Flachdachentwässerung – Eine...

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Flachdachentwässerung – Eine Planungsaufgabe! Univ.-Prof. Dr. E. Cziesielski und Dr.-Ing. J. Röder Ingenieurgemeinschaft CRP GmbH Berlin – München – Hannover – Hamburg 1 Bedeutung und Ziel der Dachentwässerung Das vorrangige Ziel von Dacheindeckungen bzw. Dachabdichtungen ist, die Bauteile und Baustoffe des Gebäudes trocken, funktionstüchtig, gebrauchstauglich und standsicher zu halten. Unzulässig hohe Wasseranreicherungen infolge von Wasser- schäden können erhebliche Verformungen, zum Beispiel bei Holz und Holzwerkstof- fen, Entfestigungen durch Frost-Tau-Wechsel sowie Fäulnis oder Schimmelpilzbil- dung bewirken. Nicht ausreichend bemessene bzw. mangels Wartung verstopfte Innenentwässerun- gen haben in der Vergangenheit mehrfach zu partiellen Dacheinstürzen geführt. Be- sonders gefährdet sind leichte Dachkonstruktionen zum Beispiel mit Trapezblechein- deckung auf einer weit spannenden, weichen Stahltragkonstruktion. Daher ist es nicht nachvollziebar, dass der Funktionstüchtigkeit der Dachentwässe- rung zum Teil bereits in der Planung kein ausreichender Stellenwert beigemessen wird und deren Bemessung zumindest bis zum Übergang in die Gebäudeentwässe- rung häufig nicht oder nur unvollkommen durchgeführt wird (siehe Bild 1 und 2). Der Verantwortungsbereich des für die Haustechnik zuständigen Planers beginnt in der Regel erst bei den Fall- oder Sammelleitungen; für die Bemessung der Dachent- wässerung fühlt sich oft keiner der Planungsbeteiligten verantwortlich. Der die Dach- abdichtung und -entwässerung ausführende Betrieb kann diese Planungslücke nicht immer ausfüllen. Die Schwachstellen liegen somit in der Regel nicht in der Zuführung des Regenwas- sers zu den Entwässerungsrinnen oder Abläufen, sondern in der ausreichenden Be- messung der Rinnen und Abläufe zur Ableitung des ankommenden Regenwassers in die Entwässerungs- bzw. Fallleitungen. Dies ist sicherlich zum Teil darauf zurückfüh- ren, dass sich die Bemessung der Dachentwässerung gemäß DIN 1986-2 vom März 1995 [2] im Wesentlichen auf die Dimensionierung der Entwässerungs- bzw. Falllei- tungen beschränkte. Erst mit Einführung von DIN EN 12056 [3] im Jahr 2001 sind auch die Rinnen und Abläufe zu bemessen.

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Flachdachentwässerung – Eine Planungsaufgabe!

Univ.-Prof. Dr. E. Cziesielski und Dr.-Ing. J. Röder Ingenieurgemeinschaft CRP GmbH

Berlin – München – Hannover – Hamburg 1 Bedeutung und Ziel der Dachentwässerung Das vorrangige Ziel von Dacheindeckungen bzw. Dachabdichtungen ist, die Bauteile und Baustoffe des Gebäudes trocken, funktionstüchtig, gebrauchstauglich und standsicher zu halten. Unzulässig hohe Wasseranreicherungen infolge von Wasser-schäden können erhebliche Verformungen, zum Beispiel bei Holz und Holzwerkstof-fen, Entfestigungen durch Frost-Tau-Wechsel sowie Fäulnis oder Schimmelpilzbil-dung bewirken. Nicht ausreichend bemessene bzw. mangels Wartung verstopfte Innenentwässerun-gen haben in der Vergangenheit mehrfach zu partiellen Dacheinstürzen geführt. Be-sonders gefährdet sind leichte Dachkonstruktionen zum Beispiel mit Trapezblechein-deckung auf einer weit spannenden, weichen Stahltragkonstruktion. Daher ist es nicht nachvollziebar, dass der Funktionstüchtigkeit der Dachentwässe-rung zum Teil bereits in der Planung kein ausreichender Stellenwert beigemessen wird und deren Bemessung zumindest bis zum Übergang in die Gebäudeentwässe-rung häufig nicht oder nur unvollkommen durchgeführt wird (siehe Bild 1 und 2). Der Verantwortungsbereich des für die Haustechnik zuständigen Planers beginnt in der Regel erst bei den Fall- oder Sammelleitungen; für die Bemessung der Dachent-wässerung fühlt sich oft keiner der Planungsbeteiligten verantwortlich. Der die Dach-abdichtung und -entwässerung ausführende Betrieb kann diese Planungslücke nicht immer ausfüllen. Die Schwachstellen liegen somit in der Regel nicht in der Zuführung des Regenwas-sers zu den Entwässerungsrinnen oder Abläufen, sondern in der ausreichenden Be-messung der Rinnen und Abläufe zur Ableitung des ankommenden Regenwassers in die Entwässerungs- bzw. Fallleitungen. Dies ist sicherlich zum Teil darauf zurückfüh-ren, dass sich die Bemessung der Dachentwässerung gemäß DIN 1986-2 vom März 1995 [2] im Wesentlichen auf die Dimensionierung der Entwässerungs- bzw. Falllei-tungen beschränkte. Erst mit Einführung von DIN EN 12056 [3] im Jahr 2001 sind auch die Rinnen und Abläufe zu bemessen.

