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Ferienkurs Experimentalphysik 1 Vorlesung 3 Spezielle Relativitätstheorie, Flüssigkeiten und Gase Diana Beyerlein, Steffen Maurus, Markus Perner 07.03.2012

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Ferienkurs Experimentalphysik 1

Vorlesung 3

Spezielle Relativitätstheorie, Flüssigkeiten und Gase

Diana Beyerlein, Steffen Maurus, Markus Perner

07.03.2012

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1 Spezielle Relativitätstheorie

1.1 Hintergrund

Im Jahre 1881 wurde in einem Experiment von Michelson und Morley gezeigt, dass sichLicht für Beobachter in der gleichen Geschwindigkeit ausbreitet, welche unterschiedlicheGeschwindigkeiten relativ zueinander haben. Motiviert von drei Postulaten entwickelteEinstein die spezielle Relativitätstheorie:

1. Die Lichtgeschwindigkeit c ≈ 3.0 · 108 m/s ist in allen Inertialsystemen die Selbe.2. Keine Geschwindigkeit wird größer als die Lichtgeschwindigkeit sein.3. Kein Inertialsystem ist gegenüber einem anderen ausgezeichnet. Alle Naturgesetze

haben in jedem Inertialsystem die gleiche Form. Dieses Relativitätsprinzip kenntman bereits von Galilei.

Würde die Galilei-Transformation beliebig weit anwendbar sein, hieße dass, dass dasLicht von einer Lichtquelle, welche sich relativ zum Beobachter mit der Geschwindigkeitu bewegt, diesen mit einer Geschwindigkeit

c′ = c± u

erreicht. Dies widerspricht dem Experiment. Ebenso würde man durch Addition von Ge-schwindigkeiten < c durch die Betrachtung aus relativ zueinander bewegten Bezugssys-temen eine Geschwindigkeit erhalten, welche in einem günstig gewähltem Bezugssystem> c ist. Die Galilei-Transformation von Koordinaten zwischen Inertialsystemen kann fürgroße Geschwindigkeiten also nicht mehr funktionieren.

Bereits bekannt war die Lorentz-Transformation als Transformation zwischen Lösun-gen der Maxwell-Gleichungen, den elektromagnetischen Wellen. Fordert man nun, dassdie Elektrodynamik in allen Inertialsystemen die Gleiche ist, erhält man die Lorentz-Transformation als Zusammenhang der Koordinaten von verschiedenen Inertialsyste-men. Behandelt man Licht als elektromagnetische Welle (anstatt z.B. als Welle in einemMedium namens Äther), sieht man dass die Lorentz-Transformation mit den Postulatenvereinbar ist.

1.2 Lorentz-Transformation

Die Lorentz-Transformation wirkt, anders als die Galilei-Transformation, nicht nur zwi-schen drei Ortskoordinaten, sondern zwischen Ortskoordinaten und der Zeit. Man hatalso eine Abbildung

(t;x, y, z)→ (t′;x′, y′, z′).

Sie transformiert einen Ort und eine Zeit (ein Ereignis) von einem Bezugssystem K inein anderes K ′, welches sich gleichmäßig dazu mit einer Geschwindigkeit v bewegt und

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zum Zeitpunkt t′ = 0 den selben Ursprung wie K hat. Der Einfachheit halber legen wirdie Geschwindigkeit v in x-Richtung. Die Lorentz-Transformation ist dann

t′ = γ(t− v

c2x)

= γ

(t− β

cx

)(1)

x′ = γ(x− vt) = γ(x− βct) (2)y′ = y (3)z′ = z. (4)

Dabei wurden die Faktoren γ und β definiert als

γ =1√

1− β2und β =

v

c, (5)

wobei immer γ > 1 gilt, da v2 < c2.

Sucht man eine Gleichung, welche ungestrichene Größen abhängig von gestrichenen aus-drückt, muss man nur das Relativitätsprinzip bemühen und in den obigen Formeln vdurch −v ersetzen.

Die Lorentz-Transformation ist eine lineare Abbildung, d.h. Summen von Zeit- undOrtskoordinaten haben als Lorentz-Transformation die Summe ihrer einzelnen Lorentz-Transformationen

LT

∑i

(ti, ri)

=∑i

LT (ti, ri) .

