Finnisches Schulsystem

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1. Einleitung Das an der nördlichen Peripherie Europas gelegene Finnland hat in den letzten acht Jahren in vielen Ländern der Welt große Aufmerksamkeit bei einer an Bildungsfragen interessierten Öffentlichkeit erregt. Ebenso haben Bildungsexperten, Politiker und Journalisten einen - zum Teil skeptischen, zum Teil neugierigen - Blick gen Norden gewagt, um Antworten auf die Frage zu erhalten, was wohl das „Geheimrezept“ des nordischen Bildungslandes ist. Das Interesse am finnischen Bildungswesen wurde vor allem durch die guten Gesamtergebnisse finnischer Schüler bei den von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführten PISA-Studien geweckt. In allen drei bisherigen Durchgängen des Programms für internationale Schulleistungsuntersuchung 1 , die zwischen 2000 und 2006 stattfanden, erhielt Finnland auf Grund seiner Gesamtpunktzahl einen ersten Rangplatz. Im Kontext dieser Ergebnisse war für mich eine Frage von besonderem Interesse und hat den Anstoß) zur hier vorliegenden Arbeit über das finnische Schulsystem gegeben: Welche Elemente und Faktoren vereinen sich in einem Schulsystem, das Schüler in so effektiver Weise zu fördern vermag, dass sie konstant internationale Spitzenleistungen in drei grundlegenden Kompetenzbereichen erzielen? In meiner Frage ist bereits vorausgesetzt, dass es nicht eine alleinige benennbare Ursache für den Erfolg geben kann, sondern dass bei komplexen Lern- und Bildungsprozessen viele Faktoren zusammen spielen. Im Laufe meiner Lektüre zum vorliegenden Thema wurde ich in meiner Ausgangsthese bestärkt, dass es wohl kein „Allgemeinrezept“ für ein gutes Schulsystem gibt, das einfach identifiziert und uneingeschränkt weiter empfohlen werden kann. Jedes Schulsystem steht in einem komplexen Verhältnis zu den sozialen und kulturellen Gegebenheiten des Landes, in dem es sich über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt hat. Kein Schulsystem kann daher ohne den Einbezug dieser komplexen Rahmenbedingungen angemessen verstanden oder mit anderen Systemen verglichen werden. Unterschiedliche historische Erfahrungen, geographische Bedingungen, Wertüberzeugungen, geistesgeschichtliche Entwicklungen, Bildungskonzepte sowie wirtschaftliche, politische und soziale Strukturen machen einen 1 Deutsch für: Programme for International Student Assessment (PISA). 1

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1. Einleitung

Das an der nördlichen Peripherie Europas gelegene Finnland hat in den letzten acht

Jahren in vielen Ländern der Welt große Aufmerksamkeit bei einer an Bildungsfragen

interessierten Öffentlichkeit erregt. Ebenso haben Bildungsexperten, Politiker und

Journalisten einen - zum Teil skeptischen, zum Teil neugierigen - Blick gen Norden

gewagt, um Antworten auf die Frage zu erhalten, was wohl das „Geheimrezept“ des

nordischen Bildungslandes ist. Das Interesse am finnischen Bildungswesen wurde vor

allem durch die guten Gesamtergebnisse finnischer Schüler bei den von der

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

durchgeführten PISA-Studien geweckt. In allen drei bisherigen Durchgängen des

Programms für internationale Schulleistungsuntersuchung1, die zwischen 2000 und

2006 stattfanden, erhielt Finnland auf Grund seiner Gesamtpunktzahl einen ersten

Rangplatz.

Im Kontext dieser Ergebnisse war für mich eine Frage von besonderem Interesse und

hat den Anstoß) zur hier vorliegenden Arbeit über das finnische Schulsystem gegeben:

Welche Elemente und Faktoren vereinen sich in einem Schulsystem, das Schüler in so

effektiver Weise zu fördern vermag, dass sie konstant internationale Spitzenleistungen

in drei grundlegenden Kompetenzbereichen erzielen? In meiner Frage ist bereits

vorausgesetzt, dass es nicht eine alleinige benennbare Ursache für den Erfolg geben

kann, sondern dass bei komplexen Lern- und Bildungsprozessen viele Faktoren

zusammen spielen. Im Laufe meiner Lektüre zum vorliegenden Thema wurde ich in

meiner Ausgangsthese bestärkt, dass es wohl kein „Allgemeinrezept“ für ein gutes

Schulsystem gibt, das einfach identifiziert und uneingeschränkt weiter empfohlen

werden kann. Jedes Schulsystem steht in einem komplexen Verhältnis zu den sozialen

und kulturellen Gegebenheiten des Landes, in dem es sich über einen langen Zeitraum

hinweg entwickelt hat. Kein Schulsystem kann daher ohne den Einbezug dieser

komplexen Rahmenbedingungen angemessen verstanden oder mit anderen Systemen

verglichen werden. Unterschiedliche historische Erfahrungen, geographische

Bedingungen, Wertüberzeugungen, geistesgeschichtliche Entwicklungen,

Bildungskonzepte sowie wirtschaftliche, politische und soziale Strukturen machen einen

1 Deutsch für: Programme for International Student Assessment (PISA).

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direkten Vergleich unterschiedlicher Schulsysteme zu einem methodisch

anspruchsvollen und aufwendigen Unternehmen. Ich habe aus diesem Grund in der

vorliegenden Arbeit bewusst davon abgesehen, das finnische Schulsystem einem

anderen System, wie etwa dem deutschen, gegenüber zu stellen. Nach meiner Ansicht

könnte eine vergleichende Untersuchung des vorliegenden Umfangs beiden Systemen

nicht gerecht werden.

Stattdessen habe ich eine Auswahl von aus meiner Sicht wesentlichen Elementen des

finnischen Schulsystems getroffen, die ich einer genaueren Untersuchung unterziehen

möchte. Bei dieser Auswahl waren mir vor allem zwei Gesichtspunkte wichtig. Ich

möchte zum einen durch die ausgewählten Elemente und ihr „Zusammenspiel“ einen

kohärenten Überblick über das finnische Schulwesen ermöglichen, der, wenn er auch

nicht alle Aspekte berücksichtigen kann, doch wenigstens die wichtigsten Eckpunkte

des Systems beleuchtet. Des weiteren ist es mir wichtig, diejenigen Elemente des

finnischen Schulsystems zu fokussieren, die in Finnland in einer Weise konzipiert und

umgesetzt werden, dass man davon in anderen Ländern lernen kann. Ich hoffe daher,

durch die vorliegende Arbeit Aspekte vertiefen zu können, die heute in der öffentlichen

Bildungsdiskussion keine oder nur wenig Beachtung finden. Dabei lege ich den

Schwerpunkt meiner Arbeit weniger auf die genaue Analyse und Diskussion der

Ergebnisse, die verschiedene nationale und internationale Studien zum finnischen

Bildungswesen hervorgebracht haben, sondern auf eine Untersuchung der möglichen

Ursachen für bestimmte positive Entwicklungstendenzen innerhalb des finnischen

Systems.

Wie sieht die Literaturlage zum vorliegenden Thema aus? Aktuelle Literatur zum

Schulsystem Finnlands ist, was verschiedene Sprachräume anbelangt, in äußerst

unterschiedlichem Maß verfügbar. Im deutschen Sprachraum scheint die

wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem finnischen Schulsystem erst in den

letzten drei bis vier Jahren etwas intensiver begonnen zu haben. Daher ist nur ein sehr

begrenzter Umfang an deutschsprachiger Literatur zum vorliegenden Thema verfügbar.

Der englische Sprachraum bietet dagegen eine etwas größere Fülle an

wissenschaftlichen Quellen. Es ist vor allem der starken Präsenz der finnischen

Bildungsbehörden im Internet geschuldet, dass englischsprachige Informationen und

Studien von Wissenschaftlern finnischer Universitäten zugänglich sind. Auffällig ist,

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dass es bisher kaum Gesamtdarstellungen des finnischen Schulsystems gibt. Der

Großteil der Literatur nimmt einzelne Aspekte in den Blick. Für den deutschen

Sprachraum wurden nach meiner Kenntnis bisher zwei Sammelbände finnischer

Autoren übersetzt, deren Einzelbeiträge sich zu einem Gesamtüberblick ergänzen. Das

ist zum einen das von Jukka Sarjala und Esko Häkli herausgegebene Buch „Jenseits

von PISA - Finnlands Schulsystem und seine neuesten Entwicklungen“ (2008), zum

anderen ein von Aila-Leena Matthies und Ehrenhard Skiera herausgegebener Band mit

dem Titel „Studien zum Bildungswesen und Schulsystem in Finnland“ (2008). Die

Finnen widmen ihrem eigenen Schulsystem in der Wissenschaft seit Jahrzehnten eine

beträchtliche Aufmerksamkeit, weshalb die meiste Literatur in Finnisch zu finden ist.

Diese ist jedoch für mich auf Grund der Sprachbarriere nicht nutzbar.

Ich möchte mich im 2. Kapitel dieser Arbeit der Frage nähern, wie sich Qualität im

Kontext von Bildung und Bildungssystemen überhaupt erfassen lässt. Da beispielsweise

Schulentwicklung und Qualitätsmanagement ohne genaue Qualitätskriterien nicht

möglich wären, ist die Frage, wie derartige Kriterien für eine hohe Qualität von

Bildungssystemen gewonnen werden. Eine Konzeptionalisierung des Qualitätsbegriffs

erscheint mir notwendig, da sich alle hier relevanten Untersuchungen und Diskussionen

zum finnischen Schulsystem letztendlich an der Kernfrage, orientieren, was eine „gute

Schule“ ausmacht.

Im 3. Kapitel soll der Kontext des finnischen Schulsystems untersucht werden. Dabei

möchte ich einen Überblick über die wichtigsten Eckpunkte der finnischen Geschichte

geben, die Entstehung der finnischen Identität skizzieren, geographische,

demographische und soziale Besonderheiten Finnlands aufzeigen und die Bedeutung

des finnischen Wohlfahrtsstaates für das Schulsystem untersuchen. Die Kenntnisse

dieser Rahmenbedingungen sind notwendig, um einige der grundlegenden Merkmale

des finnischen Schulsystems angemessen verstehen zu können.

Die Struktur des finnischen Schulsystems werde ich im 4. Kapitel dieser Arbeit

erläutern. Dabei beziehe ich die Vorschule mit ein, da sie spätestens seit Beginn dieses

Jahrtausends zu einem konstitutiven Bestandteil des finnischen Lern- und

Bildungsweges geworden ist. Die finnische Grundschule sowie die allgemein- und

berufsbildende Oberstufe werden vor allem in Bezug auf strukturelle und inhaltliche

Merkmale ihrer jeweiligen Ausbildungsprogramme untersucht werden.

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Zu den Besonderheiten des finnischen Bildungsmodells gehören die Struktur und die

Methode der Bildungssteuerung. In Kapitel 5 werden daher die beiden

Entscheidungsebenen des Schulsystems, die staatliche Ebene auf der einen, die Ebene

der Kommunen und Einzelschulen auf der anderen Seite, beleuchtet werden. Die

Prozesse der Dezentralisierung und Deregulierung, die das finnische Bildungswesen seit

den 80er Jahren geprägt haben, üben einen kaum zu unterschätzenden Einfluss auf alle

Elemente des Schulsystems aus. Ich möchte in diesem Kapitel der Frage nachgehen, in

wie weit die mit diesen Prozessen einhergehende Neuverteilung von

Verantwortlichkeiten eine neue Dynamik in die Entwicklung des finnischen

Schulsystems gebracht hat.

Das Prinzip der Chancengerechtigkeit bildet die Grundlage der finnischen

Bildungspolitik. In Kapitel 6 werde ich mich zunächst mit dem Prinzip der

Chancengerechtigkeit auf einer konzeptionellen Ebene auseinander setzen, um mich

anschließend den Fragen der Bedeutung und konkreten Realisierung dieses Prinzips im

Kontext des finnischen Schulsystems anzunähern.

Im 7. Kapitel werde ich an die zuvor geführten Untersuchungen anknüpfen, indem ich

frage, wie es in Finnland gelingt, hervorragende Gesamtleistungen bei gleichzeitigem

Bemühen um einen hohes Maß an Chancengerechtigkeit zu sichern. Das

Charakteristikum der finnischen Grundschule, eine „Schule für alle“ zu sein (und das

bis zum Abschluss der 9. Klasse) bringt große Herausforderungen mit sich. Wie können

Lehrer mit der großen Heterogenität finnischer Schulklassen umgehen? Wie können

Schüler mit großen Lernschwierigkeiten einerseits und Hochbegabte andererseits

gemeinsam lernen, ohne dass der eine oder der andere benachteiligt werden? Die

Antwort auf diese Herausforderung bildet in Finnland ein differenziertes Fördersystem,

das in diesem Kapitel erläutert werden wird.

Das 8. Kapitel widmet sich einem Aspekt der finnischen Schulkultur: dem Vertrauen.

Welche Rolle das Vertrauen auf allen Ebenen des Schulsystems spielt, zeigt das

besondere Verständnis, das in Finnland in Bezug auf die Funktion von

Leistungsüberprüfung herrscht. Ich werde zum einen das finnische Evaluationssystem

beleuchten, zum anderen den Umgang mit Bewertung im Unterricht thematisieren. Ein

weiterer wichtiger Aspekt der Kultur des Vertrauens, den ich untersuchen werde, ist der

Entscheidungsfreiraum, den die Akteure auf kommunaler und lokaler Ebene für die

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Page 5: Finnisches Schulsystem

Entwicklung spezifischer lokaler Curricula erhalten haben.

Im Folgenden, dem 9. Kapitel wird die finnische Lehrerausbildung und ihr Beitrag zur

Qualität des Schulsystems thematisiert. Ein besonderes Augenmerk werde ich auf das

Leitbild der Lehrerausbildung in Finnland legen: den Lehrer als „forschenden

Praktiker“. Es wird unter anderem der Frage nachgegangen, in wie weit dieses Leitbild

mit den besonderen Anforderungen des Lehrerberufs in Verbindung steht. Darüber

hinaus sollen Aufbau, Ziele und Inhalt des finnischen Klassenlehrerstudiums

exemplarisch dargestellt werden.

Das abschließende Kapitel dieser Arbeit widmet sich einem Aspekt, ohne welchen sich

die zuvor beschriebenen Elemente nicht in der Weise hätten heraus bilden können: der

allgemeine gesellschaftliche und politische Konsens zur finnischen Bildungsreform der

letzten vier Jahrzehnte. Ich werde versuchen zu erklären, warum in Finnland, trotz

zahlreicher Regierungswechsel, eine Kontinuität des politischen Willens existiert hat.

Das heutige Bildungssystem des PISA-Siegers Finnland ist das Produkt einer

40jährigen Bemühung um Effektivität und Chancengerechtigkeit, das ohne einen

kontinuierlichen politischen Willen nicht möglich gewesen wäre.

2. Qualität als Leitbegriff des Bildungsdiskurses

2.1. Was heißt „Qualität“ im Bildungswesen? Einführung in ein umstrittenes Konzept

Nach Ewald Terhart ist der Begriff der Qualität zu einem der „leitenden Begriffe

innerhalb des allgemeinen Bildungsdiskurses geworden“.2 Doch was bedeutet Qualität

im Bildungswesen? „Wer über Schulqualität redet, wer gar Schulqualität messen will“,

so schreibt Klaus-Jürgen Tillmann, „bewegt sich in einem schwierigen und komplexen

Feld, in dem eins auf jeden Fall falsch ist: schlichte Antworten und angeblich klare,

selbstverständliche Setzungen.“3 Es kann, wenn man dieser Aussage Recht gibt, auf

wenigen Seiten nicht gelingen, den vielfältigen Implikationen der Frage nach der

Qualität von Bildungssystemen gerecht zu werden. Deshalb möchte ich mich darauf

beschränken, einige Wege aufzuzeigen, über die man sich dem Thema der Qualität im

Bildungssystem, und damit auch der Frage der Qualitätsprüfung und -entwicklung

nähern kann.

2 Terhart (2000), S. 809.3 Tillmann (2001), S. 5.

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Im Alltag sprechen wir von „Qualität“, wenn wir normative Aussagen über etwas

machen möchten. Der lateinische Begriff „qualitas“ bedeutet jedoch zunächst nur

„Beschaffenheit“, „Merkmal“, „Eigenschaft“ oder „Zustand“.4 Wenn wir eine Sache als

„gut“ oder „qualitativ hochwertig“ bewerten, haben wir eine bestimmte Eigenschaft

oder Beschaffenheit im Sinn, durch die der betreffende Gegenstand eine Funktion oder

einen Zweck besonders gut erfüllen kann. Wer also beurteilen möchte, ob etwas „gut“

ist, d.h. Qualität besitzt, muss fragen: Gut für wen? Gut in Bezug auf welchen Zweck?

Der Begriff „Qualität“ drückt also zunächst nur aus, dass eine Unterscheidung zwischen

etwas Höherwertigem und etwas Minderwertigen getroffen werden kann.5 Woran man

den höheren oder geringeren Wert dieser Sache fest macht, auf welche Eigenschaften

oder Kombinationen von Eigenschaften es ankommt, ist mit dem Qualitätsbegriff per se

noch nicht gesagt, da es entscheidend vom Standpunkt und der Perspektive des

Beurteilers abhängt.6 Die Diskussion über die inhaltliche Dimension des

Qualitätsbegriffs setzt meist dort an, wo bereits bestimmte Zwecke und Ziele

vorausgesetzt sind. Die Institution Schule, deren (nicht alleiniger) Zweck es ist,

Menschen auf das gesellschaftliche Leben vorzubereiten, kann die Qualitätsfrage nicht

losgelöst von ihren Zwecken, so beispielsweise den Anforderungen, Normen und

Orientierungen der Gesellschaft beantworten, in der sie sich befindet und auf welche sie

junge Menschen vorbereitet. Außerdem erwarten Politiker, Eltern, Lehrer und Schüler

jeweils etwas anderes von einer „guten“ Schule.

In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Kataloge, die Merkmale von

„guten Schulen“ oder einem „guten Schulsystem“ auflisten.7 Die Tatsache, wie kontext-

und perspektivgebunden die Beurteilung von Schulqualität ist, zeigt sich daran, dass

diese Kataloge in vielen „Qualitätsmerkmalen“ - und vor allem in der Gewichtung der

Merkmale - voneinander abweichen und noch kein allgemein anerkannter Katalog

existiert, den man als Leitfaden für die Praxis einfach aufschlagen und befolgen könnte.

Die Relativität von Qualität in Bezug auf Ziele oder Zwecke und damit auch in Bezug

auf verschiedene Beurteilungsperspektiven darf in meinen Augen jedoch auf keinen Fall

mit „Beliebigkeit“ verwechselt werden. Ein ernsthafter Diskurs über Bildungsziele ist

4 Vgl.: Bezold (1996), S. 37.5 Vgl.: Fend (2000), S. 56.6 Vgl.: Knispel (2008), S. 17.7 Vgl. z. B.: Austin (1991), S. 50; Fend (1994), S. 18f.; Winkel (1994), S. 26 ff.; Haenisch (1994), S. 32

ff.; Posch/ Altrichter (2000), S. 3 ff.

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notwendig, bevor Aussagen über Qualität möglich werden. Damit muss man sich wohl

von dem Gedanken verabschieden, objektive, allgemein gültige Kriterien zu finden,

nach welchen man beurteilen kann, ob das finnische Schulsystem ein „qualitativ

hochwertiges“ Schulsystem ist. Es gilt vielmehr, das finnische Schulsystem auch in

seinem gesellschaftlichen Kontext zu verstehen und nationale Bildungsziele in Betracht

zu ziehen, um Qualität am Grad des Erreichens dieser Ziele zu beurteilen. Daher bin ich

der Ansicht, dass man aus PISA keine - oder zumindest keine unproblematischen -

Aussagen über die Qualität eines Schulsystems ableiten kann, da der internationale

Ländervergleich den Kontext und die Rahmenbedingungen der einzelnen Länder nicht

berücksichtigt.8 Wenn man aber davon ausgeht, dass das Hervorbringen guter mittlerer

Schülerleistungen im Bereich Lesefähigkeit, Mathematik, Naturwissenschaften oder

allgemeiner Problemlösefähigkeit wichtige Qualitätsmerkmale eines Schulsystems sind,

weil diese Kompetenzen für die gesellschaftliche Teilhabe der Schüler von

außerordentlichem Nutzen sind, kann Finnlands Schulsystem auf Grund seines

hervorragenden Abschneidens in der internationalen PISA-Vergleichsstudie von diesem

Blickpunkt her sicherlich als qualitativ hochwertig gelten.

2.2. Der mehrebenenanalytische Ansatz

In der heutigen Bildungsforschung hat sich jedoch die Sichtweise durchgesetzt, dass

Qualitätsprüfung und -sicherung auf mehreren Ebenen ansetzen muss. Der Blick auf die

erreichte Kompetenz würde hier, wie im Folgenden gezeigt werden soll, nicht genügen.

Einen solchen mehrebenenanalytischen Zugang zur Qualitätsfrage im Bildungswesen

hat Helmut Fend entwickelt.9 Fend geht davon aus, dass man das Gesamtsystem Schule

auf einer Makroebene, einer Mesoebene und eine Mikroebene untersuchen kann.10

Auf der Makroebene geht es vor allem um „bildungspolitische Entscheidungen zu

Bildungszielen und kulturellen Inhalten, die vermittelt werden sollen.“11 Die Mesoebene

entspricht der Einzelschule, in welcher die institutionellen Vorgaben mit Rücksicht auf

lokale Besonderheiten umgesetzt werden. Auf der Mikroebene, der Ebene des Unter-

8 Vgl.: Uphoff, Lisa (2004). Wir sind nicht Finnland - Kommentar. In: F.A.Z. Vom 21.12.2004.Online: http://www.finland.de/dfgnrw/dfg043a-pisa16.htm (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

9 Vgl.: Fend (2000), S. 56ff. 10 Vgl.: Galiläer (2005), S. 67.11 Fend (2006), S. 167.

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Qualitätskriterien nach Fend, mehrebenenanalytisch angeordnet

SYSTEMEBENE:

1. Effizienz und Leistungsfähigkeit 2. Sozialpolitische Verantwortbarkeit: Chancengleichheit3. Flexibilität der Schullaufbahngestaltung ◦ Lehrgangcharakter ◦ Kanon, Orientierungsbereiche ◦ Übersicht und Planungsvorgaben (kein Abschluss ohne Anschluss)

4. Versorgungsdichte Angebotsqualität und Ausstattung 5. Humanität: Regelung von Freiheiten, Beteiligungen und Verpflichtungen Überfachliche Wirkungen

SCHULEBENE:

- Pädagogisches Ethos des Kollegiums - Konfliktlösungsfähigkeit des Kollegiums- Arbeitsethos des Kollegiums - Qualitätsbewusstsein des Kollegiums in Bezug auf humanes Zusammenleben - Gestaltungswillen des Kollegiums - Außenpolitik der Schule: lokale Einbettung - Innenpolitik der Schule: Verwaltungseffizienz und soziale Integration

- Kinder- bzw. jugendspezifische Gestaltung des Schullebens - Leistungsniveau Erzieherisch relevante Erscheinungsformen in der Schülerschaft: ◦ Vandalismus und Aggression oder prosozialer Verhaltensstil und moralische Atmosphäre ◦ Schuldistanz oder Vertrauen der Schülerschaft ◦ Verschüchterungsgrad oder Offenheit der Schülerschaft

KLASSENEBENE:

- Leistungsniveau- Motivation und Leistungsbereitschaft- Gesprächsfähigkeit mit der Lehrerschaft - Distanz und Gleichgültigkeit in den Schüler- Lehrer-Beziehungen- Konformitätsdruck und Verschüchterung durch die Lehrerschaft- Verstrickungen mit einzelnen Lehrern - Ablehnung und Distanz

- Problembelastung: Disziplinprobleme, Rauchen, Alkoholkonsum, Delinquenzbelastung - Qualität der sozialen Beziehungen der Schüler untereinander: ◦ Konformitätszwang ◦ Rivalitätsgrad und Ostrazierungstendenzen ◦ Isolation oder Vercliquung ◦ Rohheit und Grobheit als informelle Erfolgswege

PERSONEBENE:

Lehrer:

- Kompetenzen - Mentalitäten und Weltbilder - Beziehungsmerkmale aus der Schülerperspektive: ◦ Ablehnung oder Distanz ◦ Angst und Furcht (machtorientierte Lehrer) ◦ Anomie (chaotische Lehrer) ◦ Hilflose Lehrer (Regelungsunfähigkeit)

Schüler:

- Kompetenzen - Mentalitäten - Leistungsbereitschaften und Arbeitshaltungen - Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein - Ich-Stärke - Soziale Integrationsfähigkeit und - Führungsfähigkeit - Verantwortungsbereitschaft und soziale Einsatzbereitschaft

Quelle: Fend, Helmut (2001): Qualität im Bildungswesen, S. 200f.

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richts, geschehen die Umdeutung, die Auswahl und das Arrangement der kulturellen

Inhalte für den Unterricht, (im günstigen Fall) mit Blick auf die einzelnen Schüler.12 Seit

sich in den 90er Jahren systemtheoretische, mehrebenenanalytische Ansätze mehr und

mehr durchgesetzt haben, ging man in der Forschungspraxis immer mehr dazu über,

nicht nur auf einzelne Aspekte zu fokussieren, sondern in mehrdimensionalen Analysen

zahlreiche Elemente und deren Verbindung zueinander zu untersuchen. In Verbindung

mit dem wachsenden Einbezug empirischer Forschung stellte dieser Ansatz eine

Erweiterung des Qualitätsverständnisses dar. Die obige Darstellung soll einen Überblick

über die Qualitätskriterien geben, die Helmut Fend den verschiedenen Ebenen des

„Gesamtsystems Schule“ zugeordnet hat. Der grundlegende Gedanke hierbei ist, dass

die Qualitätsfrage auf den verschiedenen Ebenen des Systems auf jeweils andere Weise

gestellt werden muss. Es sei angemerkt, dass Fend in dem folgenden Schema die oben

genannten drei Ebenen um die Ebene der Einzelpersonen erweitert.

Helmut Fends Modell kann als strukturbezogenes Modell bezeichnet werden, weil

Bildungsqualität auf unterschiedlich weit gefassten Strukturebenen oder -bereichen

untersucht wird. Die Übersicht soll helfen, die nachfolgenden Elemente des finnischen

Schulsystems in eine gedankliche Ordnung zu bringen. Es sei jedoch vorweg

genommen, das ich das Folgende nicht an diesem Modell "abarbeiten" möchte. Es soll

Orientierungshilfe sein und gleichzeitig bewusst machen, dass viele Komponenten des

Gesamtsystems hier ausgelassen werden müssen. Ich möchte nun zum Kontext des

finnischen Schulsystems kommen.

12 Eine mehrebenenanalytische Betrachtungsweise ist keine Selbstverständlichkeit, sondern stellt eineErweiterung des Qualitätsverständnisses dar, die sich in den 90er Jahren vollzogen hat. Bis dahinwurden im Qualitätsdiskurs einzelne Aspekte der Bildungssystems ins Zentrum der Aufmerksamkeitgerückt. Nach Hanna Kiper haben die folgenden Leitthemen die verschiedenen Jahrzehnte desQualitätsdiskurses geprägt: die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler in den 50er Jahren; dieOptimierung der Systemebene sowie die Realisierung von Chancengleichheit in den 70er Jahren; dieEntwicklung der Einzelschule in den 80er Jahren und schließlich die Qualität des Unterrichts in den90er Jahren. Vgl. Kiper (2001), S. 3.

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3. Der Kontext des finnischen Schulsystems

3.1. Eckpunkte der Geschichte Finnlands und finnische Identität

Finnland ist erst seit 1917 als unabhängiger Staat. Seine Lage zwischen Russland im

Osten und Schweden im Westen ließ das Land für sieben Jahrhunderte Spielball seiner

beiden Nachbarstaaten werden. Trotz dieser langen Zeit der Abhängigkeit konnte sich

seit dem 19. Jahrhundert eine finnische Identität herausbilden.13 Einige Eckdaten dieser

Entwicklung sollen hier kurz skizziert werden, um den Kontext des finnischen

Bildungswesens zu verdeutlichen.