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a)

b) Bild 1: Entwässerung eines auskragenden Vordaches durch eine Vielzahl quer verlaufender Überzüge hindurch ohne Gefälle zu einem über 20 m entfernten Dachablauf: a) Blick auf zwei Teildachflächen, die durch einen quer verlaufenden Überzug getrennt sind, b) Rohrdurchführung durch den Überzug: überstehende Abdichtungsbahnen an der Los-

Fest-Flansch-Konstruktion reduzieren den Entwässerungsquerschnitt erheblich, nach je-dem Regen staut sich Wasser auf dem Dach, das nicht abfließen kann, sondern verduns-ten muss

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Bild 2: Ungünstig ausgebildete Abläufe, zu geringe Rinnenquerschnitte und eine fehlende Notentwässerung bei einer nachträglich errichteten Innenhofüberdachung: bei einem Stark-regenereignis kam es zu einem Wasseranstau, über die unmittelbar oberhalb der Blechein-deckung liegende Fensterlaibungen drang Wasser ins Gebäude ein. 2 Aktuelle Normung zur Dach- und Gebäudeentwässerungen Mit Erscheinen der Teile 1 bis 5 der DIN EN 12056 „Schwerkraftentwässerungsanla-gen innerhalb von Gebäuden“ im Januar 2001 änderten sich die Bemessungsregeln für Dachentwässerungen wesentlich. Der Teil 3: „Dachentwässerung, Planung und Bemessung“ von DIN EN 12056 [3] enthält dabei die Bemessungsregeln für die Dach- und Gebäudeentwässerung. Diese deutsche Fassung löste die immer noch bei Planern und Ausführenden bekannte und vertraute DIN 1986 „Entwässerungsan-lagen für Gebäude und Grundstücke“ mit den Teilen 1: „Technische Bestimmungen für den Bau“ [1] und 2: „Ermittlung der Nennweiten von Abwasser- und Lüftungslei-tungen“ [2] ab. Ende 2003 wurde zudem die DIN 18460 (05/1999): „Regenfallleitun-gen außerhalb von Gebäuden und Dachrinnen – Begriffe, Bemessungsgrundlagen“ [4] zurückgezogen. Die DIN 1986-100 (05/2008) [6] ist die nationale Ergänzungsnorm zu DIN EN 12056-3 (01/2001) [3]. Sie regelt im Wesentlichen besondere nationale Anforderungen und gibt Erläuterungen zu DIN EN 12056-3 (01/2001) [3]. In DIN EN 12056 (01/2001) [3] und DIN 1986-100 (05/2008) [6] werden unter ande-rem die Bemessung von Freispiegel- bzw. Schwerkraftentwässerungen geregelt. Darüber hinaus enthält DIN 1986-100 (05/2008) [6] einen Abschnitt zur Bemessung von planmäßig voll gefüllten Regenwasserleitungen (Druckströmung). Des Weiteren wurden in die DIN 1986-100 (05/2008) [6] Hilfestellungen und Übersichtsformeln zur

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Bemessung von Dachrinnen, Dachabläufen und Notentwässerungen aufgenommen, um die praktische Anwendung der schwer lesbaren DIN EN 12056-3 (01/2001) [3] zu erleichtern. Die derzeit geltenden Normen zur Entwässerung von Dächern und Gebäuden stellen zwei wesentliche Grundforderungen: 1. Es ist eine vom öffentlichen Kanalnetz unabhängige Notentwässerung sicherzu-

stellen, um bei einem möglichen Rückstau in den öffentlichen Kanalnetzen, die aus wirtschaftlichen Gründen nur für mittlere Regenereignisse bemessen werden, Schäden am Gebäude zu verhindern. Dabei kann die Notentwässerung zum ei-nen über Notüberläufe oder Notabläufe und nach [8] zum anderen über die Mög-lichkeit eines ausreichenden Wasseranstaus sichergestellt werden. Zudem sind dann Überflutungs- und Überlastungsnachweise zu führen. Bei Dächern mit in-nenliegender Rinnenentwässerung und Flachdächern in Leichtbauweise sind gemäß DIN 1986-100 (05/2008) [6] aber immer Notüberläufe vorzusehen.

2. Die Funktionstüchtigkeit der Dachentwässerung ist durch regelmäßige Wartungs-

arbeiten zu gewährleisten. Wesentliche Regelungen dazu enthält neben den zu-vor bereits genannten Normen DIN 1986-3 (11/2004) [9].

Die Planung und Bemessung von Dachentwässerungen hat sich, wie bereits er-wähnt, mit der neuen Normengeneration grundlegend geändert. Während nach der alten DIN 1986-2 (03/1995) [2] die Bemessung der Dachentwässerung im Wesentli-chen darin bestand, den erforderlichen Durchmesser für die Fallrohre abhängig von der anzuschließenden Dachfläche zu ermitteln, wurde mit Veröffentlichung von DIN EN 12056-3 (01/2001) [3] erstmals die Bemessung von Rinnen unter Verwendung hydraulischer Berechnungsgrundlagen [8] umgesetzt. Diese Bemessung erfolgt ent-weder rechnergestützt oder in einfachen Fällen mit Hilfe von Diagrammen und Tabel-len. Bei der Ermittlung des Ablaufvermögens vorgehängter bzw. innen liegender Rinnen unter Verwendung hydraulischer Grundlagen werden unter anderem − der Abflussbeiwert der zu entwässernden Fläche, − die Länge und Geometrie der Dachrinne, − das Gefälle der Rinne, − Richtungsänderungen der Rinne von > 10°, − Laubfangsiebe am Einlauf, − das Abflussvermögen der Abläufe abhängig von der dortigen Strömung und − der erforderliche Durchmesser der Fallleitung bei Ansatz eines Füllungsgrades

von 33 % berücksichtigt. Damit erfolgt mit DIN EN 12056-3 (01/2001) [3] eine geschlossene Bemessung der Dachentwässerung. Gegenüber DIN 1986-2 (03/1995) [2] wird der ansetzbare Füllungsgrad der Regenfallleitungen von 20 % auf 33 % erhöht, so dass das Abflussvermögen der Regenfallleitungen nach DIN EN 12056 (01/2001) [3] nun deutlich größer ist. Weist die Regenfallleitung jedoch in Teilbereichen ein Gefälle von unter 10° auf, so ist deren Abflussvermögen wie für eine Sammel- oder Grundleitung zu bemessen; in diesem Fall sinkt die Abflussleistung abhängig vom Neigungswinkel zum Teil erheblich.

