Flora des Mittelmeerraumes 4. Vegetationslandschaften und · Ein entscheidender Faktor der...

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4. Vegetationslandschaften und Flora des Mittelmeerraumes Blattfläche besser regulieren als die weichblätt- rigen Sträucher, die dann meist ihre Blätter ab- werfen müssen und daher in der direkten Konkur- renz unterliegen. Daneben sind es vor allem Geo- phyten (Zwiebel-, Rhizom- und Knollenpflanzen; Abb. 4.2a) und Annuellen (Einjährige; Abb. 4.2b), die mit wenigen Ausnahmen ihre Produktion mit Eintritt der Trockenzeit beenden und den Sommer in einer inaktiven Ruhephase verbringen – im Gegensatz zu den Pflanzen der temperaten Klima- zone mit winterlicher Kälteruhe und sommer- licher Aktivität. In den mediterranen Gebieten der Nordhemisphäre fallen die Winterregen meist zwischen Oktober und März, auf der Südhalb- kugel zwischen April und September. Alle diese Mediterranean Type Ecosystems sind im Bereich der Rossbreiten, im subtropisch-randtropischen Hoch- druckgürtel etwa zwischen dem 30. und 40. Brei- tengrad angesiedelt, wo die am Äquator aufstei- gende feuchte Warmluft (Äquatoriale Tiefdruk- krinne) bei ihrer Drift polwärts austrocknet und wieder zur Erde absinkt. Diese heutige Situation ist erst mit dem Klima- wandel im Jungtertiär entstanden (nach Suc 1984 erst vor 3,2 Mio. Jahren, in der gesamten Region erst vor 2,8 Mio. Jahren), so dass die Hartlaub- vegetation des Mittelmeerraumes als relativ junge neogene bis pleistozäne Xeromorphose* des terti- ären Feuchtwaldes gedeutet werden kann. Aller- dings zeigen Fossilfunde, dass lorbeerblättrige und hartlaubige Bäume (der Übergang scheint flie- ßend) bereits früher vorhanden waren. So darf man wohl annehmen, dass die radikale Klima- änderung des Pleistozäns ein Vakuum geschaffen hat, das diese präadaptierten Typen besetzen konnten. Die zeitgleich erfolgende alpidische Ge- birgsbildung hat viele zusätzliche Lebensräume mit hoher Biodiversität geschaffen; die Isolation einzelner Teilgebiete, vor allem der Inseln und Gebirge führte einerseits zur eigenständigen Ent- wicklung neuer Arten aus einer ursprünglich einheitlichen Ahnensippe (Beispiele: Abies, Pinus nigra), andererseits zur Entstehung neuer Bio- typen und eines reichen Endemismus. Einige in Tabelle 4.1 angeführten Zahlen sollen dies bele- gen. Martin Rikli (1943, 1946) kommt auf eine Gesamt-Artenzahl der Flora des Mittelmeerraumes von fast 20 000, Costa (1997) auf 25 000 mit einem Endemitenanteil von knapp 7 600 Arten. Von Martin Rikli stammt auch ein pflanzen- geographisches Kunstwort, das sich nicht etablie- ren konnte: die Mediterraneis. Selten verwendet wird der Name Mediterraneum. Herbert Reisigl 196 Auf den Westseiten aller fünf Kontinente auf bei- den Hemisphären sind infolge ähnlicher Klima- bedingungen (milde feuchte Winter, trockene hei- ße Sommer) morphologisch ähnliche Lebensfor- men entstanden, die sich im Laufe der Evolution als optimal angepasst erwiesen haben. Diese Kon- vergenz betrifft aber nicht nur morphologische und physiognomische Eigenschaften, sondern auch funktionelle, also physiologische Merkmale. Auffallend ist das Vorherrschen bestimmter Lebensformen: Wo der Boden es zulässt, wird die Klimaxvegetation* von hartlaubigen (sklerophyl- len; Abb. 4.2d) oder mikrophyllen* Holzgewäch- sen dominiert. „Immergrüne“ Bäume tragen ganzjährig Blätter; ihre Lebensdauer ist aber von Art zu Art verschieden: Die Steineiche (Quercus ilex) trägt normalerweise zwei Blattjahrgänge, der Mastixstrauch (Pistacia lentiscus) wechselt die Blätter alljährlich, Buchsbaum (Buxus sempervi- rens) und Stechlaub (Ilex aquifolium) behalten ihr Laub mehrere Jahre. Das sklerophylle Blatt ist durch eine dicke Außenwand der Epidermis und innere Versteifungen mit Sklerenchymfasern so- wie ein kompakteres Parenchym mit weniger Interzellularen gekennzeichnet. Oft sind die Spaltöffnungen eingesenkt, wodurch die Transpi- ration stärker verringert wird als die CO 2 -Aufnah- me. Hartlaubigkeit ist auch ein guter Schutz ge- gen Tierfraß und Pilzbefall. Die Sklerophyllen können während der Som- merdürre ihren Wasserhaushalt ohne Verlust an Vegetationslandschaften und Flora des Mittelmeerraumes 197 d e a b 4.1 Spanische Bauern bei der Ernte von Thymian. Dieser Zwergstrauch, der wild vor allem in Tomilla- res wächst, wurde wegen seines Aromas schon von Horaz, Vergil und Theophrast gepriesen. Die stark degradierte, immergrüne Vegetationsform ist unter dem französischen Ausdruck Garrigue bekannter. 4.2 Typische Lebensformen mediterraner Vegetation: a) Ophrys tenthredinifera (Ragwurz, Geophyt; Mal- lorca); b) Malva cretica (Kretische Malve, annuell); c) Limoniastrum monopetalum (Sternstrandnelke, Strandflieder, endemische Gattung); d) Quercus ilex (Steineiche, sklerophyll); e) Morisia monanthos, sar- dokorsischer Endemit und monotypische Gattung als Beispiel für Endemismus. c 004 Vegetation d. Küstenreg 31.10.2001 0:33 Uhr Seite 196

