FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

12
Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA 1 Haltung oder Ethos des Mediators Bei einer Mediation ist die Haltung des Mediators sehr wichtig. Um beiden Konfliktparteien gerecht zu werden, muss der Mediator die Haltung der Unparteilichkeit einnehmen. Das bedeutet, dass der Mediator keine der Konfliktparteien bevorzugen darf. Er muss in der Lage sein, seine Überzeugungen und Wertvorstellungen in der Mediation zurückzustellen, damit die Beteiligten ihre eigene Lösung des Konflikts finden können. 1 Der Mediator muss allen Konfliktparteien vorurteilsfrei begegnen. Er darf im Konfliktfall nicht Partei für eine Seite ergreifen. Nicht nur das angelernte Wissen über den Umgang mit den „Tools“, dem Handwerkszeug macht den Mediators aus, sondern auch seine Haltung und seine Persönlichkeit. Das gilt vor allem auch für die Moral oder einfach die richtige Einstellung und Haltung des Mediators. 2 Um eine solche, jeweils für sich richtige Einstellung zu gewinnen, sollte jeder Mediator sein eigenes menschenfreundliches positives Weltbild entwickeln und daran ständig weiter arbeiten. Manche Dinge kann man allerdings schwer erlernen. Dieses Weltbild sollte der Mediators auch im Spannungsfeld eigener innerer und äußerer Konflikte aufrechterhalten. Dies dient der Qualitätssicherung in der Mediation und bietet beispielsweise auch eine Hilfestellung für den Umgang mit dem Scheitern einer Mediation. 1 Vgl. Walsdorff, Die Haltung des Mediators, Kinder, URL: http://www.experto.de/familie/kinder/- mediation-die-haltung-des-mediators.html (28.06.2015) 2 Vgl. BMWA, http://www.bmwa-deutschland.de/index.php/indirection/termin/termin_id/5835/parame- ter/YTozOntzOjE1OiJzZWl0ZW5fcGVyX3RlaWwiO2k6MTA7czoxMjoiZmlsdGVyX21vbmF0IjtzOjI6Ij- EwIjtzOjE6ImEiO3M6MToiYiI7fQ%3D%3D (28.06.2015)

Transcript of FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Page 1: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

1

Haltung oder Ethos des Mediators

Bei einer Mediation ist die Haltung des Mediators sehr wichtig.

Um beiden Konfliktparteien gerecht zu werden, muss der Mediator die Haltung der

Unparteilichkeit einnehmen. Das bedeutet, dass der Mediator keine der

Konfliktparteien bevorzugen darf. Er muss in der Lage sein, seine Überzeugungen

und Wertvorstellungen in der Mediation zurückzustellen, damit die Beteiligten ihre

eigene Lösung des Konflikts finden können.1

Der Mediator muss allen Konfliktparteien vorurteilsfrei begegnen.

Er darf im Konfliktfall nicht Partei für eine Seite ergreifen.

Nicht nur das angelernte Wissen über den Umgang mit den „Tools“, dem

Handwerkszeug macht den Mediators aus, sondern auch seine Haltung und seine

Persönlichkeit. Das gilt vor allem auch für die Moral oder einfach die richtige

Einstellung und Haltung des Mediators.2

Um eine solche, jeweils für sich richtige Einstellung zu gewinnen, sollte jeder

Mediator sein eigenes menschenfreundliches positives Weltbild entwickeln und daran

ständig weiter arbeiten. Manche Dinge kann man allerdings schwer erlernen.

Dieses Weltbild sollte der Mediators auch im Spannungsfeld eigener innerer und

äußerer Konflikte aufrechterhalten.

Dies dient der Qualitätssicherung in der Mediation und bietet beispielsweise auch

eine Hilfestellung für den Umgang mit dem Scheitern einer Mediation.

