ForschendesLernen imPraxissemester · Forschendes Lernen durch ethnographisches Beobachten .....161...

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Renate Schüssler / Anke Schöning / Volker Schwier / Saskia Schicht / Johanna Gold / Ulrike Weyland (Hrsg.) Forschendes Lernen im Praxissemester Zugänge, Konzepte, Erfahrungen

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Renate Schüssler / Anke Schöning /Volker Schwier / Saskia Schicht /Johanna Gold / Ulrike Weyland(Hrsg.)

Forschendes Lernenim PraxissemesterZugänge, Konzepte, Erfahrungen

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Mit der Einführung des Praxissemesters im Lehr-

amtsstudium erhält das Forschende Lernen in vielen

Bundesländern vermehrte Aufmerksamkeit und neue

Relevanz. Der vorliegende Band greift offene Fragen auf

und stellt erprobte Möglichkeiten zur Ausgestaltung und

Begleitung Forschenden Lernens in Universität, Schule

und Studienseminar vor.

Die Beiträge richten sich besonders an Lehrende und For-

schende im Praxissemester sowie an schulische Akteure

und Studierende. Sie alle können den beschriebenen

Erfahrungen, Konzepten und Ausgestaltungsformen anre-

gende Ideen und Impulse entnehmen.

978-3-7815-2142-1

Die Herausgeberinnen und Herausgeber

Dr. Renate Schüssler, Universität Bielefeld

Anke Schöning, Universität Bielefeld

Volker Schwier, Universität Bielefeld

Saskia Schicht, Universität Bielefeld

Johanna Gold, Universität Bielefeld

Dr. Ulrike Weyland, Professorin, Westfälische Wilhelms-

Universität Münster

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Schüssler / Schöning / Schwier / Schicht / Gold / Weyland

Forschendes Lernen im Praxissemester

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Renate SchüsslerAnke SchöningVolker SchwierSaskia SchichtJohanna Gold

Ulrike Weyland(Hrsg.)

Forschendes Lernen im Praxissemester

Zugänge, Konzepte, Erfahrungen

Verlag Julius Klinkhardt

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Dieser Titel wurde in das Programm des Verlages mittels eines Peer-Review-Verfahrens aufgenommen. Für weitere Informationen siehe www.klinkhardt.de.

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Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem alterungsbeständigem Papier.

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| 5Inhaltsverzeichnis

Einleitung ....................................................................................................... 9

1 Konzeptionelle Rahmungen und Entwicklungslinien

Ulrike Weyland und Eveline WittmannPraxissemester en vogue .................................................................................. 17Wolfgang FichtenForschendes Lernen in der Lehrerbildung ....................................................... 30Renate Schüssler und Anke Schöning Forschendes Lernen im Praxissemester – Potential und Ausgestaltungsmöglichkeiten .......................................................................... 39Saskia Schicht Institutionalisierung der Kooperation – Forschendes Lernen als Aufgabe von Fachverbünden .......................................................................... 51Anke Schöning, Renate Schüssler und Ulrike WeylandStandards für Schulpraktische Studien – Implikationen für die Ausgestaltung Forschenden Lernens im Praxissemester ................................... 61Lilian Streblow und Sebastian Barsch Evaluation im Praxissemester .......................................................................... 70

2 Länderspezifische Zugänge

Kirsten Großmann, Andreas Bach und Jens Winkel Das Praxissemester in Flensburg ..................................................................... 81Nicole Naeve-Stoß und Tade Tramm Forschendes Lernen im Hamburger Kernpraktikum ....................................... 88Regine Komoss und Maria PetersDas Praxissemester an der Universität Bremen ................................................ 96Anke Spies, Julia Michaelis, Udo Gerheim und Vanessa HinschForschendes Lernen in Niedersachsen – Das Oldenburger Praxissemester ..... 104Alexander Büssing, Vera Gehrs, Andrea Mochalski, Yoshiro Nakamura und Bärbel TreichelProfile Forschenden Lernens – Das Osnabrücker Konzept als ein Beispiel aus Niedersachsen ........................................................................................ 111Heike Schaumburg und Constanze SaundersHerausforderungen und Perspektiven – Forschendes Lernen im Praxissemester an der Humboldt-Universität zu Berlin ................................. 119

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6 | Inhaltsverzeichnis

Frank Diehr Das Praxissemester in Nordrhein-Westfalen am Beispiel der Universität Duisburg-Essen .......................................................................... 126

3 Methoden und Anwendungskontexte

Andreas Feindt und Beate WischerBegründungen, Ziele und Formen Forschenden Lernens – ein Reflexionsangebot für den Einstieg ......................................................... 139Johanna Gold und Gabriele KlewinEmpirische Forschungsmethoden in studentischen Forschungsprojekten ...... 147Friederike KernForschendes Lernen durch ethnographisches Beobachten ............................. 161Paul GoerigkForschend lernen mit Videografie ................................................................. 167Birgit Lütje-Klose, Simone Seitz und Bettina StreeseForschendes Lernen in inklusiven Lehr- und Lern-Arrangements –Ideen und Perspektiven ................................................................................ 173Gabriele KlewinSchulentwicklung als Gegenstand Forschenden Lernens im Praxissemester? .... 181Oliver Böhm-Kasper Forschendes Lernen im Kontext von Ganztag ............................................... 187Birgit Holler-Nowitzki und Susanne MillerForschendes Lernen in der Grundschule ....................................................... 193Jan Christoph Störtländer und Barbara KochForschendes Lernen in inklusiven Lerngruppen der Sekundarstufe I ............. 200H.-Hugo Kremer und Ulrike Weyland Praxissemester in berufs- und wirtschaftspädagogischen Studiengängen ........ 206

4 Begleitung Forschenden Lernens

Anke Schöning, Volker Schwier, Hella Weßel und Karen WiegelmannIn der Schule – Begleitung Forschenden Lernens durch MentorInnen .......... 215Renate Schüssler Fortbildungsangebote zur Unterstützung Forschenden Lernensim Praxissemester ......................................................................................... 225Karl-Theodor Stiller und Thorsten Bührmann Beratung Forschenden Lernens im Praxissemester am Beispiel Nordrhein-Westfalen .................................................................................... 235

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| 7Inhaltsverzeichnis

Renate Nocon-StoffersForscherblick im Schulalltag!? – Begleitung Forschenden Lernens amZentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ehemals: Studienseminar).... 243Agnieszka Werfel, Nicole Valdorf und Renate Schüssler Das Portfolio zur Unterstützung Forschenden Lernens im Praxissemester ..... 251Björn Bulizek, Julia Haarmann, Christina Kiefer und Sarah SchotemeierPotentiale von E-Learning zur Begleitung im Praxissemester ........................ 259Gabriele Klewin, Anne Köker, Klaus Kästing und Bernd TrennerKooperation der ausbildenden AkteurInnen im Bielefelder Praxissemester – Fachgruppe BiWi .............................................. 267

