Finanzmarktstabilitätsbericht_06_2003

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ˆ Oesterreichische Nationalbank Finanzmarktstabilita ‹ts- bericht 6

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Finanzmarktstabilitätsbericht, Oesterreichische NationalbankFinancial Stability Report of Austria, Central Bank of Austria

Transcript of Finanzmarktstabilitätsbericht_06_2003

  • Oe s t erre i ch i s che Nat ionalbank

    F i n a n z m a r k t s t a b i l i t a t s -

    b e r i c h t

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  • Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller:Oesterreichische NationalbankA-1090 Wien, Otto-Wagner-Platz 3

    Fu r den Inhalt verantwortlich:Gunther Thonabauer, Sekretariat des Direktoriums/Offentlichkeitsarbeit

    Inhaltliche Koordination:Georg Hubmer, Michael Boss, Abteilung fur Finanzmarktanalyse

    Unter Mitarbeit von:Michael Boss, Peter Breyer, Werner Dirschmid, Georg Hubmer, Gerald Krenn, David Liebeg,Gudrun Mauerhofer, Gabriel Moser, Ulrike Oschischnig, Vanessa Redak, Thomas Reininger,Margarita Schandl-Greyer, Stefan W. Schmitz, Gabriele Stoffler, Johannes Turner, Karin Wagner,Zoltan Walko, Walter Waschiczek, Eleonora Weiss

    Redaktion:Alexander Dallinger, Abteilung fur volkswirtschaftliche AnalysenA-1090 Wien, Otto-Wagner-Platz 3

    Grafische Gestaltung:Peter Buchegger, Sekretariat des Direktoriums/Offentlichkeitsarbeit

    Druck und Herstellung:Oesterreichische Nationalbank, Hausdruckerei

    Papier:Salzer Demeter, 100% chlorfrei gebleichter Zellstoff, saurefrei, ohne optische Aufheller

    Ru ckfragen:Oesterreichische Nationalbank, Sekretariat des Direktoriums/OffentlichkeitsarbeitA-1090 Wien, Otto-Wagner-Platz 3Postanschrift: Postfach 61, A-1011 WienTelefon: 01/404 20 DW 6666Telefax: 01/404 20 DW 6696

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    Internet:http://www.oenb.at

    DVR 0031577

    Wien 2003

    Diese Publikation erscheint unter dem Titel Financial Stability Report auch in englischer Sprache.

  • Impressum 2

    U bersicht 5

    Berichtsteil

    Internationales Umfeld 8Konjunktur und Finanzmarkte 8Kasten: Zur Rolle von Ankundigungseffekten bei der Implementierung der Geldpolitik jungste Entwicklungen in den USA 12Zentral- und Osteuropa 13Der Bankensektor in Zentraleuropa 19Kasten: Aufholprozess im rumanischen Bankwesen 23

    O sterreichische Finanzintermediare 25Banken 25Kasten: Innovative Finanzinstrumente zum Transfer von Kreditrisiko 33Kasten: FSAP Financial Sector Assessment Program des IWF 44Versicherungen 45Andere Finanzintermediare 48

    Realwirtschaft und Finanzmarkte in O sterreich 50Unternehmen 50Haushalte 56Immobilien 59Aktienmarkt 62

    Schwerpunktthemen

    Systemrelevante Risikofaktoren der Versicherungswirtschaftund Methoden zur Risikoeinschatzung 68Gerald Krenn, Ulrike Oschischnig

    In dieser Arbeit wird ein U berblick uber die wesentlichsten Risikofaktoren der Versicherungswirtschaftgegeben. Neben den versicherungsspezifischen Risiken, die sich aus dem ureigenen Versicherungsgeschaftergeben, werden in Anlehnung an die Risikoklassifizierung des Bankensektors auch Markt- undKreditrisiko sowie operationales Risiko behandelt. Weiters wird neben einer Darstellung der haufigstenMethoden zur Risikoeinschatzung ein U berblick uber die wesentlichsten alternativen Risikotransfer-instrumente gegeben. Bei diesen Produkten fungieren die Finanzmarkte als Trager versicherungsspezifischerRisiken. Abschlieend wird eine vorlaufige Einschatzung der Relevanz versicherungsspezifischer Risikenund alternativer Risikotransferinstrumente fur die Finanzmarkte vorgenommen.

    Inhalt

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 3

  • Die dritte Auswirkungsstudie zu Basel II:Eine Detailanalyse der Ergebnisse auf regionaler und internationaler Ebene 81Alexander Tscherteu

    Die aktuellste Erhebung zur Auswirkung der neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) fand imRahmen einer weltweiten Feldstudie, der dritten Auswirkungsstudie (Quantitative Impact Study 3) statt.Darin wandten Banken die neuen Bestimmungen von Basel II auf ihre Bilanzaktiva an, um die Veranderun-gen auf ihre risikogewichteten Aktiva und damit einhergehend auf ihr Eigenmittelerfordernis zu analysieren.Nach der uberblicksartigen Prasentation der Ergebnisse im letzten Finanzmarktstabilitatsbericht wirdim folgenden Beitrag eine detaillierte Analyse der Resultate nach Forderungskategorien sowie ein Vergleichsowohl auf regionaler als auch internationaler Ebene gegeben. Dabei wurde zunachst das Sample derteilnehmenden Kreditinstitute erneut auf mogliche Datenschwachen gepruft und zur Beantwortungmancher Fragestellungen teilweise erweitert, um damit ein noch akkurateres Bild von den moglichen Aus-wirkungen der neuen Eigenkapitalvorschriften auf den osterreichischen Bankensektor zu erhalten. ImAnschluss erfolgt eine Analyse der Auswirkungen der neuen Regelungen nach den einzelnen Forderungs-kategorien. Diese wird zeigen, inwieweit durch Groe und sektorale Zugehorigkeit die Ergebnisse variierenkonnen. In diesem Zusammenhang erfolgen auch eine kritische Diskussion der Gute der gemeldeten Datensowie eine Identifikation jener Bereiche, in denen zukunftige Anderungen die Auswirkungen der neuenVorschriften noch beeinflussen konnten. Abschlieend wird das landerspezifische Ergebnis mit den globalenResultaten verglichen, und es werden die wichtigsten Grunde fur allfallige Unterschiede herausgearbeitet.

    Kulturrisiko und Risikokultur: Operationales Risiko nach Basel II 94Roman Buchelt, Stefan Unteregger

    Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung, bisher meist ob ihrer Auswirkungen auf Kreditvergabe, Kostenund Konjunkturzyklus diskutiert, bereichert die Welt des Bankgeschafts noch um ein weiteres Schlagwort:das operationale Risiko. Neu im Bankgeschaft wenn uberhaupt ist dabei aber nur die begrifflicheDefinition, nicht der Inhalt: das operationale Risiko als mitunter schwer fassbares Kulturrisiko einerOrganisation, das sich in Prozessen, Systemen und Mitarbeitern verbirgt und so ganz anders als Kredit-oder Marktrisiken geartet ist. Besonders der Quantifizierung scheint es sich hartnackig zu widersetzen,doch zeigt die Erfahrung vergangener operationaler Verlustfalle ohnehin, dass sich seine Behandlung nichtin der Eigenmittelunterlegung erschopfen sollte, sondern eines professionellen Risikomanagements im Sinneder Schaffung einer umfassenden Risikokultur bedarf. Der Beitrag zeigt den Weg des operationalen Risikoszur eigenen Risikokategorie, die Entwicklung des Begriffs und seinen Eingang in die Basler und BrusslerDokumente. Nach einer kurzen Darstellung der Ansatze zur Eigenmittelberechnung des operationalenRisikos werden vor allem die zugehorigen Anforderungskriterien an das operationale Risikomanagementsowie die aus seiner Umsetzung resultierenden Auswirkungen und Vorteile umfassend diskutiert.

    Tabellenanhang

    Internationales Umfeld 111

    O sterreichische Finanzintermediare 113

    Realwirtschaft und Finanzmarkte in O sterreich 117

    Zeichenerklarung, Abkurzungsverzeichnis 119

    Redaktionsschluss: 6. November 2003

    Inhalt

    4 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • Die konjunkturelle Lage und der Aus-blick fur die kommenden Quartalehaben sich seit dem zweiten Quartal2003 verbessert. In den USA fuhrteunter anderem der private und deroffentliche Konsum sowie die Stabili-sierung der Unternehmensinvestitio-nen zu einer Verbesserung des Wirt-schaftswachstums, und es mehren sichdie Anzeichen, dass sich der Auf-schwung fortsetzt. Auch im Euroraumist mit einer weiteren, wenngleichsehr moderaten Konjunkturerholungzu rechnen. Unsicherheit uber dieNachhaltigkeit des wirtschaftlichenAufschwungs besteht aber wegen deshohen US-Leistungsbilanzdefizits unddes damit verbundenen Risikos vonWechselkursreaktionen. Dennoch un-terstutzen die positiveren Konjunktur-aussichten sowie die geringere Risiko-aversion der Investoren eine Belebungder Finanzmarkte, die sich in steigen-den Aktienkursen dokumentiert. DieErholung der Kapitalmarkte hat auchdazu beigetragen, dass sich die Lageder europaischen und der osterrei-chischen Versicherungswirtschaft wie-der weitgehend stabilisiert hat. Auchdie Veranlagungsergebnisse der oster-reichischen Pensionskassen haben sichim ersten Halbjahr verbessert.

    Die in den letzten Jahren sukzessivgestiegene Veranlagung in Kapital-marktprodukte setzt sich zwar weiterfort, aber die Bedeutung des Aktien-marktes ist in O sterreich noch immergering. Wachstumsimpulse sind abermittelfristig durch weitere Privatisie-rungen und die zunehmende Nutzungvon Zukunftsvorsorgeprodukten zuerwarten.

    In den meisten zentral- und ost-europaischen Landern zeigen dieWahrungen im Verlauf des Jahres2003 nur moderate Schwankungengegenuber dem Euro. Die Renditeab-stande von Fremdwahrungsanleihen in

    diesen Landern haben sich gunstigentwickelt. Die Ertragslage der Ban-ken in den zentral- und osteuropai-schen Landern hat sich im Jahr 2002verbessert. Ebenso kann die Kapital-adaquanz als zufrieden stellend be-zeichnet werden. Die Bedeutung derzentral- und osteuropaischen Landerfur die osterreichischen Banken hatweiter zugenommen, wobei fur dasgute Geschaftsergebnis in dieserRegion vor allem die hoheren Margenim Zins-, Provisions- und Handels-geschaft, die starkere Preisdurch-setzungskraft und eine gunstigereKostenstruktur verantwortlich sind.Daruber hinaus haben die durch-gefuhrten Restrukturierungsmanah-men nicht nur zu Kosteneinsparun-gen, sondern auch zu Auflosungenvon nicht benotigten Wertberichti-gungen gefuhrt.

    Es besteht ein bedeutendes Kre-ditexposure des osterreichischen Ban-kensystems gegenuber den zentral-und osteuropaischen Landern. UnterEinbeziehung von sowohl grenzuber-schreitenden als auch durch Tochter-banken vergebenen nichtverbrieftenKrediten an Nichtbanken zeigt sich,dass die Tschechische Republik vorDeutschland die Liste der grotenLanderexposures anfuhrt. Beinahedrei Viertel der Landerexposures inZentral- und Osteuropa in der Hohevon insgesamt 43,3 Mrd EUR ent-fallen auf die im Jahr 2004 der Euro-paischen Union beitretenden Lander.

    Bei den osterreichischen Unter-nehmen ist der Auenfinanzierungs-bedarf zuruckgegangen, in ersterLinie bedingt durch die geringe Inves-titionsneigung. Mit der seit Mitte derNeunzigerjahre beobachteten Verbes-serung der Eigenkapitalsituation istauch die Risikotragfahigkeit der Un-ternehmen gestiegen. Es ist aber anzu-merken, dass der Anteil der Fremd-

    Ubersicht

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 5

  • finanzierung im internationalen Ver-gleich noch immer relativ hoch ist.Die okonomische Situation der priva-ten Haushalte war durch die schwacheEinkommensentwicklung gepragt, diesich auch in der zuruckhaltenden Kre-ditnachfrage widerspiegelt. Die Kre-ditentwicklung verlauft daher weiter-hin schwach. Die Kreditqualitat hatsich im Jahresverlauf zwar etwas ver-bessert, zeigt aber im Vergleich zuden letzten Jahren eine leichte Ver-schlechterung. In der ersten Jahres-halfte 2003 fand eine Umschichtungvon Fremdwahrungskrediten in japa-nischen Yen zu solchen in SchweizerFranken statt. Auf Grund der gerin-geren Wechselkursschwankungen desEuro gegenuber dem Schweizer Fran-ken sollte diese Entwicklung mit einerRisikoreduktion fur die Kreditnehmerverbunden sein. Dies ist aus Sicht derFinanzmarktstabilitat positiv zu be-werten, wenngleich nach wie vor einnicht zu vernachlassigendes Risiko-potenzial bestehen bleibt.