1 Vgl. Walsdorff, Die Haltung des Mediators, Kinder, URL: http://www.experto.de/familie/kinder/-mediation-die-haltung-des-mediators.html (28.06.2015) 2 Vgl. BMWA, http://www.bmwa-deutschland.de/index.php/indirection/termin/termin_id/5835/parame-ter/YTozOntzOjE1OiJzZWl0ZW5fcGVyX3RlaWwiO2k6MTA7czoxMjoiZmlsdGVyX21vbmF0IjtzOjI6Ij-EwIjtzOjE6ImEiO3M6MToiYiI7fQ%3D%3D (28.06.2015)

Page 2: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

2

Über die Qualifikation des Mediators, seine Haltung und sein Ethos

(Ergebnisse einer Analyse des Forums Business Mediation,

URL: http://www.wirtschafts-mediation.info/projekt/ger/erg/brd/qualifi.htm)

„Die Qualifikationen des Mediators

Fragt man ganz allgemein nach den Qualifikationen eines Mediators oder

nach Elementen eines Qualifikationskonzepts , so erhält man eine vertraute und

oft identische Liste von Kenntnissen und Fertigkeiten, die in einer Ausbildung

möglichst erfahrungsnah vermittelt werden sollten. Diese enthalten in der Regel

einige Basis- Axiome wie etwa, dass Konflikte eine Normalität und eine Chance

seien, dass sie von den Konfliktparteien autonom gelöst werden können mit Hilfe

eines unabhängigen Dritten und eines dafür besonders geeigneten Settings, das

Vertrauen und Offenheit produziert. In die Qualifikationskonzepte fließt dann die

Vermittlung dieses Settings und damit der für die Mediation typischen

Verfahrensschritte ein. Strukturen und Grundtechniken wie etwa das Harvard-

Konzept sollen hier angeboten werden.

Zusätzlich bedarf es detaillierter Kenntnisse der Soziologie und Psychologie von

Konflikten und der Kommunikationspsychologie (mit all ihren klärenden, interpreta-

tiven und deeskalierenden Elementen). Relevant sind daneben das strategische und

taktische Vorgehen des Mediators, was wir als seine diplomatische Befähigung

bezeichnen möchten. Additiv kommen hinzu die spezifischen rechtlichen Vorgaben -

im Falle der Wirtschaftsmediation also Fixierungen des Arbeitsrechts, der betrieb-

lichen Mitbestimmung und andere wirtschaftsrechtliche Bestimmungen. Auf einen

Gegenstandskatalog scheint man sich also relativ schnell einigen zu können.

Unterschiedliche Modelle gibt es im Bezug auf die Dauer einer Aus- und Fortbildung,

die Verschränkung der theoretischen Phasen und der praktischen Erprobung, den

(frühen oder verzögerten) Einstieg in die Praxis und die Art und Weise der

Supervision.

Page 3: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

3

Ergiebiger als die Nachfrage nach den Inhalten eines Qualifikationskonzepts, über

die doch weitgehende Einigkeit besteht (wenn man zunächst nur die thematischen

Schwerpunkte betrachtet), erschien uns die Frage, was denn nun eigentlich den

guten Mediator ausmache, was ihn auszeichne .

Eine erste Antwort bezieht sich hier auf bestimmte Grundhaltungen oder

Einstellungen , die der Mediator verinnerlicht haben sollte. Ein Mediator betont vor

allem die Grundprinzipien der Allparteilichkeit oder Neutralitä t, das Faktum der

fehlenden Entscheidungsbefugnis , die zu einer sich zurücknehmenden und

assistierenden Haltung führen müsse, und das Prinzip der Vertraulichkeit, welche

ohne die Zustimmung der Parteien nicht aufgegeben werden kann. Ein anderer

betont, dass die mediative Haltung ein Teil der Persönlichkeitsstruktur werden

müsse. Mediatoren überzeugen als Personen dann, wenn sie die Mediation "auch

leben". So sei es ihm in der von ihm organisierten Fortbildung besonders wichtig,

dass die Teilnehmer sich bestimmte Haltungen aneigneten, ja in diese

hineinwachsen würden. Zum einen sei dies eine positive Sicht des eigenen Tuns ,

ein selbstbewusstes Vertreten des eigenen Handelns: "Ich habe als Mediator eine

wichtige und gute Aufgabe in Konflikten." Zum zweiten das Akzeptieren der

Prämisse, dass die Konfliktparteien als autonome Subjekte ihres Handelns grund-

sätzlich befähigt seien, ihre Konflikte zu regeln. Häufig fehle es nur an Übung und