1.3 Zeitdilatation

Eine Uhr schlägt einmal bei t1 = 0 und einmal bei t2 = t und bleibt dabei am selbenOrt x1 = x2 = x = 0. Ein mit v vorbeifliegender Beobachter sieht den ersten Tick bei

(t′1, x′1) = (0, 0)

und den zweiten Tick bei(t′2, x

′2) = (γt,−γβct).

Er misst also eine um den Faktor γ längere Zeit

t′ = γt. (6)

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Dieses Phänomen nennt man die Zeitdilatation. Gemäß des Relativitätsprinzips er-hält man die selbe Streckung wenn man eine Uhr betrachtet, welche am Beobachtervorbeifliegt.

1.4 Längenkontraktion

Ein Stab befindet sich auf der x-Achse im BezugssystemK ′, welches sich mit v gegenüberdem Bezugssystem K bewegt und in diesem die Länge l hat. Das hintere Ende befindetsich zum Zeitpunkt t′ = 0 gerade im Ursprung x′ = 0. In K beobachtet man zumZeitpunkt t = 0 beide Enden des sich bewegenden Stabes. Der Lorentz-Transformationzufolge ist das hintere bei x = 0, das vordere ist etwas komplizierter. Da man diesesEnde auch zur Zeit t = 0 betrachtet, sieht man es nicht nur an einem anderen Ort,sondern auch an einer anderen Zeit als das andere Ende.

x = γ(x′ + βct′) = γ(l + βct′)

t = γ

(t′ +

β

cx′)

= γ

(t′ +

β

cl

)!

= 0

⇒ t′ = −βcl

⇒ x = γ(l − β2l

)= lγ

(1− β2

)= lγ

1

γ2=l

γ.

Der Stab hat also im anderen Koordinatensystem eine kontrahierte Länge

l′ =l

γ(7)

Dieses Phänomen nennt man Längenkontraktion. Das Relativitätsprinzip ist zu be-achten: Ebenso werden Gegenstände im System K aus der Sicht des fliegenden Stabesin Flugrichtung verkürzt!

1.5 Addition von Geschwindigkeiten

Eine Geschwindigkeit wird beobachtet, wenn sich ein Körper in der Zeit dt um dieStrecke dr fortbewegt. Beobachtet man nun eine Geschwindigkeit in einem bewegtenBezugssystem, kann man diese mit ihrem Äquivalent im unbewegten System über dieProdukte der entsprechenden Differentiale und die Lorentz-Transformation verknüpfen.Dieser Zusammenhang entspricht der einfachen Geschwindigkeitsaddition der Galilei-Transformation. Für Geschwindigkeiten in x-Richtung (unserer Richtung von v) gilt

u′x =dx′

dt′=

dx′

dt

dt

dt′

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Setzt man die die Lorentz-Transformation in die beiden Ableitungen ein, erhält man

u′x =dx′

dt′=

dx′

dt

dt

dt′=

d

dtγ(x− vt) · d

dt′γ(t′ +

v

c2x′)

=

= γ2(

dx

dt− v)(

1 +v

c2dx′

dt′

)= γ2(ux − v)

(1 +

v

c2u′x

).

Nach etwas Umformen ergibt dies

u′x =ux − v1− vux

c2

. (8)

Für Geschwindigkeiten in einer Richtung senkrecht zu v ist die Rechnung etwas einfacher.Exemplarisch wird sie hier für y durchgeführt (dy = dy′).

u′y =dy′

dt′=

dy

dt

dt

dt′= uyγ

(1 +

v

c2dx′

dt′

)Setzt man das obige Ergebnis für dx′/dt′ = u′x wieder hier ein, erhält man

u′y =uy

γ(1− vux

c2

) . (9)

Um Ausdrücke zu erhalten, welche die ungestrichenen Größen abhängig von gestriche-nen ausdrücken, kann man entweder die ganze Rechnung noch einmal durchführen odereinfach in den Ergebnissen v durch −v ersetzen.

