FOM Kommunikation im Unternehmen - Unternehmenskultur und öffentliche Botschaften
FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)
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Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA
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Haltung oder Ethos des Mediators
Bei einer Mediation ist die Haltung des Mediators sehr wichtig.
Um beiden Konfliktparteien gerecht zu werden, muss der Mediator die Haltung der
Unparteilichkeit einnehmen. Das bedeutet, dass der Mediator keine der
Konfliktparteien bevorzugen darf. Er muss in der Lage sein, seine Überzeugungen
und Wertvorstellungen in der Mediation zurückzustellen, damit die Beteiligten ihre
eigene Lösung des Konflikts finden können.1
Der Mediator muss allen Konfliktparteien vorurteilsfrei begegnen.
Er darf im Konfliktfall nicht Partei für eine Seite ergreifen.
Nicht nur das angelernte Wissen über den Umgang mit den „Tools“, dem
Handwerkszeug macht den Mediators aus, sondern auch seine Haltung und seine
Persönlichkeit. Das gilt vor allem auch für die Moral oder einfach die richtige
Einstellung und Haltung des Mediators.2
Um eine solche, jeweils für sich richtige Einstellung zu gewinnen, sollte jeder
Mediator sein eigenes menschenfreundliches positives Weltbild entwickeln und daran
ständig weiter arbeiten. Manche Dinge kann man allerdings schwer erlernen.
Dieses Weltbild sollte der Mediators auch im Spannungsfeld eigener innerer und
äußerer Konflikte aufrechterhalten.
Dies dient der Qualitätssicherung in der Mediation und bietet beispielsweise auch
eine Hilfestellung für den Umgang mit dem Scheitern einer Mediation.
1 Vgl. Walsdorff, Die Haltung des Mediators, Kinder, URL: http://www.experto.de/familie/kinder/-mediation-die-haltung-des-mediators.html (28.06.2015) 2 Vgl. BMWA, http://www.bmwa-deutschland.de/index.php/indirection/termin/termin_id/5835/parame-ter/YTozOntzOjE1OiJzZWl0ZW5fcGVyX3RlaWwiO2k6MTA7czoxMjoiZmlsdGVyX21vbmF0IjtzOjI6Ij-EwIjtzOjE6ImEiO3M6MToiYiI7fQ%3D%3D (28.06.2015)
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Über die Qualifikation des Mediators, seine Haltung und sein Ethos
(Ergebnisse einer Analyse des Forums Business Mediation,
URL: http://www.wirtschafts-mediation.info/projekt/ger/erg/brd/qualifi.htm)
„Die Qualifikationen des Mediators
Fragt man ganz allgemein nach den Qualifikationen eines Mediators oder
nach Elementen eines Qualifikationskonzepts , so erhält man eine vertraute und
oft identische Liste von Kenntnissen und Fertigkeiten, die in einer Ausbildung
möglichst erfahrungsnah vermittelt werden sollten. Diese enthalten in der Regel
einige Basis- Axiome wie etwa, dass Konflikte eine Normalität und eine Chance
seien, dass sie von den Konfliktparteien autonom gelöst werden können mit Hilfe
eines unabhängigen Dritten und eines dafür besonders geeigneten Settings, das
Vertrauen und Offenheit produziert. In die Qualifikationskonzepte fließt dann die
Vermittlung dieses Settings und damit der für die Mediation typischen
Verfahrensschritte ein. Strukturen und Grundtechniken wie etwa das Harvard-
Konzept sollen hier angeboten werden.
Zusätzlich bedarf es detaillierter Kenntnisse der Soziologie und Psychologie von
Konflikten und der Kommunikationspsychologie (mit all ihren klärenden, interpreta-
tiven und deeskalierenden Elementen). Relevant sind daneben das strategische und
taktische Vorgehen des Mediators, was wir als seine diplomatische Befähigung
bezeichnen möchten. Additiv kommen hinzu die spezifischen rechtlichen Vorgaben -
im Falle der Wirtschaftsmediation also Fixierungen des Arbeitsrechts, der betrieb-
lichen Mitbestimmung und andere wirtschaftsrechtliche Bestimmungen. Auf einen
Gegenstandskatalog scheint man sich also relativ schnell einigen zu können.