Zwischen 1150 und 1200 kommt der größte Teil des heutigen Finnlands für rund 600

Jahre unter schwedischen Einfluss. Als in dieser Zeit der katholische Glaube durch die

Schweden von Westen her verbreitet wurde, wurden östliche Teile des heutigen

Finnlands durch die russisch-orthodoxe Kirche christianisiert. Im 16. Jahrhundert fand

schließlich eine Angliederung des gesamten heutigen Finnlands an das Schwedische

Königreich statt.14 Die kulturelle Eigenständigkeit der Finnen war in dieser Zeit sehr

eingeschränkt, was unter anderem daran abzulesen ist, dass Schwedisch offizielle

Landessprache blieb und unter der gebildeten Schicht nur einige, an der 1640

gegründeten Akademie Turku ausgebildete Geistliche Finnisch sprachen.15 Dennoch

existierte seit 1548 eine finnische Schriftsprache. In diesem Jahr übertrug der finnische

Reformator, der Bischof von Turku Mikael Agricola (1510-1557) das Neue Testament

ins Finnische.16 1809 wurde Finnland von Russland erobert und erhielt erstmals den

Status eines autonomen Großfürstentums. Helsinki wurde als Hauptstadt eingerichtet

und die 1640 in Turku gegründete Universität in die neue Hauptstadt verlegt. Das

Erwachen einer finnischen Nationalidentität kann in diese Zeit datiert werden.17 Zu

einem der wichtigsten Dokumente finnischer Identität gehört der Nationalepos Kalevala

der 1835 von Elias Lönnrot (1802-1884) publiziert wurde. Die den Finnen eigene

Wertschätzung für Bildung kann bis dahin zurück datiert werden. In den Erzählungen

des Kalevalas „kommt zum Ausdruck, dass die Macht des Wortes und des Wissens

stärker als die kriegerische Kraft ist.“18 Obwohl das Schwedische als offizielle

13 Vgl.: Bohn (2005), S. 151ff.; Militz (2002), S. 26 ff.14 Vgl.: Militz (2002), S. 12f.; Klinge (1995), S. 17ff.15 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S. 19.16 Vgl.: Bohn (2005), S. 104.17 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 38; Bohn (2005), S. 151ff.18 Sarjala/Häkli (2008), S. 14.

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Page 11: Finnisches Schulsystem

Landessprache beibehalten wurde, bemühte sich Johan Vilhelm Snellman (1806 - 1881),

Senator und Professor an der Universität Helsinki, erfolgreich um die Anerkennung des

Finnischen als offizieller Landessprache.19 Diese Zeit, in der erstmals eine finnische

Identität entstand, charakterisiert Armi Mikkola wie folgt: „Das nationale Erwachen

äußerte sich auf vielerlei Weise. Die finnische Sprache erhielt eine stärkere Stellung, das

Volksschulwesen wurde eingeführt, finnischsprachige Gymnasien nahmen den

Lehrbetrieb auf, die Frauenbewegung entstand und die finnische Kunst, Literatur und

Musik erlebten ihr 'goldenes Zeitalter'. So stärkte sich das Nationalbewusstsein der

Finnen. Der Schriftsteller Aleksis Kivi charakterisierte in seinen Werken erstmals das

finnische Volk.“20 Nach Einschätzung mancher Autoren ist die heutige, im weltweiten

Vergleich außergewöhnliche Lesebegeisterung der Finnen sowie das erstaunlich gut

ausgebaute Netz von Bibliotheken unter anderem auch die (indirekte) Folge dieser als

befreiend erlebten Zeit der kulturellen und sprachlichen Autonomie Finnlands.21 Das 20.

Jahrhundert brachte Finnland die vollständige politische Unabhängigkeit und die

Entwicklung von einem Agrarstaat zu einer modernen Dienstleistungs- und

Wissensgesellschaft. 1995 konnte Finnland, nachdem es zwei schwere Wirtschaftskrisen

bewältigt hat, in die Europäische Union aufgenommen werden.22

3.2. Geographische, demographische und soziale Besonderheiten Finnlands

Um den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand Finnlands

einordnen und verstehen zu können, genügt es nicht nur, einige geschichtliche

Entwicklungslinien zurück zu verfolgen. Ein Überblick über die Rahmenbedingungen,

unter denen Entwicklungen statt gefunden haben, ist für ein Verständnis aktueller

Zustände von ebenso großer Bedeutung.

Die geographischen Bedingungen Finnlands können in mancherlei Hinsicht als

„extrem“ bezeichnet werden. Finnland ist das sechstgrößte Land Europas und zählt zu

den nördlichsten Ländern der Erde. Da ein Viertel seiner 338 000 km2 großen Fläche

19 Vgl.: Militz (2002), S. 21.20 Sarjala/Häkli (2008), S. 20.21 In Finnland erscheinen die meisten Zeitungen pro Einwohner auf der Welt (Vgl.: Sarjala/Häkli (2008),

S. 15). Vgl. den folgenden Kommentar: „Die zu Zeiten des nationalen Erwachens entstandene Liebezur finnischen Sprache wirkt bis heute. Die Finnen lesen leidenschaftlich gern, in jedem noch sokleinen Ort findet sich eine Bibliothek.“ (Sarjala/Häkli (2008), S. 14).

22 Vgl.: Militz (2002), S. 31; Overesch (2007), S. 66.

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Page 12: Finnisches Schulsystem

oberhalb des Polarkreises liegt, kann Finnland in Relation zu seiner Gesamtfläche als

das nördlichste Land der Welt bezeichnet werden.23 Ungefähr vier Fünftel der finnischen

Landesfläche werden durch Seen und Wälder bedeckt. Die unwirtlichen

Naturverhältnisse, der Mangel an Bodenschätzen, politische und wirtschaftliche

Instabilitäten sowie Auswanderung haben dazu beigetragen, dass Finnland heute äußerst

dünn besiedelt ist. Obwohl die Fläche des Landes nur wenig kleiner als diejenige

Deutschlands ist, besitzt der 5,3-Millionen-Staat Finnland etwa 15,5 Mal weniger

Einwohner. In der nördlichen, sehr dünn besiedelten Provinz Lappland leben zirka 2,2

Einwohner pro km2, im industriell höher entwickelten Süden sind es dagegen

durchschnittlich 30 Einwohner pro km2.24 Erschwerend kommt hinzu, dass sich in

Finnland heute ein demographischer Wandel abzeichnet, der vor allem durch eine hohe

Abwanderung aus dem ohnehin dünn besiedelten Norden bewirkt wird. Da die Schulen,

welche durch die Kommunen getragen werden, ausschließlich von öffentlichen Geldern

(vor allem Steuereinnahmen) finanziert werden, kommt es in manchen, besonders von

Abwanderung betroffenen Gebieten zu Schwierigkeiten, die für eine optimale, anderen

Teilen des Landes gleichgestellte Schulbildung notwendigen Mittel aufzuwenden.25 Die

dünne Besiedlung großer Teile des Landes bringt für das Schulsystem auch andere

Herausforderungen mit sich, wie etwa sehr weite Schulwege oder extrem geringe

Schülerzahlen.26 Es ist sogar denkbar, dass ein mehrgliedriges Schulsystem unter diesen

Voraussetzungen nur sehr schwer zu realisieren wäre.

In Finnland existieren zahlreiche kleine Schulen, in denen zirka 20 Schüler von einem

einzigen Lehrer unterrichtet werden. In manchen abgelegenen Gebieten besteht heute

ein Mangel an Lehrern. Auf Grund ihrer geringen Größe haben einige Schulen nicht die

Möglichkeit, ein breites Angebot an Wahlfächern zu ermöglichen. Um das Angebot an

Kursen zu erweitern, wurden durch die finnische Regierung Projekte zum E-Learning

gefördert und virtuelle Schulen entwickelt.27 Die folgende Tabelle soll einen kurzen

Überblick über Schulgrößen in Finnland geben.

23 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 18; Sarjala/Häkli (2008), S. 15.24 http://finland.fi/netcomm/news/showarticle.asp?intNWSAID=25785&intSubArtID=14170

(Letzter Zugriff: 2.2.2009)25 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 21; Grubb/Jahr/Neumüller/Field (2005), S. 35.f.26 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 283.27 Vgl.: Tella/Tirri (1999), S. 46ff.

12

Page 13: Finnisches Schulsystem

Anzahl der Schulen entsprechend ihrer Größe, nach verschiedenen Schultypen geordnet

Größe der

Schule

Grundschulen allgemeinbildende

Gymnasien

berufsbildende

GymnasienKlassen 1-6 Klassen 7-9 Klassen 1-9

<19 Schüler 105 0 4 1 1

20–49 895 3 9 5 4

50–99 579 23 8 72 7

100–299 758 204 71 193 48

300–499 290 192 68 94 35

500–999 33 50 54 56 47

>1 000 0 0 1 7 38

Insgesamt 2660 472 215 428 180

Quelle: Ministry of Education (2007), S. 1028

Administrativ ist Finnland in sechs Provinzen und 415 Kommunen gegliedert, von

denen 113 städtisch sind. Die durchschnittliche Größe einer Kommune in Finnland

beträgt etwa 11000 Einwohner.29 Die Kommunen werden meist von einem

Kommunalrat geführt, an dem alle Parteien der Kommunalvertretung beteiligt sind. Die

gewählten Vertreter innerhalb der Kommunen sind in Finnland keine Berufspolitiker,

sondern gehen ihrem erlernten Beruf nach.30 Wie noch gezeigt werden wird, spielen die

Kommunen als administrative Einheiten eine zentrale Rolle bei der Organisation des

Schulwesens und dessen kontinuierlicher Weiterentwicklung. Die sechs

Provinzialverwaltungen Finnlands haben, anders als die Länderregierungen in

Deutschland, eine untergeordnete Rolle.

Finnlands Gesellschaft wird oft in Bezug auf ihre ethnische und kulturelle

Zusammensetzung als sehr homogen angesehen. Diese Einschätzung traf vor ca. 20

Jahren noch mehr zu als heute. Im Jahr 1990 betrug der Anteil an Migranten noch 0,5

%. Bis zum Jahr 2006 stieg er auf 2,3 %. Das ist, wenn man sich diese Zahl auf die

Gesamtheit des Landes verteilt vorstellt, kein besonders hoher Anteil. Da die meisten

Familien mit Migrationshintergrund jedoch in den großen Städten leben, gibt es

beispielsweise Schulen in manchen Stadtteilen Helsinkis, in denen über 30% der

Schüler Migranten sind. Die Mehrzahl von ihnen kommt aus Russland, Estland,

28 Bemerkung: Sonderschulen sind in der Statistik nicht enthalten29 http://www.stat.fi/til/vaerak/2007/vaerak_2007_2008-03-28_tie_001_en.html

(Letzter Zugriff: 2.2.2009)30 Vgl.: Sarjala/Häkli, S. 64.

13

Page 14: Finnisches Schulsystem

Somalien, Serbien und Montenegro und dem Irak.31

In Finnland gibt es zwei offizielle Landessprachen: Finnisch und Schwedisch. Für 93 %

der Finnen ist Finnisch die Muttersprache. Für die Schule ist die offizielle Bilingualität

Finnlands nicht mit der Konsequenz heterogener Schulklassen verbunden, da Finnen

und so genannte Finnland-Schweden in getrennten schulischen Einrichtungen

unterrichtet werden. Das weltweit von 23 Millionen Menschen gesprochene Finnisch

gehört gemeinsam mit Sami, Estnisch, Ungarisch, Mari und Mordwinisch zur kleinen

Sprachfamilie der finno-ugrischen Sprachen. Die Sprache gilt als schwer zu erlernen, da

neue Wörter durch das Erweitern eines Wortstammes um zahlreiche Suffixe gebildet

werden und so sehr viele Flexionsformen entstehen. Zudem kennt die finnische Sprache

14 Fälle. Deshalb legen die Finnen in der heutigen Zeit der Globalisierung besonders

viel Wert auf das Erlernen von Fremdsprachen. Dass Schüler drei bis vier

Fremdsprachen lernen, ist in Finnland die Regel.

Die schwedischsprachige Minderheit hat einen Anteil von ca. 5% der

Gesamtbevölkerung. Sie genießt das Recht, alle ihre öffentlichen Angelegenheiten auf

Schwedisch regeln zu dürfen. Alle finnischen Behörden arbeiten ohne Ausnahme

zweisprachig. Finnland hat außerdem ein eigenes schwedischsprachiges Schulsystem,

mit ca. 300 Grundschulen, 30 weiterführenden Schulen und einer Universität.32 Eine

weitere wichtige Minderheit des Landes sind die Samen, das indigene Volk des Landes.

Sie bewohnten das heutige Finnland, bevor die Vorfahren der heutigen Finnen vor ca.

9000 Jahren Finnland besiedelten und sie mehr und mehr nach Norden verdrängten.33

Heute beträgt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung allerdings nur 0,03 %.34 Auch wenn

ihre Sprache nicht zu den Amtssprachen Finnlands gehört, haben die Samen das Recht

auf Schulbildung in Samisch. Im Norden des Landes (Lappland) besitzen die Samen

eine beschränkte Selbstverwaltung mit einem Sami-Parlament.35

Eine dritte Minderheit Finnlands sind die Roma, deren Sprache ebenfalls keinen

offiziellen Status besitzt. Dennoch wird der Unterricht in Romani gefördert.36

31 Vgl.: http://finland.fi/netcomm/news/showarticle.asp?intNWSAID=25787 (Letzter Zugriff: 2.2.2009);Matthies/Skiera (2008), S. 266f.; Sarjala/Häkli (2008), S. 14 und S. 139.

32 Matthies/Skiera (2008), S. 280.33 Ebenda, S. 21.34 Militz (2002), S. 243.35 Sarjala/Häkli (2008), S. 13.36 National Board of Education (2003), S. 22.

14

Page 15: Finnisches Schulsystem

3.3. Die Rolle des finnischen Wohlfahrtsstaates

Ich möchte mich im folgenden Abschnitt den Besonderheiten des finnischen

Wohlfahrtsstaates widmen, da ich denke, dass finnische Schulpolitik erst im Hinblick

auf das gesamtstaatliche Wohlfahrtsmodell verständlich wird.

Die nordischen Länder Europas37 haben ein Modell staatlicher Wohlfahrt realisiert, das

sich in vielerlei Hinsicht von den Modellen anderer europäischer und außereuropäischer

Staaten unterscheidet. Der dänische Soziologe Gøsta Esping-Anderson hat in seinem

Buch „The three worlds of welfare capitalism (1990)“ 38 eine interessante Typologie von

wohlfahrtsstaatlichen Systemen entwickelt, die helfen kann, das nordische Modell

genauer einzuordnen und zu bestimmen.39 Nach Esping-Anderson wird der

skandinavische Wohlfahrtsstaat durch einen ausgeprägten „sozialdemokratischen“

Ansatz bestimmt. Er lässt sich von anderen Wohlfahrtsstaatsmodellen, wie dem

liberalen (z.B. USA, Großbritannien), dem konservativen (z.B. Deutschland, Schweiz,

Österreich) und dem so genannten „Latin Rim“-Modell (z.B. Spanien, Italien, Irland)

abgrenzen.40 Im Folgenden möchte ich jedoch keine Gegenüberstellung der vier

genannten Modelle vornehmen, sondern diejenigen Aspekte des finnischen

Wohlfahrtsstaates (als Repräsentant des nordischen Modells) zusammen tragen, die

einen direkten Einfluss auf das finnische Bildungswesen haben.

Zu den leitenden Prinzipien des nordischen Wohlfahrtsstaates gehört die Universalität

der sozialen Leistungen. Das bedeutet, dass jeder Bürger, unabhängig von vorherigen

Beitragszahlungen, geleisteter Erwerbsarbeit oder geprüfter Bedürftigkeit, einen

gleichen Anspruch auf eine (am durchschnittlichen Wohlstandsniveau orientierte)

soziale Grundsicherung hat. Auch die Bildung wird in Finnland im größeren Kontext

des sozialstaatlichen Aufgabenbereichs betrachtet. Aila-Leena Matthies schreibt, dass

die Bildungspolitik in Finnland, eine der zentralsten Aufgaben des finnischen Staates,

„disziplinär als ein Bestandteil der Sozialpolitik- bzw. Gesellschaftspolitik aufgefasst“

37 Gemeint sind: Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark und Island.38 Esping-Andersen, Gøsta: The three worlds of welfare capitalism, Cambridge: Polity Press, 1990.39 Ich weiche hier etwas von Esping-Andersens Terminologie ab. Er bezieht sich nicht auf „Systeme“,

sondern auf unterschiedliche „Regime“.40 Das Latin-Rim-Modell gehört nicht in die Typologie Esping-Andersens. Leibfried (1992) fügt dieses

den drei wohlfahrtsstaatlichen Typen Esping-Andersens hinzu.

15

Page 16: Finnisches Schulsystem

wird.41 In der vorliegenden Arbeit wird sich zeigen, wie grundlegend das sozialstaatliche

Prinzip der Universalität für den Bereich der schulischen Bildung ist. Die

Gewährleistung eines mittleren Bildungsniveaus für alle, unabhängig von sozialer

Herkunft, Geschlecht, wirtschaftlichen Voraussetzungen und beruflicher Aspiration der

Schüler, gilt als zentrales Ziel des finnischen Staates und wird in Kapitel 4.2. näher

behandelt werden.42

Ein weiteres Kennzeichen der Familienpolitik des nordischen Wohlfahrtsstaates ist die

Individualität der sozialen Leistungen. Von Geburt an wird jeder Finne und jede Finnin

im sozialen Sicherungssystem als Individuum, nicht als Familienmitglied, erfasst.43 „Die

Sozialversicherung“, so schreibt Matthies, „richtet sich also nicht an das

Familienoberhaupt oder den Hauptverdiener, sondern geht im Prinzip von einer

gleichmäßigen Arbeitsmarktbeteiligung beider Geschlechter aus (sog.

Doppelkarrierefamilien).“44 Für das Bildungssystem bedeutet dieses so genannte

Zweiernährer-Modell, dass Jungen und Mädchen auf allen Bildungsniveaus die gleiche

Förderung zu Teil werden soll, da beide Geschlechter unabhängige, zukünftige Ernährer

der Familie werden sollen. Tatsächlich haben Frauen in Finnland eine Beteiligung von

47% am Arbeitsmarkt, wobei die Mehrheit eine Vollzeitbeschäftigung hat. Was das

Niveau der Qualifikationen anbelangt, so sind finnische Frauen ihren männlichen

Landsleuten sogar voraus.45 Eine weitere Konsequenz dieses Individualitätsansatzes ist,

dass jedes Kind mit Vollendung seines 18. Lebensjahres einen vollen Anspruch auf

soziale Leistungen erhält, so dass es von da an finanziell unabhängig von seiner Familie

leben kann. Das finnische Zwei-Ernährer-Modell ist ebenso mit der Aufgabe verbunden,

öffentliche Betreuungsangebote für Kinder zu schaffen.

Das dritte wesentliche Charakteristikum des wohlfahrtsstaatlichen Systems in den

skandinavischen Ländern ist der geringe Umfang, in dem sich soziale Dienstleistungen

in der Verantwortung privater Trägerschaft befinden. Nahezu alle sozialen

Einrichtungen sowie auch die Bildungsinstitutionen liegen in den Händen der

Kommunen. Dadurch wird eine einfachere und kontinuierliche Zusammenarbeit der

verschiedenen Bereiche (Gesundheit, Sozial- und Jugendarbeit, Kinderbetreuung,

41 Matthies/ Ehrenhard (2008), S. 3242 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 60.43 Matthies/ Ehrenhard (2008), S. 32.44 Ebenda.45 Ebenda, S. 33.

16

Page 17: Finnisches Schulsystem

Beratungsstellen aller Art etc.) ermöglicht. Das Management der

Dienstleistungsbereiche ist größtenteils dezentralisiert, so dass auf einer sehr

überschaubaren Ebene (z.B. Stadtteil) zusammen gearbeitet werden kann. Die

Erleichterung, welche dies in der Praxis bringen kann, beschreibt Aila-Leena Matthies

sehr anschaulich. „Die einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit auf der Ebene der

'Street-level' - MitarbeiterInnen benötigen keine Einhaltung von hierarchischen

Dienstwegen oder Kooperationsverträgen zwischen den diversen Trägern. Im Idealfall

konsultieren Eltern den Kinderarzt des Gesundheitsamtes, die Psychologin der

Erziehungsberatungsstelle, die Logopädin der Kindervorsorge- und Beratungsstelle, die

Kindergärtnerin oder die Mitarbeiterin der sozialpädagogischen Familienhilfe bei

Bedarf die Klassenlehrerin oder sie sitzen in einem fallbezogenen multiprofessionellen

Team zusammen, um mit den Eltern die Entwicklung des Kindes zu begleiten und

individuelle Problemlösungen zu suchen oder um die aktuelle sozialräumliche

Problemlage zu erörtern.“46

Zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände (NGO's) spielen nach Matthies in

den skandinavischen Gesellschaften für den sozialen Dienstleistungssektor nur eine

„ergänzende“ Rolle. Sie übernehmen vielmehr die Aufgabe, „Interessenorganisationen

ihrer Mitglieder“ oder auch „Expertenorganisation für die Entwicklung neuer

Lösungsmodelle“ zu sein.47

Ein letzter Aspekt des nordischen Wohlfahrtsstaatsmodells, der auch für diese Arbeit

von Bedeutung sein wird, ist die Akademisierung der Berufe im sozialen und

pädagogischen Bereich. Dass BeraterInnen, ErzieherInnen oder KindergärtnerInnen

nicht nur eine berufliche Ausbildung oder ein Fachhochschulstudium, sondern ein

höheres universitäres Studium absolviert haben, hat höchstwahrscheinlich sowohl auf

die Qualität der Arbeit als auch auf das gesellschaftliche Ansehen, welches die Berufe

genießen, eine Wirkung.48

Durch das hier skizzierte Wohlfahrtsstaatsmodell, ist es Finnland gelungen, einen

beachtlichen sozialen Ausgleich innerhalb der gesamten Gesellschaft zu schaffen. Die

Armutsrate Finnlands gehört zu den niedrigsten innerhalb der OECD-Länder. Auch die

46 In: Wetzel (2006), S. 146.47 Ebenda48 Ebenda, S. 147.

17

Page 18: Finnisches Schulsystem

Verteilung der Einkommen kann als gerecht eingeschätzt werden.49

Der hier vorgestellte Kontext des finnischen Schulsystems soll helfen, das Folgende

besser einordnen zu können. Ich möchte mit der Struktur des finnischen Schulsystems

beginnen.

4. Die Struktur des finnischen Schulsystems

Das gesamte finnische Bildungswesen ist nach Ehrenhard Skiera „ein hoch integriertes

System“50. Er schreibt dazu: Dem finnischen Schulsystem „liegt die

gesellschaftspolitische Intention zu Grunde, allen Kindern und Jugendlichen optimale

Entwicklungs- und Bildungschancen (horizontale Integration) und einen durch die

Stufen hin kontinuierlichen Bildungsweg (vertikale Integration) zu ermöglichen.“51 Die

finnische Bildungsplanung bemüht sich darum, dass die Ziele und Inhalte des

Unterrichts von der Vorschule bis zur Reifeprüfung ein Kontinuum bilden, nicht nur von

einer Klasse zu nächsten, sondern auch über die Schulformen hinweg.52

4.1. Vorschulunterricht (esikoulu)

Die finnischen Kommunen sind seit dem 1. August 2001 per Gesetz verpflichtet, jedem

Kind einen kostenfreien, einjährigen Vorschulunterricht (esikoulu) zu garantieren.53

Obwohl der Vorschulunterricht ein freiwilliges Angebot darstellt, wurde er im Jahr 2006

von 97,9% der Sechsjährigen in Anspruch genommen.54 Die Kommunen entscheiden

darüber, wo der Vorschulunterricht angeboten wird - ob in Kindertagesstätten, speziellen

Vorschulklassen innerhalb der Peruskoulu oder in einer anderen Institution. 90% des

finnischen Vorschulunterichts findet allerdings in Kindertagesstätten statt und untersteht

damit dem „Ministerium für Soziale Angelegenheiten und Gesundheit“. Die verblei-49 Der Gini-Koeffizient Finnlands betrug 0,269 im Jahr 2000. Der Gini-Koeffizient gibt an, wie das

Einkommen in einer Gesellschaft verteilt ist. Er kann einen Wert zwischen 0 (= vollkommeneGleichverteilung der Einkommen) und 100 (vollkommene Ungleichheit: das gesamte Einkommengeht an den Teil der Bevölkerung, der das meiste hat) annehmen. Vgl.: Field/Kuczera/Pont (2007), S. 30

50 Matthies/Skiera (2008), S. 126.51 Ebenda.52 Vgl.: Sarjala/Häkli (2006), S. 60.53 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 161.54 Vgl.: Directorate-General for Education and Culture, Eurydice, S. 42,

Bemerkung: In den Jahren 2003 und 2004 waren es nahezu 100 %.

18

Page 19: Finnisches Schulsystem

Abbildung: Der Aufbau der Finnischen Schulsystems

Quelle: http://www.cedefop.europa.eu/etv/Upload/Information_resources/

Bookshop/436/5171_de.pdf, S.30(Letzter Zugriff: 2.2.2009)

benden 10% des Vorschulunterrichts werden in den Grundschulen organisiert und liegen

damit in der Verantwortung des „Ministeriums für Bildung“.55 Wenngleich die

Beteiligung der Sechsjährigen am Vorschulunterricht nahezu universal ist, folgt

55 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 161.

19

Page 20: Finnisches Schulsystem

Finnland noch nicht dem europäischen Trend, die Vorschulerziehung für alle jüngeren

Kinder 2-3 Jahre früher einsetzen zu lassen.56

Seit dem Jahr 2000 existiert ein nationales Rahmencurriculum für den

Vorschulunterricht, das in enger Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für

Bildung, dem Ministerium für Soziale Angelegenheiten und Gesundheit, dem nationalen

Forschungs- und Entwicklungszentrum für Wohlfahrt und Gesundheit (STAKES), dem

Verband der Städte, Gemeinden und Regionen Finnlands, der Lehrergewerkschaft OAJ,

dem Verband finnischer Buchverlage und den lokalen Behörden und ihren

Kindertagesstätten und Schulen entwickelt wurde.57 Auf der Grundlage dieser Vorgabe

obliegt es den Kommunen, ein angepasstes und ausdifferenziertes Vorschulcurriculum

aufzustellen und für die Umsetzung desselben zu sorgen. Im Zentrum des finnischen

Vorschulunterrichts steht die Individualität des Kindes. Ein Blick die Rahmenrichtlinien

zeigt, dass nicht die Vermittlung kognitiver Fähigkeiten das vorrangige Ziel des

Vorschulunterrichtes ist, sondern eine ausgewogene Entwicklung aller Aspekte der

kindlichen Persönlichkeit.58

„Die Rolle der Vorschulerziehung besteht darin, Kinder in ihrer Entwicklung zu

Mitgliedern der Gesellschaft zu fördern, indem sie an verantwortungsvolles Handeln,

Beachtung allgemein anerkannter Regeln und Wertschätzung anderer herangeführt

werden. Die zentrale Rolle der Vorschulerziehung soll in der Förderung der günstigsten

Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten für die Kinder liegen. Sie soll deren körperliche,

seelische, soziale, kognitive und emotionale Entwicklung unterstützen und überwachen

und jedwede möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten verhindern.“59 Die

Entwicklung der Kinder soll genau beobachtet und dokumentiert werden. Dazu dienen

Portfolios oder so genannte „folders of growth.“60

In der Vorschule existiert noch keine strikte Trennung von Unterrichtsfächern.

Stattdessen werden die Kinder an verschiedene Lernfelder heran geführt. Die sieben in

den Rahmenrichtlinien enthaltenen Lernfelder sind: Sprache und Interaktion,

Mathematik, Ethik und Philosophie, Umwelt- und Naturunterricht, Gesundheit,

56 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 110.57 Vgl.: Directorate-General for Education and Culture, Eurydice, S. 36.58 Vgl.: National Board of Education (2000), National core curriculum for pre-school education in

Finland. Helsinki: Ministry of Education; Sarjala/Häkli (2007), S. 68f.59 Ebenda, S. 4.60 Linnakylä (2004), S. 212.