1.6 Minkowski-Raum

Man betrachtet einen Raum von Ereignissen, Vektoren aus Ort und Zeit (ct, r) umsich relativistische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Da vier Dimensionen schlecht aufPapier zu zeichnen sind, betrachtet man zur Demonstration gerne den Minkowski-Raum mit nur einer Ortskoordinate. Ein Diagramm, dass den Ort x und die Zeit ctgegeneinander aufträgt, heißt Minkowski-Diagramm. Trägt man in ein Diagramm dieKoordinatenachsen zweier Bezugssysteme ein, sieht man, dass die Achsen ct′ und x′ desrelativ zu K mit v bewegten K ′ sich symmetrisch auf die Winkelhalbierende zu drehenfalls v positiv, und davon weg wenn v negativ ist. Der Winkel, um den dies geschieht ist

tanα =v

c

Zu beachten ist, dass dabei auch die Achsen selbst gestreckt werden! Die Winkelhalbie-rende ist die Menge der Ereignisse, für die x = ct gilt. Sie wird in jedem Bezugssystem

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auf sich selbst abgebildet. Es gibt im Minkowski-Raum eine Art, den ’Abstand’ zwischenzwei Ereignissen zu messen, welche bei Lorentz-Transformationen unverändert bleibt.Sind die Ereignisse x1 = (t1, r1) und x2 = (t2, r2) gegeben, so ist die Lorentznorm

|∆x| = |x1 − x2| = (c∆t)2 −∆r 2. (10)

Das Minus ist der springende Punkt des Ganzen!

Anhand dieser Norm kann man drei verschiedene Verhältnisse von Ereignissen (t1, x1),(t2, x2) und (t, x) = (t1 − t2, x1 − x2) festlegen:

• Zeitartig getrennt heißen Ereignisse, fürdie (ct)2 − x2 > 0 gilt. Das Frühere die-ser Ereignisse kann das Spätere beeinflussen,und dieser Kausalitätszusammenhang bleibtauch unter Lorentz-Transformation erhalten.Es existiert eine Lorentz-Transformation (füreine bestimmte Geschwindigkeit v), welchedie Ereignisse auf den gleichen Ort abbil-det. In einem Minkowski-Diagramm mit ei-nem Ereignis im Usprung liegt das andereentweder im Zukunfts- oder im Vergangen-heitskegel.

• Ortsartig getrennt heißen Ereignisse, für die (ct)2−x2 < 0 gilt. Da jede Informa-tion sich höchstens mit der Geschwindigkeit c fortbewegt, sind diese Ereignisse zuweit auseinander, um einander beeinflussen zu können. Es existiert eine Lorentz-Transformation, unter der diese Ereignisse den gleichen Zeitpunkt einnehmen. Siesind also im verallgemeinerten Sinne gleichzeitig.• Lichtartig getrennte Ereignisse zeichnen sie schließlich durch x2 = (ct)2 aus. Im

Minkowski-Diagramm liegen sie gerade auf der Winkelhalbierenden. LichtartigeEreignisse werden wieder in lichtartige Ereignisse abgebildet.

(Mathematica Applets: http://bit.ly/b8XP3V, http://bit.ly/d8FmiK)

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2 Flüssigkeiten

Zunächst werden ideale Flüssigkeiten betrachtet. Sie können keine tangentialen Kräfteübertragen und es gibt keine Reibung.

2.1 Hydrostatik

2.1.1 Statischer Druck

Der statische Druck ist definiert, als der Quotient aus der auf die Oberfläche A wirkendenKraft F⊥ und der Oberfläche.

p =F⊥A

[N

m2= Pa

]. (11)

Vernachlässigt man den Schweredruck (s. Abschnitt 2.1.2), so ist der Druck isotrop. Inruhenden Flüssigkeiten ist der statische Druck konstant.

2.1.2 Schweredruck

Das Eigengewicht der Flüssigkeit führt zum sogenannten Schweredruck oder hydro-statischen Druck.

Die Gewichtskraft des Wassers am Boden einer quaderförmigen Flüssigkeitssäule mit derGrundfläche dA, der bis zur Höhe h mit einer inkompressiblen (ρ = const.) Flüssigkeitgefüllt ist beträgt

dFg = gdm = gρdV = ghρdA.

Der Schweredruck der am Boden des Gefäßes herrscht ist dann

p =dFg

dA= ghρ. (12)

Der Schweredruck ist nur noch abhängig von der Höhe des Flüssigkeitsstands und unab-hängig von der Form eines Gefäßes und seiner Grundfläche (hydrostatisches Paradoxon).