5 Fachdidaktische Zugänge zum Forschenden Lernen

Julia ReckermannForschendes Lernen rund um das Praxissemester Anglistik ........................... 275Jörg van NordenForschendes Lernen im Fach Geschichte ...................................................... 281Jochen SauerEmpirische Studienprojekte im Fach Latein ................................................. 286Michael Kleine und Sabine CastelliPerspektiven zum Forschenden Lernen im Fach Mathematik ....................... 292Nicole Wellensiek, Thomas Rottmann und Miriam LükenPerspektiven zum Forschenden Lernen in Mathematischer Grundbildung ... 298Julia Rheingans und Kerstin Heberle Forschendes Lernen in der Musikpädagogik – Potentiale videobasierter Unterrichtsforschung im Praxissemester ................. 304Gunnar RettbergForschendes Lernen entlang fachdidaktischer Prinzipien im Fach Sozialwissenschaften ..................................................................................... 310Natalia Fast, Nils Ukley, Katrin Neumann und Valerie Kastrup Schulsport im Blickfeld Forschenden Lernens .............................................. 316Jan Clemens, Friederike Kern und Angelika SteinForschendes Lernen in der Sprachlichen Grundbildung – Ethnographisches Beobachten und sprachdidaktische Reflexion ................... 322Stefan Hahn, Sven Meinholz, Jan Christoph Störtländer und Christina Thomas Forschendes Lernen im Unterrichtsfach Pädagogik ....................................... 328

AutorInnenverzeichnis ............................................................................... 335

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Einleitung

Die Idee hinter dem Buch

Forschendes Lernen hat mit der Einführung des Praxissemesters im Lehramtsstu-dium in vielen Bundesländern eine prominente Verortung gefunden. In diesem Band wird Forschendes Lernen verstanden als

„ein offenes, teilnehmeraktivierendes Lehr-Lernkonzept, (1) in dem an ‚authentischen‘ Forschungsproblemen im Praxisfeld Schule gearbeitet wird, (2) in dem die Lernenden in wesentlichen Phasen des Forschungsprozesses selbständig arbeiten, (3) in dem von Lehrenden und Lernenden ein Theoriebezug hergestellt und vorhandenes empirisches Wissen […] einbezogen wird, (4) in dem die Lernenden angehalten werden, reflexive Distanz zum Praxisfeld Schule und zur eigenen Forschungsarbeit herzustellen (5) und in dem ethische Grundlagen von Forschungspraxis bewusst gemacht werden“ (Fichten/ Meyer 2014, 21; vgl. auch Fichten in diesem Band).

Wenngleich der hochschuldidaktische Ansatz des Forschenden Lernens auf eine lange Geschichte bis in die 1970er Jahre zurückblickt, in der Vergangenheit kon-zeptionell bereits sehr ausgereift war (vgl. z.B. Huber 2009; Fichten 2010) und sich über die Jahre hinweg und in Anbindung an Praxis- und Schulbegleitfor-schung viele Ausprägungen Forschenden Lernens entwickelt haben (vgl. z.B. Koch-Priewe/ Thiele 2009; Roters et al. 2009), war er bis vor kurzem im deutsch-sprachigen Raum doch vorrangig in der Erziehungswissenschaft angesiedelt.

Veränderte Ausgangslage

Mit der Einführung des Praxissemesters in vielen Bundesländern und der pro-minenten Verortung des Forschenden Lernens in diesem Studienelement erhält nun ein hochschuldidaktischer Ansatz mit langer Tradition in gleich mehrerlei Hinsicht neue Relevanz: • das erziehungswissenschaftlich geprägte Konzept wird von den Fachdidaktiken

adaptiert und muss dort an den facheigenen Gegenständen und Fragestellun-gen und mitunter mittels fachspezifischer Zugänge und Methoden ausgestaltet und weiterentwickelt werden

• das bisher an manchen Standorten als Wahlpflichtelement von nur einem Teil der Studierenden und Lehrenden umgesetzte Forschende Lernen wird nun ob-ligatorisch für alle Lehramtsstudierenden (vgl. Fichten in diesem Band)

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10 | Einleitung

• im Praxissemester ist das Forschende Lernen eingebettet in die weiteren Tä-tigkeiten der Studierenden (Unterrichten, Teilnahme an Konferenzen, Eltern-Schüler-Sprechtage etc.) und findet parallel zu diesen statt

• das Forschende Lernen muss in der Breite der Ausbildungsregionen und nahezu in der gesamten Schullandschaft umgesetzt werden

• aufgrund der Einbindung der Studienseminare in die Begleitung der Praxisse-mesterstudierenden, die in vielen Konzeptionen vorgesehen ist, spielen Akteure der zweiten Phase nun auch eine Rolle in der universitären Phase der Lehrer-bildung

• somit wird Forschendes Lernen zu einem Vehikel, das Herausforderung und Chance darstellt für ein erneutes Austarieren von Rollen, aber auch für Koope-rationen der verschiedenen Institutionen und Akteure sowie für die stärkere Verzahnung der ersten, zweiten und dritten Phase der Lehrerbildung.

Mit dem hier vorliegenden Band wird versucht, dieser veränderten Ausgangslage Rechnung zu tragen. Im Anschluss an den von der HerausgeberInnengruppe ver-öffentlichten Band Das Praxissemester im Lehramtsstudium: Forschen, Unterrichten, Reflektieren (2014), in dem ein umfassender Einblick in Ziele und Dimensionen des Studienelements Praxissemester sowie erste konkrete Hilfestellungen und An-regungen für das Forschende Lernen im Praxissemester gegeben werden, steht der hier nun vorliegende Band ganz unter dem Fokus Forschendes Lernen im Praxisse-mester und nimmt sich der beschriebenen vielfältigen Perspektiven an.

Blick ins Buch

1. Als Grundlage für die länderspezifischen und fachbezogenen Ausgestaltungs-formen Forschenden Lernens im Praxissemester werden zunächst Konzeptionelle Rahmungen und Entwicklungslinien aufgezeigt. Neben einem Überblick über die Verbreitung des Praxissemesters in Deutschland wird in die Grundlagen des For-schenden Lernens im Lehramtsstudium generell eingeführt und das besondere Potential Forschenden Lernens im vielerorts noch neuen Studienelement Praxis-semester konturiert. Es folgen spezifische Beiträge zum Praxissemester als Anlass zur Kooperation, zur Evaluation im Praxissemester sowie zur Orientierung des Forschenden Lernens an personenbezogenen Kompetenzen und Standards. Ins-gesamt wird im ersten Teil des Bandes herausgearbeitet, dass das Praxissemester aufgrund der Dauer der Praxisbegegnung und der curricularen Verortung ein gu-tes Zeitfenster darstellt, um die verschiedenen Dimensionen Forschenden Lernens zu durchlaufen. Es bietet zwar keine Garantie, aber doch die Möglichkeit für eine theoretisch fundierte kritisch-reflexive Praxiserschließung und somit eine Chance zur Professionalitätsentwicklung.