20

Page 21: Finnisches Schulsystem

physische und motorische Entwicklung sowie Kunst und Kultur.61

Eine äußerst wichtige Aufgabe erfüllt der Vorschulunterricht für Kinder aus Familien

mit Migrationshintergrund. Diese erhalten 20 Stunden Finnisch pro Woche, so dass sie

die erste Klasse mit ähnlichen Chancen wie ihre einheimischen Altersgenossen

beginnen können.62 Zum Ende des Vorschulunterrichtes können etwa 50 % der Schüler

lesen.63

4.2. Ein gemeinsamer Lernweg: Die finnische Grundschule (Peruskoulu)

In Finnland gibt es keine allgemeine Schulpflicht, dafür jedoch eine Lernpflicht. Im

Grundschulgesetz von 1998 heißt es: „A child of compulsory school age must attend

basic education (…) or otherwise obtain knowledge corresponding to the basic

education syllabus“.64 Für die Schüler bedeutet dies, dass sie von Seiten der Schule als

Institution keinen Zwang verspüren müssen. Sollte ein Kind zu irgendeinem Zeitpunkt

einen alternativen Lernweg außerhalb der Regelschule wählen, so sind die Kommunen

verpflichtet, diesen regelmäßig zu überprüfen. In der Praxis ist der Anteil derer, die

alternativ lernen, verschwindend gering. Nahezu jedes Kind erhält zwischen seinem 7.

und 16. Lebensjahr eine neun Jahre währende Grundbildung an einer finnischen

Grundschule. Im europäischen Vergleich beginnen die finnischen Schüler die

Grundschule relativ spät: in der Regel mit dem siebten Lebensjahr. Das ist im Vergleich

etwa 1 – 3 Jahre später als viele Kinder in anderen europäischen Staaten.65. Dahinter

steht die Idee des „smooth schooling“.

Als beendet gilt die Lernpflicht, wenn der Lehrplan der Grundschule absolviert wurde.

Im Fall, dass ein Schüler seine Endnoten aufbessern möchte oder mehr Zeit für die

Bewältigung des Lehrplanes benötigt, kann ein 10. Jahr angeschlossen werden. 2 % der

Schüler eines Jahrgangs nehmen diese Möglichkeit in Anspruch. Bei schweren

Behinderungen kann die Schulpflicht auch ein Jahr früher einsetzen, so dass insgesamt

11 Jahre in der Grundschule gelernt werden darf.66

61 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 133.62 Domisch (2004), S. 47.63 Ebenda64 Ministry of Education (2004a), S. 11.65 In Nordirland beispielsweise werden die Kinder im 4. Lebensjahr, in Großbritannien und den

Niederlanden zum 5. Lebensjahr eingeschult. Vgl.: Field/Kuczera/Pont (2007), S. 47f.66 European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 170.

21

Page 22: Finnisches Schulsystem

Grundlegend für die finnische Grundschule ist, dass alle Ressourcen, die zu einem

optimalen Lernen notwendig ist, kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Damit soll

jeder nicht nur unbeschränkte Zugangsmöglichkeiten zur Schule, sondern auch gleiche

Chancen während des gesamten Lernprozesses erhalten. Jedes Kind hat in Finnland

einen gesetzlichen Anspruch auf ein kostenloses Jahr des Vorschulunterrichts, auf freie

Schulwahl, kostenlose Schulbücher, Lernmaterialien und Schulausrüstung, auf

kontinuierliche Schul- und Lernberatung, kostenfreien Schultransport für Schulwege,

die schwierig, gefährlich oder länger als 5 km sind, auf Förderunterricht, eine

ausgewogene, gesunde Mahlzeit an allen Schultagen und sogar betreute Aktivitäten in

den Wartezeiten auf den Schulbus. Kostenfreie Unterbringung im Internat sowie die

staatlich Übernahme von Fahrtkosten an Wochenenden und in den Ferien stehen

Schülern zu, die aus den verschiedensten Gründen am Schulort wohnen müssen.

Außerdem werden jedem Schüler der Peruskoulu eine kostenfreie Gesundheitsfürsorge

und Maßnahmen zur Bewältigung psychischer oder sozialer Belastungen bereitgestellt.

Ein wichtiges Ziel stellt in Finnland die Schaffung eines „sicheren Lernumfeldes“ dar,

das Schülern eine gesunde Entwicklung ermöglicht. Zu diesem Zweck fordert das

Bildungsministerium Kommunen und Schulen auf, einen Plan zu erstellen, der den

Schutz der Schüler vor Gewalt, Mobbing und Schikanierung gewährleisten soll. Dieser

Plan soll in Zusammenhang mit der Erstellung des Curriculums entwickelt, umgesetzt

und evaluiert werden.67

Im Folgenden möchte ich einiges zur Struktur der Grundschulbildung in Finnland

erläutern. Der finnische Ausdruck für Grundschule lautet, wie oben schon erwähnt,

„Peruskoulu“. Oft wird zur Übersetzung der deutsche Begriff „Gesamtschule“

gebraucht, was jedoch irreführend ist, da die finnische Peruskoulu mit Modellen wie

beispielsweise der Integrierten Gesamtschule in Nordrheinwestfalen nicht viel gemein

hat. Die Peruskoulu wurde geschaffen um allen Kindern Finnlands einen gemeinsamen

schulischen Lern- und Bildungsweg zu ermöglichen, da „alle Mitglieder der

Gesellschaft in der Zukunft eine gleich lange und mit hauptsächlich gleichen

Lerninhalten besetzte Grundbildung benötigen werden, unabhängig davon, in welchen

Teilen des Landes sie wohnen, aus welcher Art von Elternhaus und Umfeld sie kommen

67 Vgl.: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 18;Sarjala/Häkli (2008), S. 62f.; Grubb/Field/Jahr/Neumüller (2005), S.27; 40f.; Zentralamt fürUnterrichtswesen (2004c), S. 19f.

22

Page 23: Finnisches Schulsystem

und in welchen Aufgaben sie später ihren Platz in der Gesellschaft finden werden“68

Auch jedem Kind mit besonderen Lernbedürfnissen steht die finnische Grundschule

offen. Gesetzlich verankertes Ziel der Peruskoulu ist es, „die Entwicklung der Schüler

zu humanen und ethisch verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu fördern

und ihnen das im Leben notwendige Wissen und entsprechende Fähigkeiten zu

vermitteln.“69

In den ersten sechs Jahren der Peruskoulu werden die Schüler in nahezu allen Fächern

von einem Klassenlehrer unterrichtet. Die Aufgabe des Klassenlehrers erstreckt sich

neben der Vermittlung von basalen Kenntnissen und Kompetenzen auch auf die

Förderung einer optimalen Persönlichkeitsentwicklung der Schüler.70 Zu diesem

wichtigen Zweck steht ihm ein Team von Experten zur Seite, was jedoch in Kapitel 7.1.

genauer untersucht werden soll. In den Klassen 7-9 übernehmen die Fachlehrer den

Unterricht. Die frühere Unterscheidung einer sechsjährigen Grundstufe (ala-aste) und

einer dreijährigen Oberstufe (ylä-aste) innerhalb der peruskoulu wurde gänzlich

aufgehoben, da die Peruskoulu sowohl vom Aspekt des Unterrichts als auch in Bezug

auf ihre Verwaltung eine Einheit bildet.71 Einige hundert kleine Dorfschulen

beherbergen jedoch nur die 1. - 6. Klasse, weshalb die Schüler ab der 7. Klasse in eine

größere, außerhalb der Dörfer gelegene Grundschule wechseln müssen. Am Ende der

neunjährigen Gesamtschulzeit steht keine Abschlussprüfung. Die Schüler erhalten

lediglich ein Abschlusszeugnis mit ihren Noten, mit welchem sie sich für

weiterführende Bildungswege bewerben. Nur ein verschwindend kleiner Teil der

Schüler bricht die Peruskoulu vor Beendigung der 9. Klasse ab. 99,7 % einer

Altersgruppe beenden die Grundschulbildung erfolgreich.72

Der Fächerkanon, der in der finnischen Grundschule unterrichtet wird, unterscheidet

sich wohl kaum von dem anderer europäischer Schulen.73 Festgelegt werden die Fächer

und ihr jeweiliges Mindestkontingent an Unterrichtsstunden auf nationaler Ebene. Den

Kommunen bleibt die Freiheit, die Stundenanzahl ausgewählter Fächer je nach

Schwerpunktsetzung zu erhöhen oder zusätzliche Wahlfächer einzuführen. Das

68 Matthies/Skiera (2008), S. 144.69 Vgl.: Ministry of Education (2004a), S. 1.70 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 179.71 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 125.72 Vgl.: Klieme (2007), S. 50.73 Das einzige Fach, das in einem gewissen Sinn als außergewöhnlich gelten kann, ist die vor ein paar

Jahren eingeführte „Gesundheitslehre“.

23

Page 24: Finnisches Schulsystem

Curriculum enthält die folgenden Unterrichtsfächer: Muttersprache und Literatur,

zweite Landessprache, erste Fremdsprache, Umweltkunde, Gesundheitslehre, Religion

oder Weltanschauungskunde (Ethik), Geschichte, Sozialkunde, Mathematik, Physik,

Chemie, Biologie, Geographie, Sport, Musik, Kunst, Handarbeiten und

Hauswirtschaftslehre.74

Außerdem gibt es sechs Themenfelder, die während der gesamten Schulzeit über die

Grenzen der einzelnen Unterrichtfächer hinweg umgesetzt werden sollen. Diese sind 1)

Humanes und ethisches Wachstum des Menschen; 2) Kulturelle Identität und

interkulturelle Kompetenz; 3) Kommunikation und Medien; 4) Bürgerschaftliches

Engagement und Unternehmertum; 5) Verantwortung für die Umwelt, menschliches

Wohlergehen und eine nachhaltige Zukunft; 6) Sicherheit und Verkehr.75

Den Schulen ist freigestellt, ob sie einen festen Stundenplan für das gesamte Schuljahr

erstellen oder ob sie den Plan im Fünf- bis Sechs-Wochen-Rhythmus wechseln lassen,

so dass in verschiedenen Abschnitten des Schuljahres jeweils andere Fächer mehr

Intensität bekommen.

4.3. Weiterführender Unterricht: allgemeinbildende und berufsbildende Schulen

Das finnische Schulsystem bietet nach Beendigung der allgemeinen Lernpflicht zwei

verschiedene weiterführende Bildungswege an: das allgemeinbildende Gymnasium

(lukio) und die berufsbildende Oberstufe (ammattikoulu). Ziel ist es, weiterführende

Bildungswege für alle Schüler offen zu halten, statt sie einem Teil der Schülerschaft

durch zu frühe Selektion zu versperren.76 Das ist in Finnland in Bezug auf die soziale

Gerechtigkeit besonders wichtig, da Schüler, die lediglich die neunjährige Peruskoulu

absolviert haben, schlechte berufliche Zukunftsaussichten haben. Die Ausbildung in der

gymnasialen Oberstufe ist in Finnland auch für Erwachsene möglich, wobei der

Umfang und der konkrete Zeitplan der Ausbildung mit der jeweiligen Lebenssituation

abgestimmt werden kann.

Die Idee einer einheitlichen Oberstufenausbildung wurde in Finnland oft diskutiert,

setzte sich politisch jedoch nicht durch.77 Trotz der institutionellen Trennung der beiden

74 Vgl.: National Board of Education (2004), S. 42ff.75 Vgl.: Ebenda, S. 36ff.76 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S. 155.77 Vgl.: Matthies/Skiera (2008) , S. 182; Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 69ff.

24

Page 25: Finnisches Schulsystem

Bildungswege wurden Verbindungen zwischen ihnen geschaffen, um Sackgassen in den

Schülerbiographien zu vermeiden. So kann man durch den Abschluss einer

berufsbildenden Schule die Hochschulreife, und damit die Möglichkeit (nicht die

Garantie), an einer Universität zu studieren, erlangen. In der Praxis finden solche

Übergänge jedoch wenig statt, so dass in der Regel die Abschlussprüfung an einem

allgemeinbildenden Gymnasium zum Universitätsstudium, der Abschluss einer

berufsbildenden Schule zu einem Fachhochschulstudium führt.78 Zirka 95% der Schüler

eines Jahrgangs beginnen die Sekundarstufe II, 82 % von ihnen beenden sie.79 Daran

wird deutlich, dass die Abbrecherquote in der Sekundarstufe II im Vergleich zur

Peruskoulu deutlich höher ist.80

51 % der Schüler besuchen die allgemeinbildende Schule, nur 40 % wählen den

berufsbildenden Bildungsweg (siehe Graphik).81

Quelle: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 55

In den davor liegenden Jahren war der Anteil der Schüler, die ihren Bildungsweg auf

einem allgemeinbildenden Gymnasium fortsetzten, noch größer. Ehrenhard Skiera

78 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 126.79 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 163.80 Bemerkung: Davon sind besonders die berufsbildenden Schulen betroffen.81 Vgl.: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 55.

25

Page 26: Finnisches Schulsystem

begründet die höhere Popularität der Gymnasien hiermit: „Im Allgemeinen ist die

Bestrebung der Jugendlichen in eine bestimmte berufliche Richtung nach der

Grundschule noch nicht sehr stark, und ein großer Teil der Jugendlichen möchte

möglichst viele Optionen offen halten.“82

Finnische Schüler durchlaufen die Sekundarstufe II in der Regel in drei Jahren. Ein

flexibleres Lernsystem erlaubt es ihnen, das geforderte Lernpensum auch in zwei,

höchstens jedoch vier Jahren zu bewältigen.83 In der Oberstufe wurde das

Jahrgangsstufensystem der Peruskoulu durch ein Kurs- oder Modulsystem ersetzt,

welches im Folgenden kurz erläutert werden soll.84 Das Zentralamt für Unterrichtswesen

gibt vor, welche Kurse angeboten werden müssen. Die Kommunen oder Schulen

erweitern dieses festgesetzte Kursangebot um weitere wahlfreie Kurse. Diese

Erweiterungen im Unterrichtsangebot ergeben sich oft aus einem spezifischen

Schulprofil, das die jeweilige Schule gewählt hat. Aus diesem Angebot an

obligatorischen und wahlfreien Kursen stellen die Schüler ihren eigenen Stundenplan

zusammen, so dass sie stets nur einige der Fächer parallel, dafür jedoch in größerer

Intensität lernen. Die Schüler sind selbst dafür verantwortlich, dass sie eine

ausreichende Zahl an Kursen belegen. Bei Schwierigkeiten in der Planung können sie

jedoch den Lernberater der Schule in Anspruch nehmen. Das Schuljahr wird in fünf

oder sechs Abschnitte geteilt, wobei nach jedem dieser Abschnitte das Gelernte durch

eine vom Lehrer gewählte Form der Lernüberprüfung getestet wird.85

Das Ziel der Ausbildung in der Oberstufe ist „die Unterstützung der Studenten bei ihrer

Entwicklung zu guten, verantwortungsbewussten und gebildeten Mitgliedern der

Gesellschaft sowie die Vermittlung der für weiterführende Studien, für die Berufspraxis,

Freizeitbeschäftigungen und für die Persönlichkeitsentwicklung notwendigen

Kenntnisse und Fähigkeiten. Außerdem soll die Ausbildung die Voraussetzungen für das

lebenslange Lernen schaffen und die ständige Entwicklung der eigenen Persönlichkeit

unterstützen und fördern.“86

Das allgemeinbildende Gymnasium wird mit dem finnischen Zentralabitur

82 Matthies/Skiera (2008), S. 182.83 Vgl.: Grubb et al. (2005), S. 10f.84 Pabst (2005), S. 6.85 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S. 74ff.86 Ministry of Education (1998). Upper Secondary School Act. 629/1998. Deutsche Übersetzung dieses

Abschnitts: http://www.gc21.de/ibt/opengc21/ibt/public/IFKA/2003/download/finnland/bbs.pdf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

26

Page 27: Finnisches Schulsystem

abgeschlossen. Außer dieser abschließenden Reifeprüfung gibt es keine nationalen

Leistungsüberprüfungen während der gesamten Schulzeit. Das Bestehen der

Reifeprüfung beinhaltet jedoch nicht automatisch die Zugangsberechtigung für ein

Universitätsstudium. Die Universitäten und Fachhochschulen wählen die Studenten

durch Numerus clausus und zusätzliche Aufnahmeprüfungen aus. Das Abitur umfasst

mindestens vier Abschlussprüfungen, wobei es möglich ist, darüber hinaus eine nicht

festgelegte Anzahl zusätzlicher Prüfungen zu absolvieren. Einige Schüler legen ihr

Abitur in bis zu zehn Fächern ab, um ihre Chancen zur Aufnahme an einer Universität

zu erhöhen. Obligatorisch ist die Prüfung in der Muttersprache (Finnisch oder

Schwedisch). Die restlichen drei Prüfungsfächer müssen aus den folgenden Bereichen

gewählt werden: zweite Landessprache, eine Fremdsprache, Mathematik oder ein natur-

und sozialwissenschaftliches Fach.87

Es ist auffällig, dass viele der vorbildlichen Maßnahmen, die den Lernweg der

finnischen Grundschüler begleiten, in der Oberstufe abnehmen. Dazu zählt zum

Beispiel der Förder- und Sonderunterricht, den ich in Kapitel 7 vertiefend behandeln

werde. Für schwächere Schüler gibt es in der Oberstufe nicht die gleiche Unterstützung,

die sie in der Peruskoulu erhalten haben. Die in den höheren Klassen zunehmende

Schulabbrecherquote zeigt, dass auch in Finnland die Motivation und Freude am Lernen

bei einem Teil der Schüler im Laufe der Schulkarriere stark abnimmt. Einen ähnliche

Sicht teilt auch Simo Juva, was das folgende Zitat verdeutlichen soll: „Man muss wohl

ehrlich zugeben, dass Finnland im Hinblick darauf, dass die Gemeinschaftsschule

international so hoch gelobt wird, noch viel Arbeit vor sich hat, damit die

Verantwortung für die Schulbildung eines gesamten Jahrgangs sich auch auf deren

Sicherung in der Sekundarstufe II erstreckt.“88

Im Bereich der beruflichen Bildung kann Finnland nur auf eine sehr junge Tradition

zurück blicken. Bis etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte die finnische

Bevölkerung vorrangig von der Landwirtschaft, so dass sich außerhalb dieses Sektors

bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts kaum berufsbildende Einrichtungen etabliert

hatten. Erst durch die Industrialisierung in den 50er und 60er Jahren wurden zahlreiche

Berufsschulen und später auch Fachhochschulen gegründet.89 50 Jahre nach der

87 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 188.88 Sarjala/Häkli (2008), S.61.89 Erst in den 1990er Jahren, wurde in Finnland ein Fachhochschulsystem aufgebaut, da zuvor noch

keine Alternative zur universitären Hochschulbildung existierte. Deutschland bildete zu einem großen

27

Page 28: Finnisches Schulsystem

Industrialisierung findet die berufliche Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen

in der Regel immer noch in öffentlichen, berufsbildenden Schulen statt. Träger der

berufsbildenden Schulen, von denen es im Jahr 2005 ca. 350 gab, sind in den meisten

Fällen die Kommunen.90 Weit weniger häufig ist das in Deutschland etablierte Modell

der dualen Ausbildung, nach welchem die jugendlichen Auszubildenden einen

Lehrvertrag mit einem Arbeitgeber eingehen.91 Neben diesen beiden Möglichkeiten,

eine Qualifikation für eine berufliche Erstausbildung zu erlangen, gibt es einen dritten

Weg: einen so genannten „Beweisabschluss“ bzw. eine „Qualifikationsprüfung“.

Beweisabschlüsse sind Qualifikationen, die nur auf Grund einer durch Prüfungen unter

Beweis gestellten Kompetenz, jedoch unabhängig davon, wie oder wo diese erlangt

wurde, vergeben werden. Das Zentralamt für Unterrichtswesen hat mit der Einführung

der Beweisabschlüsse versucht, dem erwerbstätigen Teil der Bevölkerung einen

gangbareren Weg zu einem Berufsabschluss oder einer Spezialisierung zu

ermöglichen.92

Die Auswahl der Jugendlichen für die berufsbildenden Schulen erfolgt landesweit,

hauptsächlich auf der Grundlage von früheren Lernergebnissen. Berufserfahrungen der

Bewerber werden ebenfalls berücksichtigt. Nicht selten werden Aufnahmetests

durchgeführt, um die Eignung der Jugendlichen für ein bestimmtes berufliches Feld

festzustellen.

Das Ziel der berufsbildenden Oberstufenausbildung ist gemäß dem finnischen „Gesetz

über die berufliche Bildung“ die Erlangung von grundlegenden Fachkompetenzen in

einem beruflichen Tätigkeitsfeld sowie die Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit

zum lebenslangen Lernen.93 Der Aufbau der Ausbildung hat sich in jüngerer Zeit

gewandelt. Das neue, überarbeitete Curriculum sieht eine für alle Berufe einheitliche

Gesamtausbildungszeit von 120 Studienwochen vor, wobei eine Studienwoche für einen

Maß das Vorbild dieser Entwicklung. 90 Ministery of Education (2007), S. 11f.91 Vgl.: Kyrö (2006), S. 28ff.92 Ministerium für Bildung (2006), S. 28.93 Vgl. auch folgenden Auszug aus dem Gesetz über die berufliche Bildung (630/1998): „Ziel der

beruflichen Erstausbildung ist die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zur Erlangung derberuflichen Fachkompetenz sowie Fertigkeiten zur selbstständigen Ausübung eines Berufes. Weiterhindient die Ausbildung zur Unterstützung der Auszubildenden bei ihrer Entwicklung zu guten undverantwortungsbewussten Mitgliedern der Gesellschaft und zur Vermittlung von notwendigenKenntnissen und Fähigkeiten für ein weiterführendes Studium, Freizeitbeschäftigung sowie für einevielseitige Persönlichkeitsentwicklung. Die berufliche Bildung soll Voraussetzungen für daslebenslange Lernen schaffen.“ Ministry of Education (1998b).

28

Page 29: Finnisches Schulsystem

Schüler zirka 40 Stunden Arbeitsaufwand bedeutet. Davon dienen 90 Studienwochen

dem Fachstudium und einem Praxisteil, welcher als „Lernen am Arbeitsplatz“

bezeichnet wird.94 Das Fachstudium umfasst etwa 70 Studienwochen und wird in den

berufsbildenden Schulen absolviert. Das „Lernen am Arbeitsplatz“ nimmt mindestens

20 Studienwochen in Anspruch und findet an einer beruflichen Einrichtung statt.

Berufsbildende Schulen verfügen daher auch über die für verschiedene Berufszweige

notwendigen Ausstattungen. Die restlichen 30 Studienwochen teilen sich wie folgt auf.

20 Studienwochen stehen für die allgemeinbildende Studieneinheiten und 10

Studienwochen als frei wählbare Studieneinheiten zur Verfügung.95 Das Spektrum der

allgemeinbildenden Fächer, die alle Schüler gemeinsam absolvieren, umfasst im

Wesentlichen die folgenden Fächer: Muttersprache, zweite Landessprache,

Fremdsprache, Mathematik, Physik und Chemie, Gesellschaftskunde, Unternehmens-

und Berufskunde, Sport und Hygiene sowie Kunst und Kultur. Dieser

allgemeinbildende Teil der Ausbildung ermöglicht Berufsschülern die Erlangung der

Hochschulreife und damit auch einen weiterführenden Bildungsweg en einer

Universität. Die berufliche Erstausbildung an finnischen Schulen wird in acht großen

Fachbereichen erteilt.

- humanistischer und pädagogischer Bereich

- Kultur

- Gesellschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre sowie Verwaltung

- Naturwissenschaften

- Technik und Verkehr

- Naturressourcen und Umwelt

- Sozial- und Gesundheitswesen, Sport

- Tourismus, Gastgewerbe und Hauswirtschaft96

Die Ausbildungszeit beginnt mit einer einjährigen Grundausbildung in einem der oben

aufgeführten Fachbereichen. Daraufhin wählen die Schüler eine berufliche

Spezialisierung. Es gibt insgesamt 119 solcher Spezialisierungen.

Da sich die Anforderungen des Arbeitsmarktes an junge Arbeitssuchende durch den

strukturellen und wirtschaftlichen Wandel der finnischen Gesellschaft ständig erhöhen,

94 Vgl.: Virtanen/Tynjälä (2008), S. 225ff.95 Vgl.: European Commission: Directorate-General for Education and Culture (2008), S. 67ff.96 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 187.

29

Page 30: Finnisches Schulsystem

wurde das System der berufsbildenden Schulen um die Jahrtausendwende grundlegend

reformiert. Alle beruflichen Ausbildungsgänge wurden zunächst auf drei Jahre

verlängert. Von noch größerer Bedeutung ist jedoch, dass in jede Ausbildung

obligatorische, systematisch organisierte, betreute und evaluierte (mindestens

halbjährige) Phasen des Lernens am Arbeitsplatz integriert wurden. Zuvor beschränkte

sich der Anteil praktischen Lernens auf einige wenige, zumeist unbetreute Praktika,

durch die eine Vorbereitung der Jugendlichen auf die Anforderungen des beruflichen

Lebens kaum mehr als unbefriedigend gewährleistet war.97 Das Lernen am Arbeitsplatz,

das wenigstens ein halbes Jahr der insgesamt dreijährigen Ausbildung einnehmen soll,

ist für die Jugendlichen eine Brücke von der Schule ins Arbeitsleben.

Im Rahmen eines Ausbildungsplanes und unter der Betreuung eines Instrukteurs lernen

sie, die Grundanforderungen des angestrebten Berufs zu bewältigen. Die

Ausbildungspläne werden in Kooperation zwischen der Berufsschule und dem

jeweiligen Arbeitgeber erstellt und in die Praxis umgesetzt. Bei einer so engen

Verbindung von Schule und Arbeitswelt gibt es Vorteile für beide Seiten. Durch das

Lernen am Arbeitsplatz erlangen die Berufsschulen direkte Kenntnis über die

Anforderungen des Arbeitslebens und können daraufhin ihre eigenen Curricula, die sie

selbst zu erarbeiten haben, anpassen und präzisieren. Auf der anderen Seite können

Arbeitgeber und Angestellte neue Arbeitsansätze und -methoden kennen lernen, welche

die Schüler in der Berufsschule erlernen und zur Arbeit mitbringen. Über die

Fortschritte des Schülers muss der Instrukteur regelmäßige Berichte verfassen, die an

die Berufsschule weiter geleitet werden.98 Die Integration des „Lernens am

Arbeitsplatz“ in die Berufsausbildung bedeutet für die Kommunen einen hohen

Organisationsaufwand. Jedes Jahr muss erreicht werden, dass ca. 40 000 Arbeitsplätze

zur Verfügung stehen.

In der Realität sind die allgemeinbildenden und die berufsbildenden Schulen keine aufs

Strengste getrennten Institutionen. Es lässt sich sogar ein Trend in Richtung einer

Stärkung der Verbindung beider Bildungswege erkennen. Nicht wenige Schüler nehmen

für ihre Ausbildung beide Einrichtungen in Anspruch. Ein Großteil der Bewerber an

berufbildenden Schulen hat bereits die Reifeprüfung an einem allgemeinbildenden

97 Vgl.: Virtanen/Tynjälä (2008), S. 225.98 Vgl.: Kyrö (2006), S. 47ff.

30

Page 31: Finnisches Schulsystem

Gymnasium absolviert.99 Ebenso besuchen Schüler der berufsbildenden Schulen Kurse

an allgemeinbildenden Gymnasien. Es besteht auch die Möglichkeit, beide

Bildungsgänge in 3-4 Jahren parallel zu absolvieren, was jedoch auf Grund des äußerst

hohen Arbeitsaufwandes von sehr wenigen genutzt wird. Wo auch immer die Schüler

eine geforderte Lernleistung auf „alternativem“ Weg erlangt haben, kann diese ohne

allzu große bürokratische Hürden auf die zu absolvierende Ausbildung angerechnet

werden.

Nachdem die Struktur des finnischen Bildungssystems behandelt wurde, möchte ich

mich der Frage der Steuerung des Systems widmen.

