FIVE # 71

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Die Vorschau auf die neue Ausgabe des Basketball Magazins FIVE mit den Miami Heat, Free Agency, Goran Dragic und der Vorschau auf die WM

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24 seconds 08Reggie Williams 16

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WaRenkoRb 102kolumne 106

38 Ron aRTesTGibt es einen charismatischeren und gleichzeitig verrückteren NBA-Profi als Ron Artest? Nein! FIVE lässt die irre Karriere vom Public Enemy #1 zum Champion Revue passieren.

26 fRee agency 2010Die NBA hat sich nachhaltig verändert. Wir zeichnen alle Deals nach und erklären, welche Klubs nach dem Sommer 2010 als Gewinner oder Verlierer gelten müssen.

56 demaRcus cousinsDie Kings könnten die Gewinner der Draft 2010 sein – oder aber die größten Verlierer. Der Grund? DeMarcus Cousins. Der Rookie hat das Zeug, zum Dominator auf der Fünf zu werden – oder zur Katastrophe.

44 geoRge hillIn San Antonio geht die Duncan-Parker-Ginobili-Ära langsam zu Ende. Die Zukunft am Alamo? Die gehört George Hill, dem die Spurs vor langer Zeit ein Versprechen gaben …

79 fünfDie große Vorschau auf die Weltmeisterschaft 2010 – was können die Deutschen und der Rest der Welt? :: Interview mit Philipp Schwethelm und Chris McNaughton :: Die U17-WM stieg in HH – wir blicken zurück :: Special Olympics – Basketball für alle

68 cleveland cavalieRsIn Cleveland kennen sie das Gefühl, am Boden zu liegen und trotzdem noch Tritte abzubekommen. Wir erzählen euch die Geschichte der Cavs – mit großen Hoffnungen und noch größeren Enttäuschungen.

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20 miami heaTDie Miami Heat sorgten für den schockierendsten NBA-

Sommer aller Zeiten. Doch werden Dwyane Wade, LeBron James und Chris Bosh damit auch die Liga übernehmen?

Wir blicken hinter die Kulissen des neuen Superteams.

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Hi Pat,

schau mal bitte in die LB, da liegt ein anderes Foto drin - da schauen die Heatler grimmig ;-)

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MiaMi Heat

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Die MiaMi Heat Haben es getan unD sinD Der grosse gewinner Des soMMers 2010. DocH wie gelang es DeM teaM,

Dwyane waDe zu Halten sowie lebron JaMes unD cHris bosH zu verpflicHten? Die gescHicHte eines Masterplans.

text: andré voigt

YES. thEY. DiD.Das Gebäude in der 1360 East 9th Street in Downtown Cleveland ist eines

wie viele in den Innenstädten der USA. Architektonisch wenig anspruchs-voll gestaltet, erfüllt es vor allem den Zweck, Büroraum zu bieten. Die Fassade ist graues Allerlei, einzig die Tanzschule „Argentine Tango@Sunset Lounge“ sowie die Hochzeitsfotografen der „Studio South Wedding Photography“ sor-gen für ein paar Farbtupfer. Obwohl diese beiden Etablissements nichts mit dem Treffen zu tun haben, das am 02. Juli in den Büros der weltgrößten Sportvermarktungsagen-tur IMG stattfindet, sind sie doch Sinnbild für das, was sich einige Stockwerke über ihnen in der 1360 East 9th Street abspielt. Dort empfängt LeBron James zusammen mit seinen Beratern die Miami Heat. Der King bittet die Teams, die ihn verpflichten wollen, zum Tanz – mit dem Ziel, eine dieser Franchises zumindest für maximal sechs Jahre zu ehelichen1. Es ist 10:20 Uhr, als die Delegation der Miami Heat eintrifft, der Ter-min mit James soll um 11:00 Uhr beginnen. Das Team besteht aus Teamp-räsident Pat Riley, Besitzer Micky Arison, Trainer Erik Spoelstra sowie Heat-Legende Alonzo Mourning. Der Umworbene erscheint um 10:58 Uhr, trägt T-Shirt, Shorts und Rucksack. Hinter verschlossenen Türen dauert das Meeting knappe drei Stun-den und damit länger als geplant. Die Heat-Abgesandten erklären ihren Plan für eine NBA-Dynastie, werben mit dem Fehlen einer Einkommenssteuer in ihrem Bundesstaat, verweisen natürlich auf das exzellente Wetter, den Strand, das Meer. Doch am Ende ist es natürlich Trainerlegende und Meistermotivator Riley, der den meisten Eindruck macht – wie Ian Thomsen in der US-Zeitschrift „Sports Illustrated“ berichtet. Wortlos wirft Riley einen Beutel auf den Tisch, „wie eine Waffe“, wie er selbst beschreibt. Als James den kleinen Sack öffnet, funkeln ihn 21 Meis-terschaftsringe an. Riley gewann in seiner Karriere sieben Titel2. Von jedem seiner Schmuckstücke besitzt er je eine Kopie aus Gold, Platin und Silber – so kann er jeden tragen, egal für welche Farbe er sich in Sachen Garderobe entscheidet … „Probier doch mal einen an“, schlägt Riley seinem sichtlich überraschten Gegenüber vor.

Mehr als ein MasterplanViele NBA-Teams brüsten sich damit, langfristig zu denken. Sie folgen einem Masterplan, blicken voraus, erahnen Chancen, gehen intelligent mit ihren Res-sourcen um. Zumindest möchten sie das die Öffentlichkeit glauben machen. Die Ereigniskette, die Pat Riley allerdings im Frühjahr 2008 in Gang setzt, ist so