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2.1.3 Auftrieb

Befindet sich ein Körper der Dichte ρK in einer Flüssigkeit der Dichte ρF, so spürt ereine Kraft, die antiparallel zur Gewichtskraft wirkt. Diese Kraft ist die Auftriebskraft,die so groß ist wie die Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit. Wir erhalten damitdas Archimedische Prinzip: Durch den Auftrieb verliert ein eingetauchter Körper(scheinbar) so viel an Gewicht, wie die von ihm verdrängte Flüssigkeit wiegt

Die effektive Kraft auf einen Körper der sich in einer Flüssigkeit befindet berechnet sichzu

F = ρKV g − ρFV ′g (13)

Dabei ist V das Volumen des Körpers und V ′ der Teil des Volumens, der von der Flüs-sigkeit umgeben ist. Ist ρK > ρF geht der Körper unter, ist ρK < ρF schwimmt derKörper an der Flüssigkeitsoberfläche, und ist so weit eingetaucht, dass er sich im Kräf-tegleichgewicht befindet.

2.2 Oberflächenspannung

Atome, die sich an der Oberfläche einer Flüssigkeit befinden erfahren eine Kraft, die indie Flüssigkeit hinein gerichtet ist. Deshalb muss, um ein Molekül an die Oberfläche zubringen, gegen diese Kraft die Arbeit Ws verrichtet werden. Die spezifische Oberflä-chenenergie ist definiert als

σ =dWs

dA, (14)

wobei σ die Oberflächenspannung ist. Ihr Wert ist abhängig von den beiden angren-zenden Substanzen. Die Arbeit um eine Oberfläche ∆A zu bilden ist dann

∆W = σ∆A.

Eine Flüssigkeit versucht daher die Form minimaler Oberfläche einzunehmen.

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2.3 Hydrodynamik

Um Strömungen zu beschreiben führt man Stromfäden ein. Sie verfolgen die Bahneines Massenpunktes und kreuzen sie sich nicht, so ist die Strömung laminar. DasGeschwindigkeitsfeld v = v(r, t) beschreibt die momentane Geschwindigkeit an jedemOrt. Liegt keine explizite Zeitabhängigkeit vor, also ∂v(r, t)/∂t = 0, so spricht man voneiner stationären Strömung.

2.3.1 Kontinuitätsgleichung

Der Strom durch eine Oberfläche S, die ein Volumen V einschließt ist definiert als

IM =

ˆj · dS, (15)

wobei j = ρv die Massenstromdichte ist. Der Strom gibt also an, wie viel Flüssigkeitinsgesamt pro Zeiteinheit durch die Oberfläche hinein oder heraus fließt.Aus der Bedingung, dass das Volumen genauso viel Flüssigkeit verliert/aufnimmt wieaus-/einströmt lässt sich die Kontinuitätsgleichung herleiten

∂ρ

∂t+∇ · (ρv) = 0. (16)

Für inkompressible Flüssigkeiten gilt ∂ρ/∂t = 0, und die Kontinuitätsgleichung ver-einfacht sich zu

∇ · v = 0.

Für die Strömung von Wasser durch ein Rohr, dessen Querschnittfläche sich von A1 aufA2 ändert, ergibt sich die durchschnittliche Geschwindigkeit gemäß der Kontinuitätsglei-chung für inkompressible Flüssigkeiten

A1v1 = A2v2.

Für den Volumenstrom gilt:

I = Av =∆V

∆t

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2.3.2 Bernoulli-Gleichung

An den beiden Enden eines Rohrs durch das eine inkompressible Flüssigkeit (∆V1 =∆V2 = ∆V ) fließt, herrschen unterschiedliche Drücke p1 und p2. Außerdem ist die Quer-schnittfläche am einen Ende A1 und am anderen A2. Der Druck p1 verrichtet nun dieArbeit am Volumenelement ∆V = A1∆x1

∆W1 = F1∆x1 = p1A1∆x1 = p1∆V.

∆W1 dient der Überwindung des Gegendruckes (∆W2 = p2∆V ) und der Beschleunigungvon v1 auf v2. Die Änderung der kinetischen Energie ist

∆Wkin =1

2ρ∆V

(v22 − v21

).

Die Energiebilanz ergibt also

p1∆V = p2∆V +1

2ρ∆V

(v22 − v21

).

Ist p0 der Druck, der in der ruhenden Flüssigkeit herrschen würde (z.B. hydrostatischp0 = ρgh) so gilt

p0 + p+1

2ρv2 = const. (17)

bzw.

ρgh+ p+1

2ρv2 = const.

Gleichung 17 ist die Bernoulli-Gleichung. Beim hydrostatischen Druck ist es wichtig,die Höhe immer positiv anzugeben.

