kompe-tenzen, die häufig mit dem Kompetenzbegriff gleich-gesetzt werden, sich weder für die Begründung vonBildungsstandards noch für die Kompetenzmodellie-rung eignen“ (Tenorth 2009, 14).Die Kritik an der für die Berufsausbildung ver-breiteten Leitidee der beruflichen Handlungs-kompetenz als einem Zusammenhang von Sach-,Personal- und Sozialkompetenz, unter Bezugnah-me auf Heinrich Roth (1971), darf nicht als eineKritik an dieser wegweisenden Leitidee berufli-cher Bildung missverstanden werden. Die Kritikzielt vielmehr auf die Versuche, in der berufs-pädagogischen Forschung diese Leitidee berufli-cher Bildung als ein Kompetenzmodell zu nut-zen. In der Expertise der Klieme-Kommissionsowie danach bei der Begründung des DFG-Schwerpunktprogramms wurde überzeugend be-gründet, dass die Funktion eines Kompetenzmo-dells darin bestehe, zwischen den Leitideen undZielen eines Faches oder Lernbereiches und derEntwicklung von Testaufgaben (und von Lernauf-gaben) zu vermitteln (Abb. 1). Insofern habenKompetenzmodelle auch eine didaktische Funk-tion. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich didakti-sche Modelle zugleich als Referenzsysteme fürdie Entwicklung von Test- und Evaluationsaufga-ben eignen. Umgekehrt, so die Klieme-Kommis-sion, sollten sich Kompetenzmodelle auch durcheine grundlegende didaktische Funktion aus-zeichnen (vgl. Katzenmeyer u. a. 2009). Bil-dungsziele und ihre Klassifizierung z. B. nach der

Kompetenz- und Messmodell

Leitideen und Ziele beruflicher Bildung

Testaufgaben

Lernaufgaben

Abb. 1: Zum Zusammenhang von Leitideen beruflicher Bildung und dem Messen beruflicher Kompetenz

Kapitel 2 Kategorialer Rahmen für die Modellierung und das Messen beruflicher Kompetenz 23

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Bloom’schen Lernzieltaxonomie (vgl. Anderson,Krathwohl 2001; Brand, Hofmeister, Tramm2005; Lehmann, Seeber 2007, 26) können zwarfür den Begründungsrahmen herangezogen wer-den, wenn sie sich als international anschlussfä-hig erweisen. Kompetenzmodelle sind es dage-gen nicht.Daraus ergeben sich weitere Anforderungen anKompetenzmodelle sowie die daraus abgeleitetenMessmodelle. Diese müssen▪ allgemeine Bildungsziele und Leitideen auf-nehmen, die sich bildungstheoretisch begründenlassen und international vermittelbar sind, sowiedomänenspezifische Bildungsziele von Ausbil-dungssystemen und Bildungsgängen berücksich-tigen;▪ in Einklang stehen mit den grundlegenden Er-kenntnissen der Lehr-, Lern-, Entwicklungs- undEvaluationsforschung;▪ auf Lernbereiche zugeschnitten sein, die es er-möglichen, die Inhaltsdimensionen der Kompe-tenzmodelle hinreichend konkret abzubilden;▪ eine hinreichend konkrete Anleitung für dieEntwicklung von Testaufgaben darstellen (Abb. 2).Diese Anforderungen implizieren die Forderungnach einfachen Modellen. Als einfache Modellegelten solche, die nicht mehr als drei Dimensio-nen und deren Anforderungsdimension nichtmehr als vier bis fünf Kompetenzniveaus auf-weist.Zusätzlich wird dem Vorschlag von Weinert(2001) gefolgt, Persönlichkeitsmerkmale, die au-