spektakulär weitsichtig, dass sie mehr an einen Bond-Bösewicht als an einen gemeinen NBA-Planer erinnert. Am 06. Februar 2008 veräußert der 65-Jährige Shaquille O’Neal für Shawn Marion und Marcus Banks nach Phoenix. Es ist der Beginn der Operation „Triple Play“, die nur eines zum Ziel hat: Riley will – ähnlich wie die New York Knicks – durch den Abbau langfristiger Verträge im Sommer 2010 zu den großen Spielern am Free-Agent-Pokertisch gehören. Natürlich wollen das viele Teams, doch bereits zum damaligen Zeitpunkt weiß der Macher um zwei riesige Vorteile seiner Heat. Da wäre zum einen die Tatsache, dass mit Dwyane Wade bereits einer der meistbegehrten Free Agents in Miami spielt. Gelänge es dem Mana-ger, genügend Platz unter dem Salary Cap zu schaffen, bestünde die Möglich-keit, Wade zwei fast maximal dotierte Verträge an die Seite zu stellen – keine andere Franchise kann ein solches Unterfangen stemmen. Zum anderen weiß Riley seinen Star auf der eigenen Seite. Angst, dass sein bester Spieler die Franchise verlässt, muss der Boss nicht haben. Wade pflegt seit Jahren die Freundschaft mit James und auch mit Chris Bosh, den Sommer 2008 ver-bringen sie zusammen beim Team USA. Über Wochen trainiert das Trio zu-sammen, gewinnt Gold bei den Olympischen Spielen in Peking. In dieser Zeit sprechen die „Redeem Teamer“ viel miteinander. Dabei geht es auch um die eigenen Zukunftswege. Hier erfährt Wade etwas, das in der Strategie der Heat zu einem zentralen Punkt werden wird: LeBron James will künftig nicht mehr diese überbordende Verantwortung im Angriff als Scorer schultern, will nicht mehr in den letzten fünf Minuten einer Playoffpartie eins-gegen-fünf gehen müssen, während seine vier Mitspieler auf dem Flügel auf freie Würfe lauern. Rileys Schlussfolgerung aus dieser Information ist simpel: James will nicht offensiv dominant wie einst Michael Jordan sein, sondern eher ein Playmaker vom Schlage eines Magic Johnson. Mit diesem Wissen beginnt der Heat-Boss, Kontakt zu den Reprä-sentanten und Freunden der großen Free Agents des Sommers 2010 aufzu-bauen. Überaus geschickt pflanzt er dabei seine Idee eines Startrios in die Hirne seiner Gesprächspartner. Wade? Der tut es Riley gleich, wird quasi zum Assistenten im Rekrutierungsprozess. „LeBron würde Magic sein, Dwyane würde den Part von Kobe übernehmen – und Chris wäre Kevin Garnett“, wiederholt Riley in der „Sports Illustrated“ seinen Vortrag vom 02. Juli 2010. „LeBron gefiel, was er hörte. Er grinste und sagte: ‚Es wäre großartig, wenn ich nicht punkten müsste.‘ Le Bron meinte, er könnte vielleicht der erste Spieler sein, der seit Oscar Robertson ein Triple-Double über eine ganze Saison auflegt.“ Überhaupt geht es bei

1. LeBron James trifft sich dort mit den Knicks, Nets, Heat, Bulls und Clippers. 2. Fünfmal wurde Riley als Cheftrainer Meister, eine Championship gewann er jeweils während seiner Zeit als Spieler und in der Funktion des Assistenztrainers.

„DiE hEat wErDEn DEn rEkorD von 72 SiEgEn in EinEr SaiSon brEchEn.

auSSErDEM DEnkE ich, DaSS SiE EinE gutE chancE habEn, DiE bEStMarkE DEr lakErS

von 33 SiEgEn in FolgE auS DEr SaiSon 1971/72 zu übErbiEtEn.“ JEFF van gunDY

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free agency 2010

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Endless SummerJaMes, waDe, bosH, nowitzki, boozer … ein ganzes nba-all-star-teaM ging in DieseM soMMer in Die vertragsfreiHeit. Das resultat? nicHt weniger als eine liga-revolution sowie ein nacHbeben, welcHes MinDestens zwölf Monate Dauern Dürfte. DesHalb analysieren wir auf insgesaMt zeHn seiten Die ereignisse Der offseason, orDnen Das gescHeHene ein, koMMentieren unD blicken voraus. text: andré voigt

Der Sommer 2010. Sehnsüchtig war er erwartet worden. Grandios viel soll-te er ändern in der besten Basketballliga der Welt. Neue Kräfte sollten

erwachen, die über Jahre gewachsene Hackordnung der NBA in zwei, drei kurzen Wochen komplett auf den Kopf gestellt werden. Der Hype war gren-zenlos … über Monate, gar Jahre. Würde diese Free Agency den Erwartungen auch gerecht werden können? Ja, und wie! Durch den Zusammenschluss von LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh, drei der besten zehn Spieler der NBA1, entstand in Miami über Nacht ein Titelfavorit, dem selbst hartgesottene Experten wie Jeff Van Gundy zutrauen, den Rekord von 72 Siegen in einer Saison zu brechen. Die Geburt von „Miami Thrice“ war aber mehr als die bloße Ent-stehung eines Meisterschaftsanwärters. Die Art und Weise, wie sich drei der absoluten Superstars der Liga entschieden, den traditionellen Weg ihrer Vor-gänger zu verlassen, sorgte für eine Sinnkrise in der NBA-Welt. Bisher – so die allgemeine Denkweise – musste jeder Superstar in den Fußstapfen Michael Jordans wandeln. Mehr noch: Die gesamte Basketballwelt war auf der Suche nach ihm, dem „Next Jordan“. Dieses Alphatier brauchte natürlich den richtigen Mix an Mitspielern um sich. Am Ende des Tages musste dieser Go-to-Guy aber der unumstrittene Chef sein, das Team wegen ihm Meisterschaften gewinnen. So war es bei His Airness, so war es bei allen Legenden des NBA-Olymps, die vor ihm kamen. „Selbst wenn ich heute zurückdenke, gab es keinen Moment, in dem ich Larry Bird oder Magic Johnson angerufen und gesagt hätte: ‚Hey, lass uns zusammen in einem Team spielen‘“, kommentierte Jordan die Ent-scheidung seiner Nachfolger. „Aber gut, die Dinge sind heute anders. Ich kann nicht sagen, dass das eine schlechte Sache ist. Aber um ehrlich zu sein: Ich habe damals versucht, diese Jungs zu schlagen.“ Selbst der titellose Charles Barkley äußerte sich kritisch. „LeBron wird nie Jordan sein. Diese Entschei-

dung nimmt ihn aus dem Rennen, da kann er gewinnen, so viel er will.“ Sicher ist: Mit der Entscheidung von James und Bosh hat sich auch die Free Agen-cy an sich verändert. Nach dem Sommer 2010 kommt der Sommer 2011. Dann werden aller Wahrscheinlichkeit nach unter anderem Carmelo Anthony (der eine unterschriftsreife Vertragsverlängerung Denvers vorliegen hat) sowie Chris Paul vertragsfrei zu haben sein. Kein Wunder, dass schon jetzt Gerüchte um das nächste Supertrio bei den Knicks, Nets oder sonst wo kursieren.

