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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Förderung selbstregulierten Lernens mit Lerntagebuch und Portfolio Matthias Nückles Institut für Erziehungswissenschaft www.face-freiburg.de www.kebu-freiburg.de Vortrag im Rahmen des Dies Academicus der Universität Leipzig

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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Förderung selbstregulierten Lernens mit Lerntagebuch und Portfolio

Matthias NücklesInstitut für Erziehungswissenschaft

www.face-freiburg.dewww.kebu-freiburg.de

Vortrag im Rahmen des Dies Academicus der Universität Leipzig

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2

Studieren in Deutschland im 21. Jhdt.Aktive Lernende? Tiefes Verständnis?Lehramt studieren im 21. Jhdt.:

Stellen die Studierenden Zusammenhänge her?

Überlegen sie sich eigene Beispiele?

Überwachen sie ihr Verständnis?

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Selbstreguliertes Lernen an der Hochschule

3

§ Universitäres Studium − Traditionell hoher Anteil des Selbststudiums

− Modularisierung macht Selbststudiumsanteileexplizit (oft 80% und mehr des Workloads!)

→ erhebliche Bedeutung für Studienerfolg

§ Selbstreguliertes Lernen bei Studierenden− Oft Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität

− Zunehmende Heterogenität der Lernvoraussetzungen

§ Zahlreiche Möglichkeiten für Lehrende, selbstreguliertes Lernen „nebenbei“ zu fördern! − Zum Beispiel durch Lerntagebücher und Portfolios

??

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Welche Anforderungen stellt das selbstregulierte Lernen an die Lernenden?

4

1. Vor dem Lernen→ Ziele setzen

→ Vorwissen aktivieren→ sich motivieren

→ Strategieeinsatz planen

2. Während d. Lernens→ Lernstrategien einsetzen

→ Überwachen und regulieren→ Motivation und

Konzentration aufrecht-erhalten

3. Nach dem LernenBewertung des

Lernergebnisses→ Zielerreichung→ Bewältigung

→ Konsequenzen

Zyklisch-interaktives Modell (Zimmerman, 2000)

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Zwei wichtige Unterscheidungen in diesem Zusammenhang

1. Kognition und Metakognition− „ich versuche den Stoff zu verstehen und mir zu

merken“ (kognitive Prozesse)

− „ich plane, überwache und bewerte mein Lernen“ (metakognitive Prozesse)

2. Motivation und Volition− „ich erkenne, weshalb und wozu der Lernstoff wichtig ist

und bin bereit, mich anzustrengen“ (Motivation)

− „ich fange rechtzeitig mit dem Lernen an und lasse mich nicht ablenken“ (Volition)

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Zusammenspiel kognitiver und meta-kognitiver Lernstrategien

Organisations-strategien

Elaborations-strategien

Wiederholungs-strategien

Planung Überwachung BewertungMetakognitiveStrategien

KognitiveStrategien

Ordnen Andocken Speichern

z.B.• Zentrale Punkte erkennen• Stoff gliedern• Zusammenhänge

identifizieren

z.B.• Beispiele generieren• kritisch argumentieren• Analogien finden

z.B.• „Im Geiste

wiederholen“• Mehrfach lesen

Funktion

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Einige Befunde zum selbstregulierten Lernen von Studierenden

7

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BittegebenSiean,inwieferndiefolgendenAussagenfürSiezutreffen:Ichhabeinderletzten WochedenBeginnvonAufgabenbiszurletztenMinutehinausgezögert. O O O O O

IchhabemeineAufgabenletzteWocheregelmäßigerledigt, damitichnichtinVerzuggerate. O O O O O

BittegebenSiean,wiehäufigSieletzteWochefolgendeLernstrategien verwendethaben:

Ichhabeversucht,dasGelernte inGedankenmit demzuverbinden,wasichschondarüberwusste. O O O O O

IchhabemeineAufzeichnungenmehrmalshintereinanderdurchgelesen. O O O O O

BittegebenSiean,inwelchenSituationenSiedieseLernstrategieneingesetzthaben:

OKlausurvorbereitungOReferate-Vorbereitung OTutoratsbesuch

BewertenSiefür jedesIhrerZiele,inwiefernSiedieseerreichthaben:

IchhabemeinerstesZielerreicht O O O O O

WebbasiertesLerntagebuchtrifft

nichtzutrifftzu

Nie manchmaloft

trifftnichtzu

trifftzu

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Teilnehmer und Studiendesign

