Fünfzylindermotor im Personenwagen - ein Kompromiß? · Bi I d 2. Schnittbild des...

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Dipl.-Ing. Kurt Obländer und Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Strauber, Stuttgart-Untertürkheim DK 621.436-124.1-112: 629.114.6 Fünfzylindermotor im Personenwagen - ein Kompromiß? Daimler-Benz hot mit dem Fahrzeug 240 D 3,0 als erste Auto- mobilfirmo der Welt einen Personenwogen mit Fünfzylinder- Reihenmotor (Motortyp OM 617; Hubraum 3,0 I ; Leistung 59 kW [80 PS]; Vorkammer-Dieselmoto r) auf den Mar kt gebracht'). Fünfzylinder-Reihenmotoren wurden bisher nur für La stkraft- wogen und ols Stationär- bzw. Einbaumotoren verwe nd et (z . B. Mercedes-Benz do Brasil, MAN , KHD, Mitsubishi, Yanmar, Berliet, Unic u.a.). In onderer Zylinderanordnung - als Sternmotor - fanden Fünfzylindermotoren schon früh als Flugtriebwerke Ver- we ndung. Im folgenden wird die Verwendung des Fünfzylinder- Reihenmotors im Personenwagen hinsichtlich seines Schwingungs- verhaltens beurteilt. 5 Cylinders for the Passenger Car - a Compromise? Abstract The present report is on attempt to exploin the vibration problems of the 5 cylinder in-line engine compared to the 4 cylinder and 6 cylinder in on easily comprehensible and partially simplified manner. After 0 brief introduction ond information on the manifold com- plex interactions of the vibration system engine/vehicle os weil os measures to improve this system, one of the most important sources of excitation, that is the engi ne, is dealt with here. After describing the forces of excitation (gas forces , in ertio for - ces, charocteristics of gas and inertia forces, fig. 1, 2 and 3) which occur in each engin e on each individuol cy linder, the effects produced on multi-cylinder eng ines by these forces are then considered. By comparing the individual factors (torque, torsional vibrations, bending vibrat ion s, inertia force effects) in 4, 5 and 6 cylinder in-line engines, the c1ossification of the vibration characteristics of the 5 cylinder engine in comparison to the known 4 and 6 cylinder eng ine s is devised. A table compiles the essential aspects. Th e authors come to the conclusion that the 5 cylinder engine is to be classified between the 4 and 6 cyli nd er engines os far os its vibration characteristics are concerned. According to the opinion of the DB engineers, it is to be c1assified nearer to the 6 cylinder engine thon to the 4 cylinder engine. 1. Einleitung Grundl egender Gedanke bei der Konzeption eines Fünf- zylinder-Reihenmotors ist die Möglichkeit der "Baukasten- bauweise" unter Verwendung gleicher Bauteile wie Kolben, Pleuel, Ventile usw. von Vier - oder Sech szyli ndermotor en so - wie die Chanc e der Ausnutzung einer vorhandenen Ferti- gungseinrichtung; d. h. Einsparung von teuren Investitionen , die für einen Motor mit anderen Zylinderdurchmessern und -abständen notwendig wären. Daneben fallen - we nn mon von einem Vierzylindermotor aus· geht - die geringeren Fer- tigungsko ste n sowie die kleinere Baulänge gegenüber einem Sechszylind ermotor deutlich ins Gew icht. Der Mercedes-Benz Fünfzylinder-Personenwagen-Dieselmotor OM 617 basiert auf den bewährten Vierzylinder-Dies elmoto- ren und wurde unter Beibehaltung aller wesentlichen Kon- struktionsmerkmale aus dem 240-D-Motor e ntwickelt, B i I d 1. Damit sind viele vom 240 D vorhandenen Teile wie Kolben, Pleuel, Ventile, Kurbelwellenlager usw. gleich; die Fertigung kann auf den vorhandenen Transferstraßen erfolge n, B i I d 2. Die vo n den Daimler-Benz- Ingenieuren bei der Entwicklung der Fünfzylindermotoren für Lastwagen, die heute von Mer- cedes-Benz do Brasil und im Rahmen des Kooperationsab- kommens bei MAN serien mäßig gebaut werden, gesammel- ten Erfahrungen wurden für den Personenwagenmotor mit herangezogen . Sucht man nach Gründen, weshalb bisher Fünfzylindermoto- ren in Personen wage n nicht verwendet wurden, dann wird 'I Vgl. ATZ 76 (1974) 8, S. 268-269 ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 77 (1975) 3 im allgemeinen gefühlsmäßig dos "schlechtere G eräusch- und Schwingungsverha l ten" genannt . Inwiefern diese Be - hauptung gerechtfertigt ist, soll im folgenden dargelegt wer- den. Bekanntlich ist ein Vierzylindermotor "r ouher " , d. h. un- komfortabler als ein Sechszy lindermotor - im wesentlichen ist dies eine Folge der freien Mas senkräfte und Drehmoment e 2. Ordnung, die beim Sechszy lindermotor gleich Null bzw. kleiner sind. Freie Massenkräfte sind nicht immer mit ein- fachen, wirtschaft lichen Mitteln ausgleichbar und begrenzen deshalb Hubraum und Höchstdrehzahl von Vi erzy lind er-Per- sonenwagenmotoren; die Hubraumgrenze wird bei co. 2,51, die Dreh zahlg renze bei etwa 6000 U/min zu suchen sein. Bei größeren Hubräumen wachsen beim Vi erzylindermotor die auftretenden Geräusch- und Schwingun gsprobleme der- art an, daß eine Beherrschung zu aufwen dig und wirtschaft- lich nicht mehr tragbar wird. 2. Gas- und Massenkräfte beim Fünfzylindermotor Schon 1930 schrieb Föppl in seinem Buch "Gru ndzüge der technischen Schwingungslehr e", daß die Fünfzyl i nderm aschi ne bezüglich Ma ssenausgleich günstiger ist als der Vierz ylinder - motor. Worum dies der Fall ist, soll im folgenden in den Grundzügen dargelegt werden . Fahrzeugschwingungen, die sich sowohl als Geräusche als auch als unangenehme Vib rationen in den verschiedensten Frequenzen äußern, werden sowohl vom Motor als auch von Fahrbahnunebenheiten angeregt. Besonders stark werden die Geräusche dann, we nn dos Fahrzeug, der Motor oder Teile derselben in Re so nanz mit den Motor - oder Fahrbahnerregun - gen kommen, wei l dann sehr kleine Erregerkräfte genügen, um kräftige Schwingungen ode r Ger äusche zu erzeugen. Re- so nanz tritt immer dann auf, we nn ein schwing ungsf ähiges Teil im Takt seiner Eig enfreque nz erregt wird. Neben den für die In sassen lästig en und ermüdenden Ge- räuschen können Schwingungen wegen der zusätzlichen me- chanischen Beanspruchung die Haltbar keit einzelner Bau- teile gefährden . Bi I d 1. Mercedes- Benz-Fünfzylinder-Dieselmotor OM 617 für den Typ 240 D 3,0; 59 kW (80 PS) bei 4000 U/ min und 172 Nm (17,5 kpm) bei 2400 U/min ; max. mittlerer Dru ck 7,4 kp/ cm 2 73