    Die Ertragslage der osterrei-chischen Banken hat sich im erstenHalbjahr 2003 nach einem schwachenJahr 2002 wieder verbessert. Verant-wortlich fur die Zunahme derBetriebsertrage sind vor allem dieErtrage aus dem Finanzgeschaft, diesich angesichts der Erholung derAktienmarkte im Vergleich zum ers-ten Halbjahr 2002 mehr als verdop-pelt haben. Im Zinsgeschaft bestehtweiterhin ein starker Wettbewerbs-druck, die Zinsspanne ist aber weitge-hend konstant geblieben. Auf der Kos-tenseite setzen die Banken ihren Spar-kurs fort. Die Betriebsaufwendungensind im ersten Halbjahr 2003 nurum 0,6% im Vergleich zum Vorjahr

    gestiegen, was real einem Ruckgangentspricht.

    Die Analyse der konsolidiertenErtragslage bestatigt die positive Ent-wicklung. Die Betriebsertrage desgesamten konsolidierten Bankensek-tors haben sich im ersten Halbjahr2003 im Jahresvergleich um 5,6%verbessert, wahrend der Verwaltungs-aufwand mit 2,3% schwacher gestie-gen ist. Dadurch hat sich auch dieAufwand/Ertrag-Relation des kon-solidierten Gesamtbankensektors imzweiten Quartal 2003 auf 68,9% ver-bessert.

    Das osterreichische Bankensystemist weiterhin als stabil zu bezeichnen.Die Ertragslage zeigt wieder eineAufwartstendenz, und die Ergebnis-beitrage aus den zentral- und osteuro-paischen Landern sind unverandertgut, wenngleich im internationalenVergleich in den osterreichischenBanken weitere Anstrengungen zurVerbesserung der Profitabilitat not-wendig sein werden. Stresstests zeigen,dass das Fremdwahrungsrisiko aus denoffenen Devisenpositionen weiterhinals unproblematisch einzustufen ist.Auch in der Einschatzung durch dieinternationalen Ratingagenturen wirdgrundsatzlich ein stabiler Ausblickgegeben. Derzeit befindet sich dasosterreichische Finanzsystem aufdem Prufstand des InternationalenWahrungsfonds (IWF). Im Rahmendes laufenden Financial Sector Assess-ment Program (FSAP) wird geradeeine umfassende Analyse der Starkenund Schwachen des osterreichischenFinanzsystems durchgefuhrt. Ein vor-laufiger Prufbericht wird vom IWFnach dem zweiten Arbeitsbesuch imDezember 2003 vorgelegt.

    U bersicht

    6 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • B e r i c h t s t e i l

  • Konjunktur undFinanzma rkteUSA fuhren Erholung der Welt-wirtschaft an, relativ schwachererAufschwung im EuroraumNachdem die von einer Seriewirtschaftlicher Schocks ausgehendennegativen wirtschaftlichen Effektedas BIP-Wachstum im Euroraum, inden USA und in Japan gedampft hat-ten, haben sich seit dem zweiten Quar-tal 2003 die konjunkturelle Lage undder Ausblick fur die kommendenQuartale 2003 und das Jahr 2004 inden drei Wirtschaftsraumen stabili-siert bzw. deutlich gebessert. Im Euro-raum setzte sich der bestehende Trendeiner nachlassenden konjunkturellenDynamik auch noch in den Monatenunmittelbar nach Ende des Irak-Kriegsfort, wobei der private Konsum dieeinzige Konjunkturstutze war. DieExporte verloren weiter an Dynamik,wobei die Aufwertung des Euro inden vergangenen Quartalen eine Rollegespielt haben durfte. Die Investitio-nen blieben weiterhin schwach. Aller-dings mehren sich seit Jahresmitte dieAnzeichen fur eine wirtschaftlicheErholung. Insbesondere Umfragen beiHaushalten und Unternehmen deutenauf ein gesteigertes Zukunftsvertrauen

    hin. Fur den Rest des Jahres 2003 istmit einer weiteren, wenngleich sehrmoderaten Konjunkturerholung zurechnen. In den USA fuhrte unteranderem ein weiterhin robuster priva-ter Konsum gemeinsam mit einer Stei-gerung der Unternehmensinvestitio-nen sowie einem stark erhohten offent-lichen Konsum zu einem kraftigenZuwachs des BIP im zweiten und drit-ten Quartal. Hierbei durften nebendemWegfallen der mit dem Irak-Kriegverbundenen Unsicherheiten die ex-pansive Geld- und Fiskalpolitik, diegefestigten Finanzmarkte sowie dasanhaltend hohe Produktivitatswachs-tum die treibenden Krafte sein. InJapan entwickelte sich die Konjunkturnach Ende des Irak-Kriegs uberra-schend positiv, wobei sowohl dieExporte als auch die Binnennachfragekraftig wuchsen. Jungste Umfrageer-gebnisse deuten auf eine Fortsetzungdieser Entwicklung in Japan in derzweiten Jahreshalfte 2003 hin, wozuein weiter an Dynamik gewinnenderKonjunkturaufschwung in den USAwesentlich beitragen kann.

    Fur das Jahr 2004 ist derzeit imEuroraum mit einer Ruckkehr zumPotenzialwachstum in der zweitenJahreshalfte zu rechnen. Die Grunde

    Internationales Umfeld

    8 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • fur die nur sehr moderate Erholungsind wesentlich in fortgesetztenBilanzanpassungen im Unternehmens-sektor sowie in der Aufwertung desEuro zu finden. Die USA sollten imJahr 2004, so wie in den Neunziger-jahren, die Rolle einer globalen Kon-junkturlokomotive spielen, derenDynamik sowohl im Euroraum alsauch in Japan uber positive Effekteauf die Exportnachfrage, die globalenFinanzmarkte sowie auf das Zukunfts-vertrauen der Wirtschaftsakteure zueinem starkeren Wirtschaftswachs-tum beitragt. Voraussetzung hierfurist allerdings, dass die wesentlichdurch die expansive Geld- und Fiskal-politik induzierte derzeitige Erholungin einen selbsttragenden, von steigen-den Investitionen begleiteten Auf-schwung ubergeht. Die Inflationsratenwerden in den USA und im Euroraumvor allem auf Grund der gegenwartiggeringen Kapazitatsauslastung undhoherer Arbeitslosigkeit niedrig blei-ben, wobei im Euroraum die Aufwer-tung des Euro zusatzlich inflations-dampfend wirkt. Fur das Jahr 2004

    ist im Euroraum mit einer Inflations-rate unter 2% zu rechnen. In Japandurfte sich die leichte Deflation auchim Jahr 2004 fortsetzen.

    Das Szenario einer von den USAausgehenden globalen Konjunkturer-holung birgt allerdings auch gewisseRisiken in sich. Das hohe und vielfachals nicht aufrechtzuerhaltend einge-schatzte Leistungsbilanzdefizit derUSA (2002: 480,9 Mrd USD), daszuletzt auch durch die stark steigen-den Defizite im amerikanischenStaatshaushalt vergroert wurde,konnte zu einer deutlichen und unge-ordneten Korrektur des US-Dollar-Wechselkurses fuhren. Diese konntezu Verwerfungen auf den globalenFinanzmarkten sowie einer Schwa-chung des globalen Wirtschaftswachs-tums fuhren. Die verfugbaren Datenuber die internationalen Kapitalstro-me, die derzeit zur Finanzierung desDefizits in der US-Leistungsbilanzherangezogen werden, deuten daraufhin, dass die Finanzierung bislang zueinem wesentlichen Teil von Asienaus erfolgte.1)

    Tabelle 1

    Portfolioinvestitionen des Auslands in US-Aktiva

    Stand Juni 2002 Zuwachs 2002 Annualisierter ZuwachsJanner bis Juni 2003

    in Mrd USD

    Euroraum 912 13,9 60,1Vereinigtes Konigreich 354 186,0 168,1Japan 529 91,6 152,4Asien ohne Japan 558 109,5 148,7Andere 1.573 146,3 246,0Insgesamt 3.926 547,3 775,3

    Quelle: Amerikanisches Finanzministerium (TIC Daten), eigene Berechnungen.

    1 Bei der Interpretation dieser vom US-Finanzministerium erhobenen Daten ist zu berucksichtigen, dass bei derErhebung nur der Sitz des Erstkaufers bzw. des Halters ermittelt wird. Falls dieser ein an einem internatio-nalen Finanzplatz ansassiger Intermediar ist, der fur einen in einem anderen Land ansassigen Investor tatigist, fuhrt dies zu einer Uberschatzung des Finanzierungsbeitragsbeitrags des Landes, in dem der Intermediaransassig ist, und zu einer Unterschatzung des Finanzierungsbeitragsbeitrags des Landes, in dem der Investoransassig ist. Deshalb ist bei der regionalen Zuordnung von Finanzierungsstromen entsprechende Vorsicht erfor-derlich. Das Erfassungssystem deckt grenzuberschreitende langfristige Portfolioinvestitionen in amerikanischeAktiva ab, das heit Aktien amerikanischer Unternehmen (ohne auslandische Direktinvestitionen) sowie von inden USA Ansassigen begebene Anleihen mit einer Ursprungslaufzeit von uber 1 Jahr.

    Internationales Umfeld

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 9

  • Tabelle 1 zeigt, dass in Asien An-sassige im ersten Halbjahr 2003 lang-fristige Portfolioinvestitionen im Aus-ma von annualisiert 301,1 Mrd USDgetatigt haben. Hierbei spielte nebenden privaten Kapitalflussen die Wech-selkurspolitik einer Reihe asiatischerNotenbanken eine Rolle. Diese trugendurch Ankaufe von US-Aktiva zurFinanzierung des amerikanischen Leis-tungsbilanzdefizits bei und wirktendadurch bis in die jungere Vergan-genheit einer Aufwertung ihrer Wah-rungen gegenuber dem US-Dollarentgegen.

    Weitere zinspolitische Lockerungvon EZB und Fed; positive Konjunktur-erwartungen und geringereRisikoaversion beleben globaleFinanzmarkteDie EZB und die Fed senkten ihreLeitzinsen am 5. bzw. am 25. Juni2003 um 50 bzw. 25 Basispunkte.Im Fall der EZB fuhrte die Zinssen-kung auf 2% nach Sicht des EZB-Rats zu einem Zinsniveau, das derVerbesserung der Aussichten fur diemittelfristige Preisstabilitat sowieden zu diesem Zeitpunkt bestehendenAbwartsrisiken fur das Wirtschafts-wachstum Rechnung trug. Der zins-politische Schritt der Fed auf einNiveau von 1% war aus Sicht desFederal Open Market Committee(FOMC) als zusatzliche Unterstut-zung fur eine im Aufschwung begrif-fene US-Wirtschaft angemessen,wobei ebenso wie schon Anfang Mai2003 auf ein geringes Risiko einesunerwunschten weiteren Ruckgangsder Inflationsrate hingewiesen wurde.In den folgenden Monaten erklarte dieFed ihre Ansicht, unter diesen Rah-menbedingungen die akkommodie-rende Zinspolitik fur eine betracht-liche Zeitspanne aufrechterhalten zukonnen. Die japanische Notenbank

    setzte ihre Nullzinspolitik fort. DieZinsstruktur auf dem Geldmarkt imEuroraum und in den USA blieb bisMitte Juni 2003 leicht invers undwurde nach den Zinsschritten derEZB und der Fed zunehmend steiler.

    Die Rendite von US-Staatsanlei-hen mit 10-jahriger Laufzeit fiel nachdem geldpolitischen Statement derFed vom 6. Mai 2003, in dem auf einegeringe Wahrscheinlichkeit einesunerwunschten weiteren Ruckgangsder Inflation hingewiesen wurde, umetwa 70 Basispunkte bis auf ein Niveauum rund 3,1%. Dieser Ruckgangwurde vielfach auf Spekulationen uberkunftige preisbeeinflussende Interven-tionen der Fed auf dem Staatsanlei-henmarkt zuruckgefuhrt (siehe KastenZur Rolle von Ankundigungseffektenbei der Implementierung der Geldpo-litik jungste Entwicklungen in denUSA). Im Gefolge der Zinssenkungder Fed am 25. Juni 2003 verflogendiese Spekulationen relativ rasch undwurden nach einer Reihe positiverKonjunkturdaten durch zunehmendenKonjunkturoptimismus auf den Anlei-henmarkten abgelost, welcher zu einersteileren Zinsstrukturkurve fuhrte.Kurssicherungsgeschafte in Zusam-menhang mit amerikanischen Immo-bilienfinanzierungen verstarkten je-weils die Kursbewegungen auf denUS-Anleihenmarkten. Die Renditenim Euroraum folgten der Entwicklungin den USA, allerdings wurde dieBewegung nur zum Teil mitvollzogen,wodurch sich der Zinsspread im lang-fristigen Bereich von Mai bis MitteJuni 2003 zuerst erhohte und danachwieder verringerte bzw. umkehrte.