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| 11Einleitung

2. Nach der Klärung grundlegender konzeptioneller Fragestellungen widmet sich der Band im zweiten Teil dem Forschenden Lernen im Praxissemester mittels ausgewählter Länder- und standortspezifischer Zugänge. Auf der Ebene der Bun-desländer und Standorte zeigt sich, dass, wenngleich die Terminologien, Aus-prägungsformen und Ausgestaltungsmöglichkeiten differieren mögen, über die vorgestellten Standorte hinweg die Grundintentionen des Forschenden Lernens geteilt werden: theoriegeleitetes Lernen, kritisch-reflexive Praxiserschließung, forschende Grundhaltung, Beitrag zur Professionalitätsentwicklung. Beschrieben werden sowohl Ausgestaltungsformen, in denen sich die Erfahrungen früherer Standortkonzeptionen widerspiegeln, als auch gänzlich neu eingeführte Ansätze. Zur Sprache kommen dabei auch innovative Zusatzelemente, die an manchen Standorten erprobt werden. Insgesamt ist eine vielfältige konzeptionelle Band-breite dokumentiert, die über die Standorte hinaus Impulse zur Weiterentwick-lung geben kann.

3. Im Bereich der Methoden und Anwendungskontexte geht es zunächst um grund-legende Begründungen, Ziele und Formen Forschenden Lernens. Nach einem Überblick über Forschungsverlauf und qualitative sowie quantitative Methoden werden zwei ausgewählte Herangehensweisen (Ethnographie und Unterstützung Forschenden Lernens durch Videographie) detaillierter beschrieben. Inhaltlich wird Forschendes Lernen dann an den Gegenstandsbereichen bzw. Untersu-chungssettings Inklusion, Schulentwicklung und Ganztag näher ausbuchstabiert. Abschließend werden die besonderen Bedingungen Forschenden Lernens in un-terschiedlichen Schulformen (Grundschule, Sekundarstufe und Berufsschule) nä-her in den Blick genommen.

4. Im Abschnitt zur Begleitung Forschenden Lernens im Praxissemester werden die Vielfalt und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Institutionen und Akteure deutlich sichtbar. Hier geht es zunächst um die Bedingungen, die an der Schule zur Unterstützung eines forschungsfreundlichen Klimas geschaffen werden müs-sen. Möglich ist dies etwa, indem die Rolle der schulischen Akteure gesondert in den Blick genommen wird, Anregungen für die schulische Begleitung der Stu-dierenden gegeben werden oder über die gezielte Konzipierung und Umsetzung von Fortbildungen, die das Forschende Lernen an der Schule explizit zum Thema machen. In weiteren Beiträgen werden Beratungskonstellationen im Praxissemes-ter herausgearbeitet und es wird auf neuralgische Punkte des Beratungsprozesses hingewiesen. Dabei geht es auch um die Rolle der Studienseminare und um die Illustration der Zusammenarbeit der Akteure am Beispiel einer konkreten Fach-gruppe. Weitere Beiträge arbeiten die möglichen Synergieeffekte zwischen dem Forschenden Lernen und dem Instrument Portfolio heraus und erschließen das Potential des E-Learnings zur Unterstützung der Begleitung im Praxissemester.

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So will der Band zum einen eine Idee von der Vielfalt der Ausgestaltungsmög-lichkeiten und Herausforderungen hinsichtlich der Umsetzung und Betreuung vermitteln und zum anderen konkrete Einblicke liefern sowie Anregungen zur Weiterarbeit geben.

5. Um den Blick auf die Ausgestaltungsmöglichkeiten abzurunden, werden in einem umfangreichen Abschnitt Fachdidaktische Zugänge zum Forschenden Ler-nen vorgestellt. Die beschriebenen Umsetzungsbeispiele Forschenden Lernens in den Fachdidaktiken und Unterrichtsfächern basieren auf der im ersten Teil des Bandes ausgeführten konzeptionellen Ausgestaltung an der Universität Bielefeld. Hier umfasst das Forschende Lernen sowohl den schulpraktischen als auch den Schulforschungsteil des Praxissemesters und konturiert sich in fünf verschiedenen Varianten. Die Beiträge beleuchten fachdidaktische Dimensionen und Akzentuie-rungen Forschenden Lernens und gewähren Einblicke in Vorbereitungs-, Begleit- und Reflexionsseminare aus fachdidaktischer Perspektive. Es werden Studienpro-jektthemen und Fragestellungen beschrieben und Hinweise für Evaluation und Weiterentwicklung des Praxissemesters aus der Perspektive des jeweiligen Fachs gegeben. Insgesamt sind vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten dokumentiert mit dem Ziel, auch über das Fach, das Lehramt und den Standort hinaus Anre-gungen für Begleitung und Ausgestaltung Forschenden Lernens zu liefern.

Work in Progress

Forschendes Lernen in der eingangs beschriebenen Breite der beteiligten Ausbil-dungsregionen, Fächer und Akteure hat noch keine lange Geschichte und befin-det sich gewissermaßen noch in den Kinderschuhen. Insofern bilden auch viele der Beiträge die Ausgestaltung des Forschenden Lernens als Work in Progress ab. In den kommenden Jahren werden sich die Umsetzungsformen noch kontinuierlich weiterentwickeln – dazu bedarf es aber konzeptioneller Schärfungen und eines kollegialen Austausches, zu denen der Band anregen will. In die Entwicklung des Bandes sind mehrheitlich Hochschullehrende einbezogen. Viele der Ausgestaltungsformen wären allerdings ohne die gemeinsame Entwick-lungsarbeit mit den Akteuren aus Schule und Studienseminar und die daraus her-vorgegangenen Kooperationen und Akzentuierungen nicht denkbar. Der Band richtet sich besonders an Lehrende und Forschende im Studienelement Praxissemester. Gleichermaßen bietet er vielfältige Informationen und Anregun-gen für andere in die Begleitung und Beratung der Studierenden involvierte Ak-teure: Fachleitungen aus den Studienseminaren sowie Ausbildungslehrkräfte und MentorInnen in der Schule. Sie alle können Impulse aus den beschriebenen Kon-zepten sowie fachlichen und methodischen Ausgestaltungsformen entnehmen.

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| 13Einleitung

Ein Dankeschön

geht an die KollegInnen in Geschäftsstelle und Vorstand der Bielefeld School of Education (BiSEd), und hier insbesondere an Norbert Jacke als geschäftsführen-dem Leiter und Petra Josting als Direktorin für das unterstützende Umfeld und die konstruktive Arbeitsatmosphäre. Dem Klinkhardt Verlag sind wir für das Interesse am Thema, das Vertrauen in die gemeinsame Zusammenarbeit und die Realisierung des Projektes sehr verbunden. Unser besonderer Dank gilt Diana Hölscher und Johannes Krause für die sehr engagierte und sorgfältige Bearbeitung der Manuskripte sowie Katharina Geßner für die konstruktiven redaktionellen Hinweise.

Bielefeld, im September 2016

Renate Schüssler, Anke Schöning, Volker Schwier, Saskia Schicht,Johanna Gold und Ulrike Weyland

LiteraturFichten, Wolfgang (2010): Forschendes Lernen in der Lehrerbildung. In: Eberhardt, Ulrike (Hg.):

Neue Impulse in der Hochschuldidaktik. Wiesbaden, 127-182.Fichten, W./ Meyer, H. (2014): Skizze einer Theorie forschenden Lernens in der Lehrer_innenbil-

dung. In: Feyerer, E., Hirschenhauser, K., Soukup-Altrichter, K. (Hg.): Last oder Lust? Forschung und Lehrer_innenbildung. Münster, 11-42.