§ 150 Studierende aus 5 Studiengängen− BSc Waldwirtschaft und Umwelt

− BSc Umweltnaturwissenschaften

− MSc Forstwissenschaft

− MSc Environmental Governance (englisch)

− MSc Forest Ecology Management (englisch)

§ 17 Messzeitpunkte in (Nov. 2010 – März 2011) analysiert

KlausurenEintrag X X X X X X X X X X X X X X X X X (X) (X)

Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20Vorlesungszeit Pause Vorlesungszeit vorlesungsfrei

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Wann und in welchem Ausmaß schieben Studierende Aufgaben auf? Auswirkung auf Lernerfolg?

10

2,3

2,4

2,5

2,6

2,7

2,8

2,9

3

3,1

3,2

Semester- vor Weih- Prüfungs- Prüfungs-anfang nachtspause vorbereitung zeit

Aufschiebeverhalten

Lernstrategieeinsatz

hoch

niedrig

Selb

stbe

richt

etes

Aus

maß

Auswirkung von Prokrastination auf Modulnote• Multiple Regressionsanalyse: b = .31, p < .01

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Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Lern-strategien, wahrgenommener Zielerreichung und Prüfungsleistung?

11

Prüfungs-vorbereitung

Modulnote

Organisation

Elaboration

WiederholenPersönliche Zielerreichung

Lernverhalten

Wahrnehmung

Outcomes

Tiefenorientierte Strategien: Organisation & Elaboration

Oberflächenorientierte Strategien: Wiederholen

++

+̶+

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Zwischenfazit

(1) Die Studierenden sollten zu einem kontinuierlichen Lernen angehalten werden

(2) Verständnis der Studierenden hinsichtlich der Bedeutung und Funktion wichtiger Lernstrategien offenbar unzureichend

− Sie sollten über die lernerfolgssteigernde Funktion tiefenorientierter Lernstrategien informiert…

− …und zu deren Gebrauch angeregt werden

…z.B. mittels Lerntagebuch und Portfolio

12

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Lerntagebuch und Portfolio

§ Schriftliche Reflektion über den Lernstoff,die eigenen Lernerfahrungen und Lerngewinne− regelmäßig und über längere Zeit− Schreiben erleichtert Nachdenken über Lernstoff

§ Portfolio− Reflektion fokussiert auf Produkte der Lernenden (z.B.

bearbeitete Lernaufgaben)§ Lerntagebuch

− Lernende weitgehend frei, worüber sie reflektieren § Einschränkung der Privatheit

− Einblicke in Lernprozesse− Rückmeldung geben

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Theoretische Perspektiven beim Lernen durch Schreiben

Writing-as-Pro-blem-Solving View

Scardamalia & Bereiter (1987)

• Schreiben als zielgerich-tetes Problemlösen

• Dialektik zwischen semantischem und rhetorischem Problem-raum

• Realisierung rhetorischer Ziele wichtig für Lernerfolg

• Die „klassische“ Position

Self-Regulation View

Nückles et al. (2009)• Schreiben als Medium

selbstregulierten Lernens

• Schreiben fördert Lernen, wenn es Prozesse des selbstregulierten Lernens unterstützt

• Kognitive und metakognitive Prompts dafür wichtig

Strong Text View

Britton (1980)• Sprache als Vehikel des

Denkens (Vygotskij) • Implizites Wissen wird

durch Sprache explizit• Freies, expressives

Schreiben fördert Lernerfolg am besten

• Die „romantische“ Position

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Diagnostische Zielsetzungen

§ Erfassung der Qualität und Quantität von Lernprozessen

§ erleichtert Diagnose von naiven oder fehlerhaften Vorstellungen

− Diagnose von Fehlkonzepten ist schwierig!(Chi, Siler & Jeong, 2004)

§ ermöglicht formative Diagnostik

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Lerntagebuchauszüge aus meiner Vorlesung „Einführung in die Bildungswissenschaft“ (1. Sem.)

§ Erwartungen an die Vorlesung:- Ich erwarte von „Einführung in die

Bildungswissenschaften“, dass diese Vorlesung einen zumindest näherungsweise befriedigen Ersatz für ein Psychologiestudium abbilden kann.

- Es wäre mir wichtig, dass wir besprechen, wie viel Einfluss z.B. ein selbstsicheres Auftreten und die damit verbundene Autorität auf die gelungene Vermittlung von Unterrichtsstoff hat und inwieweit man dieses Auftreten persönlich erlernen oder verbessern kann.