    Die Aktienmarkte in den USA, imEuroraum und in Japan konnten vonMitte Marz bis Mitte Juni 2003 deut-liche Kursgewinne verzeichnen. Dafurzeichnete eine Reihe von Faktoren ver-antwortlich: Zunachst fuhrte der Ver-

    Internationales Umfeld

    10 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • lauf des Irak-Kriegs zu einem deut-lichen Ruckgang der Risikoaversion.Zusatzlich vermochten die Unterneh-mensgewinne vor allem in den USApositiv zu uberraschen. Schlielichwirkte der Ruckgang der Realzinsenauf sichere Veranlagungen ab AnfangMai 2003 kurstreibend. Die erhohteRisikobereitschaft der Investorenzeigte sich nicht nur in hoherenAktien-kursen, sondern auch in weiter ruck-laufigen Risikopramien auf Unterneh-mensanleihen von Emittenten mitschlechterer Bonitat sowie Anleihenaus Emerging Markets. Ab Mitte Juniverlangsamte sich das Kurswachstumvor allem in den USA deutlich, was

    teilweise auf diewieder steigenden rea-len Renditen sicherer Veranlagungenzuruckzufuhren sein durfte. Besondersauffallig waren die massiven Kurszu-wachse an der japanischen Borse, indenen sich, von einem sehr niedrigenNiveau ausgehend, die Erwartungeines globalen Konjunkturaufschwungsin besonderem Mae manifestierte.

    Auf den Devisenmarkten bewegtesich der Wechselkurs des US-Dollargegenuber dem Euro nach Ende desIrak-Kriegs sehr volatil zwischen1,08 und 1,19 USD/EUR. Die Kurs-schwankungen begeleiteten dabei oft-mals Veranderungen im Zinsspread imlangfristigen Bereich. Dementspre-

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    Internationales Umfeld

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 11

  • chend ging der starkere Ruckgang derRenditen in den USA von Anfang Maibis Mitte Juni 2003 mit einer signifi-kanten Aufwertung des Euro gegen-uber dem US-Dollar einher. Danachfestigte sich der US-Dollar im Gefolgeder sich in den USA relativ zum Euro-raum zunehmend verbessernden Kon-junkturaussichten wieder.

    Wesentliche Veranderungen erga-ben sich auch beim Wechselkurs desjapanischen Yen gegenuber dem US-Dollar. Dieser lag im Mittel des erstenHalbjahres 2003 bei rund 118,7 JPY/USD, wobei Interventionen der Bankof Japan auf dem Fremdwahrungs-markt im Ausma von rund 120 MrdUSD zur Wechselkursstabilisierungbzw. zur Hinauszogerung einer Auf-wertung gegenuber dem US-Dollareingesetzt wurden. Im Gefolge derVeroffentlichung des Abschlusskom-muniques der G 7 am 21. September2003, in dem ein hoheres, auf Markt-kraften basierendes Ausma an Wech-selkursflexibilitat eingefordert wurde,kam es schlielich zu einem kraftigenund raschen Kursanstieg des japani-schen Yen gegenuber dem US-Dollarum rund 7% im Vergleich zum

    Durchschnitt des ersten Halbjahres2003. Der Euro wertete nach demG-7-Treffen gegenuber dem US-Dol-lar ebenfalls auf, was in Marktkreisenunter anderem auf erhohte Sorgenuber die Finanzierung des US-Leis-tungsbilanzdefizits sowie auf die anhal-tende Schwache des US-Arbeitsmark-tes zuruckgefuhrt wurde. Gegenuberdem japanischen Yen schwachte sichder Euro leicht ab. In den Wochennach der Veroffentlichung des Ab-schlusskommuniques der G 7 war dasMarktgeschehen auf den Devisen-markten in den wichtigen Wahrungs-paaren von betrachtlicher Unruheund Unsicherheit gekennzeichnet.Der Schweizer Franken verlor gegen-uber dem Euro von Anfang April bisMitte Juni 2003 knapp 5,5% und istseither stabil in einer Spanne zwischen1,53 und 1,55 SFR/EUR. Der Kurs-ruckgang durfte mit der nachlassendenRisikoaversion auf den internationa-len Finanzmarkten in Zusammenhangstehen. Damit liegt der SchweizerFranken nur mehr knapp 4% unterdem Niveau zum Zeitpunkt der Ein-fuhrung des Euro.

    Zur Rolle von Anku ndigungseffekten bei der Implementierung

    der Geldpolitik ju ngste Entwicklungen in den USA

    Am 6. Mai 2003 veroffentlichte die Federal Reserve die regulare Pressemitteilung uber die geldpolitischeEntscheidung. Darin wurde darauf hingewiesen, dass die Risiken fur das Wirtschaftswachstum ausge-glichen seien, wahrend gleichzeitig eine geringe Wahrscheinlichkeit eines unwillkommenen deutlichenRuckgangs der Inflationsrate bestehe. Diese Mitteilung erfolgte zu einer Zeit, wo auf den Finanzmarktenund in Kreisen der Wirtschaftspolitik uber das Ausma von Deflationsgefahren in den USA sowie eineangemessene wirtschaftspolitische Reaktion diskutiert wurde. Eine prominente Rolle spielte dabei dieMoglichkeit, durch auergewohnliche geldpolitische Manahmen die Wirksamkeit der Geldpolitikauch dann aufrechtzuerhalten, wenn die kurzfristigen Zinsen bei null liegen. Auf eine der vorgeschla-genen auergewohnlichen Manahmen, namlich die direkte Steuerung der langfristigen Zinsen inden USA durch die Geldpolitik, wird im Folgenden kurz naher eingegangen werden.

    Die Durchfuhrung der amerikanischen Geldpolitik erfolgt mittels Offenmarktoperationen, wobeidurch den gezielten An- und Verkauf von Wertpapieren (im Wesentlichen amerikanischer Staats-anleihen) auf dem Primar- und Sekundarmarkt die Liquiditatsausstattung des amerikanischen Banken-systems so gesteuert wird, dass der Marktzins fur U bernachtkredite zwischen Banken, die so genannteFederal Funds Rate, moglichst nahe am vom FOMC festgelegten Zielsatz, der Federal Funds Target

    Internationales Umfeld

    12 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • Rate liegt. Diese Operationen werden nach einer Reihe von Grundsatzen durchgefuhrt, wobei der wich-tigste die Vermeidung der Beeinflussung der Preise von Anleihen mit langerer Laufzeit ist (marketneutrality). Dies bedeutet, dass sich die direkte Zinssteuerung nur auf die Taggeldzinsen erstreckt,wahrend die Bestimmung der langerfristigen Zinsen ausschlielich durch Marktkrafte erfolgt. Dessenungeachtet besteht fur das Federal Reserve System im Prinzip die Moglichkeit, diesen Grundsatz aus-zusetzen und sein Portefeuille so einzusetzen, dass auch die langerfristigen Zinsen beeinflusst werden.1)

    Der deutliche Ruckgang der langfristigen Zinsen nach dem 5. Mai 2003 und die Einschatzung derMarktteilnehmer deuten darauf hin, dass das Statement der Fed als Ankundigung verstanden wurde,dass eine signifikante Moglichkeit kunftiger preisbeeinflussender Interventionen auf dem Markt furamerikanische Staatsanleihen besteht. Diese Einschatzung verschwand mit der geringer als erwartetausgefallenen Zinssenkung vom 25. Juni 2003 ebenso wie die Deflationssorgen an den Finanzmarkten,welche ab Mitte Juni einem zunehmenden Konjunkturoptimismus Platz machten.

    In den folgenden Pressemitteilungen der Fed zu den geldpolitischen Entscheidungen am 12. August,16. September und am 28. Oktober wurde festgehalten, dass unter den gegebenen makrooko-nomischen Rahmenbedingungen die akkommodierende Zinspolitik vermutlich fur eine betrachtlicheZeitspanne aufrecht erhalten werden kann. Eine solche Ankundigung hat theoretisch ebenfalls einenEinfluss auf die langfristigen Zinsen. Dieser auch als policy duration effect bekannte Effekt wirktvia die Erwartungstheorie der Zinsstruktur; die glaubwurdige Zusicherung, die kurzfristigen Zinsen inder Zukunft niedrig zu halten, kann zu niedrigeren langfristigen Zinsen fuhren. Dafur bietet die Geld-politik der japanischen Notenbank seit April 1999 ein Beispiel; die Zusicherung, die kurzfristigen Zinsenbei null zu halten, solange die Deflation andauert, fuhrte zu einem signifikanten Ruckgang der lang-fristigen Zinsen in Japan.

    1 Fur eine solche Politik gibt es ein historisches Beispiel aus der Geschichte der Fed. Nach dem Eintritt der USA in denZweiten Weltkrieg ubernahm die Fed die Verpflichtung, die Rendite langfristiger Staatsanleihen auf dem Niveau von2,5% zu halten. Diese Verpflichtung wurde bis zum so genannten Treasury-Fed Accord vom 4. Marz 1951 eingehal-ten. Danach wurden die langfristigen Zinsen wieder den Marktkraften uberlassen, und die Fed erlangte die Kontrolleuber ihre Bilanz zuruck. Dies stellte einen wesentlichen Schritt in die Richtung einer unabhangigen Geldpolitik dar.

    Zentral- und OsteuropaHohe Ertrage bei bulgarischen, ruma-nischen und russischen EurobondsDie Entwicklung der Renditeabstandevon in US-Dollar und in Euro deno-minierten Staatsanleihen aufstreben-der Lander gegenuber den Bench-markanleihen der USA bzw. des Euro-raums verlief heuer gunstig: Derdurchschnittliche Renditeaufschlag inUS-Dollar (EMBI Global von JP Mor-gan) verringerte sich in den erstenneun Monaten des Jahres 2003 um239 Basispunkte auf 486 Basispunkte,wobei der Abwartstrend seit MitteMai deutlich abflachte. Der Aufschlagin Euro fiel bis Ende September um200 Basispunkte auf 232 Basispunkte.

    Diese durchschnittlichen Verande-rungen verbergen jedoch die Unter-schiede der einzelnen Emittenten. Soverringerten sich die Renditeabstande

    von in Euro denominierten brasiliani-schen bzw. venezolanischen Staatsan-leihen um1.000 bzw. 750 Basispunkteweit uberdurchschnittlich. Die Rendi-teabstande von Anleihen zentral- undosteuropaischer Emittenten verander-ten sich hingegen nur in wesentlichgeringerem Ausma.

    Der Renditeabstand Russlandsschmolz im ersten Halbjahr von 270auf 100 Basispunkte. Die wirtschaft-lichen Fundamentaldaten des Landesund der Ausblick auf eine Ratingver-besserung begunstigten diesen Trendtrotz des Ruckgangs des fur das Landwichtigen O lpreises. Zu Jahresmitte2003 kam es zu einer Spreadauswei-tung auf 150 Basispunkte im Zusam-menhang mit politischen Unsicher-heiten vor den nahenden Parlaments-wahlen im Dezember 2003 (gutesAbschneiden der Kommunisten in

    Internationales Umfeld

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 13

  • den Umfragen, Yukos-Affare1)). Aufdie Anhebung des Ratings fur lang-fristige Fremdwahrungsschulden Russ-lands durch Moodys Investors ServiceAnfang Oktober zum Investment-Grade (Baa3) folgte dann eine rascheSpreadverengung auf etwa 115 Basis-punkte Mitte Oktober 2003. GegenEnde Oktober weitete sich der Ren-diteabstand erneut auf etwa 140 Ba-sispunkte als Reaktion auf die Zuspit-zung der Yukos-Affare aus.

    Den zweitgroten Ruckgang unterden zentral- und osteuropaischenLandern verzeichnete Rumanien mit72 Basispunkten (auf 214 Basis-punkte). Solide Fundamentaldaten,begleitet durch Fortschritte bei denEU-Beitrittsverhandlungen, politischeStabilitat und eine gute Zusammen-arbeit mit dem Internationalen Wah-rungsfonds (IWF) bildeten einengunstigen Rahmen. Dieses Bild wirddurch Rating-Verbesserungen bzw.die Erwartung bevorstehender weite-rer Upgrades abgerundet. BulgariensRenditeaufschlag verringerte sich um54 Basispunkte (auf 195 Basispunkte).Rating-Anhebungen im Mai und Juni

    2003 und der provisorische Abschlusszweier weiterer Verhandlungskapitelmit der EU begunstigten diesen Ver-lauf. Politische Unsicherheiten (Ruck-trittsdrohung des Finanzministers,Popularitatsverlust der Regierungs-parteien) und ein negativer Leistungs-bilanztrend verhinderten jedoch einemarkantere Spreadverengung. DieRenditeaufschlage der Slowakei undKroatiens gingen um 30 bzw. 20 Basis-punkte zuruck (auf 19 bzw. 105 Basis-punkte). Nahende Parlamentswahlen,gepaart mit der Verschlechterungder Handelsbilanz und der deutlichenAusweitung der Auslandsschulden,machen eine baldige weitere Spread-verengung in Kroatien unwahrschein-lich. In der Slowakei erscheint ange-sichts des derzeitigen Spreadniveausder Spielraum nach unten trotzder sich verbessernden externen Fun-damentaldaten weitgehend ausge-schopft. Polen und Ungarn bildetendas Schlusslicht mit einem Ruckgangder Renditeabstande um 16 bzw. 7Basispunkte (auf 67 bzw. 30 Basis-punkte).