Gewohntsein. Zum dritten setzt er voraus, dass die Konfliktparteien stets noch über

Gemeinsamkeiten, gemeinsame Ressourcen verfügten, die im Setting der

Mediation aktiviert werden könnten. Eine solche internalisierte Grundhaltung müsse

im Verlauf einer längerfristigen Ausbildung ausgeformt und immer wieder getestet

werden.

All diese Haltungen liefen zusammen in einem Grundprinzip der Wertschätz-

ung und Respektierung der im Konflikt befindlichen Parteien, so schwer das im

einzelnen auch durchaus fallen mag (cf. etwa Täter-Opfer-Ausgleich). Wenn soziale

Distanz und Antihaltungen (zwischen Mediator und Klienten) eine solche generelle

Wertschätzung unterminierten, sollte im Einzelfall eine Mediationsnachfrage auch

abgelehnt werden. Ertappt sich ein Mediator häufig bei solchen Distanzierungen, so

Page 4: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

4

wird er wohl darüber nachdenken müssen, ob die Mediation das ihm angemessene

und opportune Verfahren der Konfliktvertretung ist.

Spannend und vielschichtig sind die Antworten auf die Frage, was denn ein Mediator

nun unbedingt können müsse. Die folgenden Qualifikationen werden prinzipiell als

erlernbar angesehen, ob nun in einer Ausbildung oder langfristig durch Praxis und

Supervision. Wir bringen im Folgenden eine Auswahl aus den vielfältigen Antworten.

Empathie :

Der Mediator muss sich in die Position der jeweiligen Partei einfühlen können.

Befähigung zum Perspektivenwechsel :

Beide Parteien und ihre Sichtweisen müssen in ihrer Berechtigung gesehen werden.

Der Mediator muss zwischen diesen Perspektiven hin und her pendeln können. Dies

fiele vor allem Juristen schwer, die es nicht gewohnt seien, eigene Urteile und

Bewertungen zurückzustellen.

Differenzierte Selbstwahrnehmung :

Der Mediator sollte sich über die eigenen Gefühle klar sein. Er sollte Distanz zu ihnen

haben, bewusst Parteinahmen registrieren und gegen sie angehen. Häufig wird hier

betont, dass gerade die Beschäftigung mit der eigenen Psyche, auch eigene

intensive (gruppen-) therapeutische Erfahrungen die Selbstwahrnehmung schärfen.

Eine solche Erfahrung bzw. auch Zusatzausbildung sei immer der Mediation

förderlich. In unserer Befragung hatten fast alle Mediatioren zumindest Ansätze einer

solchen Zusatzausbildung oder einschlägige passive Therapie-Erfahrungen.

Kontaktfähigkeit und Kontaktbereitschaft :

Der Mediator muss an sich gerne mit Menschen arbeiten und kontaktfähig sein.

Strukturierungs- und Artikulationsvermögen :

Dies wird von allen Befragten betont. Ein Vermittler muss gut zuhören können, er

muss dann Argumente und Optionen zusammenfassen, strukturieren und klar

wiedergeben können. Diese Leistung der Klärung und Verdeutlichung ist zentral für

die Mediation.

Page 5: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

5

Befähigung zur Abgrenzung :

Psychische Stabilität und das Vermögen sich abzugrenzen sind wesentliche

Anforderungen an den Vermittler. Der Mediator muss sich hüten vor einer versteck-

ten Parteinahme und subtilen Identifikation. Besonders deutlich machte uns dies eine

Mediatorin, die uns berichtete, dass sie in Scheidungsmediationen immer die

Tendenz verspürt, sich solidarisch mit den Frauen zu fühlen.