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4. Vegetationslandschaften undFlora des Mittelmeerraumes

Blattfläche besser regulieren als die weichblätt-rigen Sträucher, die dann meist ihre Blätter ab-werfen müssen und daher in der direkten Konkur-renz unterliegen. Daneben sind es vor allem Geo-phyten (Zwiebel-, Rhizom- und Knollenpflanzen;Abb. 4.2a) und Annuellen (Einjährige; Abb. 4.2b),die mit wenigen Ausnahmen ihre Produktion mitEintritt der Trockenzeit beenden und den Sommerin einer inaktiven Ruhephase verbringen – imGegensatz zu den Pflanzen der temperaten Klima-zone mit winterlicher Kälteruhe und sommer-licher Aktivität. In den mediterranen Gebietender Nordhemisphäre fallen die Winterregen meistzwischen Oktober und März, auf der Südhalb-kugel zwischen April und September. Alle dieseMediterranean Type Ecosystems sind im Bereich derRossbreiten, im subtropisch-randtropischen Hoch-druckgürtel etwa zwischen dem 30. und 40. Brei-tengrad angesiedelt, wo die am Äquator aufstei-gende feuchte Warmluft (Äquatoriale Tiefdruk-krinne) bei ihrer Drift polwärts austrocknet undwieder zur Erde absinkt.

Diese heutige Situation ist erst mit dem Klima-wandel im Jungtertiär entstanden (nach Suc 1984erst vor 3,2 Mio. Jahren, in der gesamten Regionerst vor 2,8 Mio. Jahren), so dass die Hartlaub-vegetation des Mittelmeerraumes als relativ jungeneogene bis pleistozäne Xeromorphose* des terti-ären Feuchtwaldes gedeutet werden kann. Aller-dings zeigen Fossilfunde, dass lorbeerblättrige undhartlaubige Bäume (der Übergang scheint flie-

ßend) bereits früher vorhanden waren. So darfman wohl annehmen, dass die radikale Klima-änderung des Pleistozäns ein Vakuum geschaffenhat, das diese präadaptierten Typen besetzenkonnten. Die zeitgleich erfolgende alpidische Ge-birgsbildung hat viele zusätzliche Lebensräumemit hoher Biodiversität geschaffen; die Isolationeinzelner Teilgebiete, vor allem der Inseln undGebirge führte einerseits zur eigenständigen Ent-wicklung neuer Arten aus einer ursprünglicheinheitlichen Ahnensippe (Beispiele: Abies, Pinusnigra), andererseits zur Entstehung neuer Bio-typen und eines reichen Endemismus. Einige inTabelle 4.1 angeführten Zahlen sollen dies bele-gen. Martin Rikli (1943, 1946) kommt auf eineGesamt-Artenzahl der Flora des Mittelmeerraumesvon fast 20 000, Costa (1997) auf 25 000 mit einem Endemitenanteil von knapp 7 600 Arten.

Von Martin Rikli stammt auch ein pflanzen-geographisches Kunstwort, das sich nicht etablie-ren konnte: die Mediterraneis. Selten verwendetwird der Name Mediterraneum.

Herbert Reisigl

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Auf den Westseiten aller fünf Kontinente auf bei-den Hemisphären sind infolge ähnlicher Klima-bedingungen (milde feuchte Winter, trockene hei-ße Sommer) morphologisch ähnliche Lebensfor-men entstanden, die sich im Laufe der Evolutionals optimal angepasst erwiesen haben. Diese Kon-vergenz betrifft aber nicht nur morphologischeund physiognomische Eigenschaften, sondernauch funktionelle, also physiologische Merkmale.

Auffallend ist das Vorherrschen bestimmterLebensformen: Wo der Boden es zulässt, wird dieKlimaxvegetation* von hartlaubigen (sklerophyl-len; Abb. 4.2d) oder mikrophyllen* Holzgewäch-sen dominiert. „Immergrüne“ Bäume tragenganzjährig Blätter; ihre Lebensdauer ist aber vonArt zu Art verschieden: Die Steineiche (Quercusilex) trägt normalerweise zwei Blattjahrgänge, derMastixstrauch (Pistacia lentiscus) wechselt dieBlätter alljährlich, Buchsbaum (Buxus sempervi-rens) und Stechlaub (Ilex aquifolium) behalten ihrLaub mehrere Jahre. Das sklerophylle Blatt istdurch eine dicke Außenwand der Epidermis undinnere Versteifungen mit Sklerenchymfasern so-wie ein kompakteres Parenchym mit wenigerInterzellularen gekennzeichnet. Oft sind dieSpaltöffnungen eingesenkt, wodurch die Transpi-ration stärker verringert wird als die CO2-Aufnah-me. Hartlaubigkeit ist auch ein guter Schutz ge-gen Tierfraß und Pilzbefall.

Die Sklerophyllen können während der Som-merdürre ihren Wasserhaushalt ohne Verlust an

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4.1 Spanische Bauern bei der Ernte von Thymian.Dieser Zwergstrauch, der wild vor allem in Tomilla-res wächst, wurde wegen seines Aromas schon vonHoraz, Vergil und Theophrast gepriesen. Die starkdegradierte, immergrüne Vegetationsform ist unterdem französischen Ausdruck Garrigue bekannter.

4.2 Typische Lebensformen mediterraner Vegetation:a) Ophrys tenthredinifera (Ragwurz, Geophyt; Mal-lorca); b) Malva cretica (Kretische Malve, annuell);c) Limoniastrum monopetalum (Sternstrandnelke,Strandflieder, endemische Gattung); d) Quercus ilex(Steineiche, sklerophyll); e) Morisia monanthos, sar-dokorsischer Endemit und monotypische Gattung alsBeispiel für Endemismus.