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3 Bemessungsregenspende und klimatische Entwicklung Die entscheidende Eingangsgröße bei der Bemessung von Dach- und Gebäudeent-wässerungen ist die zu berücksichtigende Bemessungsregenspende, deren Größe in den normativen Regelungen maßgeblich verändert wurde. Anstatt des früheren Pau-schalansatzes von 300 l/(s ha) in DIN 1986-2 (03/1995) [2] wird in der neuen Nor-mengeneration die Verwendung statistisch abgesicherter Werte vorgegeben. Durch die fortlaufend durchgeführten Messungen von Regenereignissen wird die Da-tenbasis ständig erweitert, so dass die statistisch ermittelten Regenereignisse ver-schiedener Dauer und Auftretenshäufigkeit einer fortlaufenden Aktualisierung unter-liegen. Die aktualisierten, statistisch ermittelten Regenereignisse werden somit zum einen von den neuen Regenmesswerten und zum anderen von den verwendeten statistischen Methoden beeinflusst. Die planmäßige Dachentwässerung sowie die Entwässerungsleitungen innerhalb von Gebäuden waren nach DIN 1986-2 (03/1995) [2] generell für 300 l/(s ha) und nach Inkrafttreten von DIN 1986-100 (03/2002) [5] für den statistisch ermittelten 5-Minuten-Regen r5,2, der maximal einmal in 2 Jahren überschritten wird, zu bemessen. Bei Verwendung der statistisch ermittelten Bemessungsregenspende entfiel die Berück-sichtigung eines Sicherheitsfaktors. Als Quelle für die statistisch abgesicherten Re-genspenden wurden die örtlichen Behörden oder der Deutsche Wetterdienst ge-nannt; erste Anhaltswerte enthielt die Norm im Anhang A. Durch die Aufteilung Deutschlands in 5343 Rasterfelder standen mit [10] örtlich eng begrenzte, statistisch ermittelte Daten zu Regenereignissen zur Verfügung. Die Angaben in KOSTRA-DWD 1997 [10] beruhten auf der Auswertung der Niederschlagswerte von 1951 bis 1980. Mit der Auswertung der Niederschlagswerte von 1951 bis 2000 durch den Deutschen Wetterdienst im KOSTRA-DWD 2000 erfolgte eine Aktualisierung der statistischen Daten. Im Zuge dieser Neuauswertung wurden neben der erweiterten Datenbasis auch veränderte statistische Ansätze zur Auswertung der Regenereignisse verwen-det. Infolgedessen ergaben sich für die bisherige Bemessungsregenspende r5,2 um bis zu 30 % niedrigere Werte. Die weitere Verwendung dieser Regenspende hätte zu erheblichen Unsicherheiten bei der Bemessung der Dachentwässerungen geführt. Aufgrund dieser Veränderung empfahl der DIN-Normenausschuss Wasserwesen für die Bemessung der planmäßigen Dachentwässerung bereits in den DIN-Mitteilungen vom Juni 2006 verbindlich die Verwendung des 5-Minuten-Regens r5,5, der maximal alle fünf Jahre überschritten wird. Diese Anforderung wurde in DIN 1986-100 (05/2008) [6] aufgenommen. Die Regenspende r5,5 ist in der Regel etwas größer als die frühere Bemessungsregenspende r5,2; an einigen Orten ist sie jedoch auch gerin-ger. Tabelle 1 enthält die derzeit anzusetzende Bemessungsregenspende für die plan-mäßige Dachentwässerung r5,5 und die Bemessungsregenspenden für die Notent-wässerung r5,100 für verschiedene Rasterfelder, die zum Teil innerhalb einer Stadt liegen. Zudem enthält sie die prozentuale Veränderung gegenüber dem früher anzu-setzenden Bemessungsregen von 300 l/(s ha).

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Stadt Lage planmäßige Entwässerung Notentwässerung r5,5 [l/(s ha)] Veränderung r5,100 [l/(s ha)] Berlin Mitte 366 + 22 % 671 Köpenick 296 - 1 % 495 Dresden Zentrum 323 + 8 % 602 Hamburg Altona 266 -11 % 463 Blankenese 290 - 3 % 532 Köln Dom 320 + 7 % 604 Flughafen 336 + 12 % 639 Leipzig Zentrum 365 + 22 % 682 München Zentral 352 + 17 % 633 Flughafen 415 + 38 % 792

Tabelle 1: Bemessungsregenspenden r5,5 und r5,100, Werte aus [11] sowie Veränderung der Bemessungsregenspende gegenüber dem frühren Mindestwert von 300 l/(s ha)