verstärkung vertagtDoch was brachte die Free Agency 2010 neben den Superfreunden am South Beach? Da waren die Teams, die sich – mehr oder weniger erfolgreich – auf die großen Free Agents stürzten. Die Knicks verpflichteten Amar’e Stoude-mire, Atlanta hielt Joe Johnson, Chicago köderte Carlos Boozer, Paul Pierce bleibt in Boston, die Mavericks wissen Dirk Nowitzki im Kader, die Heat … davon habt ihr gehört. Während sich Miami durch seine Neuzugänge direkt in die NBA-Stratosphäre katapultiert, sind es vor allem die Chicago Bulls, die durch cleve-re Einkäufe zu einer echten Macht im Osten wachsen. Boozer bringt das zuvor fehlende Scoring am Brett, Kyle Korver die so lange vermisste Gefahr von der Dreierlinie. Ronnie Brewer ist der neue Defensivstopper auf dem Flügel, C.J. Watson ein mehr als fähiger Ersatz für Point Guard Derrick Rose. Hinter Miami und Chicago schlurfte der Rest der High Roller aller-dings etwas enttäuscht nach Hause. In New York sind die Playoffs zwar wahr-scheinlich, der große Wurf gelang nicht. Die New Jersey Nets und L.A. Clip-pers gingen allerdings komplett leer aus in Sachen Hochkaräter. Die Hawks müssen sich sogar den Vorwurf gefallen lassen, den schlechtesten Vertrag des gesamten Sommers an Johnson verteilt zu haben (siehe Seite 31). Die Nets, Knicks und auch Dallas Mavericks (die sich Hoffnungen auf einen Sign-and-Trade-Deal für James und Wade gemacht hatten), sind

jedoch weiter im Rennen … im Rennen um den nächsten Free-Agent-Jahr-gang. Als sich Plan A und B nicht realisieren ließen, reagierten sie nicht über. Anstatt per Panikkauf die eigenen Ressourcen zu verschleudern, wurde das Thema „Superstar“ vertagt (siehe Seite 35). Dallas etwa hielt Nowitzki und Brendan Haywood, tradete Erick Dampier nach Charlotte für Tyson Chandler. Mark Cuban und Co. befinden sich so weiterhin in Lauerstellung, immer auf der Suche nach dem einen Deal, der die Mavs auf Augenhöhe mit den Lakers bringt. „Ich denke, ein Spieler, der zu jeder Zeit – auch in der Crunchtime – sei-nen eigenen Wurf kreieren und ein Spiel übernehmen kann, würde am besten zu uns passen“, beschreibt Dirk Nowitzki den perfekten Neuzugang in Dallas. „Manchmal ist es schwer für einen großen Spieler, dies zu tun, weil du halt nicht die ganze Zeit den Ball in der Hand hast.“ Die Knicks werden ihrerseits im kommenden Sommer ihren extrem nutzlosen Eddy Curry los, wenn das Arbeitspapier des Centers 2011 aus-läuft. Dies lässt dann genügend Dollars vom Salary Cap schmelzen, um einen weiteren Maximalvertrag zu vergeben. Bis dahin soll sich das neu formierte Team einspielen und in die Postseason einziehen. „Ich habe vom ersten Tag an gesagt, dass wir unter das Salary Cap kommen und dann geschickt unsere Gehälter managen müssen“, erklärt Knicks-Personalchef Donnie Walsh die Strategie. „Wir haben jetzt Spieler, die uns genau das ermöglichen. Wir wollten konkurrenzfähig werden, das war der erste Schritt.“ Bedeutet: Bietet sich vor der Offseason 2011 die Möglichkeit, einen All Star in den Kader zu schleusen, ist Walsh bereit. „Amar’e wird nicht getradet“, gibt er nur einem Knick die Lizenz zum Bleiben, „alle anderen sind zu haben.“ Auch die New Jersey Nets blicken nach einem verkorksten Som-mer nach vorn. Angetreten, um den Grundstein zu einer „Dynastie“ zu legen, musste der neue Besitzer Mikhail Prokhorov erkennen, dass in der NBA Geld allein nicht den Unterschied macht. Keiner der großen Free Agents interessierte sich ernsthaft für die Franchise von der falschen Seite des Hudson River. Also wurden mit Travis Outlaw, Jordan Farmar, Johan Petro und Anthony Morrow schon mal brauchbare Ergänzungsspieler verpflichtet. Der Star soll später folgen. „Wir sind in der perfekten Situation, aus jeder Möglichkeit, die sich ergeben sollte, unseren Vorteil zu ziehen“, erklärt Prokhorov. „Wir haben eine Menge Bausteine für einen Trade.“ Nach dem Sommer ist also vor dem Sommer. Bis zur Trading Dead-line im Februar 2011 (und darüber hinaus) wird jede Franchise neben den Miami Heat versuchen, die Aktionen von „Miami Thrice“ zu kontern.