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199Abgrenzung des Mittelmeerraumes

Die Winterregengebiete der Erde

Die sommertrockenen Winterregengebiete derErde (Zonobiom IV nach Walter 1991) stellenklimatisch und vegetationsmäßig eine Übergangs-zone zwischen den großen subtropischen Trocken-gebieten (Halbwüsten und Wüsten) und der tem-peraten Region dar, wobei sich die Lebensbedin-gungen oft auf kurze Entfernungen ändern undviele verschiedene Vegetationstypen entstehen lassen. Fünf Regionen der Welt weisen ein solchesKlima mit heißen, trockenen Sommern und mil-den, regenreichen Wintern auf (siehe Abb. 3.74).

Das pflanzliche „Ausgangsmaterial“ für die Evo-lution war auf den verschiedenen Kontinentenunterschiedlich, da die Winterregengebiete derErde vier verschiedenen Florenreichen angehören.Alte Verbindungen, ersichtlich am gemeinsamenBestand gleicher oder nahe verwandter Familienoder sogar Gattungen, existieren seit der spätenKreidezeit zwischen Europa und Nordamerika (Pi-nus, Juniperus, Cupressus, Arbutus, Quercus, Styrax,Cercis, Clematis, Cornus, Rhamnus, Smilax, Vibur-num). Zwischen Eurasien und der Südhemisphäresind die floristischen Ähnlichkeiten hingegen mi-nimal. Wenig Verbindung besteht auch zwischenden drei südhemisphärischen Winterregengebie-ten untereinander – beispielsweise durch die demKapland und Australien gemeinsame große Fami-lie der Proteaceae. Die Hartlaubvegetation Mittel-chiles lässt sich von tropischen Familien ableiten(Monimiaceae: Peumus boldus, Lauraceae, Bigno-niaceae, Gesneraceae).

In Australien haben zudem die artenreichenGattungen Acacia (ca. 750 Arten) und die endemi-sche Riesengattung Eucalyptus (über 600 Arten) fürdie meisten Biotope passende ökologische Typenentwickelt.

Für den heutigen Zustand der Vegetation imMittelmeerraum ist vor allem der Mensch verant-wortlich. Das volle Ausmaß dieser Zerstörungsieht man z. B. auf manchen verkarsteten InselnDalmatiens oder in Teilen von Korfu. Obwohl frü-heste menschliche Spuren bis 400 000 Jahrezurückreichen (Abb. 4.3), darf man den Beginnintensiverer Nutzung wohl erst mit dem Sesshaft-werden des Menschen, die drastische Verände-

rung der ursprünglichen Pflanzendecke durchLandwirtschaft und Viehhaltung erst seit etwa2 000 Jahren ansetzen. Die für den Mittelmeer-raum (neben dem Ölbaum als wichtigstem Kul-turbaum) so bezeichnenden Hartlaubwälder derSteineiche, die einst großflächig die Mittelmeer-länder bedeckten, haben sich nur an wenigenStellen erhalten (Atlas, Mallorca, Korsika); aberauch hier werden sie seit langer Zeit als Brenn-holzlieferanten und für die Schweinemast ge-nutzt. So ist eine Rekonstruktion der ursprüngli-chen „potenziellen“ Vegetation schwierig; dergrößte Teil der heute als natürlich oder dochnaturnah erscheinenden Pflanzendecke ist sekun-däre „Ersatzvegetation“ in verschiedenen Abstu-fungen der Degradation von der hohen Macchieüber die niedrige Garrigue bis zur offenen Felsflur.

Ein wichtiger natürlicher ökologischer Faktorist das durch Blitzschlag ausgelöste Feuer, das im-mer wieder Vegetation vernichtet, Sukzessionenerzwingt und die Konkurrenzverhältnisse verän-dert. Neuerdings werden Feuer von Grundstücks-spekulanten auch mit Absicht gelegt oder es wird– z. B. in australischen Eukalyptuswäldern – der

4.3 Das Musée de Préhistoire in Tautavel, einer klei-nen Ortschaft am Fuß der Pyrenäen in den Katalani-schen Corbières, 30 km von Perpignan entfernt, zeigtSchaustücke zum „ersten Europäer“. Die 1971 in derArago-Höhle entdeckten Reste des Tautavel-Men-schen werden auf 450 000 Jahre geschätzt. Eine mas-sive Beeinträchtigung des mediterranen Naturraumesdurch den Menschen hat erst vor mehr als 10 000Jahren eingesetzt, seit etwa 5 000 Jahren verwandelteer ihn mit zunehmender Intensität in einen Kultur-raum, spätestens mit dem römischen Imperium setzteeine weiträumige Landschaftsdegradierung ein.

strauchige Unterwuchs in Abständen von meh-reren Jahren absichtlich abgebrannt. Diese ver-gleichsweise harmlosen „Strohfeuer“ verhinderndie Ansammlung von Streu und vermindern da-durch die Gefahr katastrophaler Waldbrände.

Abgrenzung des Mittelmeerraumes

„Mediterran“ im engeren Sinn ist das Becken derehemaligen Tethys, soweit es noch vom Meer ge-füllt ist. Für den Klimatologen reicht die Winter-regenzone der sommerlichen Rossbreiten bis anden Indus. Pflanzengeographisch, floristisch undökologisch ist das Gebiet schon durch seine Grö-ße (es umfasst mehr als die Hälfte aller Vegetationvom mediterranen Typ) sehr heterogen. Im We-sentlichen ist mediterrane Vegetation aber dochan die Küsten und das angrenzende Hinterlandgebunden, wo die ausgleichende Wirkung derMeeresnähe spürbar wird. Zum Inneren der gro-ßen Festländer wie Spanien oder Anatolien wirddas Klima rasch kontinentaler mit trockenen, hei-ßen Sommern und kalten Wintern mit Frösten bisunter –20 °C. Klimatisch und vegetationskund-lich grenzt das Gebiet im Norden an das winter-kalte temperate Zonobiom 6 (eurasiatisches Wald-gebiet), im Süden an die Wüste Sahara (Zonobiom3), im Westen an das atlantische Zonobiom 5, imOsten an das kontinentale Zonobiom 7 (orienta-lisch-zentralasiatische Steppen- und Wüstenzo-ne). Die Grenzen zu den benachbarten Zonobio-men sind meist unscharf, die einzelnen Zonobio-me durch Übergänge (Ökotone) verbunden. Ganzallgemein nehmen die Niederschläge von Westen