An der Bemessung der Notentwässerung wurden in DIN 1986-100 (05/2008) [6] ge-genüber DIN 1986-100 (03/2002) [5] keine Veränderungen vorgenommen; als Be-messungsregenspende ist r5,100 unter Abzug der Bemessungsregenspende, die für planmäßige Dachentwässerung berücksichtigt wurde, zu verwenden. Eine Ausnah-me bilden wieder besonders schützenswerte Gebäude; hier ist r5,100 ohne Abzug zu verwenden. Im Gegensatz zum konstruktiven Ingenieurbau werden bei bauphysikalischen Be-messungen nach wie vor in der Regel keine Sicherheitsfaktoren berücksichtigt, ob-wohl dies zum Beispiel zur Vermeidung von Schimmelpilzwachstum sinnvoll wäre [12]. Ohne Sicherheitsabstand zwischen Bemessungs- und Gebrauchsbedingungen sind Schäden mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit zu erwarten als bei Be-rücksichtigung eines geeigneten Sicherheitskonzeptes. Dies betrifft alle Bereiche der Bauphysik, insbesondere auch die Bemessung von Dachentwässerungen. Besonders in der jüngeren Vergangenheit hat die Häufigkeit und Intensität von Stark-regenereignissen zugenommen. Dies wird im Wesentlichen auf die Erderwärmung und die damit verbundenen klimatischen Veränderungen zurückgeführt. Für die Zu-kunft prognostizieren die Klimaforscher einen weiteren Anstieg der Temperatur in der Erdatmosphäre und eine fortschreitende Veränderung des Klimas in Mitteleuropa. Dabei soll die Intensität der klimatischen Beanspruchungen weiter zunehmen. Überschreitet zukünftig ein Regenereignis den Bemessungsregen einer Dachent-wässerung, besteht kein Sicherheitspuffer. Schäden sind besonders bei einer in die-sem Fall nicht mehr ausreichenden Notentwässerung, aber zum Teil auch bei einer zu gering dimensionierten planmäßigen Dachentwässerung zu befürchten. Daher erscheint die Frage berechtigt, ob es nicht wirtschaftlicher wäre, die Entwässerung von Gebäuden generell mit einem angemessenen Sicherheitsabstand zu bemessen. Durch die Verwendung des nächstgrößeren Rinnen- und Rohrquerschnitts könnte hier bereits ein erheblicher Sicherheitspuffer für das Gebäude geschaffen werden, ohne dass dies zu unverhältnismäßig hohen Mehrkosten führt. Die Empfehlung von DIN 1986-100 (05/2008) [6] bzw. E DIN 1986-100 (04/2007) [6], bei Gebäuden mit außergewöhnlichem Schutzbedarf die Notentwässerung alleine für r5,100 zu bemes-sen, zielt bereits in diese Richtung.

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Die Tatsache, dass die Dachentwässerung bei vielen Bestandsgebäuden Zugrunde-legung der derzeitigen Anforderungen nicht ausreichend bemessen ist, unterstreicht die Forderung nach einem Sicherheitskonzept. 4 Fallbeispiele zu Schäden bei Dachentwässerungen Anhand der folgenden Fallbeispiele werden prinzipielle Schwachpunkte von Dach- und Gebäudeentwässerungen bzw. Fehlerquellen bei der Herstellung von Dachauf-bauten aufgezeigt. 4.1 Beispiel 1: Fehlende Bemessung der Dachentwässerung In einen bestehenden, vollständig umbauten Innenhof wurde eine Innenhofüberda-chung eingebaut. Die Entwässerung des Innenhofes erfolgt über die in der Dachflä-che integrierten Rinnen (Bild 3a). Die Rinnen geben den anfallenden Regen in die Fallleitung ab (Bild 3b). Bei vollständig umbauten Innenhöfen besteht grundsätzlich die Schwierigkeit, für die innen liegende Dachentwässerung eine Notentwässerung sicherzustellen. Ein freier Ablauf des Regenwassers über Notüberläufe oder Notabläufe lässt sich, wie auch bei dem vorliegenden Beispiel, aufgrund der umgebenden Bebauung häufig nicht oder nur sehr schwierig umsetzen. Alternativ bestand nach DIN 1986-2 (03/1995) [2] und besteht derzeit nach DIN 1986-100 (05/2008) [6] die Möglichkeit, einen planmäßigen Wasseranstau vorzusehen und das Dach bis zur Anstauhöhe entsprechend abzu-dichten und zudem das Dach für den zusätzlichen Lastfall „aufgestautes Wasser“ zu bemessen. Im vorliegenden Fall wurde weder eine Notentwässerung noch ein planmäßiger Wasseranstau vorgesehen; die Unterkante der Brüstung einiger oberhalb des neuen Innenhofdaches befindlichen Fenster liegt, wie in Bild 3 dargestellt, nur geringfügig höher als die Oberkante der Entwässerungsrinne. Infolge eines Starkregenereignis-ses staute sich das Wasser so hoch auf, das es unter anderem zu einem Wasserein-drang über diese Fenster ins Gebäude kam. Neben dem Versäumnis, eine Notentwässerung sicherzustellen, erfolgte auch keine Bemessung der innen liegenden Entwässerungsrinnen sowie der Dachabläufe. Die Rinnen weisen aufgrund einer zu geringen Höhe kein ausreichendes Ablaufvermö-gen auf. Oberhalb der Abläufe der Rinnen, die handwerklich zylindrisch hergestellt wurden, mündet zudem jeweils eine Fallleitung zur Entwässerung der Dächer der Innenhofumbauung. Der dynamische Wassereintrag aus der Fallleitung, der zylindri-sche, wenig leistungfähige Ablauf ohne Wasserfangkasten und das mäßig durchläs-sige, improvisierte Laubfangsieb führten zu einem stark verzögerten Ablauf des Re-genwassers und damit zu einem Wasseranstau; der Querschnitt der direkt anschlie-ßenden Fallleitung war ausreichend bemessen. Bei Ansatz der derzeitigen, gegen-über den alten Anforderungen höheren Bemessungsregenspende ist jedoch ein Teil-stück der Entwässerungsleitung des Gebäudes nicht mehr ausreichend bemessen.