Punktuell verstärkte FavoritenNaturgemäß schielten nicht alle Franchises einzig auf die Großverdiener. Vor allem die Mitfavoriten und Playoffteams aus der Vorsaison polsterten die eige-nen Kader fast schon optimal aus. Die Finalisten aus Los Angeles und Boston konnten sich beide über die Rückkehr ihrer Meistertrainer freuen, die öffentlich über den Schritt in die Rente nachgedacht hatten. Die Lakers hielten außerdem Derek Fisher und stellten ihm mit Steve Blake den besten Partner zur Seite, den der Veteran in Sachen Dreier und Spielaufbau seit seiner Rückkehr nach Hollywood bisher hatte. Außerdem kam mit Matt Barnes der perfekte Backup für Ron Artest, Athlet Shannon Brown blieb, und Theo Ratliff bekommt die Restminuten im Frontcourt. Auch die Celtics hielten ihre Band zusammen. Pierce, Ray Allen, Nate Robinson und Marquis Daniels bekamen neue Verträge. Einzig Defensiv-ass Tony Allen ging nach Memphis – ein Verlust, der intern von Daniels auf-gefangen werden soll, wenn dieser endlich wieder fit ist. Gleichzeitig kamen mit Jermaine O’Neal und Shaq zwei erfahrene Center an Bord, um den Ausfall

von Kendrick Perkins (Kreuzbandriss, fehlt bis Februar) auszugleichen. Hinter dem Potenzial beider steht allerdings ein großes Fragezeichen. Vor allem der Diesel dürfte in der aktiven Defensivphilosophie der Grünen seine Probleme haben – ist er doch bekannt dafür, sein eigenes, recht schales Verteidigungs-süppchen zu kochen. Angesichts der Umstände bringt das Duo aber die eine Qualität, die den Celtics in der Vergangenheit fehlte und den Heat in der Zu-kunft fehlen wird: Masse am Brett, die auch noch scoren kann. Die gravie-rendste Veränderung in Boston dürfte allerdings der Abgang von Defensivguru Tom Thibodeau sein, der fortan bei den Bulls als Cheftrainer amtiert. Kann die beste Verteidigung der Liga diesen Abschied kompensieren? Auch die Orlando Magic verstärkten sich punktuell. Das Team hielt Scharfschütze J.J. Redick, leistete sich mit Chris Duhon neben dem ebenfalls ins Team zurückkehrenden Jason Williams einen weiteren fähigen Backup auf der Eins. Außerdem stieß mit Quentin Richardson ein Ersatz für Matt Barnes zur Mannschaft, der zumindest aus der Distanz für Gefahr sorgen sollte, wäh-rend defensiv relativ wenig von ihm zu erwarten sein wird.

verbrannte Erde?Bleibt die Frage nach den großen Verlierern dieser Free Agency. Was bringt die Zukunft für die Franchises, die ihre Stars ziehen lassen mussten? Die Cleveland Cavaliers trafen die Ereignisse naturgemäß am härtesten. Im April noch mit Meisterschaftsträumen in die Playoffs gestartet, darf nun in Ohio niemand auch nur an die Teilnahme an der Meisterrunde glauben. Das dunkle Geheimnis der Kaderarchitektur der Cavs drängt nun ans Licht: Neben James befindet sich kein echter All Star im Team. Mo Williams und Antawn Jamison mögen ihre Punkte erzielen, einen Unterschied machen sie nicht. Der Absturz der Toronto Raptors ist weniger tief, was aber einzig an der Tatsache liegt, dass sich die Franchise schon mit Chris Bosh im freien Fall befand. Vor allem defensiv präsentierte sich die Mannschaft 2010/11 histo-risch schlecht, ein Makel, der sich nur noch deutlicher zeigen wird. Ein Aufprall am Boden der Eastern Conference ist zu befürchten. Einzig Utah und Phoenix kompensierten die Abgänge ihrer Tops-corer. Der Trade, der den Jazz Al Jefferson aus Minnesota für zwei Draftpicks bescherte, gleicht einem gelungenen Betrugsversuch der nigerianischen Spam-Mafia. Durch die Ankunft eines der besten Lowpost-Scorer bleiben die Jazz relevant, auch wenn sie mit Korver, Wes Matthews und Boozer einen enormen Aderlass hinnehmen mussten. Phoenix schließlich hielt Channing Frye und versucht, die Produk-tion von Amar’e Stoudemire durch ein Trio zu ersetzen. Josh Childress, Hedo Türkoglu und Hakim Warrick machen die Suns noch ausgeglichener, noch tiefer. Steve Nash hat also neue Spielzeuge, mit denen er im Fastbreak basteln kann. Im Übrigen mussten die Suns ja schon einmal mit dem Ausfall Stoude-mires leben. 2005/06 fehlte der Power Forward aufgrund eines Knorpelscha-dens im Knie die komplette Saison. Phoenix erreichte trotzdem die Western Conference Finals. Der Hype des Sommers ist also vorbei. Zeit, um nach der Wahrheit zu suchen. Am 26. Oktober geht es los. [email protected]

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1. Laut John Hollingers „Player Efficiency Rating“ (PER) rangierten LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh in der Saison 2009/10 auf den Rängen eins (James), zwei (Wade) und vier (Bosh) in Sachen Effizienz. Platz drei? Kevin Durant.

seite 28 :: tHe Decision – Der koMMentar

war lebron James im recht, als er cleveland verließ – oder ist seine „Decision“ zu verab-scheuen? ein kommentar.

seite 30 :: Die gewinner unD verlierer

Diese teams nutzten den sommer optimal oder fielen auf ganzer Linie durch. Wir küren die gewinner und verlierer.

seite 32 :: Die top 10 Der free agents

Wie viel Geld kosten die zehn besten Free Agents auf jeder Position? Und sind diese Deals überhaupt sinnvoll?

seite 34 :: eure leserfragen

Ihr habt uns auf www.facebook.com gefragt – wir antworten hier auf das, was euch in sachen free agency bewegt.

DEr FrEE-AgEncy-FAhrplAn Zehn Seiten Free Agency in der FIVE, da kommt ja niemand ohne wegbeschreibung zurecht! Deshalb hier ein kurzer Plan durchs Analyse-Dickicht:

verMisst iHr auf Diesen seiten eine einscHätzung zu eineM Deal eures teaMs? Jan unD Dré analysier-ten Den ganzen soMMer über alle nba-transfers unD beantworteten eure fragen! cHeckt alle fol-gen auf itunes oDer auf www.fiveMag.De!