Unterschiedliche Modelle gibt es im Bezug auf die Dauer einer Aus- und Fortbildung,
die Verschränkung der theoretischen Phasen und der praktischen Erprobung, den
(frühen oder verzögerten) Einstieg in die Praxis und die Art und Weise der
Supervision.
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Ergiebiger als die Nachfrage nach den Inhalten eines Qualifikationskonzepts, über
die doch weitgehende Einigkeit besteht (wenn man zunächst nur die thematischen
Schwerpunkte betrachtet), erschien uns die Frage, was denn nun eigentlich den
guten Mediator ausmache, was ihn auszeichne .
Eine erste Antwort bezieht sich hier auf bestimmte Grundhaltungen oder
Einstellungen , die der Mediator verinnerlicht haben sollte. Ein Mediator betont vor
allem die Grundprinzipien der Allparteilichkeit oder Neutralitä t, das Faktum der
fehlenden Entscheidungsbefugnis , die zu einer sich zurücknehmenden und
assistierenden Haltung führen müsse, und das Prinzip der Vertraulichkeit, welche
ohne die Zustimmung der Parteien nicht aufgegeben werden kann. Ein anderer
betont, dass die mediative Haltung ein Teil der Persönlichkeitsstruktur werden
müsse. Mediatoren überzeugen als Personen dann, wenn sie die Mediation "auch
leben". So sei es ihm in der von ihm organisierten Fortbildung besonders wichtig,
dass die Teilnehmer sich bestimmte Haltungen aneigneten, ja in diese
hineinwachsen würden. Zum einen sei dies eine positive Sicht des eigenen Tuns ,
ein selbstbewusstes Vertreten des eigenen Handelns: "Ich habe als Mediator eine
wichtige und gute Aufgabe in Konflikten." Zum zweiten das Akzeptieren der
Prämisse, dass die Konfliktparteien als autonome Subjekte ihres Handelns grund-
sätzlich befähigt seien, ihre Konflikte zu regeln. Häufig fehle es nur an Übung und
Gewohntsein. Zum dritten setzt er voraus, dass die Konfliktparteien stets noch über
Gemeinsamkeiten, gemeinsame Ressourcen verfügten, die im Setting der
Mediation aktiviert werden könnten. Eine solche internalisierte Grundhaltung müsse
im Verlauf einer längerfristigen Ausbildung ausgeformt und immer wieder getestet
werden.
All diese Haltungen liefen zusammen in einem Grundprinzip der Wertschätz-
ung und Respektierung der im Konflikt befindlichen Parteien, so schwer das im
einzelnen auch durchaus fallen mag (cf. etwa Täter-Opfer-Ausgleich). Wenn soziale
Distanz und Antihaltungen (zwischen Mediator und Klienten) eine solche generelle
Wertschätzung unterminierten, sollte im Einzelfall eine Mediationsnachfrage auch
abgelehnt werden. Ertappt sich ein Mediator häufig bei solchen Distanzierungen, so
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wird er wohl darüber nachdenken müssen, ob die Mediation das ihm angemessene
und opportune Verfahren der Konfliktvertretung ist.
Spannend und vielschichtig sind die Antworten auf die Frage, was denn ein Mediator
nun unbedingt können müsse. Die folgenden Qualifikationen werden prinzipiell als
erlernbar angesehen, ob nun in einer Ausbildung oder langfristig durch Praxis und
Supervision. Wir bringen im Folgenden eine Auswahl aus den vielfältigen Antworten.
Empathie :
Der Mediator muss sich in die Position der jeweiligen Partei einfühlen können.
Befähigung zum Perspektivenwechsel :
Beide Parteien und ihre Sichtweisen müssen in ihrer Berechtigung gesehen werden.
Der Mediator muss zwischen diesen Perspektiven hin und her pendeln können. Dies
fiele vor allem Juristen schwer, die es nicht gewohnt seien, eigene Urteile und
Bewertungen zurückzustellen.
