Finanzmarktstabilitätsbericht_01_2001

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ˆ Oesterreichische Nationalbank Finanzmarktstabilita ‹ts- bericht 1

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Finanzmarktstabilitätsbericht, Oesterreichische NationalbankFinancial Stability Report of Austria, Central Bank of Austria

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  • O e s t e r r e i c h i s c h e Nat i ona l b a n k

    F i n a n z m a r k t s t a b i l i t a t s -

    b e r i c h t

    1

  • Medieninhaber:Oesterreichische Nationalbank

    Fu r den Inhalt verantwortlich:Wolfdietrich Grau, Sekretariat des Direktoriums/Offentlichkeitsarbeit

    Inhaltliche Koordination:Georg Hubmer, Abteilung fur Finanzmarktanalyse

    Walter Waschiczek, Abteilung fur volkswirtschaftliche Analysen

    Unter Mitarbeit von:Stefan Barisits, Gabriela de Raaij, Werner Dirschmid, Friedrich Fritzer, Ernst Glatzer,

    Wolfgang Harrer, Georg Hubmer, Ferdinand Klaban, Gerald Krenn, Wolfgang Muller,

    Fritz Novak, Burkhard Raunig, Thomas Reininger, Franz Schardax, Martin Scheicher,

    Wolfgang Schuller, Martin Summer, Karin Wagner, Walter Waschiczek, Michael Wurz

    Redaktion:Alexander Dallinger, Abteilung fur volkswirtschaftliche Analysen

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    Ru ckfragen:Oesterreichische Nationalbank

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    Papier:Salzer Demeter, 100% chlorfrei gebleichter Zellstoff, saurefrei, ohne optische Aufheller

    DVR 0031577

  • Impressum 2

    Einleitung 4

    BerichteInternationale Entwicklung 9

    Internationale Finanzmarkte 9Mittel- und Osteuropa 22

    Finanzmarkte in O sterreich 33O sterreichische Kreditinstitute 33Aktienmarkt 52Rentenmarkt 56Institutionelle Investoren 58

    Realwirtschaft und Finanzmarktstabilitat 61Unternehmen 61Haushalte 65Immobilienmarkt 70

    StudienDie Entwicklung der Finanzmarkte in den mittel- und osteuropaischen Landern:eine Bestandsaufnahme 74

    Die Transformation des Finanzsektors und die moderne Finanztheorie 75Der Bankensektor in den MOEL-5 80Die Kapitalmarkte in den MOEL-5 86Die Struktur der Finanzintermediation in den MOEL-5 91Aufsicht und Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen in den MOEL-5 97Die Rolle der osterreichischen Banken in den MOEL-5 104

    Eine stabilitatsorientierte Betrachtung der Wertpapierabwicklung in O sterreichim europaischen Kontext 111

    Stress-Tests bei osterreichischen Banken 120

    Ruckvergleich von Dichteprognosen 131

    Zeichenerklarung, Abkurzungsverzeichnis 144

    Inhalt

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 3

  • Finanzmarktstabilita t

    als wirtschaftspolitische HerausforderungSeit Beginn der Wahrungsunion tragt die Oesterreichische Nationalbank(OeNB) im Rahmen des Eurosystems zu einer gemeinsamen, stabilitats-orientierten Geldpolitik bei. Eine immer wichtiger werdende Aufgabe indiesem Zusammenhang stellt die wachsende Verantwortung von Zentral-banken fur die Stabilitat des Finanzsektors dar. Finanzmarktstabilitat hat alswirtschaftspolitische Herausforderung in mehrfacher Hinsicht einen erheb-lichen Bedeutungszuwachs verzeichnet: Zum einen war die Wirtschafts-politik des vergangenen Jahrzehnts ofter und intensiver mit der Problematikvon Finanzkrisen konfrontiert als fruher. Zum anderen wird Finanzmarkt-stabilitat parallel zum eingetretenen Volumenswachstum der Finanzmarktefur nationale Volkswirtschaften immer wichtiger, denn ein effizient funk-tionierendes Finanzsystem leistet einen elementaren Beitrag fur Wirtschafts-wachstum, Produktivitat und Beschaftigung. Nicht zuletzt ist ein stabilesFinanzsystem als Voraussetzung fur eine verbesserte Kapitalallokation zusehen, es tragt dazu bei, die Kosten von Finanzdienstleistungen niedrig zuhalten, es erleichtert den Ausgleich der unterschiedlichen Praferenzenzwischen Anlegern und Kreditnehmern, und es bietet mehr Moglichkeitender Risikoabsicherung.

    Auch unter Bedingungen der Wahrungsunion weist die osterreichischeVolkswirtschaft viele Charakteristika einer kleinen offenen Volkswirtschaftauf. Sowohl auf den Gutermarkten als auch noch starker auf denFinanzmarkten ist O sterreich stark von internationalen Entwicklungenabhangig. Vor dem Hintergrund einer global fortschreitenden Integration derFinanzinstitutionen sowie generell der Finanzmarkte ist Finanzmarktstabilitatdaher zu einer besonders wichtigen Aufgabe der OeNB geworden.

    Aus diesen Grunden legt die OeNB nun zum ersten Mal derO ffentlichkeit einen Finanzmarktstabilitatsbericht vor. Der Finanzmarkt-stabilitatsbericht analysiert mogliche Risiken von Finanzmarktentwicklungenund Finanzierungsstrukturen. Da viele analytische Zugange zur Stabilitats-problematik der Finanzmarkte moglich sind, wurde fur den vorliegendenBericht eine breite Perspektive in der Betrachtung gewahlt. Trotzdemdecken die untersuchten Fragestellungen nur einen Teil der relevantenFragen im Zusammenhang mit Finanzmarktstabilitat ab. Es ist beabsichtigt,in den zukunftig halbjahrlich erscheinenden OeNB-Finanzmarktstabilitats-berichten diese Analyse kontinuierlich zu erweitern und zu vertiefen.

    Finanzmarktstabilitat ist ein in der Literatur nicht exakt definierter undgenerell nur schwer zu fassender Begriff. Das lasst sich vor allem daraufzuruckfuhren, dass die singularen Ursachen der Abweichungen von derStabilitatsvorstellung insbesondere Finanzkrisen nicht systematischvorhergesehen werden konnen und die einzelnen Erklarungen zu keinengeneralisierbaren Urteilen fuhren. Unter Finanzmarktstabilitat wird abstraktSystemstabilitat verstanden, das heit jener Zustand der Finanzmarkte, inwelchem eine optimale Allokation des Kapitals erfolgt und das Finanzsystemstabil genug ist, kleinere Krisen eigenstandig zu verarbeiten. Unter welchenBedingungen eine derartige Situation gegeben ist, ist freilich in denWirtschaftswissenschaften ein kontroversielles Thema:

    Einleitung

    4 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • Einerseits wird in Konzeptionen, die der Theorie rationaler Erwartun-gen nahe stehen, von der These ausgegangen, dass Finanzmarkte grundsatz-lich effizient sind. Preise, Kurse und Renditen auf Finanzmarkten solltendemnach die relevanten gegenwartigen und fur die Zukunft erwartetenDeterminanten und Rahmenbedingungen widerspiegeln. In diesem Ver-standnis konnte es auf den Finanzmarkten zu keinen immanenten Fehl-entwicklungen kommen, und es wurden von ihnen auch keine gesamtwirt-schaftlichen Probleme ihren Ausgang nehmen. Im Gegenteil, globaleFinanzmarkte dienen in dieser Sicht als Sensoren fur nationale wirtschafts-politische Fehlentwicklungen und tragen auf Grund ihrer raschen Informa-tionsverarbeitung zu einer transparenten Wirtschaftspolitik bei.

    Andererseits betonen vor allem neuere theoretische Konzepte undempirische Methoden das Ergebnis, dass Finanzmarkte in vielfacher Hinsichtineffizient sein konnen. So kann es etwa in manchen Phasen zu ubertriebenenPreisreaktionen kommen, in anderen Phasen werden preisrelevante Infor-mationen von den Marktteilnehmern nicht oder wenigstens nicht aus-reichend in ihrem Verhalten zur Kenntnis genommen. Deshalb werdenPreisdaten auf Finanzmarkten nicht notwendigerweise mit fundamentalenBestimmungsgrunden ubereinstimmen. Vielmehr sind Finanzmarkte anfalligfur Fehlentwicklungen und weisen eine zunehmende Eigendynamik auf.Demnach hat sich die Bedeutung der preisbestimmenden Determinanten aufden Finanzmarkten historisch eindeutig verschoben. Waren in denSechziger- und in den fruhen Siebzigerjahren makrookonomische Fundamen-talfaktoren fur das Finanzmarktgeschehen dominierend, so sind es nun seitgeraumer Zeit primar Erwartungen und nicht immer rational zubegrundende Vertrauensfaktoren, wie etwa im Fall des so genanntenHerdentriebs der Akteure auf den Finanzmarkten. Aus diesen Grunden istdie Entwicklung von Finanzmarktpreisen immer schwerer vorherzusehenund die Volatilitaten, beispielsweise im Fall von Wechselkursen oder an denBorsen, haben zugenommen. Insgesamt sind die Finanzmarkte aus dieserSicht anfalliger fur spekulative U bertreibungen geworden eine Einschat-zung, die durch die Realitat der Finanzmarkte vielfach bestatigt wird.

    Fur Zentralbanken bedeuten auf Grund ihrer Aufgaben die imvergangenen Jahrzehnt unter Bedingungen liberalisierter Finanzmarktemassiv gestiegenen Finanzmarktvolumina jedenfalls eine erhohte wirtschafts-politische Herausforderung. Eine kontinuierliche fundierte mikro- undmakrookonomische Analyse des finanziellen Sektors und seiner Verbindun-gen zur Realwirtschaft ist dafur unabdingbar. Der Fokus der Untersuchungdes vorliegenden Finanzmarktstabilitatsberichts der OeNB liegt deshalb aufstrukturellen Merkmalen des Finanzsystems und auf den Verbindungsstellenzwischen Finanzsystemen bzw. Finanzmarktentwicklungen und der Real-wirtschaft.

    Die Veranderungen auf den Finanzmarkten und die damit verbundenenHerausforderungen bedurfen der intensiven Analyse und einer wirtschafts-politischen Bewusstseinsbildung. Der Finanzmarktstabilitatsbericht derOeNB will einige Ergebnisse der internen Analyse zu Fragen derFinanzmarktstabilitat fur die O ffentlichkeit zuganglich machen und damiteinen Beitrag zu einem breiten Problembewusstsein und einem kontinuier-

    Einleitung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 5

  • lichen Diskussionsprozess uber Finanzmarktentwicklungen leisten. Es gilt,Probleme spezifischer Finanzmarktentwicklungen aufzuzeigen, finanzmarkt-politische Ziele zu verdeutlichen und hinsichtlich mikro- und makro-okonomischer Risiken zu sensibilisieren.

    Finanzmarktstabilitat ist eng verwoben mit makrookonomischer undim weiteren Sinn mit wirtschaftspolitischer Stabilitat. Weil die gesamtwirt-schaftlichen Kosten von Instabilitaten auf den Finanzmarkten sehr hoch seinkonnen, wird besonderes Augenmerk auf die Verbindung zwischenFinanzmarkten und Realwirtschaft gerichtet.

    Mit Hilfe der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung, die furO sterreich originar von der OeNB erstellt wird, kann die wirtschaftlicheSituation der wichtigsten Glaubiger und Schuldner im makrookonomischenKontext, der privaten Haushalte und Unternehmen, umfassend dargestelltwerden.

    Ein Spezifikum der osterreichischen Situation ist zweifellos das massiveEngagement der osterreichischen Banken in Osteuropa sowie die starkeHandels-, Direktinvestitions- und Finanzverflechtung mit diesen Landern.Die OeNB kann dabei auf ihrer international anerkannten Ostkompetenz,ihrem okonomischen und institutionellen Wissen zu mittel- und ost-europaischen Landern, aufbauen.

    Der erste Finanzmarktstabilitatsbericht der OeNB weist auf folgendevordringliche Merkmale und Entwicklungen hin: Der osterreichische Finanzmarkt erweist sich als zunehmend in die

    internationalen Finanzmarkte integriert, seine Stabilitat wird vermehrtvon internationalen Entwicklungen beeinflusst. Sowohl Banken undinstitutionelle Investoren als auch private Haushalte veranlagen einensteigenden Anteil ihrer Finanzmittel im Ausland.

    Fur den osterreichischen Finanzmarkt ist die hohe Volatilitat auf deninternationalen Aktienmarkten deshalb von Relevanz, da ein steigenderAnteil der Kapitalanlagen in auslandische Aktien fliet. Die Vermogens-werte in O sterreich selbst gleichermaen fur Aktien und Immobilien haben in den letzten Jahren nur sehr geringe Zuwachse erfahren. Andersals in vielen anderen Landern gehen von ihnen nur geringfugige Risikenfur die Finanzmarktstabilitat in O sterreich aus.