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Trotzdem verläuft das NBA-Rookie-Jahr des damals 22-Jährigen schwierig. Der damalige Suns-Coach Terry Porter verzeiht kaum einen Fehler, lässt ihn nur wenig, zeitweise gar nicht spielen. Dragic verliert schnell das Selbst-bewusstsein. Erst als die Suns Porter entlassen und Assistenzcoach Alvin Gentry als neuen Übungsleiter installieren, beginnt auch der Point Guard wie-der an sich zu glauben. Der neue Headcoach glaubt an die Stärke von Dragic und kümmert sich intensiv um den Ersatzmann von Steve Nash. „Natürlich ist es nicht ein-fach, im Schatten eines zweimaligen MVPs zu stehen. Aber er wird gestärkt daraus hervorgehen“, sagt Gentry nach den ersten Trainingseinheiten mit dem 1,93 Meter großen Aufbau – und soll recht behalten. Überhaupt ist Gentrys Beförderung zum Cheftrainer für die Suns die Initialzündung. In den ersten beiden Spielen erzielen die Männer aus Phoenix 282 Punkte und spielen wieder den Tempobasketball, den die Fans in Arizona sehen wollen. Dragic kommt diese Flucht zurück nach vorn gerade recht. Nach der Saison schiebt er Extraschichten in der Summer League, um sich auf das neue Jahr vorzubereiten. Der Slowene weiß um seine Chance. „Es war das erste Mal, dass ich die erste Wahl auf der Aufbauposition war. Ich habe wirklich viel gelernt“, sagt Dragic über seine Erfahrungen in der Som-merliga. Die Saison 2009/10 bedeutet für Dragic den Durchbruch in der NBA. Mit soliden Einsatzzeiten und mannschaftsdienlichem Spiel etabliert er sich im Team, ohne zunächst für großes Aufsehen zu sorgen. Mit seiner Rolle als Backup von Steve Nash ist Dragic sehr zufrieden, was seinem Spiel extrem hilft. Mit neu gewonnenem Selbstvertrauen beeindruckt er Trainerstab, Team-mitglieder und natürlich den Gegner. Ihm kommt dabei zugute, dass sich die gegnerischen Mannschaften stets auf Größen wie Jason Richardson, Nash oder Stoudemire einzustellen versuchen. Goran Dragic? Ein 45. Pick aus Eu-ropa, der als Rookie durchweg unauffällig agierte? Den haben die allerwenigs-ten Coaches auf der Rechnung. Und wirklich: Das müssen sie auch nicht. Nur ein Mal bringt Dragic in einem NBA-Monat der Saison 2009/10 mehr als zehn Punkte im Schnitt (10,1 Zähler im Januar). Der Slowene agiert solide, schießt über die reguläre Saison gute 45,2 Prozent aus dem Feld sowie 39,4 von der Dreierlinie. Einzig gegen die Utah Jazz explodiert er am 25. Januar. 32 Punkte, zehn von 13 Würfen aus dem Feld finden neben sechs von sieben Dreiern das Ziel. 24 seiner Zähler bringt Dragic bereits im ersten Durchgang. Er wird an diesem Tag jedoch als Shooting Guard eingesetzt, weil sich Grant Hill früh verletzt. Die Suns verlieren trotzdem mit 115:124 – auch weil Wes Matthews, nomineller Gegenspieler von Dragic, 21 Zähler auflegt – dessen Saisonschnitt liegt sonst bei 9,4 Punkten … Das Spiel von Dragic ist nur schwer mit dem an-derer NBA-Profis zu vergleichen. Natürlich, die Tat sache, dass er Linkshänder ist, seine wilden Richtungswechsel beim Drive und auch seine hoch angesetzten Korbleger ans Brett erinnern ein wenig an Manu Ginobili (wobei uns selbstverständlich bewusst ist, dass Manu einzigar-tig ist). Dragic zieht auch trotz seiner eher schmalen Sta-tur immer wieder aggressiv zum Korb. Trotzdem passt Dragic in keine Schublade. Das Handwerk eines echten Aufbaus, der für seine Mitspieler kreiert, muss er wei-terhin mit Eifer studieren – auch wenn er schon immen-se Fortschritte macht. Bezüglich der eigenen Offensive stimmt es schon jetzt. Handwechsel in der Luft beim Korbleger oder auch die diversen Wurffinten definie-ren den ganz eigenen Stil des Slowenen. Dazu gesellen sich ein starker Dreier sowie die Fähigkeit, gegnerische Pässe zu antizipieren und abzufangen. Unwiderstehlich ist zudem der sogenannte „Dragonshake“2, mit dem er Gegenspieler alt aussehen lässt, nachdem er mit voller

Geschwindigkeit zum Korb geht. Defensiv allerdings gilt in fast allen Berei-chen: verbesserungswürdig. Doch das fällt in Arizona fast schon traditionell eher wenig ins Gewicht … Das Spiel von Dragic ist also ein bisschen von allem. Er ist ein Combo- Guard – einer, der punktet wie ein Zweier, gleichzeitig aber auf der Eins sehr nützlich sein kann. Auf Dragic muss sich der Gegner in Zukunft einstellen. Auch weil er zeitweise mit Steve Nash zusammen im Backcourt der Suns agieren wird, was Gentry eine weitere offensive Alternative bietet.

Meister und SchülerIn Nash findet Dragic den perfekten Mentor an seiner Seite. Ohne Angst um die eigenen Minuten gibt der zweifache NBA-MVP bereitwillig sein Wissen an den Nachfolger weiter. „Steve hat gesehen, dass ich gegen jeden spie-len kann“, sagt der Slowene mit Verweis darauf, dass er im Training ständig Nashs direkter Gegenspieler ist. Überheblich? Kein Stück. Vielmehr ist es die Rückendeckung von Nash, die Dragic zu einem immer stärker werdenden Spieler im Backcourt der Suns macht. Immer wieder nimmt der Alte seinen Padawan zur Seite und erklärt ihm, dass dieser sein eigenes Spiel spielen und sich auf nichts anderes konzentrieren soll. „Jeder hat von mir erwartet, dass ich so spiele wie Steve. Aber ich habe ein anderes Spiel. Ich bin kein Nash-Klon“, fügt Dragic passend an. Seine Größe und Athletik erlauben es ihm, öfter zum Korb zu ziehen als sein Mentor. Gleichzeitig ist Dragic noch nicht so versiert darin, eine Partie zu lesen. Zudem ist Dragic eben Linkshänder, was ihm vor allem beim Abschluss andere Mög-lichkeiten in der Offensive bietet. Der Lernprozess an der Seite des Kanadiers wird zwangsläufig dazu führen müssen, dass Dragic mehr spielen darf als die 18,0 Minuten, die er 2009/10 pro Partie aufs Parkett durfte. Auch um dies zu gewährleisten, schickten die Suns Leandro Barbosa für Hedo Türkoglu nach Toronto. Sollte der ebenfalls verpflichtete Josh Childress mehr auf Small Forward zum Einsatz kommen, steht Dragic sogar als primärer Ersatz auf beiden Guard-Positionen bereit. Gleichzeitig wird aber auch Nashs Arbeitslast zurückgehen, damit Dra-gic dessen Erbe Stück für Stück antreten [email protected]