(Mathematic Applet: http://bit.ly/yoMHS4)

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2.3.3 Hagen-Poiseuillesches Gesetz

Bei nichtidealen Flüssigkeiten muss man die Reibung mit der den umgebenden Flächenund auch die innere Reibung in der Flüssigkeit berücksichtigen. Dadurch ergibt sich einGeschwindigkeitsprofil und Druckverluste.

Für den Volumenstrom zwischen den Enden eines Rohrs mit Radius R, Länge l undDruckgefälle ∆p = p1 − p2 gilt das Hagen-Poiseuillesche Gesetz.

I =dVdt

=π∆p

8ηlR4.

Analog zum ohmschen Gesetz kann man den Strömungswiderstand Ω definieren

Ω =∆p

I=

8ηl

πR4.

Voraussetzung für die Gültigkeit des Hagen-Poiseuilleschen Gesetzs ist die BedingungR << l, d.h. der Radius muss deutlich kleiner sein als die Rohrlänge.

2.3.4 Stokessche Reibung

Bewegt sich eine Kugel in einer zähen Flüssigkeit so wird sie durch die Reibungskraftabgebremst. Für die Reibungskraft gilt

Fr = 6πηrv. (18)

Sie ist also proportional zur Geschwindigkeit v und dem Radius r der Kugel.

Durch die Reibungskraft erreicht die Kugel eine Maximalgeschwindigkeit, wenn der Be-trag der nach oben wirkenden Reibungskraft gleich groß wie die effektive GewichtskraftFg,eff = Fg − Fa ist. Die Kugel befindet sich dann im Kräftegleichgewicht.

Fr = Fg,eff

6πηrvmax =4π

3r3(ρK − ρF )g

Mit diesem Zusammenhang kann man zum Beispiel im Kugelfallviskosimeter die Visko-sität einer Flüssigkeit bestimmen.

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3 Gase

3.1 Ideales Gas

Zu Beginn betrachten wir das ideale Gas (d.h. es werden gewisse Dinge in unseremModell eines Gases vereinfacht bzw. idealisiert) und passen dieses Modell später an dieRealität an. Wir machen dabei folgende Annahmen:• Die Gasteilchen sind Massenpunkte, d.h. sie haben keine Ausdehnung, kein Vo-

lumen und kein Trägheitsmoment und besitzen somit ausschließlich die drei Frei-heitsgrade der Translation.• Es herrscht keine anziehende Wechselwirkung zwischen den einzelnen Gasmolekü-

len, d.h. diese können sich frei bewegen und es findet keine Kondensation statt.• Es finden nur elastische Stöße der Moleküle untereinander und mit den Wänden

des Behälters statt.• Die kinetische Energie ist deutlich größer als die potentielle Energie (bei einer

eventuellen äußeren Kraft)Da die Dichte % in Gasen sehr viel kleiner ist als in Flüssigkeiten oder Festkörpern,nehmen Gase das komplette ihnen zur Verfügung stehende Volumen ein. Neben derDichte gibt es noch andere Variablen, sog. Zustandsgrößen, welche den Zustand desGases vollständig charakterisieren. Diese sind im Wesentlichen die Temperatur T inKelvin, die Teilchenzahl N , der Druck p und das Volumen V .

3.2 Die ideale Gasgleichung

Experimentell findet man zwischen den Zustandsgrößen folgende Zusammenhänge:a) Gesetz von Boyle und Mariotte (T = const., N = const.):

pV = const.

b) Gesetz von Gay-Lussac (p = const., N = const.):

V/T = const.

c) Gesetz von Amontons (V = const., N = const.):

p/T = const.

d) Außerdem findet man für V = const., T = const.:

p ∝ N

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Aus a-c) folgt für ein Gas mit konstanter Teilchenzahl N

pV

T= const.

und mit d) bei variabler Teilchenzahl N

pV

T= NkB

mit dem Proportionalitätsfaktor kB = 1.38 · 10−23 JK−1 die als Boltzmann-Konstantebekannt ist. Man erhält letztendlich die Zustandsgleichung für ideale Gase

pV = NkBT = nRT (19)

mit der Gaskonstante R = 8.31 Jmol−1K−1 und der Stoffmenge n = N/NA mit derAvogadro-Konstante NA = 6.02 · 1023 mol−1.