Konfliktbereitschaft :

Dies ist eine etwas ambivalent eingeschätzte Fähigkeit des Mediators. Er darf nicht

konfliktscheu sein. Er ist bereit, den Finger auf die Wunde zu legen, das nicht

Ausgesprochene, das Tabuisierte zu enthüllen und das Schwierige zu benennen. Er

muss also Verschiebungen des Konflikts aufdecken können. Dies kann dann

mitunter so wirken, als ob er den Streit erst provozieren wollte, und wird von den

Beteiligten nicht immer goutiert.

Kompetenz, Schieflagen und Probleme zu benennen :

Diese Qualität ist mit der zuvor genannten eng verzahnt. Der Mediator muss fähig

sein, „wunde Punkte“, den „Kern“ eines Konflikts zu diagnostizieren. Er muss den

enthüllenden und klärenden Satz formulieren können, der die maßgeblichen

Probleme der Konfliktparteien aufdeckt. Er muss die intuitive Sensibilität mitbringen,

versteckte Äußerungen, auch körpersprachliche Botschaften, zu erkennen und zu

verbalisieren. Der Mediator hat die Distanz zum Konflikt, die den Beteiligten abgeht.

Er sieht ihn von außen und sieht ihn so klarer.

Fingerspitzengefühl :

Diese Qualität lässt sich wohl am ehesten demonstrieren bei Konflikten, die

emotional aufgeladen sind. Der Vermittler wird hier stets in einem Dilemma stehen.

Zum einen muss er den Emotionen Raum geben, er muss ein Ventil schaffen,

nachfragen und aufarbeiten. Zum anderen wird er in dem ergebnisorientierten

Verfahren immer auch an die zukünftige Lösung denken. Hier die richtige Akzentu-

ierung zwischen Aufarbeitung (=Vergangenheitsbewältigung) und Lösung (= Zu-

kunftsorientierung) zu finden, ist sicher keine einfache Aufgabe. Sie bedarf eines

sicheren Gefühls für die Balance in der Mediation, für den rechtzeitigen Abbruch der

Page 6: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

6

Tiefenerforschung und den gezielten Einsatz von Verfahrensschritten, die

stimulierende Fortschritte und partielle Erfolge ermöglichen.

Über diese eigentlichen Qualifikationen hinaus sehen viele der Befragten spezifische

Anforderungen, die nicht wirklich gelehrt und vermittelt werden können, die aber

einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Mediation haben.

Identifikation mit der Tätigkeit :

Mediation wird von vielen Experten als eine Grundhaltung, als ein Stück Identität des

Konfliktlösers beschrieben. Mediation sei eine Identifikation, eine Art "Ich-Bildung".

Sie könne nicht bei Bedarf aktiviert werden. Deshalb wird auch allgemein davon

abgeraten, Mediation nebenbei, auf Abruf und Anfrage zu machen. Die

mediatorische Tätigkeit vertrüge keine Halbherzigkeiten, sie könne nicht wie ein

Hobby betrieben werden (s.o. Verinnerlichung).

Peer-Fähigkeit oder der "Stallgeruch" :

Der Vermittler muss in den Konstellationen des Konflikts von den Parteien als

ebenbürtig erfahren werden. Er muss die nötige fachliche Kompetenz, das nötige

Feldwissen und die menschliche Ausstrahlung und Verbindlichkeit besitzen, die auch

von den Streitparteien in ihrer Tätigkeit erwartet wird. So wird bei einer

Auseinandersetzung auf Entscheider-Ebene selten ein Mediator erfolgreich sein, der

noch keine wirkliche Führungsverantwortung erfahren hat. Auch bei Auseinander-

setzungen zwischen Unternehmen (z.B. über Schadensersatz oder Claims) wird der

Jurist oder der Fachmann mit "Stallgeruch" dem sachfremd wirkenden Psychologen

vorgezogen werden.