Differenzierte Selbstwahrnehmung :
Der Mediator sollte sich über die eigenen Gefühle klar sein. Er sollte Distanz zu ihnen
haben, bewusst Parteinahmen registrieren und gegen sie angehen. Häufig wird hier
betont, dass gerade die Beschäftigung mit der eigenen Psyche, auch eigene
intensive (gruppen-) therapeutische Erfahrungen die Selbstwahrnehmung schärfen.
Eine solche Erfahrung bzw. auch Zusatzausbildung sei immer der Mediation
förderlich. In unserer Befragung hatten fast alle Mediatioren zumindest Ansätze einer
solchen Zusatzausbildung oder einschlägige passive Therapie-Erfahrungen.
Kontaktfähigkeit und Kontaktbereitschaft :
Der Mediator muss an sich gerne mit Menschen arbeiten und kontaktfähig sein.
Strukturierungs- und Artikulationsvermögen :
Dies wird von allen Befragten betont. Ein Vermittler muss gut zuhören können, er
muss dann Argumente und Optionen zusammenfassen, strukturieren und klar
wiedergeben können. Diese Leistung der Klärung und Verdeutlichung ist zentral für
die Mediation.
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Befähigung zur Abgrenzung :
Psychische Stabilität und das Vermögen sich abzugrenzen sind wesentliche
Anforderungen an den Vermittler. Der Mediator muss sich hüten vor einer versteck-
ten Parteinahme und subtilen Identifikation. Besonders deutlich machte uns dies eine
Mediatorin, die uns berichtete, dass sie in Scheidungsmediationen immer die
Tendenz verspürt, sich solidarisch mit den Frauen zu fühlen.
Konfliktbereitschaft :
Dies ist eine etwas ambivalent eingeschätzte Fähigkeit des Mediators. Er darf nicht
konfliktscheu sein. Er ist bereit, den Finger auf die Wunde zu legen, das nicht
Ausgesprochene, das Tabuisierte zu enthüllen und das Schwierige zu benennen. Er
muss also Verschiebungen des Konflikts aufdecken können. Dies kann dann
mitunter so wirken, als ob er den Streit erst provozieren wollte, und wird von den
Beteiligten nicht immer goutiert.
Kompetenz, Schieflagen und Probleme zu benennen :
Diese Qualität ist mit der zuvor genannten eng verzahnt. Der Mediator muss fähig
sein, „wunde Punkte“, den „Kern“ eines Konflikts zu diagnostizieren. Er muss den
enthüllenden und klärenden Satz formulieren können, der die maßgeblichen
Probleme der Konfliktparteien aufdeckt. Er muss die intuitive Sensibilität mitbringen,
versteckte Äußerungen, auch körpersprachliche Botschaften, zu erkennen und zu
verbalisieren. Der Mediator hat die Distanz zum Konflikt, die den Beteiligten abgeht.
Er sieht ihn von außen und sieht ihn so klarer.
Fingerspitzengefühl :
Diese Qualität lässt sich wohl am ehesten demonstrieren bei Konflikten, die
emotional aufgeladen sind. Der Vermittler wird hier stets in einem Dilemma stehen.
Zum einen muss er den Emotionen Raum geben, er muss ein Ventil schaffen,
nachfragen und aufarbeiten. Zum anderen wird er in dem ergebnisorientierten
Verfahren immer auch an die zukünftige Lösung denken. Hier die richtige Akzentu-
ierung zwischen Aufarbeitung (=Vergangenheitsbewältigung) und Lösung (= Zu-
kunftsorientierung) zu finden, ist sicher keine einfache Aufgabe. Sie bedarf eines
sicheren Gefühls für die Balance in der Mediation, für den rechtzeitigen Abbruch der
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Tiefenerforschung und den gezielten Einsatz von Verfahrensschritten, die
stimulierende Fortschritte und partielle Erfolge ermöglichen.
Über diese eigentlichen Qualifikationen hinaus sehen viele der Befragten spezifische
Anforderungen, die nicht wirklich gelehrt und vermittelt werden können, die aber
einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Mediation haben.
Identifikation mit der Tätigkeit :
Mediation wird von vielen Experten als eine Grundhaltung, als ein Stück Identität des
Konfliktlösers beschrieben. Mediation sei eine Identifikation, eine Art "Ich-Bildung".