3.3 Kompressibilität

Eine Eigenschaft des idealen Gases ist die sog. Kompressibilität κ. Die Kompressibili-tät gibt an um welchen Bruchteil sich das Volumen des Gases verringert, wenn man denDruck erhöht (und umgekehrt). Sie ist gegeben durch

κ = − 1

V

∂V

∂p

[m2

N

]. (20)

Das Minuszeichen steht davor, damit die Kompressibilität beim normalen Verhaltenvon Gasen immer positiv ist (eine Druckerhöhung soll eine Verkleinerung des Volumensbewirken). Für eine konstante Temperatur lässt sich diese Gleichung vereinfacht als

κ = 1/p (21)

schreiben. Ein Gas lässt sich also desto leichter komprimieren, je kleiner sein Druck ist.

3.4 Barometrische Höhenformel

Betrachtet man eine infinitesimal dünne Luftschicht mit der Dicke dz und Fläche A,dann hat diese die Masse

dm = %dV = %Adz.

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Diese infinitesimale Luftschicht erzeugt einen durch die Schwerkraft bedingten Druck

dp =dFg

A= −dmg

A= −%gdz.

Aus dem Gesetz von Boyle und Mariotte und der Definition der Dichte ergibt sich, dassder Druck eines Gases proportional zur Dichte ist

pV =pm

%= const. ⇒ p

%=p0%0

= const. ⇒ % =%0p0p.

Setzt man diesen Ausdruck in die Gleichung darüber für % ein, so erhält man

dpp

= −%0p0gdz ⇒

p0

dp′

p′= −g%0

p0

0

dz′ .

Löst man diese separierbare DGL unter der Bedingung, dass auf Höhe z = 0 der Druckp0 herrsche, so erhält man die barometrische Höhenformel

p(z) = p0e−gz%0/p0 (22)

die den Luftdruck abhängig von der Höhe beschreibt. Dabei ist das Verhältnis %0/p0temperaturabhängig. Die Barometrische Höhenformel gilt bis zu einer Höhe von etwa 10km. Ab dieser Höhe führt der Einfluss der Temperatur zu Abweichungen.

3.5 Kinetische Gastheorie

Die mittlere kinetische Energie von Gasmolekülen, die sich in einem endlichen Vo-lumen V befinden, ergibt sich mit Hilfe der idealen Gasgleichung zu

Ekin =m

2v2 =

3

2kBT. (23)

Dabei gilt der Gleichverteilungssatz, der besagt, dass sich bei einem Gas, das genü-gend lange bei einer konstanten Temperatur gehalten wird, die Energie der einzelnenAtome/Moleküle durch Stöße gleichmäßig auf alle Freiheitsgrade f verteilt, so dass imMittel jedes Teilchen die Energie

Ekin =f

2kBT

besitzt, wobei f die Zahl der ihm zur Verfügung stehenden Freiheitsgrade ist.

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In der kinetischen Gastheorie spielenWahrscheinlichkeitsdichten bzw.Verteilungs-funktionen eine große Rolle. Eine Verteilungsfunktion f(u) gibt an, wie die Größe uunter den Teilchen verteilt ist, sie ist also die Wahrscheinlichkeitsdichte für die Größe uin einem System.

Nehmen wir als Beispiel die Geschwindigkeit: Das System sei ein Gas, also ein Volumenmit vielen Teilchen. Dann haben die Teilchen nicht alle genau die gleiche Geschwindigkeit(sonst würde sich das Gasvolumen als Ganzes bewegen wie z.B. beim Wind) und mancheGeschwindigkeiten treten häufiger auf als andere. Die Verteilungsfunktion f(v) gibt nunan welche Geschwindigkeiten häufig auftreten und welche selten. Desweiteren ist f(v)dvdie Wahrscheinlichkeit ein Teilchen zu finden, dessen Geschwindigkeitsbetrag v sichim Intervall [v, v + dv] befindet. Will man ein größeres (nicht infinitesimales) Intervall[v1, v2] betrachten, so ist die Wahrscheinlichkeit P ein Teilchen mit einer Geschwindigkeitv1 ≤ v ≤ v2 zu finden, über das folgende Integral gegeben:

P (v1 ≤ v ≤ v2) =

v2ˆ

v1

dv f(v)

Bemerkungen:i) Es lässt sich keine Wahrscheinlichkeit dafür angeben, dass ein Teilchen in einem

System eine bestimmte Geschwindigkeit hat bzw. diese Wahrscheinlichkeit wäredann Null.

ii) Die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen mit irgendeiner Geschwindigkeit zu findenmuss Eins betragen (sog. Normierung), also

0

dv f(v) = 1.