Alter und Reife :

Diese anthropologische Kategorie spielt eine zentrale Rolle für die Akzeptanz von

Mediatoren. Wie in Firmenseminaren ein kaum 30jähriger Trainer für Führung und

Management wohl selten angenommen wird, so erwartet man sich von einem

Mediator differenzierte und einschlägige Lebenserfahrung. Ein Mediator "sollte in

seiner Biographie genügend Anknüpfungspunkte (zur Konfliktsituation) haben, auf

die er auch zurückgreifen kann". Nur dann - mit der Fülle des gelebten und

erduldeten Lebens - kann wirklich Empathie für die Betroffenen gelingen. Fülle der

Page 7: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

7

Erfahrungen, Distanzierung und bewusste Verarbeitung sind Prämissen für eine gute

Mediation.

Wir haben dann negativ nachgefragt, wem man denn von der Tätigkeit des

Mediators abraten würde . Die Antworten produzieren die Kehrseite der schon

erwähnten positiven Voraussetzungen. Jenseits der Ausschlusskriterien "psychische

Instabilität" und "fehlende intellektuelle Kapazität" werden folgende Personengruppen

eher skeptisch betrachtet:

Personen

• mit unzulänglicher Persönlichkeitsentwicklung

• mit der Unfähigkeit, sich vom Konfliktgeschehen abzugrenzen

• mit geringem Artikulations- und Strukturierungsvermögen

• mit eingeschliffenen negativen Grundhaltungen zum Gegenüber u.a.

Interessant war hier vor allem eine Beobachtung und Bewertung, die große

Reserviertheit anzeigte gegenüber Personen mit lange währenden Erfahrungen mit

Weisungsbefugnis und Entscheidungsmacht . Oft seien dies Personen, die auch

durch die Mediation Einfluss gewinnen, gerne im Mittelpunkt stehen und sich selbst

darstellen wollten. Der Typus wird als Macher- und Entscheidertypus beschrieben,

der sich in der Mediation konträr zu seinem gewohnten Verhalten geben muss.

Häufig würden seine mediatorischen Defizite sichtbar gerade in relativ einfachen

kommunikativen Übungen wie dem aktiven Zuhören oder dem Zusammenfassen.

Auch untergründige Botschaften würden von ihm einfach nicht wahrgenommen und

beachtet.

Als ein weiterer guter Indikator für die wesentlichen Qualifikationen erschienen uns

auch die Antworten auf die Frage, was in den kritischen Situationen der Mediation

vom Mediator erwartet werden kann. Wir haben kritische Situationen die

Situationen im Prozess genannt, in denen der Mediator sich zur Gänze gefordert

fühlt, wo er Unbehagen und hohe Anspannung verspürt. Wir denken, dass gerade

die hier aktivierten Verhaltensanforderungen die zentralen Charakteristika einer

qualitativ guten Mediation sein müssten.

Page 8: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

8

Als kritische Situationen wurden im Wesentlichen aufgeführt:

• Abwehrhaltung und starke Reserviertheit von Teilnehmern gegenüber dem

Verfahren.

• Innere Neutralität und Allparteilichkeit kann nur schwer eingehalten werden. Der

Mediator fängt an, sich mit einer Partei zu identifizieren.

• Das Umgehen mit starken Erregungszuständen: Schmerz, Trauer, Existenz-

ängste, Wut und Rage.

• Tote Punkte: die Mediation stockt, sie geht nicht voran. Der Mediator fühlt sich

hilflos und weiß letztlich nicht weiter.

• Ungleichzeitigkeit: Eine Konfliktpartei steckt noch in der Aufarbeitung des

Vergangenen, während die andere schon eine adäquate Lösung für die Zukunft

entwickeln will.

• Teilnehmer wollen aussteigen und abbrechen, sind mit der Leistung des Mediators

unzufrieden.