nach Osten ab, die Trockenheit nimmt zu. Durchdie starke Gliederung in Küstenbereiche mit Sand-oder Felsstränden, Inseln, Ebenen, Hochplateausund Gebirge mit ihren jeweils mesischen oder ari-den Höhenstufen (Orobiome) und unterschied-licher Geologie (Kalksedimente, vulkanische Ge-steine) bietet der Mittelmeerraum sehr viele Le-bensräume. Örtliche Besonderheiten wie die vorallem im Winter häufigen kalten Starkwinde ausNorden (Mistral aus dem Rhônetal, Bora in Dal-matien, Meltemi in Griechenland) oder die mitWüstenstaub beladenen heißen Südwinde aus derSahara (Scirocco; vgl. „Winde“, S. 184 ff.) erzeu-gen lokal für die Vegetation abweichende Lebens-bedingungen (Riviera, Süddalmatien, Südana-tolien). In den Gebirgen bedingt der Unterschiedzwischen trockener Lee- und regenstauender Luv-seite einen starken Vegetationsgradienten.

Für die kombinierte Darstellung der wichtigs-ten Klimaparameter haben zahlreiche Autoren (z. B. Gaussen, Emberger, Rivas-Martinez) die ver-schiedensten Formeln erfunden, die jedoch diekomplexe Wirkung des Witterungsverlaufs auf dieVegetation nur unzureichend erklären und sichdaher nicht allgemein durchsetzen konnten (jenevon Emberger ist in Abb. 4.7 dargestellt). Einenguten Eindruck des Jahresganges von Temperaturund Niederschlag vermitteln die Klimadiagrammenach H. Walter (1975), weil sie auf einen Blickden Vergleich verschiedener Stationen ermög-lichen (Abb. 3.75, 3.83 und 4.8).

Nach Ozenda (1994) kann man die mediter-rane Vegetation (sensu lato) in drei Hauptzonenbzw. weitere Höhenstufen einteilen; sie sind aufSeite 206 und 207 dargestellt. Die Grenze zwischen

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Badefreuden auf Kosten des Waldes

Ein entscheidender Faktor der Landschafts- und Vegetationsentwicklung des Mittelmeerraumes wardas Römische Reich (Abb. 1.6). Vor dem Imperium war der Mittelmeerraum in unzählige kleinereRäume mit unterschiedlichen Nutzungsarten der Landschaft gegliedert. Mit der Etablierung desRömischen Reiches trat eine in vielfacher Hinsicht weder vorher noch nachher erreichte Verein-heitlichung ein (Bewässerung, landwirtschaftliche Nutzungsformen, Verbreitung bestimmer Kul-turpflanzen, Beweidung u. v. a.). Ein Beispiel soll die Folgen dieser Entwicklung für den Naturraumdemonstrieren: In der Entwicklung der Badekultur, die die Römer wie vieles andere auch den Helle-nen abgeschaut haben, war Rom anderen Teilen Europas um Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtau-sende voraus. Schon in den vorchristlichen Jahrhunderten entstanden in der Hauptstadt Bade-häuser (balnae), im Jahre 33 v. Chr. waren es etwa 170. Spätere Kaiser ließen noch größere Thermenerrichten, mit freiem Zugang für alle Bürger Roms.

Die Bäder wurden hauptsächlich mit Holzkohle beheizt. Die Wälder ganzer Landstriche fielen derHolzkohlegewinnung zum Opfer, denn Thermen gab es nicht nur in Rom, sondern in jeder größe-ren Stadt des Reiches, in der römische Kultur dominierte. Holzkohle musste bald aus entfernterenProvinzen und selbst aus Afrika herangeschafft werden, da das apenninische Mutterland weitge-hend entwaldet war – mit allen ökologischen Folgen wie Erosion und Verlandung ganzer Küsten-abschnitte, darunter bedeutender Hafenstädte. Dieser kulturhistorische Aspekt verdeutlicht denZusammenhang zwischen Kultur und Landschaftsdegradierung; hier könnten auch viele andere ver-gleichbare Faktoren aufgezählt werden, etwa Kriege und der damit zusammenhängende Bedarf anHolz für den Schiffsbau und Befestigungsanlagen.

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k – Erica arborea l – Tetraclinis articulata

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a – Cupressus sempervirens g – Gattung Abies

b – Pinus nigra-Komplex

c – Pinus brutia

d – Pinus heldreichii

e – Pinus halepensis

f – Pinus pinaster

h – Gattung Cedrus

4. Vegetationslandschaften und Flora des Mittelmeerraumes

4.4 Diese Seite: Verbreitungsgrenzen von Tannen, Föh-ren und Zedern im Mittelmeerraum. a) Cupressussempervirens (Mittelmeer-Zypresse. b) Pinus nigra-Komplex: 1–3 P. clusiana (1: ssp. mauretanica, 2: ssp.hispanica, 3: ssp. salzmanni), 4 – 6 P. laricio (4: ssp.poiretana, 5: ssp. italica, 6: ssp. calabrica), 7– 9 P. nigra (7: ssp. austriaca, 8: ssp. dalmatica, 9: ssp. illyrica), 10 –15: P. pallasiana (10: ssp. banatica, 11: ssp. pindica, 12: ssp. balcanica, 13: ssp. pontica,14: ssp. caramanica, 15: ssp. fenzlii). c) Pinus brutia(Bruttische Kiefer). d) Pinus heldreichii (Panzerkiefer).e) Pinus halepensis (Aleppokiefer). f) Pinus pinaster(Strandkiefer). g) Tannen: 1. Abies pinsapo (SpanischeT., Igeltanne), 2. A. maroccana, 3. A. numidica, 4. A. nebrodensis, 5. A. cephalonica (Griechische T.,Apollo-Tanne), 6. A. bornmülleri, 7. A. cilicica, 8. A. nordmanniana, 9. A. alba. h) 1: Cedrus libani (Libanon-Zeder), 2: Cedrus atlantica.