    Ein Ausbau des osterreichischen Kapitalmarktes ware wunschenswertund wird auch von der OeNB aktiv unterstutzt. Auf diese Weise konnennicht nur die Finanzierungsmoglichkeiten fur Unternehmen und dieVeranlagungsvarianten fur Investoren verbessert werden, sondern eineBelebung des Kapitalmarktes tragt auch zur besseren Nutzung derlangfristigen Wachstumspotenziale bei.

    Die Renditen der Unternehmensanleihen von Emittenten unter-schiedlicher Bonitat haben sich im Jahr 2000 auseinander entwickelt.Dies legt den Schluss nahe, dass die Kreditrisiken im Euroraumvon Finanzmarktteilnehmern differenzierter eingeschatzt werden alsnoch Anfang des Jahres 2000. Besonders die Einschatzung desTelekommunikationssektors bzw. generell von Unternehmender New Economy hat im Jahr 2000 eine merkliche Revisionerfahren.

    Einleitung

    6 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • Die traditionelle Bankenintermediation hat in der gesamtwirtschaft-lichen Finanzierungsstruktur an Bedeutung verloren. Die Rolle desBankkredits in der Unternehmensfinanzierung ist in O sterreich iminternationalen Vergleich zwar weiterhin hoch, war aber in den letztenJahren rucklaufig.

    Demgegenuber sind die Vermogensbestande der institutionellen Anlegerin den letzten Jahren massiv ausgeweitet worden. Ihr Niveau entsprichtaber noch nicht den Vergleichswerten in den meisten anderen Industrie-staaten. Zugleich hat sich die Portfoliostruktur der institutionellenInvestoren markant in Richtung Aktien- und Auslandsveranlagungverschoben.

    Fur eine Einschatzung der Finanzmarktstabilitat in O sterreich gewinnendie Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa zunehmend an Gewicht.Neben der steigenden Auenhandels- und Direktinvestitionsverflechtungmit den mittel- und osteuropaischen Nachbarstaaten ist das direkteExposure der osterreichischen Banken seit dem Jahr 1999 deutlichgestiegen. O sterreichs Engagement in dieser Region ist sehr hoch unddie osterreichischen Banken zahlen zu den groten Investoren in Mittel-und Osteuropa. Zwar konnten die osterreichischen Kreditinstitute indiesen Landern gute Ertrage erzielen, das Risikoprofil der oster-reichischen Banken hat sich jedoch merklich gewandelt.

    Die Zinseinkommen der Banken haben sich seit Mitte der Neunziger-jahre markant reduziert. Die nicht zinsabhangigen Einkommens-bestandteile etwa Devisenprovisionen fur Fremdwahrungskredite oderKommissionen fur Wertpapierkonten sind deutlich gestiegen. Dadurchsind osterreichische Banken heute starker Marktrisiken unterworfen alsin der Vergangenheit.

    Ein wesentliches Merkmal der Geschaftstatigkeit der osterreichischenBanken der letzten Jahre war eine starke Zunahme der Fremdwahrungs-kredite an Unternehmen und private Haushalte. Fur die Banken bedeutetdies primar zusatzliche Ertrage, das Zinsanderungs- und Wechselkurs-risiko wird weitgehend von den Kreditnehmern getragen. Es bestehtjedoch ein gestiegenes Risikopotenzial aus einer moglichen Zahlungs-unfahigkeit der Schuldner.

    Die Verschuldung der privaten Haushalte in O sterreich ist niedrig undzeigt kein hohes Risiko. Im internationalen Vergleich liegt O sterreich beider Verschuldungsintensitat im unteren Mittelfeld. Die internationalhohe Fremdwahrungsschuld weist aber grundsatzlich z. B. auf Grundihrer Abhangigkeit von Wechselkursentwicklungen uberproportionaleRisiken auf.Neben dem allgemeinen Berichtsteil werden im Rahmen von Studien

    auch gesonderte Themen herausgegriffen, die im Zusammenhang mit derStabilitat der Finanzmarkte stehen. Im vorliegenden, ersten Finanzmarkt-stabilitatsbericht der OeNB stehen im Studienteil die Entwicklung derFinanzmarkte in ausgewahlten mittel- und osteuropaischen Landern, dieWertpapierabwicklung in O sterreich, Stress-Tests bei osterreichischenBanken und die schwierige Aufgabe von Prognosen im Bereich derFinanzmarkte im Mittelpunkt.

    Einleitung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 7

  • Insgesamt hebt der Finanzmarktstabilitatsbericht der OeNB die Bedeu-tung von vorbeugenden institutionellen Manahmen hervor. Noch vorwenigen Jahren hat die Bank fur Internationalen Zahlungsausgleich in ihremJahresbericht festgestellt: Es ist traurig, aber wahr, dass seit dem ZweitenWeltkrieg die meisten Initiativen zur Starkung der internationalen Zusammenarbeit imFinanzbereich unter dem Druck irgendeiner Finanzkrise ergriffen wurden.

    Ausgehend von dieser Einschatzung ist die wesentliche und zukunftignoch wichtiger werdende Aufgabe von modernen Zentralbanken dieKrisenpravention. Es gilt institutionelle Strukturen zu schaffen, welche dieAnfalligkeit fur Finanzmarktinstabilitaten reduzieren und die gegenuberexogenen Finanzmarktschocks eine ausreichende Absicherung bieten. DasRisiko von Fehlentwicklungen auf den Finanzmarkten muss fruhzeitigerkannt werden, damit rechtzeitig von den Marktakteuren und derWirtschaftspolitik gegengesteuert werden kann.

    Finanzmarktstabilitatsberichte konnen dabei eine wichtige Funktionerfullen. Obwohl das Risikopotenzial der osterreichischen Finanzmarktesicherlich als vergleichsweise gering zu bezeichnen ist, kommt derfruhzeitigen systematischen Beschaftigung mit diesen Fragen grundsatzlicheBedeutung zu. Es ist die primare Zielsetzung des vorliegenden Berichts, zueinem breiteren Verstandnis dieser Herausforderungen einen fundiertenBeitrag zu leisten.

    Einleitung

    8 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • Internationale Finanzma rkte

    Dieses Kapitel dient zur Darstellung der wichtigsten Entwicklungen auf deninternationalen Finanzmarkten seit Anfang des Jahres 2000. Der Schwer-punkt der Analyse liegt auf den Finanzmarkten im Euroraum und in denVereinigten Staaten. Nach der Zusammenfassung der aktuellen Entwick-lungen wird ein U berblick uber potenzielle Risiken gegeben.

    Aktuelle Entwicklungen

    Globaler Ruckgang der AktienkurseDer Verlauf der Aktienkurse war seit der zweitenHalfte des Jahres 2000 von deutlichen Ruck-gangen gepragt. So haben die Indizes Standard &Poors 500 (S&P 500), DJ EURO STOXX undNikkei 225 seit Janner 2000 zwischen 15 und35% verloren. Noch starker ist diese Abwarts-bewegung an der NASDAQ und auf dem NeuenMarkt ausgefallen. Der NASDAQ CompositeIndex und der Aktienindex des Neuen Marktes(NEMAX) lagen Mitte des Jahres 2001 umungefahr 50% unter den Werten zu Beginn desVorjahres. Die Abwartsbewegung der Aktien-kurse wurde von Gewinnruckgangen bzw. War-nungen bei den Gewinnprognosen begleitet.Insofern haben die verschlechterten wirtschaftli-chen Bedingungen in den USA eine groe Rollebei den fallenden Borsenindizes gespielt. Diedeutlichen Ruckgange sind allerdings vor demHintergrund der drastischen Kursanstiege in denvergangenen Jahren zu sehen. Die rasche Zu-nahme der Marktwerte war auf dem Neuen Marktin Frankfurt besonders deutlich. Dort stiegen dieAktien der New Economy von Juli 1997 bis zumGipfel im Marz 2000 um 800%. Dies war jenerZeitpunkt, zu dem die meisten Markte ihrehistorischen Hochststande erreichten. In derFolge sank der NEMAX auf ein Viertel desHochstwerts, und es kam zu ersten Konkursenbei den borsennotierten Firmen.

    Wenn man die Kursentwicklung der einzel-nen Sektoren des DJ EURO STOXX Indexanalysiert, dann ergibt sich folgendes Bild: Diegroten Verluste waren seit Beginn des Jahres2000 bei Aktien aus dem Telekommunikations-und dem Technologiesegment zu verzeichnen,namlich zwischen 30 und 50%. Die beste Kursentwicklung wurde vonWertpapieren aus dem Gesundheits-, Energie- sowie Nahrungsmittelsektorerzielt.

    Aktienmrkte (Teil 1)

    Index 1. 1. 2000 = 100

    110

    100

    90

    80

    70

    60

    Quelle: Datastream.

    DJ EURO STOXXS&P 500

    2000 2001

    Nikkei 225

    Aktienmrkte (Teil 2)

    Index 1. 1. 2000 = 100

    180

    160

    140

    120

    100

    80

    60

    40

    20

    Quelle: Datastream.

    NEMAXNASDAQ

    2000 2001

    MSCI EM

    Redaktionsschluss:12. April 2001

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 9

  • In Zusammenhang mit der sektoralen Be-trachtung ist der Kursverlauf der Bankaktien vonInteresse. Die Grafik Relative Kursentwicklungdes Bankensektors zeigt die Performance desentsprechenden DJ EURO STOXX Sektorindex:Er verlief teilweise gegenlaufig zur allgemeinenEntwicklung, wie sie durch die breiten Aktien-indizes reprasentiert wird. Bis zum drittenQuartal 2000 konnten die Bankaktien in Zeitenfallender Kurse zulegen. Somit rechnet man beiRedaktionsschluss nicht damit, dass es bei denBanken im Euroraum zu Gewinnruckgangenkommt, das heit, die Entwicklung der Ertrags-lage der im EURO STOXX Sektorindex ver-tretenen Banken wird weitgehend positiv be-urteilt.

    Korrektur der Bewertungen?Unter den Marktteilnehmern gibt es die Dis-kussion, inwieweit etwaige U berbewertungen,vor allem bei Technologieaktien, durch die Kurs-ruckgange korrigiert wurden. Derzeit ist es sehrschwer festzustellen, ob die bubble, das ist jenerAnstieg der Finanzmarktpreise, der nicht durchfundamentale Entwicklungen verursacht wurde,tatsachlich beendet ist. Eine derartig starkeKursbewegung in so kurzer Zeit ist bisher seltenbeobachtet worden und damit stellt sich die Fragenach der aktuellen Bewertung der Aktienmarkte.

    Ein haufig gewahlter Ansatz zur Bewertungvon Aktien ist das Kurs-Gewinn-Verhaltnis(KGV).1) Je hoher dieses Verhaltnis ist, umsoteurer wird eine Aktie beurteilt. Auf Basis dergeschatzten Gewinne fur das Geschaftsjahr 2000ergeben sich folgende KGVs: Im Euroraum 20, inden USA 24 und in Japan 50. Die USA und derEuroraum haben also ahnliche Werte. Seit Beginnder Achtzigerjahre schwankt das Verhaltnis zwi-schen 10 und 35. Letzterer Wert war der bislanghochste und wurde in den USA vor ungefahr zweiJahren erreicht. Seit damals haben sich dieBewertungen der Aktien durch die starken Kurs-ruckgange deutlich verringert. Im historischen

    Relative Kursentwicklung

    im DJ EURO STOXX ab 1. Jnner 2000in %

    40

    20

    0

    20

    40

    60

    Quelle: Datastream.

    Tele

    -ko

    mm

    unik

    atio

    n

    Tech

    nolo

    gie

    Nah

    rung

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    el

    Ener

    gie

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    eit

    Rohs

    toffe

    Relative Kursentwicklung

    des BankensektorsIndex 1. 1. 2000 = 100

    110

    100

    90

    80

    70

    Quelle: Datastream.

    DJ EURO STOXX (insgesamt)DJ EURO STOXX (Bankensektor)

    2000 2001

    Kurs-Gewinn-Verhltnis

    35

    30

    25

    20

    15

    Quelle: Datastream.

    DAXS&P 500

    1997 2000 20011998 1999

    1 Das KGV ergibt sich aus dem aktuellen Kurs der Aktie dividiert durch den Unternehmensgewinn je Aktie. Dieseeinfache Messgroe bringt zum Ausdruck, wie oft der Gewinn, den das Unternehmen pro Aktie erwirtschaftet,im Kurs der Aktie enthalten ist. Um das KGV eines Aktienindex zu erhalten, werden die Werte der einzelnenAktien gemittelt.