16

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Instruktionale Zielsetzungen

§ Tiefe Verarbeitung des Lernstoffs

- durch kognitive Lernstrategiend.h. Organisations- und Elaborationsstrategien

§ Bewusstsein für und Kontrolle über den Lernprozess

- durch metakognitive Lernstrategiend.h. Planungs-, Überwachungs- und Bewertungs-strategien

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Zyklisch-interaktives Modell selbstregulierten Lernens durch Schreiben

Organisation &Elaboration

Überwachen& Bewerten

Planen von remedialenStrategien

Lernziel erreicht

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Förderung kognitiver und metakognitiver Lernstrategien im Lerntagebuch

§ Leitfragen (engl. Prompts)- gegen oberflächliches Lernverhalten und Passivität

(Pressley et al., 1992)

- als „Strategie-Aktivatoren“ (Reigeluth & Stein, 1983)

Organisation: „Wie kann ich den Stoff am besten gliedern?“Elaboration: „Welche Beispiele fallen mir ein, die das Gelernte

illustrieren, bestätigen oder ihm widersprechen?“

Überwachen: „Welche zentralen Inhalte habe ich nicht verstanden?“Remediales „Welche Möglichkeiten habe ich jetzt, um meine Planen: Verständnisschwierigkeiten zu klären?“

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Experiment: Schreiben eines LernprotokollsKognitive und metakognitive Aktivitäten (Berthold, Nückles & Renkl, 2007)

KognitivePrompts

Meta-kognitive Prompts

Kognitive & Metakognitive Prompts

KeinePrompts

nichterkennbar

klar erkennbar

Akt

ivitä

tKognitive AktivitätenMetakognitive Aktivitäten

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Experiment: Schreiben und Revidieren eines Lernprotokolls (Nückles, Hübner & Renkl, 2009)

Gruppe 1: Keine Prompts (Kontrollgruppe)

Gruppe 2: Kognitive Prompts (Organisation & Elaboration)

Gruppe 3: Metakognitive Prompts (Überwachen & remediales Planen)

Gruppe 4: Kognitive und metakognitive Prompts OHNE Prompts zum remedialen Planen

Gruppe 5: Kognitive und metakognitive Prompts MIT Prompts zum remedialen Planen

1. Vorlesungsvideo2. Schreiben einer ersten Fassung des Lernprotokolls3. Revision des Lernprotokolls mit Vorlesungstext4. Verständnistest

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Hypothesen

Organisation &Elaboration

Überwachen& Bewerten

Planen von remedialenStrategien

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Experiment: Lernerfolg

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

KognitivePrompts

MetakognitivePrompts

KombiniertePrompts ohnerem. Planen

KeinePrompts

Ges

amtb

ewer

tung

KombiniertePrompts mitrem. Planen

6-stufige Skala: 1 = schlechtester Wert; 6 = bester Wert

Unmittelbarer Test Verzögerter Test

p < .05 p < .05p < .001

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Zwischenfazit

§ Prompts: Effektive Maßnahme zur Förderung kognitiver und metakognitiver Lernaktivitäten im Lernprotokoll

§ Prompts als Strategieaktivatoren zur Beseitigung von Produktionsdefiziten (Flavell & Wellman, 1977)

§ Wichtig: Alle drei Teilprozesse anstoßen, dann Lernerfolg am größten!

§ Einschränkung: - Ein einziges Lernprotokoll unter Laborbedingungen

- Lediglich Erfassung kognitiver Effekte

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Lerntagebuchschreiben im schulischen Kontext: Verständnis, Lernmotivation und kritisches Denken (Wäschle, Gebhardt, Oberbusch & Nückles, 2015)

§ Biologieunterricht in zwei 7. Gymnasialklassen

- Thema: Immunologie (z.B. Funktionsweise der weißen Blutkörperchen

- Beide Klassen von derselben Lehrkraft unterrichtet

§ Drei-wöchige Interventionsphase (1 Doppelstunde/Woche)

- Experimentalklasse (n = 21)

• 3 Lerntagebucheinträge insgesamt

- Vergleichsklasse (n = 25)

• Zusammenfassung der Stunde schreiben, Concept Map anfertigen, Fragen zur Stunde schriftlich beantworten

25

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Aufbau der Studie

§ Prompts- Wie kannst Du den Stoff sinnvoll gliedern?