ßerhalb der Definition von Kompetenz als domä-nenspezifischer kognitiver Leistungsdispositionliegen, nicht in Kompetenzmodelle aufzuneh-men bzw. diese gesondert zu modellieren.Als weitere Anforderungen an Kompetenzmodel-le werden aufgeführt:▪ Eignung des Kompetenzmodells zur Entwick-lung von Testverfahren und zur Erfassung undBewertung von Lernergebnissen in Bezug auf Bil-dungsmonitoring, Schulevaluation und die Rück-meldung an Lehrer/Ausbilder und Schüler/Aus-zubildende über Niveaus und Ausprägung vonKompetenz;▪ Eignung für international vergleichende Kom-petenzerhebungen.Für die berufliche Bildung sind darüber hinausunverzichtbare Anforderungen:▪ die Anwendung offener komplexer (ganzheitli-cher)Testaufgaben, da nur mit diesen reale beruf-liche Aufgaben abgebildet werden können;▪ berufliche Aufgaben erfordern bei ihrer Lösungbzw. Bearbeitung in der Regel das Abwägen zwi-schen alternativen Lösungen, die sich einemdurch definierte Anforderungsmerkmale abge-steckten Lösungsraum zuordnen lassen – „abge-steckt“ muss es deshalb heißen, da die Lösungs-räume prinzipiell offen sein müssen für unvor-hersehbare Lösungen (COMET-Bd. I, Kap. 1.6);▪ das Erfassen beruflichen Engagements undberuflicher Identität als eine neben der berufli-chen Kompetenzentwicklung gleichwertige Di-mension des beruflichen Entwicklungsprozesses;

Leitideen/Zieleberuflicher Bildung:

Handlungs- undGestaltungs-kompetenz

Berufliche(s)Engagement/

Identität

Kompetenzmodell„Berufliche Bildung“

Berufliche Lern-,Entwicklungs- und

Sozialisationstheorien

Berufe,Arbeitsgestaltung

undBerufsfähigkeit

Abb. 2: Begründungsrahmen für das COMET-Kompetenzmodell

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▪ eine Kompetenzerfassung, die auch Bildungs-gang übergreifende Vergleiche zulässt. Daraus er-gibt sich die Forderung nach einem Kompetenz-modell, das die berufliche Bildung als einenLernbereich betrachtet und das zugleich eine be-rufs- und berufsfeldspezifische Implementationermöglicht;▪ eine Abgrenzung zur Tradition des Assessmentals einer Form der Überprüfung von Outcomes,wie sie zur Ermittlung von Credit Points der inden nationalen Zertifizierungssystemen definier-ten Fertigkeiten angewendet werden. Dabei han-delt es sich um eine Form des Überprüfens der inModulbeschreibungen definierten Qualifika-tionen, die mit beruflicher Kompetenz nur wenigzu tun hat.Die Standardisierung von Prüfungen und Prü-fungsaufgaben hat in der beruflichen Bildungeine lange Tradition. Mit Hilfe von Multiple-Choice-Aufgaben wurde versucht, das Prüfungs-verfahren zu rationalisieren und dabei zugleichGütekriterien einzuführen. Die Bestimmung desSchwierigkeitsgrades und der Trennschärfe vonTestaufgaben gelten seither als Ausweis für einegute Testqualität (s. z. B. Schelten 1997). In ei-nem Gutachten im Auftrage des Bundesinstitutsfür Berufsbildungsforschung legte Hermann Ra-demacker bereits 1975 dar, dass dieses Formatvon Prüfungsaufgaben grundsätzlich ungeeignetist für die Überprüfung beruflicher Fähigkeiten(Rademacker 1975 sowie → 4.7).Der Begründungsrahmen für die Modellierungberuflicher Kompetenz umfasst die Beschrei-bung und Begründung der Besonderheiten beruf-licher Bildung:▪ ihre Leitideen und Ziele,▪ die grundlegenden Theorien des beruflichenLernens und der beruflichen Entwicklung,▪ das Konzept der beruflichen Identität und desberuflichen Engagements sowie▪ das Berufskonzept und die Leitidee der lernför-derlichen Arbeitsgestaltung.