4.5 Rechte Seite: Unterschiedliche Verbreitungstypencharakteristischer Pflanzenarten im Mittelmeerraum.Aus pflanzengeographischer Sicht gibt es keinen homo-genen Mittelmeerraum. a) Ölbaum (Olea europaea) als„klassischer Grenzzieher“. b) Beispiel für west-, zen-tral- und ostmediterrane Verbreitung: Thymus zygis(1), Euphorbia spinosa (2), Euphorbia acanthotham-nos (3). c) Beispiel für zwei Verbreitungstypen inner-halb der gleichen Gattung: Pancratium maritimum (2)und Pancratium illyricum (1) (Abb. 4.6). d) Korkeiche(Quercus suber). e) Steineiche (Quercus ilex), reichtweiter nach Osten als die Korkeiche. f) Kermeseiche(Quercus coccifera). g) Dornwundklee (Anthyllis her-manniae), Gebirgspflanze. h) Dornbibernelle (Sarco-poterium spinosum), dorniger Kugelbusch, vorwiegendostmediterran. i) Zwergpalme (Chamaerops humilis),neben Phoenix theophrasti von Kreta einzige endemi-sche Palme im Gebiet. j) Baumwolfsmilch (Euphorbiadendroides). k) Baumheide (Erica arborea). l) Sanda-rak (Tetraclinis articulata), südmediterranes Tertiär-relikt in den Atlasländern und im Südosten Spaniens.

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1–3 P. clusiana4–6 P. laricio

10–15 P. pallasiana

7–9 P. nigra

i – Chamaerops humilis j – Euphorbia dendroides

g – Anthyllis hermanniae h – Sarcopoterium spinosum

e – Quercus ilex f – Quercus coccifera

c – Pancratium maritimum, P. illyricum d – Quercus suber

a – Olea europaea b – Thymus zygis, Euphorbia spinosa, E. acanthothamnos

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dem feuchteren westlichen und dem trockenerenöstlichen Mittelmeerraum wird traditionell durchdie Adria, also östlich der Apenninenhalbinselgezogen (Abb. 4.9).

Lebensformen und Anpassungen

In der heute nur mehr in Resten vorhandenenLaubwaldvegetation ist die Lebensform des im-mergrünen Hartlaubbaumes oder -strauches (Ty-pus Quercus ilex) am verbreitetsten. Bisher wurdedie Sklerophyllie meist als vorteilhafte Anpassungan die Sommertrockenheit gedeutet; ein direkterZusammenhang ist jedoch nach neuesten Unter-suchungen in Frage zu stellen (Salleo und Nardini2000). Vielmehr scheint es sich um ein Phäno-men zu handeln, das durch biotische und abioti-sche Stressfaktoren, insbesondere durch Stik-kstoff- und Phosphormangel des Bodens hervor-gerufen wird. Der Vorteil dieser bereits in feuchte-ren Tertiärwäldern entstandenen und als Relikterhalten gebliebenen Lebensform liegt eher im

203Lebensformen und Anpassungen

a

202 4. Vegetationslandschaften und Flora des Mittelmeerraumes

Flora Artenzahl Endemiten

Portugal 2 735 207

Spanien 7 138 1 400

Balearen 1 280 52

Italien 3 900 207

Sardinien 1 700 26

Korsika 2 600, 279med. 1 280

Sizilien 2 900–3 200

Dalmatien 132

Griechenland 5 700 740

Kreta 1 800 – 2 170 183und Karpathos

Zypern 1 283

Balkan 6 500, 3 200,med. 2 000

Türkei 8 500 2 800,

Nordafrika 3 500

Tabelle 4.1 Florenstatistik und Endemismus in ver-schiedenen Bereichen des Mittelmeerraumes. Ende-mische Gattungen der Region sind z. B. Calycotome,Carduncellus, Halimium, Limoniastrum (Abb. 4.2c),Rosmarinus, Santolina, Sarcocapnos, Staehelina undStauracanthus. 34 Gattungen sind in der mediterra-nen Region mit mehr als je 100 Arten vertreten, diezehn artenreichsten sind: Astragalus mit 591 Arten,Centaurea mit 443, Hieracium mit 374, Silene mit361, Verbascum mit 243, Campanula mit 216, Dianthus mit 215, Ranunculus mit 215, Euphorbiamit 211 und Allium mit 201 Arten.

b c

4.6 a) und b) Die sommerblühende, ausdauerndeStrand-Trichternarzisse oder Pankrazlilie (Pancratiummaritimum) ist eine der charakteristischsten Sand-dünenpflanzen. Sie gehört zu den Amaryllisgewäch-sen (Amaryllidaceae). Das obere Bild zeigt die 40 bis60 Zentimeter hohe Staude, deren sehr große, fünf bissieben Zentimeter breite Zwiebel im Sand verborgenist, auf einem Sandstrand an der türkischen Südwest-küste. Die Strand-Trichternarzisse mit ihren duften-den Blüten ist eine der schönsten Pflanzen in einembedrohten Lebensraum – Sanddünen und Sandsträndefallen mit steigernder Tendenz dem ausufernden Tou-rismus und der damit zusammenhängenden Verbau-ung zum Opfer. Die Samen der Pankrazlilie habenwollige Haare; nach Theophrastos (um 372–287 v. Chr.), dem „Vater der Botanik“, der über 500Pflanzenarten beschrieben hat, wurden aus ihnenFeldschuhe gewoben. P. maritimum ist circummedi-terran verbreitet; die zweite Art im Mittelmerraum,Pancratium illyricum (c), wächst hingegen nur aufSardinien, Korsika und auf Capri. Sie blüht im Früh-jahr und wächst im Gegensatz zur Pankrazlilie eherauf felsigen Stellen.