- Welche Beispiele fallen Dir ein, die das Gelernte illustrieren, bestätigen oder ihm widersprechen?

- Welche Inhalte hast Du gut verstanden und welche hast Du noch nicht verstanden?

- Was kannst Du tun, um Deine Verständnisschwierigkeiten zu klären?“

§ Verständnistest - Unmittelbar nach Interventionsphase sowie 8 Wochen später

- 7 Erkläraufgaben (max. 18 Punkte)

• z.B. „Erkläre, was im Organismus nach einer aktiven Immunisierung passiert“

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Aufbau der Studie

§ Argumentationsaufgabe: 8 Wochen später- Sollte eine Person, die Symptome wie Husten und Fieber zeigt, mit

Antibiotika behandelt werden? Bitte beziehe Stellung und begründe Deine Meinung!

• Einschätzung der Argumentationsqualität (5-stufige Skala)

§ Interesse an Immunologie: alle 3 Messzeitpunkte- 5 Fragen aus dem Intrinsic Motivation Inventory (Deci & Ryan, 2006)

- “Es macht mir Spaß, mich mit immunologischen Fragen zu beschäftigen”

- 5-stufige Skala (trifft zu, trifft nicht zu)

27

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Ergebnisse: Verständnis und Behalten

0

2

4

6

8

10

12

Vortest (1. Woche)

Nachtest (5. Woche)

Verzögerter Nachtest

(13.Woche)

LerntagebuchgruppeVergleichsgruppe

28

Max. 18 Punkte

InteraktionseffektF(1, 44) = 24.17, p < .01, η² = .36

Haupteffekt GruppeF(1, 43) = 19.29,p < .01, η² = .31

Verständnis BehaltenVorwissen

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Ergebnisse: Interesse an Immunologie

1

1,5

2

2,5

3

3,5

Vortest (1. Woche)

Nachtest (5. Woche)

Verzögerter Nachtest (13.

Woche)

LerntagebuchgruppeVergleichsgruppe

29

Maximum 5

InteraktionseffektF(1, 43) = 4.78,p < .05, η² = .10

Haupteffekt ZeitF(1, 44) = 8.11,p < .01, η² =.16

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Ergebnisse: ArgumentationsaufgabeQualität der Argumentation (5-stufige Skala)

1

1,5

2

2,5

3

3,5

Verzögerter Nachtest (13. Woche)

LerntagebuchgruppeVergleichsgruppe

30

hoch

F(1, 43) = 13.61,p < .01, η² = .24

niedrig

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Ergebnisse: Verständnis erklärt höheres Interesse

19.01.17 31

Interesse (13. Woche)

Lerntagebuch vs.

Kontrollgruppe ß = .48, p < .01

Verständnis(13. Woche)

(ß = .30, ns)

Baron & Kenny (1986)

Außerdem: Interesse erklärt Effekt auf Argumentationsqualität

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Zwischenfazit

§ Lerntagebuch zur Nachbereitung von schulischen Unterricht- Große Effekte auf Verständnis und langfristiges Behalten

- Förderung des Interesses am Unterrichtsthema

- Förderung der Fähigkeit, das erworbene Wissen argumentativ zu nutzen

- Höheres thematisches Interesse durch höheres Verständnis vermittelt

- Höhere Qualität der Argumentation durch gesteigertes Interesse vermittelt

§ Effekte längerfristigen Lerntagebuchschreibens im Hochschulkontext?

32

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§ Zwei parallele Seminare in Entwicklungspsychologie§ Studierende schrieben wöchentlichen Lerntagebucheintrag

über ein Semester

Experimental-gruppe (n = 25)

Kognitive & Metakognitive Prompts(Organisation & Elaboration, Monitoring & remediales Planen)

Kontrollgruppe(n = 25) Keine Prompts

Lerntagebuchschreiben im universitären Kontext (Nückles, Hübner, Dümer & Renkl, 2010)

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Aufbau der Längsschnittstudie

§ Studierende schrieben 12 Lerntagebucheinträge zur Nachbereitung der wöchentlichen Seminarstunden

- Investierte Zeit pro Eintrag ca. 70 Minuten Ø

§ Erfassung der Lernstrategien durch Beurteilungsskalen

§ 2 Verständnistests (vor Weihnachten sowie Mitte Februar)