    1 Nach der Verhaftung des Vorstandsvorsitzenden des russischen Erdolkonzerns Yukos wurde ein Groteil derAktien Yukos von den Behorden beschlagnahmt.

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    Internationales Umfeld

    14 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • WechselkursentwicklungMit Ausnahme des ungarischen Forint,des polnischen Zloty, des russischenRubel und des rumanischen Leu zeig-ten die wichtigsten zentral- und ost-europaischenWahrungenwahrend derersten neun Monate des Jahres 2003nur moderate Schwankungen gegen-uber dem Euro (zwischen einemWert-verlust um1,6% und einem Zugewinnum 0,7%). Die kumulierten Verlustebeim Forint und beim Zloty bewegtensich hingegen bei 7,4 bzw.12,7%, beimRubel um 6%.

    In Polen und der Slowakei wirktedie Entwicklung der Leistungsbilanzpositiv. In Polen (2002: Defizit 3,5%des BIP) verringerte sich das Defizitder ersten acht Monate 2003 um40% gegenuber der entsprechendenVorjahresperiode (was durch dieAbschwachung der Wahrung beguns-tigt wurde). In der Slowakei (2002:Defizit 8,2%) war das Defizit nachdem ersten Halbjahr 2003 um 80%geringer als ein Jahr zuvor, undjungste Handelsbilanzdaten lassen eineFortsetzung dieses Trends vermuten.

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    Internationales Umfeld

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 15

  • Daruber hinaus wurde das Defizit inPolen zu mehr als 60% durch Direkt-investitionen finanziert, wahrend inder Slowakei diese Zuflusse fast drei-mal so hoch waren wie das Defizit.

    In der Tschechischen Republik(2002: Defizit 6,5%) fiel das Defizitdes ersten Halbjahres 2003 trotzeiner deutlichen Verschlechterungim zweiten Quartal leicht niedrigeraus als im ersten Halbjahr 2002.Obwohl sich der Zustrom an Direkt-investitionen verlangsamte, reichtendiese zur Finanzierung des Defizitsaus. In Slowenien (2002: U berschuss1,7%) rutschte die Leistungsbilanzder ersten sieben Monate 2003 inein Defizit, und auch bei den Direkt-investitionen wurde ein Nettoabgangverzeichnet. Die derzeitige Groeder Lucke (etwa 0,2% des geschatz-ten BIP fur das Jahr 2003) ist jedochsehr gering. In Kroatien (2002: Defizit6,9%) und Ungarn (2002: Defizit4%) hingegen fuhrte eine deutlicheVerschlechterung zu beachtenswertenLeistungsbilanzdefiziten.Nachdem daskroatische Leistungsbilanzdefizit imersten Quartal noch auf dem Vorjah-

    resniveau verblieben war, kam es seit-her zu einer stetigen Ausweitung desHandelsbilanzdefizits, die angesichtsdes maigenWachstums bei den Nach-tigungszahlen auslandischer Touristenwahrscheinlich auch zu einer Auswei-tung des Leistungsbilanzdefizits fuhrenwird. In Ungarn wies die Leistungs-bilanz nach den ersten sieben Mona-ten des Jahres 2003 ein Defizit wie imGesamtjahr 2002 auf (2,7 Mrd EUR),wahrend die Direktinvestitionszuflussemagere 150 Mio EUR betrugen.

    Portfoliokapitalflusse zeigten einunterschiedliches Bild. InKroatien undPolen trugen Eurobond-Emissionenwesentlich zu einem Anstieg der Net-tozuflusse bei,wahrend in Ungarn undder Slowakei Neuemissionen zur Refi-nanzierung von Falligkeiten verwendetwurden. In der Tschechischen Repu-blik und in Polen wurden Nettoportfo-liokapitalabflusse (abnehmende Zuflus-se, steigende Abflusse) bei Schuldtitelnbeobachtet. Die Abnahme der Zinsdif-ferenz zum Euroraum durfte dazu bei-getragen haben. So senkte die tsche-chische Zentralbank ihren 14-tagigenpassiven Reposatz seit Jahresbeginn

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  • 2003 um 75 Basispunkte auf 2%, diesauch um eine erneute exzessive Auf-wertung der Wahrung zu verhindern.Die polnische Notenbank reduzierteihren Leitzins (den 14-tagigen passi-ven Reposatz) als Antwort auf dasgunstige Inflationsumfeld in sechsSchritten von 6,75 auf 5,25%. InUngarn verliefen die Kapitalzuflusseauf den heimischen Staatspapiermarktweitgehend parallel zur Wechselkurs-entwicklung. Die hohe Zinsdifferenzseit Juni 2003 infolge der Anhebungder Leitzinsen um 300 Basispunktebelebte erneut die Zuflusse, und derBestand der von Auslandern gehalte-nen Staatspapieren erreichte MitteSeptember 2003 einen neuen Rekord-wert. Die gestiegene Abhangigkeitvon Portfoliokapital stellt jedoch einRisiko dar, falls es zu keiner Verbesse-rung der volkswirtschaftlichen Datenkommt. In diesem Zusammenhangbleibt abzuwarten, ob sich die Wah-rung bei einer Fortsetzung des seitder zweiten Septemberhalfte 2003 be-obachteten Kapitalabflusses vom An-leihenmarkt langerfristig abkoppelnkann. Die slowakische Zentralbanksenkte ihre Leitzinsen Ende Septem-ber 2003 um 25 Basispunkte auf6,25%. Hauptmotive waren die deut-liche Verlangsamung der inlandischenNachfrage zugunsten der Nettoex-porte seit Jahresanfang, der resultie-rende Aufwertungsdruck auf dieWahrung und die Erwartung, dassdie Kerninflation am Jahresende 2003 trotz der weiterhin ansteigendenGesamtinflationsraten (bei etwa 9%) im unteren Bereich des Zielkorri-dors (2,4 bis 5,0%) zu liegen kommt.In diesem Zusammenhang ist auf dieErweiterung der slowenischen fest-verzinslichen in Tolar denominiertenZinskurve um eine 5-jahrige Anleiheseit Marz und auf die Emission einerkroatischen 5-jahrigen festverzins-

    lichen in Kuna denominierten Staats-anleihe im Mai hinzuweisen, die auchfur auslandische Investoren neue Mog-lichkeiten bieten.

    Schlielich sei die Auswirkung desWechselkurses des US-Dollar gegen-uber dem Euro auf die Entwicklungeinzelner zentral- und osteuropaischerWahrungen hervorgehoben. Hier istvor allem die jungste Verringerungdessen Einflusses auf den Wechselkursdes polnischen Zloty gegenuber demEuro von Interesse: es durfte sich dieStarke des Einflusses zunehmend vomfruheren Wahrungskorbanteil des US-Dollar (45%) entfernen. Auch dieEntwicklung des russischen Rubelgegenuber dem Euro (Abschwachungim zweiten Quartal, Festigung seit-her) im bisherigen Jahresverlauf 2003wurde uberwiegend durch die USD/EUR-Entwicklung bestimmt. Gegen-uber seiner Referenzwahrung, demUS-Dollar, verzeichnete der Rubel bisetwa Jahresmitte 2003 einen gleich-maigen Aufwertungsverlauf, ehe esseit Ende August zu einer leichtenAbschwachung kam.

    Staatsanleihen in LokalwahrungDie Renditen der Staatsanleihen inLokalwahrung verzeichneten in derTschechischen Republik, Ungarn,Polen und der Slowakei seit Jahres-beginn 2003 Anstiege bis uber 100Basispunkte (mit Ausnahme vontschechischen und polnischen Kurz-laufern). Dies war nur zum Teil aufdie Renditesteigerungen im Euro-raum zuruckzufuhren. Landerspezifi-sche Faktoren spielten eine wichtigeRolle und begunstigten eine zeitweiseunterschiedliche Entwicklung der ein-zelnen Renditedifferenzen zum Euro.

    Am kurzen Ende der Zinskurvenfuhrte die divergierende Inflationsent-wicklung in den einzelnen Landern zuunterschiedlichen Leitzins- und Geld-

    Internationales Umfeld

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 17

  • marktzinsverlaufen. In langeren Lauf-zeitsegmenten waren die Bewegungenzumeist weniger stark ausgepragt.Zum Teil begunstigte die Inflations-entwicklung die Anleihenkurse (inTschechischer Krone bzw. in polni-schem Zloty denominiert), zum Teiljedoch kann sie fur den Anstieg derRenditeabstande von in Forint bzw.Slowakischer Krone denominiertenStaatsanleihen gegenuber Euro-Bench-markanleihen mitverantwortlich ge-macht werden. Wahrend die A nde-rungsrichtung ungarischer Rendite-abstande vom Inflationsverlauf mit-

    bestimmt war, war das Ausma derBewegungen von den Zinserhohungender Zentralbank stark beeinflusst. Inder Slowakei hingegen durfte dermoderate Verlauf der Kerninflationdampfend auf den Spreadanstieggewirkt haben.

    In der Tschechischen Republikund in Polen sind die Zinskurven seitJahresbeginn 2003 im Vergleich zurEuro-Zinskurve steiler geworden. InUngarn hingegen kam es im Zugeder massiven Zinserhohung zu Jah-resmitte zu einer Verflachung derSpreadkurve. Allerdings fuhrte seither

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    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 55

  • auf die Kreditnachfrage wirkten. Furdie kommenden drei Monate erwarte-ten die Banken im vierten Quartaleinen leichten Anstieg der Kredit-nachfrage vor allem von KMUs.

    HaushalteArbeitsplatzunsicherheitund Starkung der Eigenvorsorgebei Pensionen konntenSparquote erhohenDie aktuelle Vermogensbildung undVerschuldung der privaten Haushaltewird weiterhin von der schwachenkonjunkturellen Situation in O ster-reich gepragt. Die verfugbaren Ein-kommen legten im Jahr 2002 nachder Herbstprognose der OeNB mitreal 1,4% kaum zu. Auch fur 2003prognostiziert die OeNB mit 1,0%nur schwache Einkommenszuwachse.Neben der Absicherung gegenubereinem Arbeitsplatzverlust konnteauch die Pensionsreform das Sparver-halten positiv beeinflussen. Sofern diestarkere Eigenvorsorge im Pensions-bereich nicht nur zu Umschichtungenim bestehenden Haushaltsportfoliovon kurz- zu langfristigen Veranlagun-gen fuhrt, konnte sich eine Erhohungdurch zusatzliche Sparanstrengungenbei den Haushalten einstellen. Fur

    2002 berechnet die OeNB eine Spar-quote der Haushalte von 7,8%. Sieliegt damit deutlich unter dem Wertfur das Jahr 1995 (11,7%). Mittelfris-tig soll das Sparen wieder leichtansteigen. Die OeNB geht fur 2005von einer Sparquote von 7,9% aus.

    Verschuldungsdynamikschwacht sich deutlich abIn den ersten sechs Monaten 2003 hatsich die Verschuldungsdynamik be-reits deutlich abgeschwacht. Obwohlsich die Finanzierungsbedingungenals auerst gunstig darstellen, haltensich die Haushalte bei der Kredit-nachfrage zuruck. Die nunmehr dreiJahre anhaltende Wirtschaftsschwachedurfte die Einkommensperspektivennachhaltig eingetrubt und die Haus-halte veranlasst haben, ihr Verschul-dungsverhalten deutlicher den aktuel-len wirtschaftlichen Rahmenbedin-gungen anzupassen. Nicht zuletzt der2002 erreichte Hochststand in derHaushaltsverschuldung spricht dafur,die Kreditfinanzierung von Konsumund Wohnungserwerb trotz niedri-ger Zinsen nicht mehr zu erhohen,um U berschuldung bzw. Liquiditats-schwierigkeiten zu vermeiden.

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    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    56 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • Niedriges Zinsniveau und Unsicher-heit uber Finanzmarktentwicklungunterstu tzen LiquiditatshaltungVorlaufige Berechnungen zeigen, dassdie Haushalte auch im ersten Halbjahr2003 ihre Liquiditatshaltung weitererhoht haben. In den ersten sechsMonaten 2003 nahmen Bargeld undEinlagen mit 4,1 Mrd EUR mehr alsdie Halfte der Geldvermogensbildungein. Demgegenuber verloren Veranla-gungen in Kapitalmarktinstrumente wohl auf Grund der erlittenen Kurs-verluste der letzten Jahre an Bedeu-tung. Besonders deutlich zeigte sichdies bei den Investmentzertifikaten,von denen bis zur Jahresmitte 2003Titel im Wert von 278 Mio EURvon den privaten Haushalten erwor-ben wurden und die damit gegenuberden Vorjahren deutlich an Attraktivi-tat verloren. Das schliet nicht aus,dass mit besseren Wachstumsaussich-ten die Geldvermogensbildung wiederverstarkt auf dem Kapitalmarkt statt-findet. Die wichtigen internationalenAktienmarkte zeigen sich seit Beginndes Jahres 2003 wieder gefestigter.