    Internationale Entwicklung

    10 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • Vergleich sind die Werte immer noch reichlich hoch; so lag das KGV in denAchtzigerjahren zwischen 10 und 15. Bemerkenswert ist die weiterhin hoheBewertung japanischer Titel.

    Anhaltende Krise in JapanDie Entwicklung in Japan muss getrennt vom irrationalen U berschwang1)in den USA und in Europa gesehen werden. Die Situation in Japan wird voneiner schwerwiegenden Wirtschafts- und Bankenkrise bestimmt. So hat derNikkei 225 im Jahr 2001 den tiefsten Stand seit 16 Jahren erreicht. DieserWertverlust ist fur die Sanierung der kapitalschwachen Kreditinstitute vonBedeutung, da diese uber groe Aktienportefeuilles verfugen. Durch dieWertberichtigungen der Banken wird die Kreditverknappung noch ver-scharft. Bisher haben weder die expansive Fiskalpolitik noch die Geldpolitikder Zentralbank das Wachstum stimuliert bzw. die Deflation beendet. Nunhat die Ratingagentur Standard & Poors (S&P) das Rating japanischerAnleihen auf AA+ herabgesetzt, nachdem die Herabsetzung auf Aa2 durchMoodys bereits im Jahr 1998 erfolgt war. Der Verlust der AAA-Bonitatzeigt, wie ernst die Situation ist. Um eine Erholung der Wirtschaftslage zuerreichen, sind nachhaltige Reformen essenziell, vor allem die Restruktu-rierung der unterkapitalisierten Banken. Obwohl sich die Krise in Japanbereits uber mehrere Jahre erstreckt, konnten bisher keine deutlichenAuswirkungen auf die Finanzmarkte im Euroraum festgestellt werden.

    Entwicklungen in den SchwellenlandernBei der Kursentwicklung der Borsen aus Schwellenlandern ist der ahnlicheVerlauf des Emerging Market Index (Morgan Stanley Capital International)und des NASDAQ Composite Index auffallig (siehe Grafik Aktienmarkte,Teil 2). Die positive Korrelation zwischen den beiden Indizes zeigt, dass dieamerikanischen Markte einen starken Einfluss auf die Aktienmarkte inLateinamerika, Asien, Osteuropa und Afrika bzw. im Nahen Osten haben. Indiesen Regionen sind die Nachwirkungen der Krise der Jahre 1997 und 1998noch immer spurbar. Aktuell konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf dieLage in der Turkei. Das turkische Bankensystem weist schon seit Jahrendeutliche Schwachen auf, da die faulen Kredite stark zunahmen. Zusatzlichist eine Besserung der makrookonomischen Rahmenbedingungen, vor allemder Hyperinflation, derzeit nicht absehbar. Die Finanzkrise in der Turkei hatsich im Zuge politischer Turbulenzen im Februar 2001 verstarkt und fand inder Abwertung der turkischen Lira um ungefahr 30 Prozentpunkte ihrenHohepunkt.

    Zinsen in den USA sinkendDer Verlauf der kurz- und langfristigen Satze von Euro und US-Dollar wurdeseit November 2000 von den erwarteten Zinssenkungen gepragt. In den USAwurden bisher im Jahr 2001 funf geldpolitische Lockerungsmanahmengetroffen, die die Federal Funds Rate um 250 Basispunkte senkten.2) Das

    1 Siehe Shiller, R. J. (2000). Irrational Exuberance. Princeton University Press.2 Nachtrag: Mai 2001.

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 11

  • Ausma und der Zeitpunkt der ersten Senkungwar fur die Marktteilnehmer eine U berraschung.Auch weitere Schritte in diese Richtung konnenbei Redaktionsschluss nicht ausgeschlossen wer-den. Die derzeitige Spanne zwischen kurz- undlangfristigen Zinssatzen ist sehr gering.

    Die Zins- und Inflationserwartungen imgesamten Euroraum und in den USA konnenmit Hilfe der Nullkupon-Zinsstrukturkurvedargestellt werden. Als Datenbasis werdenunterjahrige EURIBOR-/Eurodollar-Satze undEURIBOR-/Eurodollar-Swaps mit Laufzeitenvon 1 bis zu 10 Jahren herangezogen. Auf Grundder Nachfrageverschiebungen bei den US-Staats-anleihen entwickeln sich US-Dollar-Zinsswapsimmer mehr zum Benchmark. Zur Darstellungder Zinserwartungen im Euroraum eignen sichSwaps insofern besser, als der Interbankenmarktvollstandig integriert ist. Im Vergleich dazu sindbei den Staatsanleihen der Lander des Euroraumsnoch immer betrachtliche Unterschiede zwischenden einzelnen Markten bemerkbar. Von Oktober2000 bis Mitte April 2001 ist eine deutlicheVerschiebung der Zinsstrukturen in den beidenRegionen aufgetreten. So haben sich seit Juni2000 die Krummung und die Steigung in beidenKurven verandert. Die Zinssenkungen desFederal Reserve Systems (FED) und die negativenBeurteilungen des Verlaufs der amerikanischenKonjunktur spielen in beiden Regionen eine Rollebei der Verschiebung der Zinsstruktur. Bei derZinsstruktur des Euroraums kommen moglicheweitere Erwartungen fur eine Zinssenkung desEurosystems im Jahr 2001 hinzu. Die aktuelleEurokurve ist bis zu einer Laufzeit von zweiJahren invers, da der Drei-Monats-Satz uber demzweijahrigen Satz liegt. Die aktuelle US-Dollar-Kurve ist am kurzen Ende ebenfalls invers. Fur dieZinserwartungen auf dem Euro- bzw. US-Dollar-Interbankenmarkt bedeutet dies, dass man miteiner Verschlechterung der allgemeinen wirt-schaftlichen Lage bei einem Zeithorizont bis zuzwei oder drei Jahren und daher mit Zins-senkungen rechnet. In der Folge zeigen dieZinsstrukturen in beiden Regionen wieder einenAnstieg der Zinsen.

    Zinsstruktur Euro

    in Prozentpunkten

    55

    50

    45

    40

    Quelle: Datastream.

    21. Mrz 20012. Juni 2000

    0 6 82 4Laufzeit in Jahren

    10

    10. April 2001

    Zinsstze im Euroraum und in den USA

    in Prozentpunkten

    65

    60

    55

    50

    45

    40

    35

    30

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    EURIBOR Deutsche Bundesanleihen mit 10-jhriger LaufzeitEurodollar Treasury Notes mit 10-jhriger Laufzeit

    Zinsstruktur US-Dollar

    in Prozentpunkten

    75

    70

    65

    60

    55

    50

    45

    Quelle: Datastream.

    21. Mrz 20012. Juni 2000

    0 6 82 4Laufzeit in Jahren

    10

    10. April 2001

    Internationale Entwicklung

    12 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • Starker Anstieg der internationalen FinanzierungenWeitere wichtige Entwicklungen auf den internationalen Finanzmarktenlassen sich mit Hilfe der Daten der Bank fur Internationalen Zahlungs-ausgleich (BIZ) darstellen. Die Statistiken1) der BIZ ermoglichen einenEinblick in die Struktur und Dynamik der Einlagen und Ausleihungen: Im Jahr 2000 wurde ein deutlicher Anstieg der Volumina auf dem

    internationalen Bankenmarkt festgestellt. Die Ausleihungen stiegen um68 Mrd USD. Gleichzeitig kauften die Banken weiterhin vermehrtWertpapiere aus Europa und den USA. Bei den Einlagen erhohten sichinsbesondere jene von Erdol exportierenden Landern sowie Entwick-lungslandern.

    Bei den Schwellenlandern gingen die meisten Kredite nach Brasilien,Argentinien und in die Turkei. Letztere erhohte ihre Auslandsver-schuldung um 2.5 Mrd USD. Der grote Ruckgang wurde bei denForderungen gegenuber Russland verzeichnet. Die Veranderung um3 Mrd USD war vor allem durch die Verhandlungen mit denGeschaftsbanken begrundet.

    Von Bedeutung ist die Entwicklung bei den syndizierten Krediten: Hierist in den Daten der BIZ eine signifikante Ausweitung erkennbar, die aufeine verdreifachte Position gegenuber Telekommunikationsfirmen zu-ruckzufuhren ist. Im Jahr 2000 wurden so Fazilitaten in Hohe von256 Mrd USD arrangiert. Der Groteil dieser Kredite wurde in Eurovon im Euroraum sesshaften Banken uber London vergeben. Die Krediteim Zusammenhang mit Mergers & Acquisitions sind weiterhin ein groerTeil der Neuverschuldung. Im Jahr 2000 wurde ein Betrag von214 Mrd USD zur Verfugung gestellt. Schlielich konnte auch einefortgesetzte Tatigkeit turkischer Banken auf dem Markt fur SyndicatedLoans festgestellt werden.

    Risikofaktoren auf den Finanzma rkten

    Derzeit kann eine Schwachung der Finanzmarktstabilitat im Euroraum vorallem von vier Faktoren ausgehen. Zum einen ist die Situation in den USA einmoglicher Risikofaktor, wobei im Zentrum die Unsicherheit steht, inwelcher Starke und Lange der Wachstumseinbruch auftreten wird. Fur diekonjunkturelle Entwicklung im Euroraum ist in der Einschatzung derMarktteilnehmer die Wirtschaftslage in den USA ein wesentlicherEinflussfaktor. Eng damit verbunden ist der Themenkreis der aktuellenBewertung der amerikanischen Aktienmarkte. Den zweiten Schwerpunktbildet das Segment der Telekommunikationsunternehmen. Hier steht vorallem die unsichere zukunftige Ertragslage und die angespannte Finanz-situation im Zentrum der Aufmerksamkeit. Drittens halten in Japan dieProbleme im Finanzsektor sowie die Deflation bereits einige Jahre an. Alsvierter Risikofaktor sind Krisen in Schwellenlandern wie der Turkei oderArgentinien zu nennen.

    Diese Risikofaktoren konnen Instabilitaten auf den Finanzmarkten desEuroraums uber folgende Mechanismen verursachen:

    1 Siehe dazu BIZ-Quartalsbericht, Marz 2001.

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 13

  • Contagion-Effekt: Die Transmission von Schocks auf den Kapital-markten;

    Gefahrdung eines systemrelevanten Kreditinstituts auf Grund vonVerlusten durch Markt- bzw. Kreditrisiko;

    reale Effekte: Erhohung der Finanzierungskosten, Einbruch derInvestitionen bzw. Exporte, Vermogenseffekte bei den Anlagen derHaushalte.Im Folgenden werden die wichtigsten makroprudenziellen Indikatoren

    fur das Kredit-, Liquiditats- und Marktrisiko auf den internationalenFinanzmarkten untersucht. Das operationale Risiko bildet die vierteRisikokategorie. Sie stellt das allgemeine Risiko des Geschaftsbetriebs dar,das von Markt- oder Konjunkturentwicklungen unabhangig ist. Es wird beider systematischen Betrachtung von Fragilitaten im Finanzsystem nichteinbezogen.

    Indikatoren des KreditrisikosKreditrisiko entsteht, wenn sich ein Schuldner in der Bonitat verschlechtertbzw. im Extremfall zahlungsunfahig wird. Diese Risikokategorie befasstsich mit der Messung der Verluste durch den Ausfall eines Kreditnehmers

    oder, allgemeiner gesprochen, durch die Ver-ringerung seiner Kreditwurdigkeit, z. B. durcheine Herabsetzung seines Ratings. Das Kredit-risiko stellt bei Instituten im Euroraum daswesentlichste Risiko aus dem Geschaftsbetriebdar. Die wichtigste Quelle fur diese Risiko-kategorie ist das Kreditgeschaft im Rahmen desBankbuchs1). Daneben wird Kreditrisiko auch imHandelsbuch aufgebaut. Dies geschieht durchPositionen in risikoreichen Anleihen beim CreditTrading sowie durch Transaktionen von Derivatenauf dem Interbankenmarkt, wo das Risiko desAusfalls eines Geschaftspartners besteht.

    In der Praxis haufig verwendete Indikatorenfur das Kreditrisiko2) sind die Spreads zwischenden risikolosen Staatsanleihen und Zinsinstru-menten mit Ausfallrisiko. Den Schwerpunkt derRisikoanalyse bilden die groen Schuldner, also

    Unternehmen, supranationale Organisationen und Regierungen. DieAbstande der Renditen von Instrumenten verschiedener Emittenten werdenwesentlich von den Differenzen in den Bonitaten bestimmt, da sie mit Hilfeder Staatsanleihen um die allgemeine Zinsentwicklung bereinigt wordensind. Daher geben die Differenzen Aufschluss uber aktuelle Erwartungen furzukunftige Ausfallraten. Die Hohe der Spannen diverser Zinsinstrumentekann als Marktmeinung bezuglich der Ausfallwahrscheinlichkeit der

    Swapspread im Euroraum

    in Basispunkten

    70

    65

    60

    55

    50

    45

    40

    35

    30

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    1 Das Bankbuch ist der Teil des Bankportefeuilles von Instrumenten mit langerem Zeithorizont, z. B. Krediten;das Handelsbuch enthalt Instrumente mit kurzerem Zeithorizont, z. B. Wertpapiere des Eigenhandels.