- z.B. „Bitte grenzen Sie die Begriffe Assimilation und Akkomodationvoneinander ab und charakterisieren Sie jeden Begriff durch ein Beispiel“

§ Motivation zum Schreiben

- Interest/Enjoyment (“Das Schreiben des Lerntagebuchs macht mir Spaß“)

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Längsschnittstudie: Ergebnisse Lernstrategien

F(1, 48) = 9.68, p < .01, η2 = .17 F(1, 48) = 9.68, p < .01, η2 = .17

3

3,5

4

4,5

1. Hälfte des Semesters

2. Hälfte des Semesters

Prompts

Keine Prompts

Kognitive Strategien

1,5

2

2,5

3

Prompts

Keine Prompts

Metakognitive Strategien

1. Hälfte des Semesters

2. Hälfte des Semesters

hoch

niedrig

hoch

niedrig

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Längsschnittstudie: Ergebnisse – Lernerfolg und Schreibmotivation

3

3,5

4

4,5

3

3,5

4

4,5

Prompts

Keine Prompts

Lernerfolghoch

niedrig

PromptsKeine

Prompts

Freude am Schreibenhoch

niedrig1. Hälfte des Semesters

Ende des Semesters

1. Hälfte des Semesters

Ende des Semesters

F(1, 48) = 4.29, p < .05, η2 = .08 F(1, 48) = 8.36, p < .01, η2 = .15

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Zwischenfazit Längsschnittstudie

§ Positive Effekte der Prompts auf Lernstrategieeinsatz und Lernerfolg in erster Semesterhälfte- Prompts: Erfolgreiche „Strategie-Aktivatoren“

§ Langfristig aber negative Effekte der Prompts- Prompts eher “Strategie-Inhibitoren”

- “Over-Prompting Effect”

§ Potenzielle Lösung- Allmähliches Ausblenden der Prompts in Einklang mit

zunehmender Routine der Studierenden im Lerntagebuchschreiben

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Längsschnittstudie 2: Adaptives Ausblenden (Fading) der Prompts

Rationale der Fading-Prozedur

Fading Gruppe (n = 20)

3 kognitive and 3 metakognitive Prompts adaptiv und sukzessiv ausgeblendet

Permanente Prompts Gruppe(n = 25)

Jedes Mal 3 kognitive and 3 metakognitive Prompts

Baseline Gruppe (n = 17) Gleiche Inhalte, aber kein Lerntagebuch

Kein Fading Fading 1 Fading 2 Fading 3 Fading 4LT-Eintrag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Grundlage fürFading ---

Ratings Eintrag 3

und 4

Ratings Eintrag 5

und 6

Ratings Eintrag 7

und 8

Ratings Eintrag 9 und 10

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Adaptives Ausblenden der Prompts: Ergebnisse Lernstrategien

Zeit: F(1, 43) = 7.18, p < .01, η2 = .14Gruppe: F(1, 43) = 3.18, p < .10, η2 = .07

F(1, 43) = 9.19, p < .01, η2 = .18

3

3,5

4

4,5

vor dem Ausblenden

während des Ausblendens

AusgeblendetePrompts

Permanente Prompts

Kognitive Strategien

1,5

2

2,5

3

Ausgeblendete Prompts

Permanente Prompts

Metakognitive Strategien

Vor dem Ausblenden

Während des Ausblendens

hoch

niedrig

hoch

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Adaptives Ausblenden der Prompts:Ergebnisse Lernerfolg

F(2, 47) = 3.34, p < .05, η2 = .12

2,5

3

3,5

4

ausgeblendetePrompts

kein Lerntagebuch

hoch

niedrig Testergebnis1. Hälfte des Semesters

TestergebnisEnde des Semesters

permanente Prompts

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Fazit adaptives Ausblenden der Prompts

§ Adaptives Ausblenden weitgehend erfolgreich- Kognitive Strategien nahmen zu über das Semester

- Abfall des Lernerfolgs wurde verhindert

- Effekt auf metakognitive Lernstrategien nicht ganz so stark

- Kein Effekt auf Freude am Lerntagebuchschreiben

§ Schlussfolgerungen- Ständig sein Verständnis überwachen ist anstrengend!