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Dipl.-Ing. Kurt Obländer und Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Strauber, Stuttgart-Untertürkheim DK 621.436-124.1-112: 629.114.6

Fünfzylindermotor im Personenwagen - ein Kompromiß?

Daimler-Benz hot mit dem Fahrzeug 240 D 3,0 als erste Auto­mobilfirmo der Welt einen Personenwogen mit Fünfzylinder­Reihenmotor (Motortyp OM 617; Hubraum 3,0 I ; Leistung 59 kW [80 PS]; Vorkammer-Dieselmoto r) auf den Markt gebracht'). Fünfzylinder-Reihenmotoren wurden bisher nur für Lastkraft­wogen und ols Stationär- bzw. Einbaumotoren verwendet (z. B. Mercedes-Benz do Brasil, MAN, KHD, Mitsubishi, Yanmar, Berliet, Unic u.a.). In onderer Zylinderanordnung - als Sternmotor -fanden Fünfzylindermotoren schon früh als Flugtriebwerke Ver­wendung. Im folgenden wird die Verwendung des Fünfzylinder­Reihenmotors im Personenwagen hinsichtlich seines Schwingungs­verhaltens beurteilt.

5 Cylinders for the Passenger Car - a Compromise? Abstract

The present report is on attempt to exploin the vibration problems of the 5 cylinder in-line engine compared to the 4 cylinder and 6 cylinder in on easi ly comprehensible and partially simplified manner.

After 0 brief introduction ond information on the manifold com­plex interactions of the vibration system engine/vehicle os weil os measures to improve this system, one of the most important sources of exc itation, that is the engine, is dealt with here.

After describing the forces of excitation (gas forces, inertio for­ces, charocteristics of gas and inertia forces, fig. 1, 2 and 3) which occur in each engine on each individuol cy linder, the effects produced on multi-cylinder eng ines by these forces are then considered.