    2 Siehe Saunders, A. (1999). Credit Risk Measurement, Wiley.

    Internationale Entwicklung

    14 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • jeweiligen Schuldner interpretiert werden. Je hoher diese Abstande fur einenSchuldner liegen, umso groer ist die Risikopramie. Diese zusatzlicheRendite kompensiert das Bestehen einer nennenswerten Wahrscheinlichkeitvon Zahlungsausfallen. In den USA konnte ein Anstieg der Ausfallraten vorbzw. wahrend einer Rezession beobachtet werden. Dies bedeutet, dass dieZinsspannen auch Informationen uber das allgemeine Wirtschaftsklimageben konnen. Da die Zinssatze bei Bankkrediten nicht offentlich verfugbarsind, eignen sich die auf dem Anleihemarkt beobachteten Zinsen am bestenzur Schatzung fur jene Satze, die Unternehmen bei ihren Krediten, z. B. denSyndicated Loan Facilities, zahlen mussen.

    Die Analyse der Zinsspreads begrundet sich aus der Finanzmarkttheorie.Sie zeigt, dass die Bewertung von Unternehmensanleihen mit Hilfe einesOptionspreismodells erfolgen kann. Der von Merton (1974)1) eingefuhrteAnsatz impliziert, dass der Wert einer Unternehmensanleihe der Position ineinem risikolosen Papier sowie der Short Position in einer Verkaufsoption aufden Firmenwert bzw. den Aktienkurs entspricht. Daraus folgt, dass derZinsspread gleich jener Pramie ist, die fur die Verkaufsoption bezahlt wird.

    Kreditrisiko im Euroraum leicht rucklaufigDer Abstand zwischen der 10-jahrigen deutschen Bundesanleihe und demfixen Satz von 10-jahrigen Zinsswaps ist der wichtigste Indikator fur dasKreditrisiko auf dem Eurointerbankenmarkt. Diese Spanne hat sich im Laufedes Jahres 2000 um fast 40 Basispunkte erhohtund liegt derzeit bei 55 Basispunkten. Dielangfristige Perspektive zeigt, dass es seit derRusslandkrise zu keinem Ruckgang auf die vor-herigen Niveaus von 20 bis 30 Basispunkten kam.In den letzten Monaten zeichnet sich eineVerringerung auf Grund der geldpolitischenManahmen der FED ab. Die Zinssenkungenhaben zu einer verbesserten Einschatzung fur dieweitere konjunkturelle Entwicklung in den USAgefuhrt; dies bewirkte einen Ruckgang derRisikopramien auf dem Interbankenmarkt.

    Die Bedeutung des Swapspreads liegt auchdarin, dass der Markt fur Unternehmensanleihenerst im Wachsen ist und das Segment dernichtstaatlichen Schuldner von Banken dominiertwird. Der Markt der Corporate Bonds wachst inEuropa nicht zuletzt durch die Wahrungsunionsehr stark, ist aber im Vergleich zu den Ver-einigten Staaten noch immer sehr klein. In denUSA sind Schuldner aller Bonitaten sowie allerSektoren vertreten. Im Verhaltnis dazu sind in Europa die Breite und dieTiefe des Marktes beschrankt. Im Jahr 2000 betrug der Anteil der USA an

    1 Siehe Merton, R. (1974). On the Pricing of Corporate Debt. The Risk Structure of Interest Rates. In: Journalof Finance, 449470.

    Zinsspreads im Euroraum

    180

    160

    140

    120

    100

    80

    60

    40

    20

    0

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    BaaAAa

    in Basispunkten

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 15

  • den weltweit ausstehenden Anleihen 46%, jener des Euroraums 20%. BeimEuroraum teilt sich dieses Volumen auf 50% Regierungen, 43% Finanz-institutionen und 7% Unternehmen auf, bei den USA betragt die Verteilung50, 30 sowie 19%. Im reprasentativ angelegten European Credit SwapIndex1) von J. P. Morgan befinden sich 98 Unternehmen (65 Indus-trieunternehmen, 31 aus dem Finanzsektor), davon 7 Unternehmen mitRating AAA, 37 mit AA, 39 mit A, 7 mit BBB und 8 ohne Rating. Der Indexenthalt keine osterreichischen Schuldner. Man kann anhand dieser Werteerkennen, dass noch relativ wenige Schuldner auf dem Anleihemarktvertreten sind. Dennoch ist eine Analyse dieses Segments von Interesse, dazusatzliche Informationen uber die Ausfallrisiken gewonnen werden konnen

    Die Grafik Zinsspreads im Euroraum stellt fur die Ratings Baa, Aa undA die Zinsspreads der Lehman-Brothers-Euro-Corporate-Bond-Indizes zudeutschen Bundesanleihen dar. Man kann eine deutliche Entkoppelung derSpreads feststellen. Im April 2000 hat die parallele Entwicklung der dreiRatingkategorien ein Ende gefunden. Seit damals, also genau zum Zeitpunktder Kurseinbruche auf den Aktienmarkten, verlaufen die Spreads derKategorie Baa getrennt von den beiden anderen Kategorien. Insgesamt kannman daher einen Ruckgang der Korrelationen zwischen den Schuldnernverschiedener Bonitaten festhalten. Diese Trennung ist auch dadurchbegrundet, dass bei Schuldnern niedriger Bonitat das unternehmensspezi-fische Risiko (event risk) starker durchschlagt als bei besseren Ratings. Eslasst sich auf Grund des Zeitverlaufs eine starke Interdependenz derAktienkurse und der Renditen von Anleihen feststellen. Die Sorgen um eineschlechte Gewinnentwicklung fuhrten zu Ruckgangen der Aktienkurse.Durch diese Verschlechterung des Verhaltnisses von Eigen- und Fremdkapitalstieg bei den betroffenen Firmen der Verschuldungsgrad an. So erhohten sichdie Risikopramien bei den Corporate Bonds. Seit den amerikanischenZinssenkungen sind die Spreads wieder gesunken. Die Verringerung istbei der hochsten Risikokategorie am deutlichsten, da es sich dort um30 Basispunkte vom Hochstwert von 180 Basispunkten handelt. Bei der umeine Stufe hoheren Ratingkategorie A ging der Abstand um 15 Basispunktezuruck. Wie die Swapspreads illustrieren die Credit Spreads den groenEinfluss der US-Konjunktur auf die Finanzmarkte im Euroraum. Sollte sichin den USA eine starke Verschlechterung des wirtschaftlichen Klimasabzeichnen, dann wurden die Risikopramien auf den europaischenAnleihemarkten ansteigen.

    Weiterhin Unsicherheit uber den TelekommunikationssektorBei der Analyse des Kreditrisikos spielt der Telekommunikationssektorderzeit eine besonders wichtige Rolle. In Anbetracht der groen Unsicher-heit uber die kunftige Ertragslage ist das Telekommunikations-Medien-Technologie (TMT)-Segment ein betrachtlicher Risikofaktor. Der Grunddafur ist, dass die erhohte Kreditvergabe an Unternehmen aus diesem Sektoreine Haufung von Bonitatsrisiken bei den Banken bewirkte. Bei Redaktions-

    1 Siehe J. P. Morgan (2000). Introducing the JP Morgan European Credit Swap Index, Portfolio Research, Marz.

    Internationale Entwicklung

    16 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • schluss sind die wichtigsten Unternehmen dieses Segments in folgendeRatingkategorien eingestuft: Deutsche Telekom: Moodys A2, S&P A; France Telecom: Moodys A1, S&P A; British Telecom: Moodys A2, S&P A; KPN: Moodys Baa2, S&P BBB+; Vodafone: Moodys A2, S&P A.

    Die Einschatzungen der Bonitat durch Moodys und S&P lassenerkennen, dass in diesem Segment ein betrachtliches Risikopotenzial liegt.Vor allem durch die Ersteigerung der UMTS-Lizenzen entstand eingewaltiger Finanzierungsbedarf. Dieser wurde durch Aktienemissionen,Kreditaufnahmen mit Syndicated Loan Facilities oder Bridge Loans sowie dieBegebung von Anleihen gedeckt. Bei den Bonds vieler Telekommunikations-firmen ist eine Stufen-Klausel1) zu beachten. Eine Senkung der Bonitat istnicht unwahrscheinlich, da sich bei vielen Unternehmen keine Besserung derbeengten Finanzlage abzeichnet. Zur weiteren Finanzierung des UMTS-Ausbaus wurde von einigen Unternehmen der Verkauf von Unternehmens-anteilen uber die Borse geplant. Da dieser Wegaber bei France Telecom mit der Borseneinfuh-rung von Orange nicht die gewunschten Ein-nahmen erbrachte, scheint das Szenario dererschwerten Finanzierung wahrscheinlicher zuwerden. Die Grafik Renditen der Anleihen vonTelekommunikationsunternehmen stellt dieRenditen von Anleihen der Deutschen Telekom,der British Telecom sowie der France Telecomdar. Auf Grund des Risikos weisen alle dieseAnleihen eine Verzinsung zwischen 6 und 8% auf.Diese Rendite liegt um 130 bis 300 Basispunkteuber den deutschen Bundesanleihen. So kanngeschlossen werden, dass die Anleihemarkte unddie Ratingagenturen ein betrachtliches Risiko-potenzial in diesem Sektor sehen. Die Ursacheliegt darin, dass aus heutiger Sicht nur ungenauePrognosen uber die zukunftige Entwicklung derTelekommunikationsertrage gemacht werden konnen, wie es auch fur vieleTitel der New Economy der Fall ist. Insgesamt hat sich, wie im erstenAbschnitt ebenfalls dargestellt, die Euphorie gegenuber dem gesamtenTMT-Sektor abgekuhlt.

    Kreditrisiko in den USA im AnsteigenFur die USA sind neben Zinsswaps und Anleihen von Unternehmen mithoher oder mittlerer Qualitat auch Hochzinsanleihen, also Emittenten abdem Rating Ba, verfugbar. Ein weiterer, haufig herangezogener Indikator furdas Kreditrisiko ist der Renditenabstand der Anleihen der Staaten aus

    1 Diese Bedingung in den Anleiheemissionen bewirkt, dass die Kupons erhoht werden mussen, wenn das Rating derFirma auf Baa/BBB fallt. In diesem Fall werden die Kosten der Verschuldung noch zusatzlich erhoht.

    Renditen der Anleihen

    von Telekommunikationsunternehmenin %

    75

    70

    65

    60

    55

    50

    45

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    British TelecomDeutsche Telekom

    France TlcomDeutsche Bundesanleihen mit 10-jhriger Laufzeit

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 17

  • Lateinamerika. Die Grafiken Swapspread in denUSA und Zinsspreads US-Dollar fassen dieRenditenabstande von US-Dollar-Zinsswaps mit10-jahriger Laufzeit, US-Unternehmensanleihenmit Rating Baa, US-Hochzinsanleihen (MerrillLynch High Yield Index) sowie lateinamerikani-sche Titel (Lehman Emerging Americas BondIndex) zusammen. Die Differenzen zwischen denRenditen der verschiedenen Schuldner sind klarerkennbar. So weisen Swaps den geringstenAbstand zu Schatzanleihen auf und Junk Bondsden hochsten. Dazwischen liegen die Unter-nehmensanleihen der Ratingkategorie Baa und dieTitel lateinamerikanischer Schuldner. Die Reihen-folge bei Redaktionsschluss hat sich wahrend derKrise im Sommer 1998 umgekehrt. Damalswiesen die Anleihen lateinamerikanischer Schuld-ner einen Renditenabstand von 120 Basispunktenauf. Auffallig ist, dass in den USA die Swapspreadshoher sind als in Europa. Aktuell betragt derAbstand im Euroraum ungefahr 60 und in denUSA 90 Basispunkte. Der US-Dollar-Swapspreadhat seinen Gipfel im Jahr 2000 bei einem Wertvon 140 Basispunkten erreicht. Der damaligeAnstieg wurde durch den Ruckgang der Renditender Staatsanleihen im Zuge der Budgetuber-schusse verursacht. Die Reduktion beim Angebotvon US-Treasuries fuhrte bei gleich bleibenderNachfrage zu immer hoheren Preisen und damitsanken die Renditen automatisch.