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°C

Einen hohen Anteil an den mediterranenLebensformen haben die Therophyten oder An-nuellen (Einjährigen), die ihren gesamten Lebens-zyklus in wenigen Wochen vollenden müssen:Nach dem Ende der sommerlichen Trockenruhe,bei Beginn der Winterregen keimen die Samen,blühen zeitig im Frühjahr und müssen ihreSamenreife mit Eintritt der Sommerdürre abge-schlossen haben; die vegetativen Organe der An-nuellen sterben dann ab. Zu unterscheiden sind:Frühlings-Annuelle (Lebenszeit Winter und ersterFrühling: viele Gräser, Brassicaceae und Papiliona-ceae) und Zweijährige, die im ersten Jahr eineBlattrosette bilden, im zweiten Jahr dann blühen,fruchten und absterben (viele Boraginaceae). Wiegroß der Anteil der Kurzlebigen an der Frühjahrs-flora des Mittelmeerraumes ist, zeigen die Auf-zeichnungen von Rikli: Fast die Hälfte der 470 aufKreta gesammelten Pflanzen waren Einjährige!Auch unter den Annuellen sind zusätzliche Anpas-sungen zur Verminderung der Transpiration wieweißfilzige Behaarung nicht selten (Evax pygmaea).

Geophyten (Rhizom-, Zwiebel-, Knollenpflan-zen) sind mehrjährige ausdauernde Stauden, diemeist schon am Ende der Trockenzeit im Herbstaustreiben, sich während der Regenzeit zur Blüh-reife entwickeln und nach der Samenbildung„einziehen“, das heißt, die oberirdischen Organevertrocknen, nachdem ein Großteil der produzier-ten organischen Substanz in die unterirdischenSpeicher transportiert worden ist. Diese bleibenentweder dauernd erhalten oder werden jedesJahr neu gebildet wie bei den meisten Erdorchi-deen. Die Geophyten und Einjährigen machen einen Großteil der Frühlingsblüte im Mittelmeer-raum aus und treten oft in großer Menge auf.Wichtigste Familien sind die monokotylen Lilia-ceae, Amaryllidaceae (Abb. 4.6), Iridaceae, Araceaeund Orchidaceae (Abb. 4.15) neben wenigen Di-kotylen: Aristolochia, einige Apiaceae, Cyclamen,Aethaeorhiza (= Crepis) bulbosa.

In Bezug auf den Lebensrhythmus haben eini-ge Geophyten ihre Blütezeit in den Herbst, nochvor Beginn der Winterregen, vorverlegt: Meer-zwiebel (Urginea maritima), Blauglöckchen (Scillaautumnalis), Strand-Trichternarzisse (Pancratiummaritimum) und das Neapolitanische Alpenveil-chen (Cyclamen neapolitanum), aber auch eine dor-nige Liane (Smilax aspera) und ein weißblühenderSeidelbast-Strauch der Macchie (Daphne gnidium).

Eine im Mittelmeerraum weit verbreitete undbesonders auffallende Erscheinung sind Dorn-sträucher. Neben unregelmäßig verzweigten klei-neren Sträuchern (Berberis) kommen vor allemdichte Dornkugelpolster vor („Igelpolster“: Astra-galus, Acantholimon, Bupleurum, Centaurea, Dory-cnium, Erinacea, Euphorbia, Onobrychis, Poterium,Ptilotrichum). Sie sind jedoch keineswegs auf denMittelmeerraum beschränkt, sondern existierenals konvergente Lebensformen aus den verschie-densten Pflanzenfamilien in den Trockengebietenfast aller Erdteile. Trotzdem gibt es bis heute keinebefriedigende Erklärung über die auslösendenformbildenden Faktoren dieser alten, sicher ter-tiären Form. Hager (1985) hat die Dornpolster-vegetation der kretischen Gebirge untersucht undauch ökologische Messungen zu Mikroklima und

204 4. Vegetationslandschaften und Flora des Mittelmeerraumes

AtlantischeRegion

Irano-Turani-sche Region:hochliegendeSteppenland-schaften mit kal-ten Winternund heißenSommern)

WestmediterraneRegion

Sahelische Region

West-Saharo-Arabische Region

Pontische Provinz: Kontakt-zone der Euro-Sibirischen undder Mediterranen Region miteinigen „mediterranen Enkla-ven“ an den Küsten desSchwarzen Meeres

Ost-Saharo-Arabische Region

MakaronesischeRegion

Ostmediterrane Region

„Isoklimatische” Definition von Emberger (1930) und Daget (1977): Diese extreme Grenzziehung kommt auf eine Fläche von 8–9,5 Mio. km2. Solche wenig realitäts-

nahen Grenzziehungen zeigen, dass klimatische Faktoren allein nicht ausreichen,vegetationsgeographische Aspekte müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

ZentralmediterraneRegion

Mediterrane Region nach Blondel und Aronson (1999): Diese Defini-tion umfasst eine Fläche von etwa 2,3 Mio. km2, verteilt auf 18 Länder.

Nach Blondel und Aronson (1999) sind die westlich-sten Ausläufer der Pyrenäen ausgeschlossen, ebensodie nördlichen Apenninen, große Teile Libyens unddes Irak sowie die Steppengebiete jenseits der Gebirgeim Randbereich des mediterranen Beckens; einge-schlossen ist die Makaronesische Region – der Begriffwurde 1879 von Adolf Engler geprägt – mit den Ka-narischen Inseln und Madeira, die biogeographischeGemeinsamkeiten mit dem Mittelmeerraum zeigen.

205Lebensformen und Anpassungen

Die mediterrane pflanzengeographische Zone schließt nach Blondel und Aronson (1999) nicht nur die „Kern-bereiche” des Mittelmeerraumes mit der typischen sklerophyllen Vegetation ein, sondern auch die Hänge derGebirge wie Pyrenäen und Apenninen (im Gegensatz zu den meisten älteren Autoren auch höher als 1 000 m), die rein klimatisch (Temperatur, Niederschlag) nicht immer in das mediterrane Klima passen.