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Name: Goran Dragic Position: Point Guard Geboren: 06.05.1986 Größe: 1,93 Meter Gewicht: 86,2 Kilo Spielertyp: Rotationsspieler Spitzname: The Dragon Gehalt: 1,8 Mio. Dollar Vertrag bis: 2011 Draft: 45. Pick 2008 NBA-Jahre: 2 Stationen: 2003 Ilirija Ljubljana (Slowenien), 2004 bis 2006 KD Slovan (Slowenien), 2006/2007 CB Murcia (Spanien), 2007/2008 Olimpia Ljubljana, seit 2008 Phoenix Suns Erfolge: U20-Europameister 2004, „Rookie des Jahres“ in Slowenien 2005, slowenischer Meister 2008

EuRoLEaguE-/ERStE/VERgangEnE SaiSon:

goran dragic

Jahr Team MPG FG% FT% RPG APG PPG PER

2007/2008 Ljubljana 27,3 60,9 70,8 2,9 3,1 9,7 -

2008/2009 Suns 13,2 39,3 76,9 1,9 2,0 4,5 9,8

2009/2010 Suns 18,0 45,2 73,6 2,1 3,0 7,9 14,8

Career-Highs: 32 PKT, 7 REB, 10 AST, 4 STL, 1 BLK

Die pHoenix suns sinD steve nasH sowie aMar’e stouDeMire … äH, stouDeMire ist weg. oH, unD steve nasH ist scHon 36 JaHre alt. Müssen wir uns uM unser lieblings-fastbreak-teaM etwa sorgen MacHen? nein, Denn Da gibt es Ja nocH Diesen aufbau in ausbilDung. text: florian schröder

ErbEauF ratEn

Die Schlusssirene ertönt. Tim Duncan und seine Spurs blicken ungläubig auf den Spielstand. Das dritte Spiel der zweiten Playoffrunde ging gerade

mit 96:110 verloren. Heißt im Klartext: drei Siege für die Suns, null Siege für die Spurs. Der entscheidende Mann auf Seiten von Phoenix: Steve Nash? Amar’e Stoudemire? Vielleicht sogar Grant Hill? Nein, weit gefehlt. Als ein Linkshänder der Suns 5,7 Sekunden vor dem Ende seinen letzten Jumper von Downtown durchs Nylon fliegen lässt, hat er bereits 26 Punkte auf dem Konto – 23 davon erzielt er im letzten Viertel, darunter vier von vier Dreiern. Ein überraschender Auftritt, der selbst gestandene NBA-Profis in Staunen versetzt. „Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass das die beste Leistung in einem vierten Viertel in den Playoffs war, die ich je gesehen habe“, gerät Grant Hill kurz nach dem Spiel ins Schwärmen, und auch Coach Alvin Gentry ist sichtlich begeistert: „Er ist meine Geheimwaffe, aber ich weiß auch nicht, wo er das jetzt hergeholt hat.“ Das weiß wohl niemand so ge-nau. Fakt ist nur, dass diese Glanzleistung letztlich ein bis dahin enges Spiel für die Suns entschieden hat. Wer diese Geheimwaffe überhaupt ist? Goran „Dragon“ Dragic.

Eine Sache des vertrauens Dragic wird am 06. Mai 1986 in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana geboren. Er fängt früh mit Fußball an, bis eine Verletzung ihn dazu bringt, sich ernsthaft mit Basketball zu beschäftigen. Von da an sind Michael Jordan und Allen Iverson seine Vorbilder, er steht nachts auf, um NBA-Spiele im Fernsehen zu sehen. Dragic entwickelt sich extrem schnell und beginnt mit 17 Jahren seine Profikarriere in seiner Heimatstadt bei Ilirija Ljubljana. Ein Jahr später gewinnt er mit dem slowenischen U20-Nationalteam die Europameisterschaft, bevor er 2005 zum „Rookie des Jahres“ der ersten Profiliga des Landes gekürt wird. Nach einer Saison beim spanischen Klub CB Murcia gewinnt Dragic mit dem Euroleague-Teilnehmer Olimpija Ljubljana 2008 die slowenische Meis-terschaft. Schon hier ist klar: Dragic ist besser als viele andere, hier wird ein Talent langsam, aber sicher zum Star. 2008 wird er in der Draft an 45. Stelle von den Spurs gezogen, die die Rechte an dem jungen Slowenen aber direkt an die Suns abtreten1. Dennoch ist es definitiv als Gütemerkmal anzusehen, dass Dragic als Nicht- Amerikaner von Trainerfuchs Gregg Popovich gezogen wurde.

1. Die gegenleistung für den jungen Slowenen waren Malik Hairston, ein zukünftiger Zweitrunden-Pick und geld. auf den ersten Blick kein guter Deal für die Spurs, doch die hatten eh schon tony Parker, Manu Ginobili, Roger Mason sowie Michael Finley im Kader und George Hill gedraftet. Spielzeit hätte es also für den jungen Slowenen nicht gegeben.

2. aufgrund seines namens erhielt Dragic schnell den Spitznamen „Dragon“. in anlehnung an Hakeem olajuwons „Dreamshake“ nannten Medien und Fans dann einen Dragic-Move, der dem Dreamshake extrem ähnelt, den „Dragonshake“.