    Von besonderem Interesse ist der Verlauf derSpreads von Unternehmensanleihen, namlichPapiere mit dem Rating Baa aus dem Investment-bereich und Hochzinsanleihen aus dem Spekula-tionsbereich. Diese beiden Satze sind Indikatorenfur die Kosten der Finanzierung mit Fremd-kapital, die Unternehmen verschiedener Bonitatderzeit auf dem Anleihemarkt bezahlen mussen.

    Sie weisen somit einen hohen Informationsgehalt fur zukunftige Ausfalle aufdem Markt fur Unternehmens- und Finanzanleihen auf. Im Zeitverlaufbemerkenswert ist der starke Anstieg der Renditen von Junk Bonds undderen deutliche Reaktion auf die erste Zinssenkung der FED Anfang Janner2001. Letztere bewirkte einen Ruckgang der Spreads um 100 Basispunkte.Damit hatte die geldpolitische Lockerungsmanahme ihre starkste Aus-wirkung bei Schuldnern minderer Kreditwurdigkeit. Ein ahnlicher Effektkann bei den Anleihen lateinamerikanischer Schuldner und bei denUnternehmensanleihen mit dem Rating Baa festgestellt werden. Diesbedeutet, dass Schuldner mittlerer und geringer Bonitat nun eine Entlastung

    Swapspread in den USA

    in Basispunkten

    140

    130

    120

    110

    100

    90

    80

    70

    60

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    Zinsspreads US-Dollar

    in Basispunkten

    900

    800

    700

    600

    500

    400

    300

    200

    100

    0

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    LateinamerikaUS-Dollar High YieldBaa

    Internationale Entwicklung

    18 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • bei ihren Verbindlichkeiten erhalten haben. Vor den Zinssenkungen wurdenviele Schuldner mittlerer und niedriger Bonitat am kurzen Ende derLaufzeiten aktiv, indem sie auf dem Geldmarkt Mittel aufnahmen. BeimSwapspread kam es zu einem Ruckgang um ungefahr 20 Basispunkte. Dieweitere Entwicklung dieser Spannen wird zweifellos davon abhangen, ob esin den USA zu einer harten oder zu einer weichen Landung kommt. Solltesich die wirtschaftliche Lage nur wenig verschlechtern, dann rechnenMarktteilnehmer mit einem weiteren Ruckgang der Spreads. Bei der in denSwapsatzen enthaltenen Risikopramie wird insbesondere die weitereEntwicklung im Bankensektor von entscheidender Bedeutung sein.

    Erhohtes Kreditrisiko in der TurkeiDa unter den EU-nahen Schwellenlandern die Turkei derzeit im Vorder-grund steht, wird der Schwerpunkt auf die Analyse der turkischen Anleihengelegt, die im Ausland gehandelt werden und imLehman-Anleiheindex zusammengefasst sind. Eskann eine starke Ausweitung der Spreads fest-gestellt werden. Aus Sicht der Anleger hat dasWechselkursrisiko wegen der Abwertung einenstarken Einfluss auf die Bestimmung der Risiko-pramie. Die Renditen von in US-Dollar emit-tierten Papieren der Turkei liegen zu Redak-tionsschluss bei 16%. Zum Vergleich war derHochststand wahrend der Krise im Jahr 1998 eineRendite von 19%. Im Jahr 2000 kam es zu einemstarken Fall der Anleihekurse, als der Umfang derProbleme im Bankensektor bekannt wurde.Damit ist der Umbau des Finanzsektors diedringlichste Aufgabe.

    Indikatoren des Liquiditatsrisikos leicht steigendBei der Analyse der Renditenabstande diverser Emittenten muss beruck-sichtigt werden, dass der Spread eines bestimmten Emittenten oderEmittententyps neben dem Kreditrisiko folgende Komponenten enthalt: Sensitivitat des Emittenten gegenuber dem Zinsrisiko; Liquiditatsrisiko; Sonderfaktoren bei Renditen der Benchmarks, z. B. Angebotsruckgang

    bei Staatsanleihen.Besonders wichtig ist dabei das Liquiditatsrisiko.1) Dies ist das Risiko,

    dass bei einem Markteinbruch keine rechtzeitige Reduktion der Positionenmehr moglich ist.2) Eine derartige Entwicklung wurde wahrend der Kriseim Sommer und Herbst des Jahres 1998 beobachtet. In den USA wirddas Liquiditatsrisiko durch die Renditendifferenz von on the run- undoff the run-Bonds3) quantifiziert. Letztere werden seltener gehandelt,

    Anleiherendite

    trkischer Staatsanleihenin Prozentpunkten

    16

    15

    14

    13

    12

    11

    10

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    1 Siehe J. P. Morgan (1999). Valuing Market Liquidity, Fixed Income Research.2 Je groer die Liquiditat eines Marktes ist, desto geringer ist dort das Liquiditatsrisiko. Zur Begriffsabgrenzung

    siehe das Kapitel Finanzmarkte in Osterreich, Abschnitt Rentenmarkt.3 Dies ist die Anleihe, die derzeit gerade die Benchmarkfunktion inne hat, und ihr jeweiliger Vorganger.

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 19

  • und damit erlaubt die Differenz der Yields eineSchatzung des Liquiditatsrisikos. Im Euroraum istdieses Konzept nicht auf einfache Weise direkt zuimplementieren. So kann aus Datengrunden einedirekte Messung des Liquiditatsrisikos nicht vor-genommen werden. Es gibt jedoch indirekteIndikatoren fur das Liquiditatsrisiko. Eine der-artige Groe ist die Differenz zwischen demNullkuponsatz der Zinsstruktur und der Renditeder jeweiligen Benchmarkbonds. Dieser Abstandwird von der allgemeinen Zinsentwicklung nichtbeeinflusst und daher wesentlich von der Liqui-ditat bestimmt. Die Grafik Liquiditatspramie auf

    dem deutschen Rentenmarkt zeigt diese Zinsdifferenz fur den deutschenRentenmarkt. Man erkennt deutlich den starken Anstieg im Oktober 1998.Diese Spitze spiegelt das Phanomen der Flucht in die Qualitat wider, dasheit, in Zeiten starker Kurseinbruche bevorzugen die Anleger die relativsicheren Staatsanleihen. Zuletzt war ein leichter Anstieg dieses Indikatorszu beobachten.

    Indikatoren des MarktrisikosDas Marktrisiko ist jene Risikokategorie des Bankbetriebs, die sich durchstarke Ruckgange der Marktpreise von Wertpapieren und derivativenInstrumenten ergibt. Das Exposure der Banken entsteht primar aus dem

    Eigenhandel, also aus dem Eingehen von Positio-nen mit eigenem Kapital im Rahmen des Handels-buchs. Ein dramatischer Fall, z. B. der Aktien-kurse, kann zu einem starken Ruckgang des Wertsdes Portefeuilles fuhren. Sollten die Verluste dievorhandenen Mittel ubersteigen, konnte diebetroffene Bank in Liquiditatsschwierigkeitenkommen. Somit sind deutliche Veranderungendes Marktrisikos eine mogliche Ursache furInstabilitaten auf den Finanzmarkten. Die auf-sichtsrechtliche Behandlung des Marktrisikos istin der Kapitaladaquanz-Richtlinie geregelt. Diegeltenden Vorschriften zielen darauf ab, dieAuswirkungen von groen Preisanderungen aufdie Portefeuilles der Banken zu begrenzen. So

    sollen die Konsequenzen von Krisen, wie z. B. der Russlandkrise, reduziertwerden.

    Ein gebrauchliches Ma fur das Marktrisiko ist die Volatilitat vonAktienindizes, Wechselkursen oder Zinssatzen. Sie stellt die Standard-abweichung, das heit die Streuung der Preisanderungen um denErwartungswert dar. Die implizite Volatilitat wird mit Hilfe eines Options-preismodells aus den auf dem Markt beobachteten Optionspreisenberechnet. Da derivative Finanzinstrumente in die Zukunft orientierteVertrage sind, mussen die Marktteilnehmer beim Handel die Varianzen uber

    Liquidittsprmie

    auf dem deutschen Rentenmarktin Basispunkten

    30

    20

    10

    0

    10

    Quelle: Datastream.

    7. 3. 1996 7. 3. 1997 7. 3. 1998 7. 3. 1999 7. 3. 2000

    Implizite Volatilitt

    fr den NASDAQ Composite Indexin %

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    Internationale Entwicklung

    20 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • die Laufzeit des Instruments prognostizieren. Diese Prognose ist imBewertungsmodell der wichtigste Bestimmungsfaktor des Preises vonOptionen. Die implizite Volatilitat stellt die aktuelle Erwartung der Anlegeruber die zukunftige Streuung des Aktienindex, des Wechselkurses oder desZinssatzes dar und erlaubt eine Einschatzung, wie stark die Preise derjeweiligen Instrumente in Zukunft schwanken werden. Veranderungen derimpliziten Volatilitat konnen als Veranderungen der Risikoeinschatzung derauf dem Markt aktiven Handler interpretiert werden. A hnlich wie beiZinsstrukturen und Zinsspreads handelt es sich bei den implizitenVolatilitaten um zukunftsorientierte Indikatoren. Im Gegensatz dazu ist diehistorische Volatilitat ein ausschlielich auf vergangenen Preisanderungenberuhendes Ma fur die Streuung der Kurse.

    Volatilitaten im Ansteigen begriffenAuf den Aktienmarkten schwankte die Varianz der breiten Indizes inDeutschland auf annualisierter Basis im Berichtszeitraum zwischen 15 und30% und in den USA zwischen 20 und 40%. Infolge der Zinssenkungen derFED zeichnete sich zeitweilig ein Ruckgang derUnsicherheit ab, der jedoch mittlerweile ein Endegefunden hat. Auf dem US-Markt gingen dieKursanstiege mit einem Ruckgang der Volatilitateinher. Sowohl in Deutschland als auch in denUSA konnte im April 2001 wieder eine Zunahmeder Varianz beobachtet werden, was auf eineZunahme des Marktrisikos hindeutet. Zuletzt lagdie implizite Schwankungsbreite der Aktienkursebei 30% in den USA und bei 20% in Deutschland.Auffallig sind die deutlich hoheren implizitenVolatilitaten auf dem NASDAQ-Markt. Im Verlaufdes Jahres 2000 bewegte sich die Varianzzwischen 40 und 90% und liegt zu Redaktions-schluss bei 72%. Diese sehr hohen Werte druckendas starke Risiko von New-Economy-Aktien ausund zeigen, dass auf den Markten eine sehr groeUnsicherheit uber die Bewertung der Techno-logieaktien herrscht. Ebenso ist wie beim DAXund beim S&P 500 ein Sinken der Volatilitat nachden US-Zinssenkungen, gefolgt von einem wei-teren Anstieg in den letzten Wochen vor Redak-tionsschluss, zu erkennen. Dies ist ein Indiz dafur,dass nach Einschatzung der Marktteilnehmer dieKorrekturen bei der Bewertung der Technologie-aktien noch nicht zu Ende sind.

    Auf den Devisenmarkten ging gleichzeitig mitdem Anstieg des Euro im Herbst des Jahres 2000die Unsicherheit zuruck. Seit Ende Janner 2001bewegte sich die implizite Volatilitat nur wenigund liegt zu Redaktionsschluss bei etwa 12%,

    Implizite Volatilitt

    auf den Aktienmrktenin %

    40

    35

    30

    25

    20

    15

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    DAXS&P 500

    Implizite Volatilitt

    auf dem Devisenmarktin %

    16

    14

    12

    10

    8

    6

    Quelle: Citibank.

    2000 2001

    Euro/US-DollarJapanischer Yen/US-Dollar

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 21

  • sowohl fur Euro/US-Dollar als auch fur japa-nische Yen/US-Dollar. Insgesamt kam es somit zueinem Ruckgang im Vergleich zum historischenHochstwert von 17% im Oktober 2000 furEuro/US-Dollar. Die Interpretation der implizi-ten Volatilitat fur Zwecke der Finanzmarkt-stabilitat wird dadurch erschwert, dass markt-technische Bewegungen relativ zu Fundamental-daten eine groe Rolle spielen.

    Auf den Geldmarkten ist die implizite Vola-tilitat des Drei-Monats-EURIBOR das wichtigsteMa fur die Unsicherheit. Diese Schwankungs-

    breite wird aus den Optionen auf den EURIBOR-Terminkontrakt berechnetund spiegelt die Unsicherheit uber die Entwicklung des Leitzinses wider.Somit ist sie ein guter Indikator fur die zukunftigen Schwankungen derFinanzierungskosten der Banken. Bei Redaktionsschluss liegt die impliziteVolatilitat des EURIBOR bei 12%. Bemerkenswert ist der Ruckgang um fast15 Prozentpunkte von Janner bis Oktober 2000. Dies deutet darauf hin, dasssich die Unsicherheit der Marktteilnehmer uber die weitere Zinsentwicklungim Jahresverlauf verringert hat.