2.1 Die Berufsform gesellschaftlicherArbeit

In der Diskussion über die berufsförmige Orga-nisation gesellschaftlicher Arbeit verdichtetensich in den 1990er Jahren die Einschätzungen vorallem von Sozialhistorikern und Soziologen zuder These von der Erosion der Beruflichkeit.Giddens prognostiziert bereits 1972, dass manvernünftigerweise damit rechnen könne, dassneue Formen demokratischer Beteiligung nachund nach immer zahlreicher zum Vorscheinkommen und die Zivilgesellschaft die Arbeitsge-sellschaft ablöse. Kern und Sabel veröffentlichenein engagiertes Plädoyer gegen die berufsförmigorganisierte Facharbeit und begründen dies da-mit, dass die Berufsform der Arbeit vor allem inder industriellen Produktion zu betrieblichen De-markationen führe, die die notwendige Flexibili-sierung im modernen Unternehmen behindere.Das Festhalten an der Tradition berufsförmigerFacharbeit befähige die Unternehmen allenfallszur Reproduktion des Bestehenden, nicht aber zuInnovationen. Als Ausweg empfehlen sie das ja-panische Modell der betrieblichen Organisations-entwicklung, das ohne die Berufsform der Arbeitund damit auch ohne ein berufliches Bildungs-system auskomme (Kern, Sabel 1994). Die Bio-graphieforschung schließlich hat den Begriff derPatchwork-Biographie geprägt und will damit aufeine Erosion berufsförmig organisierter Lohnar-beit aufmerksam machen (vgl. Beck 1993). UlrichBeck u. a. plädieren in diesem Zusammenhangfür eine reflexive Modernisierung, mit der dieSpaltung in instrumentelles ökonomisches Han-deln und kommunikativ politisches Handelnüberwunden werden könne (Beck, Giddens, Lash1996).Spätestens mit Richard Sennetts Buch „Der fle-xible Mensch“ (Sennett 1998) nimmt diese Dis-kussion eine Wendung. Sennett setzt sich mit derHerausbildung flexibler Arbeitsstrukturen unterden Bedingungen der Spezialisierung, des per-manenten Reengineerings, eingebettet in eineneue neoliberale globale Ökonomie, auseinander.Wenn Flexibilität zur Auflösung beruflicher Ar-beit führe, dann gehe dies einher mit der Erosiondes Berufsethos, mit Zukunftsängsten, mit der

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Entwertung von Erfahrung und damit des Verlus-tes an persönlicher Identität: „Unsere Erfahrung istnicht mehr in Würde zitierbar. Solche Überzeugun-gen gefährden das Selbstbild, sie sind ein größeres Ri-siko als das des Glücksspielers“ (Sennett 1998, 129).Er kritisiert das postmoderne Leitbild der Patch-work-Biographie und knüpft in seiner Kritik anMax Webers Konzept des Berufes und der Ar-beitsethik an: Wenn berufliche Karrieren der neu-en Flexibilität geopfert werden, dann „gibt es keinePfade mehr, denen Menschen in ihrem Berufslebenfolgen können. Sie müssen sich wie auf fremdem Ter-ritorium bewegen“ (ebd., 203). Sennetts Analyselässt sich als eine Begründung für eine moderneBeruflichkeit interpretieren. Die Rücknahmefunktionsorientierter betrieblicher Organisati-onskonzepte und ihre Überlagerung durch ge-schäftsprozessorientierte betriebliche Strukturenin modernen Unternehmen sind ein entschei-dender Beitrag zur Erhöhung betrieblicher Flexi-bilität. Dazu steht das Konzept einer modernenBeruflichkeit nicht im Widerspruch, sondernkommt ihr entgegen. Im Reformdialog zur beruf-lichen Bildung kristallisiert sich um die Jahrhun-dertwende das Konzept einer modernen Beruf-lichkeit heraus (KMK 1996; Heidegger, Rauner1997). 2007 initiierte Wolfgang Lempert eine be-rufspädagogische Diskussion zur Frage „Beruf oh-ne Zukunft? Berufspädagogik ohne Berufe?“ unterBezugnahme auf die von Thomas Kurtz vorge-legte Arbeit „Die Berufsform der Gesellschaft“(Kurtz 2005). Die Diskussionsergebnisse, so wiesie Wolfgang Lempert zusammenfasst, stehen indeutlichem Widerspruch zu den soziologisch be-gründeten Prognosen der 1970er bis 90er Jahre.„Darum bringt es uns wenig weiter, abstrakt und all-gemein über die Zukunft des Berufes in unserer Ge-sellschaft herumzurätseln. Als formale und pauschaleist die Frage nach seiner Zukunft falsch gestellt. Zufragen wäre vielmehr nach einem zukunftsfähigenBerufskonzept und nach den Bedingungen seinerRealisierung. So verstehe ich auch Meyer und Rau-ner: beide unterstellen, dass es auch künftig sinnvollsein wird, die Erzeugung und den Einsatz menschli-chen Arbeitsvermögens beruflich zu strukturieren“(Lempert 2007, 462).„Offene, dynamische Bündelungen erwerbstätigkeits-bezogener Handlungspotenziale, die an die Stelle vie-