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francHise-History: clevelanD cavaliers

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„tHe sHot“, vier trainer in 82 spielen unD ein legenDär planloser boss: Die gescHicHte Der clevelanD cavaliers strotzt vor skurrilen anekDoten. aM enDe bleibt Die frage: was Haben spieler Mit Der nuMMer 23 gegen Den verein aus oHio? text: Johannes korge

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Es ist nicht leicht, ein Sportfan in Cleveland zu sein. Ehrlich gesagt, ist es sogar verdammt hart. Um nachzufühlen, was

LeBron James den Anhängern der Cavs und der Stadt Cleveland mit seiner Flucht nach Miami angetan hat, reicht ein simpler, har-ter Fakt: Seit 1964 wartet Cleveland auf einen Titel in einer der großen US-Sportarten American Football, Major League Baseball, Eishockey und eben Basketball. 46 Jahre ohne NBA-Ringe, ohne World-Series-Trophäe, ohne Super-Bowl-Triumph. In keiner US-Metropole darben die Fans länger, nirgends waren die Fans öfter so nah dran – um dann doch noch alles zu verlieren. Wenn dann der unbestritten beste Athlet einer kompletten Liga seinem Hei-matstaat kalt lächelnd den Rücken kehrt, diese „Decision“ in einer landesweit übertragenen Fernsehshow zelebriert, dabei jedwede Klasse vermissen lässt, dann fallen die Reaktionen entsprechend aus. Dann brennen die weiß-burgunderfarben gefärbten Trikots mit der 23 auf youtube.com, hagelt es Parodien auf die Rede des LeBron J. aus A. Aber irgendwie musste es ja so kommen. Immer wenn Cleveland nah dran ist, hält das Schicksal einen neuen Nacken-

schlag bereit, den es kalt lächelnd serviert. Die Fans südlich des Eriesees erwarten eigentlich schon nichts anderes mehr … So taten auch die Cavaliers gleich nach ihrer Gründung 1970 alles, um dem Loser-Image ihrer neuen Heimat gerecht zu werden. Zusammengewürfelt, ohne Spielkonzept oder Anführer stolperte das Expansion-Team zu einer 15-67-Bilanz. Trainer Bill Fitch gelang es jedoch, in den folgenden Jahren mittels kluger Draftpicks und gewiefter Trade-Geschäfte eine Truppe zusam-menzustellen, die sich in den Playoffs 1976 mit einem Knall auf der NBA-Landkarte etablierte.

Das Wunder von RichfieldIm Frühjahr 1976 standen die Cavaliers vor dem Ende ihrer sechs-ten NBA-Saison, aber immer noch ohne ein einziges Playoffspiel da. Dies sollte sich schon bald ändern, nicht zuletzt dank eines Ohio-Eigengewächses. Dass die 217.000 Einwohner große Stadt Akron schon vor einem gewissen LeBron James grandiose Bas-ketballer hervorgebracht hat, bewies Nate Thurmond. Als weit ge-reister Center heuerte der 2,11-Meter-Riese 1975 in der Heimat bei den Cavaliers an – und brachte dem talentierten Team genau die Erfahrung, die es für den Sprung in die Postseason brauchte. Und was für ein Playoffdebüt es werden sollte … Gegner in der ersten Runde war der Vizemeister aus Washington – gierig darauf, die 0-4-Finalklatsche gegen die War-riors aus dem Vorjahr wettzumachen. Das erste Spiel ging an den Favoriten aus der Hauptstadt. Schon die folgende Partie in D.C. jedoch rückte die Serie in den Fokus eines landesweiten Publi-kums. Hier braute sich etwas zusammen, so viel war klar. Forward Bingo Smith besorgte mit einem Buzzer-Beater den 80:79-Sieg für die Cavs. Beide Teams gewannen die folgenden Heimpartien, mit je zwei Siegen ging es ins fünfte Spiel. Entsprechend elek-trisiert war die Stimmung im Richfield Coliseum vor dem wich

Cleveland CavaliersLarry Nance

LeBron James

Von links: Brad Daugherty, Larry Nance, Mark Price und Ron Harper

World B. Free

Mark Price

Larry Nance

Zydrunas Ilgauskas

Michael Jordan und Craig Ehlo

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wM-vorscHau

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Und wieder einmal wird klar, wie sehr man sich doch irren kann. Vergange-nes Jahr waren alle überrascht, wie drastisch Dirk Bauermann sein Natio-

nalteam umbaute. So viel Jugend und Unerfahrenheit hatte niemand erwartet. Und nun müssen wir feststellen, dass der Umbruch nicht abgeschlossen, son-dern die Europameisterschaft in Polen nur die erste Phase dieses Prozesses gewesen ist. Oder um es in den Worten des Bundestrainers zu sagen: „Die

Mannschaft war vergangenes Jahr jung, die Mannschaft ist dieses Jahr immer noch jung.“ Für die Weltmeisterschaft in der Türkei wird nämlich ein Team an den Start gehen, das noch mal etwas jünger und um einiges unerfahrener ist als das von 20091. Das liegt zum einen daran, dass Rekordnationalspieler Patrick Femerling und Kapitän Sven Schultze nicht dabei sind. Damit fehlen 324 Län-derspiele und die Erfahrung aus Teilnahmen an 15 großen Turnieren (EM, WM und Olympische Spiele). Demond Greene ist der einzige verbliebene Silberme-daillengewinner von 2005 im Kader. Er, Steffen Hamann und Jan Jagla haben um die 100 Länderspiele, ansonsten kommt kein weiterer der 14 Akteure, die zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch im Kader waren2, auch nur auf die Hälfte davon. Neun der 14 Nominierten debütierten erst in diesem oder im vergangenen Jahr in der Nationalmannschaft. Nur die drei eben genannten Profis sowie Konrad Wysocki und Tim Ohlbrecht haben bisher mehr als ein großes Turnier erlebt, fünf Spieler (Lucca Staiger, Heiko Schaffartzik, Tibor Pleiß, Elias Harris und Robin Benzing) waren in Polen erstmals dabei, und mit Yassin Idbihi, Philipp Schwethelm, Per Günther und Chris McNaughton würden vier Akteure in der Türkei ihr erstes großes Turnier absolvieren. Sieben Spieler sind aus den Jahrgängen 1988 und 1989, also 22 oder 21 Jahre alt, der Altersdurchschnitt des Kaders liegt bei 24,6 Jahren.