Huber, L. (2009): Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In: Huber, L./ Hellmer, J./ Schneider, F. (Hg): Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen. Bie-lefeld, 9-35.

Koch-Priewe, B./ Thiele, J. (2009): Versuch einer Systematisierung der hochschuldidaktischen Kon-zepte zum Forschenden Lernen. In: Roters, B./ Schneider, R./ Koch-Priewe, B./ Thiele, J./ Wildt, J. (Hg.): Forschendes Lernen im Lehramtsstudium. Hochschuldidaktik – Professionalisierung – Kompetenzentwicklung. Bad Heilbrunn, 271-292.

Roters, B./ Schneider, R./ Koch-Priewe, B./ Thiele, J./ Wildt, J. (Hg.) (2009): Forschendes Lernen im Lehramtsstudium. Hochschuldidaktik – Professionalisierung – Kompetenzentwicklung. Bad Heilbrunn.

Schüssler, R./ Schwier, V./ Klewin, G./ Schicht, S./ Schöning, A./ Weyland, U. (Hg.) (2014): Das Praxissemester im Lehramtsstudium: Forschen, Unterrichten, Reflektieren. Bad Heilbrunn.

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1 Konzeptionelle Rahmungen und Entwicklungslinien

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| 17Praxissemester en vogue

Ulrike Weyland und Eveline Wittmann

Praxissemester en vogue

Der vorliegende Beitrag thematisiert die Einrichtung von Praxissemestern bzw. Lang-zeitpraktika als gegenwärtigen Trend.1 Nach einer kurzen problemorientierten Ein-führung zur gestellten Forderung nach ‚Mehr Praxis‘ wird zunächst auf ausgewählte Aspekte der curricular-didaktischen Ausgestaltung eingegangen. Dabei richtet sich der Fokus auf die aufgabenbezogene Parallelisierung von Forschen und Unterrichten, die in den curricularen Zielsetzungen von Langzeitpraktika häufig vorgesehen ist. Eine Analyse dieser Entwicklung erfordert den Rekurs auf relevante empirische Befunde. Der Beitrag schließt mit der Identifizierung von Anforderungen an die AkteurInnen der Lehrerbildung und an die Forschung, insbesondere vor dem Hintergrund eines anzustrebenden gehaltvollen Beitrags von Praxissemestern zur Professionalitätsent-wicklung.

1 Mehr Praxisbezug – eine überdauernde Forderung

Die Forderung nach einer Intensivierung des Praxisbezugs in der Lehrerbildung ist keineswegs neu, sondern eine überdauernde, kontinuierlich gesetzte ‚Chiffre‘. So schreibt auch Terhart, dass „der Ruf nach ‚Mehr Praxis!‘ […] eines der stabils-ten Elemente im älteren wie neueren Reformdiskurs“ (2013, 5) sei. Seit einigen Jahren geht diese Forderung aber mit einer spezifischen Entwicklung im universi-tären Lehramtsstudium an deutschen Hochschulen einher. So lässt sich eine klare Tendenz zur Einrichtung von längeren Praxisphasen im Lehramtsstudium fest-stellen (vgl. Weyland 2012). In der Regel zeigt sich diese in der Implementierung sogenannter Praxissemester als besonderes Format von Langzeitpraktika2. Ein be-

1 Der Beitrag nimmt mit freundlicher Genehmigung des „journals für lehrerinnen- und lehrerbil-dung“ zentrale Elemente und Textpassagen eines dort veröffentlichten Beitrags der Autorinnen (vgl. Weyland/ Wittmann 2015) auf und entwickelt diesen mit Blick auf die inhaltliche Ausrichtung des hier vorliegenden HerausgeberInnenbandes (Forschendes Lernen und Praxissemester) weiter.

2 Die Bezeichnung variiert in den jeweiligen Bundesländern, wenngleich die Bezeichnung Praxisse-mester überwiegt. Im Folgenden wird daher subsumierend von Praxissemester gesprochen, was in diesem Beitrag Praxissemester i e.S. sowie Langzeitpraktika i.w.S. umfasst.

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18 | Ulrike Weyland und Eveline Wittmann

sonderer Motor für diese Entwicklung dürfte dabei der Quedlinburger Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) aus dem Jahr 2005 gewesen sein, mit dem im Zuge der Umstellung auf die Studiengangsstrukturen lehrerbildungsbezogener Bachelor- und Masterstudiengänge nicht nur für eine Ausweitung Schulprakti-scher Studien plädiert wurde, sondern ebenso für eine Optimierung ihrer curri-cularen Einbindung in das Gesamtgefüge der das universitäre Lehramtsstudium konstituierenden Fächer (vgl. KMK 2005, 2). Ein ‚Mehr‘ an Praxisanteilen führt aber nicht automatisch zu einer besseren Leh-rerbildung bzw. korrespondiert nicht unmittelbar mit der Professionalitätsent-wicklung der Studierenden. Es scheint zugleich bestimmte Gelingensfaktoren zu geben, die von curricularen bis hin zu konkreten personellen Anforderungen rei-chen. Auch die funktionale und curriculare Abgrenzung zu Vorbereitungsdienst bzw. Referendariat ist im Rahmen einer mehrphasig organisierten Lehrerbildung zwingend. Folglich gab es vereinzelt deutlich kritische Stimmen zur Einführung von Praxissemestern. So warnte z.B. die sog. Baumert-Kommission in ihrem Gut-achten zur Bewertung der Situation der Lehrerbildung in Nordrhein-Westfalen (NRW) im Jahr 2007 vor einer Ausweitung Schulischer Praxisphasen. In Bezug auf die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Durchführung wurde mo-niert, dass bisher an keinem der Standorte in NRW die organisatorischen und curricularen Voraussetzungen zu Schulischen Praxisphasen vorlägen. Ebenso wurde auf die vorzunehmende Akzentsetzung bezüglich der Funktion von Pra-xisanteilen im Kontext der ersten und zweiten Phase hingewiesen und der damit einhergehenden Gefahr von Aufgabenvermischung (vgl. MIWFT 2007, S. 6ff.).Trotz der insgesamt über lange Zeit hinweg kritischen Bewertung verschiedener Expertengremien zur Situation Schulischer Praxisphasen an den Hochschuls-tandorten (vgl. Weyland 2010, 89ff.; Weyland 2012, 5f.) wurde in den letzten Jahren in vielen Bundesländern auf die Einführung von Praxissemestern gesetzt. Dies erfolgte oftmals in Ergänzung und Erweiterung zu den bereits am jeweiligen Standort implementierten Schulischen Praxisphasen. Dabei ist die Diskussion zur Einführung von Praxissemestern an den lehrerbildenden Hochschulstandorten in Deutschland nicht neu. Bereits Mitte/ Ende der 1990er-Jahre gab es eine Diskus-sion um die Implementierung längerer Schulischer Praxisphasen (vgl. Weyland 2000). Durchgesetzt hat sich dieses Format zu jener Zeit aber nicht. Gegenwärtig zeigt sich, wie bereits eingangs erwähnt, nun ein deutlich anderer Trend. Dabei lässt sich feststellen, dass in etwa zwei Drittel der Bundesländer Praxissemester eingeführt bzw. vorgesehen sind.Einen Überblick über einzelne Entwicklungen in den Bundesländern einschließ-lich der dahinterliegenden Debatten liefern die eigenen Expertisen (Weyland/ Wittmann 2011; Weyland 2012) der Autorinnen dieses Beitrags sowie eine vom Stifterverband herausgegebene qualitative Dokumentenanalyse von Offenberg und Walke (2013) zur „Reform der Praxisphase in der Ersten Phase der Lehrer-