    Die Kurszuwachse fuhrten im erstenHalbjahr 2003 bei den privaten Anle-gern zu Bewertungsgewinnen vonrund 1 Mrd EUR.

    Hohe Verschuldung undnegative Vermogenseffektebelasten finanzielle LageDie Verschuldung der privaten Haus-halte erreichte im Jahr 2002 einenHochstwert. Seit Mitte der Neunzi-gerjahre ist sie deutlich starker gestie-gen als die verfugbaren Einkommen.Die Relation des Verschuldungsstandszum Finanzvermogen hat sich im glei-chen Zeitraum weniger markant er-hoht (siehe Grafik 32). Die deutlicheZunahme bei den Privatkonkursen inden letzten Jahren kann als Hinweisdafur angesehen werden, dass sichdas Ausfallrisiko im Haushaltssektorverschlechtert hat. In den ersten dreiQuartalen 2003 erhohten sich diePrivatkonkurse um 3.175 Falle oder11,1% gegenuber dem Vergleichszeit-raum des Vorjahres. Insgesamt istjedoch die Anzahl der davon betrof-fenen Schuldner im Vergleich zurGesamtheit der Kredit nehmendenHaushalte gering.

    Im internationalen Vergleich derHaushaltsverschuldung zeigt sich, dassO sterreich nach wie vor zu den Lan-dern mit der geringsten Verschul-dungsquote gehort. Innerhalb ausge-wahlter EU-Lander sind osterrei-chische Haushalte im Jahr 2001 mit40,2% des BIP nach Finnland (34,0%)und Italien (30,7%) am geringsten ver-schuldet. Wie aus Tabelle 9 ersichtlichist, bestehen zwischen den Landerngroe Unterschiede in der Verschul-dungsbereitschaft. Diese sind zumGroteil durch landerspezifische Ge-gebenheiten, wie z. B. die Praferenzfur Haus- und Wohnungseigentum,Immobilienpreise,Hohe der Baukostenund dem Zugang zu den Kreditmark-

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    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 57

  • ten, bestimmt. Beim Zuwachs der Ver-schuldung ist O sterreich im unterenMittelfeld zu finden. Im Vergleich zurGesamtheit der dargestellten EU-Lan-der, in der die Verschuldungsquote seit1995 um 8,7 Prozentpunkte zunahm,verzeichnete O sterreich mit 4,5 Pro-zentpunkten nur einen halb so starkenAnstieg.

    Neben der hohen Verschuldung ineinem gesamtwirtschaftlich schwa-chen Umfeld belasten auch die Kurs-verluste in den Jahren von 2000 bis2002 die Finanzposition der Haushalte.Diese Verluste beliefen sich auf rund7 Mrd EUR, nachdem 1999 nochKursgewinne von 2,6 Mrd EUR ver-zeichnet werden konnten (siehe Grafik

    31). Die starke Nachfrage nach Fremd-wahrungskrediten, deren Tilgung vonder Einzahlung in Investmentfondsoder fondsgebundenen Lebensversi-cherungen abhangt, sowie die starkereBetonung der Eigenvorsorge im Rah-men der neuen Instrumente der zwei-ten und dritten Saule der Altersvor-sorge erhohen die Bedeutung vonKapitalmarktentwicklungen fur dieHaushalte. Der Anteil von Kapital-marktinstrumenten im privaten Geld-vermogen reduzierte sich seit demJahr 2000 nicht zuletzt wegender anschlieend einsetzenden Bewer-tungsverluste und erreichte im Jahr2002 wieder das Niveau der Neun-zigerjahre.

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  • ImmobilienWohnbau in O sterreich erholt sichseit Jahresbeginn 2003 wieder leichtInfolge der rucklaufigen Baubewilli-gungen in den Jahren 1998 bis 2001verzeichnete die Anzahl der fertiggestellten Wohnungen 2002 eine wei-tere Abnahme gegenuber dem Vorjahrum 8,6%. Da die Bewilligungen 2002erstmals seit funf Jahren ein Plus(5,1% im Vorjahresvergleich) aufwie-sen, konnte im Jahr 2003 der Ruck-gang der Fertigstellungen zum Still-stand gekommen sein. Darauf deutetauch der WIFO-Konjunkturtest1) hin,in dem die Bauunternehmen ihre der-zeitige Produktionstatigkeit deutlichgunstiger beurteilten.

    Die Preise fur Eigentumswohnun-gen steigen auch als Folge der star-ken Ruckgange bei den Baubewilli-gungen seit Mitte 2001 wieder2)leicht (im zweiten Halbjahr 2002

    um 1,7%), bleiben aber nach wievor unter dem langjahrigen Durch-schnitt.

    Verstarkter Trend zum Immobilien-erwerb als KapitalanlageDer Immobilienbesitz hat in den letz-ten Jahren zunehmende Bedeutung alsAnlagemedium gefunden. Mit dem imJuli 2003 beschlossenen Immobilien-Investmentfondsgesetz sind nun offe-ne Immobilienfonds3) auch in O ster-reich zugelassen. Dadurch wurde diePalette der Anlage- und Finanzie-rungsmoglichkeiten fur Investoren umheimische Immobilienfonds erweitert.

    Daruber hinaus beabsichtigt derBund, die insgesamt 62.000 Bundes-wohnungen zu verauern. Mit demBudgetbegleitgesetz 2001 wurde dieGemeinnutzigkeit der funf Bundes-wohnbaugesellschaften aufgehoben.Die Wohnungen verlieren im Neuver-

    1 Da keine aktuellen Produktionsdaten zur Verfugung stehen, muss auf den WIFO-Konjunkturtest zuruckge-griffen werden.

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    2 Zuletzt stiegen die Preise im ersten Halbjahr 1999.3 Die Anteilscheine an solchen Fonds konnen, anders als bei den geschlossenen Immobilienfonds, jederzeit

    gezeichnet und wieder an die Fondsgesellschaft verkauft werden. Der Preis richtet sich nach dem aktuellenSchatzwert des Immobilienportfolios. Nur wenn mehr als 10% des Anlagevolumens gleichzeitig zuruckgegebenwerden, kann die Rucknahme bis zu zwei Jahre aufgeschoben werden.

    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 59

  • mietungsfall ihren Gemeinnutzigkeits-status und bilden damit fur Investoreneine attraktive Anlageform. Die Bun-desimmobiliengesellschaft rechnet furdas Jahr 2003 mit einem Verkaufserlosder ihr noch verbliebenen 3.500Woh-nungen von uber 100 Mio EUR (ins-gesamt sollen 600 bis 900 Mio EURdurch die Privatisierung der Bundes-wohnungen eingenommen werden).Die erste Privatisierungsrunde stie

    auf reges internationales Interesse.Vom Verkauf der Bundeswohnungenist kein Preisdruck auf dem Immobi-lienmarkt zu erwarten, da bei gutenLagen und in Ballungszentren mitdem Kauf der Wohnungen durch dieMieter selbst zu rechnen ist.

    Wachsende Vermogen der Privat-haushalte sowie die Tatsache, dass imZeitraum von 1994 bis 2002 der Woh-nungsaufwand fur Mietwohnungen

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  • (+35%) starker als jener fur Eigen-tumswohnungen (+16%) stieg, gingenmit gestiegenen Eigentumsquoten beiImmobilien einher (siehe Grafik 35).

    Aber nicht nur fur den Eigen-bedarf, sondern auch als Anlage-objekt haben Eigentumswohnungenan Attraktivitat gewonnen. Vorsorge-wohnungen1) gelten als attraktive An-lageform mit geringem Risiko undstabilen Renditen fur langfristig agie-rende Investoren und scheinen eineAlternative zu Veranlagungen aufdem Kapitalmarkt zu sein. Insbeson-dere im gegenwartigen Umfeld fallen-der Aktienkurse und niedriger Zinsengewinnt der Erwerb von Vorsorge-wohnungen zunehmend an Attrakti-vitat. Genaue Daten zu diesemGeschaftssegment liegen nicht vor,aber allein im Jahr 2002 ist die Anzahlder verkauften VorsorgewohnungenBrancheninformationen zufolge umrund 50% gestiegen.

    Der Ertrag bei diesen Wohnungenergibt sich aus der Kombination vonMieteinnahmen, Wertsteigerung undNutzung steuerlicher Vorteile. Durchdie Vermietung der Wohnung wirdder Eigentumer Unternehmer imSinne des Umsatzsteuergesetzes undkann die im Kaufpreis enthalteneUmsatzsteuer als Vorsteuer geltendmachen, erwirbt somit die Wohnungzum Nettokaufpreis. Im Rahmen derEinkunfte aus Vermietung und Ver-pachtung konnen die Fremdkapital-zinsen, die Absetzung fur Abnutzung(AfA) und sonstige Aufwendungen

    als Werbungskosten geltend gemachtwerden. Durch eine entsprechendeModellgestaltung (in den ersten Jah-ren der Vermietung ubersteigen dieWerbungskosten die Mieteinkunfte)2)ist es in den Anfangsjahren moglich,steuerliche Zusatzvorteile zu lukrie-ren. Dazu kommt, dass Gewinne auseiner Verauerung der Wohnung nach10 Jahren einkommensteuerfrei sind.

    Die erwartete Rendite von Vor-sorgewohnungen hangt von der Wert-steigerung und den Mieteinnahmenab.3) Durch die niedrigen Inflationsra-ten (die Mieten sind oft gekoppelt andie Entwicklung des VPI) gab es inden letzten Jahren weder beim Wertder Eigentumswohnungen noch beiden Mieten hohe Zuwachsraten. Un-tersuchungen4) zeigen, dass die Wert-steigerungsrate neuer Eigentumswoh-nungen eine zentrale Einflussgroeauf die Rendite einer Vorsorgewoh-nung darstellt. Im letzten Jahrzehntwaren jedoch nicht steigende, son-dern fallende (bzw. konstante) Preisezu verzeichnen. Erst seit Mitte 2001sind die Preise wieder leicht steigend.

    Neben einem nicht unbetracht-lichen Renditerisiko unterliegt dieVeranlagung in Vorsorgewohnungenzumeist einem hohen Liquiditatsrisi-ko. Immobilien stellen ein deutlichilliquideres Aktivum als etwa Wertpa-piere dar. Daruber hinaus ist eineVerauerung des Objekts mit hohenTransaktionskosten verbunden. DieLiquiditat wird auch durch die hohenAnfangsspesen, die sich erst nach

    1 Vorsorgewohnungen sind Wohnobjekte, die eigens zur Vermietung konzipiert (also geplant und gebaut) werden.2 Wenn auf die Dauer der Vermogensveranlagung kein Uberschuss resultiert, ist mit Steuernachzahlungen zu

    rechnen.3 Zeiten der Nichtvermietung verringern die Rendite. Erschwerend wirkt, dass durch eine Anderung im Miet-

    recht eine langfristige Bindung der Mieter nicht mehr moglich ist, die Mieter konnen nun bereits nach einemJahr wieder kundigen. Dadurch konnte es zu haufigeren Mieterwechseln und zu langeren Leerstandszeitenkommen.

    4 Siehe dazu Fischer, E. O. und M. Glawischnig. 2003. Die Rendite von Vorsorgewohnungen. Graz: Karl-Fran-zens-Universitat Graz. Marz.

    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 61

  • einer langjahrigen Veranlagungsdaueramortisieren, und durch die 10-jah-rige Spekulationsfrist beschrankt.1)

    Schlielich ist mit dem Instrumentder Vorsorgewohnung eine Streuungder Anlagen zumeist nicht oder nurunzureichend moglich; vielfach istdas eingesetzte Kapital in einem einzi-gen oder einigen wenigen Objekt(en)gebunden.

    Insgesamt gewinnt der Immobi-lienbesitz zunehmend an Bedeutungfur die Vermogensposition der priva-ten Haushalte. Gleichzeitig spielt dieWohnraumfinanzierung als Motiva-tion zur Kreditaufnahme eine wesent-liche Rolle. Auch der Erwerb vonVorsorgewohnungen wird in derRegel zu einem erheblichen Teilfremdfinanziert.2) Die aktuelle Ent-wicklung auf dem Immobilienmarktdeterminiert damit in steigendemAusma das Gesamtvermogen derprivaten Haushalte. Zwar hatten dieInvestoren dort anders als etwa aufden Aktienmarkten keine Vermo-gensverluste hinzunehmen, frei vonden oben erwahnten Risiken istjedoch auch die Anlage in Immobiliennicht.