By comparing the individual factors (torque, torsional vibrations, bending vibrat ions, inertia force effects) in 4, 5 and 6 cylinder in-line engines, the c1ossification of the vibration characteristics of the 5 cylinder engine in comparison to the known 4 and 6 cylinder eng ines is devised. A table compiles the essential aspects.

The authors come to the conclusion that the 5 cylinder engine is to be classified between the 4 and 6 cyli nder engines os far os its vibration characteristics are concerned. According to the opinion of the DB engineers, it is to be c1assified nearer to the 6 cylinder engine thon to the 4 cylinder engine.

1. Einleitung

Grundl egender Gedanke bei der Konzeption eines Fünf­zylinder-Reihenmotors ist die Möglichkeit der "Baukasten­bauweise" unter Verwendung gleicher Bautei le wie Kolben, Pleuel, Ventile usw. von Vier- oder Sechszyli ndermotoren so­wie die Chance der Ausnutzung einer vorhandenen Ferti­gungseinrichtung; d. h. Einsparung von teuren Investitionen, die für einen Motor mit anderen Zylinderdurchmessern und -abständen notwendig wären. Daneben fallen - wenn mon von einem Vierzylindermotor aus·geht - die geringeren Fer­tigungskoste n sowie die kleinere Baulänge gegenüber einem Sechszylindermotor deutlich ins Gew icht.

Der Mercedes-Benz Fünfzylinder-Personenwagen-Dieselmotor OM 617 basiert auf den bewährten Vierzylinder-Dieselmoto­ren und wurde unter Beibehaltung aller wesentlichen Kon­struktionsmerkmale aus dem 240-D-Motor entwickelt, B i I d 1. Damit sind viele vom 240 D vorhandenen Teile wie Kolben, Pleuel, Ventile, Kurbelwellenlager usw. gleich; die Fertigung kann auf den vorhandenen Transferstraßen erfolgen, B i I d 2.

Die von den Daimler-Benz- Ingenieuren bei der Entwicklung der Fünfzylindermotoren für Lastwagen, die heute von Mer­cedes-Benz do Brasil und im Rahmen des Kooperationsab­kommens bei MAN serien mäßig gebaut werden, gesammel­ten Erfahrungen wurden für den Personenwagenmotor mit herangezogen.

Sucht man nach Gründen, weshalb bisher Fünfzylindermoto­ren in Personenwagen nicht verwendet wurden, dann wird

'I Vgl. ATZ 76 (1974) 8, S. 268-269

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im allgemeinen gefühlsmäßig dos "sch lechtere G eräusch ­und Schwingungsverha lten" genannt. Inwiefern diese Be­hauptung gerechtfertigt ist, soll im folgenden dargelegt wer­den.

Bekanntlich ist ein Vierzylindermotor "rouher" , d. h. un­komfortabler als ein Sechszy lindermotor - im wesentlichen ist dies eine Folge der freien Massenkräfte und Drehmomente 2. Ordnung, die beim Sechszylindermotor gleich Null bzw. kleiner sind. Freie Massenkräfte sind nicht immer mit ein­fachen, wirtschaft lichen Mitteln ausgleichbar und begrenzen deshalb Hubraum und Höchstdrehzahl von Vi erzylinder-Per­sonenwagenmotoren; die Hubraumgrenze wird bei co. 2,51, die Drehzahlg renze bei etwa 6000 U/min zu suchen sein. Bei größeren Hubräumen wachsen beim Vierzylindermotor die auftretenden Geräusch- und Schwingungsprobleme der­art an, daß ei ne Beherrschung zu aufwendig und wirtschaft­lich nicht mehr tragbar wird.

2. Gas- und Massenkräfte beim Fünfzylindermotor

Schon 1930 schrieb Föppl in sei nem Buch "Gru ndzüge der technischen Schwingung slehre", daß die Fünfzyl indermaschi ne bezüglich Massenausgleich günstiger ist a ls der Vierzylinder­motor. Worum dies der Fall ist, soll im folgenden in den Grundzügen dargelegt werden .

Fahrzeugschwingungen, die sich sowohl als Geräusche als auch als unangenehme Vib rationen in den verschiedensten Frequenzen äußern, werden sowohl vom Motor als auch von Fahrbahnunebenheiten angeregt. Besonders stark werden die Geräusche dann, wenn dos Fahrzeug, der Motor oder Teile derselben in Resonanz mit den Motor- oder Fahrbahnerregun­gen kommen, wei l dann sehr kleine Erregerkräfte genügen, um kräftige Schwingungen oder Geräusche zu erzeugen. Re­sonanz tritt immer dann auf, wenn ein schwing ungsfähiges Teil im Takt seiner Eigenfrequenz erregt wird.