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a)

b) Bild 3: Ausbildung der Dachentwässerung, des Rinnenablaufes sowie über dem Ablauf en-dendes Regenfallrohr: a) die Brüstung der angrenzenden Fenster liegt nur geringfügig höher als die Rinnenober-

kante; b) Geometrie des Rinnenablaufes und des handwerklich hergestellten Laubfanggitters; die

unterhalb der Rinne an den Rinnenablauf anschließende Entwässerungsleitung ist nicht an die Notabdichtung des Daches angeschlossen

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Generell ist zur Sicherstellung einer ausreichenden Ablaufleistung die Verwendung eines Systems bestehend aus Ablauf und Laubfangsieb mit versuchstechnisch ermit-telter Ablaufleistung zu empfehlen, um einen ausreichenden Abfluss sicherzustellen. Im vorliegenden Fall führten im Wesentlichen eine fehlende fachkundige Planung der Entwässerung sowie eine ungünstige handwerkliche Ausbildung des Ablaufes zum Wassereinbruch. 4.2 Beispiel 2: Überlaufende Dachrinnen In vorliegenden Fall erfolgt die Ableitung des Regenwassers des höher liegenden Flachdachbereiches über vorgehängte Dachrinnen und zwei Regenfallleitungen. Beide Regenfallleitungen münden in eine weiter unten liegende Dachrinne, deren Querschnitt kleiner dimensioniert ist als jener der höher gelegenen Rinne. Zudem muss das Regenwasser aus der ersten Regenfallleitung zwei 90°-Winkel passieren, bis es zum Rinnenablauf gelangt, der entgegen der Empfehlung von DIN EN 12056-3 (01/2001) [3] in einem 90°-Winkel liegt und zudem direkt von oben durch die zweite Regenfallleitung gespeist wird. Bild 4 zeigt die beschriebene Situation.

a) b) Bild 4: Entwässerungssituation des Daches im Innenhofbereich eines sanierten Altbaus: a) die beiden mit roten Pfeilen markierten Fallleitungen leiten das Regenwasser von der obe-

ren Dachfläche in eine kleinere Regenrinne; das Regenwasser der vorderen Fallleitung muss um den Gebäudevorsprung (blauer Pfeil) herum strömen, um zu dem dahinter lie-genden Ablauf in die Fallleitung (Teilbild b)) zu gelangen

b) Fallleitung von oben, Rinnenwinkel und nach unten weiterführende Fallleitung

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Hier führten mehrere Faktoren zum wiederholten Überlaufen der unteren Dachrinne bei Starkregenereignissen. Im Rahmen der Sanierung des Gebäudes wurde die Be-messung der Dachentwässerung nicht konsequent überprüft. Zudem verringern der kleine Rinnenquerschnitt sowie die Rinnenwinkel die Ablaufleistung der Rinne. Die ungünstige Anordnung des Ablaufes in einem Rinnenwinkel sowie der zylindrische Ablauf aus der runden Rinne führen zu einem verzögerten Wasserablauf. Infolge-dessen kam es im vorliegenden Fall schon bei stärkeren Regenereignissen zu einem Überlaufen der Dachrinne und daraus resultierenden Wasserschäden. 4.3 Beispiel 3: Teilweise intensiv begrünter, unterkellerter Innenhof In diesem dritten Fall handelt es sich wieder um einen vollständig umbauten und un-terkellerten Innenhof. Die Detailskizze in Bild 5 zeigt einen Randbereich des vollstän-dig umbauten Innenhofes, der intensiv begrünt ist. Dabei weist, wie in Bild 5 zu se-hen, die Oberfläche des intensiv begrünten Bereiches ein deutliches Gefälle zu dem angrenzenden Fensterbereich auf, ohne dass in diesen Bereichen eine ausreichende Entwässerung gewährleistet ist. Die in Bild 5 entlang der Innenhofumbauung verlau-fende Rinne dient lediglich als Sickerrinne; es ist keine Entwässerungsrinne, sie ist nicht an die im Innenhof angeordneten Abläufe angeschlossen. Die Geländegestaltung der intensiven Begrünung und die Anordnung der Entwässerungssysteme wurden hier nicht aufeinander abgestimmt. Bei starkem Regen staute sich das zum Teil oberfläch-lich ablaufende Wasser dort an, so dass die nur bis zur Oberkante der Sickerrinne hochgeführte Abdichtung hinterlaufen wurde.

Bild 5: Teilweise intensiv begrünter Innenhof eines Bürogebäudes mit darunter befindlicher Tiefgarage: Zum Gebäude hin abfallendes Gelände eines intensiv begrünten Bereiches des Innenhofes mit einer Sickerrinne unmittelbar vor der Pfosten-Riegel-Fassade Bei der Überprüfung der Lage der Abläufe zeigte sich, dass diese nicht an den Tief-, sondern zum Teil sogar an den Hochpunkten des Innenhofes angeordnet waren. Die im Innenhof angeordneten Abläufe waren bereits für eine Regenspende von