    AktienmarktMakrookonomische Bedeutung desosterreichischen AktienmarktesMittelfristige Veranderungen derAktienkurse konnen sich uber dieFinanzierungskosten der Unterneh-men sowie Bewertungsveranderungenin den Unternehmensbilanzen direktauf die Investitionsnachfrage auswir-

    ken. Die Finanzierung der Unterneh-men uber die Wiener Borse betrugin den Jahren 1993 bis 2002 imDurchschnitt 3,7% der Bruttoanla-geinvestitionen, wenn Neuemissionenund Kapitalerhohungen gegen Barein-lage berucksichtigt werden. Grafik 36zeigt, dass Neuemissionen insbeson-dere in den Neunzigerjahren einenGroteil der uber die Wiener Borseaufgebrachten Mittel darstellen. Neu-emissionen entsprechen einem Eigen-tumerwechsel und werden nichtimmer fur die Finanzierung von Inves-titionen herangezogen (z. B. Privati-sierungen). Der Anteil der Kapitaler-hohungen gegen Bareinlage machtehingegen nur durchschnittlich 1,1%der Bruttoanlageinvestitionen aus. ImZeitraum von 1993 bis 2002 nahmendurchschnittlich 14,4 Unternehmenpro Jahr3) entweder uber Neuemissio-nen (4,9 Unternehmen) oder uberKapitalerhohungen gegen Bareinlage(9,5 Unternehmen) Mittel uber dieWiener Borse auf.

    Ebenso ist die Wirkung der Wie-ner Borse uber Vermogenseffekte aufden privaten Konsum gering. ImDurchschnitt der Jahre 1995 bis 2002hielten die privaten Haushalte etwa3% ihres Geldvermogens in Form in-landischer Anteilsrechte (ohne Invest-mentzertifikate)4). Ausgehend vomletzten verfugbaren Wert fur das Jahr2002 entspricht dies etwa 10,3 MrdEUR. Von den rund 28,6 Mrd EUR,die bei inlandischen Investmentfondsveranlagt sind, waren rund 3,3%(oder 0,9 Mrd EUR) in inlandische

    1 Ein Gewinn aus dem Verkaufserlos einer Wohnung, die innerhalb der ersten 10 Jahre verkauft wird, ist alsSpekulationsgewinn zu versteuern.

    2 Auf Grund der steuerlichen Absetzbarkeit von Fremdkapitalzinsen ist der Anreiz fur einen hohen kreditfinan-zierten Anteil besonders hoch.

    3 Bezogen auf die durchschnittlich 5.439 Unternehmen mit mehr als 49 Beschaftigten in der verfugbaren Peri-ode 1997 bis 2001.

    4 Diese Groe enthalt neben den Direktinvestitionen aus dem Ausland und nicht borsennotierten Aktien auch dieborsennotierten Aktien und stellt damit eine Obergrenze des direkt gehaltenen Aktienkapitals dar.

    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    62 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • Anteilsrechte (ohne Investmentzertifi-kate) investiert. Das direkt und indi-rekt in Form von inlandischen Anteils-rechten gehaltene Geldvermogen derprivaten Haushalte betrug im Jahr2002 somit rund 11,2 Mrd EUR.Aus den wenigen verfugbaren, empi-rischen Studien1) fur vergleichbareLander (vor allem Deutschland undFinnland) geht hervor, dass die margi-nale Konsumneigung bei Wertande-rungen des Aktienvermogens auf etwa2 Cent pro Euro geschatzt wird. Derstarke Anstieg des ATX in der Periodevon 1. Oktober 2002 bis 1. Oktober2003 (+27,3%) wurde demnach dieprivate Konsumnachfrage um etwa61 Mio EUR erhohen. Dies entspra-che bei einem nominalem Volumendes privaten Konsums im Jahr 2002von 124,86 Mrd EUR einem Anstiegvon lediglich 0,05%.

    Initiativen zur Forderung des oster-reichischenKapitalmarkteswerden un-ter anderem durch Verdachtsfalle desInsiderhandels beeintrachtigt. Von derZukunftsvorsorge erwarten sich dieMarktteilnehmer zunachst vor allemindirekte Effekte. Die steten Zuflussekonnten den Wiener Aktienmarkt furauslandische institutionelle Investoreninteressanter machen. Der CorporateGovernance-Kodex wird vor allemvon den liquidesten und grotenMarktteilnehmern angenommen.Abergerade zur Erhohung der Liquiditatist die Starkung des Vertrauens in klei-nere Marktwerte wichtig. Sollte dieSelbstregulierung in diesem Segmentweiterhin nur auf geringe Akzeptanzstoen, konnte die Kapitalmarktent-wicklung durchVerscharfung der regu-latorischen Bestimmungen zur Corpo-rate Governance gefordert werden.

    1 Clapham, E., A. Hyytinen und K. Takala. 2002. Household Wealth, Credit and Consumption: Evidence forFinland and Sweden. Bank of Finland. Mimeo.Internationaler Wahrungsfonds. 2000. World Economic Outlook Asset Prices and the Business Cycle.Washington DC.Boone, L., C. Giorno und P. Richardson. 1998. Stock Market Fluctuations and Consumption Behavior: SomeRecent Evidence. OECD Working Paper (98)21. Paris.

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    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 63

  • Auswirkungen der pramienbeguns-tigten Zukunftsvorsorge auf denosterreichischen AktienmarktDie neu geschaffene pramienbeguns-tigte Zukunftsvorsorge (gema 108gbis i, BGBl. I Nr. 10/2003) hat aufden Aktienmarkt in den Anfangsjah-ren ihrer Verbreitung nur geringeAuswirkungen. Auch wenn eine rela-tiv groe Zahl an Vertragen abge-schlossen wird, handelt es sich umein langfristiges Vorsorgeprodukt mitmonatlichen Einzahlungen. In den An-fangsjahren ist daher das investierbareVolumen noch gering. SignifikanteAuswirkungen auf Umsatzzahlen,Volatilitat und Indexentwicklung wer-den sich erst zeigen, wenn das an-gesparte Volumen eine nennenswerteGroenordnung erreicht haben wird.Zudem muss sich klaren, in welchemAusma die uber die Zukunftsvor-sorge angesparten Betrage zu Reduk-tionen anderer Komponenten desInvestitionsportfolios der privatenHaushalte fuhren werden.

    Im ersten Halbjahr 2003 wurdenlaut Angaben des Bundesministeriumsfur Finanzen etwa 66.000 Vertrage ab-geschlossen. Unter der Annahme,1)dass sich ihre Anzahl bis Ende desJahres auf etwa 150.000 bis 200.000erhoht und bei einer angenommenen,durchschnittlichen jahrlichen Pramiezwischen 870 und 1.000 EUR (unterBerucksichtigung der unterschiedli-chen jahrlichen Verteilung der Ver-tragsabschlusse) und einer nominalenRendite von 5% (inklusive staatlicherPramie) ergibt sich im Jahr 2003

    somit ein Volumen von 55 bis 84 MioEUR. Dies entspricht etwa zwischen0,3 bis 0,5% des Borsenumsatzesvon rund 17 Mrd EUR (1. Oktober2002 bis 30. September 2003).2) Gehtman von einem Marktpotenzial von450.000 bis 600.000 Vertragen aus,das bis zum Jahr 2007 bzw. 2008erreicht werden soll, lasst sich eineungefahre mittelfristige Schatzung (bis2012) uber die Auswirkungen derZukunftsvorsorge auf den osterrei-chischen Aktienmarkt erstellen: AufBasis zweier Szenarien (450.000/600.000 Vertrage, 870/1.000 EURjahrliche Pramie, nominale Renditevon 5% inklusive staatlicher Pramie,1,5% Inflationsrate) steigt der jahr-liche Zuwachs des Aktienanteils biszum Jahr 2012 auf etwa 165 bis 252Mio EUR (1% bis 1,5% des Borsen-umsatzes der Periode 1.Oktober 2002bis 30. September 2003 an der Wie-ner Borse) und das an der WienerBorse (oder an einer Borse eines Bei-trittslandes) zu investierende akku-mulierte Vermogen auf rund 1,6 bis2,2 Mrd EUR (4,8 bis 7,1% derMarktkapitalisierung vom 30. Sep-tember 2003 bzw. 11,2 bis 16,5%des Streubesitzes gewichteterDurchschnitt 30. September 2003 von rund 43% an der Wiener Borse).Da im Rahmen der Zukunftsvorsorgerelativ zur Marktkapitalisierung undzum Streubesitz betrachtliche Sum-men angespart werden, ist die Erho-hung dieser beiden Groen in dennachsten Jahren zu forcieren, um derwachsenden Nachfrage auch das ent-

    1 Diese Annahmen basieren auf brancheninternen Schatzungen.2 Das Gesetz sieht eine Veranlagung von 40% der einbezahlten Beitrage in Aktien vor, die an einer in einem

    Mitgliedstaat des Europaischen Wirtschaftsraums (EWR) gelegenen Borse erstzugelassen sind. Der Anteil derBorsekapitalisierung der in diesem Mitgliedstaat erstzugelassenen Aktien darf 30% des Bruttoinlandsproduktsdieses Mitgliedstaats nicht ubersteigen. Die Berechung basiert auf Jahresdurchschnitten der letzten vier Jahre(allerdings ohne das unmittelbar vor dem jeweiligen Kalenderjahr liegende Jahr). Der Grenzwert wird gegen-wartig nur von der Wiener Borse unterschritten, nach der Erweiterung der Europaischen Union auch von Bor-sen in den Beitrittslandern.

    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    64 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • sprechende Angebot gegenuberstellenzu konnen.

    Daruber hinaus stellt sich die Fra-ge, ob die im Gesetz vorgesehene Ein-schrankung der Veranlagungsmoglich-keiten die notwendige, effizienteDiversifikation der Risiken optimalfordert. Beispielsweise entfallen der-zeit etwa 60% des Indexvolumensdes ATX und 65% des Handelsvolu-mens an der Wiener Borse auf sechsUnternehmen aus drei Branchen.1)Die Zunahme der fur die Veranlagung

    in Frage kommenden Aktienmarktedurch die Erweiterung der Euro-paischen Union kann die Diversifika-tionsmoglichkeiten verbessern, aller-dings unter Inkaufnahme zusatzlicherRisiken (z. B. des Wechselkurs- undLiquiditatsrisikos). Vorrangiges Zielsollte es daher sein, die Diversifika-tionsmoglichkeiten an der WienerBorse zu verbessern oder die Port-foliobeschrankungen in den Veran-lagungsrichtlinien der Zukunftsvor-sorge zu lockern.

    1 Auch im Wiener Borse Index machen diese Unternehmen etwa 52% des Index aus. Unter Berucksichtigungweiterer Finanzdienstleister (Generali Versicherung AG, Uniqa Versicherungen AG, BKS, BTV etc.) erscheintauch unter Einbeziehung der Werte mit geringer Marktkapitalisierung und Liquiditat die optimale Diver-sifikation schwierig.

    Realwirtschaft und Finanzma rktein O sterreich

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 65

  • S c h w e r p u n k t t h e m e n

  • EinleitungDie Versicherungswirtschaft wird mitverschiedenen Arten von Risiken kon-frontiert: zum einen mit unterneh-mensspezifischen Versicherungsrisi-ken, zum anderen mit Kapitalanlageri-siken. Da mit der wachsenden Bedeu-tung der Versicherungswirtschaft auchdiese Risiken in den letzten Jahrenvermehrt an Beachtung gewonnenhaben, stellt sich die Frage, welcheKonsequenzen sich einerseits fur dieVersicherungsbranche im Speziellenund andererseits fur die Finanzmarkteim Allgemeinen ergeben.

    Die regelmaige Analyse undBewertung der unternehmensspezifi-schen Risikofaktoren ist grundsatzlichAufgabe der Versicherungsaufsicht imRahmen der U berwachung desGeschaftsbetriebs der Versicherungs-unternehmen. Dennoch stellen unter-nehmensspezifische Risiken, treten siegehauft auf, ein Gefahrenpotenzial furdie gesamte Branche und in der Folgefur die Finanzmarktstabilitat dar.Daruber hinaus kommt es im Zugedes Risikomanagements der Versiche-rungsunternehmen mittels alternati-ver Risikotransfermethoden uber dieKapitalmarkte zu einer zunehmendenVerflechtung des Versicherungssektorsmit dem Bankensektor. Im Folgendenlegen wir daher besonderes Augen-merk auf die systemrelevanten1) Risi-kofaktoren. Dabei wahlen wir eineKlassifizierung, die an jene des Ban-kensektors angelehnt ist, da diemeisten Risiken, denen Banken ausge-setzt sind wie etwa das Marktrisiko,das Liquiditatsrisiko oder das opera-tionale Risiko , auch im Zuge desVersicherungsgeschafts auftreten. Esdarf jedoch nicht auer Acht gelassenwerden, dass sich die einzelnen Risi-ken in ihrer Bedeutung fur und ihren

    Auswirkungen auf die Versicherungs-wirtschaft durchaus von jenen desBankensektors unterscheiden. Daru-ber hinaus gibt es Risiken, wie bei-spielsweise das versicherungstechni-sche Risiko, die sich aus dem ureige-nen Versicherungsgeschaft ergebenund damit nur auf die Versicherungs-wirtschaft zutreffen. Eine exakte Fest-legung auf einige wenige Faktoren istjedoch nicht moglich, da sich System-relevanz bezogen auf die Versiche-rungswirtschaft meist aus dem Zu-sammenspiel mehrere Risikofaktorenergibt. Zudem ist es seit den Angriffenvom 11. September 2001 auch offen-sichtlich geworden,dass kein Schadens-ereignis hinsichtlich Eintrittswahr-scheinlichkeit und Ausma von vorn-herein ausgeschlossen werden oderdie Auswirkungen auf einige wenigeUnternehmen oder einen Risikofaktoreingeschrankt werden konnen.