Sie könne nicht bei Bedarf aktiviert werden. Deshalb wird auch allgemein davon
abgeraten, Mediation nebenbei, auf Abruf und Anfrage zu machen. Die
mediatorische Tätigkeit vertrüge keine Halbherzigkeiten, sie könne nicht wie ein
Hobby betrieben werden (s.o. Verinnerlichung).
Peer-Fähigkeit oder der "Stallgeruch" :
Der Vermittler muss in den Konstellationen des Konflikts von den Parteien als
ebenbürtig erfahren werden. Er muss die nötige fachliche Kompetenz, das nötige
Feldwissen und die menschliche Ausstrahlung und Verbindlichkeit besitzen, die auch
von den Streitparteien in ihrer Tätigkeit erwartet wird. So wird bei einer
Auseinandersetzung auf Entscheider-Ebene selten ein Mediator erfolgreich sein, der
noch keine wirkliche Führungsverantwortung erfahren hat. Auch bei Auseinander-
setzungen zwischen Unternehmen (z.B. über Schadensersatz oder Claims) wird der
Jurist oder der Fachmann mit "Stallgeruch" dem sachfremd wirkenden Psychologen
vorgezogen werden.
Alter und Reife :
Diese anthropologische Kategorie spielt eine zentrale Rolle für die Akzeptanz von
Mediatoren. Wie in Firmenseminaren ein kaum 30jähriger Trainer für Führung und
Management wohl selten angenommen wird, so erwartet man sich von einem
Mediator differenzierte und einschlägige Lebenserfahrung. Ein Mediator "sollte in
seiner Biographie genügend Anknüpfungspunkte (zur Konfliktsituation) haben, auf
die er auch zurückgreifen kann". Nur dann - mit der Fülle des gelebten und
erduldeten Lebens - kann wirklich Empathie für die Betroffenen gelingen. Fülle der
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Erfahrungen, Distanzierung und bewusste Verarbeitung sind Prämissen für eine gute
Mediation.
Wir haben dann negativ nachgefragt, wem man denn von der Tätigkeit des
Mediators abraten würde . Die Antworten produzieren die Kehrseite der schon
erwähnten positiven Voraussetzungen. Jenseits der Ausschlusskriterien "psychische
Instabilität" und "fehlende intellektuelle Kapazität" werden folgende Personengruppen
eher skeptisch betrachtet:
Personen
• mit unzulänglicher Persönlichkeitsentwicklung
• mit der Unfähigkeit, sich vom Konfliktgeschehen abzugrenzen
• mit geringem Artikulations- und Strukturierungsvermögen
• mit eingeschliffenen negativen Grundhaltungen zum Gegenüber u.a.
Interessant war hier vor allem eine Beobachtung und Bewertung, die große
Reserviertheit anzeigte gegenüber Personen mit lange währenden Erfahrungen mit
Weisungsbefugnis und Entscheidungsmacht . Oft seien dies Personen, die auch
durch die Mediation Einfluss gewinnen, gerne im Mittelpunkt stehen und sich selbst
darstellen wollten. Der Typus wird als Macher- und Entscheidertypus beschrieben,
der sich in der Mediation konträr zu seinem gewohnten Verhalten geben muss.
Häufig würden seine mediatorischen Defizite sichtbar gerade in relativ einfachen
kommunikativen Übungen wie dem aktiven Zuhören oder dem Zusammenfassen.
Auch untergründige Botschaften würden von ihm einfach nicht wahrgenommen und
beachtet.
Als ein weiterer guter Indikator für die wesentlichen Qualifikationen erschienen uns
auch die Antworten auf die Frage, was in den kritischen Situationen der Mediation
vom Mediator erwartet werden kann. Wir haben kritische Situationen die
Situationen im Prozess genannt, in denen der Mediator sich zur Gänze gefordert
fühlt, wo er Unbehagen und hohe Anspannung verspürt. Wir denken, dass gerade
die hier aktivierten Verhaltensanforderungen die zentralen Charakteristika einer
qualitativ guten Mediation sein müssten.