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300 l/(s ha) gemäß DIN 1986-2 (03/1995) [2] leicht unterdimensioniert. Nach DIN 1986-100 (05/2008) [6] wäre derzeit für diesen Standort eine um etwa 50 l/(s ha) hö-here Regenspende anzusetzen. Auch in diesem vollständig umbauten Innenhof wurde weder eine Notentwässerung noch ein planmäßiger Wasseranstau – die Abdichtung wurde dazu nicht hoch genug geführt – vorgesehen. Somit erfüllt die vorhandene Entwässerung weder die Anfor-derungen an eine planmäßige Entwässerung noch an die erforderliche Notentwässe-rung; die Folge war ein Eindringen des Regens in das Gebäudeinnere mit zum Teil erheblichen Überschwemmungsschäden. 4.4 Beispiel 4: Teilweiser Hallendacheinsturz nach einem Starkregenereignis Im Zuge eines Starkregenereignisses, dessen Intensität vermutlich etwa dem Be-messungsregen entsprach, stürzte ein etwa 30 m auf 12,5 m großer Bereich eines mit ein Prozent Dachneigung flach geneigten Stahldaches ein (siehe Bilder 6 und 7). Die Anzahl der Dachentwässerungspunkte dieses flach geneigten Daches wurde rechnerisch richtig ermittelt. Die Ablaufleistung der Dachentwässerungspunkte wurde dabei zu nahezu 100 % ausgelastet. In der Berechnung wurde eine gleichmäßige Verteilung der Regeldachentwässerungspunkte vorausgesetzt. Tatsächlich wurden die Dachentwässerungspunkte jedoch nicht gleichmäßig angeordnet, so dass sich unterschiedlich große Regeneinzugsflächen für die einzelnen Dachentwässerungs-punkte ergaben. Besonders die Dachentwässerungspunkte im Schadensbereich wiesen ca. 1300 m² sehr große Einzugsflächen auf. Alle Regeldachentwässerungs-punkte waren einheitlich für eine Einzugsfläche von knapp 900 m² bemessen, so dass die beiden Entwässerungspunkte im Schadensbereich im Bemessungsfall um ca. 50 % überbelastet waren. Es war eine Notentwässerung der Dachfläche geplant und ausgeführt, die aber so hoch über der Dachoberfläche angeordnet wurde, dass es aufgrund der geringen Dachneigung zu einem erheblichen Wasseranstau auf der Dachfläche kam. Zudem wurde im Bereich der Dachentwässerungspunkte keine Grabenrinne ange-ordnet (siehe Bild 8). Im Falle eines Bemessungsregens führte dies zwangsläufig zu einem Wasseranstau an den Dachentwässerungspunkten bis zur Oberkante der Ab-läufe, da derartige Abläufe erst dann ihre volle Ablaufleistung erreichen. Aufgrund der flachen Dachneigung von ca. einem Prozent kam es bereits planmäßig zu einem etwa 8 m weiten Wasserrückstau auf dem Dach. Infolge der Biegeweichheit der weit-gespannten und im Schadensbereich stützenfreien Stahldachkonstruktion und der beträchtlichen Überlastung der Regeldachentwässerungspunkte im Bereich kam es zu einer Wassersackbildung im Schadensbereich, die schließlich zum Dacheinsturz führte. Nach dem Schadensereignis wurden im Schadensbereich weitere Regeldachent-wässerungspunkte eingebaut. Zudem wurden zur Vermeidung eines planmäßigen Wasserrückstaus auf dem Dach entlang der Attiken Grabenrinnen (Bild 9) angeord-net und die Regeldachentwässerungspunkte tiefer gelegt. Dabei wurde die Tiefe der Grabenrinnen so gewählt, dass an den Regelentwässerungspunkten die für die volle Ablaufleistung erforderliche Anstauhöhe erreicht wird, ohne dass die Grabenrinne überläuft.

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Bild 6: Blick vom Hallenboden zum eingestürzten Teilbereich des Hallendaches; die Dach-konstruktion bestand in diesem Bereich aus einer Trapezblecheindeckung und ca. 30 m weit gespannten Pfetten, die auf Stahlfachwerkbindern mit einer Spannweite von etwa 31 m auf-lagerten (Quelle: Dr.-Ing. Gladen, Berlin)

Bild 7: Blick vom intakten Dach zum eingestürzten Teilbereich des Hallendaches (Quelle: Dr.-Ing. Gladen, Berlin)

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Bild 8: Regeldachentwässerungspunkt (rechts) und Notentwässerungspunkt (links) an der Attika; entlang der Attika wurde keine Grabenrinne angeordnet (Quelle: Dr.-Ing. Gladen, Ber-lin)

Bild 9: Zur Verbesserung der Dachent-wässerung wurde nach dem Schadens-fall eine Grabenrinne entlang der Attika angeordnet

Der Anschluss der Regenfallleitung an die Dachentwässerungskästen stellte einen weiteren Schwachpunkt der Regeldachentwässerung dar. Zum einen war der Durch-

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messer der Auslauföffnung des Regenfangkastens geringer als der Durchmesser des anschließenden Regelfallrohrs (siehe Bild 10 und 12). Zum anderen wurde kein Ein-lauftrichter angeordnet, wodurch die Ablaufleistung deutlich sinkt (siehe Bild 11). In-folge dieser beiden Umstände wurde die erforderliche Ablaufleistung vom Wasser-fangkasten in die Regenfallleitung nicht erreicht. Aufgrund der Anordnung der Was-serfangkästen in Bezug zur Dachoberfläche konnte es somit zu einem Wasserrück-stau auf der Dachfläche kommen (siehe Bild 12).

Bild 10: Der Durchmesser der Auslauföffnung ist geringer als der Durchmesser des an-schließenden Regenfallrohrs

Bild 11: Ohne Anordnung eines Einlauftrichters verringert sich die Ablaufleistung des Ablau-fes durch die am rechtwinkligen Ablauf stattfindende Einschnürung deutlich, aus [13]

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Bild 12: Anordnung der Wasserfangkastens in Bezug zur Dachoberfläche

Bild 13: Anordnung von Dämmkeilen auf der Dachfläche im Feldbereich der Durchlaufpfet-ten zur Ableitung des Wassers in die auflagernahen Bereiche des Pfettendaches