    Das bestatigen auch Arbeiten(Cummins et al., 1995; The ActuarialProfession, 2002) zum Insolvenzrisikoin der Versicherungswirtschaft. Seitden Achtzigerjahren treten in unregel-maigen Abstanden Haufungen vonInsolvenzen im Versicherungsbereichauf, zuletzt wahrend der vergangenenbeiden Jahre. Obwohl den entspre-chenden Perioden ahnliche Marktent-wicklungen, insbesondere eine Ver-scharfung des Wettbewerbs, voraus-gingen, konnen keine eindeutigenUrsachen fur die Insolvenzwellenidentifiziert werden. Vielmehr durfteein Zusammenspiel mehrerer Fakto-ren fur die Unternehmenszusammen-bruche verantwortlich gewesen sein.Am haufigsten konnten dabei unzurei-chende Deckungsruckstellungen, einzu schnelles Wachstum, eine U ber-bewertung der Vermogensbestande,Betrug sowie hohe Zahlungsverpflich-

    1 Als Definition fur Systemrelevanz wird jene von E. Philip Davis zu Grunde gelegt, siehe dazu OeNB (2001).

    Gerald KrennUlrike Oschischnig

    Systemrelevante Risikofaktorender Versicherungswirtschaft

    und Methoden zur Risikoeinschatzung

    68 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • tungen infolge von Katastrophen alsUrsachen beobachtet werden.

    Sofern entsprechende wirtschaft-liche Rahmenbedingungen (wieSchwankungen auf den Kapitalmark-ten, Haufung von (Gro-)Schadens-ereignissen, schwache Konjunkturund A hnliches) gegeben sind, kannalso bei gleichzeitiger Vernachlassi-gung der Gefahrenpotenziale der ver-bleibenden Faktoren kein einzelnerRisikofaktor als systemgefahrdend her-vorgehoben werden. Um den Rahmender vorliegenden Arbeit nicht zusprengen konzentrieren wir uns imFolgenden jedoch auf drei wesentlicheRisikofaktoren: das versicherungs-technische Risiko, das Marktrisikound das Kreditrisiko. Im Anschlussdaran wird ein U berblick uber diegangigen Methoden der Risikoein-schatzung gegeben und die wesent-lichsten alternativen Risikotransfer-instrumente dargestellt.

    Risikofaktoren derVersicherungswirtschaftGrundsatzlich konnen die Risikofakto-ren, mit denen die Versicherungswirt-schaft konfrontiert ist, in drei Gruppeneingeteilt werden: Technisches Risiko,Kapitalanlagenrisiko und Nichttech-nisches Risiko. Unter (versiche-rungs-)technischen Risiken verstehtman all jene Risiken, die sich im Zugedes originaren Versicherungsgeschaftsergeben. Darunter fallen etwa Risikenim Zusammenhang mit der Pramien-kalkulation, der Berechnung der Ge-winnbeteiligungen oder der Betriebs-aufwendungen. Unter dem Kapital-anlagerisiko sind jene Risiken zu sub-sumieren, die im Zusammenhang mitdem Asset Management des Unterneh-mens entstehen. Dazu zahlen unteranderem das Wertverlustrisiko, dasZinsanderungsrisiko oder das Bewer-tungsrisiko. Wahrend technische Risi-

    ken auf der Passivseite des Versiche-rungsunternehmens zu finden sind,besteht das Veranlagungsrisiko auf derAktivseite der Bilanz. All jene Risiken,die keiner der beiden Gruppen zuor-denbar sind, fallen unter die nicht(versicherungs-)technischen Risiken.Dazu zahlen etwa das Absatzrisiko,Landerrisiken, rechtliche Risiken oderManagementrisiken.

    Die Gliederung in diese dreiHauptbereiche ist die am haufigstenin der Literatur angewandte Klassifi-zierungsart. Neben der InternationalAssociation of Insurance Supervisors(IAIS) bewerten auch die osterrei-chische Versicherungsaufsicht und in einer leicht erweiterten Form der deutsche Standardisierungsrat dieRisiken der Versicherungswirtschaftdanach. Die Internationale Aktuarver-einigung (IAA) erarbeitete im Rah-men der Solvabilitatsdiskussion eineKlassifizierung der relevantesten Risi-ken fur ein Versicherungsunterneh-men, die in Anlehnung an die Risiko-klassifizierung der Banken steht. DieseArt der Strukturierung ist insoferninteressant, als die meisten Risiken,denen Banken ausgesetzt sind, auchim Zuge des Versicherungsgeschaftsauftreten. Eine Identifikation der Risi-koherde im Finanzsystem wird ange-sichts der zunehmenden Verflechtungdes Bankensektors mit dem Versiche-rungssektor im Zuge von Finanzkon-glomeraten und Bankassekuranzenmit dieser Form der Risikoklassifizie-rung vereinfacht. Dennoch darf nichtauer Acht gelassen werden, dass sichdie einzelnen Risiken in ihrer Bedeu-tung fur und ihren Auswirkungen aufdie Versicherungswirtschaft durchausvon jenen des Bankensektors unter-scheiden. Daruber hinaus gibt es Risi-ken, wie beispielsweise das versiche-rungstechnische Risiko, die sich ausdem ureigenen Versicherungsgeschaft

    Systemrelevante Risikofaktorender Versicherungswirtschaft

    und Methoden zur Risikoeinscha tzung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 69

  • ergeben und damit nur auf die Versi-cherungswirtschaft zutreffen.

    Im folgenden U berblick uber diewesentlichsten Risiken fur den Versi-cherungssektor konzentriert wir unsvor allem auf die systemrelevantenRisiken. Das sind jene Faktoren, die sofern sie innerhalb der Branchegehauft auftreten Gefahrenpoten-ziale fur den Finanzmarkt bergen oderbei denen es auf Grund der angewand-ten Risikomanagementinstrumente zueiner engen Verflechtung mit demBankensektor kommt, wodurch sichstabilitatsgefahrdende Wirkungen er-geben konnten. Folgende Klassifizie-rung wurde dabei gewahlt: Versicherungstechnische Risiken Marktrisiko Kreditrisiko Liquiditatsrisiko Operationales Risiko Sonstige Risiken

    Versicherungstechnische RisikenEin wesentlicher Teil der Risiken ent-steht aus dem originaren Geschaft derVersicherungsunternehmen, namlichaus dem Abschluss von Polizzen. DasRisiko ergibt sich dabei aus denGefahren, denen das Objekt des Versi-cherungsvertrags ausgesetzt ist unddie mittels eines Versicherungsver-trags gedeckt sein sollten. Im Nicht-Lebensversicherungsgeschaft zahlendazu naturlich auftretende und vomMenschen verursachte Katastrophenund Haftpflichtrisiken. Zu den Natur-katastophen gehoren Erdbeben, U ber-schwemmungen, Hurrikans, Vulkan-ausbruche und A hnliches. Unter vonMenschen verursachten Katastrophenversteht man z. B. Terrorangriffe,Brande, Flugzeugabsturze etc. DasLebensversicherungsgeschaft ist imGegensatz dazu mit einem geringerenversicherungstechnischen Risiko kon-frontiert, da die Sterberaten relativ

    stabil sind. Mithilfe historischer Datenwerden bei der Risikokalkulation ent-sprechende Sterbetafeln entwickelt,wobei auch zukunftige Entwicklun-gen, wie medizinische Fortschritte,berucksichtigt werden. Da es sichdabei jedoch nur um ein Modell han-delt, das auf Schatzungen beruht, istes mit Unsicherheiten behaftet. Sokonnen etwa Epidemien, Naturkata-strophen oder Terrorangriffe mar-kante Auswirkungen auf die Sterblich-keitsraten haben.

    Wie im Lebensversicherungsge-schaft wird auch in den Nicht-Lebens-versicherungssparten moglichst um-fassendes Datenmaterial uber histori-sche Ereignisse erstellt. Damit kanneine Beziehung zwischen raumlichemAuftreten, Eintrittsfrequenz undIntensitat einer Naturgefahr abgeleitetwerden und somit eine generelle Ein-schatzung der Gefahrdung erfolgen.In den letzten Jahren ist trotz jahr-licher Schwankungen ein markanterAnstieg von Versicherungsschaden,die durch Naturkatastrophen verur-sacht werden, festzustellen. Ob dieAnzahl der Naturkatastrophen in denletzten Jahren zugenommen hat, kanndabei jedoch nicht eindeutig nachge-wiesen werden. Vielmehr durfte furden Anstieg der Versicherungsschadendie hohere Bevolkerungsdichte, eineZunahme der Versicherungsdichtein gefahrdeten Gebieten sowie dieteilweise hohe Schadensanfalligkeitmoderner Materialien und Technolo-gien verantwortlich sein.

    Neben dem Risiko, das sich ausdem Abschluss von Polizzen ergibt,sind auch die Unternehmensvorgange,die mit der Abwicklung des Versi-cherungsgeschafts im Zusammenhangstehen, wie Pramienkalkulation, Pro-duktentwicklung, Verkauf der Pro-dukte (Absatzrisiko) und A hnliches,mit Gefahren behaftet.

    Systemrelevante Risikofaktorender Versicherungswirtschaftund Methoden zur Risikoeinscha tzung

    70 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • Zur Absicherung der genanntenRisiken greifen die Versicherungenneben traditionellen Instrumenten wiePramienerhohungen oder Ruckver-sicherungen zunehmend zu jenen desso genannten Alternative Risk Transfer(ART). Der Risikotransfer direkt uberden Finanzmarkt wird dabei als alter-native Moglichkeit der Bereitstellungvon Risikodeckungskapazitaten heran-gezogen. Zur Absicherung insbe-sondere der zunehmenden Risikenim Nicht-Lebensversicherungsbereichwerden vermehrt Katastrophenanlei-hen, so genannte Catastrophe Bonds(CAT-Bonds), herangezogen. Mit derEmission einer Anleihe wird ein Teilder Risiken im Zuge von Naturkata-strophen auf die Zeichner der Anleiheubertragen. Die Hohe der Zinszah-lung und/oder die Ruckzahlung desKapitals hangt davon ab, ob die inden Anleihebedingungen definiertenKatastrophen eintreten. Ist dies derFall, so reduziert sich der Anspruchdes Anlegers auf Zinszahlungen oder je nach Ausgestaltung auch aufTeile des investierten Kapitals. Daserhohte Risiko wird durch einen Zins-anspruch vergutet, der deutlich uberdem einer normalen Anleihe liegt.Das emittierende Unternehmen (dieVersicherung) uberwalzt damit dasRisiko direkt auf den Investor. DerAnleger spekuliert mit einem CAT-Bond wiederum darauf, dass eineNaturkatastrophe ausbleibt oder nurgeringen Schaden anrichtet. Abgewi-ckelt werden die Transaktionen haufiguber eigens zu diesem Zweck ge-grundete Finanzierungsgesellschaften,so genannte Special Purpose Vehicles(SPVs), die als Ruckversicherer desRisiko abgebenden Unternehmensfungieren und gleichzeitig den Bondemittieren.

    Der Vorteil dieser Art des Risiko-transfers liegt darin, dass bei derarti-

    gen Transaktionen im Gegensatz zuherkommlichen Erst- bzw Ruckversi-cherungen die Gefahr eines Ausfallsder Deckung auf Grund eventuellerZahlungsunfahigkeit des Vertragspart-ners vermieden wird. Im Fall desSchadenseintritts steht das notwen-dige Kapital auf jeden Fall zur Verfu-gung, da es schon vorher bereitgestelltwurde.

    MarktrisikoWie sich in den letzten Jahren heraus-gestellt hat, ist das Marktrisiko wohlzu den bedeutendsten Risiken derVersicherungswirtschaft zu zahlen unddamit auch das relevanteste fur dieFinanzmarktstabilitat. Unter Markt-risiken verstehen wir hier potenzielleVerluste auf Grund von nachteiligenVeranderungen von Marktpreisenund/oder preisbeeinflussenden Para-metern. Darunter fallen etwa Aktien-kurse, Zinssatze, Preise von Vermo-genswerten oder Devisenkurse. DasMarktrisiko stellt damit einen wesent-lichen Teil des Kapitalanlagerisikosdar.

