FOM Mediation: Verhandeln im gestörten System

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Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA 1 Verhandeln im gestörten System Mediationen sind immer dann erforderlich, wenn das Verhandlungssystem gestört ist. Gestörtes System Effektives System Typischerweise werden die Sichtweisen eines Konfliktes und damit die Verhandlungsoptionen nach folgenden drei Orientierungen unterschieden: Machtorientierung: Dabei steht die Auseinandersetzung über Machtressourcen im Zentrum der Verhandlung; im Rahmen einer solchen Orientierung muss aber auch derjenige, der über „Macht“ verfügt (z.B. ein Manager in einem Unternehmen), im Konfliktfall entscheiden. Rechtsorientierung: Hier gilt es, denjenigen zu ermitteln, der das formale Recht auf seiner Seite hat. Je enger hingegen die sozialen Beziehungen sind, umso weniger finden Konflikte eine (direkte) Antwort im Recht. „Vertrauen lässt sich nicht gerichtlich einklagen, Arbeitsmotivation nicht tarifvertraglich sichern und liebevolle Zuwendung nicht durch Ehevertrag gewährleisten“ (Blankenburg). Interessen Recht Macht Macht Recht Interessen

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Dr. Carsten Weerth BSc LLM (Com.) MA

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Verhandeln im gestörten System Mediationen sind immer dann erforderlich, wenn das Verhandlungssystem gestört ist.

Gestörtes System Effektives System

Typischerweise werden die Sichtweisen eines Konfliktes und damit die

Verhandlungsoptionen nach folgenden drei Orientierungen unterschieden:

• Machtorientierung:

Dabei steht die Auseinandersetzung über Machtressourcen im Zentrum der

Verhandlung; im Rahmen einer solchen Orientierung muss aber auch derjenige, der

über „Macht“ verfügt (z.B. ein Manager in einem Unternehmen), im Konfliktfall

entscheiden.

• Rechtsorientierung:

Hier gilt es, denjenigen zu ermitteln, der das formale Recht auf seiner Seite hat. Je

enger hingegen die sozialen Beziehungen sind, umso weniger finden Konflikte eine

(direkte) Antwort im Recht. „Vertrauen lässt sich nicht gerichtlich einklagen,

Arbeitsmotivation nicht tarifvertraglich sichern und liebevolle Zuwendung nicht durch

Ehevertrag gewährleisten“ (Blankenburg).

Interessen

Recht

Macht

Macht

Recht

Interessen

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Aspekte der extremen Pole Verrechtlichung und Entre chtlichung:

Verrechtlichung Entrechtlichung

• Der Konflikt wird auf die

Rechtslage reduziert

• Die sozialen und

Beziehungsaspekte werden

vernachlässigt

• Zahlreiche Interessen bleiben

unberücksichtigt

• Nullsummenspiel mit einer

Entweder-Oder-Entscheidung

• Es wird lediglich die

Vergangenheit aufgearbeitet, aber

nicht die Zukunft gestaltet.

• Der Konflikt wird nur als

Sozialproblem, nicht aber als

Rechtsproblem wahrgenommen

• Ein bestehendes

Machtungleichgewicht kann so

zementiert werden, Unrechte

können bestehen bleiben

• Den Gerichten werden wichtige

Verfahren entzogen, die für die

Erkennung und Gestaltung

wichtiger gesellschaftlicher

Prozesse bedeutsam sind.

• Interessenorientierung:

Eine auf den Interessen der Konfliktparteien basierende Problemlösung wird

angestrebt.

Insbesondere die ersten beiden Sichtweisen tendieren dazu, Lösungsoptionen im

jeweils singulären Zuschnitt zu suchen und stereotype Problemlösungen zu

entwickeln. Da es aber keinen allgemein gültigen, optimalen Weg der Problemlösung

geben kann, ist es notwendig, Handlungsoptionen möglichst weit zu fassen, um

einen Konsens zu finden, der jenseits der linearen win-lose-Gerade nach Möglichkeit

Kooperationsgewinne für alle Konfliktparteien hervorbringt.

Wesentliche Voraussetzung dafür ist die vorrangige Orientierung an den eigentlichen

Interessen der Konfliktparteien, ohne dabei in einer Verhandlung die Komponenten

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Macht und Recht außer Acht zu lassen. Die überwiegende Nutzung von Macht und

Recht zur Lösung von Konflikten ist jedoch unnötig und kontraproduktiv. Diese

Konfliktorientierungen führen in der Regel zu klassischen Nullsummenspielen, d. h.,

der Gewinn für die eine Seite impliziert gleichzeitig einen Verlust für die andere.

Das folgende Zitat unterstreicht nochmals die Möglichkeiten der Mediation, im

Unterschied zur Rechtsorientierung auf dem Wege der interessenorientierten

Konfliktregelung Ergebnisse zu erzielen, die aus Sicht der Konfliktbeteiligten besser

bewertet werden:

„(...) Ein Vorteil des Verfahrens liegt darin, daß die Kontrahenten nicht in das Korsett

des Prozeßrechts gezwängt sind. Sie müssen ihre Bedürfnisse und Interessen, die

sehr vielschichtig sein können, daher beispielsweise nicht auf dürre rechtliche

Forderungen reduzieren. Solche Ansprüche sind oft genug lediglich Vehikel, um auf

Umwegen etwas zu erreichen, worauf gerade kein Anspruch besteht. Außerdem

bietet die Mediation die Chance einer "dritten Lösung". Während ein Gericht nämlich

an die Anträge der Parteien gebunden ist und abweichende Vorschläge auch dann

nicht unterbreiten kann, wenn sie den Interessen beider Seiten eigentlich dienlicher

wären, kennt die Mediation diese Beschränkungen nicht. So können die Beteiligten

durchaus Lösungen finden, die ihren Anliegen mehr entsprechen, als die

Zuerkennung eines bestimmten Anspruches. Damit werden sogar Ergebnisse

möglich, die beiden Seiten Vorteile bringen (...)"

FAZ vom 23.10.1998: Die Mediation im Wirtschaftsrecht soll Zeit und Kosten sparen