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Zur Vermeidung von Wassersackbildungen bei beginnender Schneeschmelze nach dem außergewöhnlichen Schneelastfall „norddeutsches Tiefland“ wurden in den Feldbereichen der Durchlaufpfetten zudem Dämmkeile auf der Dachfläche angeord-net (siehe Bild 13), die das Schmelzwasser zu den auflagernahen Bereichen des Pfettendaches ableiten sollen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass aufgrund der ungleichmäßigen Anordnung der Regelentwässerungspunkte und der daraus resultierenden Überlastung einzelner Regelentwässerungspunkte es zu einem Wasserrückstau auf dem Dach kam. Durch das Fehlen einer Grabenrinne und die biegeweiche Dachkonstruktion kam es dann zu einer Wassersackbildung auf der Dachfläche, die schließlich zum Teileinsturz des Daches führte. 4.5 Beispiel 5: Kalkablagerungen in der Dachentwässerungsanlage In DIN 1986-100 (05/2008) [6], Abschnitt 5.3.1 heißt es bezüglich zementhaltiger Dachflächen wörtlich: „ Zur Vermeidung von Kalkinkrustationen in der Entwässe-rungsanlage müssen Regeneinzugsflächen aus zementgebundenen Werkstoffen versiegelt werden. Die Einleitung von Sickerwasser aus kalkhaltigen Bettungsmate-rialien ist zu vermeiden“. Die Bedeutung bzw. Notwendigkeit dieser Regelung sei an einem Schadensbeispiel erläutert. Auf der mehrere tausend Quadratmeter großen Dachfläche über einer Tiefgarage wurde eine Fahrfläche aus Betonsteinpflaster ausgeführt (siehe Bild 14). Die Pflas-tersteine wurden nicht im Kiesbett, sondern in einem groben Kies-Sand-Gemisch (Magerbeton) verlegt. In der Ausschreibung wurden 200 kg Zement je Kubikmeter Gemisch vorgegeben. Die „verfestigte“ Mischung wurde gewählt, um die Lagestabili-tät der Pflasterung gegenüber Horizontalkräften in der Pflasterebene aus Bremsen und aus Kurvenfahrten zu verbessern; es sollte dadurch das „Wandern“ der Pflaster-steine, wie in Bild 15 zu erkennen, vermieden werden.

Bild 14: Befahrene Dachfläche einer Tiefgarage mit Betonsteinpflasterung

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Nach ca. eineinhalbjähriger Standzeit des Daches wurde beobachtet, dass die Leis-tungsfähigkeit des Regenentwässerungssystems beeinträchtigt war; es bildeten sich Pfützen auf dem Dach und das Niederschlagswasser floss nur verzögert ab. Die Öff-nung der Dachfläche und der Entwässerungsleitungen zeigte, dass die Entwässe-rungsrohre in erheblichem Umfang mit Kalksteinablagerungen zugesetzt waren (sie-he Bild 16). Die Ursache für die Sedimentation in den Entwässerungsrohren bestand darin, dass das weiche Regenwasser durch die poröse Kies-Zement-Mischung durchsickerte und dabei das freie Calciumhydroxyd des Mörtelgemisches aufnahm. In den Entwässerungsleitungen bildete sich dann durch den Zutritt von Kohlendioxyd aus der Luft wasserunlöslicher Kalkstein:

Ca(OH)2 + CO2 = CaCO3 + H2O

Zusammenfassend sind aus diesem Schadensfall folgende Schlüsse zu ziehen: 1. Auf Dachflächen dürfen nur Betone hoher Festigkeit und damit geringer Poro-

sität verwendete werden, die nicht von Regen durchsickert werden können (siehe Bild 17)

2. Die in DIN 1986-100 [6] geforderte „Versiegelung“ zementhaltiger Dachflächen wird als wenig geeignet angesehen.

3. Die Lagestabilität der Pflasterung ist bei befahrbaren Dachflächen durch fol-

gende Maßnahmen zu erreichen: a) Umrahmungen einzelner Pflasterelemente durch Betonbalken (siehe

Bild 14) b) Stabilisierung im Bereich von Durchbrüchen der Pflasterung für Regen-

einläufe, Lichtmaste u. Ä. durch Betonflächen (siehe Bild 18) c) Wahl der Pflastersteinhöhe h ≥ 10 cm, um dem Verkanten der Steine in

folge des größeren inneren Hebelarmes entgegenzuwirken.

Bild 15: Gestörte Lagestabilität der Pflasterung

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Bild 16: Durch Kalkstein zugesetztes Entwässerungsrohr

Bild 17: Regelaufbauten befahrener Umkehrdach-Dachflächen aus Beton: a) Verbundsteinpflaster im Kiesbett b) Betonplatten auf Stelzlager oder im Kiesbett c) WU-Beton

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a)

b) Bild 18: Ausführung der Pflasterung im Bereich eines Regeneinlaufes: a) nicht stabilisierte Pflasterung b) durch eine Betoneinfassung stabilisierte Pflasterung 4.6 Schlussfolgerungen Eine wesentliche Schadensursache ist in der unzureichenden Planung und Bemes-sung der Dach- und Gebäudeentwässerungen zu suchen. Im ersten Fall setzt diese schon bei der mangelnden Abstimmung der Innenhofüberdachung auf die umgeben-