°C °C

4.8 Klimadiagramme von je drei Höhenstufen derdrei mediterranen Halbinseln: Iberische (a), Apennin(b), Balkan (c). In Gata (Südostspanien) liegt dereuropäische Trockenpol mit natürlichen Halbwüstenund Steppen. Ausgeglichener ist die Apenninhalbinsel,wo im Gebirge ausreichend Niederschläge fallen.Isparta liegt im Taurus, im Randbereich der zentral-anatolischen Pinus nigra-Waldsteppenregion. Erklä-rungen der Diagramme in Abb. 3.83. Die gelbenFlächen machen die sommerliche Trockenheitdeutlich. Nach Walter und Breckle, 1991.

Gata (41 m)18,6 °C

Soria (1 065 m)10,5 °C

La Colenilla(1 530 m)7,5 °C

Malta (56 m)17,9 °C

Desulo (920 m)12,5 °C

Ospedaletto(1 100 m)

Chania (27 m)18,5 °C

Janina (480 m)14,4 °C

Isparta(1056 m)12,0 °C

7,1 °C

122 mm 552 mm 1027 mm 498 mm 1 306 mm 1 027 mm

533 mm 1 195 mm 628 mm

Schutz gegen Tierfraß. Bei vielen Kleinsträuchernist die Tendenz zur Verkleinerung der Blattfläche,oft in Kombination mit hellfilziger Behaarung, alsSchutz gegen zu hohe Wasserverluste durchVerdunstung festzustellen: schmalblättrige (Ros-marinus, Lavandula, Helianthemum, Helichrysum,Teucrium), nadelblättrige (Erica, Hypericum, Aspara-gus), schuppenblättrige (Cupressus, Juniperus phoe-

nicea, Tamarix, Thymelaea). Die Verkleinerung derBlattfläche kann bis zum frühzeitigen oder völli-gen Blattverlust führen, wobei dann die Zweigegrün sind und anstelle der Blätter assimilieren(Ephedra, Osyris, Spartium, Lygos, Coronilla juncea).

Weichblättrige Pflanzen können nur als Unter-wuchs im Schutz des Waldes oder der Macchieexistieren, sind aber auch hier meist kurzlebig.

4.7 Zwei Versuche für eine Abgrenzung der mediter-ranen Region. Die hellere Fläche im Süden entsprichtder so genannten „isoklimatischen” Definition vonEmberger (1930), die später durch Daget (1977) auf-gegriffen wurde. Sie schließt zentralasiatische Steppenbis zum Aralsee und zum Industal und große Teileder Arabischen Halbinsel ebenso ein wie die nördlicheHälfte der Sahara und berücksichtigt nur klimatischeAspekte (heiße Sommer als trockenste Jahreszeit).

m

a

mm m mm

m mm

30 ° N.

45 ° N.

Manche makaro-nesische Floren-elemente warenim Miozän undPliozän auch imMittelmeerraumzu finden.

b

c

4.9 Pflanzengeographische bzw. bioklimatische Regionen und Provinzen innerhalb und im Grenz-bereich des mediterranen Beckens. Die klimatisch-pflanzengeographische Grenzlinie zwischen West undOst liegt weit östlich der Straße von Sizilien und decktsich nicht mit der ozeanographischen Gliederung inein West- und ein Ostbecken. Im Nordosten, Ostenund Südosten grenzen die Pontische, Irano-Turanischeund Ost-Saharo-Arabische Region an; letztere gehtdirekt in die Sahara über, die mit 9,6 Mio. km2 mehrals doppelt so groß ist wie das gesamte mediterraneBecken und die weltgrößte Wüste. KlimatischeWüstenbedingungen herrschen hier seit dem frühenPliozän. Ergänzt nach Blondel und Aronson, 1999.

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Page 6: Flora des Mittelmeerraumes 4. Vegetationslandschaften und · Ein entscheidender Faktor der Landschafts- und Vegetationsentwicklung des Mittelmeerraumes war das Römische Reich (Abb.

Zonierung mediterraner Vegetation

1. Inframediterran: wärmste, im Winter immer frostfreie Zone. Sie ist nur im Südwesten Marokkoszu finden; Indikator: Argania spinosa (Sapotaceae) und Acacia gummifera (einzige noch zum Mit-telmeerraum zählende endemische AkazienartAfrikas). Hier gedeihen eine ganze Reihe vontropischen Florenelementen, die in den anderenZonen fehlen.2. Thermomediterran: trockenste und wärmsteeigentliche mediterrane Stufe der küstennahensüdlichen Bereiche bis etwa 300–400 m Meeres-höhe. Sie ist nach den Dominanten als Oleo-Ceratonion benannt. Indikatoren: Olea europaeasubsp. oleaster, Johannisbrotbaum (Ceratonia sili-qua), Pistacia lentiscus, Phillyrea media, Laurusnobilis, Tetraclinis articulata, in manchen Regio-nen Quercus suber, Pinus pinaster. Zu ihr zählenauch die sehr trockenen (um 200 mm Nieder-schlag) südspanischen und nordafrikanischenSteppen, die von den Horstgrasgesellschaftender Lygeo sparti-Stipetea tenacissimae beherrschtwerden, mit Diss (Ampelodesmos mauretanica),Halfa (Stipa tenacissima) und Espartogras (Ly-geum spartum). Besonders bezeichnend sind dieDickichte der Zwergpalme (Chamaerops humilis),die gelegentlich bis 4 m hohe Stämme ausbildenkann (Abb. 4.11). Die Nordgrenze der thermo-mediterranen Zone wird im Westen etwa durchden 41., im Osten durch den 39. Breitengradgebildet. Die Jahresmitteltemperatur liegt bei ca.16 – 17 °C und höher. Fast alle Gehölze dieserZone sind immergrün und sklerophyll. 3. Mesomediterran: mittlere, früher als eumedi-terran bezeichnete Stufe der immergrünenSteineiche (Quercetum ilicis) mit ihren Degra-dationsstadien Macchie und Garrigue. In derMittelmeerregion die am weitesten verbreiteteZone. Ein oder zwei Arten von Eichen (Quercus)dominieren eine überwiegend strauchige Vege-tation. Die Steineiche (Quercus ilex) und dieAleppokiefer (Pinus halepensis) dominieren imWesten und in zentralen Teilen des Beckens,Quercus calliprionos und Pinus brutia im Osten.Große, viele Millionen Hektar umfassende frü-her von Eichen dominierte Bereiche wurden mitKiefern aufgeforstet. Große Flächen sind relativeintönig und anthropogen stark geprägt: imWestmediterran durch zwergwüchsige Quercuscoccifera, im Osten durch Calycotome villosa undGenista acanthoclada.4. Supramediterran: nördlich und in Gebirgenmit zunehmender Meereshöhe, zwischen 500und 1 000 m, anschließende Stufe der laubwer-fenden (nicht immer winterkahlen!) Bäume, vorallem der Eichen, wobei die Flaumeichen (Quer-cus pubescens) und ihre Verwandten eine domi-nante Rolle spielen. Quercus humilis dominiert inFrankreich und im nördlichen Spanien.