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Als kritische Situationen wurden im Wesentlichen aufgeführt:
• Abwehrhaltung und starke Reserviertheit von Teilnehmern gegenüber dem
Verfahren.
• Innere Neutralität und Allparteilichkeit kann nur schwer eingehalten werden. Der
Mediator fängt an, sich mit einer Partei zu identifizieren.
• Das Umgehen mit starken Erregungszuständen: Schmerz, Trauer, Existenz-
ängste, Wut und Rage.
• Tote Punkte: die Mediation stockt, sie geht nicht voran. Der Mediator fühlt sich
hilflos und weiß letztlich nicht weiter.
• Ungleichzeitigkeit: Eine Konfliktpartei steckt noch in der Aufarbeitung des
Vergangenen, während die andere schon eine adäquate Lösung für die Zukunft
entwickeln will.
• Teilnehmer wollen aussteigen und abbrechen, sind mit der Leistung des Mediators
unzufrieden.
• Bei Konflikten zwischen größeren Gruppen wird die Gruppendynamik, z.B.
Hierarchien und Fraktionen nicht wirklich transparent.
• Der Mediator tritt aufgrund unzureichender Informationen in ein "Fettnäpfchen"
und verschlechtert damit seine Akzeptanz.
• Zugangsproblematik: Der Mediator registriert, dass er an bestimmte
handlungsbestimmende Konfliktgegenstände nicht herankommt.
• In der Abschlusssituation kämpfen die Konfliktparteien um jede letzte Bastion,
nachdem sie sich zuvor in vielen schwierigen Punkten schon geeinigt haben.
Die Antworten auf die Nachfrage, wie man solche kritischen Situationen bewältigt,
sind z. T. doch sehr überraschend. Sie zeigen zum einen weitere Grundhaltungen
auf, die dem Mediationsprozess förderlich sind, zum anderen diplomatische oder
paradoxe Strategien, die den Mediationsteilnehmer zur Reflexion und zum Ausharren
verleiten sollen.
Bei markanten Abwehrhaltungen bittet der Mediator den Teilnehmer, seine Beden-
ken zu formulieren. "Was befürchten Sie denn, was hier passieren könnte?" Dieser
Teilnehmer wird nun zu einer Art Mitspieler, indem er gebeten wird, später immer
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dann zu intervenieren, wenn die Mediation in die Nähe der von ihm befürchteten
Tendenz kommt. So wird er eingebunden und möglicherweise positiv umgepolt.
Bei einer zu starken Identifikation mit einer Person oder Personengruppe versuch-
en Mediatoren ganz bewusst gegenzusteuern, der zunächst abgelehnten Gegen-
partei sogar genauer zuzuhören oder gar selbsttätig Argumente für ihre Position zu
finden.
Beim Umgang mit starken Erregungszuständen werden unterschiedliche Strategien
vorgeschlagen. Bei Trauer und Schmerz hilft oft schon das unterstützende Akzep-
tieren, das Zulassen und Gewähren, die Pause, in der Gefühle ausklingen können
und kontrollierbar werden. Oft hilft allein schon das Faktum, dass der Mediator
gelassen bleibt und nicht - wie erwartet und wie gewohnt - eskalierend und
aufbrausend reagiert. Auch eingeschobene Einzelsitzungen, die natürlich dann
beiden Parteien angeboten werden, bieten die Möglichkeit einer Vertiefung und
Konzentration auf den Einzelnen, die diesen befähigt, an der gemeinsamen
Konfliktlösung weiterzuarbeiten.
Bei verletzenden Ausfällen wird auf das Agreement, auf die Spielregeln verwiesen,
die zu Beginn der Sitzung einvernehmlich festgelegt wurden. Der Versachlichung
dient oft auch ein Realitätstest. "Was geschieht, wenn sie sich hier nicht
verständigen?" Ein Mediator schlägt bei lauten Auseinandersetzungen auch eine
paradoxe Strategie vor: "So wie Sie jetzt gerade miteinander umgehen, schlage ich
Ihnen eine Pause vor. Sonst laufen Sie Gefahr, mir ... DM pro Stunde zu bezahlen für
etwas, was Sie draußen zum Nulltarif haben bzw. haben können."