5. Die Steuerung des finnischen Schulsystems

Noch vor 20 Jahren wurde das gesamte finnische Bildungssystem von Helsinki aus

verwaltet. Durch die Reformen der 90er Jahre, im Zuge derer ein beträchtliches Maß an

Verantwortung auf die Kommunen verlagert wurde, haben sich heute zwei maßgebliche,

sich gegenseitig ergänzende Planungs- und Entscheidungsebenen heraus gebildet: Die

staatliche und die kommunale Ebene. Nach Luukkainen ist dieser schulpolitische

Wandel verbunden mit dem Übergang von einer „Steuerung durch Pläne und Gesetze“

hin zur „Steuerung durch Evaluation und Monitoring“.100

5.1. Zentralorgane auf nationaler Ebene

5.1.1. Das Parlament und das Ministerium für Bildung

Die gesetzlichen Grundlagen der Bildung sowie die allgemeinen Prinzipien der

Bildungspolitik werden durch das finnische Parlament beschlossen. Darauf aufbauend

findet die Planungs- und Umsetzungsarbeit der Regierung und des Ministeriums für

Bildung statt. Gesetzesentwürfe für den Bildungs- und Ausbildungsbereich,

Budgetvorschläge und die Vorbereitung von Regierungsbeschlüssen gehören hierbei zu

den Hauptaufgaben des Ministeriums für Bildung.101 Den Namen „Ministerium für

Bildung“ (Opetusministeriö) trägt es, obwohl sich seine Zuständigkeiten auf die

99 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 187.100 Luukkainen (2000), S. 9.101 Vgl.: Domisch (2004), S. 30ff., Välijärvi (2004), S. 184f.

31

Page 32: Finnisches Schulsystem

Bereiche Forschung, Kultur, Urheberschutz, Sport, Jugend, kirchliche Angelegenheiten

und Bibliothekswesen erstrecken.102 Man könnte die Bezeichnung des Ministeriums als

einen Hinweis darauf verstehen, welch zentrale Rolle Bildung und Erziehung unter den

vielfältigen staatlichen Aufgabenbereichen einnehmen.

Die langfristigen bildungspolitischen Vorhaben und Entwicklungsschritte werden, außer

im Regierungsprogramm, im so genannten „Entwicklungsplan für Bildung und

Forschung“, der der alle vier Jahre aufgestellt wird, verankert.103

5.1.2. Das Zentralamt für Unterrichtswesen (Opetushallitus)

Eine äußerst wichtige Institution für das finnische Schulsystem ist das so genannte

Zentralamt für Unterrichtswesen (Opetushallitus). Es operiert unter dem Ministerium

für Bildung als Steuerungsinstitution des finnischen Bildungssystems. Rainer Domisch

beschreibt das Zentralamt noch etwas treffender als eine „Zwischenform von Behörde

und Entwicklungszentrale“.104 Denn zu den Aufgabenbereichen des Zentralamtes zählen

einerseits die Verwaltung des finnischen Schulsystems und auf der anderen Seite die

kontinuierliche Weiterentwicklung desselben. Das finnische Zentralamt für

Unterrichtswesen ist für die folgenden Bereiche der Bildung zuständig: Vorschule,

Grundschule, allgemeinbildende und berufsbildende Gymnasien, Erwachsenenbildung,

künstlerische Grundschulbildung sowie Morgen- und Nachmittagsaktivitäten für

Schulkinder.105 Für all diese Bereiche erstellt das Zentralamt für Unterrichtswesen

Rahmenlehrpläne, die für alle entsprechenden Bildungseinrichtungen Finnlands, ob

staatlich oder privat, Verbindlichkeit besitzen. Auf dieser Grundlage entwickeln

Kommunen und Schulen lokale Curricula, worauf jedoch noch genauer in Kapitel

8.3.2. eingegangen werden wird. Das Zentralamt für Unterrichtswesen steuert und

unterstützt außerdem die konkrete Umsetzung dieser Kerncurricula in den Kommunen

und Schulen des Landes und die damit verbundenen Reformbemühungen.106 Da hier

nicht alle Aufgaben des Zentralamtes für Unterrichtswesen genannt werden können,102 Vgl.: http://www.minedu.fi/OPM/?lang=en (Letzter Zugriff: 2.2.2009)103 Vgl.: Ministry of Education (2007), Education and Research 2007-2012. Development Plan. Ministry

of Education. Helsinki University Press. http://www.minedu.fi/export/sites/default/OPM/Julkaisut/2008/liitteet/opm11.pdf?lang=fi (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

104 Domisch (2004), S. 31.105 National Board of Education (2007), S. 2.106 Vgl.: Sarjala/Häkli (2007), S. 99ff.

32

Page 33: Finnisches Schulsystem

sollen wenigstens noch die wichtigsten angeführt werden. Das Zentralamt für

Unterrichtswesen trägt Verantwortung für die Entwicklung von unterstützenden Lehr-

und Lernumgebungen; für Regelungen und Entwicklungsmaßnahmen in den Bereichen

Leistungsüberprüfung, Lernberatung, Förder- und Sonderunterricht, Verbindung von

Elternhaus und Schule sowie der Schülerfürsorge; für die Implementierung von

Entwicklungsprogrammen; die Evaluation des Bildungswesens; das Aufrechterhalten

und Aktualisieren großer nationaler und internationaler Datenbanken und

Informationsdienste zur Bildung und Bildungsfinanzierung; das Monitoring zahlreicher

Elemente des Systems; die Förderung der Internationalisierung im Bildungsbereich und

vieles mehr. Außerdem wird das Zentralamt für Unterrichtswesen in die Vorbereitung

der bildungsrelevanten Gesetzgebung sowie wichtiger Regierungsbeschlüsse zu

Bildungsfragen einbezogen.107

5.2. Der nationale Rahmenlehrplan

Den nationalen Rahmenlehrplan beziehe ich in die Übersicht dieses kurzen Kapitels ein,

weil er ein wichtiges Verbindungsglied zwischen allen Ebenen des finnischen

Schulsystems darstellt. Die Arbeit aller Akteure wird in maßgeblicher Weise von diesem

zentralen Dokument bestimmt. Gemeinsam mit den Gesetzen und Verordnungen zur

Bildung sowie den Stundentafeln verleiht er der Arbeit auf allen Ebenen eine

gemeinsame Richtung. Zu wissen wie der nationale Rahmenlehrplan erstellt wird, ist

ebenfalls wesentlich, um einige Charakteristika des finnischen Schulsystems zu

verstehen. Dies soll jedoch in 8.3.2. behandelt werden. Hier gebe ich einen kurzen

Überblick über die wesentlichsten Inhaltsbereiche des Rahmenlehrplans.

Der derzeit gültige Rahmenlehrplan für die neun Jahre dauernde Grundschule

(Peruskoulu) wurde 2004 verabschiedet. Er enthält allgemeine Lern- und Bildungsziele,

die für alle Bildungseinrichtungen Finnlands maßgeblich sind. Außerdem liefert er

präzise Aussagen zu diesen wichtigen Themenbereiche: Wertegrundlage, Auftrag und

Struktur der Grundschulbildung, Lernkonzeption, Lernumgebung, unterstützende

Elemente des Unterrichts (individueller Lernplan, Förderunterricht, Beziehung

zwischen Elternhaus und Schule, Wohlbefinden, ...), Sonderunterricht, Unterricht für

107 Vgl.: http://www.oph.fi/english/frontpage.asp?path=447; Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 101 (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

33

Page 34: Finnisches Schulsystem

besondere kulturelle und sprachliche Gruppen, Lernziele und Kerninhaltsbereiche des

Unterrichts, Unterricht für Schulen mit besonderem Bildungsauftrag oder -prinzip.108

Es werden des Weiteren im nationalen Rahmenlehrplan obligatorische Kernfächer und

die dazugehörigen Inhalte festgelegt sowie Bewertungsmaßstäbe entwickelt. Ergänzend

dazu verabschiedete die finnische Regierung 2001 eine neue Stundentafel, in welcher

genau festgelegt wird, wie sich die Unterrichtsstunden des Stundenplanes auf die

einzelnen Fächer verteilen.109

5.3. Die Kommunen als Schulträger

Die Kommunen erhielten zu Beginn der 90er Jahre ein beträchtliches Maß an

Verantwortung und Entscheidungskompetenz im Bereich der Schulverwaltung. Die

Schulträgerschaft ging mit Ausnahme einiger privater und weniger staatlicher Schulen

fast vollständig auf die Kommunen über. Damit verbunden ist die Verpflichtung, einen

Vorschulunterricht und eine Grundschulbildung für alle Kinder, die innerhalb der

Kommune leben, zu organisieren. Allgemeinbildende und berufsbildende Schulen

werden oft auch von größeren Gemeindeverbänden organisiert. Alle Entscheidungen auf

dieser Ebene werden durch die Ziele, die in den gesetzlichen Grundlagen und dem

Rahmenlehrplan enthalten sind, gesteuert. Eigenverantwortlichkeit besteht in Bezug auf

die Einstellung und Bezahlung der Lehrer, die Erarbeitung des lokalen Curriculums, die

Budgetierung des Bildung110 und einige andere Bereiche.

In den folgenden Kapiteln wird deutlicher werden, welche Bedeutung die hier skizzierte

Dezentralisierung und Deregulierung für die Qualität des Bildungssystems hat. Ich

möchte nun zu einem Kernelement des finnischen Bildungssystems kommen: dem

Bildungsideal der Chancengerechtigkeit.

108 Vgl.: National Board of Education (2004), National Core Curriculum for Basic Education 200Helsinki: National Board of Education.

109 Vgl.: Stundentafel der Peruskoulu und der allgemeinbildenden Oberstufe, online verfügbar: http://www.finnland-

institut.de/fileadmin/content/de/Publikationen/PDFs/Rainer_Domisch.pdf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

110 Das finnische Bildungsystem wird etwa zur Hälfte durch die Regierung und zur Hälfte durch dieKommunen finanziert.

34

Page 35: Finnisches Schulsystem

6. Bildungsideal Chancengerechtigkeit (Equity)

6.1. Das Konzept der Chancengerechtigkeit: Warum formale Gleichheit nicht genügt

Als das finnische Parlament im Jahr 1968 beschloss, ein eingliedriges Schulsystem

einzuführen, in dem alle Kinder 9 Jahre lang zusammen lernen, stand das Ziel,

Chancengerechtigkeit zu fördern, ganz oben auf der bildungspolitischen Agenda.111

Studien haben gezeigt, dass es Finnland in den vergangenen Jahrzehnten gelungen ist,

ein vergleichsweise hohes Maß an Chancengerechtigkeit zu realisieren.112 Dennoch steht

auch die finnische Schule vor der Herausforderung, mit bestehenden Ungleichheiten

umgehen zu müssen. Im folgenden Kapitel soll das Prinzip der Chancengerechtigkeit

im Kontext des finnischen Schulsystems näher beleuchtet werden.

Wieso hat das Thema „Chancengerechtigkeit“ überhaupt eine so große Bedeutung? In

vielen modernen Wissensgesellschaften determiniert der individuelle „Bildungserfolg“

viele Aspekte des persönlichen Lebens. Dabei ist sowohl an wirtschaftliche Folgen, wie

Löhne oder Beschäftigungschancen, an soziale Konsequenzen, wie etwa Status, Prestige

oder die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben, aber auch an Aspekte wie

Gesundheit, Lebenserwartung und erfolgreiche Kindererziehung zu denken.113 Bildung

fungiert als „crucial intervening link between the social background of individuals and

their later class destination”.114 Finnland gehört zu denjenigen Ländern Europas, in

denen die individuellen Folgen des erreichten Bildungsniveaus besonders ins Gewicht

fallen.115

Einleitend möchte ich das Konzept der Chancengerechtigkeit etwas genauer beleuchten.

Auf der Grundlage dieser Vorüberlegungen möchte ich Finnland genauer in den Blick

nehmen, um zu prüfen, wo sich die Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem

bemerkbar macht. Zu prüfen gilt auch, welche Bereiche es im finnischen Schulsystems

gibt, in denen die angestrebte Chancengerechtigkeit mit der tatsächlichen Realisierung

nicht übereinstimmt.

Zuvor sind aber ein paar Worte zum Begriff der Chancengerechtigkeit notwendig. Der

nicht ganz einfach zu übersetzende englische Begriff, der die hier zu untersuchende111 Vgl.: Overesch (2007), S. 102f.112 Vgl. z.B. Field, Simon; Kuczera, Malłgorzata; Pont, Beatriz (2007). No more failures - Ten steps to

equity in education, Paris, OECD.113 Vgl.: Field et al. (2007), S. 11.114 Shavit/Müller, (1998), S. 1.115 Vgl.: Demeuse/Baye/Straeten/Matoul/Nicaise (2005), S. 6.

35

Page 36: Finnisches Schulsystem

Problematik am besten bezeichnet und zumeist in den wissenschaftlichen und

politischen Diskussionen verwendet wird, lautet „Equity“. In der deutschen Literatur

wird Equity häufig mit Chancengleichheit wiedergegeben, was aus meiner Sicht jedoch

keine ganz angemessene Übersetzung darstellt. Der Grund dafür ist, dass

„Chancengleichheit“ zunächst nur eine formale Gleichheit (equality) der Lern- und

Bildungsmöglichkeiten impliziert und die Anwendung anderer Gerechtigkeitsprinzipien

(z.B. Förderung nach Bedürftigkeit) nicht berücksichtigt. Der Begriff

„Chancengerechtigkeit“ ist deshalb für den finnischen Kontext der Geeignetere, weil er

für ein umfassenderes, über formale Gleichheit hinausgehendes Gerechtigkeitskonzept

steht.

Bildungsressourcen (Lehrmittel, gute Lehrer, annehmbare Lernbedingungen,

Ausbildungszeit) können in einer Weise verteilt sein, dass entweder die bestehenden

gesellschaftlichen Ungleichheiten verringert, über die Generationen hinweg perpetuiert

oder sogar verschärft werden. In der Regel gelingt es der Schule, Unterschiede in der

kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung, welche die Kinder - zu einem

großen Teil durch ihre familiäre Sozialisation bedingt - zum Zeitpunkt der Einschulung

mitbringen (und die größer kaum sein könnten), auszugleichen. In diesem Sinne

bezeichnet Jürgen Baumert die Schule treffend als die „große Gleichmacherin“.116

Trotzdem kann das Maß des Ausgleiches, den die Schule schafft, höchst unterschiedlich

sein. Chancengerechtigkeit bedeutet, in einem ganz grundlegenden Sinn, die faire und

gerechte - jedoch nicht unbedingt gleiche - Gewährung von Ressourcen, die jedem

Schüler einen optimalen Bildungsverlauf und damit ein bestmögliches persönliches und

gesellschaftliches Leben ermöglichen. Verschiedene Ebenen müssen hier untersucht

werden. Diesen Ebenen kann man sich durch die folgende Frage annähern: Ist

Chancengerechtigkeit zwischen großen Regionen eines Landes, zwischen ländlichen

und städtischen Gebieten, zwischen den Gemeinden, den Einzelschulen eines Landes

und zwischen verschiedenen Klassen einer Schule gewährleistet? Die Antwort auf die

Frage bestimmt, welchen Unterschied es für einen Schüler macht, in einer bestimmten

Region, Kommune, Schule oder Klasse zu lernen. Die OECD hat die folgende, den

Gedanken noch etwas erweiternde Definition von Chancengerechtigkeit gegeben:

„Equity im Bildungswesen entspricht einer Lernumgebung, in der Individuen während

116 http://www.gymnasium-kerpen.eu/zeit_schule08.pdf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

36

Page 37: Finnisches Schulsystem

ihres gesamten Lebens Optionen abwägen und Entscheidungen treffen können, welche

auf ihren Fähigkeiten und Talenten, nicht auf Stereotypen, verzerrten Erwartungen oder

Diskriminierungen basieren. Diese Lernumgebung ermöglicht Frauen und Männern

aller Nationalitäten und sozioökonomischer Hintergründe, Fähigkeiten zu entwickeln,

welche nötig sind, um als produktive mündige Bürger am öffentlichen Leben

teilzunehmen. Sie eröffnet ökonomische und soziale Chancen, unabhängig von

Geschlecht, Nationalität oder sozialem Status.“117

Im Bereich der Bildung zeigt sich besonders, dass eine gleiche Verteilung der

Ressourcen nicht immer als fair oder gerecht gelten kann. Einiges sollte nach Verdienst

vergeben werden (Noten, positives Feedback, Zugangsberechtigungen zu höheren

Bildungseinrichtungen), anderes nach dem Prinzip formaler Gleichheit (z.B. Zugang zur

Grundbildung, qualifizierte Lehrer), wieder anderes nach Bedürftigkeit

(Hilfestellungen, Förderunterricht). Allein diese kurzen Überlegungen zeigen, dass die

Realisierung von Chancengerechtigkeit ein schwierigeres politisches und pädagogisches

Unterfangen als die Umsetzung formaler Gleichheit ist.118 Die Frage, ob Gleichheit,

Leistung oder Bedürftigkeit als Gerechtigkeitsprinzip angewendet werden sollte, sollte

für unterschiedliche Aspekte des Bildungsweges immer neu gestellt werden. Reicht es,

dass am Anfang alle die gleichen Chancen erhalten? Es gibt immer Schüler, die ihre

Chancen auf Grund von günstigeren individuellen Voraussetzungen besser nutzen

können als andere.119 Macht das Prinzip der Chancengleichheit Maßnahmen notwendig,

die schwächere Schüler befähigen, in der gleichen oder in ähnlicher Weise ihre Chancen

zu nutzen? Bei der Beantwortung solcher oder ähnlicher Fragen könnte man sich an

beispielsweise an folgendem Gerechtigkeitsprinzip von John Rawls orientieren:117 Zit. In: Kull/Wolter (2006), S. 25.118 Die „European Group of Research on Equity of the Educational Systems“ identifiziert vier

grundlegende Gleichheitsprinzipien, die im Bildungskontext relevant sind: Chancengleichheit,Gleichbehandlung, Ergebnisgleichheit und gleichberechtigte Verwirklichung bzw. Entfaltung in derGesellschaft. Jedes dieser Prinzipien würde, für sich genommen, in Bezug auf einen umfassendenGerechtigkeitsbegriff, zu kurz greifen und Angriffspunkte für Kritik bieten. Durch das Prinzip derChancengleichheit würde zwar ein nicht durch Gruppenzugehörigkeit eingeschränkter, d.h.gleichberechtigter Zugang zur Bildung gesichert, eine Übervorteilung Begabterer durch bessereLernbedingungen jedoch nicht ausgeschlossen. Die Gleichbehandlung könnte von denjenigenangegriffen werden, die die Ansicht vertreten, dass ein Bildungswesen nur dann gerecht ist, wenn esSchülern mit schlechteren Ausgangsbedingungen eine intensivere Förderung angedeihen lässt. Werschließlich das ausschließliche Ziel von Ergebnisgleichheit verfolgt, läuft Gefahr, die Potentiale vonbesonders Begabten und Lernwilligen brach liegen zu lassen. Vgl.: Demeuse, Marc; Baye, Ariane; Straeten, Marie-Héléne; Nicaise, Julie (2003). Equity of theEuropean Educational Systems, A Set of Indicators. Synthesis of the Report. European Group ofResearch on Equity of Educational Systems.

119 Man nennt dies den sogenannten Matthäus-Effekt: „Wer hat, dem wird gegeben“

37

Page 38: Finnisches Schulsystem

“Assuming that there is a distribution of natural assets, those who are at the same level

of talent and ability, and have the same willingness to use them should have the same

prospects of success, regardless of their initial place in the social system.120“

In Finnland scheint es gelungen zu sein, hohe Gesamtleistungen der Schüler und ein im

internationalen Vergleich ausgeprägtes Maß an Chancengerechtigkeit miteinander zu

vereinen. Ich möchte im folgenden Abschnitt einen genaueren Blick auf die

Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem werfen.

Viele Kenner des finnischen Bildungssystems haben das hohe Maß an

Chancengerechtigkeit, welches Finnland seit der 70er Jahre realisieren konnte, als

wesentlichen Grund für das erfolgreiche Abschneiden der 15jährigen FinnInnen im

internationalen PISA-Vergleich gesehen. So schreibt Jouni Välijärvi, Verantwortlicher

für die Durchführung der finnischen PISA-Untersuchungen: „The most remarkable

reason for Finland’s success in the PISA Survey is educational equality: the entire

school system is based on it.“121 In einem analytischen Report des finnischen

Bildungsministeriums heißt es: “One explanation for Finland’s success in such

international comparisons is the general consensus in Finland concerning the

importance of equity in education”122 Diese Schlussfolgerungen sind durchaus

nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass bei einer erfolgreichen Integration bzw.

Inklusion und Förderung eines kritischen Prozentsatzes schwacher Schüler der

landesweite Durchschnitt der Gesamtleistungen erheblich ansteigt. Im folgenden

Abschnitt möchte ich einige konkrete Ergebnisse empirischer Untersuchungen

präsentieren.

6.2. Chancengerechtigkeit als Leitidee finnischer Schulen: Fakten und Zahlen

Bei der PISA-Untersuchung zur naturwissenschaftlichen Kompetenz im Jahr 2006

erreichte Finnland im internationalen Ranking einen ersten Platz, wobei die

Gesamtvariation der Leistungsergebnisse die geringste unter allen OECD-Ländern war.

In keinem anderen Land gab es einen so großen Anteil an Schülern, mit exzellenten

Ergebnissen. Ebenso war der Anteil der Schüler, die schwache akademische Leistungen

120 Zit in: Demeuse et al. (2003), S. 13.121 www.pisa2006.helsinki.fi/finland_pisa/interpreting_the_results/interpreting_the_results.htm 122 Ministry of Education (2005), S. 42.

38

Page 39: Finnisches Schulsystem

zeigten in Finnland der geringste von allen Ländern. Ein paar Zahlen sollen dafür als

Beleg dienen. Die beiden obersten Kompetenzstufen (5. und 6. Stufe) wurden in

Finnland von 20,9 % der Schüler erreicht, wobei der OECD-Durchschnitt bei 9 % lag.

Nur 0,5 % der finnischen Schüler lagen unterhalb des niedrigsten Kompetenzniveaus,

während der Durchschnitt in den OECD-Ländern bei 5,2 % lag. Im Übrigen ist Finnland

das einzige Land, in dem die Schülergruppe mit diesen äußerst kritischen

Leistungsergebnissen weniger als 1% der getesteten Gesamtpopulation ausmacht. Die

voran gegangene Untersuchung im Jahr 2003 zeigt vergleichbare Ergebnisse, was die

folgende Graphik verdeutlichen soll. Es lassen sich die nach Perzentilen

aufgeschlüsselten Leistungsergebnisse in allen 2003 getesteten Kompetenzbereichen

(Mathematik, Lesefähigkeit, Naturwissenschaften, Problemlösung) sehen und mit dem

OECD-Durchschnitt vergleichen. So sind beispielsweise die 5 % der Schüler, die die

schlechtesten Ergebnisse in Mathematik erzielt haben um 74 Punkte, was etwa einer

ganzen Kompetenzstufe entspricht, besser als die entsprechenden Gruppen in den

OECD-Ländern im Durchschnitt.123 Damit sind die schwächsten Schüler Finnlands

immer noch um 20 % besser als die entsprechende Gruppe in anderen OECD-Ländern.

Vergleicht man die Leistungen der leistungsschwächsten mit denen der

leistungsstärksten Schüler miteinander, so stellt man fest, dass diese durchschnittlich

sehr hoch sind. „In allen OECD-Ländern“, so heißt es im OECD-Bericht zu den

Ergebnissen von PISA 2006, „waren die Leistungsabstände unter den mittleren 90%

der Schülerinnen und Schüler - vom 5. bis zum 95. Perzentil - größer als der

Unterschied zwischen der Durchschnittsleistung des PISA-Spitzenreiters Finnland und

Kirgisistan, dem Land mit den schlechtesten Ergebnissen in PISA.“124 Zur

Veranschaulichung der verhältnismäßig guten bis sehr guten Leistungen der

„schwächsten“ Schüler Finnlands soll die folgende Graphik zur Lesefähigkeit in allen

PISA-Durchgängen dienen. Der OECD-Durchschnitt wurde auf Null gesetzt.

123 Vgl.: Sarjala/Häkli (2007), 43f.124 OECD (2007), S. 34.

39

Page 40: Finnisches Schulsystem

Quelle: Sarjala/Häkli (2008), S. 86

Was die Variation zwischen den Schulen betrifft, so fiel diese in Finnland ebenfalls

äußerst gering aus, und das konstant in allen drei PISA-Erhebungen. Die Untersuchung

von 2000 kann als Beispiel dienen. Die 10 % der finnischen Schulen, die die

schlechtesten Ergebnisse erreicht hatten, waren um etwa 100 Punkte besser als die

entsprechende Gruppe der Schulen der OECD-Länder im Durchschnitt. Das ist ein

beachtlicher Wert. In der Lesekompetenz erklärte die Varianz zwischen den Schulen im

OECD-Durchschnitt 36 % der Gesamtvarianz der Schülerleistungen. In Finnland betrug

dieser Anteil 5 %. Außerdem wirkt sich in Finnland die soziale Zusammensetzung der

Schulen nicht auf die Leistungsergebnisse aus. Man muss einräumen, dass Finnlands

Gesellschaft insgesamt viel homogener ist, sowohl was das den Anteil an Immigranten

als auch die Einkommensunterschiede der Familien betrifft. Das bedeutet jedoch nicht,

dass einige, insbesondere städtische Schulen eine höhere soziale Heterogenität

aufweisen. Faktoren wie Lernatmosphäre, Unterrichtsqualität und Motivation der

Schüler scheinen in Finnland unabhängig vom schulischen Umfeld zu sein.

Weiterhin übt der familiäre Hintergrund der Schüler in Finnland einen viel geringeren

Einfluss auf die schulischen Leistungen aus als in den meisten anderen Ländern.

Übergänge von einer Klassenstufe zur nächsten gelingen ebenfalls besser als in den

meisten Ländern. Nur etwa 2 % der finnischen Grundschüler (1.-9. Klasse) wiederholen

40

Page 41: Finnisches Schulsystem

eine Klassenstufe, während in den anderen OECD-Ländern durchschnittlich 16 % der

Schüler mindestens einmal die Versetzung nicht schaffen. Die Abbrecherrate innerhalb

der Peruskoulu ist ungleich niedriger als in vielen hoch entwickelten Ländern. Nur 0,3

% der Schüler beenden die Peruskoulu vor dem Abschluss der 9. Klasse. 96 % einer

Alterskohorte setzen ihren Bildungsweg direkt im Anschluss an den Abschluss der

Peruskoulu in einer weiterführenden Schule fort.

Schneiden finnische Schüler vielleicht so gut ab, weil sie besonders oder intensiv

lernen? Der Zeitaufwand finnischer Schüler, sowohl im Hinblick auf die Anzahl der

jährlichen Schultage und deren Länge als auch bezüglich der Stunden, die sie täglich für

Hausaufgaben verwenden, ist keinesfalls hoch zu nennen. Das Schuljahr in Finnland hat

190 Schultage, wobei Unterrichtsausfall dank eines effizienten Vertretungssystems fast

nicht vorkommt. Ein durchschnittlicher Schultag hat zwischen 4 und 7

Unterrichtstunden. Der Umfang der Hausaufgaben beträgt in Mathematik 4,4 Stunden

pro Woche, wobei in dieser Zahl sowohl Unterricht, Hausaufgaben als auch

Förderunterricht einbezogen worden sind. Die unten abgedruckte Graphik gibt einen

Vergleich mit anderen Ländern sowie mit dem OECD-Durchschnitt.

Quelle: Irmeli Halinen125

125 http://www.palmenia.helsinki.fi/congress/pisa2008/presentations/IHalinen,%20Miracle%20of%20PISA,%20Comprehensive%20education,%2010.9.2008.ppt

41

Page 42: Finnisches Schulsystem

Die jährlichen Bildungausgaben in Finnland betragen 6% des Bruttoinlandsproduktes,

was etwa im Bereich des OECD-Durchschnitts liegt.