Neben den für die Insassen lästigen und ermüdenden Ge­räuschen können Schwingungen wegen der zusätzlichen me­chanischen Beanspruchung die Haltbarkeit einzelner Bau­teile gefährden .

Bi I d 1. Mercedes-Benz-Fünfzyli nder-Diese lmotor OM 617 für den Typ 240 D 3,0; 59 kW (80 PS) bei 4000 U/min und 172 Nm (17,5 kpm) bei 2400 U/min ; max. mittlerer Druck 7,4 kp/cm2

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Bi I d 2. Schnittbild des Fünfzylinder-Reihenmotors, 6 Kurbelwellenlager, Zündfolge 1-2-4-5-3, Ausgleichsgewichte an der mittle­ren und an den äußeren Kurbelwellenkröpfungen, Drehschwingungsdämpfer am vorderen Kurbelwellenende

Es muß deshalb bei jeder Fahrzeugentwicklung versucht werden, durch entsprechende Maßnahmen die Schwingungen und Geräusche klein zu halten. Hierbei bestehen verschiedene Möglichkeiten :

1. Verringern der Erregerkräfte, d . h. der anregenden Kräfte, die von Motor und Fahrbahn ousgehen. 2. Isolieren des Erregers, alsoz. B. des Motors vom Fahr­zeug . Diese Isolierung erfolgt durch die in großer Zahl am Fahrzeug vorhandenen Gummilagerungen für Motor, Ge­triebe, Radaufhängungen usw. 3. Verst immung des Systems Erreger - Schwinger, d. h. Ände­rung der Eigenfrequenz eines oder beider Teile, so daß keine Resonanz mehr auftritt . Dieses Prinzip wird recht häu­fig angewandt, insbesondere in der Weise, daß die kritische Drehzahl eines Schwingers durch Erhöhung der Eigenfre­quenz über die maximale Betriebsdrehzahl gelegt wird . Genau genommen ist auch das unter 2. aufgeführte Isolieren eine System-Verst,immung, und zwar hauptsächlich ange­wandt als Verschiebung der Resonanz unter die niedrigste Betriebsdrehzahl, so daß im Betriebsdrehzahlbereich "über­kritisch" gefahren wird, d . h. Erregung und Trägheit des Schwingers werden gegenläufig und tilgen sich zunehmend .

Auf die unter 1. genannten, vom Motor ausgehenden on­regenden Kräfte, die jeder Konstrukteur so klein wie mög­I,ich halten wird, wobei ihm physikalisch Grenzen gesetzt sind, wird im folgenden eingegangen.

Die im Motor auftretenden Gas- und Massenkräfte wirken sich in verschiedenster Art als onregende Kräfte aus, Bi I d 3.

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Bi I d 3. Prinzipdarstellung der im Motor auftretenden Gas- und Massen­kräfte am einzelnen Kurbeltrieb

2.1 . Gas kr ä ft e

Gaskräfte Pz entstehen durch die Verbrennung des Kraftstoff­Luftgemisches im Zylinder sowie durch die Verdichtungsarbeit des angesaugten Gemisches . Sie bilden keine nach außen "freien" Kräfte, da sie sich stets am Zylind e rkopf als "Ge­genkraft" obstützen. Die Obertragung der Gaskräfte auf das Kurbelgehäuse erfolgt durch die Zylinderkopfschrauben. Lediglich die von den Gaskräften gewollt erzeugte Dreh­kraft - dos Drehmoment des Motors - gelangt über die Kurbe,lwelle nach "außen" und muß über die Gummi-Motor­lagerung abgestützt werden.

2.2. M ass e n k räf t e

Ähnlich wie bei den Gaskräften, die - mit Ausnahme des Drehmomentes - nur innerhalb des Motors wirksam werden, können sich Massenkräfte Posz und Prot, je nach Zylinderzahl, Anordnung der Kurbelwellenkröpfungen und Massenaus­gleich gegenseitig innerhalb des Motors aufheben, so daß nach oußen keine freien Massenkräfte resultieren ; solche Motoren sind ausgeglichen . Jedoch können aufgrund der konstruktiven Gegebenheiten Zylinderzahl und Kurbelwelle auch freie Massenwirkungen verbleiben, die in ihrer Zu­sommenfassung, über alle Zylinder gesehen, als "freie Mas­senkraft" oder als "freie Momente" bezeichnet werden . Diese freien Massenwirkungen erzeugen Schwingungsausschläge des gesamten Motorblocks in horizontoler und vertikaler Richtung sowie Momente in drei Freiheitsgraden, Bi I d 4:

1. Kräfte und Bewegungen in X-Richtung

2. Kräfte und Bewegungen in Y-Richtung

3. In Z-Richtung keine Kräfte und Bewegungen

4. Momente und Drehungen um X-Achse

5. Momente und Drehungen 5 um Y-Achse

6. Momente und Drehungen o um Z-Achse

5

o

Bi I d 4. Prinzipdarstellung der am Motor auftretenden freien Massenwirkungen, die zusammengefaßt als freie Massenkraft und freie Massenmomente bezeichnet werden

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Ausschieben I ~

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l ' Umdrehung I-- I ----11 Umdrehung.1,-- . I 1 Arbeitsspiel -----l ~ 1 Arbetfssplel----l

B i I d 5. Verlauf der Gasdrehkraft (links) und der Massenkraft (rechts) für einen Zylinder über jeweils 1 Arbeitsspiel beim Vier­taktmatar Gas- und Massenkräfte höherer Ordnungen treten ebenfalls auf, wurden jedoch der Obersichtlichkeit wegen hier weggelassen, sie werden mit steigender Ordnungszahl der Größe (Amplitude) nach immer kleiner und wirken daher als erregende Kräfte weniger stark

Durch Obertragung dieser Kräfte auf Fahrgestell und Karosse­_ rie können, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen wer­

den, erhebliche Schwingungs- und Geräuschbelästigungen auftreten.

3. Verlauf der Gas- und Massenkräfte

Sowohl Gas- als auch Massenkräfte sind je nach Stellung der Kurbelwelle, über ein Arbeitsspiel des Motors gesehen, unterschiedlich groß, wie sich aus B i I d 5 ersehen läßt.

Der Verlauf der Gaskräfte als Drehkraft an der Kurbelwelle, verursacht durch die vier Takte Ansaugen, Verdichten, Ver­brennen und Ausschieben, ist links dargestellt. Die durch die hin- und hergehende Bewegung des Kolbens und der Pleuel ­stange verursachten Massenkräfte wirken in Richtung der Zylinderachse; ihr Verlauf ist rechts wiedergegeben.

Schwingungsanregend sind jeweils reine Sinusfunktionen , d . h. Kräfte, die mit konstanter Größe und Geschwindigkeit umlaufen. Sowohl der Verlauf der Gas- als auch der Mas­senkraft läßt sich, wie oben gezeigt, durch Oberlagerung mehrerer Sinusfunktionen darstellen . Das heißt also, daß als schwingungsanregende Frequenzen nicht nur die mit Motor­drehzahl umlaufenden Kräfte auftreten, sondern auch in Abhäng,igkeit von' Motorenkonstruktion, Zylinderzahl und Zündfolge Frequenzen, die einem Vielfachen der Kurbel­wellendrehzahl entsprechen.

Da - wie schon zuvor erwähnt - Motor und Fahrzeug ein äußerst komplexes Schwingungsgebilde mit zahllosen Frei­heitsgraden bilden, ist die Größe der freien Massenkräfte und -momente eine der bestimmendsten Ursachen für die Laufruhe eines Fahrzeugs.

4. Wirkungen der Gas- und Massenkräfte

4.1. F r eie s D reh m 0 m e n t

Die jeweils durch die Verbrennung am einzelnen Zylinder ausgelösten Drehkräfte haben zur Folge, daß die Kurbel­welle ein ungleichförmiges Drehmoment abgibt, welches am Kurbelgehäuse bzw. der Motorlagerung abgestützt werden muß. Durch ein g roßes Schwungrad als Energiespeicher kann die als Folge des ungleichförmigen Drehmomentes ent­stehende Ungleichförmigkeit der Drehgeschwindigkeit be­einflußtwerden, nicht aber der ungleichförmige Drehmoment­verlauf. Dieser läßt sich nur durch Erhöhung der Zyl inderzahl verbessern, d . h. durch Verkleinerung des Zündabstandes.

Die Drehmomentschwankung ist beim Viertaktmotor mit glei ­chen Zündabständen von der Ordnung, die der halben Zy­linderzahl entspricht, d . h. der Vierzylindermotor hat ein freies Drehmoment 2. Ordnung, der Fünfzylindermotor 2,5 . Ordnung und der Sechszylindermotor 3. Ordnung.

Der Fünfzylindermotor nimmt hier den Platz zwischen Vier­und Sechszylindermotor e in.