Ähnlich jung wie bei der EM 1997Natürlich drängt sich da der Vergleich mit der EM 1997 auf. In Spanien schickte Bundestrainer Vladislav Lucic3 ein Team ins Rennen, das aufgrund des Durchschnittsalters von nur 24 Jahren unter dem Spitznamen „Die jungen Wilden“ Zwölfter (von sechzehn Teams) wurde. Damals starteten Männer An-fang zwanzig wie Femerling, Vladimir Bogojevic und Jörg Lütcke in ihre erste EM (Ademola Okulaja war bereits 1995 dabei gewesen, Dirk Nowitzki folgte 1999, Marko Pesic, Mithat Demirel, Nino Garris und Robert Garrett 2001). Bis zur ersten Medaille in Indianapolis sollten zwar noch fünf Jah-re vergehen, aber es gibt auch aktuelle Beispiele, dass ein halbwüchsiges Team um Titel mitspielen kann. Die Serben zogen 2009 mit ihren jungen Leis-tungsträgern Milos Teodosic, Milenko Tepic (beide 1987 geboren) und Novika Velickovic (1986) überraschend ins EM-Finale ein. Der Unterschied zu den jungen Deutschen ist allerdings, dass diese drei bereits seit Jahren Verant-wortung in ihren Klubteams tragen (Teodosic wurde gerade zum MVP der Eu-roleague gewählt) und mit Olympiakos, Panathinaikos und Madrid aktuell bei drei der besten Klubs Europas unter Vertrag stehen. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn die Deutschen mit einem erfahrenen Team wie Griechen-land verglichen werden, gegen das es in der Vorbereitung ein 54:82 setzte. Seine Schützlinge hätten zusammen halt 90 Euroleague-Spiele absolviert und

die Griechen rund 1.000, sagte Bauermann. Griechenland sei im Augenblick eine Klas-se für sich. Das Spiel sei quasi ein Muster-beispiel dafür, wie europäischer Basketball aussehen könne.

Der unvermeidliche vergleich mit den FußballernDer Bundestrainer tut gut daran, in der Öf-fentlichkeit die Erwartungen der deutschen Basketball-Gemeinde zu dämpfen, sonst könnte schnell ein Vergleich aus dem ei-genen Land herangezerrt werden. Dass ein junges Team Erfolg haben kann, zeigte nämlich zuletzt die deutsche Fußball-Natio-nalmannschaft. Und auch wenn sich einige Parallelen zur DBB-Auswahl finden lassen, so heißt das nicht, dass den Basketballern Vergleichbares in der Türkei gelingen muss oder kann wie den Fußballern in Südafrika. Natürlich ist Hamann wie Bastian Schweinsteiger plötzlich in der Rolle des

Anführers, und beide gewannen bereits mehrere deutsche Titel und standen schon im Finale eines Europapokals … aber Schweinsteiger gehört auf seiner Position eben zur Weltspitze und Hamann nicht. Auch können Sami Khedira, Mesut Özil und Thomas Müller mit Elias Harris, Robin Benzing und Tibor Pleiß verglichen werden, aber abseits von Alter, Talent und der Tatsache, dass alle erst in den vergangenen 18 Monaten ihr Debüt in der Nationalmannschaft

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Die nationalMannscHaft läuft bei Der wM Jünger unD vor alleM unerfaHrener Denn Je auf. „erfaHrungen saMMeln für Den ernstfall“ ist Das Motto, sportlicHer erfolg ist kein Muss. Diesen Druck gibt es für Den

nacHwucHs erst 2011. Dann soll zusaMMen Mit Dirk nowitzki unD cHris kaMan wieDer uM obere platzierungen gekäMpft werDen.

text: sven simon und florian schröder

Jünglinge aufErfahrungstrip

Selbst Dirk Bauermann und seine Co-Trainer Denis Wucherer und Volker Stix wussten bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe am 12. August nicht, welche zwei Spieler sie noch streichen würden. Deshalb haben wir alle 14 Spieler, die zu dem Zeitpunkt noch im Kader standen, hier aufgeführt.

stats eM 2009name verein geboren größe position länderspiele Mpg ppg rpg apg fg%Steffen Hamann ohne Verein 14.06.81 1,94 1 103 21,5 4,8 2,9 3,9 30,0Heiko Schaffartzik Ankara 03.01.84 1,83 1 24 24,0 12,7 2,0 3,9 47,2Per Günther Ulm 15.02.88 1,84 1 15 - - - - -Demond Greene München 15.06.79 1,85 2 104 25,5 8,3 1,9 2,0 36,8Lucca Staiger Berlin 14.06.88 1,95 2 22 13,0 5,0 1,9 0,3 62,3Philipp Schwethelm Bremerhaven 01.05.89 2,01 2/3 6 - - - - -Elias Harris Gonzaga 06.07.89 2,01 2/3 19 12,4 2,2 2,4 0,2 55,6Robin Benzing Ulm 25.01.89 2,08 3/4 18 17,7 5,5 1,7 0,7 47,7Konrad Wysocki ohne Verein 28.03.82 2,02 3/4 40 9,4 1,3 1,9 0,3 42,9Tim Ohlbrecht Bonn 30.08.88 2,10 4 39 11,5 5,0 2,2 0,2 45,5Jan-Hendrik Jagla ohne Verein 25.06.81 2,11 4 98 22,5 9,3 6,4 0,5 33,3Tibor Pleiß Bamberg 02.11.89 2,15 5 20 4,0 1,3 1,0 0,3 50,0Yassin Idbihi Berlin 24.07.83 2,08 5 16 - - - - -Christopher McNaughton Oldenburg 11.10.82 2,11 5 5 - - - - -

Der KaDer Der nationalmannschaft

1. Die DBB-auswahl trägt dieses Jahr einen klaren BBL-Stempel: abgesehen von Jagla, Harris, Wysocki und greene spielten alle Profis zuletzt in der Bundesliga, wobei die letzteren beiden vor dem Wechsel ins ausland auch lange in der BBL aktiv waren.

2. Der Redaktionsschluss war am 12. august, also nach sechs Vorbereitungsspielen und noch vor der ersten Partie in Deutschland – da wusste selbst Dirk Bauermann noch nicht, welche beiden

Spieler er noch streichen würde.

3. Später aufgrund seiner Bilanz als „Loosic“ verspottet. unter ihm gab es 26 Siege und 30 nieder-lagen und bei den Europameisterschaften 1995 und 1997 zusammen zwölf niederlagen und zwei Siege gegen die Ukraine und Schweden.

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DIE KRASSE SEITE DER NBA25 NBA STORYS

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