Wenn man die oben zusammen gefassten Ergebnisse betrachtet, verwundert es, dass die

PISA-Studien in der finnischen Öffentlichkeit in verhältnismäßig geringem Maße

diskutiert und beachtet wurden. Die Verantwortlichen haben der Ansicht Ausdruck

verliehen, dass es trotz des guten Abschneidens noch genügend zu tun gibt und man sich

auf keinen Fall zur Ruhe setzten will. Rainer Domisch, der einzigen deutsche

Mitarbeiter des finnischen Zentralamtes für Unterrichtswesen, bestätigt, dass die PISA-

Studie in Finnland überhaupt kein Aufsehen erregt hat. „Es gab eine kleine Notiz in der

Presse, das war alles, und dann hat man sich sofort bemüht, Defizite, die es auch in

finnischen Schulen gibt, an das Tageslicht zu fördern und sie anzugehen.“126

Wo verbergen sich diese Defizite, die es aufzubessern gilt?

Geschlechtsspezifische Unterschiede, besonders in der Lesefähigkeit sind in Finnland

signifikant. Es ist dabei jedoch zu erwähnen, dass finnische Jungen nicht etwa schlecht

abschneiden, sondern dass die Mädchen im Durchschnitt äußerst herausragende

Leistungen vorweisen können. Die PISA-Studie konnte zeigen, dass die Faktoren, die

für die geschlechtspezifischen Unterschiede verantwortlich sind, auf Schul- und

Unterrichtsebene verändert werden können. Jouni Välijärvi, Leiter der finnischen PISA-

Untersuchung, kommt zu folgendem Ergebnis: „Eine für die Arbeit des Lehrers

ermutigende, aber gleichzeitig auch herausfordernde Beobachtung ist, dass die

Unterschiede in der Lesefähigkeit von Faktoren erklärt werden, die in der Schule

beeinflusst werden können. Neugier, Identifikation mit und Interesse am Lesen sind

starke Indikatoren für das Niveau der Lesefähigkeit. Auch entwicklete Lernstrategien

und ein starkes Selbstbewusstsein stellen eine positive Prognose für die Entwicklung

der Lesefähigkeit dar.“127

Der sozioökonomische Status des Elternhauses sagt auch in Finnland noch voraus, zu

welcher Wahrscheinlichkeit ein Kind studieren wird.

Mit diesen etwas ambivalenten, im internationalen Vergleich jedoch sehr guten

Ergebnissen zur Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem, möchte ich zu einem

(Letzter Zugriff: 2.2.2009)126 Domisch (2004), S. 28.127 Sarjala/Häkli (2008), S. 89.

42

Page 43: Finnisches Schulsystem

weiteren, wichtigen Element überleiten: dem Förder- und Sonderunterricht an

finnischen Schulen.

7. Inklusion: Wie in Finnland mit der Verschiedenheit der Schüler

umgegangen wird

7.1. Förder- und sonderpädagogischer Unterricht

Zu den fundamentalsten Grundsätzen der finnischen Bildungsphilosophie gehört die

Bemühung um jeden einzelnen Schüler, unabängig von seinen individuellen

Lernvoraussetzungen oder seinem aktuellen Leistungsstand. Es gilt als wichtiges

Prinzip, keinen „abzuschreiben“ und allen ein erfolgreiches Abschließen der

neunjährigen Grundschule zu ermöglichen. „Wir brauchen alle, alle bleiben zusammen,

niemand bleibt zurück“, so lautet ein bekanntes finnisches Bildungsmotto.128 Daher

findet man in finnischen Schulen äußerst heterogene Klassen. Das Stichwort, unter dem

diese Bemühungen um eine gemeinsame Schule für alle zusammengefasst wird, heißt

„Inklusion“, „Inclusive Education“ oder „Education for All“. Bei der Inklusion geht es

im Unterschied zur Integration nicht nur darum, bestimmte Gruppen von Schülern, die

sonst als „defizitär“ betrachtet werden, administrativ in die „normale“ Schule

einzubeziehen, sondern sie ganz konsequent als Teil einer heterogenen Lerngruppe zu

begreifen.129 Das Entscheidende, wenn man über Inklusion spricht, scheint mir der Blick

zu sein, mit dem man auf die bestehenden Unterschiede schaut - mögen diese nun im

Fähigkeitsgrad, im Aussehen, in der Herkunft, der Religion oder dem

sozioökonomischen Hintergrund der Schüler liegen. Es fragt sich: Sieht man

Unterschiede eher als etwas Begrüßenswertes und Positives an, das für alle bereichernd

sein kann, oder akzeptiert man sie einfach als eine bestehende Herausforderung, die

aber in mancher Hinsicht dem Ziel der Optimierung von Lernprozessen entgegen steht?

Wissenschaftliche Forschungen bieten hier eher Argumente für die inklusive Praxis,

denn schwächere Schüler profitieren enorm, wenn sie die Chance bekommen, mit

leistungsstärkeren Schülern zusammen zu lernen. Für Schüler mit höheren schulischen

Leistungen stellen heterogene Lerngruppen ebenfalls kein Lernhindernis dar,

128 Demmer (2003), S. 8.129 Vgl.: Waldschmidt/Schneider (2007), S. 112

43

Page 44: Finnisches Schulsystem

wenngleich sie dadurch auch nicht besser als in homogeneren Gruppen lernen.130 Wie

lässt sich nun das Konzept der Inklusion noch etwas genauer fassen? Zunächst soll diese

Abbildung die Grundidee der Inklusion in Abgrenzung zu anderen Praktiken

verdeutlichen.

Der Schweizer Heilpädagoge Alois Bürli vertritt die These, dass mit dem Konzept der

Inklusion eine neue pädagogische Epoche beginnt. In der Phase der Integration, die

nach Bürli der pädagogischen Epoche der Inklusion vorangegangen ist, wurde es

behinderten Kindern erstmals ermöglicht, Klassen der allgemeinen Schulen zu

besuchen. Die Praxis der Inklusion geht jedoch einen Schritt weiter, in dem sie nicht nur

das separate Lernen von Behinderten und Nicht-Behinderten aufhebt, sondern sich

darum bemüht, Schule so zu gestalten, dass alle Kinder, ungeachtet aller trennenden

Kategorien effektiv und chancengerecht zusammen lernen können. Integration erfährt

hier eine quantitative wie auch eine qualitative Erweiterung.131 Nach einer Definition

der UNESCO ist Inklusion “... a process of addressing and responding to the diversity

of needs of all learners through increasing participation in learning, cultures and

communities, and reducing exclusion within and from education. (...) It involves

changes and modifications in content, approaches, structures and strategies, with a

common vision which covers all children of the appropriate age range and a conviction

that it is the responsibility of the regular system to educate all children.”132

Inklusion ist nicht zuletzt deshalb eine herausfordernde Praxis, da Schüler mit

besonderen Lernbedürfnissen nach demselben Curriculum unterrichtet werden sollen,

130 Vgl.: Pfeifer (2006), S. 37f.131 Vgl.: Warzecha (2002), S. 60ff.132 Zit. in: Rieser (2008), S. 21

44

Page 45: Finnisches Schulsystem

wie alle anderen Schüler, was natürlicherweise eine Anpassung und Individualisierung

der Ziele, Inhalte und Methoden erforderlich macht. Ein Veränderung der gesamten

Schule sowie der Schulkultur sind notwendig, damit Inklusion gelingt.

In Finnland bewegt man sich durch eine starke Individualisierung von

Fördermaßnahmen zwischen Integration und Inklusion, wobei die Inklusion

richtungsgebend ist. Inklusion wäre jedoch nicht möglich, wenn sie allein auf den

Schultern der Lehrer ruhen würde, die jeweils allein die Verantwortung für die höchst

unterschiedlichen Bedürfnisse der Individuen tragen, die sie täglich unterrichten.

In allen Grundschulen des Landes wird deshalb Zusammenarbeit groß geschrieben. Drei

professionelle Teams müssen neben den Klassen- und Fachlehrern für jede Peruskoulu

zur Verfügung stehen, um in möglichst enger Zusammenarbeit die Entwicklung und das

Wohlbefinden eines jeden Schülers zu fördern. Schulkrankenschwester, Sozialarbeiter

und Psychologe bilden das erste dieser Teams, das so genannte „Schülerfürsorgeteam“

(oppilaanhuolto), welches sich darum kümmert, dass selbst Beschwerden und Probleme

auf körperlicher, psychisch-emotionaler und sozialer Ebene die Schüler nicht in ihrem

Lern- und Entwicklungsprozess behindern.133 Da in zirka einem Drittel der finnischen

Grundschulen weniger als 50 Schüler unterrichtet werden, sind die Spezialisten dieses

Teams oft für mehrere Schulen zuständig.134 Ziel der Schülerfürsorge ist es, „eine

gesunde und sichere Lern- und Schulumgebung zu schaffen, die Psyche zu schützen,

einer Ausgrenzung vorzubeugen und das Wohlbefinden der Schulgemeinschaft zu

steigern.“135 Durch die Schülerfürsorge sollen die Kinder in ihrer Fähigkeit, positiv mit

anderen zu interagieren gefördert werden, um damit auch Probleme und Konflikte

besser lösen zu können. Besonders viel Gewicht wird auf das Vorbeugen und frühe

Erkennen von Problemen gelegt, damit ein ausgeglichenes Wachstum und eine

ungestörte Entwicklung der Kinder stattfinden können.136 Die Schulkrankenschwester

des Schülerfürsorgeteams hat eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, mit

einer zusätzlichen Qualifikation für vorbeugende Gesundheitsarbeit. Der

Schulsozialarbeiter hat eine sozialpädagogische Ausbildung mit besonderen

Kenntnissen in gruppentherapeutischen Methoden. Er ist unter anderem auch für die

Kontaktaufnahme mit dem Elternhaus zuständig, wenn ein Kind zum Beispiel länger

133 Matthies/Skiera (2008), S. 168ff.; Domisch (2004), S. 55134 Ministery of Education (2007), S. 10135 Zentralamt für Unterrichtswesen (2004b), S. 18f.136 Vgl.: Sarjala/Häkli (2007), S. 123

45

Page 46: Finnisches Schulsystem

vom Unterricht fern bleibt. Für viele Schüler ist auch der Schulpsychologe ein wichtiger

Ansprechpartner. Er untersteht der Schweigepflicht und kann von Schülern in Anspruch

genommen werden, die mit schweren psychischen Problemen kämpfen.137

Des Weiteren werden die Schüler durch Lernberater auf ihrem schulischen Weg

begleitet. Diese Lernberater helfen Schülern, das „Lernen zu lernen“, das heißt

geeignete Lerntechniken und -strategien aufzuspüren, realistische Zielsetzungen zu

üben, eventuelle Lernprobleme zu identifizieren und zu überkommen sowie auch

Vorstellungen über Berufswahlmöglichkeiten, Neigungen und persönliche Eignungen zu

gewinnen. Lernberatung hat in finnischen Schulen einen eigenen Platz im Stundenplan.

Der Lernberater ist ein Weiterbildungsberuf, der ein abgeschlossenes Lehramtstudium

voraussetzt.138

Ein drittes Element des Unterstützungssystems der finnischen Gemeinschaftsschulen ist

der integrierte Förder- und Sonderunterricht, der von spezialisierten Lehrkräften und

Schulassistenten durchgeführt wird. Als „Speziallehrkraft“ lässt sich die

Berufsbezeichnung der finnischen „erityisopettaja“ wohl am treffendsten übersetzen.

Würde man in diesem Kontext, wie in Deutschland, von einem Sonderschullehrer

sprechen, wäre der Tatsache, dass der Unterricht hier eben nicht in einer gesonderten

Schule stattfindet, nicht Rechnung getragen.139 Alle drei hier genannten Elemente des

finnischen Unterstützungssystems arbeiten zusammen und stimmen sich aufeinander ab.

Zu dieser Zusammenarbeit gehören regelmäßige Treffen, in denen über die Situation

aller Klassen reflektiert wird, notwendige Maßnahmen geplant, organisiert und

durchgeführten Maßnahmen evaluiert werden.140

Es ist beachtlich, wie differenziert und flexibel das finnische Fördersystem arbeitet. Die

hier abgedruckte Graphik gibt einen Überblick über die Differenzierung der förder- und

sonderpädagogischen Maßnahmen an finnischen Grundschulen.

137 Vgl.: Freymann (2002), S. 1f.138 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 156139 Vgl.: Freymann (2002), S. 5140 Vgl.: http://www.oph.fi/info/pisahelsinki/lectures/Ausschuss%20für%20Schülerfürsorge.doc

(Letzter Zugriff: 2.2.2009)

46

Page 47: Finnisches Schulsystem

Förder- und sonderpädagogische Maßnahmen in der finnischen Peruskoulu

Quelle: Thuneberg (2008), S. 3 (eigene Bearbeitung)

Je nach Art und Ausprägung des Problems wird zunächst eine den allgemeinen

Unterricht ergänzende Maßnahme gewählt. Schüler mit leichten Lernschwierigkeiten

oder Verhaltens- und Anpassungsschwierigkeiten werden zunächst dem zeitweisen

Förderunterricht zugeführt. Dieser temporäre Unterricht, der individuell oder in

Kleingruppen, nach oder während dem allgemeinen Unterricht stattfinden kann, ist ein

Angebot an alle Schüler. So kann beispielsweise jemand, der sonst ganz normal lernt,

durch Krankheit aber für eine längere Zeit vom Unterricht abwesend war, zusätzliche

Förderstunden erhalten, um den versäumten Stoff auf zu arbeiten. Kommerzielle

Nachhilfeangebote für Schüler, wie sie in vielen Ländern Europas existieren, findet man

in Finnland deshalb nicht. Die Zulassung zum zeitweisen Förder- und Sonderunterricht

ist mehr als unkompliziert: es reicht eine Empfehlung des Lehrers oder die Anfrage des

Schülers oder seines Erziehungsbeauftragten. Es ist wichtig zu betonen, dass das

ausdrückliche Ziel aller Fördermaßnahmen die Rückkehr des Schülers in den

Regelunterricht ist.141

141 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 170; Freymann (2002), S. 6; Directorate-General for Education and

47

Page 48: Finnisches Schulsystem

Werden die Defizite des Schülers jedoch durch die eben beschriebene Maßnahme nicht

kompensiert, kann er durch den Erhalt eines medizinischen oder psychologischen

Gutachtens sowie nach Zustimmung der zuständigen Schulbehörden zu einem

dauerhaften Förder- oder Sonderunterricht zugelassen werden. Je nachdem, ob nur in

einigen oder allen Fächern große Defizite bestehen, wird entweder teilweiser

Sonderunterricht oder umfassender Sonderunterricht angeboten.142 Für Schüler, die nach

dem zeitweisen Förder- und Sonderunterricht immer noch Lernprobleme zeigen, tritt die

so genannte Spezialkonferenz zusammen. Sie besteht aus dem Klassenlehrer, der

Schulkrankenschwester, dem Sozialarbeiter, dem Schulpsychologen, der

Speziallehrkraft und einem Schularzt. Unter Einbeziehung der Eltern des Schülers soll

herausgefunden werden, woher das Problem kommt. Je nachdem ob sich das Problem

als medizinisch oder beispielsweise psychologisch herausstellt, wird eine durch ein oder

mehrere Mitglieder des Teams eine bestimmte Maßnahme durchgeführt.143 Auch über

die Einbeziehung von individuellen Lern- oder Förderplänen, die im Folgenden noch

näher beleuchtet werden sollen, muss in der Spezialkonferenz beraten werden.144 Der

Lehrer, der durch die Unterstützung des Fürsorgeteams eine große Entlastung erfährt,

hat eine umso größere Kapazität, bei seinen Schülern Signale zu erkennen, die auf das

Vorhandensein eines Problems hindeuten, das durch eine angemessene Art der Fürsorge

behoben werden kann. Gründe für eine Vollzeitförderung können Behinderungen,

Krankheiten, verzögerte Entwicklung sowie starke emotionale Beeinträchtigungen sein.

Auch hier wird eine Rückkehr in den Regelunterricht angestrebt.145 In vielen Fällen, in

denen ein Schüler sonderpädagogischen Unterricht in Anspruch nimmt, ist die

Möglichkeit, das Curriculum des Regelunterrichts zu bewältigen, nicht oder nur

eingeschränkt gegeben. Laut dem nationalen Rahmenlehrplan soll jedoch kein Schüler

einfach von der Erfüllung des curricularen Lernpensums befreit werden. Stattdessen

sollen so genannte individuelle Lernpläne erstellt werden.

Culture, Eurydice (2008), S. 161f.142 Vgl.: Halinen/Järvinen (2008), S. 90ff.; Matthies/Skiera (2008), S. 171f.; Linnakylä (2004), S. 202.143 Vgl.: Freymann (2002), S. 2.144 Vgl.: Zentralamt für Unterrichtswesen (2004b), S. 17.145 Vgl.: Pabst (2005), S. 8.

48

Page 49: Finnisches Schulsystem

7.2. Von der Wichtigkeit individueller Zielsetzung

Im voran gegangenen Abschnitt habe ich versucht zu zeigen, dass die finnische

Grundschule eine inklusive Schule ist, die keine äußere Differenzierung in verschiedene

leistungs- oder interessenorientierte Lerngruppen kennt. Ein letztes „Überbleibsel“ des

in den 70er Jahren abgeschafften mehrgliedrigen Schulsystems, das eine Form der

äußeren Differenzierung darstellte, waren die so genannten Niveaukurse.146 Diese

wurden schließlich im Jahr 1984 abgeschafft, da man sie im Widerspruch mit dem so

grundlegenden Prinzip der Chancengerechtigkeit sah.

Es wurde ebenfalls deutlich, dass sich durch die verschiedenen Formen des Förder- und

Sonderunterrichtes eine starke Praxis der inneren Differenzierung ausgebildet hat. Ich

möchte, um dieses Grundcharakteristikum finnischer Schulen noch einmal zu vertiefen,

ein nähere Bestimmung dessen vornehmen, was „innere Differenzierung“ bedeutet.

Wolfgang Klafki schreibt dazu: „Innere Differenzierung meint all jene

Differenzierungsformen, die innerhalb einer gemeinsam unterrichteten Klasse

vorgenommen werden, im Unterschied zu den Formen äußerer Differenzierung, in der

Schülerpopulationen nach Gliederungs- und Auswahlkriterien, z.B. den

Gesichtspunkten unterschiedlicher Leistungsniveaus oder unterschiedlicher Interessen,

in Gruppen aufgeteilt werden und räumlich getrennt von verschiedenem Personal zu

verschiedenen Zeiten unterrichtet werden.“147

Des Weiteren kann Differenzierung innerhalb einer gemeinsam unterrichteten Klasse

zwei Formen annehmen. Zum einen kann durch die Anwendung unterschiedlicher

Methoden und Medien differenziert werden, wobei die Lernziele und -inhalte für alle

Schüler gleich bleiben. Zum anderen kann eine Differenzierung in Bezug auf Lernziele

und - inhalte vorgenommen werden. Diese zweite Form der inneren Differenzierung ist

in sehr heterogenen Lerngruppen, in welchen nicht alle Schüler die Ziele und

Stoffmenge des Lehrplans in gleicher Weise bewältigen können, oft nötig. In der

finnischen Schule hat man sich dazu ein wirkungsvolles Instrument erarbeitet: die

individuellen Lernpläne.148

146 Vgl.: Domisch (2004), S. 36. 147 Zit. in: Pfeifer (2006), S. 38.148 Vgl.: Pfeifer (2006), S. 39ff.

49

Page 50: Finnisches Schulsystem

7.2.1. Der individuelle Lernplan

Individuelle Lernpläne bieten die Möglichkeit, das Lernpensum in einigen oder allen

Fächern an die Fähigkeiten des Schülers anzupassen. Der Stoff des Lehrplans kann auf

seine wesentlichen Kernelemente reduziert werden, so dass der Schüler im Rahmen des

allgemeinen Lehrplans positive Lernerfolge verzeichnen kann, die ihn zu weiterem

Lernen ermutigen und anspornen.

Natürlich wird auch die Bewertung des Schülers anhand der Kriterien vorgenommen,

die der individuelle Lehrplan enthält. Kinder mit Migrationhintergrund können solche

individuelle Lernpläne erhalten, wenn sie beispielsweise parallel zum normalen

Unterricht die betreffende Landessprache (Finnisch oder Schwedisch) erlernen müssen.

In Deutschland wäre das Zurückbleiben eines schwachen Schülers hinter den

Anforderungen der jeweiligen Klassenstufe Grund genug, die Wiederholung der Klasse,

gegebenenfalls auch die Versetzung in eine andere Schulform zu bewirken. Die damit

verbundene Stigmatisierung und negative Grundaussage kann für einen Schüler in

keiner Weise ermutigend wirken. Studien zeigen, dass der erhoffte Effekt, nämlich die

Verbesserung der Leistungen des Schülers, bei Nichtversetzung oder Überführung in

eine andere Schulform meist nicht eintritt. Die Möglichkeit, den Lehrplan an die

Fähigkeiten des Schülers anzupassen, während er weiterhin in seiner Klasse bleibt,

scheint eine weitaus ermutigendere Aussage zu beinhalten: „Nicht Du bist das Problem,

wenn Du versagst, sondern wir als Lehrer sind gefordert, Dich entsprechend Deiner

Fähigkeiten zu fördern.“ Die Orientierung an einem allgemeinen Leistungsstandard, den

die Klasse zu halten hat tritt hinter einer Orientierung am Individuum und dessen

bestmöglicher Förderung zurück.

Die Erstellung der individuellen Lernpläne findet in gemeinsamer Beratung der Lehrer

unter Einbeziehung des betreffenden Schülers und seiner Erziehungsberechtigten statt.

Grundlage ist eine genaue Beschreibung des Entwicklungsstandes des Schülers, von der

ausgehend die allgemeinen Ziele und Inhalte des Lehrplans realistisch angepasst und

zugeschnitten werden können.149

149 Vgl.: Pabst (2005), S. 7f.

50

Page 51: Finnisches Schulsystem

7.2.2. Der persönliche Förderplan

Für Schüler, die Sonderunterricht erhalten, muss ein gänzlich an die individuellen

Bedürfnisse angepasstes Förderprogramm erstellt werden. Hier wird die Auswahl von

Zielen, Inhalten und Methoden weniger vom Regellehrplan, sondern von den speziellen

Lernbedürfnissen des Schülers abhängig gemacht. Die finnische Abkürzung für diesen

so genannten Förderplan lautet HOJKS150. Er dient dazu, den Lernprozesse des Schülers

langfristig zu strukturieren und zu fördern. Der Förderplan muss die Fähigkeiten und

Stärken des Schülers, seine besonderen lernbezogenen Bedürfnisse und die daraus

abgeleitete Entwicklungserfordernisse enthalten. Die Entwicklungsfortschritte, die der

Schüler macht, sollen genau dokumentiert werden, so dass auch bei einem Wechsel in

eine andere Schule, der Förderprozess optimal fortgesetzt werden kann. Außerdem

werden in ihm kurz- und langfristige Lern- und Unterrichtsziele sowie die Inhalte

derjenigen Fächer, die nach einem angepassten Lernpensum gelernt werden,

festgehalten. Der persönliche Förderplan gibt zudem darüber Aufschluss, welche

Prinzipien der Lernerfolgskontrolle und Evaluierung angewendet und welche

Methoden, Materialien und zusätzlich in Anspruch genommene Maßnahmen in den

Unterricht integriert werden. Es versteht sich auch hier, dass die Bewertung des

Schülers hier ganz individuell, gemessen an den Vorgaben des persönlichen

Förderplans, geschieht. Die Elemente der Förderpläne, die in den Bereich der

Schülerfürsorge fallen, werden in Kooperation mit den Gesundheitsbehörden erstellt.

7.3. Die Entwicklung des Förder- und Sonderunterrichts in Finnland

Die folgende Graphik soll die Entwicklung des Förder- und Sonderunterrichtes,

aufgeschlüsselt nach Praktiken der Inklusion, des zeitweisen Förder- und

Sonderunterrichts sowie der Segregation, im vergangenen Jahrhundert darstellen.

150 Das ist die Abkürzung für "Henkilökohtainen opetuksen järjestämistä koskeva suunnitelma", waswörtlich soviel bedeutet wie Ein Ausbildungsprogramm, das auf persönliche Bedürfnisse abgestimmtist.

51

Page 52: Finnisches Schulsystem

Quelle: Pabst (2005), S. 8

Betrachtet man den Anteil der Schüler, der in Finnland Förderunterricht in Anspruch

nimmt, erscheint dieser zunächst sehr hoch. Im Schuljahr 2004/05 nahmen 25 % der

Schüler der Klassen 1-6 zeitweisen Förderunterricht in Anspruch. In den Klassen 7-9

waren es noch 16 %. Einen dauerhaften Sonderunterricht – entweder in einem oder

mehreren Fächern - erhielten im Jahr 2005 8% aller Kinder im Alter von 7-16 Jahren.

Von diesen Kindern lernten 32 % nach dem allgemeinen Lehrplan, 23 % nach einem in

einem Teil der Fächer abgewandelten Lehrplan und 45 % nach gänzlich modifizierten

Lehrplan.151 Auffällig ist, dass 70% der Schüler, die Förder- oder Sonderunterricht in

Anspruch genommen haben, Jungen sind. Zirka 2,5 Prozent eines Altersjahrgangs

besuchen eine Sonderschule. Zumeist sind es Kinder, die erhebliche Seh- oder

Hörbehinderungen aufweisen.152

Nachdem in diesem Kapitel ein weiteres wichtiges Element der Qualität des finnischen

Schulsystems gefunden und erörtert wurde, werde ich mich der Darstellung eines

weiteren Elementes widmen: der Kultur des Vertrauens.

151 Vgl.: Pabst (2005), S. 8.f. 152 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 177.

52

1921 1931 1941 1951 1961 1966 1971 1976 1981 1988 1995 1999 2001 2003

0

5

10

15

20

25

30

Entwicklung des Förder- und Sonderunterrichts in Finnland

Grundschule, 1920 - 2003

Gesamt

Inklusion

Teilzeit

Segregation

Jahr

% d

er G

es

am

the

it a

ller S

chü

ler

Page 53: Finnisches Schulsystem

8. Kultur des Vertrauens: Grundlage des finnischen Schulsystems

8.1.1. Evaluieren statt Prüfen: Warum die Schulinspektion abgeschafft wurde

Zu Beginn der 90er Jahre wurde in Finnland die Schulinspektion abgeschafft.

Interessanterweise ging die Initiative dazu von den Schulinspektoren der obersten

finnischen Schulbehörde aus.153 Die Inspektoren schätzten den Beitrag, den die

damaligen Inspektionen für die Qualitätsentwicklung der Schulen leisteten, als höchst

unbefriedigend ein.154 Das hatte zwei wesentliche Gründe. Zum einen war die

Informationsgewinnung durch die Inspektion zu punktuell, um ein realistisches Bild

vom Stand der Bildungsentwicklung in den Schulen geben zu können. Zum anderen

wurden die Ergebnisse der Inspektionsbesuche, die in Berichten festgehalten wurden,

auf der Schulebene zu wenig zur Kenntnis genommen, so dass sie in der Praxis keine

oder nur wenig Veränderung bewirken konnten.155 Dass nun die Inspektion nicht

effektiver gestaltet wurde, sondern ein gänzlich neues System an ihre Stelle trat, ist in

Bezug auf die während der letzten Jahrzehnte statt findenden Entwicklungen des

finnischen Bildungssystems mehr als konsequent. Die Kommunen und Schulen hatten,

wie bereits dargelegt, im Zuge der Dezentralisierung und Deregulierung innerhalb des

Bildungswesens einen größeren Freiraum erhalten, über ihre eigenen Aktivitäten zu

entscheiden. Viele Schulen erarbeiteten sich eigene Profile und setzten sich, im Rahmen

der nationalen Vorgaben, spezifische Ziele, wobei hier, zum großen Vorteil der

Entwicklungen, umfangreiche Informationen über die lokalen Gegebenheiten und

verfügbaren Ressourcen einbezogen wurden. Da die jeweiligen Kommunen und

Schulen einen größeren Einblick in ihre eigenen Bedingungen und Möglichkeiten,

Herausforderungen und Zielsetzungen haben, wurden sie in Finnland durch das

Ministerium für Bildung beauftragt, ihre eigene Arbeit zu evaluieren. Zudem sah man,

neben der internen Evaluierung auf Kommunal- und Schulebene, regionale, nationale

und internationale Evaluierungen als ebenso notwendig an. Die regionalen

Evaluierungen, die von den sechs Provinzialregierungen durchgeführt werden, sollen

153 Vgl.: Domisch (2004), S. 41.154 Vgl.: Sarjala/Häkli (2008), S: 199; Vgl. Erklärung: „Die Schulinspektoren waren Fachreferenten, die

in regelmäßigem Abstand Schulen besuchten, Unterricht mitverfolgten, Gespräche führten und danneinen Bericht schrieben. Diese Inspektoren waren Beamte der obersten Schulbehörde (kouluhallitus)oder auch der Bezirksregierungen (lääninhallitus). Böttcher (2007), S. 166

155 Vgl.: Domisch (2004), S. 41.

53

Page 54: Finnisches Schulsystem

vor allem den gleichberechtigten Zugang zu Bildungseinrichtungen überprüfen.156 Auch

an internationalen Vergleichsstudien nahm Finnland bis heute regelmäßig teil. Von

Interesse für die vorliegende Arbeit sind vor allem die externen (nationalen)

Evaluierungen, sowie ihre Verbindung zur Selbstevaluierung der Schulen. Ohne

nationale Überprüfungen könnte nicht festgestellt werden, wie gerecht die

Bildungschancen innerhalb des Landes verteilt sind. Ebenso könnten gute Ansätze und

Erfahrungen einzelner Schulen und Kommunen nicht so gut für die landesweite

Schulentwicklung genutzt werden.157 Die nationalen Gesetze zur Evaluation im

Bildungssystem betonen an zahlreichen Stellen, dass der Hauptzweck der Evaluationen

nicht das Überprüfen und Kontrollieren des Schulsystems, sondern die zielgerichtete

und kontinuierliche Entwicklungsförderung des Schulsystems auf allen Ebenen ist.