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4.2. D reh s c h w i n gun gen

Da die Kurbelwelle mit Schwungrad, Pleueln und Kolben ein schwingungsfähiges Gebilde ist, wird sie durch die Gas­kräfte zu Drehschwingungen angeregt, d . h. sie w ird in sich verdreht (tordiert). Liegt eine kritische Drehzahl der Kurbel­welle im Betriebsdrehzahlbereich, dann werden erhebliche Winkelausschläge erze'ugt, die zum Bruch der Kurbelwelle führen können, wenn sie nicht durch einen Drehschwingungs­dämpfer oder -t ilger gemindert werden .

Seihst wenn keine kritischen Werkstoffbeanspruchungen auf­treten, müssen Motoren des öfteren aus Geräuschgründen (die Ausschläge der Kurbelwelle übertragen sich auf Ge­triebe, Kardanwelle und Achse und können schwingungs­anregend sein) Schwingungsdämpfer erhalten.

Vierzylinder-Personenwagen-Reihenmotoren sind im allge­mei,nen nicht kritisch, da sie eine kurze "steife" Kurbelwelle haben, deren Eigenfrequenz so hoch liegt, daß im Betriebs­drehzahlbereich nur kritische Drehzahlen höherer Ordnung mit entsprechend kleinen Erregungen liegen . Beim Sechs­zylinder-Reihenmotor liegt die Eigenfrequenz aufgrund der längeren "weicheren" Welle tiefer, und es kommt zu Re­sonanzen mit niedrigeren Ordnungen und höheren Erregun­gen, so daß ein Sechszylindermotor im allgemeinen einen Schwin'gungsdämpfer benötigt. Der Fünfzylinder-Reihenmotor liegt hier wiederum in der Mitte zwischen Vier- und Sechs­zylindermotoren ; aus Geräuschgründen ist beim Personen­wagen ein Schwingungsdämpfer notwendig.

4.3. B i e g e s c h w i n gun gen des M 0 tor -getriebeblocks

Bedingt durch die Ku rbelwellenkonstruktion verteilen sich die Gas- und Massenkräfte 1. oder höherer Ordnung der einzel­nen Zylinder entlang der Kurbelwelle oft in einer Weise, daß die Welle eine ausgeprägte Biegeform erhält. Diese Biege­form wird durch das Lagerspiel begrenzt unter Erzeugung entsprechender Lagerreaktionen, die ihrerseits die Biegeform auf den Motorblock zu übertragen versuchen . Je nach Stei­figkeit der Kurbelgehäusekonstruktion sowie der Verbindung zum Getriebe neigt der Motorgetriebeblock zu Biegeschwin­gungen, d ie sich über die Motorlagerungen auf Fahrgestell und Karosserie übertragen.

Die Eigenfrequenz des Motorgetriebeblocks ist abhängig von seiner Länge. Sie liegt beim Vierzylindermotor höher als beim Sechszylindermotor. Andererseits dominiert beim Sechszylin­dermotor die Erregung 1. O rdnung, beim Vierzylindermotor die 2. Ordnung. Der Fünfzylindermotor liegt in der Eigen­frequenz etwa dazwischen und wird aufgrund der auftreten­den Massenmomente durch die 2. Ordnung erregt.

Der Fünfzylindermotor liegt aus diesem Grunde zunächst et­was ungünstiger als Vier- und Sechszylindermotor ; durch entsprechende konstruktive Versteifung des Motorgetriebe­blocks kann dies jedoch kompensiert werden .

4.4. Wir k u n gen der M ass e n k räf t e

Massenkräfte treten durch die umlaufenden (rotierenden) sowie hin- und hergehenden (oszillierenden) Massen auf. Rotierende Massen sowie ein Te il der oszillierenden Massen können durch Gegengewichte an der Kurbelwelle im soge­nannten Massenaus'gleich ausgeglichen werden. Dies betrifft jedoch nur Massenkräfte 1. Ordnung. Be,i Mehrzylinderma­schin e n (z. B. Vier- und Sechszylinder~ Reihenmotoren) ist al­lein durch entsprechende Anordnung der Kurbelwellenkröp­fungen innerhalb des Motors ein Ausgleich der Massenwir­kungen 1. Ordnung möglich . Trotzdem werden auch hier noch Gegengewichte verwendet, weil sonst die Beanspruchung der Kurbelwelle in sich und die Lagerreaktionen in einer Größe auftreten, die untragbar sind (vergl. Abschnitt 4.3) .

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Motoren mit freien Massenwirkungen 1. Ordnung sollten jedoch einen möglichst aptimalen Massenausgleich haben, um die freien Massenwirkungen klein zu halten.