• Bei Konflikten zwischen größeren Gruppen wird die Gruppendynamik, z.B.

Hierarchien und Fraktionen nicht wirklich transparent.

• Der Mediator tritt aufgrund unzureichender Informationen in ein "Fettnäpfchen"

und verschlechtert damit seine Akzeptanz.

• Zugangsproblematik: Der Mediator registriert, dass er an bestimmte

handlungsbestimmende Konfliktgegenstände nicht herankommt.

• In der Abschlusssituation kämpfen die Konfliktparteien um jede letzte Bastion,

nachdem sie sich zuvor in vielen schwierigen Punkten schon geeinigt haben.

Die Antworten auf die Nachfrage, wie man solche kritischen Situationen bewältigt,

sind z. T. doch sehr überraschend. Sie zeigen zum einen weitere Grundhaltungen

auf, die dem Mediationsprozess förderlich sind, zum anderen diplomatische oder

paradoxe Strategien, die den Mediationsteilnehmer zur Reflexion und zum Ausharren

verleiten sollen.

Bei markanten Abwehrhaltungen bittet der Mediator den Teilnehmer, seine Beden-

ken zu formulieren. "Was befürchten Sie denn, was hier passieren könnte?" Dieser

Teilnehmer wird nun zu einer Art Mitspieler, indem er gebeten wird, später immer

Page 9: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

9

dann zu intervenieren, wenn die Mediation in die Nähe der von ihm befürchteten

Tendenz kommt. So wird er eingebunden und möglicherweise positiv umgepolt.

Bei einer zu starken Identifikation mit einer Person oder Personengruppe versuch-

en Mediatoren ganz bewusst gegenzusteuern, der zunächst abgelehnten Gegen-

partei sogar genauer zuzuhören oder gar selbsttätig Argumente für ihre Position zu

finden.

Beim Umgang mit starken Erregungszuständen werden unterschiedliche Strategien

vorgeschlagen. Bei Trauer und Schmerz hilft oft schon das unterstützende Akzep-

tieren, das Zulassen und Gewähren, die Pause, in der Gefühle ausklingen können

und kontrollierbar werden. Oft hilft allein schon das Faktum, dass der Mediator

gelassen bleibt und nicht - wie erwartet und wie gewohnt - eskalierend und

aufbrausend reagiert. Auch eingeschobene Einzelsitzungen, die natürlich dann

beiden Parteien angeboten werden, bieten die Möglichkeit einer Vertiefung und

Konzentration auf den Einzelnen, die diesen befähigt, an der gemeinsamen

Konfliktlösung weiterzuarbeiten.

Bei verletzenden Ausfällen wird auf das Agreement, auf die Spielregeln verwiesen,

die zu Beginn der Sitzung einvernehmlich festgelegt wurden. Der Versachlichung

dient oft auch ein Realitätstest. "Was geschieht, wenn sie sich hier nicht

verständigen?" Ein Mediator schlägt bei lauten Auseinandersetzungen auch eine

paradoxe Strategie vor: "So wie Sie jetzt gerade miteinander umgehen, schlage ich

Ihnen eine Pause vor. Sonst laufen Sie Gefahr, mir ... DM pro Stunde zu bezahlen für

etwas, was Sie draußen zum Nulltarif haben bzw. haben können."

Stockt die Mediation, kommt sie an einen toten Punkt , so hilft es dem Mediator

paradoxerweise, die mit der Mediation doch subtil verbundene Suggestion von

Omnipotenz und Perfektion zu verlassen. Er fährt wohl besser, wenn er zugibt nicht

weiter zu wissen. Womöglich sei das Verfahren gescheitert, andere Lösungsstrate-

gien müssten nun durchdacht werden. Oft zeigt sich dann, dass gerade dieser

Selbstzweifel die Kombattanten motiviert. Gern haben sie zuvor den Mediator als

Ventil für den alten Streit und die bewährten Spiele benutzt.