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de Bebauung ein. Aufgrund der zu geringen Höhendifferenz zwischen einigen Fens-terbrüstungen und der Dachoberfläche konnten fachgerechte Entwässerungsrinnen nicht mehr angeordnet werden. Häufig problematisch ist auch der oft anzutreffende stufenweise Regenwassertransport bzw. dessen Querleitung über nachgeschaltete Rinnen. Die grundlegende Forderung nach einer vom Kanalnetz unabhängigen Notentwässe-rung wird, wie hier in zwei Beispielen gezeigt, zum Teil nicht umgesetzt, obwohl die-se Anforderung auch schon in DIN 1986-2 (03/1995) [2] enthalten war und die Not-entwässerung bei einer Überbelastung der planmäßigen Entwässerung kostspielige Schäden verhindern kann. Bei Anordnung der Dachentwässerungspunkte ist auch darauf zu achten, dass die jeweiligen Einzugsflächen nicht zu groß werden. Bei flach geneigten Dächern ist zu-dem zu beachten, dass Dachabläufe eine gewisse Anstauhöhe benötigen, um ihre Ablaufleistung zu erreichen. Kann diese Anstauhöhe zu einer Wassersackbildungen führen, so empfiehlt sich die Anordnung einer Grabenrinne. Für die Funktionstüchtigkeit der Entwässerung ist des Weiteren eine regelmäßige Wartung und Reinigung besonders im Herbst erforderlich. Durch Laub zugesetzte Entwässerungen führen sonst jede fachgerechte Planung ad absurdum. Zudem sind nur Baustoffe oder Bauweisen zu verwenden, bei denen es nicht zu einer sukzessi-ven Verstopfung der Rohre durch Einlagerung von Kalkstein kommt. 5 Zusammenfassung Die vorgestellten Anforderungen der geltenden Normen an die Bemessung von Rin-nen, Abläufen und Entwässerungsleitungen zeigt, dass Dach- und Gebäudeentwäs-serungen einer fachgerechten Planung und Bemessung bedürfen. Die wichtigsten Forderungen sind dabei das Vorsehen einer Notentwässerung und die regelmäßige Wartung der Entwässerungsanlage. DIN EN 12056-3 (01/2001) [3] und die deutsche Umsetzungsnorm DIN 1986-100 (05/2008) [6] stellen die Grundlage für die umfassende, auf hydraulischen Bemes-sungsgrundlagen basierende Planung dar. DIN 1986-100 (05/2008) [6] enthält Be-messungshilfen sowie ausführlichere und präzisere Erläuterungen zu der recht schlecht lesbaren DIN EN 12056-3 (01/2001) [3]; zudem wurden Berechnungsgrund-lagen zur Bemessung von Druckströmungen ergänzt. Die anzusetzende Regenspende ist auf statistischer Grundlage für den zu betrach-tenden Ort zu ermitteln. Für die planmäßige Dach- und Gebäudeentwässerung ist bedingt durch die Umstellung in der statistischen Auswertung der Starkregenmengen seit Juni 2006 r5,5 zu verwenden, für die Notentwässerung r5,100. Die Auswertungen zu Starkregenmengen unter anderem in [5] oder [11] zeigen, dass trotz geringer geographischer Entfernungen beträchtliche Unterschiede hinsichtlich der Regen-spende bestehen können. Zwischen westlichen und östlichen Berliner Rasterfeldern beträgt der Unterschied zum Teil bis zu 100 l/(s ha) für r5,5. Im Zuge der sich ab-zeichnenden Verschärfung der klimatischen Beanspruchungen in Deutschland sollte, wie beispielsweise bei statischen Nachweisen, auch bei der Bemessung von Dach-

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entwässerungen ein Sicherheitspuffer vorgesehen werden, um unvorhergesehene Ereignisse schadenfrei zu überstehen. Anhand der Fallbeispiele wurde gezeigt, dass bei Vernachlässigung der Entwässe-rungsplanung nicht selten mangelhafte Entwässerungsanlagen entstehen, die von Wasserschäden bis hin zum Einsturz von Dachflächen führen können. Die Gefähr-dung von Menschenleben aufgrund einer mangelhaften Dachentwässerungsplanung ist nicht hinnehmbar. Die Behebung von Planungsmängeln und daraus entstehender Schäden ist mitunter sehr kostspielig. Daher ist es zu empfehlen, auch zur Planung und Bemessung der Dachentwässerung einen Fachplaner hinzuzuziehen. 6 Literatur [1] DIN 1986-1 (06/1988): Entwässerung für Gebäude und Grundstücke – Teil 1:

Technische Bestimmungen für den Bau, Berlin: Beuth-Verlag, 1988 [2] DIN 1986-2 (03/1995): Entwässerung für Gebäude und Grundstücke – Teil 2:

Ermittlung der Nennweiten von Abwasser- und Lüftungsleitungen, Berlin: Beuth-Verlag, 1995

[3] DIN EN 12056-3 (01/2001): Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von

Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung, Deutsche Fassung EN 12056-3: 2000, Berlin: Beuth-Verlag, 2001

[4] DIN 18460 (05/1999): Regenfallleitungen außerhalb von Gebäuden und Dach-

rinnen – Begriffe, Bemessungsgrundlagen, Berlin: Beuth-Verlag, 1999 [5] DIN 1986-100 (03/2002): Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstü-

cke – Teil 100: Zusätzliche Bestimmungen zu DIN EN 752 und DIN EN 12056, Berlin: Beuth-Verlag, 2002

[6] DIN 1986-100 (05/2008): Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstü-

cke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056, Berlin: Beuth-Verlag, 2008

[7] DIN 1986-3 (11/2004): Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke

– Teil 3: Regeln für Betrieb und Wartung, Berlin: Beuth-Verlag, 2004 [8] Thomas, Stefan: Praktische Konsequenzen der neuen Dachentwässerungs-

normen - Erfahrungen mit Schwerkraft- und Unterdruckentwässerungen, In: Oswald, R. (Hrsg.): Aachener Bausachverständigentage 2005, Wiesbaden: Friedr. Vieweg Verlag, 2005

[9] DIN 1986-3 (11/2004): Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke

– Teil 3: Regeln für Betrieb und Wartung, Berlin: Beuth-Verlag, 2004 [10] itwh - Institut für technisch-wissenschaftliche Hydrologie GmbH: KOSTRA-

DWD 1997: KOordinierte STarkniederschlags-Regionalisierungs-Auswertung, PC-Programm

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[11] itwh - Institut für technisch-wissenschaftliche Hydrologie GmbH: KOSTRA-

DWD 2000 Dach: KOordinierte STarkniederschlags-Regionalisierungs-Auswertung, PC-Programm vom November 2006

[12] Cziesielski, E.: Schimmelpilz – eine komplexes Thema. Wo liegen die Fehler?,

wksb – Zeitschrift für Wärmeschutz – Kälteschutz - Schallschutz – Brand-schutz 44 (1999)

[13] Rheinzink Anwendung im Hochbau, 9. Auflage September 1988, Datteln:

Rheinzink GmbH, 1988