Stockt die Mediation, kommt sie an einen toten Punkt , so hilft es dem Mediator
paradoxerweise, die mit der Mediation doch subtil verbundene Suggestion von
Omnipotenz und Perfektion zu verlassen. Er fährt wohl besser, wenn er zugibt nicht
weiter zu wissen. Womöglich sei das Verfahren gescheitert, andere Lösungsstrate-
gien müssten nun durchdacht werden. Oft zeigt sich dann, dass gerade dieser
Selbstzweifel die Kombattanten motiviert. Gern haben sie zuvor den Mediator als
Ventil für den alten Streit und die bewährten Spiele benutzt.
Nicht immer müssen auch alle strittigen Punkte gelöst werden.
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Der Mediator sollte in seinem Lösungsanspruch zurückstecken können.
Bei Ungleichzeitigkeiten der Konfliktparteien kann der Vermittler an seine
Grenzen kommen. Das Verfahren als solches ist lösungs- und zukunftsorientiert.
Wenn therapeutische Bewältigungsmomente (auch nur bei einer Partei) überwiegen,
wird der Mediator besser damit fahren zurückzutreten, die Lösung aufzuschieben und
an andere Instanzen zu delegieren. Auch dabei löst er sich von selbst angemaßter
oder zugeschriebener Omnipotenz.
Auch die Abbruch- oder Ausstiegssituation stellt eine große Herausforderung dar.
Sie attackiert das professionelle Selbstbewusstsein und testet Grundeinstellungen.
Alle befragten Mediatoren raten hier zu Gelassenheit: die Mediation als solche muss
nicht gelingen. Diese Einstellung kann es dem Mediator ermöglichen, Haken und
Anker zu positionieren, die den Ausstiegswilligen an den Tisch der Verhandlung
zurückbringen können. Als Vorschläge wurden hier genannt:
• Den Ausstiegswilligen positive Kehrtwende selbst aufzeigen lassen. "Ich hätte
gerne noch gewusst, was ist Ihr Grund auszusteigen? Was müsste ich tun, damit
Sie nicht gehen?"
• Einen Anruf am nächsten Tag anbieten - auch mit dem Vorwand, bürokratische
Dinge wie z.B. die Honorarfrage noch klären zu müssen.
• Oder ihn (bzw. sie) zurück an den Tisch bitten, um noch banale Dinge zu klären.
So hat er die Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust in die Verhandlung
zurückzukehren.
• Um einen kurzen Aufschub bitten. Manchmal ist es für den Mediator wichtig sich
selbst klar zu werden, wie ernst es dem Ausstiegswilligen wirklich ist oder ob nicht
auch erpresserische Finten ins Spiel kommen.
• Auf die situativen Alternativen verweisen: "Haben Sie sich genau überlegt, was Sie
machen werden, wenn wir die Mediation hier abbrechen? (Realitätstest).
• Auf die Fortschritte und das bisher Vorangebrachte hinweisen und betonen, wie
schade es wäre, gerade zu diesem Zeitpunkt abzubrechen.
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Bei der Schwierigkeit, mit größeren Gruppen als Konfliktparteien (die oft nur durch
Repräsentanten vertreten werden) umzugehen, deren Dynamik und organisatorische
Verflechtung schwer zu durchschauen ist, hilft ebenfalls ein Abrücken von eigenen
Perfektionsanforderungen. Entweder weitet der Mediator die Situationsanalyse als
Bestandteil der Mediation aus und gewinnt mit Moderationstechniken ein genaueres
Bild der Gruppen und deren interner Verflechtung oder er lässt sich unterstützen von
einem möglichst neutralen internen Mitarbeiter. Dies gilt sicher auch dann, wenn der
Mediator das Gefühl hat, sich in einem betrieblichen Minenfeld zu bewegen. Auch
hier wird er Unterstützung und assistierende Hinweise akzeptieren.
Im Umgang mit schwer verbalisierbaren Konfliktgegenständen muss es der
Vermittler lernen, Momente des Schweigens, des Innehaltens, der Lähmung auszu-
halten und nicht zu schnell der Neigung nachzugeben, den Prozess zu lenken und
voranzutreiben. Erst diese Geduld, eine defensiv-ruhige Haltung und das geeignete
aufschließende Wort fördern die besetzten und schwierigen Felder des Konflikts
zutage.