ler herkömmlicher Ausbildungsberufe zu treten hät-ten, [erfüllen] vollauf die abstrakten, formalen Krite-rien, die Kurtz – in Anknüpfung vor allem an MaxWeber – als primäre Merkmale von Berufen hervor-hebt“ (ebd., 463).Unter der Überschrift „Perspektiven der Rettung,Regeneration und künftigen Konsolidierung ei-ner (auch) beruflich akzentuierten Organisationgesellschaftlicher Arbeit“ kommt Lempert zudem Schluss:„Durch die Einbeziehung der akademischen Berufewürde die Horrorvision einer totalen ‚Entsorgung’ desBerufsprinzips von vornherein ad absurdum geführtund gebannt“ (ebd., 463).Das Konzept der offenen dynamischen Beruflich-keit sowie der Kernberufe (Heidegger, Rauner1997) hat sich mittlerweile auch im europäischenBerufsbildungsdialog als eine Leitidee heraus-kristallisiert, die ihre Wirkungen in der Berufs-forschung und -entwicklung entfaltet. Ein pro-minentes Beispiel dazu ist die Entwicklungdes „europäischen“ Berufes „Kfz-Mechatroniker“(Rauner, Spöttl 2002).

BerufsfähigkeitJede berufliche Bildung zielt auf die Berufsfähig-keit der Aus- bzw. Weiterzubildenden. Berufsfä-hig ist ein Ausgebildeter, der sich das im jeweili-gen Berufsbild festgelegte Wissen und Könnenangeeignet hat und damit in der Lage ist, den je-weiligen Beruf qualifiziert auszuüben. Bei derÜberprüfung der Berufsfähigkeit in Form einerÜberprüfung des berufsfachlichen Wissens (the-oretische Prüfung) und des beruflichen Könnens(praktische Prüfung) kommt den notwendig zubeherrschenden Fähigkeiten eine besondere Be-deutung zu: sie müssen ausnahmslos und sicherbeherrscht werden. Dies gilt vor allem in den si-cherheits- und gesundheitsrelevanten Aufgaben-gebieten sowie mit einer gewissen Einschrän-kung auch für die umweltbezogenen Aufgaben-bereiche.Für das Erreichen der Berufsfähigkeit gilt prinzi-piell, dass jeder Beruf zuletzt praktisch (im Ar-beitsprozess) erlernt werden muss (Harold Gar-finkel). Daher ist die duale Organisation der be-ruflichen Bildung – das Erlernen eines Berufes –eine unverzichtbare Grundform des beruflichen

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Lernens. Man unterscheidet drei Formen der Du-alität:(1) die einphasige – integrierte – DualitätDiese Form der dualen Organisation beruflicherBildung hat ihre Wurzeln in der handwerklichenMeisterlehre. Sie wird in Deutschland vor allemim Berufsbildungsgesetz geregelt und ist daherdie Grundform der Berufsausbildung in allenSektoren des Beschäftigungssystems.(2) die zweiphasige – alternierende – DualitätVerbreitet ist diese Form der dualen Berufsbil-dung in der akademischen Bildung. An ein Stu-dium (erste Phase) schließt sich häufig eine gere-gelte zweite Phase der akademischen Berufsaus-bildung an (z. B. bei Ärzten, Lehrern, Juristen).(3) die informelle DualitätAn alle Formen (hoch)schulischer Berufsbildung,an die sich keine geregelte zweite Phase der Be-rufsausbildung anschließt, haben sich in derPraxis informelle Formen der Einarbeitung ineinen Beruf herausgebildet. So werden z. B. hoch-schulisch ausgebildete Ingenieure in Großbritan-nien nach einer gewissen Zeit und unter Beach-tung definierter Regelungen als „Chartered Engi-neers“ zertifiziert.