Nicht immer müssen auch alle strittigen Punkte gelöst werden.

Page 10: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

10

Der Mediator sollte in seinem Lösungsanspruch zurückstecken können.

Bei Ungleichzeitigkeiten der Konfliktparteien kann der Vermittler an seine

Grenzen kommen. Das Verfahren als solches ist lösungs- und zukunftsorientiert.

Wenn therapeutische Bewältigungsmomente (auch nur bei einer Partei) überwiegen,

wird der Mediator besser damit fahren zurückzutreten, die Lösung aufzuschieben und

an andere Instanzen zu delegieren. Auch dabei löst er sich von selbst angemaßter

oder zugeschriebener Omnipotenz.

Auch die Abbruch- oder Ausstiegssituation stellt eine große Herausforderung dar.

Sie attackiert das professionelle Selbstbewusstsein und testet Grundeinstellungen.

Alle befragten Mediatoren raten hier zu Gelassenheit: die Mediation als solche muss

nicht gelingen. Diese Einstellung kann es dem Mediator ermöglichen, Haken und

Anker zu positionieren, die den Ausstiegswilligen an den Tisch der Verhandlung

zurückbringen können. Als Vorschläge wurden hier genannt:

• Den Ausstiegswilligen positive Kehrtwende selbst aufzeigen lassen. "Ich hätte

gerne noch gewusst, was ist Ihr Grund auszusteigen? Was müsste ich tun, damit

Sie nicht gehen?"

• Einen Anruf am nächsten Tag anbieten - auch mit dem Vorwand, bürokratische

Dinge wie z.B. die Honorarfrage noch klären zu müssen.

• Oder ihn (bzw. sie) zurück an den Tisch bitten, um noch banale Dinge zu klären.

So hat er die Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust in die Verhandlung

zurückzukehren.

• Um einen kurzen Aufschub bitten. Manchmal ist es für den Mediator wichtig sich

selbst klar zu werden, wie ernst es dem Ausstiegswilligen wirklich ist oder ob nicht

auch erpresserische Finten ins Spiel kommen.

• Auf die situativen Alternativen verweisen: "Haben Sie sich genau überlegt, was Sie

machen werden, wenn wir die Mediation hier abbrechen? (Realitätstest).

• Auf die Fortschritte und das bisher Vorangebrachte hinweisen und betonen, wie

schade es wäre, gerade zu diesem Zeitpunkt abzubrechen.

Page 11: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

11

Bei der Schwierigkeit, mit größeren Gruppen als Konfliktparteien (die oft nur durch

Repräsentanten vertreten werden) umzugehen, deren Dynamik und organisatorische

Verflechtung schwer zu durchschauen ist, hilft ebenfalls ein Abrücken von eigenen

Perfektionsanforderungen. Entweder weitet der Mediator die Situationsanalyse als

Bestandteil der Mediation aus und gewinnt mit Moderationstechniken ein genaueres

Bild der Gruppen und deren interner Verflechtung oder er lässt sich unterstützen von

einem möglichst neutralen internen Mitarbeiter. Dies gilt sicher auch dann, wenn der

Mediator das Gefühl hat, sich in einem betrieblichen Minenfeld zu bewegen. Auch

hier wird er Unterstützung und assistierende Hinweise akzeptieren.

Im Umgang mit schwer verbalisierbaren Konfliktgegenständen muss es der

Vermittler lernen, Momente des Schweigens, des Innehaltens, der Lähmung auszu-

halten und nicht zu schnell der Neigung nachzugeben, den Prozess zu lenken und

voranzutreiben. Erst diese Geduld, eine defensiv-ruhige Haltung und das geeignete

aufschließende Wort fördern die besetzten und schwierigen Felder des Konflikts

zutage.