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| 19Praxissemester en vogue

bildung“. Eine Beschreibung der formalen Grundkonstruktionen zum Zeitpunkt 2015 ist zudem der diesem Beitrag zugrunde liegenden Originalfassung (Wey-land/ Wittmann 2015, 5ff.) zu entnehmen. Diese führt Angaben zu den Aspekten „betroffene Lehrämter“, „Bezeichnung“, „Dauer und Gesamt-ECTS“, „zeitliche Verortung“ sowie „Primäre institutionelle Verortung“ auf. Die jeweiligen Grund-konstruktionen zeichnen sich dabei insgesamt durch eine konzeptionelle Vielfalt aus. Hinsichtlich der curricular-didaktischen Gestaltung der Praxissemester ist seit ei-nigen Jahren festzustellen, dass zunehmend auf das hochschuldidaktische Konzept Forschendes Lernen rekurriert wird, dieses geradezu zu einem prominenten Thema in der Lehrerbildung avanciert ist. Mit diesem Konzept verbinden sich zugleich besondere Hoffnungen bzw. Erwartungen, was die Professionalitätsentwicklung der angehenden Lehrkräfte betrifft. Neben dem Forschen sind die Studierenden aber gleichzeitig angehalten, ebenso der Aufgabe des Unterrichtens nachzukom-men. Diese Parallelität stellt eine besondere Herausforderung für alle beteiligten AkteurInnen dar, insbesondere aber für die Studierenden (vgl. Fichten in diesem Band). Mit der Absicht einer einführenden und problembezogenen Orientierung widmet sich der hier vorliegende Beitrag daher der curricular-didaktischen Aus-gestaltung der implementierten Praxissemester, wobei ein besonderes Augenmerk auf die intendierten Zielsetzungen und Aufgaben gerichtet ist. In der analytisch-kritischen Betrachtung wird dabei auf empirische Befunde rekurriert. Der Beitrag schließt mit Anmerkungen zu den feststellbaren Entwicklungen hinsichtlich der Chancen für die Professionalitätsentwicklung der Studierenden, aber auch zu wei-teren Herausforderungen, insbesondere was das Forschende Lernen betrifft.

2 Aspekte curricular-didaktischer Ausgestaltung von Praxissemestern

Grundsätzlich ist hinsichtlich der Zielsetzungen der implementierten Praxisse-mester eine gewisse Bandbreite erkennbar, die die ohnehin bekannten vielfältigen Erwartungen an dieses Studienelement widerspiegeln. In Abhängigkeit von der jeweiligen Grundkonstruktion werden diese je nach Bundesland unterschiedlich gewichtet und akzentuiert, wenngleich sich konzeptionell übergreifende Schwer-punkte herauskristallisieren. Die Zielsetzungen richten sich einerseits auf die Förderung theoretischer Reflexionsfähigkeit sowie auf die Reflexion der eigenen Kompetenzentwicklung bis hin zur Anbahnung einer sogenannten Forschenden Grundhaltung mittels Forschenden Lernens. Obgleich das jeweils gesetzte Praxis-format i.d.R. explizit betont unter die primäre Zielperspektive eines Studienele-mentes gestellt wird, liegt andererseits angesichts der an einigen Standorten hohen

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Anzahl an zu absolvierenden eigenen Unterrichtsstunden die Vermutung nahe, dass es bereits ebenso um eine Förderung unterrichts- bzw. handlungspraktischer Fähigkeiten geht (s.u.). Außerdem wird das Praxissemester an nahezu allen Stand-orten mit der Zielsetzung der Berufswahlüberprüfung verknüpft. Eine gewisse Parallelisierung der o.g. Zielsetzungen wird, wie zuvor erwähnt, auch in den für die Studierenden vorgesehenen Aufgaben erkennbar. Dies zeigt sich darin, dass einerseits in vielen Konzeptionen Forschen im Sinne des Forschenden Lernens als eine wesentliche Aufgabe formuliert wird, wenngleich standortspe-zifisch unterschiedlich konkretisiert, akzentuiert und bisweilen entwickelt. For-schendes Lernen kann dabei als ein Ansatz theoriegeleiteter und systematischer Erfassung von Schule und Unterricht verstanden werden (vgl. Klewin et al. 2014, 139ff. sowie Fichten in diesem Band). Dabei variieren die Realisierungsformate durchaus auch innerhalb eines Bundeslandes, wie z.B. in Nordrhein-Westfalen. Denn die dort für das Praxissemester richtungsweisende, lehramtsübergreifende Rahmenkonzeption lässt hier innerhalb des sogenannten Schulforschungsteils in-terpretierbare Ausgestaltungsvarianten zu. Darüber hinaus ist in den betroffenen Bundesländern der gegenwärtige konzeptionelle Realisierungsgrad aufgrund der zeitlich jeweils unterschiedlich gesetzten Einführung verschieden. Andererseits wird von den Studierenden in nahezu allen bisher vorliegenden Kon-zeptionen erwartet, dass sie Unterricht nicht nur planen, sondern auch durchfüh-ren. Allerdings zeigt sich auch hier eine deutlich unterschiedliche Akzentsetzung und Gewichtung in den jeweiligen Bundesländern. So variiert die Anzahl der ei-genständig zu haltenden Unterrichtsstunden – i.d.R. unter Begleitung bzw. Anlei-tung – in den Bundesländern, die konkrete Zahlen ausgewiesen haben, zwischen 30 und 70 Stunden (z.B. Hamburg ca. 30 Std., Berlin 32 Std., Niedersachsen 64 Std., Nordrhein-Westfalen 70 Std.). Darüber hinaus gibt es auch geringere bzw. stundenzahlmäßig interpretierbare Vorgaben – so sind z.B. in Flensburg mindes-tens zwei selbstgestaltete, ausführliche Unterrichtsplanungen und ebenso mindes-tens sechs sogenannte Kurzvorbereitungen einschließlich jeweils einer Reflexion für den Leistungsnachweis einzubringen – bis hin zu fehlenden Angaben zu kon-kret nachweisbaren Unterrichtsstunden. Hinsichtlich der insgesamt erkennbar gestellten Aufgaben werden in den Konzeptionen somit hohe Anforderungen an die Studierenden gestellt. Inwieweit zudem der gesetzte formale Workload und die tatsächliche Arbeitsbelastung übereinstimmen, wäre im Rahmen einer empi-rischen Erhebung festzustellen.An nahezu allen Standorten erfolgt eine curriculare Integration der Praxissemester. So werden diese mit erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Veran-staltungen im Zuge der Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung verbunden. Inwieweit eine systematische Kompetenzentwicklung damit verbunden ist und wie diese curriculare Integration tatsächlich gelebt, d.h. in personeller, strukturel-ler, kooperativer und letztlich auch didaktisch-methodischer Hinsicht umgesetzt