In jedem Fall werden die durch Fertigung und Montage der Motorenteile entstehenden Unwuchten an Kurbelwellen und Anbauteilen durch Auswuchten der Kurbelwelle oder besser des gesamten Motors ausgeglichen.

Im Gegensatz zu den Massenwirkungen 1. Ordnung können solche höherer Ordnung nicht ohne erheblichen Aufwand ausgeglichen werden; bei Mehrzylindermotoren heben sich jedoch, abhängig von der geeigneten Wahl der Kurbelfolge, diese Massenwirkungen ganz oder teilweise auf. So treten z. B. beim Sechszylinder-Reihenmotor üblicher Bauart weder Massenwirkungen 1. noch 2. Ordnung auf.

Die Größe der oszillierenden Massenkräfte ist abhängig von der Masse der hin- und hergehenden Teile (Kolben, oszil­lierender Anteil der Pleuelstange), dem Kurbelradius und dem Quadrat der Drehzahl.

Jeder Motorenhersteller versucht nun durch entsprechende Kurbelwellenanordnung, Massenausgleich und leichte Trieb­werksgewichte die freien Massenwirkungen klein zu halten. Aus konstruktiven Gründen ist jedoch nicht immer zu ver­meiden, daß freie Kräfte auftreten und entsprechende Wir­kungen - nämlich Schwingungen des Motorblocks - zur Folge haben.

In der Ta fe I 1 seien deshalb Vier-, Fünf- und Sechszylinder­Reihenmotoren verglichen. Unter der Voraussetzung gleicher Triebwerksteile (Pleuel, Kolben, gleicher Hub) sind in der Tafel die Massenwirkungen 1. und 2. Ordnung aufgeführt. Natürlich gibt es noch Massenwirkungen höherer Ordnungen, die jedoch der Obersichtlichkeit wegen hier weggelassen wurden, zumal sie dem Betrag nach mit höherer Ordnung immer kleiner werden, wie bereits eingangs erwähnt wurde.

Man erkennt, daß alle drei Motoren infolge ihrer Kröpfungs­anordnung keine freien Massenkräfte 1. Ordnung aufweisen; der Vierzylindermotor hat jedoch freie Massenkräfte 2. Ord­nung, die dem Betrag nach relativ groß sind. Ein Ausgleich der Kräfte 2. Ordnung mit einfachen Mitteln ist nicht mög­lich; sie werden daher bei allen bekannten Fahrzeugmoto­ren in Kauf genommen. Der Sechszylindermotor hat keine freien Massenwirkungen 1. und 2. Ordnung.

Die Kurbelkröpfungen der Vier- und Sechszylindermotoren sind, wenn man sie am mittleren Lager trennt, spiegelsym­metrisch. Dies ist naturgemäß bei der Fünfzylinderwelle nicht der Fall. Aus diesem Grund treten im Gegensatz zu Vier­und Sechszylindermotoren beim Fünfzylindermotor freie Mo­mente auf, die sich wie die freien Massenkräfte auf die Mo­torlagerung übertragen.

Die auf das Fahrzeug über die Motorlagerung wirkenden, schwingungsanregenden Kräfte 2. Ordnung betragen beim

"Tempo Control" Geschwindigkeitswarner

Dieses von der I T T Bau eie m e n t e, Nürnberg, angebotene elektronische Warngerät zeigt akustisch mit einem klaren, deut· lichen Piepston das überschreiten bestimmter Geschwindigkeiten an, B i I d 1. Es ist mit einem Lautsprecher mit Kompressions-

Bi I d 1. Tempo Contral Geschwindigkeitswarner mit drei belie­big programmierbaren Grenzwerten

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Ta f e I 1. Vergleich der freien Massenkräfte und Momente für Vier-, Fünf- und Sechszylinder·Reihenmotoren; Hub 92,4 mm, Bohrung 91 mm, Pleuelverhältnis ?c=0,31, Zylinder­abstand a=102 mm; Hubraum : Vierzylindermotor Fü nfzyl indermotor Sechszyl indermotor

Zylinderzahl

Freie Kraft + Freies Moment ~ oszillierende Kräfte t l bzw. Momente r = halber Hub = Kurbelrac!ius w = Winkelgeschwindigkeit rn,,= Masse der hin - und

hergehenden Triebwerks· tei le = moszillierend

Zündabstand Zündfolge

Freie Kräfte l Ordnung

Freie Momente lOrdnung

Freie Kräfte 2.0rdnurg

Freie Momente 2.0rdnurg

2404 cm2

3005 cm2

3606 cm2

4

1 4

8 -~ 2 3

r 2 3

180 0

1- 3-4-2

0

0

(Motortyp OM 616 - 240 D) (Motortyp OM 617 - 240 D 3,0) (Rechenwert)