Damit die Evaluierungsergebnisse direkt für die Schulentwicklung genutzt werden,

wurden Kommunen und Schulen verpflichtet, regelmäßig Arbeitspläne zu erstellen.158

Ich möchte im folgenden Abschnitt die Prinzipien, die Ziele sowie die Funktionsweise

des Evaluierungssystems für die finnischen Schulen beschreiben.

8.1.2. Externe und interne Evaluation

Die Durchführung der externen Evaluation des Schulwesens gehört zu den

Aufgabenbereichen des Zentralamtes für Unterrichtswesen. Es arbeitet in dieser

Aufgabe eng mit dem im Jahr 2003 gegründeten „Finnischen Evaluationsrat für

Bildung“ sowie mit den Universitäten zusammen. Obwohl in Finnland seit den 60er

Jahren landesweite Evaluierungen des Bildungsbereichs stattgefunden haben, hatten

diese keine gesetzliche Grundlage. Das Ministerium für Bildung hat erst im Jahr 1998

diese Grundlage geschaffen und damit die Mehr-Ebenen-Evaluation zu einem fest

verankerten Element in der finnischen Bildungssteuerung gemacht. Zudem mussten in

mehrjähriger Arbeit Indikatoren, Methoden etc. entwickelt werden, anhand deren die

verschiedenen Aspekte des Gesamtsystems untersucht werden können. Dies fand in

156 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 193.157 Bemerkung: Durch die Kombination der Prinzipien der freien Schulwahl und der Dezentralisierung

hat in Finnland eine gewisse „Marktorientierung“ in das Bildungswesen Einzug gehalten, die eineGefahr für die Chancengerechtigkeit des Gesamtsystems in sich birgt. Hier ist haben die nationalenEvaluierungen eine ganz entscheidende Aufgabe. Vgl.: Linnakylä (2004), S. 190

158 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 192.

54

Page 55: Finnisches Schulsystem

Finnland zu Anfang der 90er Jahre statt.159

Gesteuert wird das Bildungssystem, wie bereits erwähnt, hauptsächlich durch so

genannte Ergebniskontrolle (Outputkontrolle). Der „Output“ des Schulsystems wird

jedoch nicht einseitig aufgefasst. Es gehören nicht nur Leistungsergebnisse in

Kernfächern wie Mathematik oder Finnisch, sondern auch das Wohlbefinden der Lehrer

und Schüler und die Zufriedenheit mit dem kostenlosen Schulessen dazu. Es versteht

sich, dass, wenngleich das Konzept der Outputkontrolle der Wirtschaft entnommen ist,

im Bereich der Bildung vieles nicht so einfach zu messen ist wie monetäre Gewinne

oder Verluste. Drei unterschiedliche Ansätze werden in den nationalen Evaluationen

miteinander kombiniert: Evaluierungen und Analysen eines Ist-Zustandes (z.B. der

Zustand des schwedischsprachigen Bildungsbereichs, die Situation des Förder- und

Sonderpädagogischen Unterrichts), thematische Evaluierungen (z.B. Lernen am

Arbeitsplatz, künstlerische Bildung in der Grundschule) und die Evaluierung der

Leistungsergebnisse in allen Bereichen.160

2003 wurde ein „Finnischer Evaluationsrat für Bildung“ gegründet, um die Rolle der

Evaluierung für die Entwicklung des Bildungswesens zu stärken sowie die Kooperation

und den Informationsfluss zwischen den Akteuren auf allen Ebenen zu verbessern.161

Der Evaluationsrat ist eine von der finnischen Regierung unabhängige Körperschaft, die

sich unter anderem aus Repräsentanten der Bildungsträger und -anbieter, der

Bildungseinrichtungen, Verwaltung, Lehrer- und Studierendenorganisationen sowie aus

Experten für Bildungsevaluation und Bildungsforschung zusammensetzt. Er leistet in

Kooperation mit den Universitäten den wesentlichen Beitrag zur Evaluationsforschung

in Finnland, organisiert Evaluationen und ist für die Publikation der

Forschungsergebnisse und deren Auswertung zuständig. Zu seinen Aufgaben gehört -

im Sinne des Prinzips der Verbindung von Evaluieren und Handeln - die Entwicklung

des Systems. Das Sekretariat des Evaluationsrates ist eine Institution der Universität in

Jyväskylä.162

Auf regelmäßiger Basis werden nationale Evaluierungen in Mathematik, Muttersprache

und Literatur durchgeführt. Die Untersuchungen basieren auf einer hinsichtlich

verschiedener Variablen repräsentativen Stichprobe von 5-10% der Schüler einer

159 Vgl.: Ministerium für Bildung (2006), S. 12f.160 Vgl.: Linnakylä (2004), S. 192.161 Vgl.: Ministerium für Bildung (2006), S. 13. 162 Vgl. ebenda.

55

Page 56: Finnisches Schulsystem

landesweiten Lehrgangskosten. Es werden bei der Auswahl das soziale Umfeld der

Schule, Stadt-Land-Differenzen und anderes berücksichtigt.163 Zusätzlich dazu werden

auch unregelmäßigere Untersuchungen in anderen Fächern (Englisch, zweite

Landessprache, Religion, Sport, Chemie, Physik) wie auch verschiedene thematische

Untersuchungen (Kommunikationsfähigkeiten, praktische Fertigkeiten an

Berufsschulen) durchgeführt. Das hauptsächliche Ziel der nationalen Evaluationen ist

es, sicher zu stellen, dass die Ziele der landesweit gültigen Richtlinien und Statuten

erreicht und eingehalten werden. So beziehen sich nach den Aussagen von Rainer

Domisch etwa 80 % der Evaluierungsaufgaben ganz direkt auf Aussagen der nationalen

Rahmenlehrpläne.164

Ein wichtiges Prinzip ist die Transparenz der Evaluation, betreffend ihrer Kriterien,

ihrer Durchführung als auch der Ergebnisse. Pirjo Linnakylä schreibt dazu: „The

organisations to be evaluated and the individuals working within them must be duly

informed about the purpose, timing and consequences of the evaluation. Evaluation

must give space to local objectives, interpretations and expectations.“165

Die Schulen können die Aufforderung zur Teilnahme an landesweiten Evaluierungen

nicht ablehnen. Es besteht allerdings auch kein Grund zur Ängstlichkeit. Zum einen

wird keine Schule stigmatisiert, wenn sie schlechte Ergebnisse erzielt.

Unterdurchschnittliche Evaluationsergebnisse sollen als Anlass dienen, bestehende

Probleme konstruktiv, beratend und gemeinschaftlich in Angriff zu nehmen. Zusammen

mit dem Zentralamt für Unterrichtswesen werden Entwicklungs- und Förderprogramme

erstellt. Es wird streng darauf geachtet, dass die Ergebnisse, die eine einzelne Schule

erzielt, nicht an die Öffentlichkeit oder andere Schulen, sondern nur an die betreffende

Schule selbst gelangen. Es existieren auch keine Ranglisten von Schulen, lediglich

Mittelwerte werden veröffentlicht.166

Viele Schulen sehen die Möglichkeit zur Teilnahme an nationalen Evaluierungen

tatsächlich als Chance. So nimmt beispielsweise ein Großteil der Schulen im Großraum

Helsinki jedes Jahr freiwillig an den nationalen Evaluierungen teil. Die Kosten für die

freiwillige Teilnahme müssen die Kommunen selbst tragen.167

163 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 21164 Vgl.: http://www.finnland-institut.de/fileadmin/content/de/Publikationen/PDFs/Rainer_Domisch.pdf

(Letzter Zugriff: 2.2.2009)165 Linnakylä (2004), S. 194166 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 22167 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 15.

56

Page 57: Finnisches Schulsystem

Neben der „externen“, landesweiten Evaluierung gibt es in Finnland eine „interne“

Evaluierung, die im Bereich der Verantwortung der Kommunen und Schulen liegt.

Diese Form der Evaluierung ist, wie die externe Evaluierung, verpflichtend, wie der

folgende Auszug aus dem Grundschulgesetz zeigt: „An education provider shall evaluate

the education it provides and its impact and take part in external evaluations of its

operations.“168 Die Schulen haben den Auftrag, selbst geeignete Methoden zur

Evaluierung zu entwickeln. Bei Bedarf können sie auch Unterstützung von Seiten des

Zentralamtes für Unterrichtswesen anfordern. Die Ergebnisse der regelmäßig

durchzuführenden internen Evaluierungen werden teilweise als Grundlage für die

externe Evaluierung verwendet.169

8.2. Der Umgang mit Benotung und Bewertung im Unterricht

Auch in Finnlands Schulen werden Schüler von der ersten Klasse ab eingeschätzt und

bewertet. Allerdings dürfen in den ersten vier Schuljahren keine Noten, sondern

ausschließlich verbale Beurteilungen gegeben werden. In der 5. und 6. Klasse liegt es

im Ermessen des Lehrers, ob eine zusätzliche Bewertung durch Noten erfolgt. Erst ab

der 7. Klasse müssen die Leistungen der Schüler auf einer Notenskala von 4-10

bewertet werden. Die Note 8 bescheinigt dem Schüler eine gute Kompetenz. In den

Standards der Rahmenrichtlinien wird genau beschrieben, was „gute Kompetenz“ in den

einzelnen Fächern bedeutet.170 Um diese Beschreibungen möglichst realistisch

formulieren zu können, wurden in ganz Finnland empirische Untersuchungen mit

Schülern durchgeführt. Rainer Domisch vom finnischen Zentralamt für

Unterrichtswesen beschreibt exemplarisch eine solche Untersuchung: „Wir haben für

das Fach Deutsch (...) über zwei Jahre lang Kassetten, also mündliche

Kompetenzproben, und Aufsätze aus dem ganzen Land gesammelt, haben dabei mit

Hunderten von Lehrern und Fachleuten der Universitäten zusammengearbeitet und so

heraus gefiltert, was die Schüler im Land können. Dadurch haben wir festgestellt, was

als gute Kompetenz gelten kann.“171 Man verzichtete bewusst darauf,

Mindestanforderungen oder außergewöhnliche Leistungen zu beschreiben. An der168 Ministry of Education (2004a), S. 5.169 Vgl.: Pätzold/Rost (2004), S. 22f.170 Vgl.: Domisch (2004), S. 58.171 Domisch (2004), S. 59

57

Page 58: Finnisches Schulsystem

Bemühung um eine möglichst genaue Kompetenzbeschreibung der guten Leistung wird

deutlich, dass Noten ab der 7. Klasse eine wichtige Orientierungsfunktion haben sollen.

Der Fokus liegt in Finnland jedoch nicht auf dem „Abprüfen“ und Bewerten von

Leistungen, sondern auf der Feedbackfunktion der Bewertungen, die den Schülern in

der Einschätzung ihrer Entwicklung helfen soll.172 „Die Evaluierung während der

Schulzeit“, so heißt es im Rahmenlehrplan, „soll das Lernen lenken und motivieren und

aufzeigen, wie gut der Schüler die Bildungs- und Lernziele erreicht hat. Aufgabe der

Evaluierung ist es auch, dem Schüler ein realistisches Bild über sein Lernen und seinen

Entwicklungsstand zu vermitteln und somit auch das Persönlichkeitswachstum des

Schülers zu stärken.“173

Außer der Benotung durch Ziffern gibt es zahlreiche ergänzende Evaluierungspraktiken,

wie etwa Selbstevaluierung der Schüler, Elterngespräche174 oder Portfolios. Zumindest

einmal im Schuljahr muss für jeden Schüler ein individueller Bericht verfasst werden,

der seine Entwicklung in verschiedenen Leistungs- und Kompetenzbereichen

wiedergibt. Sitzenbleiben kommt in Finnland fast nicht vor. Am Ende der neunjährigen

Grundschule gibt es keine Abschlussprüfungen, sondern lediglich ein Abschlusszeugnis,

mit dem die Schüler die Zugangsberechtigung zu weiterführenden Schulen erhalten.

8.3.1. Autonomie der Schulen: Die Vorteile der Dezentralisierung und Deregulierung

8.3.2. Beispiel: Kommunen und Schulen als Entwickler schulspezifischer Curricula

Eine der wichtigsten Aufgaben, die den finnischen Kommunen und Einzelschulen im

Zuge der Dezentralisierung und Deregulierung der 90er Jahre zukam, war die Erstellung

und Implementierung eigener schulspezifischer Curricula. Von dieser Zeit an waren die

Kommunen und Einzelschulen nicht mehr nur Ausführende von curricularen Vorgaben,

die auf nationaler Ebene entwickelt und festgesetzt wurden, sondern waren

172 Vgl. dazu den folgenden Kommentar: „When entering upper secondary education“, schreibt Sahlberg(...), „Finnish students have no experience of high-stake standardized testing in school unlike theirpeers in many other countries where testing has become an integral element of school life. In acomparative study on teachers’ experiences in different accountability policies we concluded that 'thepressure of a structured instructional model of teaching and external assessment of pupils’achievement is having dramatic consequences according to some teachers' (Berry & Sahlberg 2006, p.24)This study also suggests that in Finland most basic school teachers teach in order to help theirstudents to learn, not to pass tests.“ Sahlberg (2006), S. 13

173 Zentralamt für Unterrichtswesen (2004b), S.41174 Anmerkung: Die Elterngespräche müssen in Finnland immer in Anwesendheit des Schülers

stattfinden.

58

Page 59: Finnisches Schulsystem

aufgefordert, aktiv an landesweiten Prozessen der Bildungsplanung und

Schulentwicklung Teil zu nehmen. Die nationalen Rahmenlehrpläne waren zwischen

1970 und 1995 durch zweimalige Revision in ihrem Umfang von 650 Seiten auf 100

Seiten gekürzt worden. Alle staatlichen Vorgaben der Rahmenlehrpläne von 1995

waren, wenngleich auch präzise formuliert, überaus allgemein und

interpretationsbedürftig.175 Als Bildungsträger waren die Kommunen nun per Gesetz

verpflichtet, für eine Konkretisierung und Spezifizierung dieses curricularen Rahmens

zu sorgen. Ein wichtiger Aspekt dieser Aufgabe bestand darin, regionale und lokale

Besonderheiten und Herausforderungen verstärkt in die konkrete Bildungsplanung

einzubeziehen. Zur Veranschaulichung sollen einige Fragen dienen, auf die so oder

anders bei der lokalen Lehrplanentwicklung eingegangen werden sollte: Von welchen

Werten wird die Gemeinschaft getragen? Welche nachhaltigen Entwicklungen werden

von den Kommunen gefördert? In welcher Weise bemüht sich die Kommune um

Sicherheit, familiäre Wohlfahrt oder die Entwicklung von IT-Strategien? Gibt es

Programme zur Drogenprävention? Sind Intoleranz, Alkoholmissbrauch oder Gewalt

ein akutes Thema? Entstehen soziale oder sprachliche Herausforderungen durch

Minderheiten mit Migrationshintergrund? Hat die Region klimatische und

geographische Herausforderungen?

An solchen Fragen wird deutlich, dass die erste wesentliche Rolle der Kommunen bei

der lokalen Lehrplanentwicklung darin besteht, Gegebenheiten und Entwicklungen des

sozialen Umfelds der Schüler und schulische Bildungsprozesse aufeinander zu beziehen

und füreinander fruchtbar zu machen. Es ist evident, dass eine zentralistische Steuerung

diese Aufgabe nicht angemessen bewältigen könnte, da die nicht auf die notwendige

Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten zurückgreifen kann.

Innerhalb der letzten Jahrzehnte erlebte das finnische Schulwesen etwa alle zehn Jahre

eine nationale Curriculumreform (1970, 1985, 1994, 2004). Besonderes Augenmerk

verdienen die Arbeits- und Entscheidungsprozesse, die den letzten beiden dieser

Lehrplanreformen zu Grunde lagen. Seit den 90er Jahren wurde die Entwicklung des

nationalen Lehrplans ein zunehmend interaktiver und kommunikativer Prozess, der

Lehrer, Schulen, Kommunen und nationale Gremien miteinander verband. Man rief das

so genannte „Aquariumsexperiment“ ins Leben, das seinen Namen einer bis dahin

175 Vgl.: Domisch (2004), S. 39.

59

Page 60: Finnisches Schulsystem

neuartigen Form der Zusammenarbeit verdankt: Die Lehrplanentwicklung des

Zentralamtes für Unterrichtswesen sowie der Schulen wurden offen und transparent

gestaltet. Jeder Interessierte konnte sie, wie in einem Aquarium, verfolgen und durch

Fragen, Kommentare oder Vorschläge bereichern.176 Eine große Anzahl Schulen wurde

vom Zentralamt für Unterrichtswesen für eine enge, wissenschaftliche Zusammenarbeit

ausgewählt. Diese so genannten „Aquariumsschulen“ bildeten die experimentelle

Grundlage, auf der beurteilt werden konnte, ob sich die „Theorie“ der Lehrplanentwürfe

in der Praxis gut bewährt. In besonderer Weise waren hier die Lehrer, nicht zuletzt aber

Eltern und auch Schüler eingebunden. Irmeli Halinen, ehemalige Direktorin einer

„Aquariumsschule“ berichtet wie folgt: „Zu dieser Zeit arbeitete ich als Direktorin an

einer der Aquariumsschulen und ich weiß, wie inspirierend es für uns war, als wir

endlich das gesamte Bildungssystem beeinflussen konnten. Und das lies uns spüren,

dass unser Expertenwissen im Lehren und Lernen wertgeschätzt und für

Entwicklungsprozesse auf nationaler und kommunaler Ebene genutzt wurde. Diese

Wertschätzung des Lehrerberufs und der damit verbundenen Expertise ist sehr wichtig

in der finnischen Bildung.“177

Diese Entwicklung wurde fortgesetzt, als im Jahr 2000 das nunmehr vierte nationale

Kerncurriculum erarbeitet wurde. Um möglichst viele praxisnahe Erfahrungen in die

Lehrplanentwicklung einzubeziehen, wurde, nach dem Vorbild des Aquariumprojekts,

ein Netzwerk von 500 repräsentativen Schulen aus 200 Kommunen gebildet, deren

ausdrückliche Aufgabe es war, alle Entwürfe zum Curriculum kritisch und konstruktiv

zu kommentieren. Der Kreis derer, die sich um die erneute Reform des Kerncurriculums

bemühten, wurde im Jahr 2000 auf Lehrerausbilder, Verlage sowie Menschen, die

verschiedene Bereiche der Gesellschaft repräsentierten ausgeweitet. Die Anwendung

einer Arbeitsweise wie der kollektiven Curriculumentwicklung bedeutet eine große

Herausforderung für alle Akteure sowie die Schule als Ganzes, da sie das Entstehen

einer neuen Schulkultur braucht, deren Eckpfeiler Offenheit, Vertrauen, Kreativität,

Partizipation und eine hohe Verantwortlichkeit sind.178

Die Vorteile, die ein solcher Ansatz bietet, liegen auf der Hand. Zum einen erlangen alle

Beteiligten Kenntnis über die Ziele und Inhalte des nationalen Curriculums, da dieses

176 Vgl.: Halinen (2005), S. 4.177 Ebenda.178 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 130ff.

60

Page 61: Finnisches Schulsystem

die Grundlage der Lehrplanentwicklung bildet. Des Weiteren führt eine intensive

Involvierung der Lehrer und Schüler in die Curriculumentwicklung zu höherem

Commitment gegenüber dem, was in den Curricula festgesetzt ist. Die Verbreitung

neuer Ideen über alle Ebenen hinweg ist eine weitere Stärke des Networking-Ansatzes.

Die Schulen können sich über ihre besonderen Stärken bewusst werden und daraufhin

entscheiden, ob sie Schwerpunkte wie Sprachen, Musik, Medien und Kommunikation,

Informationstechnologie oder Umwelterziehung besonders fördern wollen.

Da die Erstellung des Curriculums eine kontinuierliche Reflexion und Einigung über

grundlegende Wertvorstellungen und Ziele, welche die pädagogische Arbeit leiten

sollen, voraus setzt, werden Lehrer und Direktoren in diesem Prozess inspiriert, eine

Veränderung ihres pädagogischen Denkens zu vollziehen, und zwar in folgender

Hinsicht: Der Fokus verschiebt sich von der Vermittlung von Unterrichtsinhalten zur

Förderung von Kompetenzen, wie Problemlösefähigkeit oder intelligentem Verarbeiten

und Vernetzen von Wissen.

Ich möchte nun zur finnischen Lehrerausbildung übergehen, um zu prüfen, was sie

auszeichnet und welchen Beitrag sie zur Qualität des Schulsystems leistet.

9. Finnische Lehrerausbildung

9.1. Nur die Besten werden Lehrer: Auswahlverfahren zum Lehramtstudium

Der Lehrerberuf genießt in Finnland in allen Teilen der Gesellschaft ein hohes Ansehen.

Er nimmt auch unter den Wunschberufen junger Abiturienten den ersten Rang ein, und

das, obwohl die Gehälter finnischer Lehrer eher unterdurchschnittlich sind. Eine 2004

mit Jugendlichen zu Beginn ihrer Abiturzeit durchgeführte Studie zur Beliebtheit

verschiedener Berufe ergab, dass sich 26% den Lehrerberuf als interessanten, potentiell

eigenen Berufsweg vorstellen können.179 Die Konsequenz einer so großen Popularität ist

eine überdurchschnittliche Zahl an Bewerbern für eine begrenzte Anzahl von

Studienplätzen. Nur etwa durchschnittlich 10% der Bewerber können in jedem Semester

zum Lehramtstudium zugelassen werden.180 Sicherlich kann man diesen Zustand in179 Im Vergleich die Beliebtheit einiger anderer Berufe: Psychologe (18 %), Künstler, Musiker (18 %),

Architekt (15 %), Arzt (10 %), Krankenschwester (9 %) und Priester (2 %).Vgl. online:http://earged.meb.gov.tr/earged/duyurular/13_04_2008/dosyalar/ingilizce/teacher_education_in_finland.swf (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

180 Vgl.: Linnakylä, S. 155.

61

Page 62: Finnisches Schulsystem

Bezug auf das Schulsystem als Luxus ansehen. Denn finnische Universitäten können

sich die allerbesten und geeignetsten jungen Menschen für das Lehramtstudium

auswählen. Bei dieser Auswahl kommt es nicht allein auf Wissen und fachliche

Kompetenz an. Motivationale Aspekte, soziale Fähigkeiten und das Verständnis von

pädagogischen Prozessen spielen eine wichtige Rolle. Das Bewerbungsverfahren für

Lehramtsanwärter ist zweifach gestaffelt. Die Abiturienten schicken zunächst eine

schriftliche Bewerbung an die von ihnen bevorzugten Universitäten. Dort wird der Teil

der Bewerber, der landesweit auf Grund seiner Abiturnoten, früherer Studienleistungen

und geeigneter Praxiserfahrungen (z.B. als Lehrassistenten)181 den Anforderungen

genügt, zur zweiten Auswahlrunde auf Universitätsebene eingeladen. Da der Numerus

Clausus eine wichtige Rolle bei der Aufnahme zum Lehramtstudium spielt und

Mädchen in Finnland im Durchschnitt deutlich bessere Abiturleistungen haben, ist der

Anteil der Frauen im Lehramtsstudium und damit auch im Lehrerberuf

unverhältnismäßig hoch.182 Jede Universität entwickelt eigene Kriterien und Verfahren,

um die Eignung der Bewerber festzustellen. Zu den Bestandteilen der Prüfung können

Einzelinterviews und Gruppengespräche, das Verfassen eines Essays, simulierte

Unterrichtssituationen, Diskussionen und diverse andere schriftliche oder praktische

Aufgaben zählen.183 Matti Meri, Professor für Erziehungswissenschaft an der

Universität Helsinki und Verantwortlicher für das universitäre Auswahlverfahren für

Lehramtsanwärter, gibt zu verstehen, dass es in den Tests besonders um die

pädagogischen Einstellungen, Denk- und Zugangsweisen der Kandidaten gehe. „Wer

sagt“, so berichtet Professor Meri, „er hält seine Stunde: erstens, zweitens, drittens, den

nehmen wir nicht. Wer die ganze Prüfung über nicht einmal lacht, den nehmen wir

nicht. Wer zu viel redet, den nehmen wir nicht.“184 Warum bei der Eignungsprüfung

fachliche Kompetenz und Wissen hinter der Pädagogik zurück tritt, begründet er wie

folgt: „Wir brauchen niemanden, der wunderbar Flöte spielt, wir brauchen Menschen,

die sich fragen: Wie erreiche ich, dass die Kinder gerne Flöte spielen?“185

181 Für zukünftige Berufsschullehrer werden z.B. mindestens 3 Jahre Berufserfahrung verlangt182 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 210.183 Vgl.: Mikkola (2008), S. 184f.184 Sußebach/Willeke. Wo die Lehrer sitzen bleiben. Die Zeit, 19.04.2007, S. 9.185 Ebenda.

62

Page 63: Finnisches Schulsystem

9.2. Überblick über die finnischen Lehrerprofessionen

Im Zuge der Reformen wurden in Finnland die Ausbildungen von fünf Lehrer-

professionen an die Universität verlegt. Diese Professionen sind der Kindergartenlehrer,

der Primarschullehrer (Klassenlehrer), der Fachlehrer, die Speziallehrkraft und der

Beratungslehrer. Die Lehrerbildung findet innerhalb eines landesweiten Netzes von elf

Universitäten, davon einer schwedischsprachigen und drei Kunsthochschulen, statt. Das

Netz dieser Universitäten ist flächendeckend, was bei der geringen Bevölkerungsdichte,

besonders im Norden des Landes erstaunt.186Der Regelunterricht der Peruskoulu wird

von den Klassen- und Fachlehrern durchgeführt. Erstgenannte unterrichten die Klassen

1-6 in sämtlichen Unterrichtsfächern, letztere sind für die 7. - 9. Klasse der Peruskoulu

sowie die allgemein- und berufsbildende gymnasiale Oberstufe verantwortlich und

unterrichten ein oder zwei Fächer. Klassenlehrer und Fachlehrer absolvieren ein etwa

fünfjähriges Masterstudium, wobei angehende Klassenlehrer Erziehungswissenschaften

im Hauptfach, Fachlehrer das Unterrichtsfach, welches sie später unterrichten werden,

im Hauptfach studieren.187 Lehrer für berufsbildende Schulen ergänzen einen Abschluss

in einem beruflichen Feld durch ein anschließendes pädagogisches und

erziehungswissenschaftliches Studium. Die Professionen des Sonderpädagogen und des

Beratungslehrers sind Spezialisierungen, die im Anschluss an ein abgeschlossenes

Lehramtsstudium erworben werden. Zukünftige Kindergarten- und Vorschullehrer

absolvieren ein dreijähriges Bakkalaureatsstudium.188

Im Folgenden möchte ich exemplarisch einen Überblick über Aufbau, Ziele und Inhalte

des Klassenlehrerstudiums und - in sehr groben Zügen - des Fachlehrerstudiums an

finnischen Universitäten geben. Zuvor ist es noch notwendig, einige generelle

Eigenschaften und Prinzipien der Lehrerausbildung in Finnland darzulegen.