Wird - wie oft - zum Schluss einer Mediation noch um letzte Bastionen gefeilscht,
als gelte es zuguterletzt noch einen Verhandlungsgewinn zu erzielen, während man
bei anderen wichtigeren Punkten schon genügend Konzessionen gemacht hat, so ist
es sinnvoll, den Akteuren vor Augen zu führen, welch langen Weg sie schon
zurückgelegt haben und sie damit zu stimulieren, die letzte Hürde auch noch zu
nehmen. Auch ein Abbruch ist zu diesem Zeitpunkt akzeptabler - sind doch schon so
viele Fortschritte in den Sachfragen und in der Bereitschaft zur Verhandlung erzielt,
dass damit nachfolgende juristische Auseinandersetzungen beschleunigt werden.
Man sieht aus dieser Darstellung von Verhaltensstrategien in kritischen Situationen,
dass die wirklichen Leistungen des Mediators oft etwas Unwägbares beinhalten:
Offenheit und Optimismus, das Abrücken vom Omnipotenzanspruch, paradoxe
Interventionen, die die Akteure in ihrem Verhalten innehalten lassen. Dazu gehört
auch der Realitätstest und die Frage nach den Alternativen sowie Geduld, genaue
Wahrnehmung und nachhaltige Beobachtung. Dies sind natürlich alles Qualitäten,
die dem Vermittler selten als Talent mitgegeben worden sind, die nur in der
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Erfahrung und in der Praxis gelernt werden und reifen können. Natürlich verweist
dies auch auf die Bedeutung einer intensiven begleiteten Erprobungsphase.
Welche zusätzlichen Qualifikationsanforderungen werden nun für den Wirt -
schaftsmediator genannt?
Besonders wichtig scheint hier die Vertrautheit mit dem Feld zu sein. Die Experten
raten fast immer davon ab, dass etwa ein erfolgreicher Familien- und Scheidungs-
mediator sich nun auch wirtschaftlichen Konflikten zuwendet und meint, er könne
problemlos ins inner- oder gar zwischenbetriebliche Feld überwechseln. Der Mediator
wird in den Betrieben nur akzeptiert werden, wenn er ein gutes Feldwissen aufweist.
Er muss also genaue arbeitsrechtliche Kenntnisse haben, Abläufe und Verfahren der
betrieblichen Mitbestimmung, insbesondere die Gestaltung von Betriebsvereinbar-
ungen kennen. Zudem wird er einen Einblick in organisatorische Abläufe, in
Betriebsstrukturen, Hierarchien und Zuständigkeiten sowie in die spezifischen
Charakteristika einer Unternehmenskultur benötigen. Kann der Mediator das Gefühl
vermitteln, "der kennt sich hier aus", wird er am ehesten Akzeptanz erfahren. Diese
Vertrautheit reicht oft bis hin zur Verwendung betriebsspezifischer Termini und
Abkürzungen.
Es gibt hier allerdings auch sehr stark abweichende Meinungen. Ein Mediator betont
ausdrücklich, dass er vom Betrieb geholt werde wegen seiner Vermittlungs- und
kommunikativen Kompetenz, nicht wegen der genauen Kenntnis betrieblicher
Spezifika. Er bittet deshalb in dem Gespräch zur Auftragsklärung die Gesprächs-
partner um die wesentlichen Informationen zum Betrieb. Für ihn ist Feldwissen nur in
dem Umfang interessant, wie es benötigt wird, damit die eigentlich mediatorische
Stärke - die Optimierung der Kommunikation - greifen kann.
In der Mediation zwischen Unternehmen (z. B. bei Versicherungsstreitigkeiten, bei
Auseinandersetzungen zwischen Software-Häusern und Bauunternehmen, bei
Problemen zwischen Gesellschaften und beim Claim-Management im Anlagenbau)
sind juristische Detailkenntnisse von Nöten. Der Mediator wird hier oft Sachver-
ständige für Gutachten bestimmen und mitunter auch als Schlichter agieren.“