4.11 Pflanze der thermomediterranen Stufe: Zwerg-palme (Chamaerops humilis) auf Mallorca.

4.12 Vegetationszonierung entlangder dalmatinischen Küste und inGriechenland nach Ozenda 1975.(Von Süd nach Nord:) Die wärmste,unterste Höhenstufe (thermomedi-terran, rot) ist auf den Südosten desPeloponnes und die südlichen Ioni-schen Inseln beschränkt. Die meso-mediterrane Steineichenstufe (Quer-cus ilex) nimmt im Süden einenbreiteren, nach Norden zu immerschmäleren, tiefsten, unterstenKüstenstreifen ein, der in Südistrienausklingt. Die supramediterraneStufe der sommergrünen Flaum-eichenwälder (Quercus pubescens),Ostrya, Carpinus und der Apollo-tanne (Abies cephalonica) ist floris-tisch von Süd nach Nord gegliedert.A: Die Gebirgswälder (oro- und alti-mediterrane Stufe) werden im Südenvon der Griechischen Buche (Fagusmoesiaca), der Panzerkiefer (Pinusleucodermis) und der Boris-Tanne(Abies borisii-regis) aufgebaut. B: Im mittleren Abschnitt werdendie Gebirgswälder von der Griechi-schen Buche, Weißtanne (Abiesalba), Balkan-Zirbe (Pinus peuce)und Panzerföhre (Pinusleucodermis) gebildet. C: In Dalma-tien ist der Flaumeichenwald stel-lenweise durch Schwarzföhrenwaldersetzt. In der Bergstufe wachsenRotbuche (Fagus sylvatica), Weiß-tanne und Panzerföhre sowie Leg-föhren (Pinus mugo).

5. Oromediterran (Höhenstufen der Gebirge): folgt in den Gebirgen auf die supramediterrane Stu-fe. In Korsika: Schwarzföhre (Pinus laricio); in Spanien: Rotföhren, Zypressen, Tannen (Abies pinsapo);in Griechenland: Abies cephalonica in Teilen Südgriechenlands und auf dem Peloponnes) und Eichen-wälder (Quercus pyrenaica) in Spanien, Quercus frainetto am Balkan), die der montanen Stufe Mittel-europas entspricht, darüber die subalpine Nadelwaldstufe der Tannen, Baumwacholder und Zedern(Abies cilicica, Juniperus excelsa und J. foetidissima, Cedrus im Taurus), die Ozenda „altimediterran”nennt. Über der Waldgrenze folgt – als Gegenstück zu den alpinen Zwergstrauchheiden – je nachNiederschlagsmenge entweder eine Dornpolster- oder eine Rasenstufe. Je nach dem Niederschlags-regime muss zwischen einer humiden (eher im Westen) und einer ariden (eher im Osten) Höhen-stufenfolge unterschieden werden, die durch „mesische” Übergänge verbunden sind. • Humide (feuchte) Höhenstufenfolge: Wasserversorgung ausreichend, Trockenheit der höherenGebirgslagen im Sommer meist durch Wolkenbildung („Wolkenstufe”) gemildert. Nur die unterstenStufen sind von der Vegetation her als mediterran zu bezeichnen; ab der Bergwaldstufe ist die Floramitteleuropäisch, in der alpinen Stufe überwiegen arktisch-alpine Elemente. • Aride (trockene) Höhenstufenfolge: Wassermangel ist der begrenzende Faktor für das Pflanzen-wachstum, die Wolkenstufe fehlt, die Sommerdürre reicht bis in die Hochlagen. Laubwerfende Bäumesind hier nicht mehr konkurrenzfähig; daher fehlt die supramediterrane Falllaubstufe der Flaum-eichen; über dem Hartlaubwald folgt eine trockene Nadelwaldstufe, über der Waldgrenze folgt eineDornpolsterstufe. Starker Wind ist ein bestimmender Umweltfaktor für die Verbreitung der Dorn-polstervegetation. Die Verdornung ist ein wirksamer Schutz vor Tierfraß.

206 4. Vegetationslandschaften und Flora des Mittelmeerraumes 207Lebensformen und Anpassungen

C

B

A

Ostryo-Carpinion adriaticum

Ostryo-Carpinion aegaeicum

Oleo-Ceratonion

Quercetum ilicis

Abies cephalonica

A, B, C (siehe Bildlegende)

Grenzen der Sektoren I– IV (I Dalmatien, II Mazedonien, III Pindos, IV Peloponnes

I

II

III

IV

4.10 Grenzen der thermomediterranen Stufe nachOzenda 1975. Sie ist starken anthropogenen Einflüs-sen ausgesetzt, oft mit Pinus pinea aufgeforstet.

Barcelona

Izmir

Neapel

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