9.3. Grundcharakteristika der finnischen Lehramtstudiengänge

Das finnische Lehramtstudium ist einphasig. Das heißt, dass alle Studenten nach einem

erfolgreich abgeschlossenen Studium eine volle Lehrbefugnis erhalten, ohne eine186 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 202.187 Buchberger/Buchberger (2004), S. 3.188 Vgl.: Mikkola (2008), S. 181.

63

Page 64: Finnisches Schulsystem

zusätzliche Ausbildungsphase, wie etwa das Referendariat zu benötigen.189 In ihrem

systematischen Aufbau folgt die Lehrerausbildung einem „spiralen Curriculum“,

entsprechend dem bestimmte Gegenstände durch das gesamte Studium hindurch

wiederholt auf aufeinander aufbauenden Niveaustufen gelernt werden.190 Ein „spirales

Curriculum“ basiert auf der Annahme, dass „fast jeder wissenschaftliche Gegenstand

(…) so elementarisiert werden kann, dass die Lernenden nach der Erstbegegnung im

Verlauf ihrer Entwicklung (…) den gleichen Lerngegenstand auf jeweils höherem

Komplexitäts- und Anspruchsniveau weiter erarbeiten und damit ihr Wissen über ihn

allmählich erweitern, vertiefen, abstrahieren und systematisieren können.“191 Jede

Disziplin oder jedes Fachgebiet wird in drei hierarchischen Ebenen studiert. Man

beginnt mit allgemeinen Studien, schließt speziellere, fachbezogene Studien an und

endet mit fortgeschrittenen Studien. Finnland hat im Zuge des Bologna-Prozesses das

zweiteilige Prüfungssystem (Bachelor/Master) sowie das europäische

Bewertungssystem nach ECTS-Punkten übernommen. Ein Studienjahr bedeutet nach

diesem System einen ungefähren Arbeitsaufwand von 1600 Arbeitsstunden, was etwa

60 ECTS-Punkten entspricht.192

9.4. Zielsetzung der Lehrerausbildung

Ich möchte mich nun den Zielen der finnischen Lehrerbildung zuwenden. Da alle fünf

der oben genannten, universitär ausgebildeten Lehrerprofessionen sowohl recht ähnliche

als auch sehr differenzierte Aufgaben haben, hier jedoch nicht jede dieser Professionen

angemessen behandelt werden kann, möchte ich zum einen auf einige allgemeine Ziele

der finnischen Lehrausbildung eingehen und mich andererseits auf spezifischere Ziele

beziehen, die vor allem auf den Beruf des Klassenlehrers anwendbar sind. Die Ziele des

Studiums umfassen den Erwerb derjenigen Eigenschaften und Kompetenzen, die zur

Bewältigung der beruflichen Anforderungen des finnischen Lehrerberufs notwendig

sind. Der finnische Erziehungswissenschaftler und Pädagoge Matti Meri nennt folgende

Merkmale und Fähigkeiten, die ein Lehrer nach finnischem Verständnis besitzen sollte:

189 Vgl.: Buchberger/Buchberger (2004), S. 3.190 Kansanen (2007), S. 135ff.191 Schaub/Zenke (2002), S. 2036.192 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 207.

64

Page 65: Finnisches Schulsystem

eine feste persönliche und berufliche Identität, Beobachtungsgabe, die Fähigkeit, mit

eigenen Gefühlen und Erfahrungen umzugehen, metakognitive Fähigkeiten,

Selbstvertrauen, Mut, Kooperations- und Integrationsfähigkeit, Kreativität,

Problemlösefähigkeit, rationale Entscheidungskompetenzen, Intuition und Sensibilität.

Zudem werden „ein gut strukturiertes Verständnis der kindlichen Entwicklung und des

kindlichen Lernens“193 sowie die Fähigkeit „verantwortlich und ethisch zu handeln und

die positive Sicht des Kindes auf sich selbst, auf andere und das Leben im allgemeinen

zu fördern“ als wesentlich erachtet.194 Besonders bei der Erstellung schulspezifischer

Curricula und der Evaluation der Schule spielen die Kompetenzen Lehrer eine

entscheidende Rolle. Die Heterogenität der Klassen stellt ebenfalls eine spezifische

Herausforderung an den Lehrer und seine Fähigkeit, mit Diversität und komplexen

Handlungssituationen umzugehen Die letztgenannte Herausforderung ist in vielen

anderen europäischen Ländern nicht in dem Maße bekannt. Die folgende Tabelle gibt

noch einmal eine zusammenfassende Übersicht über die Merkmale und Fähigkeiten

kompetenter finnischer Lehrer. Natürlich besitzen diese Merkmale auch eine gewisse

Allgemeingültigkeit, wenngleich anderenorts bestimmte Schwerpunkte unterschiedlich

gesetzt werden.

Persönlichkeitsmerkmale Pädagogische Reflexionsfähigkeit Handlungsfähigkeit

- Selbstvertrauen

- Selbstkritik

- Berufsethos

- Theoriewissen

- Biografische Kompetenz

- Fallverstehen

- Soziale & emotionale

Intelligenz

- Methodenrepertoire

- Soziale & emotionale

Integrationsfähigkeit

- Curriculum- & Planungskompetenz

Quelle: Meri, Matti (2006), S. 39

Ein wesentliches Ziel der finnischen Lehrerausbildung, das vielleicht sogar viele der

oben genannten Kompetenzen in sich zusammen fasst, ist nach Buchberger die

Autonomie sowie die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln:

„LehrerInnenbildung in Finnland orientiert sich primär an der Entwicklung von

professioneller wie persönlicher Autonomie und Verantwortlichkeit – und nicht an eng

193 Meri, Matti (2008), S. 1194 Ebenda.

65

Page 66: Finnisches Schulsystem

definierten „skills“.195 Warum ist autonomes und selbstverantwortliches Handeln für

einen heutigen Lehrer so wichtig? Die Herausforderungen der modernen

Wissensgesellschaft, in der die Halbwertszeit von festen Wissensbeständen immens

kurz ist und in welcher die Fähigkeit ihrer Mitglieder, kreative, nachhaltige und

innovative Lösungen für Probleme zu finden wie nie zuvor gebraucht wird, machen es

immer notwendiger, dass sich ein jeder Mensch zu einem „möglichst autonomen

lebenslang Lernenden“, einem „Unternehmer seiner eigenen Potentiale“196 entwickelt.

Peter Spiegel beschreibt diesen Zusammenhang zwischen den Charakteristika der

heutigen (globalisierten) Wissensgesellschaft und den Anforderungen, die sie an ihre

Mitglieder stellt, wie folgt:

„Mit der Zunahme der Bedeutung von Wissen wird gleichzeitig dessen kreativer

Generator, Verarbeiter und Anwender immer wichtiger: der Mensch. Nichts wird die

künftige Dynamik jeglicher Entwicklung so sehr bestimmen wie die Frage, wie gut der

Mensch in der Lage sein wird, neues Wissen sich anzueignen, anzuwenden und

weiterzuentwickeln. Wenn wir diesem Faktum gerecht werden wollen, reicht es nicht

aus, einfach nur die Lerninhalte zu verändern und die Lernmenge zu erhöhen. Wir

kommen nicht umhin, die Lernfähigkeit des Menschen in einem sehr umfassenden

Wortsinne zu steigern und die Rahmenbedingungen für seine Aufnahmefähigkeit,

Motivation und Lebensfreude zu optimieren.“197

Dass ein Orientierung, wie die eben zitierte, in das finnische Bildungssystem Eingang

gefunden hat, zeigen zum Beispiel die nationalen Rahmencurricula aller Schultypen, in

denen spezielle Sektionen zum Thema „lebenslanges Lernen“ enthalten sind. Die

Einbindung von Lernberatung in den Stundenplan der Primar- und Sekundarstufe kann

als ein weiteres Indiz dieser Entwicklung gesehen werden. Der Lehrer, dessen Aufgabe

es ist, die Schüler zu Unternehmern ihrer eigenen Potentiale zu machen, kann dies nur

leisten, wenn er selbst zu einem solchen autonomen Unternehmer geworden ist.

Nachdem ich einen Überblick über die kompetenzbezogenen Ziele der

Lehrerausbildung gegeben habe, möchte ich das finnische Klassenlehrerstudium etwas

genauer betrachten.

195 Buchberger/Buchberger (2004), S. 5.196 Spiegel (2005), S. 11197 Spiegel (2005), S. 11.

66

Page 67: Finnisches Schulsystem

9.5. Das finnische Klassenlehrerstudium im Überblick

Zu den zentralen Zielen des Studiums gehören ein Verständnis für die „ganzheitliche

menschliche Entwicklung“, die Fähigkeit zu Kooperation und Interaktion sowie das

Erlernen eines forschungsgestützten Arbeitens. Der letztgenannte Punkt soll in einem

der folgenden Abschnitte (9.7.) noch vertieft werden, da er mir für den finnischen

Ansatz der Lehrerbildung als zentral erscheint. Das Studium soll zudem eine Reflexion

über ethische und soziale Dimension des Lehrerberufes fördern.198 Der Profession des

Klassenlehrers liegt in Finnland ein primär pädagogisches, weniger ein

fachwissenschaftliches Verständnis zu Grunde.199 Die Hauptaufgabe eines modernen

finnischen Klassenlehrers wird demnach nicht darin gesehen, ein bestimmtes

Fachwissen auf seine Schüler zu übertragen, sondern sie in ihren kognitiven, affektiven

und sozialen Kompetenzen zu fördern.

Den Hauptteil des Klassenlehrerstudiums (140 ECTS) bildet ein „... systematisches

Studium der Erziehungswissenschaften mit einem Schwerpunkt auf Lehre, Forschung

und Didaktik.“200

Die folgenden drei Inhaltsbereiche bilden in dieser oder einer etwas abgewandelten

Form den Kern des erziehungswissenschaftlichen Hauptfachs:

1. kulturelle, psychologische und pädagogische Grundlagen der Bildung/Erziehung

2. Forschung; hierzu gehören Forschungsmethoden der Erziehungswissenschaft;

Bachelor und Magisterarbeit, Forschung und Unterricht, qualitative und quantitative

Forschungsmethoden

3. Unterrichtspraxis

Eine kurze Erläuterung ist für den dritten Bereich, die Unterrichtspraxis, notwendig. An

allen finnischen Universitäten mit erziehungswissenschaftlicher Fakultät gibt es so

genannte Modellschulen. Diese werden von einer ganz normalen Schülerpopulation

besucht und dienen einerseits als praktische Grundlage für erziehungswissenschaftlich-

pädagogische Forschung und anderseits als Praktikumsschulen für Lehramtsanwärter.

Während des Klassenlehrerstudiums werden Praktika absolviert, die zusammengefasst

198 Vgl.: Linnakylä, S. 179.199 Ebenda.200 Kansanen (2003), S. 89.

67

Page 68: Finnisches Schulsystem

einen zeitlichen Umfang von zirka einem Semester haben. Die Praktika können jedoch

auch an normalen Schulen absolviert werden.201

Ein weiterer Teil des Studiums sind so genannte Sprach- und Kommunikationsstudien,

die sowohl Kurse in der Muttersprache (Finnisch oder Schwedisch) als auch in

Fremdsprachen enthalten.202 Einen dritten Teil des Klassenlehrerstudiums bilden die

Studien in den schulischen Unterrichtsfächern, die in der finnischen Grundschule

gelehrt werden. Ein oder zwei dieser Fächer können vertiefend als Nebenfach studiert

werden. Nebenfachstudien, der vierte Teil des Studiums, können statt in ausgewählten

Unterrichtsfächern auch in Wissenschaftsgebieten durchgeführt werden, die für die

praktische Arbeit an den Schulen von Bedeutung sind. Hier kommt es darauf an, welche

Spezialisierungen von der jeweiligen Universität angeboten werden. Die können zum

Beispiel Medienpädagogik, Technologieerziehung, international ausgerichtete Studien,

Aufbau des Klassenlehrerstudiums – Beispiel; Quelle: Matthies/Skiera (2008), S. 208

201 Vgl.: Matthies/Skiera (2008), S. 207ff.202 Die muttersprachlichen Kurse sollen in Themenbereiche wie verbale und schriftliche Kommunikation,

Kommunikation im Klassenzimmer, finnische Sprache und Kultur und Didaktik der Sprechbildungeinführen. Der Einbezug fremdsprachlichen Unterrichts hat das Ziel, die Studierenden zur Lektürefremdsprachiger wissenschaftlicher Literatur zu befähigen.

68

Page 69: Finnisches Schulsystem

Kommunikationserziehung, Sporterziehung, „Pädagogik an kleinen Schulen“ oder

vieles andere sein. Die Vielfalt, welche die Spezialisierungsangeboten der Universitäten

ausmacht, schlägt sich innerhalb der Schulen in einer Vielfalt der Qualifikationen des

Lehrpersonals nieder, was es ermöglicht, auf unterschiedliche Interessen und Neigungen

von Schülern verschiedenster Sozialisationsmilieus einzugehen.

Ein weiterer Bereich des Studiums sind frei wählbare Kurse, die sowohl aus dem

Angebot der erziehungswissenschaftlichen Fakultät wie auch aus anderen Fakultäten

ausgewählt und in den Abschluss eingebracht werden können. Die obige Abbildung ist

eine vereinfachte schematische Darstellung des Aufbaus eines Klassenlehrerstudiums an

finnischen Universitäten. Es werden hier der Umfang der einzelnen Teile des Studiums

und ein sehr grober Ablauf deutlich.

9.6. Anmerkung zum Fachlehrerstudium

Die Fachlehrer, welche in Finnland in der 7. - 9. Klasse der Peruskoulu sowie in der

allgemein- und berufsbildenden gymnasialen Oberstufe unterrichten, studieren eine

Fachwissenschaft im Hauptfach. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Qualifikation zum

Fachlehrer zu erwerben. Die erste Möglichkeit besteht darin, die erziehungs-

wissenschaftlichen Studien nach einer bestimmten fachwissenschaftlichen Studienzeit,

im häufigsten Fall zwischen dem dritten und sechsten Studienjahr, aufzunehmen. Die

zweite Möglichkeit besteht darin, die pädagogischen Studien als postgraduales

Programm im Umfang von circa 35 Studienwochen, in einem intensiven akademischen

Jahr, an einer erziehungswissenschaftlichen Fakultät zu absolvieren.203

9.7. Der "forschende Praktiker" als Leitbild der finnischen Lehrerausbildung

Jedes Curriculum braucht ein oder mehrere grundlegende Prinzipien, durch welche

seine Zielstellungen, seine Inhalte, der systematische Aufbau seiner Kurseinheiten und

die angewandten Formen und Methoden des Lernens zu einem „sinnvollen und

organisierten Ganzen“ zusammen gefügt werden. Für die Lehrerbildung gilt, dass diese

Prinzipien sich in wesentlichem Maße aus den Überzeugungen ergeben sollten, die man203 Vgl.: Mikkola (2008), S. 183f.

69

Page 70: Finnisches Schulsystem

über die Rolle und Aufgabe des Lehrers in Schule und Gesellschaft entwickelt hat. Die

Leitfrage, zu welchen Kompetenzen und Fähigkeiten Lehrer ausgebildet werden sollten,

hat also für die Organisation des Curriculums entscheidenden Charakter.

Bevor ich eines der wichtigsten Prinzipien aller finnischen Lehrerbildungsprogramme -

das Prinzip der forschungsgestützten Praxis – untersuche, möchte ich auf die Aufgaben

und Rollen eingehen, mit denen der Lehrerberuf in Finnland in Verbindung steht.

Westbury, Hansén, Kansanen und Björkvist204 haben die Aufgabenfelder des Lehrers in

Finnland untersucht und kommen zu dem Ergebnis, dass Lehrer heute im Kontext des

reformierten, dezentralisierten Schulsystems eine „erweiterte Kompetenz“ benötigen.

Insgesamt identifizieren sie vier Kompetenzstufen, die für die Praxis eines finnischen

Lehrers relevant sind. Die ersten beiden dieser Stufen – 1.) die Lehrtätigkeit, welche die

Interaktion mit den Schülern, gestützt durch Methodenkompetenz, erfordert und 2.) die

kontinuierliche Planung des Unterrichts, welche auf einem reflektierten Umgang mit

Planungselementen wie Lernzielen, Inhalten, zeitlichen Abfolgen etc. aufbaut – gehören

zur traditionellen Rolle eines Lehrers. Viele Lehrerbildungsprogramme an europäischen

Universitäten sind auf die Förderung dieser beiden Kompetenzstufen ausgerichtet.

Quelle: Sarjala/Häkli (2008), S. 85

Im Zuge der Dezentralisierung des Schulsystems fiel den finnischen Lehrkräften die204 Vgl.: Westbury, Ian, Hansén, Sven-Erik, Kansanen, Pertti and Björkvist, Ole (2005): 'Teacher

Education for Research-based Practice in Expanded Roles: Finland's experience',Scandinavian Journalof Educational Research,49:5,475 - 485.

70

Kursangebot

Kursinhalte

Lehrbücher

Bew ertungsmaßstäbe

Inhalte der Schulordnung

Schülerausw ahl

Haushaltsplan der Schule

Verteilung von Schulmitteln

Ernennung von Lehrern

Entlassung von Lehrern

Anfangsgehälter

Gehaltserhöhungen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

81

85

89

88

78

7

12

23

6

4

32

51

66

58

43

9

7

14

5

1

2

2

Lehrer haben relevante Verantwortlichkeit bei der Entscheidung über ...

Finnland OECD

Page 71: Finnisches Schulsystem

erweiterte Aufgabe zu, Planer, Gestalter und Entwickler ihre Schule zu werden. Die

Entwicklung der schulspezifischen Curricula zählte damit zu ihren wichtigsten

Aufgaben. Im Vergleich zu vielen Ländern der OECD haben Lehrer in Finnland

nachgewiesenermaßen in vielen Bereichen höhere Entscheidungskompetenzen, was

durch die obige Graphik veranschaulicht werden soll.

Nach Westbury, Hansén, Kansanen und Björkvist werden zur Bewältigung dieses

erweiterten Aufgabenfeldes zwei weitere Kompetenzstufen erforderlich: Stufe 3: die

Fähigkeit, kooperativ, gemeinschaftlich und kontinuierlich zu planen, insbesondere in

Bezug auf die Kernelemente der schulspezifischen Curriculumsentwicklung; Stufe 4:

kollektive Reflexion, die als vorrangig verbale Tätigkeit die Fähigkeit der Interaktion

sowie der Verwendung einer gemeinsamen, „internalisierten“205 Fachsprache.

voraussetzt.

In wie weit kann nun das Paradigma der „forschungsgestützten Praxis“ helfen, ein

Curriculum der Lehrerbildung zu erstellen, welches Studenten hilft, die oben genannten

Kompetenzstufen zu erlangen? In folgender Vorgehensweise möchte ich der eben

gestellten Frage nachgehen.

1. Was macht den Grundsatz einer „forschungsgestützten Praxis“ inhaltlich aus?

2. Auf welche Weise wird das Prinzip im Curriculum der finnischen Lehrerbildung

sichtbar?

Nach dem Prinzip der „forschungsgestützten Praxis“ lernen Lehrer, ihr pädagogisches

Handeln auf die Grundlage von rationalen, durch empirische Forschung gestützten

Argumenten zu stellen.206 Damit sei nicht gesagt, dass Intuition und eigene Erfahrung

nicht als wichtige Bestandteile in professionelle Entscheidungen einfließen sollen. Im

Gegenteil: beide Aspekte ergänzen sich. In welcher Hinsicht forschungsgestütztes

Denken jedoch der intuitiven, erfahrungsgestützten Herangehensweise an die Praxis

eine qualitative Dimension hinzufügt, mag durch folgendes Zitat angedeutet werden:

„... a research-based attitude makes it possible to steer thinking and decisions towards

practices which are grounded in a wider, and hopefully more systematised, experience

than the circumscribed worlds of immediate places and settings.“207 Damit der Lehrer

205 Vgl.: Westbury/Hansén/Kansanen/Björkvist (2005), S. 482.206 Vgl.: Ebenda, S. 477.207 Ebenda. S. 478.

71

Page 72: Finnisches Schulsystem

als ein „forschender Praktiker“208 handeln kann, muss er eine positive Einstellung zur

wissenschaftlichen Forschung entwickeln, Kenntnisse über Forschungsmethoden

erlangen und selbst bis zu einem gewissen Grad fähig werden, eigene Forschung durch

zu führen. Eine wichtige Fähigkeit ist die gezielte Rezeption und kritische Bewertung

relevanter Forschungsliteratur sowie ihre Anwendung auf die pädagogische Praxis. Die

Verbindung von Theorie und Praxis bezieht sich natürlich sowohl auf die Lehrpraxis im

Klassenzimmer als auch auf Tätigkeiten des Planens, Evaluierens auf Klassen- oder

Schulebene oder der Zusammenarbeit mit Eltern etc.

Im Studium zeigt sich der Ansatz des forschungsbasierten Lehrens an einer Vielzahl von

Elementen. Jede Studieneinheit wird mit Forschung verknüpft. Die praktischen

Lerneinheiten (Praktika) werden immer von Seminaren begleitet, in denen die

Studierenden die praktischen Erfahrungen konzeptionalisieren. Die Praktika und Kurse

zu Forschungsmethoden finden nicht nur zu Beginn oder einem anderen Zeitpunkt des

Studiums statt, sondern verteilen sich über die gesamte Studienzeit. In den Kursen zur

Forschungsmethodik machen sich die finnischen Lehramtsanwärter mit quantitativen

und qualitativen Forschungsmethoden vertraut. Dabei gilt es einen Überblick über

wichtige Methoden zu erlangen und eine ausgewählte Methode vertiefend zu erlernen.

Neben mehreren kleineren Forschungsarbeiten bildet das Verfassen der Masterarbeit die

umfassendste Gelegenheit, eigene Forschung durchzuführen und erlernte

Forschungsmethoden anzuwenden.

Abschließend möchte ich einen Faktor in den Blick nehmen, ohne den zweifelsfrei das

finnische Schulsystem nicht in seiner heutigen Form existieren würde: der

gesellschaftliche und politische Konsens und die Kontinuität des politischen Willens.

10. Die Reform des finnischen Bildungswesens

10.1. Grundlegende Veränderungen seit 1972

Das heutige finnische Schulsystem ist nicht das Produkt einer „Revolution“ sondern das

Ergebnis einer fast fünfzigjährigen kontinuierlichen Entwicklung.209 Den Anstoß zu

dieser Entwicklung, so bestätigen zahlreiche Forschungen, haben die krisenähnliche

208 Vgl.: Kansanen (2007), S. 135.209 Vgl. Pitkänen/Sahlberg (2006): „Education development since the comprehensive school reform of

the early 1970s has been a systematic sequence of structural adjustments and alignments rather than

72

Page 73: Finnisches Schulsystem

wirtschaftliche Lage Finnlands in den 50er und 60er Jahren sowie die Einsicht in die

Ineffektivität des damaligen Schulsystems gegeben. Ich möchte einleitend zu diesem

Kapitel eine kurze Übersicht über die wichtigsten Etappen der finnischen Schulreform

geben, um eine ungefähre Vorstellung vom Ausmaß und der zeitlichen Abfolge der

Reformschritte zu vermitteln.

Die wichtigsten schulpolitischen Entscheidungen

in Finnland in den letzten Jahrzehnten

• 1964 - 1968

Beratungen im finnischen Parlament über eine Schulform, diemehr Chancengleichheit garantiert als das bisher bestehendegegliederte Schulsystem. Breite parlamentarische Mehrheit fürein integriertes Schulwesen.

• 1972 - 1977

Einführung der Gemeinschaftsschule (peruskoulu). AlleSchüler eines Schülerjahrganges besuchen zwischen derKlassenstufe 1 und 9 dieselbe Schulart. Übertragung derSchulträgerschaft auf die Kommunen.

• ab 1980

Tiefgreifende Lehrplanreform, Einführung der klassenlosengymnasialen Oberstufe, Abschaffung der Niveaukurse in denKlassen 1 - 9 der peruskoulu

• ab 1990

Weitere LehrplanreformenAbschaffung der SchulinspektionStärkung der Verantwortlichkeit der Kommunen und SchulenEinführung der schulischen EvaluationÖffnung der Schulen für die Informationsgesellschaft

Landesweite Fortbildungs- und Schulprojekte • Fremdsprachenvielfalt • Mathematik- und Naturwissenschaften • Förderung der Lesekompetenz • Virtuelle Schule

Quelle: Domisch (2004), S. 36

73

Page 74: Finnisches Schulsystem

10.2. Allgemeiner gesellschaftlicher und politischer Konsens und Kontinuität des

politischen Willens als wesentliche Erfolgsfaktoren der Reform

Auf den vorangegangen Seiten wurde deutlich, wie zahlreich die Veränderungen waren,

die das finnische Bildungssystem während der letzten Jahrzehnte bis zum heutigen

Zeitpunkt erlebte. Bemerkenswert ist, dass diese Ereignisse eine kontinuierliche

Gesamtentwicklung darstellen, über deren Richtung und Ziele schon zu Beginn der

Reform Einigkeit bestand.210 Ich möchte in diesem Kapitel dafür argumentieren, dass

der Erfolg des finnischen Schulsystems von zwei weiteren Faktoren auf der

gesamtgesellschaftlichen und politischen Ebene bedingt wurde. Zum einen waren der

allgemeine politische und gesellschaftliche Konsens, durch den die Reformen über

Jahrzehnte hinweg getragen und die Kontinuität des politischen Willens gewährleistet

wurden, entscheidend für die auf allen Ebenen des Systems stattfindende Entwicklung.

Daher ist für mich von besonderem Interesse, wie das Zustandekommen dieses

Konsens' erklärt werden kann. Zum anderen folgt die finnische Bildungspolitik einem

umfassenden Konzept der „nachhaltigen Führung“, dessen Bedeutung für die

Fortschritte im Bildungsbereich kaum zu unterschätzen ist. 211

Zunächst sollen einige Belege angeführt werden, die den allgemeinen Konsens, der

heute in Bezug auf das finnische Schulsystem herrscht, dokumentieren. Der „European

Social Survey“ (2006) stellt fest, dass 88,2 % der Finnen mit ihrem Bildungssystem

zufrieden sind. Im Gegensatz dazu äußern sich nur ca. 17,7 % der Deutschen

wohlwollend über ihr eigenes Bildungswesen.212 Das Forscherteam Aho, Pitkänen und

Sahlberg (2006) gelangt zu dem gleichen Schluss in Bezug auf die politische Ebene: Es

herrscht auf politischer Ebene heute „allgemeine Übereinkunft darüber, dass die frühen

politischen Entscheidungen der 1970er korrekt waren und das gefeierte Schulsystem

von heute geschaffen haben.“213 Des Weiteren resümiert eine Reisegruppe der

Universität Hamburg und des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung

nach einer Forschungsreise ins nordische Bildungsland: „Alle Gesprächspartner betonen

210 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 6.211 Vgl.: Rajakorpi/Rajakorpi (2001), S. 11ff.212 Vgl.: European Social Survey, 3. Welle, http://www.europeansocialsurvey.de/aktuelles/dritte.htm

(Letzter Zugriff: 2.2.2009)213 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 1; eigene Übersetzung, Wortlaut des Originals: „Although the

process sparked criticism and political debate, there now is general agreement that the early policydecisions of the 1970s were correct and helped to create the celebrated school system of today.“

74

Page 75: Finnisches Schulsystem

den Konsens, der in diesen grundlegenden Fragen214 wie auch hinsichtlich der

Strukturen des Schulsystems in Finnland nunmehr seit über dreißig Jahren herrscht.