Wird - wie oft - zum Schluss einer Mediation noch um letzte Bastionen gefeilscht,

als gelte es zuguterletzt noch einen Verhandlungsgewinn zu erzielen, während man

bei anderen wichtigeren Punkten schon genügend Konzessionen gemacht hat, so ist

es sinnvoll, den Akteuren vor Augen zu führen, welch langen Weg sie schon

zurückgelegt haben und sie damit zu stimulieren, die letzte Hürde auch noch zu

nehmen. Auch ein Abbruch ist zu diesem Zeitpunkt akzeptabler - sind doch schon so

viele Fortschritte in den Sachfragen und in der Bereitschaft zur Verhandlung erzielt,

dass damit nachfolgende juristische Auseinandersetzungen beschleunigt werden.

Man sieht aus dieser Darstellung von Verhaltensstrategien in kritischen Situationen,

dass die wirklichen Leistungen des Mediators oft etwas Unwägbares beinhalten:

Offenheit und Optimismus, das Abrücken vom Omnipotenzanspruch, paradoxe

Interventionen, die die Akteure in ihrem Verhalten innehalten lassen. Dazu gehört

auch der Realitätstest und die Frage nach den Alternativen sowie Geduld, genaue

Wahrnehmung und nachhaltige Beobachtung. Dies sind natürlich alles Qualitäten,

die dem Vermittler selten als Talent mitgegeben worden sind, die nur in der

Page 12: FOM Mediation: Haltung oder Ethos des Mediators (und Qualifikation des Mediators)

Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

12

Erfahrung und in der Praxis gelernt werden und reifen können. Natürlich verweist

dies auch auf die Bedeutung einer intensiven begleiteten Erprobungsphase.

Welche zusätzlichen Qualifikationsanforderungen werden nun für den Wirt -

schaftsmediator genannt?

Besonders wichtig scheint hier die Vertrautheit mit dem Feld zu sein. Die Experten

raten fast immer davon ab, dass etwa ein erfolgreicher Familien- und Scheidungs-

mediator sich nun auch wirtschaftlichen Konflikten zuwendet und meint, er könne

problemlos ins inner- oder gar zwischenbetriebliche Feld überwechseln. Der Mediator

wird in den Betrieben nur akzeptiert werden, wenn er ein gutes Feldwissen aufweist.

Er muss also genaue arbeitsrechtliche Kenntnisse haben, Abläufe und Verfahren der

betrieblichen Mitbestimmung, insbesondere die Gestaltung von Betriebsvereinbar-

ungen kennen. Zudem wird er einen Einblick in organisatorische Abläufe, in

Betriebsstrukturen, Hierarchien und Zuständigkeiten sowie in die spezifischen

Charakteristika einer Unternehmenskultur benötigen. Kann der Mediator das Gefühl

vermitteln, "der kennt sich hier aus", wird er am ehesten Akzeptanz erfahren. Diese

Vertrautheit reicht oft bis hin zur Verwendung betriebsspezifischer Termini und

Abkürzungen.

Es gibt hier allerdings auch sehr stark abweichende Meinungen. Ein Mediator betont

ausdrücklich, dass er vom Betrieb geholt werde wegen seiner Vermittlungs- und

kommunikativen Kompetenz, nicht wegen der genauen Kenntnis betrieblicher

Spezifika. Er bittet deshalb in dem Gespräch zur Auftragsklärung die Gesprächs-

partner um die wesentlichen Informationen zum Betrieb. Für ihn ist Feldwissen nur in

dem Umfang interessant, wie es benötigt wird, damit die eigentlich mediatorische

Stärke - die Optimierung der Kommunikation - greifen kann.

In der Mediation zwischen Unternehmen (z. B. bei Versicherungsstreitigkeiten, bei

Auseinandersetzungen zwischen Software-Häusern und Bauunternehmen, bei

Problemen zwischen Gesellschaften und beim Claim-Management im Anlagenbau)

sind juristische Detailkenntnisse von Nöten. Der Mediator wird hier oft Sachver-

ständige für Gutachten bestimmen und mitunter auch als Schlichter agieren.“