    Mittel- und Osteuropa

    Mittelfristige Zunahmeder Zahlungsbilanzrisiken wahrscheinlich

    Die mittel- und osteuropaischen Lander sind wesentliche Markte fur dieosterreichischen Banken. Die Entwicklung dieser Markte kann die Ertrags-lage und die Risikoposition der osterreichischen Banken merklich beein-flussen. Die zentrale Fragestellung in diesem Abschnitt ist daher diequalitative Abschatzung der Wahrscheinlichkeit von Beeintrachtigungen desGeschaftsergebnisses fur die osterreichischen Banken in Mittel- undOsteuropa auf Grund von makrookonomischen Entwicklungen.

    Abwertungen der Lokalwahrungen gegenuber dem Euro von jenenmittel- und osteuropaischen Landern, in denen osterreichische Bankensubstanzielle Anteile ihres gesamten Auslandsengagements halten, ver-ringern die in Euro konvertierten Betriebsergebnisse der Tochterbanken undfuhren zu einer Bewertungsminderung des Beteiligungsansatzes. Zusatzlichkann die Abwertung auch noch das Betriebsergebnis in Lokalwahrung inunterschiedlicher Weise beeinflussen. Letzteres ist unter anderem abhangigvon der Hohe der offenen Devisenpositionen der Tochterbanken sowie vomAusma, in dem die Abwertung Auenhandelsstrome verandert bzw. dieRealwirtschaft stimuliert und wie sich dies in A nderungen der Bruttoertrageniederschlagt.

    Ein entscheidender Faktor fur das Entstehen eines Abwertungsdrucks istdas Vorliegen bzw. Anwachsen von Ungleichgewichten innerhalb derZahlungsbilanz. Ein Blick auf die Struktur der Zahlungsbilanz im Jahr 2000zeigt, dass wie bei Landern in einem wirtschaftlichen Aufholprozess zu

    Implizite Volatilitt

    auf dem Eurogeldmarktin %

    25

    20

    15

    10

    Quelle: Datastream.

    2000 2001

    Internationale Entwicklung

    22 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • erwarten die Leistungsbilanz bei samtlichen hier betrachteten Landern(mit Ausnahme von Russland) ein Defizit aufwies. Das Defizit in derLeistungsbilanz wird jedoch in allen mitteleuropaischen Landern in einemsehr hohen Ausma durch Kapitalzustrome in Form von Nettodirekt-investitionen des Auslands finanziert, ja in einigen Landern mehr alskompensiert.

    In Anbetracht der in Vorbereitung befindlichen weiteren Privatisierun-gen und der damit verbundenen Direktinvestitionen durften in denuntersuchten mitteleuropaischen Landern in naher Zukunft keine extremenund unfinanzierbaren makrookonomischen externen Ungleichgewichtevorliegen. Mittelfristig durfte jedoch das Potenzial fur hohe Privatisierungs-erlose deutlich zuruckgehen, womit die von der Zahlungsbilanz ausgehendenRisiken in diesen Landern zunehmen werden.

    In Russland ist die Zahlungsbilanz durch einen massiven Leistungs-bilanzuberschuss (19% des Bruttoinlandsprodukts, BIP, im Jahr 2000)gekennzeichnet, der einen Aufbau von Devisenreserven trotz starkerKapitalabflusse ermoglicht hat. Auf Grund kontinuierlich hoher Kapital-exporte und der Abhangigkeit des Leistungsbilanzsaldos von den Rohstoff-preisen und von anderen Sonderfaktoren (unter anderem dem moglichenteilweisen Wiederaufbau der infolge der Finanzkrise 1998 zusammen-gebrochenen Importfinanzierungsstrukturen) ist diese Situation und damitauch der Wechselkurs des Rubels keineswegs stabil. Um den strukturellenKapitalexport zu verringern, sind ohne Zweifel sowohl Manahmen derrussischen Behorden (wie z. B. die Verbesserung des Investitionsklimas imInland) sowie kooperative Anstrengungen Russlands und der OECD-Staaten(wie z. B. Kontrollen bezuglich der Einhaltung von Kapitalverkehrs-beschrankungen) notwendig. Es ist jedoch nicht sicher, ob selbst raschgesetzte Schritte innerhalb der erforderlichen Zeit hinreichende Wirkungentfalten, um den Kapitalexport zu verringern. Wird die Hohe desstrukturellen Kapitalexports der letzten Jahre als Faktum genommen, so istdie Fahigkeit zur durchgehenden Bedienung der durch die RussischeFoderation von der Sowjetunion ubernommenen Schulden beim PariserClub mit beachtlichem Risiko behaftet. Vom gesamten Schuldendienstprofilher gesehen, weist das Jahr 2003 die grote Belastung auf, da in diesem Jahrauch hohe Betrage an Eurobonds und MinFin-Bonds fallig werden.

    Aktuell geringe Verwundbarkeitdurch kurzfristige Kapitalabflu sse

    Die Erfahrung mit den Finanzkrisen in Mexiko, Sudostasien und Russland hatgezeigt, dass beim Ausbruch von bzw. auch bei der Ansteckung durchinternationale Finanzkrisen (neben einer Reihe anderer Faktoren) die hoheVerwundbarkeit durch kurzfristige Kapitalabflusse eine bedeutende Rollegespielt hat. Dieser fur die Stabilitat einer Wirtschaft im Aufholprozessbedeutende Teilaspekt wird daher im folgenden Abschnitt anhand einigerIndikatoren fur die mitteleuropaischen Lander und fur Russland untersucht.Der Fokus liegt dabei auf der aktuellen Verwundbarkeit dieser Lander.

    Die Grafik Verhaltnis der Geldmenge (M2) zu den offiziellen Brutto-reserven zeigt das Verhaltnis zwischen einer sehr breiten Definition von

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 23

  • liquiden, potenziell in andere Wahrungen um-schichtbaren Aktiva (M2) zu den offziellen Brutto-reserven der Zentralbank. Wie aus der Grafikersichtlich ist, wiesen zuletzt sowohl die mittel-europaischen Lander als auch Russland imVergleich zu einer Reihe von durch Finanzkrisenbetroffenen Landern vor dem Ausbruch der jewei-ligen Krise deutlich niedrigere Werte diesesIndikators auf.

    Ein weiterer wichtiger Indikator ist das Niveauder kurzfristig falligen Tilgungen auf Auslands-verbindlichkeiten in Fremdwahrung relativ zuden offiziellen Bruttoreserven der Zentralbank.Diese Verhaltniszahl liegt in samtlichen Landerndeutlich unter 100%. Dies ist auf Grund des imJahr 2000 erfolgten Aufbaus von Devisenreservenselbst in Russland der Fall. Am niedrigsten ist dieserWert bemerkenswerterweise fur Slowenien, gefolgtvon Polen.

    Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diekurzfristig falligen Tilgungen auf Schuldtitel in

    Lokalwahrung, die von auslandischen Investoren gehalten und daher (beifehlender sofortiger Wiederveranlagung) in Fremdwahrung ins Ausland zutransferieren sind, in dieser Verhaltniszahl nicht enthalten sind. Im FalleUngarns betragen diese Tilgungen etwa 7% der offiziellen Bruttoreserven,und auch in Polen durften sie ein betrachtliches Ausma erreichen.

    Neben diesen Tilgungsverpflichtungen sind auerdem auch noch diekurzfristig falligen Zinszahlungsverpflichtungen (auf Auslandsschulden inFremdwahrung sowie in Lokalwahrung) zu beachten, die in einigen Landern

    Verhltnis der Geldmenge (M2)

    in %

    600

    500

    400

    300

    200

    100

    0

    Thai

    land

    3 )

    Russ

    land

    2 )

    Slow

    akisc

    heRe

    publ

    ik

    Ung

    arn2

    )

    Tsch

    echi

    sche

    Repu

    blik

    2 )zu den offiziellen Bruttoreserven1)

    Quelle: Nationale Zentralbanken, IWF, International Financial Statistics fr Mexiko,Thailand, Russland.1) Reserven fr Mexiko, Russland, Thailand exklusive Gold.2) Stand: Dezember 2000.3) Stand: Juni 1997.4) Stand: Dezember 1993.5) Stand: Juni 1998.

    Mex

    iko4

    )

    Russ

    land

    5 )

    Pole

    n2)

    Kurzfristig fllige Auslandsschulden1)

    in % der offiziellen Bruttoreserven (exkl. Gold) der Zentralbank

    60

    50

    40

    30

    20

    10

    0

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB.1) Stand: September bzw. Dezember 2000.

    Slow

    enie

    n

    Russ

    land

    Slow

    akisc

    heRe

    publ

    ik

    Ung

    arn

    Tsch

    echi

    sche

    Repu

    blik

    Pole

    n

    Kurzfristig fllige Auslandsschulden1)

    in % des BIP

    14

    12

    10

    8

    6

    4

    2

    0

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB.1) Stand: September bzw. Dezember 2000.

    Slow

    enie

    n

    Russ

    land

    Slow

    akisc

    heRe

    publ

    ik

    Ung

    arn

    Tsch

    echi

    sche

    Repu

    blik

    Pole

    n

    Internationale Entwicklung

    24 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • ein groeres Ausma erreichen, insbesonderegemessen an den offiziellen Bruttoreserven. Siesind dafur hauptverantwortlich, dass die Kapital-ertragsbilanz in allen Landern negativ ist, wobeiinsbesondere die Slowakische Republik, Ungarnund Russland hervorzuheben sind.

    Die Grafik Auslandische Portfolioinvestitio-nen zeigt die gesamten (das heit nicht nur diekurzfristig falligen) Bestande an Portfolioinvesti-tionen in Schuldtitel in lokaler Wahrung, die vonauslandischen Investoren gehalten werden, sowiedie Bestande an auslandischen Portfolioinvestitio-nen in Aktien, jeweils bezogen auf die offiziellenBruttoreserven. Zwar sind die entsprechendenVerhaltniszahlen fur Aktien deutlich hoher als furSchuldtitel, es ist jedoch zu berucksichtigen, dassder eventuelle Abfluss der akkumulierten Be-stande an Aktien meist mit einem deutlichgroeren Verfall der Marktpreise in Lokalwah-rung (Aktienkurse) verbunden ist und daher dieGefahrdung der Devisenreserven im Krisenfallgeringer ausfallen durfte, als gema der Bewer-tung zu aktuell verfugbaren Marktpreisen zuerwarten ware.

    Unter dem Gesichtspunkt moglicher Risikenfur die souverane Zahlungsfahigkeit der betrach-teten Reformstaaten durch kurzfristige Kapital-abflusse sollten auch die Wahrungsregime dieserLander beachtet werden. Mit der AusnahmeUngarns verwenden die Zentralbanken der be-trachteten Lander kein Wechselkursziel, sodasskeine Verpflichtung besteht, Kapitalabflussedurch den Verkauf offizieller Devisenreservenauszugleichen.

    Das Ausma des akkumulierten kurzfristigen Kapitalzuflusses und dessenpotenzielle destabilisierende Wirkung ist gegenwartig noch relativ gering,nicht zuletzt weil er durch Beschrankungen des kurzfristigen Kapitalverkehrs(vor allem in Ungarn, Polen und Russland) gebremst wurde.

    Insgesamt erscheint die aktuelle Verwundbarkeit des Finanzsystems deranalysierten Reformlander durch kurzfristige Kapitalabflusse (z. B. infolgeinternationaler Finanzkrisen), die zusatzlich zum vorprogrammierten kurz-fristig falligen Schuldendienst erfolgen konnen, derzeit zwar noch relativgering, allerdings kann sich diese Situation relativ rasch andern.

    In Russland erreicht jedoch die Summe aus kurzfristig falligen Tilgungenund dem Saldo der Kapitalertragsbilanz, gemessen an den offiziellenBruttoreserven, noch immer fast 100%, obwohl diese Reserven im Jahr2000 deutlich angestiegen sind. Dem steht allerdings ein hoher, wenn auchinstabiler U berschuss in der Handelsbilanz gegenuber.