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wird, bleibt abzuwarten und wäre systematisch zu evaluieren. Dies betrifft ins-besondere auch die mit Forschendem Lernen verbundenen Herausforderungen.In einigen Konzeptionen ist die Erstellung eines Portfolios vorgesehen und z.T. auch als Prüfungsleistung oder Grundlage einer Prüfungsleistung genutzt, teil-weise auch in curricularer Verbindung stehend zu vorhergehenden Schulischen Praxisphasen (z.B. in Nordrhein-Westfalen). Der Einsatz des Portfolio steht u.a. in Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Berufswahlüberprüfung bzw. -re-flexion und somit der Reflexion der eigenen Kompetenzentwicklung. Mit Blick auf diese Zielsetzung ist dieses Konzept bzw. didaktische Format zu begrüßen, es bleibt aber abzuwarten, inwieweit dieses Angebot auch tatsächlich in der cur-ricular bzw. didaktisch intendierten Form von den Studierenden genutzt wird (vgl. Koch-Priewe et al. 2013). In allen vorliegenden Konzeptionen wird zudem ein deutliches Augenmerk auf Kooperation zwischen den beteiligten Institutionen gelegt, die allerdings, wie auch andere Merkmale der konkreten konzeptuellen Ausgestaltung, unterschiedlich akzentuiert wird. So variieren unter anderem die beteiligten Partner und das Ausmaß der rechtlichen Verankerung der Kooperation (vgl. Weyland/ Wittmann 2011; Weyland 2012).

3 Analyse der Einrichtung von Praxissemestern unter Berücksichtigung empirischer Befunde

Die empirische Befundlage zu Schulischen Praxisphasen und auch zu Langzeit-praktika hat sich zwar deutlich verbessert (vgl. Arnold et al. 2014; Hascher 2012a; 2012b; König/ Seifert 2012; Müller 2010), Studien zur tatsächlichen Wirkung sind hingegen immer noch unterrepräsentiert (vgl. Rothland/ Boecker 2015). So stellt auch Hascher heraus, dass nach wie vor „spärliches belastbares Wissen über die Wirksamkeit und die Lernprozesse im Rahmen von Praktika vorliegt“ (2012b, 95; vgl. auch Hascher/ de Zordo 2015, 25ff.). Insgesamt überwiegen Studien zu subjektiven Kompetenzeinschätzungen von Studierenden sowie Fremdeinschät-zungen durch MentorInnen. Zu den jüngst implementierten Praxissemestern liegen den Autorinnen bisher die publizierten Ergebnisse zu den Standorten Jena und Potsdam vor (Schlumm 2011; Gemsa/ Wendland 2011; Gröschner/ Schmitt 2010 sowie Gröschner et al. 2013; Gröschner 2015); zu den Standorten Schwäbisch Gmünd und Hamburg sind darüber hinaus in Schied (2015) und Arnold (2015) Befunde enthalten; zum Modellversuch Praxisjahr Biberach siehe außerdem Müller (2010). Öffentlich zu-gängliche Evaluationsergebnisse zum Standort Wuppertal in NRW, an dem be-reits mehrmals das Praxissemester durchgeführt wurde, liegen den Autorinnen noch nicht vor. NRW hat im Jahr 2016 eine landesweite Evaluation zum Praxisse-

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mester durchgeführt, deren Ergebnisse allerdings noch nicht öffentlich publiziert wurden. Erste Evaluationsergebnisse zu Schleswig-Holstein liegen in Bezug auf den Standort Flensburg vor (vgl. Bach 2015).Hinsichtlich der einzuschätzenden Wirkung von Praxissemestern ist angesichts der vorliegenden empirischen Befundlage zunächst kritisch herauszustellen, dass, so Hascher (vgl. 2012a; 2012b), ein ‚Mehr‘ an Praxiskontakten nicht unmittelbar mit einer besseren Qualität der Lehrerbildung einhergeht (vgl. Hascher/ de Zordo 2015, 25ff.). Des Weiteren heben Müller und Dieck (vgl. 2011, 46f.) hervor, dass es vor dem Hintergrund der Akteurskonstellationen und der damit einhergehen-den divergenten Zielsetzungen und Erwartungen ohnehin schwierig sei, auf die Frage nach der Wirksamkeit Schulischer Praxisphasen eine klare Antwort zu ge-ben. Vor diesem Hintergrund kann auch längeren Praxisphasen nicht per se eine positive Wirkung unterstellt werden. Wenngleich in vorliegenden Untersuchun-gen zum Kompetenzerwerb in Schulischen Praxisphasen und Praxissemestern auf Zuwächse hingewiesen wird, muss kritisch angemerkt werden, dass diese i.d.R. eben auf Selbst- bzw. Fremdeinschätzungen basieren (vgl. Gröschner et al. 2013). Als bedenklich kann zugleich der Befund auf der Basis einzelner Untersuchungen zu ausgewählten Langzeitpraktika (Potsdam, Jena und Praxisjahr Biberach) ange-sehen werden, dass im Vergleich der Kompetenzeinschätzung von Studierenden zu längeren und kürzeren Praxisphasen keine nennenswerten Unterschiede fest-stellbar sind (vgl. auch Rothland/ Boecker 2015, 118f.).Hinsichtlich der Einführung und Evaluation von Praxissemestern sind zugleich nachfolgende gut abgesicherte Befunde zu Schulischen Praxisphasen bedeutsam (vgl. u.a. Hoeltje et al. 2004 zum damaligen Halbjahrespraktikum in Bremen; Hascher 2006; Bodensohn/ Schneider 2008; Müller 2010; Gröschner/ Schmitt 2010; 2012; Gemsa/ Wendland 2011; Gröschner et al. 2013; im Folgenden auch ähnlich dargestellt in Weyland 2012): • Schulische Praxisphasen werden von Studierenden vor allem unter dem Primat

des Pragmatischen gesehen. • Sie bewerten Praxisphasen in der Regel in Abhängigkeit davon, ob sie auch

unterrichten konnten. • In der Retrospektive bewerten ehemalige Studierende den Lernerfolg von Pra-

xisphasen kritischer. • Studierende verbinden Schulische Praxisphasen i.d.R. mit einem Kompetenz-

zuwachs. Einen hohen Zuwachs sehen sie gerade im Bereich des Unterrichtens. Dabei muss bezüglich der Bewertung eigener Fähigkeiten von einer Kompe-tenzüberschätzung gesprochen werden.