- Freude am Lerntagebuchschreiben nimmt langfristig etwas ab

• Sättigungseffekt wahrscheinlich

- Wechsel der Aufgabenform nach einiger Zeit

- Alternierende Aufgabenstellungen (z.B. Lerntagebuch alle 14 Tage)

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Ein Portfolio zur Verknüpfung von Theorie und Praxisin der Lehrerausbildung (mit Jörg Wittwer und Christiane Klein)

§ Bildungswiss. Modul im 2-Fächer-Bachelor Lehramt

§ Fokus Vorlesung

- Einführung in Kerntätigkeiten (Core Practices) einer Lehrkraft (McDonald et. al., 2013)

• Erklärungen geben, Fragen stellen, Feedback geben, etc.

§ Fokus Portfolio zum Orientierungspraktikum

- Beobachtungsaufgaben zu Kerntätigkeiten

- Anwenden des erworbenen Wissens auf Praxis (Verstehen)42

Vorlesung Vor-bereitung

Orientierungs-praktikum

Nach-bereitung

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19.01.17 43

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Beispiel einer Aufgabenbearbeitung

44

Detaillierte Analyse der Beobachtungen

Insgesamt Bearbeitung dieser Beobachtungsaufgaben durch die Studierenden auf gutem Niveau!

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Reflektionsaufgabe zur Kompetenzentwicklung in Bezug auf eine zentrale Tätigkeit (z.B. Fragenstellen)

Leitfragen§ Welche Vorstellung hatten Sie über die zentrale

Tätigkeit vor Beginn des Studiums?

§ Was haben Sie in der Vorlesung und dem Vorbereitungsworkshop über die zentrale Tätigkeit gelernt?

§ Was haben Sie über die zentrale Tätigkeit im Orientierungspraktikum durch Ihre Beobachtungen gelernt?

§ Was haben Sie über die zentrale Tätigkeit durch Ihr eigenes Unterrichten gelernt?

45

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Inhaltsanalyse der Texte: Bestimmung von Reflektionsniveaus (vgl. Rahm & Lunkenbein, 2014)

1. Alltagssprachliche Wiedergabe von Beobachtungen,Reproduktion von Wissen, keine Verknüpfung von wissenschaftlichen Begriffen und Beobachtungen erkennbar

2. Für beobachtete Handlungen werden Begründungen gegeben, jedoch unter Rückgriff auf Alltagswissen, d.h. ohne Bezug zu wissenschaftlichen Konzepten

3. Beobachtungen und Erfahrungen werden eher oberflächlich unter Rückgriff auf wissenschaftliche Konzepte beschrieben

4. Beobachtungen und Erfahrungen werden adäquat unter Rückgriff auf wissenschaftliche Konzepte beschrieben und begründet, beobachtete Praxis wird theoretisch durchdrungen

5. Beobachtungen und Erfahrungen können multiperspektivisch beleuchtet werden, Lehrerberuf wird als komplexe Tätigkeit mit mehreren gleichzeitig zu verfolgenden Zielen portraitiert

46

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Mittlere Häufigkeit von Textsegmenten pro Studierende/r auf den unterschiedlichen Reflektionsniveaus

0

2

4

6

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Bearbeitung der Reflektionsaufgabe durch die Studierenden ausführlich und sorgfältig

• allerdings eher reproduktiv und beschreibend• wenige Episoden auf höheren Reflektionsniveaus→ Studierende noch am Anfang ihrer Kompetenzentwicklung

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Zusammenfassung

§ Probleme studentischen Lernverhaltens- Neigung, wichtige Lernaufgaben aufzuschieben, wenn Freiräume

vorhanden

- Neigung zu Wiederholungs- statt tiefenorientierten Lernstrategien

§ Lerntagebuch und Portfolio- „zwingen“ Studierende zu regelmäßiger Auseinandersetzung mit

Lernstoff bzw. Praxisfeld (verteiltes Lernen bzw. Üben)

§ Fokus Lerntagebuch - Anregung von Prozessen der Wissenskonstruktion

- Förderung von tiefem Verständnis und darüber vermittelt von Interesse sowie Argumentieren

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Zusammenfassung

§ Fokus Portfolio- Anwendung von erworbenem Wissen- Praxisfeld mit wissenschaftlichen Konzepten verstehen lernen- Professionelle Handlungen wissen. korrekt ausführen lernen

§ Lerntagebuch- einfach zu implementieren und effektiv- wichtig: Over-Prompting und Sättigungseffekten entgegenwirken!

§ Portfolio- curriculare Einbettung und Abstimmung der Lernaufgaben

entscheidend!- ermöglicht wichtige Einblicke in Kompetenzentwicklung der

Studierenden!

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