    Kapitalertragsbilanz 2000

    Quelle: WIIW, nationale Quellen, OeNB.

    in % der offiziellen Bruttoreserven (exkl. Gold) der Zentralbank

    05

    10

    15

    20

    25

    30

    Slow

    enie

    n

    Pole

    n

    Tsch

    echi

    sche

    Repu

    blik

    Slow

    akisc

    heRe

    publ

    ik

    Ung

    arn

    Russ

    land

    Quelle: BIZ, nationale Finanzministerien, OeNB.1) Stand vom Dezember 2000.

    in % der offiziellen Bruttoreserven

    25

    20

    15

    10

    5

    0

    Auslndische Portfolioinvestitionen1)

    Polen TschechischeRepublik

    Ungarn

    AktienSchuldtitel

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 25

  • Bankensektor:Kleine Bilanzsumme und hohe AuslandsbeteiligungDie Bankensektoren Mitteleuropas weisen sowohl absolut als auch in Rela-tion zum BIP eine relativ bescheidene Groe auf.1) So betragen die gesamtenBankaktiva Polens, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republikund Ungarns (MOEL-4) nicht einmal 40% der Bilanzsumme des oster-reichischen Bankensektors. Gleichzeitig ist in diesen Landern (mit Ausnahmeder Tschechischen Republik) der Marktanteil der funf groten Banken an dergesamten Bilanzsumme des Bankensektors niedriger als im EU-Raum, woder entsprechende Marktanteil im Jahr 1999 60% betrug. Noch deutlicherist der Unterschied zu den kleinen EU-Staaten, die meist eine uberdurch-schnittliche Konzentration aufweisen. Das Engagement auslandischer Bankenin Mitteleuropa ist hoch: Auer in der Slowakischen Republik hielten inden Jahren 1999 und 2000 auslandische Banken in jedem der MOEL-4 mehrals 50% der Anteile am Aktienkapital des Sektors. Durch die kurzlich erfolgteU bernahme der slowakischen Grobank Slovenska sporitelna, a. s., durchdie Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG und die in naherZukunft vorgesehene Teilprivatisierung der VUB-Bank kam es aber auch in

    der Slowakischen Republik zu einer Annaherungder Eigentumerstruktur an die in den anderenMOEL-4 vorherrschenden Verhaltnisse. Dieosterreichischen Banken sind in Mittel- undOsteuropa uberproportional reprasentiert: Dreiosterreichische Banken (Bayerische Hypo-Vereins-bank/Bank Austria-Gruppe, Erste Bank deroesterreichischen Sparkassen AG und die Raiff-eisen Zentralbank O sterreich AG) rangieren unterden zehn groten in der Region tatigen Auslands-banken.

    Niedrige Sektordurchschnittsrentabilita tbei einigen Ausreiern2)

    Die Fahigkeit zur U bernahme von Risiken durch das Bankensystem wirdwesentlich durch seine Rentabilitat bestimmt. Unter diesem Gesichtspunktist das Niveau der Ertragskraft (aggregiert fur den gesamten Bankensektor)in den MOEL-4 mit der Ausnahme Polens in den letzten Jahren alsunzureichend einzustufen. In der Tschechischen Republik und in derSlowakischen Republik wurden in den Jahren 1998 und 1999 sogar Verlusteim Bankensektor verzeichnet. Zum Vergleich: Im Jahr 1999 betrug derReturn on Equity (ROE) in der EU im Bankensektor 11.7%. In der erstenJahreshalfte 2000 konnte die Profitabilitat des Bankensektors in allenbetrachteten Landern gesteigert werden; allerdings sollte den vorlaufigen

    1 In Osterreich betrugen die Bankaktiva im Jahr 1999 266% des BIP. Im Jahr 2000 lag der entsprechende Wertbei 273%.

    Bankensektor U berblickskennzahlen

    Stand:31. Dezember1999

    Aktiva des Bankensektors AuslandischeBeteiligung,Anteil amAktienkapital

    Marktanteilder funf gro-ten Banken

    in Mrd EUR in % des BIP in % in % derGesamtaktiva

    Polen 86.13 59

    .5 53

    .1 55

    .3

    Slowakische Rep. 18.14 94

    .4 25

    .5 58

    .31)

    Tschechische Rep. 69.64 136

    .9 48

    .4 62

    .11)

    Ungarn 28.80 64

    .1 65

    .3 51

    .3

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB, Bank Austria.1) Per 30. Juni 2000.

    2 Bei den Daten, die diesem Abschnitt zu Grunde liegen, wurde versucht, eine moglichst gute Vergleichbarkeitquer uber die untersuchten Lander zu gewahrleisten. Trotzdem sind gewisse Definitionsunterschiede in deneinzelnen Landern nicht auszuschlieen. In Ungarn wurden die Daten der Jahre 1998 und 1999 um dieVerluste dreier Banken (Postabank, MFB und Realbank) bereinigt.

    Internationale Entwicklung

    26 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • Halbjahresergebnissen nicht die gleiche Bedeutung beigemessen werden wieden gepruften Jahresabschlussen. Fur Ungarn liegen bei Redaktionsschlussvorlaufige Jahresergebnisse vor, welche eine Fortsetzung des erfreulichenTrends des ersten Halbjahres zeigen.

    Allerdings verbergen die aggregierten Zahlen fur den Gesamtsektormassive Unterschiede zwischen einzelnen Sektoren bzw. Instituten. Dieslasst darauf schlieen, dass die Ertragskraft der Banken weniger durchsystemspezifische, sondern eher durch bankspezifische Faktoren bestimmtist. Nach Ansicht der Ungarischen Nationalbank1)sind generell Auslandsbanken, die sehr fruh in denjeweiligen Markt eingetreten sind (die osterrei-chischen Banken sind groteils dieser Gruppezuzurechnen), sowie rasch restrukturierte in-landische Banken am erfolgreichsten. Umgekehrtweisen sowohl auslandische Banken mit spatemMarkteintritt als auch inlandische Banken, derenKonsolidierung erst spat erfolgte, die schlechtes-ten Kennzahlen auf. Dieses Muster scheint auch inden anderen betrachteten Landern typisch zusein: Wahrend insbesondere in der TschechischenRepublik und in der Slowakischen Republik dienach wie vor verstaatlichten oder erst kurzlichprivatisierten Grobanken in Schwierigkeitensind, existiert daneben eine Reihe von erfolg-reichen Auslandsbanken.

    Mit Anteilen von etwa 60 bis 70% amBetriebsertrag nahmen im Jahr 1999 die Netto-zinsertrage im gesamten Bankensektor derMOEL-4 einen groeren Anteil am Bankertragein als im EU-Raum, wo der entsprechende Wert54% betrug. Wahrend der Anteil des Nettozins-ertrags am Betriebsertrag in Polen im Fallenbegriffen ist, sind in der Tschechischen Republikund in Ungarn beim Anteil dieser Ertrags-komponente starke Schwankungen bzw. Konstanzim Zeitraum von 1997 bis 1999 zu erkennen.

    Die Entwicklung des Nettozinsertrags wirdentscheidend durch die Veranderung der Spannen zwischen Kredit- undEinlagezinsen bestimmt. Allerdings sollten bei der Analyse von Netto-zinsertrag und Zinsspanne auch die eingegangenen Kreditrisiken beachtetwerden, da hohere Spannen unter anderem auf hohere Kreditrisikenzuruckzufuhren sein konnten, die ihren Niederschlag in hoheren Kredit-vorsorgen finden werden.

    Um Aufschlusse zu gewinnen, inwieweit die Spanne zwischen Kredit-und Einlagezinsen durch Kreditausfalle aufgezehrt wird, lasst sich derVergleich zwischen der Zinsspanne (Differenz zwischen Einlage- und

    1 Siehe National Bank of Hungary (2000). The Hungarian Banking Sector. Developments in 1999, Budapest.

    Return on Equity

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    in %

    Polen 22.7 8

    .1 12

    .2 16

    .8

    Slowakische Republik . . . . 182.7 6

    .3

    Tschechische Republik 2.9 17

    .9 4

    .3 6

    .6

    Ungarn 12.2 7

    .7 3

    .7 15

    .7

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB.

    Return on Average Assets

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    in %

    Polen 1.8 0

    .6 1

    .0 1

    .3

    Slowakische Republik . . . . 3.8 0

    .2

    Tschechische Republik 0.2 0

    .4 0

    .2 0

    .4

    Ungarn 1.1 0

    .7 0

    .3 1

    .3

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB.

    Verha ltnis des Nettozinsertrags

    zum Betriebsertrag

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    in %

    Polen 72.9 70

    .3 63

    .7 63

    .7

    Slowakische Republik . . . . . . . .Tschechische Republik 45

    .4 67

    .9 62

    .8 67

    .1

    Ungarn 67.8 71

    .9 70

    .4 77

    .8

    Quelle: Nationale Zentralbanken.

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 27

  • Kreditzinsen) mit der Nettozinsmarge (Nettozins-ertrag im Verhaltnis zur durchschnittlichenBilanzsumme) heranziehen.1) Auf Grund derBerechnungsweise wurden beide Mae nur unterspeziellen Konstellationen das gleiche Ergebnisliefern.2) Wesentlich ist jedoch in diesem Zu-sammenhang, dass die Abweichungen zwischender Zinsspanne und der Nettozinsmarge vor allemdurch das Verhaltnis zwischen zinstragendenAktiva und Passiva bestimmt wird. Werden z. B.fur einen Kredit keine Zinsen bezahlt, so resul-tiert aus diesem Aktivposten kein entsprechenderZinsertrag, was zu einer Verschlechterung derNettozinsmarge fuhren wurde, wahrend dieZinsspanne unverandert bleiben wurde.

    Auffallend ist die hohe Diskrepanz zwischenZinsspanne und Nettozinsmarge in der Tsche-chischen Republik einerseits und die sehr kleineAbweichung zwischen beiden Werten in Ungarn.Wie auf Grund dieses Ergebnisses zu erwarten,weist die Tschechische Republik das grote undUngarn das kleinste Volumen an Problemkreditenauf.3)

    In den Jahren von 1997 bis 1999 war eineVerringerung der Differenz zwischen Aktiv- undPassivzinssatzen in der Tschechischen Republikund in Ungarn zu verzeichnen, nur in Polen kames zu einer Ausweitung. Trotzdem kam es indiesem Zeitraum in Polen zu einer Verringerungder Nettozinsmarge. In der Tschechischen Repu-blik und in Ungarn zeigte die Nettozinsmarge indiesem Zeitraum keinen klaren Trend.

    Die Niveaus der Nettozinsmarge lagen jedochim Jahr 1999 in der Tschechischen Republik undin Ungarn nach wie vor unter dem polnischenNiveau. Im Vergleich mit anderen Volkswirt-schaften im Aufholprozess weist die TschechischeRepublik eine sehr niedrige Nettozinsmarge auf.

    Die Wertberichtigungen fur Kredite weiseneinen hoheren Anteil am Bankertrag als imEU-Raum auf, wo dieser Wert im Jahr 1999

    1 Siehe dazu Demirguc-Kunt, A., Huizinga, H. (1999). Determinants of Commercial Bank Interest Margins andProfitability. Some International Evidence. In: The World Bank Economic Review, Vol. 13, No. 2, May.

    Nettozinsmarge

    Verha ltnis des Nettozinsertragszur durchschnittlichen Bilanzsumme

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    in %

    Polen 4.8 4

    .6 4

    .0 4

    .4

    Slowakische Republik . . . . . . . .Tschechische Republik 1

    .8 2

    .9 2

    .3 2

    .0

    Ungarn 3.8 4

    .3 3

    .7 4

    .1

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB.

    2 Vor allem in zeitlicher Hinsicht durfte es zu Abweichungen zwischen beiden Maen kommen, da Vorsorgen furProblemkredite normalerweise nicht zu jenem Zeitpunkt anfallen, fur den die Zinsspanne errechnet wurde.

    Anteil nicht bedienter Kredite

    an den gesamten Aktiva im 1. Halbjahr 2000in %

    8

    7

    6

    5

    4

    3

    2

    1

    0

    Quelle: Nationale Zentralbanken.1) Anteil an den riskanten Aktiva (inklusive auerbilanzieller Risiken).

    Ungarn1) Polen SlowakischeRepublik

    TschechischeRepublik

    3 Im Fall Ungarns ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Ertrage aus Wahrungstermingeschaften teilweise alsZinsertrage registriert werden, wahrend die entsprechenden Aufwendungen unter anderen Positionen verbuchtwerden.

    Zinsspanne:

    Kreditzinssatz minus Einlagezinssatz

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    in %

    Polen 5.7 6

    .5 7

    .0 . .

    Slowakische Republik 6.1 2

    .1 . . . .

    Tschechische Republik 5.5 5

    .1 4

    .2 . .

    Ungarn 4.6 4

    .4 3

    .8 3

    .6

    Quelle: Nationale Zentralbanken.

    Internationale Entwicklung

    28 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • 10% betrug. Mit Abstand die grote Bedeutunghat diese Aufwandskomponente in der Tsche-chischen Republik. In den Jahren 1999 und 2000kam es dort bei diesem Aufwandsposten zu einemRuckgang, da zahlreiche Problemkredite aus denBilanzen der Geschaftsbanken an die staatlicheKonsolidierungsbank ubertragen wurden.