Dieser Konsens schließt die großen linken wie rechten Parteien ein. Insofern ist die in

den deutschen Bundesländern zu beobachtende Bindung solcher strukturellen

Prioritäten an Legislaturen als Problem der Diskontinuität so nicht beobachtbar.“215

Seit dem Beginn der Reformen im Jahr 1968 bis heute hat Finnland nicht weniger als 13

Regierungswechsel erlebt.216 Die Ministerpräsidenten während dieser Zeit gehörten den

verschiedenen großen Parteien Finnlands an und bildeten unterschiedliche Koalitionen.

Trotz dieser zahlreichen Wechsel wurden die Richtung der Reformen im Schulsystem

konsequent beibehalten und alle grundlegenden Entscheidungen bestätigt und weiter

voran getragen.217 Es stellt sich die nicht ganz leicht zu beantwortende Frage, wie ein

solcher Konsens und eine ununterbrochene Kontinuität möglich waren.

10.2.1. Konsens über die vorrangigen Ziele der Bildungspolitik

Zahlreiche Regierungsdokumente geben darüber Aufschluss, dass das oberste

bildungspolitische Ziel, das Erreichen von Chancengerechtigkeit und guten

Gesamtleistungen der Schüler, seit den 70er Jahren bei allen Parteien gleichermaßen

Zustimmung fand und niemals Gegenstand von ernsthaften politischen

Auseinandersetzungen war.218 Wie kann der hohe Wert, welcher dem Ideal der

Chancengerechtigkeit von politischen Akteuren und der finnischen Gesellschaft

beigemessen wurde, erklärt werden? Den politisch Verantwortlichen war bewusst, dass

ein so dünn besiedeltes und rohstoffarmes Land wie Finnland keine menschlichen

Ressourcen verschwenden durfte und dass Bildung „einen direkten Einfluss auf das

214 Gemeint sind die folgenden Fragen: Einführung der neunjährigen Grundschule, Übertragung derSchulträgerschaft auf die Kommunen, Internationalisierung des Bildunswesens, hohe Investition inForschung und Entwicklung, etc., Vgl.: Pabst (2005), S. 3

215 Ebenda.216 Ministerpräsidenten Finnlands: Mauno Koivisto (22.03.1968), Teuvo Aura (14.05.1970), Ahti

Karjalainen (15.07.1970), Teuvo Aura (29.10.1971), Rafael Paasio (23.02.1972), Sorsa (04.09.1972),Keijo Liinamaa (13.06.1975), Miettunen (30.11.1975), Taisto Kalevi Sorsa (15.05.1977), MaunoKoivisto ( 25.05.1979 ), Eino Oskari Uusitalo (27. 1.1982), Taisto Kalevi Sorsa (19.02.1982), Harri Holkeri (30.04.1987), Esko Aho ( 26.04.1991), Paavo Lipponen (13.04.1995), AnneliJäätteenmäki (13.04.2003 ), Matti Vanhanen (24. 6. 2003 - ), Bemerkung: Vier derMinisterpräsidenten waren nur kommisarisch eingesetzt (Aura (2x), Liinamaa und Uusitalo).

217 Vgl.: Overesch (2007), S. 70.218 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 4; Overesch (2007), S: 102ff.

75

Page 76: Finnisches Schulsystem

Wohlergehen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit“ hat.219 „Jeder gehört dazu.

Wir können es uns nicht leisten, auch nur auf einen zu verzichten. Jeder wird

gebraucht“, Das sagte der frühere Leiter des finnischen Zentralamtes für

Unterrichtswesen, Jukka Sarjala.220 Ein kleines Volk braucht einen hohen Anteil kluger

Köpfe, damit das Land eine der wichtigsten Vorraussetzungen für den globalen Markt

zu erlangen vermag: Innovationsfähigkeit.221 Des Weiteren hängt das Maß

gesellschaftlicher Teilhabe und Teilnahme in wissensbasierten Gesellschaften wie der

finnischen entscheidend vom Grad der Bildung ab. In diesem Sinne wurde auch die

Bildungsreform mit dem Ziel, jedem Bürger ein möglichst hohes Maß an Bildung sowie

die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen zu ermöglichen, zum Schlüsselelement einer

gesamtgesellschaftlichen Entwicklung in Richtung einer höheren sozialer Gerechtigkeit.

Den Grund dafür, dass der breite Konsens anhielt, reflektiert Anne Overesch: „Hinter

der Bereitschaft zum Konsens stand die historische Erfahrung der finnischen

Gesellschaft, dass das bevölkerungs- und rohstoffarme Land den Aufstieg durch

Bildung geschafft hat.“222

Ein weiteres Element, das „begünstigend“ hinzu trat, war der Grad der Einheit, den die

Gesellschaft sowie das Feld der Politik durch gewisse historische Erfahrungen erreicht

hatten. Nach Aho, Pitkänen und Sahlberg war es die kollektive Erfahrung von

wirtschaftlicher Not im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg, welche Einmütigkeit

schuf, die „Spannungen zwischen sozialen Klassen und politischen Parteien löste“223

und den Bemühungen um einen finnischen Wohlfahrtsstaates Antrieb verlieh.

10.2.2. Der Konsens über das Modell einer „Schule für alle“

Neben der Einigkeit über die obersten Bildungsziele bestand ein allgemeiner politischer,

wenngleich kein gesellschaftlicher Konsens über den dazu geeignetsten Weg: Die

Schaffung einer „Schule für alle“. Viele Lehrer, aber auch andere Verantwortliche im

Bildungsbereich, betrachteten das neue Schulmodell mit Skepsis, da sie unter anderem

219 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 11.220 Kahl, Reinhard (2002b), S. 9.221 Die Konzerne Nokia oder Linux, die einen großen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung

Finnlands haben, sind Beispiele dieser Innovationsfähigkeit.222 Overesch (2007), S. 254.223 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 39.

76

Page 77: Finnisches Schulsystem

fürchteten, dass gute Schüler nicht mehr optimal gefördert werden konnten.224 Die

Reform ging jedoch zu Beginn ausschließlich von den politischen Entscheidungsträgern

aus, die sie, ungeachtet der Skepsis in einigen Teilen der Gesellschaft, schrittweise, im

Norden des Landes beginnend, umsetzten.225 Damit ist ein weiterer wichtiger Punkt

angesprochen, der zur Kontinuität der Entwicklungen beigetragen hat. Die politischen

Entscheidungsträger waren die treibenden Kräfte der Reform und verankerten von

Anfang an alle wichtigen Elemente des neuen Schulsystems in einem Gesetz, dem

„Gesetz über das Schulsystem“.226 Dazu entwarfen sie einen Aktionsplan zur

schrittweisen Umsetzung.227 Aho, Pitkänen und Sahlberg weisen darauf hin, dass es in

Finnland eine Tradition der Achtung für das Rechtsstaatsprinzip gibt, was sich zum

Beispiel darin zeigt, dass Finnland einen der weltweit niedrigsten Korruptionsindexe

aufweist, der nahezu keine Korruption erkennen lässt.228 Ergänzt wurde dieses wichtige

Kontinuität ermöglichende Werkzeug (Gesetze und Verordnungen, die klare Ziele

vorgeben) durch die Praxis einer „Steuerung durch Information“, die aus regelmäßigen,

alle Ebenen des Systems einschließenden Evaluationen und deren konsequenten

Einbezug in Planungs- und Entscheidungsprozesse bestand. Die Skepsis unter Teilen

der finnischen Lehrerschaft schwand, je mehr sie selbst in den Umgestaltungsprozess

mit eingebunden wurden. So kann man zusammenfassend sagen, dass die finnischen

Politiker anfangs auf eine äußerst zentralistische, starke Steuerung des Systems setzten

und etwa seit den 80er Jahren eine zunehmende Dezentralisierung von

Entscheidungsbefugnissen und eine zunehmende Einbindung zahlreicher

gesellschaftlicher Gruppen (Lehrergewerkschaften, Expertengremien, wirtschaftlicher

Akteure) in den Gestaltungsprozess in die Wege leiteten, wodurch eine stabile und

nachhaltige Entwicklung bewirkt wurde.229

Zu einem der wichtigsten Dokumente für die Entwicklung des Bildungssystems wurden

224 Sarjala/Häkli (2008), S. 55.225 Oversch (2007), S. 115f.; Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 45.226 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 45.227 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 40.228 Sahlberg (2006), S. 21.229 Siehe folgenden interessanten Kommentar von Aho, Pitkänen und Sahlberg: „Involving all relevant

stakeholders in the reform process is essential. There are always opposing opinions and attitudes onany reform proposal. By establishing committees where professionals and other stakeholders couldhash out their differences, Finnish policymakers were able to win consensus and tap valuable andvaried expertise. When the government appointed members to the reform committees, for instance, ittook pains to select a balanced mix of people with different political ideologies, professions,experience, and areas of expertise - including scientists and teachers.“ Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 40.

77

Page 78: Finnisches Schulsystem

seit den 90er Jahren die „Entwicklungspläne für Bildung und Forschung“230, die jeweils

eine Zeitspanne von fünf Jahren abdeckten. Die darin gesetzten Entwicklungsziele

bestimmten seit den Neunzigern Beratungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse auf

allen Ebenen, bündelten Energien und schafften Kontinuität, auch über

Legislaturperioden und Regierungswechsel hinweg. Die kontinuierliche Orientierung an

nationalen Zielen führte dazu, dass Lehrer und Administratoren ihr Planen und Handeln

auf der lokalen Ebene in ein umfassenderes und größeres Ganzes einordnen konnten.

„After visiting and interviewing students, teachers, principals, system administrators,

university researchers and senior ministry officials, a remarkably unified narrative

began to surface about the country, its schools and their sense of aspiration, struggle and

destiny.“231 So lautet das Resümee eines Forschungsberichtes.

10.2.3. Eine konsensfreundliche politische Entscheidungsfindung

Ein weiterer Faktor, der sich auf den bildungspolitischen Konsens in Finnland

entscheidend auswirkt, ist die Art der Entscheidungsfindung. Finnland besitzt ein

Vielparteiensystem. Gesetzesentscheidungen benötigen eine einfache Mehrheit. „In

many countries,“ so schreibt Errki Aho, „a two-party system often polarizes debates and

splits public opinion between governing and opposing-party camps, making essential

and sustainable reforms impossible. In Finland the differing political interests of the

leading parties were combined to form the basis for reform.“232 Zahlreiche Interviews,

die Anne Overesch mit an den Reformen beteiligten Akteuren geführt hat, bezeugen,

dass ein „konsensualer Beratungsstil“ und der Wille, möglichst einheitliche

Entscheidungen zu treffen, zur politischen Kultur Finnlands gehören.233 Es „... finden

sich“, so Overesch, „in der finnischen Schulpolitik keine großen und intensiven

Konflikte. Die wesentlichen Projekte und Entwicklungslinien trugen die Parteien

230 Der aktuelle „Entwicklungsplan für Bildung und Forschung“ deckt die Zeit von 2007 bis 2012 ab.Vgl.: Ministry of Education (2007), Education and Research 2007-2012. Development Plan. Ministryof Education. Helsinki University Press. http://www.minedu.fi/export/sites/default/OPM/Julkaisut/2008/liitteet/opm11.pdf?lang=fi (Letzter Zugriff: 2.2.2009)

231 Hargreaves/Halász/Pont (2007), S. 12.232 Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 40.233 Dazu stellt Anne Overesch fest: „Der konsensuale, pragmatische Entscheidungsstil der Finnen war

eine Folge gleicher Problemwahrnehmung und Politikvorstellungen der Parteien und der beteiligtengesellschaftlichen Gruppen.„ Oversch (2007), S. 117.

78

Page 79: Finnisches Schulsystem

gemeinsam. Wo sich die Politiker uneinig waren - zum Beispiel bei dem Vorschlag von

Taxell, die allgemeine und berufliche Bildung über eine Jugendschule näher zusammen

zu bringen - scheiterte die Entscheidungsfindung.“234 In meinen Augen spielt in diesem

Zusammenhang auch die starke Zusammenarbeit der Regierung mit wissenschaftlichen

Gremien und die kontinuierliche Durchführung von für die Reformbemühungen

relevanten Studien, Experimenten, Pilotprogrammen und Evaluierungen eine wichtige

Rolle. Durch die wissenschaftliche Stützung der Reformen erhielten Entscheidungen

Glaubwürdigkeit bei Politikern und in der Gesellschaft.235

11. Schlussreflexion

In meiner abschließenden Reflexion möchte ich die in dieser Arbeit behandelten

Elemente des finnischen Schulsystems zusammen tragen, die sich als maßgeblich für

dessen Gesamtqualität erwiesen haben. Dabei möchte ich versuchen zu analysieren, in

wie weit bestimmte Elemente in einem besonders engen Verhältnis zueinander stehen.

Im zweiten Kapitel habe ich dargelegt, dass die Qualität eines Schulsystems 1.) von

einer Vielzahl von Faktoren, die auf unterschiedlichen Ebenen des Systems wirken,

abhängt und dass sie 2.) nicht von einer neutralen Position her beurteilt werden kann.

Die empirisch erfassbaren Wirkungen, die ein Schulsystem hervorbringt, können nur in

Verbindung zu den Erwartungen und Zielsetzungen, die normativ vorgegeben sind,

bewertet werden. Diese Setzungen können, im Rahmen einer literaturvergleichenden

Arbeit, vor allem den Normdokumenten der finnischen Regierung und

Bildungsbehörden (Gesetze, Rahmenlehrplan etc.), entnommen werden. Es hat sich

gezeigt, dass diese Dokumente ein Ziel besonders hervorheben: Chancengerechtigkeit.

Zunächst hatte ich gezeigt, dass die Wichtigkeit, die man diesem Prinzip in Finnland

beimisst, zumindest teilweise durch gewisse gesellschaftliche und historische

Rahmenbedingungen erklärt werden kann. Ein bevölkerungsarmes Land wie Finnland

kann es sich nicht leisten, menschliches Potential zu verschwenden, zumal es keinen

Reichtum an natürlichen Rohstoffen besitzt. In Finnland konnte sich daher das

Bewusstsein, dass das Wissen und die Fähigkeiten der Bevölkerung das maßgebliche

Entwicklungspotential der Gesellschaft darstellen, rasch durchsetzen. Historische

234 Oversch (2007), S. 117.235 Vgl.: Aho/Pitkänen/Sahlberg (2006), S. 39.

79

Page 80: Finnisches Schulsystem

Erfahrungen der Fremdbestimmung und eine relative geographische und sprachliche

Isolation des Landes können dazu beigetragen haben, dass die soziale Dimension des

Lebens in Finnland hohe Wertschätzung erfährt.

Des Weiteren wurde deutlich, dass das Ziel der Chancengerechtigkeit kein

bildungsspezifisches Ziel ist, sondern in die umfassende Konzeption des finnischen

Wohlfahrtsstaates eingebettet ist. Die kostenfreie und universelle Versorgung der

Bevölkerung mit schulischer Bildung bis zum 16. Lebensjahr wird in Finnland -

ähnlich der Gesundheitsfürsorge oder sozialen Leistungen - als wohlfahrtsstaatliche

Pflicht des Staates angesehen.

Was die Realisierung der Chancengerechtigkeit im finnischen Schulsystem betrifft, so

führten zwei unterschiedliche Blickpunkte zu verschiedenen Beurteilungen. Im

internationalen Vergleich schneidet Finnland hervorragend ab. Die Gesamtvarianz der

Schülerleistungen stellte sich als besonders gering heraus, da die schwächsten Schüler

des Landes im OECD-Vergleich überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Die

Leistungsergebnisse auf Schulebene weisen ebenfalls eine unterdurchschnittliche

Varianz auf, so dass die Schulwahl für einen finnischen Schüler keine größeren

Konsequenzen hat. Auch die Bildungsbeteiligung ist vorbildlich.236 Signifikante

Unterschiede haben sich vor allem im Geschlechtervergleich gezeigt. Der

sozioökonomische Hintergrund der Schüler übt auch in Finnland einen signifikanten

Einfluss auf den Bildungsweg aus, wenngleich in geringerem Maße als in den meisten

anderen Ländern.

Die Beurteilung der Chancengerechtigkeit im finnischen Bildungssystem von einem

nicht vergleichenden nationalen Standpunkt aus hat deutlicher gezeigt, dass für einige

Bereiche Verbesserungsmaßnahmen notwendig sind. Als eine Folge von wachsenden

finanziellen Engpässen geraten besonders kleine, ländliche Schulen unter Druck und

vermögen nicht die gleiche, konstante Qualität zu gewährleisten wie Schulen aus

wirtschaftlich stärkeren Regionen.

Die literaturvergleichenden Untersuchungen dieser Arbeit haben außerdem gezeigt, dass

die meisten Komponenten des Systems die Realisierung von Chancengerechtigkeit

positiv beeinflussen. Als das Wichtigste dieser Elemente sehe ich das finnische

Unterstützungssystem mit den drei Kernbereichen der Schülerfürsorge, Lernberatung

236 Fast 100 % der finnischen Schüler schließen die 9. Klasse ab, wobei 2 % ein zusätzliches 10. Jahr inAnspruch nehmen und 95% weiterführende Schulen besuchen.

80

Page 81: Finnisches Schulsystem

und des Förder- und Sonderpädagogischen Unterrichts an. Die Förderung der

schwächsten Schüler und die frühe Diagnose von Problemen können durch dieses

System effektiv geleistet werden.237 Es hat sich gezeigt, dass es in finnischen Schulen

Kommunikationsstrukturen gibt (z.B. die Spezialkonferenz), die es ermöglichen,

Lernprozesse für die Schüler in einem hohen Maß zu individualisieren. Der individuelle

Lernplan und der persönliche Förderplan sind wichtige Hilfsmittel in diesem Prozess

der Individualisierung.

Wesentlich ist ebenso, dass Diagnosen und Hilfestellungen der Beratung eines

multiprofessionellen Teams entspringen. Auf diese Weise werden Förderversuche, die

einseitig ansetzen und bestimmte lernhemmende Faktoren aus dem Blick verlieren,

weniger wahrscheinlich.

Ich vertrete die Ansicht, dass sich durch das ausgesprochene Ziel und die Praxis, keinen

Schüler vorschnell vom Kerncurriculum zu befreien, sondern vielmehr alle nach dem

selben Lehrplan lernen zu lassen238, die finnischen Schulen sehr stark in die Richtung

von „inklusiven“ Schulen bewegen. Die Strukturen der finnischen Peruskoulu lassen es

nicht zu, dass sich Gruppen von Schülern herausbilden, die beispielsweise eine Art

„Beschäftigungstherapie“ erhalten und damit in den Augen anderer Schüler das Stigma

der „Lernunfähigkeit“ tragen. Alle Schüler, auch jene mit schweren Behinderungen,

werden als „Lerner“ und damit als ein mit Fähigkeiten und Potentialen ausgestattetes

Mitglied der Schulgemeinschaft ernst genommen. Zudem lässt sich aus der

Zusammensetzung der Teams dieses Unterstützungssystems schließen, dass die Schüler

in Bezug auf ihr ganzheitliches Wohlergehen wahrgenommen werden.

Ein weiterer Aspekt, der sich als bedeutungsvoll erwiesen hat, ist die Schulträgerschaft

der Kommunen. Da diese ebenfalls die Verantwortung für das gesundheitliche Wohl

ihrer Bürger tragen, wird die Planung und Organisation der gezielten Schülerförderung -

die sowohl pädagogische als auch medizinische Aspekte beinhaltet - nicht durch

komplizierte bürokratische Wege behindert.

Chancengerechtigkeit wird in Finnland in meinen Augen durch ein zweites Element

gefördert: die Lehrerausbildung. Bereits durch die gezielte Auslese zukünftiger Lehrer

vor Antritt des Studiums ist eine wichtige strukturelle Bedingung zur Sicherung der

237 Dass es im Grad der Effektivität der Unterstützungssystems Unterschiede zwischen den Schulen gibt,haben Studien gezeigt.

238 Hierbei sei angemerkt, dass dies natürlich in einer den besonderen Bedürfnissen und Fähigkeiten desSchülers angepassten Form geschehen kann.

81

Page 82: Finnisches Schulsystem

Unterrichtsqualität in den Schulen gegeben. In Finnland hat man Einigkeit darüber

erzielt, dass gewisse Persönlichkeitsmerkmale der Lehramtsanwärter, eine geeignete

Motivation sowie ihre Fähigkeit, pädagogisch zu denken und zu handeln so

entscheidend für die erfolgreiche Lenkung und Gestaltung der schulischen Lehr-Lern-

Prozesse sind, dass man sie unbedingt zu einer Bedingung der Zulassung zum

Lehramtstudium gemacht hat Menschen, die Lehrer werden, weil ihnen zum Beispiel

„nichts anderes in den Sinn gekommen ist“, haben in Finnland geringere Chancen, zu

einem Studium zugelassen zu werden.

Wie ist nun das finnische Lehramtsstudium zu bewerten? Ich denke, dass man es von

seinem inhaltlichen Aspekt her nicht überbewerten muss, da andere europäische

Lehramtstudien ähnliche inhaltliche Profile vorweisen können. Ebenso wie in

Deutschland gibt es in Finnland für die fachwissenschaftlichen Studien keine an das

Lehramt angepassten Kurse, so dass finnische Lehramtstudenten auch mit der Frage

umgehen müssen, inwieweit manchen Kursen praxisrelevante Aspekte abgewonnen

werden können.

Trotzdem hat sich als besonderes Element des Studiums die enge Verbindung von

Theorie und Praxis herausgestellt. Die Verteilung der Praktika über das gesamte

Studium, ihr aufeinander aufbauender Charakter, die intensive Betreuung sowie ihre

Begleitung durch angemessene Kurse, in denen didaktische Reflexion erlernt und ein

systematisches forschungsmethodisches Know-How erworben werden, können als

wirksames Mittel angesehen werden, forschungsgestütztes Denken für die

Unterrichtspraxis zu entwickeln. Der „forschende Praktiker“, der als Leitbild des

finnischen Lehramtstudiums gilt, wird zudem auf bevorstehende Aufgaben, wie

Schulevaluation und lokale Curriculumsentwicklung vorbereitet.

Auf die Praxis des Lehrerberufs in Finnland hat das finnische bereits behandelte

Unterstützungssystem einen großen Einfluss. Dadurch, dass gesundheitliche, psychische

oder soziale Probleme der Schüler durch ein multiprofessionelles Team aufgefangen

und gemindert werden können, erfährt der Lehrer eine enorme Entlastung. Er kann sich

in diesem Rahmen verstärkt auf die Lernprozesse der Schüler konzentrieren. Ein

weiterer Gesichtspunkt ist die Beratung, die zwischen dem Personal der Schule

stattfinden muss. Beratung gibt die Möglichkeit zur Entwicklung neuer Sichtweisen und

zur konstruktiven Besprechung vorhandener Probleme. Der Lehrer in der finnischen

82

Page 83: Finnisches Schulsystem

Schule muss kein „Einzelkämpfer“ sein. Da mehrere Mitarbeiter für die Betreuung einer

Klasse zuständig sind, ist es leichter, seine Arbeit auf der Grundlage gegenseitiger

Unterstützung und Beratung zu leisten.

Ein drittes Element, das auf die Qualität der Bildung Einfluss hat, ist die Verwaltung

und Steuerung des finnischen Schulsystems. Die Gestaltung des heutigen Schulsystems

ging, wie gezeigt wurde, mit den Prozessen der Dezentralisierung und Deregulierung

einher. Finnland hat in dieser Hinsicht, was Entscheidungskompetenzen und

Verantwortung anbelangt, ein ausgewogenes Maß zwischen den Extremen einer

ausschließlich zentralistischen Steuerung und einer zu großen Autonomie der

Einzelschulen gefunden. Die wesentlichen Ziele und Inhalte des Unterrichts sowie alle

grundlegenden Komponenten des Systems (wie z.B. Förderunterricht, Evaluierung etc.)

werden auf der nationalen Ebene festgelegt. Man könnte sagen, dass die finnische

Regierung und das Zentralamt für Unterrichtswesen einen Handlungsrahmen mit

bestimmten feststehenden Eckpunkten vorgeben, innerhalb dessen die Kommunen (und

in gewissen Maße auch die Einzelschulen) für die konkrete Ausgestaltung und

Organisation des schulischen Bildungsbereichs verantwortlich sind. Was sind nun die

Vorteile einer solchen dezentralisierten Verteilung von Verantwortung? Die Kommunen

haben zum einen in vielen Bereichen einen klaren „Informationsvorteil“ gegenüber den

Akteuren auf nationaler Ebene, durch welchen die Einzelentscheidungen besser auf die

Anforderungen der gegeben Situation abgestimmt werden können. Entscheidungen

können außerdem schneller und flexibler getroffen werden, da lange und umständliche

Wege über verschiedene Instanzen einer Hierarchie nicht notwendig sind. Durch die

verstärkte Übertragung von Verantwortung auf die Ebene der Kommunen und

Einzelschulen kann das Potential der Verantwortlichen noch besser ausgeschöpft und

weiter entwickelt werden. Lehrer beispielsweise, deren Kompetenzen in Fragen der

Schulentwicklung, Evaluationsplanung und Curriculumerstellung einbezogen werden,

fühlen eine Wertschätzung ihrer Fähigkeiten. Sie haben weniger Grund, sich durch

bestehende Strukturen und Gegebenheiten eingeengt zu fühlen, da sie selbst an einem

aktiven Gestaltungsprozess teilnehmen können.

Ein viertes Element ist die regelmäßige Evaluierung des Schulsystems. In Finnland

bildet, wie deutlich wurde, ein aufwendig gesteuerter, auf mehreren Ebenen

stattfindender Prozess der Informationsgewinnung über den jeweils aktuellen Stand der

83

Page 84: Finnisches Schulsystem

Entwicklung die Grundlage für die Steuerung des Systems. Auf allen Ebenen besteht

Zugang zu den wesentlichen Informationen, so dass jeder mit den Schwächen und

Stärken seines jeweiligen Bereichs vertraut ist. Die nationalen Behörden, Kommunen

und Einzelschulen sind verpflichtet, Evaluationsergebnisse in planvolle

Entwicklungsarbeit umzusetzen. Meiner Ansicht nach besteht gerade in dieser

transparenten und informationsgestützten Art der Bildungsteuerung ein weiteres

Qualitätsmoment des finnischen Schulwesens. Der Faktor Vertrauen und die Bemühung,

die Einzelschulen nicht „bloß zustellen“ oder zu „beschämen“ spielt in diesem

Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Denn, anstatt sich auf einem landesweit

veröffentlichtem Schulranking wieder zu finden, erhalten Schulen vertraulich ihre

eigenen Evaluationsergebnisse, inklusive der Information zum Landesdurchschnitt. Die

Folge eines schlechten Abschneidens ist in Finnland nicht die Stigmatisierung der

Schule sondern sind vielmehr konkrete Hilfestellungen. In diesem Sinn hat der

Leitgedanke finnischer Pädagogik, niemanden zu beschämen, eine Entsprechung auf der

Ebene des Systems.

Für die meisten der beschriebenen Elemente, die sich nach dieser Untersuchung als

Qualitätsfaktoren des finnischen Schulsystems erwiesen haben, gilt, dass es zu ihrer

Umsetzung in die Praxis mehr als nur einer vorschriftsmäßigen Implementierung

bedarf. Evaluierung, Inklusion und individuelle Förderung, gemeinschaftliche

Curriculumentwicklung und Beratung - all diese Praktiken können nur funktionieren,

wenn sie mit einem grundlegenden Wandel in der „Schulkultur“ einhergehen. Dieser

Wandel ist mit einer Veränderung von Denkschemata, normativen Überzeugungen,

inneren Haltungen und Gewohnheiten verbunden, die naturgemäß Zeit benötigt, um

wirksam zu werden. In Finnland wurden die beschriebenen Elemente seit den 70er

Jahren nach und nach eingeführt und erweitert, so dass vieles bis heute zu einem

Bestandteil der finnischen Schulkultur geworden ist. Es darf aber nicht übersehen

werden, dass es auch in Finnland große Herausforderungen in all den oben genannten

Bereichen gibt. Ein genaueres Eingehen auf die Herausforderungen hätte jedoch einen

Zugang zu umfassenderen empirischen Studien verlangt, der mir auf Grund der

Literaturlage verwehrt geblieben ist. Mir kam es nicht zuletzt darauf an, größere

Entwicklungslinien und -tendenzen im finnischen Schulsystem zu identifizieren, die in

vielerlei Hinsicht als richtungsweisend gelten können.

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