    Die Aktivseite der Bilanz einesVersicherungsunternehmens bestehtin erster Linie aus Finanzanlagen inForm von Anleihen, Aktien, Darlehenund Immobilien, die alle einemMarktrisiko unterliegen. UnerwarteteA nderungen bei Aktienkursen, Devi-senkursen und Zinssatzen konnendaher massive Auswirkungen auf dasUnternehmen haben und in kom-plexer Form auftreten. Da Zeitpunktund/oder Hohe der Pramieneinnah-men oftmals nicht mit jenen der Zah-lungsverpflichtungen aus Versiche-rungsvertragen ubereinstimmen, wer-den die Geldmittel veranlagt, um zumgegebenen Zeitpunkt ausreichendeMittel zur Verfugung zu haben. Pro-bleme entstehen dem Versicherungs-unternehmen dann, wenn es Zah-

    Systemrelevante Risikofaktorender Versicherungswirtschaft

    und Methoden zur Risikoeinscha tzung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 71

  • lungsverpflichtungen, insbesondereaus Versicherungsvertragen, nach-kommen muss, aber auf Grund vonunerwarteten Entwicklungen auf denFinanzmarkten keine ausreichendliquiden Mittel aus den Veranlagungenziehen kann. Ursachen dafur sind bei-spielsweise Fluktuationen der Zins-satze oder Schwankungen auf denAktienmarkten. Damit umfasst dasMarktrisiko das Zinsanderungsrisiko,Risiken aus Aktien und sonstigenAnteilspapieren sowie das Wahrungs-risiko und das Landerrisiko1). EinWahrungsrisiko ergibt sich fur dasUnternehmen beispielsweise, wenndie Geldmittel in einer anderen Wah-rung veranlagt als die Verpflichtungendes Versicherers denominiert sind.Mussen die Kapitalanlagen zu un-gunstigen Devisenkursen aufgelostwerden, entstehen dem UnternehmenVerluste. Das Landerrisiko ergibt sichauf Grund des fur institutionelleInvestoren typischen Herdenverhal-tens, infolge dessen sich die Veranla-gungen oftmals auf eine geografischeRegion oder einen Wirtschaftssektorkonzentrieren. Treten die erhofftenErtragserwartungen nicht ein, konnendem Unternehmen je nach Veran-lagungsvolumen beachtliche Verlusteentstehen.

    Neben einer Reihe rechtlicher undregulatorischer Vorschriften, die zurMinimierung der Risiken aus derKapitalveranlagung eingesetzt wer-den, bedienen sich Versicherungsun-ternehmen des so genannten AssetLiability Management (ALM). UnterALM versteht man im Wesentlichendie zielgerichtete Koordination derSteuerung der Aktiva und Passiva, alsoder Abstimmung des Kapitalanlage-portfolios (Assets) mit den aus den

    Versicherungsprodukten entstehendenversicherungstechnischen Verpflich-tungen (Liabilities). Zielsetzung desALM ist eine moglichst vollstandigeVermeidung von Risiken durch ent-sprechende Anlagestrategien. DasALM wurde ursprunglich entwickelt,um die infolge deutlich volatilererZinssatze in den Siebzigerjahren ge-stiegenen Zinsrisiken zu bewaltigen.In diesem neuen ungewissen Umfeldkonnten mehrere groe Versiche-rungsunternehmen ihre Zinsrisikennicht mehr kontrollieren und musstenKonkurs anmelden. Im Zuge der wei-teren Entwicklung von Techniken zurSteuerung des Zinsrisikos wurden dieModelle auch auf Nicht-Zinsrisikenausgeweitet. ALM wurde somit zueinem bedeutenden Kontrollinstru-ment fur produktspezifische, aberauch allgemeine unternehmerischeRisiken. Neben dem ALM kommenauch Value-at-Risk (VaR)-Modelle zurAnwendung, die Mitte der Neunziger-jahre im Bankensektor erstmals einge-setzt wurden und zur Messung kurz-fristiger Marktrisiken von Portfoliosdienen.

    KreditrisikoDas Kreditrisiko besteht grundsatzlichin der Gefahr, dass ein Vertragspart-ner seine Verpflichtungen nicht erful-len kann. Aber auch wenn der Ver-tragspartner seinen Verpflichtungennoch nachkommt, kann eine Ver-schlechterung seiner Schuldnerquali-tat zur Wertminderung der betrof-fenen Position fuhren. Demzufolgeentsteht einem Versicherungsunter-nehmen ein Kreditrisiko etwa im Ver-anlagungsbereich, wenn infolge vonveranderten wirtschaftspolitischenRahmenbedingungen die Kreditwur-

    1 Im Zusammenhang mit Versicherungen wird das Landerrisiko weiter definiert als ublicher Weise im Zusam-menhang mit dem Bankensektor.

    Systemrelevante Risikofaktorender Versicherungswirtschaftund Methoden zur Risikoeinscha tzung

    72 Finanzmarktstabilita tsbericht 6

  • digkeit von Finanzinstrumenten, dievon Versicherungen gehalten werden,abnimmt. Auch Hypothekendarlehensind mit einem Kreditrisiko behaftet,das mit hausinternen Rating- undBewertungsmethoden adaquat einge-schatzt werden muss.

    Bei der Absicherung gegen das Kre-ditrisiko gilt es fur Versicherungsun-ternehmen in erster Linie das Konzen-trationsrisiko (z.B.volumensmaig um-fangreiche Investition in dieselben Ver-anlagungskategorien,geringe Streuungim Portfolio) zu vermeiden und einegrotmogliche Diversifikation bei derVeranlagung anzustreben.

    Den bedeutendsten Risikofaktorstellen allerdings die Ruckversiche-rungen dar, namlich dann, wenn esden Ruckversicherern nicht moglichist, ihren Verpflichtungen gegenuberden Erstversicherungen nachzukom-men, da sie selbst mit finanziellenSchwierigkeiten konfrontiert sind.Weltweit sind rund 200 professionelleRuckversicherer tatig, zusatzlich beta-tigen sich zahlreiche Erstversichererauch als Ruckversicherer. Eine Ruck-versicherung ist die Versicherung derVersicherer. Durch die Ruckversiche-rung entlasten sich Erstversichererteilweise von ubernommenen Risiken,die ihre Kapazitat ubersteigen oder diesie aus anderen Grunden nicht alleinetragen wollen. Die Entlastung desErstversicherers bedeutet aber gleich-zeitig ein hoheres Gefahrenpotenzialfur den Ruckversicherer, insbesonderedeshalb, da Ruckversicherer vor allemKatastrophenrisiken und andere groeRisiken versichern. Aufgabe des Ruck-versicherers ist es daher, einerseits sei-nen Kunden die gewunschte Deckungzu bieten und andererseits sein eigenesRuckversicherungsportfolio derart zugestalten, dass ihm selbst ein versiche-rungstechnischer Ausgleich moglichist und er daruber hinaus auch

    Gewinne erzielt. Den Ausgleich derubernommenen Risiken erzielt derRuckversicherer, indem er internatio-nal und in mehreren Versicherungs-branchen tatig ist und indem er Risi-ken, die seine eigenen Kapazitatenubersteigen, ebenfalls ruckversichert.

    Als Erganzung zu den konventio-nellen Ruckversicherungsmethodenkommen auch so genannte Finite-Risk-Ruckversicherungskonzepte vermehrtzum Einsatz. Finite-Risk-Losungenverlagern den Schwerpunkt vom tra-ditionellen Risikotransfer zur Risiko-finanzierung, wobei der Versichertedas abzusichernde Risiko weitgehendselbst finanziert. Im Vordergrundsteht dabei der Risikoausgleich uberdie Zeit. Der Erstversicherer zahltuber mehrere Jahre gleichbleibendeBetrage in einen Fonds ein. Entspre-chend der Laufzeit und den eingezahl-ten Betragen wird so die gesamteDeckungssumme finanziert. DieseDeckungssumme steht dem Versi-cherten ab dem ersten Tag der Lauf-zeit in voller Hohe zur Absicherungbestimmter Risiken zur Verfugung.Damit wird zur Dampfung von Ver-sicherungszyklen beigetragen. DieWesensmerkmale der Finite-Risk-Losung liegen daher in der limitiertenRisikoubernahme durch den Ruckver-sicherer, der mehrjahrigen Vertrags-dauer und der expliziten Berucksich-tigung von kunftigen Kapitalanlage-ertragen bei der Preisgestaltung.

    LiquiditatsrisikoUnter Liquiditatsrisiko versteht mandas Risiko, Zahlungsverpflichtungennicht jederzeit nachkommen zu kon-nen, womit es in engem Zusammen-hang mit dem Marktrisiko steht. DieLiquiditat einer Vermogensveranla-gung definiert sich danach, wieschnell und in welchem Umfang sieaufgelost und in Barmittel umgewan-

    Systemrelevante Risikofaktorender Versicherungswirtschaft

    und Methoden zur Risikoeinscha tzung

    Finanzmarktstabilita tsbericht 6 73

  • delt werden kann. Die Konvertierbar-keit ist dabei von mehreren Faktorenabhangig, die das Ausma des Liquidi-tatsrisikos beeinflussen. Neben allge-meinen Marktbedingungen, die eineAuflosung zu ungunstigen Konditio-nen erforderlich machen, kann sichein unerwartetes Liquiditatserforder-nis auch infolge einer Verschlech-terung der Bonitatsbewertung desVersicherungsunternehmens durchRatingagenturen, einer (gerechtfer-tigten oder ungerechtfertigten)negativen Publicity oder infolge vonProblemfallen innerhalb der Ver-sicherungsbranche ergeben. Daruberhinaus konnen auch unternehmensin-terne Faktoren das Liquiditatsrisikobeeinflussen, wenn etwa eine kleineAnzahl von Kunden mit hohen Sum-men versichert ist, wenn auf Grundder Unternehmensgroe des Versi-cherers die Moglichkeiten des Zutrittszu den Kapitalmarkten begrenzt sindoder wenn unzureichende Vorkehrun-gen fur kurzfristige Kreditaufnahmengetroffen wurden (z. B. ein zu gerin-ger Kreditrahmen).

    Zur Absicherung des Liquiditats-risikos bedienen sich Versicherungenneben dem bereits erwahnten AssetLiability Management auch diverserHedging-Strategien.

    Operationales Risikound Sonstige RisikenDas operationale Risiko bezeichnetden potenziellen Eintritt von Verlus-ten als Folge unangemessenen Verhal-tens bzw. des Versagens von Mitarbei-tern oder des Managements, internerProzesse oder Systeme, Technologienoder als Folge externer Ereignisse.Zur Absicherungen derartiger Risikenwerden von den Versicherungsunter-nehmen standardmaige Risikomo-delle eingesetzt, die mit historischenDaten arbeiten.

    Unter Sonstige Risiken konnen alljene Risiken subsumiert werden, diekeiner der oben erwahnten Risikoka-tegorien zuordenbar sind. Dazu zah-len etwa rechtliche und regulatorischeRisiken, die sich infolge von A nderun-gen der gesetzlichen Rahmenbedin-gungen oder des aufsichtsrechtlichenUmfelds ergeben, sowie politischeRisiken. Da derartige Risiken vonden Versicherungsunternehmen kaumbeeinflussbar sind, sind sie auch nurschwer kontrollierbar. Eine Absiche-rung beschrankt sich groteils auflaufende Beobachtungen des Umfelds,in dem die Versicherungen agieren,sowie auf entsprechendes Lobbying.

    Methoden derRisikoeinscha tzungDer Kernkompetenz des Versiche-rungsgeschafts entsprechend habensich modellhafte Ansatze bei der Risi-koeinschatzung schon fruh auf denversicherungstechnischen Bereich kon-zentriert. Dokumentiert wird dieseEntwicklung beispielsweise durch dieEtablierung der Versicherungsmathe-matik an den Universitaten seit demBeginn des 20. Jahrhunderts. Diestochastischen Grundkonzepte diesermittlerweile eigenstandigen mathema-tischen Disziplin sind allerdings auchfur viele bei der Kapitalveranlagungauftretenden Risiken von fundamenta-ler Bedeutung. Dementsprechend gibtes zu gewissen Methoden der Risiko-einschatzung im versicherungstechni-schen Bereich ein Pendant im Bereichder Kapitalveranlagung. Als Beispielsei das kollektive Risikomodell ge-nannt, das zum einen auf der Model-lierung von Haufigkeit und Koinzi-denz von Schadensfallen und zumanderen auf der Modellierung vonSchadenshohen beruht. In Analogiedazu steht die Modellierung des Kre-ditrisikos von Kapitalveranlagungen

    Systemrelevante Risikofaktorender Versicherungswirtschaftund Methoden zur Risikoeinscha tzung

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  • mittels der statistischen Beschreibungder Anzahl von Kreditereignissen(Insolvenzen oder Herabs