    Bezogen auf den Betriebsertrag weisen dieallgemeinen Verwaltungsaufwendungen in allenuntersuchten MOEL-4 eine stark steigende Ten-denz auf. Besonders hohe Steigerungen sind beiAbschreibungen infolge von stark steigendenInvestitionen in die Informationstechnologie etc.zu verzeichnen. Abgesehen von der TschechischenRepublik weisen die Personalaufwendungen da-gegen unterdurchschnittliche Steigerungsratenauf. Mit der Ausnahme Ungarns lag im Jahr 1999das Verhaltnis zwischen allgemeinen Verwaltungs-aufwendungen und dem Bankertrag allerdingsnoch unter den im EU-Raum verzeichneten 68%.

    Insgesamt scheint die relativ niedrige Pro-fitabilitat der mitteleuropaischen Bankensektoren daher vor allem auf unterDruck stehende Zinsertrage bei gleichzeitig stark steigenden allgemeinenVerwaltungsaufwendungen und nach wie vor relativ hohe Wertberichtigun-gen zuruckzufuhren zu sein.

    Die niedrige Ertragskraft bei relativ starkemBilanzsummenwachstum ubt Druck auf die Ka-pitaladaquanz in den untersuchten mitteleuropa-ischen Bankensektoren aus. Allerdings kam esauf Grund von staatlichen Rekapitalisierungs-manahmen (vor allem in der TschechischenRepublik und in der Slowakischen Republik) zuVerbesserungen der Kapitaladaquanz. Mit Aus-nahme der Slowakischen Republik, wo weitereRekapitalisierungsmanahmen im Verlauf desJahres 2000 gesetzt wurden, lag die Kapitalada-quanz in den untersuchten Reformlandern imJahr 1999 uber dem EU-Raum (11.8%).

    Die Profitabilitat der auf diesen Marktenaktiven Banken in osterreichischem Besitz lag inden Jahren 1999 und 2000 deutlich uber demMarktdurchschnitt (siehe dazu auch das KapitelFinanzmarkte in O sterreich, Abschnitt O ster-reichische Kreditinstitute). Im ersten Halbjahr2000 erzielten die osterreichischen Institute denhochsten ROE in der Slowakischen Republik(etwa 40%), gefolgt von Ungarn (etwa 27%),Polen (gut 20%) und der Tschechischen Republik

    Verha ltnis der Wertberichtigungen

    zum Betriebsertrag

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    in %

    Polen 4.4 9

    .9 13

    .5 11

    .2

    Slowakische Republik . . . . . . . .Tschechische Republik 34

    .0 15

    .1 3

    .7 108

    .3

    Ungarn 1.4 8

    .1 13

    .7 1

    .8

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB.

    Verha ltnis der allgemeinen Verwaltungs-

    aufwendungen zum Betriebsertrag

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    in %

    Polen 55.6 63

    .0 65

    .2 62

    .5

    Slowakische Republik . . . . . . .Tschechische Republik 48

    .6 49

    .7 56

    .6 64

    .3

    Ungarn 54.5 59

    .6 68

    .8 73

    .7

    Quelle: Nationale Zentralbanken, OeNB.

    Bilanzsumme

    1997 1998 1999 20001. Halbjahr

    Veranderung zum Vorjahr in %

    Polen . . 28.7 14

    .3 16

    .1

    Slowakische Republik . . . . 3.3 1

    .8

    Tschechische Republik . . 8.0 6

    .1 5

    .9

    Ungarn . . 17.4 12

    .1 14

    .5

    Quelle: Nationale Zentralbanken.

    Verhltnis der Eigenmittel

    zu den risikogewichteten Aktiva1)in %

    15

    10

    5

    0

    Quelle: Nationale Zentralbanken.1) Die Problematik der internationalen Vergleichbarkeit ist in diesem Fall besonders gro.

    1997 1. Halbjahr 2000

    Ungarn Tschechische RepublikPolen Slowakische Republik

    1998 1999

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 29

  • (etwa 13%). Da die Rentabilitat der in Mittel- und Osteuropa tatigen Bankeneher durch individuelle als durch branchenubergreifende Faktoren bestimmtwird, kann aus der im Durchschnitt relativ niedrigen Ertragskraft derBranche nicht notwendigerweise eine Bedrohung fur die in dieser Regionaktiven osterreichischen Banken abgeleitet werden. Je mehr sich osterrei-chische Banken in Mitteleuropa jedoch in U bernahmen bestehenderGroinstitute engagieren, desto groere Aussagekraft besitzen die aggre-gierten Branchenzahlen.

    Russischer Bankensektorweiterhin von den Folgen der Krise 1998 gezeichnet

    Die Einstellung der Bedienung der staatlichen Binnenschuld und dieAbwertung des Rubels am 17. August 1998 bedeutete fur das Bankensystemeinen schweren Schlag. Die groe Mehrheit der so genannten MoskauerBanken, die Mitte der Neunzigerjahre im rasch expandierenden Markthochverzinslicher kurzfristiger staatlicher Schuldverschreibungen (GKO)investiert und Devisentermingeschafte mit auslandischen Investoren getatigthatten, wurde sofort illiquid, insolvent und dekapitalisiert. Durch selektiveFinanzinjektionen unterstutzte die Wahrungsbehorde die Sberbank (die miteiner offentlichen Einlagengarantie ausgestattete staatliche Sparkasse) undeinige andere Institutionen, wodurch es gelang, Runs auf das Bankensystemeinzudammen und das kollabierte Zahlungssystem einigermaen wieder-herzustellen.

    Fur eine substanzielle Rehabilitation des Bankensystems reichten bisherweder die Mittel noch die juristische Handhabe der Zentralbank. Fast alleBanken, denen von der Wahrungsbehorde die Lizenz entzogen wurde, warenrelativ klein. Die Situation einiger groerer dekapitalisierter MoskauerBanken verzeichnete nicht nur keine Besserung, sondern verschlechterte sichweiter.

    Versuche der Zentralbank, Geschaftsberechtigungen einiger dieserInstitute aufzuheben, wurden in wiederholten Fallen durch Gerichts-entscheide annulliert. Die schwache Insolvenzgesetzgebung begunstigteAsset-Stripping-Praktiken, das heit den Transfer von Vermogenswerten undKundenbeziehungen aus Not leidenden Banken in neu gegrundete sogenannte Brucken- oder Spiegelbanken und die gleichzeitige Belassung vonVerbindlichkeiten in der ausgehohlten alten Bank. Der Glaubigerschutzlasst weiterhin zu wunschen ubrig. Auch die weit verbreitete Korruptiondurfte durchgreifenden Reformmanahmen entgegenstehen. Bankenauf-sichtsbestimmungen werden haufig verletzt.

    Wahrend die meisten Moskauer Banken weiterhin geschwacht sind,haben sich andere Kreditinstitute in letzter Zeit erholt. Das gilt zum einenfur Banken, die von den regionalen Behorden unterstutzt werden, und zumanderen fur Institute, die mit rentablen Exportfirmen oder naturlichenMonopolen assoziiert sind. Vom Wiederanstieg der Erdol- und Rohstoff-preise haben diese Banken zweifellos mitprofitiert. Im Jahr 2000 verstarktenneben der Sberbank auch andere, im Staatseigentum befindliche Kredit-institute ihre Aktivitaten und gewannen verschiedentlich Marktanteile.Heute existieren allerdings nur wenige inlandische Verdienstquellen fur

    Internationale Entwicklung

    30 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • Kreditinstitute, wie die Durchfuhrung des Zahlungsverkehrs und der Erwerbneuer staatlicher Wertpapiere.

    Obwohl sich die Finanzlage des Unternehmenssektors im Zuge derwirtschaftlichen Erholung in den Jahren nach 1999 entspannte und damitauch der Anteil dubioser Kredite zuruckging, blieb das Kreditrisiko hoch,und das Kreditvolumen wuchs nur unwesentlich. Im Jahr 1999 wurden nichtmehr als 4% der Investitionen der russischen Industrie durch Bankkreditefinanziert. Mangels anderer inlandischer Veranlagungsmoglichkeiten griffenBanken in letzter Zeit auch vermehrt zu von der Zentralbank angebotenenniedrig verzinslichen Einlagefazilitaten. Wesentlich rentabler, wenn auch aufGrund bestehender Kapitalverkehrsbeschrankungen zum Teil schwieriger,erscheinen Anlagen im Ausland.

    Im Februar 2001 beauftragte Prasident Putin Premierminister Kassjanowdamit, staatliche Eigentumsanteile an Geschafts- und Investmentbanken zurestrukturieren, wobei sich der Staat von jenen rund 500 Kreditinstitutenzuruckziehen sollte, an denen er Minderheitseigentumer war, dagegen seinEngagement in den 23 in staatlichem Mehrheitseigentum befindlichenBanken verstarken sollte.

    Kreditinstitute in auslandischem Eigentum hatten bis Redaktionsschlussnoch keine groe Wirkung auf den Bankensektor in Russland. DieZuruckhaltung auslandischer Banken ist weniger auf die Zwolf-Prozent-Begrenzung des Auslandskapitalanteils am aggregierten Gesamtkapital desBankensektors zuruckzufuhren, sondern resultiert eher aus dem problema-tischen Ambiente. Anfang des Jahres 2000 befanden sich in Russland32 Banken zu mehr als 50% in auslandischem Eigentum. Ihr Anteil amgesamten Bankkapital belief sich auf 10.7%. Von den nach der Bilanzsummegroten 50 russischen Banken wurden 12 von Auslandern kontrolliert (indesvon den groten zehn nur eine).

    Auslandische Banken aus O sterreich, den USA, Deutschland und Japanhaben am meisten Kapital in Russland investiert. A hnlich wie ihre russischenKonkurrenten erwarben auch zahlreiche auslandische Banken bis zum Jahr1998 in groem Stil russische Staatswechsel und fanden sich unter denHauptopfern der Augustkrise wieder. Die auslandischen Kreditinstitutekonnten sich allerdings dank finanzieller Hilfe ihrer Mutterhauser rascher alsdie russischen Banken erholen.

    Russland

    Einige Daten zur Inflationsentwicklung und zum Bankensystem

    1992 1994 1996 1998 1999 2000

    Inflationsrate (VPI, Jahresende, %) 2.506.0 204

    .4 21

    .8 84

    .4 36

    .6 20

    .2

    Gesamtzahl der Banken(Jahresende)1) 1.713 2.517 2.018 1.476 1.350 1.311davon: in auslandischem Eigentum2) 103) . . 25 32 33 33Aggregierte Bilanzsumme/BIP (%) 88 56 36 23

    .5 34

    .9 . .

    Kreditvolumenan Unternehmen/BIP (%) 11

    .83) 12

    .1 7

    .4 12

    .7 11

    .7 . .

    Quelle: Russische Zentralbank, EBWE Transition Report 2000.1) Aktive Kreditinstitute.2) Mit mehr als 50% auslandischer Kapitalbeteiligung.3) 1993.

    Internationale Entwicklung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 1 31

  • Alles in allem ist das russische Bankwesen heute, auch im Vergleich mitanderen U bergangslandern, von relativ bescheidener Groe, unterkapitali-siert und wenig rentabel. Im Jahr 1999 uberwogen die Verluste. Die gesamteBilanzsumme des Bankensektors erreichte 1999 nur etwa 35% des BIP (zumVergleich: Ungarn: 64%, Polen: 60%). Die Rentabilitat des Vermogens(Return on Assets) war Mitte 1999 3%, die Kapitalrentabilitat (ROE)bezifferte sich auf 33%. Diese Indikatoren sind jedoch mit Vorsicht zugenieen, da sie auf russischen, nicht auf internationalen Buchhaltungsregelnberuhen.

    Internationale Entwicklung

    32 Finanzmarktstabilita tsbericht 1

  • O sterreichische Kreditinstitute

    Vera nderung der RahmenbedingungenSeit dem EU-Beitritt O sterreichs und der Einfuhrung des Euro hat sich diewirtschaftliche Verflechtung zwischen dem osterreichischen und denanderen europaischen Finanzmarkten weiter fortgesetzt und beschleunigt.Die grenzuberschreitenden Aktivitaten haben sich deutlich erhoht, wobeisich die Abgrenzungen zwischen den nationalen Bankensystemen zunehmendverringern. Dies wird durch grenzuberschreitende Fusionen noch verstarkt.Grundsatzlich kann O sterreich auf ein sicheresund gut funktionierendes Bankensystem ver-weisen, das uber eine fundierte rechtliche Basisund ein umfassendes Sicherheitsnetz verfugt. Inden letzten Jahren gab es nur wenige Probl