Ergänzend ist hinsichtlich des letztgenannten Punktes anzumerken, dass Befunde zur Fremdeinschätzung der Studierenden durch MentorInnen z.T. noch positiver ausfallen (vgl. Hascher 2012a). Dass Studierenden die Anerkennung durch diese

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Lehrkräfte besonders wichtig zu sein scheint, ist naheliegend, allerdings hinsicht-lich des Professionalisierungsprozesses bisher auch nicht unproblematisch. Denn dies, so Hascher (ebd., 123) im Rekurs auf empirische Befunde, würde „sich nicht nur in erwünschtem Modelllernen, sondern sogar in unerwünschtem Anpas-sungsverhalten“ zeigen (vgl. auch Rothland/ Boecker 2014; 2015).Auch erscheint die starke Fokussierung der Studierenden auf das Unterrichten mit Blick auf das Praxissemester als besondere Problematik und zugleich als Heraus-forderung. Denn hinsichtlich der Parallelität der oben genannten Zielsetzungen im Zusammenhang mit Forschen und Unterrichten deuten Befunde aus Unter-suchungen darauf hin, dass Schulische Praxisphasen, die beide Zielsetzungen parallel fokussieren, weniger zielführend sein könnten. Auf diesen Sachverhalt machten bereits Amrhein et al. (1998) auf der Basis ihrer Untersuchungen zu un-terschiedlichen Gestaltungsformen Schulischer Praxisphasen aufmerksam. Auch aufgrund weiterer Untersuchungen zu Langzeitpraktika entsteht der Eindruck, dass Studierende der theoriegeleiteten Reflexion weniger Priorität zuschreiben, wenn sie parallel zu forschenden Aufgaben gleichzeitig viel unterrichten müssen. So hat z.B. die Evaluation des bisherigen Praxissemesters in Brandenburg seitens des dort zuständigen Ministeriums auf die Frage nach den vorrangigen Schwer-punkten verdeutlicht, dass die befragten Studierenden (N=117, Rücklauf 41%) dem Item „Training der Rolle als Lehrkraft; Reflexion der persönlichen Eignung“ die höchste Bedeutung beimessen. Dem ebenfalls abgefragten Item „theoretische Reflexion schulpraktischer Erfahrungen“ schreiben die Studierenden anscheinend keine vorrangige Bedeutung zu. Denn keiner der befragten Studierenden gab an, darin einen vorrangigen Schwerpunkt zu sehen (vgl. Schlumm 2011, 242ff.). In der längsschnittlich angelegten hochschulinternen Befragung der Studierenden wurde der zuvor genannte Befund, dass Studierende den Aspekten Unterrichts-planung und -durchführung einen sehr hohen Stellenwert zuschreiben, ebenso bestätigt (vgl. Gemsa/ Wendland 2011). Auch auf den zuvor dargelegten Aspekt der Kompetenzüberschätzung trifft man in dieser Untersuchung, was u.a. in der Untersuchung von Gröschner et al. (2013) zum Praxissemester implizit ebenfalls als Problematik angedeutet wird. Hinsichtlich der Wirkung Forschenden Lernens im Kontext Schulischer Praxis-phasen liegen bisher kaum Forschungsbefunde vor, insbesondere, was das Praxis-semester tangiert. So stellen Rothland und Boecker (2015, 119) heraus, dass mit Blick auf Forschungsbestrebungen besonderes Augenmerk auf die „Funktion und Wirkung des Forschenden Lernens im Praxissemester“ zu richten sei. Als zu befor-schende Schwerpunkte werden von den Autoren (ebd., 122) die übergeordneten Themen „personale Ausgangslagen für das Forschende Lernen“, „Lerneffekte und -prozesse im Bereich des Forschenden Lernens“ sowie „Umgang mit den verschie-denen Rollenanforderungen“ genannt.

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Die bisher angesprochenen Befunde verdeutlichen die besonderen Herausfor-derungen, die im Zusammenhang mit der Zielerreichung von Praxissemestern stehen. Denn angesichts der Präferenz der Studierenden für eine starke Unter-richtsorientierung sowie der Gefahr der Übernahme unerwünschten Anpas-sungsverhaltens sind insbesondere die Hochschullehrenden gefordert, die wis-senschaftliche bzw. theoriegeleitete Perspektive auf dieses Studienelement, auch im Zusammenhang mit der Aufgabe Unterrichten, zu betonen und diese unter dem Aspekt der Professionalitätsentwicklung in bzw. durch verlängerte Praxis-phasen zu verdeutlichen. Praxissemester, die eine hohe Unterrichtsverpflichtung vorsehen, sind der Gefahr ausgesetzt, deprofessionalisierend zu wirken. Denn wie Studierende bei einer hohen Zahl an nachzuweisenden Unterrichtsstunden, wenngleich auch unter Begleitung bzw. Anleitung, Zeit zum Reflektieren und zur Entwicklung einer Forschenden Haltung finden sollen, wenn sie ggf. nicht einmal ausreichend Zeit für eine theoriegeleitete Vorbereitung haben, ist fraglich. Ebenso ist zu befürchten, dass Forschendes Lernen ‚auf der Strecke‘ bleibt, wenn hierfür nicht entsprechend Zeit und Raum zur Reflexion gegeben wird. Dies wird insbe-sondere dann verschärft, wenn Studierende aufgrund des unterrichtlichen Hand-lungsdrucks in der Praxis zunächst vorrangig die Aufgabe in der Bewältigung der unterrichtlichen Situation sehen. Außerdem sind Studierende ob der jeweiligen Akteurskonstellation, die ihnen im Praxissemester auf Grund der eingebundenen Institutionen in Form von Hochschule, Schule und ggf. Studienseminar begeg-net, in diesem Zusammenhang mit rollenspezifischen Anforderungen und Her-ausforderungen konfrontiert (vgl. Schicht/ Weyland 2014).Angesichts dieser zielsetzungsbezogenen Problemlagen erscheint eine Beantwor-tung der Frage nach den Gelingensbedingungen einer verbesserten Professio-nalitätsentwicklung problematisch. Dennoch werden in einzelnen empirischen Befragungen eine Reihe solcher möglicher Bedingungen untersucht. So wird in verschiedenen, auch aktuellen Untersuchungen auf die Notwendigkeit zur curri-cularen Integration im Sinne einer bildungswissenschaftlich und fachdidaktisch fundierten universitären Vor- und Nachbereitung sowie auf eine deutliche Ziel-klärung hingewiesen. Auch die Lernbegleitung im Sinne eines ausgewogenen Be-treuungskonzeptes wird als bedeutsames Qualitätsmerkmal herausgestellt. Dies beinhaltet auch eine entsprechende professionelle Vorbereitung der MentorInnen auf die zu übernehmenden Aufgaben. Ebenso als wichtig erachtet wird eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Schule (vgl. u.a. Hoeltje et al. 2004; Müller/ Dieck 2011; Schlumm 2011; Gemsa/ Wendland 2011; Hascher 2011; 2012a; 2012b; Gröschner 2012; Gröschner et al. 2013; Gröschner 2015). Allerdings werden allenfalls in einzelnen Untersuchungen sol-che Bedingungsfaktoren im Längsschnitt im Zusammenhang mit ausgewiesenen Erfolgskriterien untersucht.