Im Allgemeinen (also wenn man keine Beträge sondern z.B. die Komponenten derGeschwindigkeit betrachtet) sind natürlich auch negative Werte zulässig.

Eine wichtige Verteilungsfunktion in der kinetischen Gastheorie ist die Verteilung derTeilchengeschwindigkeiten in einem idealen Gas. Für eine Komponente i = x, y, zlautet sie

f(vi) =

√m

2πkBTexp

(−mv

2i /2

kBT

). (24)

Da die Geschwindigkeitskomponenten voneinander unabhängig sind, ist die Wahrschein-lichkeit dafür, eine Geschwindigkeit im Intervall [v, v+dv] zu finden, einfach das Produktder Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Komponenten und damit die Verteilungsfunk-tion für den Geschwindigkeitsvektor v gleich dem Produkt der Verteilungsfunktion der

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Geschwindigkeitskomponenten vx, vy und vz

f(v) =

(m

2πkBT

)3/2

exp

(−mv2/2

kBT

).

Um nun die Verteilungsfunktion für den Geschwindigkeitsbetrag zu erhalten, integriertman obige Gleichung zuerst über den gesamten Raum in Kugelkoordinaten

˚dvxdvydvzf(vx, vy, vz) =

2πˆ

0

dϕπˆ

0

dϑ sinϑ

︸ ︷︷ ︸=4π

0

dv v2f(|v|, ϕ, ϑ)︸ ︷︷ ︸=:f(v)

.

Da uns die Richtung der Geschwindigkeit nicht interessiert sondern nur deren Betrag,können wir die Integration über alle Richtungen direkt ausführen. Multipliziert mit derTeilchendichte n, also der Anzahl an Teilchen pro Volumen in dem Gas, erhält maneine Verteilungsfunktion n(v) für die Teilchendichte in der Geschwindigkeit. Genauergesagt gibt n(v)dv an, wieviele Teilchen pro Volumeneinheit sich in dem Gas mit einerGeschwindigkeit zwischen v und v+dv bewegen. Dies ist dieMaxwell-BoltzmannscheGeschwindigkeitsverteilung

n(v)dv =

√2

π

(m

kBT

)3/2

nv2 exp

(−mv

2/2

kBT

). (25)

Es gilt f(v) = n(v)/n. Das Maximum dieser Verteilung liegt bei der wahrscheinlichstenGeschwindigkeit

vw =

√2kBT

m. (26)

Immer wenn man den Mittel- oder Erwartungswert A ≡ 〈A〉 einer Größe A(v) (dievon v abhängig sein kann oder nicht) berechnen will, multipliziert man diese Größe

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mit der Verteilungsfunktion f(v) und integriert über alle möglichen Werte von v (beimBetrag also von 0 bis ∞, bei einer Komponente von −∞ bis ∞). Die mittlere Ge-schwindigkeit ist also demnach

v =

0

dv vf(v) =

√2

π

(m

kBT

)3/2∞

0

dv v3 exp

(−mv

2/2

kBT

)=

√8kBT

πm=

2√πvw. (27)

wobei das Integral durch partielle Integration gelöst wurde.Durch z.B. zweimalige partielle Integration lässt sich auch noch das mittlere Ge-schwindigkeitsquadrat

v2 =3kBT

m=

3

2v2w. (28)

berechnen. Dieses Ergebnis haben wir bereits in Gl. (23) verwendet. Man beachte, dassv2 6= v2 und somit

√v2 6= v (man kann leicht zeigen, dass v2 = v2 · 3π/8 gilt).

Mit diesem Ergebnis lässt sich außerdem die mittlere freie Weglänge

Λ =1

nσ(29)

herleiten, wobei σ der sog. Stoßquerschnitt ist. Sie gibt die Strecke an, die ein Teilchenim Mittel durchläuft bevor es mit einem anderen Teilchen zusammenstößt. Die mittlereZeit zwischen zwei Stößen ist dann durch

τ =Λ

v=

1

nσ√

2v2

gegeben, wobei bei einer Bewegung von beiden Teilchen v durch die mittlere Relativge-schwindigkeit ∆v =

√2v2 ersetzt werden muss.

(Mathematica Applets: http://bit.ly/9nmnOK, http://bit.ly/bl1vLo, http://bit.ly/bI18Rh)

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