Architektur paralleler BildungswegeDie mit der Bologna-Reform verstärkte Verberuf-lichung hochschulischer Bildung birgt in sich je-doch Risiken für die Qualität sowohl der aka-demischen als auch der beruflichen Bildung.Begründet liegt dies in den eindimensionalenSystemen der Klassifizierung aufeinander auf-bauender Bildungsstufen, mit denen die Struktu-ren nationaler Bildungssysteme beschrieben wer-den (ISCET, ISCO, EQF). Allen eindimensiona-len Klassifizierungssystemen ist gemeinsam,dass die unteren (die beruflichen) und die oberen(die akademischen) Niveaus klar durch die Defi-nition der höheren Bildungsabschlüsse abge-grenzt werden. Höhere Bildung ist hochschu-lisch-akademische Bildung. Für sie gilt diegrundgesetzlich verbriefte Freiheit der wissen-schaftlichen Lehre und Forschung. Die Berechti-gung zur Vergabe der Degrees Bachelor, Master,PhD liegt – international – bei den Hochschulen.Darunter sind – mehr oder weniger ausdifferen-ziert – die Qualifikationen und Bildungsgänge

der beruflichen Bildung angeordnet. Die Barrierezwischen beruflicher und akademischer Bildungist hoch; sie schottet beide Bildungswelten nahe-zu hermetisch gegeneinander ab: die akade-misch-wissenschaftliche und die auf ausführen-den Tätigkeiten ausgerichtete berufliche Bildung.Alle Versuche, diese Bildungsarchitektur durch-gängiger zu gestalten, hat zu einer Verberufli-chung der akademischen und zu einer Akademi-sierung beruflicher Bildung geführt und damit zueiner Entwicklung, die beide Bildungstraditionenin ihrer Qualität beeinträchtigt. Dagegen birgt eineArchitektur paralleler Bildungswege das Poten-zial für eine neue Qualität vertikaler Durchlässig-keit und die Realisierung der Gleichwertigkeit be-ruflicher und akademischer Bildung. Zugleichentsteht durch die Etablierung eines durchgängi-gen dualen Bildungsweges eine neue Dynamikim Zusammenspiel zwischen Bildungs- und Be-schäftigungssystem. Mitgedacht ist ein Konzeptmoderner Beruflichkeit, eine notwendige Grund-lage für die Implementation einer Architekturparalleler Bildungswege. Auch wenn die Hoch-schulen durch die verfassungsrechtlich verbriefteFreiheit von Lehre und Forschung vor einer Aus-richtung ihrer Lehre an den Qualifikationsanfor-derungen des Beschäftigungssystems schützt, soist zu erwarten, dass die in den Prozessen der Be-rufsbildungsplanung entwickelten Berufsbildereine neue Professionalisierungsdiskussion in derakademischen Bildung auslösen wird. Dies könn-te auch zu einer deutlichen Rücknahme derausgeuferten Spezialisierung der Studiengängebeitragen und zu einer nach dem Vorbild desBerufsbildungsgesetzes geregelten Beteiligungder Organisationen der Arbeitswelt an der Gestal-tung und Organisation berufsqualifizierenderhochschulischer (duale) Bildungsgänge beitragen(Rauner 2015).

Berufliche Validität der KompetenzdiagnostikGeht man davon aus, dass die Internationalisie-rungsprozesse nicht nur die akademischen Beru-fe, sondern auch die berufsförmige Organisationder Arbeit im intermediären Beschäftigungssek-tor erfassen, dann spricht alles dafür, die berufli-che Arbeit als den Bezugspunkt für die Begrün-dung der inhaltlichen Validität der Kompetenzdia-

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