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In der jüngsten Untersuchung von Gröschner et al. (2013) zur Wirkung von Langzeitpraktika wurde mit Blick auf die Kompetenzentwicklung der Studieren-den ebenfalls auf die Bedeutung einer entsprechenden Lernbegleitung hingewie-sen. Diese Autoren betonen, dass eine „kohärente Gestaltung der Begleitseminare mit den curricular verankerten Zielen des Praktikums“ (ebd., 84) dafür besonders bedeutsam sei. Auch hinsichtlich der Begleitung durch die MentorInnen wird herausgestellt, wie wichtig zur Unterstützung des Professionalisierungsprozesses ein entsprechendes Qualifizierungskonzept sei. Im Zusammenhang mit den in Praxissemestern zu beobachtenden Tendenzen zur Implementierung Forschenden Lernens wären gerade hierzu entsprechende Fortbildungskonzepte zu initiieren (vgl. Schüssler in diesem Band). Dies betrifft auch die Anforderungen an die zu gestaltenden Kooperationsstrukturen mit Studienseminaren als i.d.R. weiteren hinzukommenden Lernorten. Gemäß der Befunde zur Kooperation zwischen den AkteurInnen aus den verschiedenen Phasen der Lehrerbildung ist davon auszu-gehen, dass das Gelingen maßgeblich von der Verständigung über die mit den Langzeitpraktika bzw. Praxissemestern intendierten Zielsetzungen und von der Klärung der spezifisch zu übernehmenden Aufgaben abhängen dürfte (vgl. Wey-land 2010 und 2012). Gerade im Praxissemester sind besondere Anforderungen an die einzubindenden AkteurInnen und somit an die Ausgestaltung der Koope-ration gestellt. Die Studierenden können dabei gegenüber den unterschiedlichen AkteurInnen und Institutionen in sogenannte Loyalitätskonflikte geraten (vgl. Schicht/ Weyland 2014, 48ff. und s. Schicht in diesem Band). Aus diesem Grund erscheint eine wichtige Bedingung, dass es gelingt, den gegenseitigen Nutzen für den Professionalisierungsprozess zu verdeutlichen.

4 Fazit: Praxissemester – bessere Lehrerausbildung?

In diesem Beitrag wurde eingangs herausgestellt, dass die Einrichtung von Pra-xissemestern einen gegenwärtigen Trend im Zuge der Weiterentwicklung Schu-lischer Praxisphasen darstellt. Wenngleich diese in nahezu allen Fällen von der Hochschule primär verantwortet werden und damit zumindest formal betrachtet die curriculare Einbettung als Studienelement unterstützt wird, so ist als besonders herauszustellende Problematik die an einigen Standorten hohe Anzahl an eigens durchzuführenden Unterrichtsstunden zu benennen. Denn die dargelegte empiri-sche Befundlage verdeutlicht die besonderen Herausforderungen, die sich gerade im Zusammenhang mit der Einführung von Praxissemestern stellen. Die Gefahr liegt nahe, dass diese ihr Professionalisierungspotenzial nicht entfalten können, sofern sie von den Studierenden und ggf. weiteren AkteurInnen unter der primä-ren Zieldimension einer handlungspraktischen Perspektive gesehen werden. Der

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Einwand richtet sich nicht gegen die Überlegung, dass Studierende die Sozialer-fahrung machen sollen, vor der Klasse zu stehen und zu unterrichten. Zu klären wäre aber die Frage, wie viel davon für die Professionalitätsentwicklung gut ist, so dass noch Zeit zur theoriegeleiteten Reflexion der eigenen Erfahrungen bleibt und Schulische Praxisphasen nicht zu einer „Erfahrungsfalle“ (Hascher 2005, 30) werden. Die bisherigen Befunde legen zumindest einen zurückhaltenden und do-sierten Umgang mit eigens durchzuführenden Unterrichtsstunden nahe.Solange Langzeitpraktika ein Studienelement bilden und von einem Professio-nalisierungsprozess über mehrere Phasen ausgegangen wird, sollte in Bezug auf die Lern- und Kompetenzentwicklung der Studierenden auch die Möglichkeit zur theoriegeleitet-systematischen, prozess- und subjektorientierten Reflexion im Studium als erste Phase des Professionalisierungsprozesses gegeben sein. Daher sollten diese hinsichtlich des Lernpotenzials auch als eine besondere Chance ge-sehen werden (vgl. Weyland 2010). Naheliegenderweise würde dies von Hoch-schullehrenden zugleich erfordern, gemäß der primären Aufgabe der ersten Phase die Gefahr zur Deprofessionalisierung im Falle von unreflektierter und einem Zu-viel an unterrichtspraktischer eigener Erfahrung wahrzunehmen und im Kontext von Praxissemestern zu thematisieren. Zugleich bedürfte es einer intentionalen Verständigung zum Forschenden Lernen zwischen allen beteiligten AkteurInnen, einer prozessorientierten Vorbereitung und Begleitung und der Feststellung eines erkennbaren Nutzens insbesondere für die Studierenden. Die Thematisierung des Lerngewinns für die Studierenden sollte zudem ausreichend Berücksichtigung fin-den und der Sinn Forschenden Lernens inhaltlich differenziert entfaltet werden.Angesichts der gegenwärtigen Prominenz von Forschendem Lernen in der Aus-gestaltung von Langzeitpraktika sollte sich auch die Forschung zu schulischen Praxisphasen verstärkt auf diesen Ansatz hin ausrichten. Hierbei wären unter-schiedliche Ansätze der Ausgestaltung in Betracht zu ziehen. Mit Blick auf das be-sondere Potential von Praxissemestern, in denen Studierende über einen längeren Zeitraum in der Schule sind, bietet sich gerade hier die Möglichkeit an, über klein angelegte Studienprojekte von Studierenden in forschend-reflektierender Haltung ausgewählte Aspekte von Schule und Unterricht in zunehmend systematischer Hinsicht zu erfassen. Im Zusammenhang mit dem Lerngewinn durch Forschen-des Lernen könnte u.a. der Aspekt Verdeutlichung der Nutzung wissenschaftlichen Wissens für professionelles Lehrerhandeln ein möglicher Forschungsgegenstand sein. Unter dem Blickwinkel der problematisierten aufgabenbezogenen Parallelisierung von Forschen und Unterrichten wäre u.a. zu erforschen, inwieweit der Lerngewinn Forschenden Lernens in Zusammenhang mit der inhaltlichen Anschlussfähigkeit zu eigens durchgeführten Unterrichtsausschnitten bzw. -vorhaben der Studieren-den steht. Angesichts der Befundlage zum Einfluss von MentorInnen und der allgemein gegebenen Notwendigkeit zur Begleitung der Studierenden sollten zu-künftig entwickelte Konzepte und Maßnahmen zur MentorInnenqualifzierung

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hinsichtlich ihres Erfolgs untersucht werden, dies insbesondere auch unter dem Blickwinkel Forschenden Lernens. Da das Praxissemester ob der gegenwärtigen Tendenz zur Einrichtung längerer Praxisphasen keine ‚Eintagsfliege‘ darstellt, ist in den nächsten Jahren ein deutli-cher Anstieg an Forschungsansätzen und -befunden zu erwarten. Als weiterer Ka-talysator auf diesem Gebiet dürfte sich zudem das BMBF Forschungsprogramm zur Qualitätsverbesserung der Lehrerbildung (s. hierzu die BMBF-Initiative Qua-litätsoffensive Lehrerbildung) erweisen.Abschließend bleibt festzuhalten, dass verlängerte Praxisphasen mit Problemla-gen und Herausforderungen einhergehen, diese aber auch besondere Chancen für die Professionalitätsentwicklung von Studierenden implizieren. Diesbezüglich sind insbesondere die Gelingensbedingungen weiter zu erforschen. Aufgrund der Konzeptionsvielfalt wird dies eine besondere Herausforderung mit Blick auf die empirische Vergleichbarkeit sein.

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