5 6

1 458

~ ~ 2 3 45 1

Ä 5*4 2 3 2 3

1440 1200

1-2-1,-5-3 1-5-3-6-2-1,

0 0

0,01,6 mH· r ·w' t 0

1,24 mH·r·w' l 0 0

0 0,157 mH ·r·w ' t 0

Vierzylindermotor, unter der Annahme gleichmäßiger Ver­teilung auf vordere und hintere Motorlagerung und ohne Berücksichtigung der Isolierung, etwa 0,6 ' mH' r· w2

; die beim Fünfzylindermotor auftretenden freien Massenmomente stüt­zen sich ebenfalls auf die vorderen und hinteren Motorlage­rungen ab. Da hier der Lagerabstand (in vorliegendem Fall ca. 770 mm) eingeht, betragen diese Kräfte nur

0,15710,77=0,2· mH' r · w 2;

d. h. nur ca. 1/3 derjenigen des Vierzylindermotors.

Die freien Momente 1. Ordnung beim Fünfzylindermotor sind noch wesentlich kleiner und haben daher keinen Einfluß auf das Geräuschverhalten .

Wie sich unschwer aus oben Gesagtem erkennen läßt, stellt der Fünfzylindermotor von der schwingungstechnischen Seite her also durchaus keinen Kompromiß dar, sondern eine gangbare, einwandfreie technische Lösung.

Die eingangs erwähnten Vorteile hinsichtlich der Fertigung werden durch ein gegenüber dem Vierzylindermotor deutlich verbessertes Schwingungsverhalten ergänzt: Nach Meinung der Daimler-Benz-Ingenieure liegt der Fünfzylindermotor schwingungsmäßig näher beim Sechszylinder- als beim Vier­zylindermotor.

Schrifttum

[lJ Föppl, 0.: Grundzüge der technischen Schwingungslehre. Sprin­ger-Verlag, 1931

[2J Lang, 0.: Triebwerke schnellaufender Verbrennungsmotoren. Konstruktionsbuch 22, Springer-Verlag, 1966

kammer ausgerüstet, dessen Lautstärke regulierbar ist. Drei be­liebige Geschwindigkeitsgrenzen, etwa 50 km/h im Stadtbereich, 100 km/h auf Landstraßen und die Richtgeschwindigkeit mit 130 km/h auf Autobahnen, lassen sich getrennt in das Gerät ein­programmieren. Ähnlich der Senderwahl beim Autoradio wird der entsprechende Geschwindigkeitsbereich über Drucktasten einge­schaltet. Der Sensor des Gerätes mißt das geschwindigkeitsab­hängige Magnetfeld des Tachometers, in zwei integrierten Schalt­kreisen mit 39 Transistoren und 10 Dioden wird die gefahrene Geschwindigkeit elektronisch mit der vorprogrammierten vergli­chen, und beim überschreiten wird schließlich der Warnton ausge­löst.

Die Montage ist unproblematisch und in jeden Wagentyp mit 12-V-Anlage möglich. Das Gerät selbst wird mit einem mitgelie­ferten Spezialklebeband an einer passenden Stelle des Armatu­renbrettes befestigt. Der Sensor kann direkt auf das Glas des Tachometers oder - besser - an der Rückseite möglichst nahe der Tachowelle aufgeklebt werden . Die Stromversorgung erfolgt von der am leichtesten zugänglichen Stelle, der Verbrauch ist mit 0,2 W unerheblich. H,

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Zylinderzahl 4 5 6

Freie Kraft + Freies Moment t 1 4

8 ~ oszillierende Kräfte t t Arft 1 458 bzw Momente ~ r = halber Hub = Kurbelrac!ius 2 3 45

w = Winkelgeschwindigkeit r 1

Ä 0);= Masse der hin- und 5*4 2 3 hergehenden Triebwerks- 2 3 teile:: mosziltierend

2 3

Zündabstand 1800 144 0 1200

Zünd folge 1-3-4 -2 1- 2-4-5-3 1-5-3-6 -2-4

Freie Kräfte lOrdnung 0 0 0

Freie Momente lOrdnung 0 0,046 mH ,r ·w' ~ 0

Freie Kräfte 2.0rdnung 1,24 mH·r·w' ,

0 0

Freie Momente 2.0rdnung 0 0,157 mH·r ·w' t 0

Ivo
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Tafel 1 (Seite 76)