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Das Planungsamt der Bundeswehr untersucht zukünftige Entwicklungen unbemannter Unterwasserfahrzeuge. Der Autor Dr. Hajo Lippke ist Mitarbeiter des Planungsamts der Bundeswehr, Abteilung I, Referat Zukunftsanalyse Einer der wesentlichen Zukunftstrends für die Fähig- keiten von Streitkräften ist die zunehmende Nutzung von unbemannten Systemen. Die fachliche Debatte findet in nicht-öffentlichen Expertengremien statt und dreht sich um das technologische Innovationspotenzial im Bereich künstliche Intelligenz. Die öffentliche Debatte hingegen ist geprägt durch Begriffe wie den der Drohne. Dabei wird das Bild verengt auf fliegende Systeme wie HERON oder REAPER und damit auf Systeme in Nutzung ande- rer Streitkräfte und deren mitunter völkerrechtswidrigen Einsatz. Tatsache ist jedoch, dass unbemannte Systeme inzwischen schon seit Jahrzehnten in allen Dimensionen im Einsatz sind. Unbemannte Unterwasserfahrzeuge (UUV) stellen innerhalb der Gruppe der unbemannten Systeme eine Sonderform dar. Aufgrund der physikalischen Besonderheiten des Operierens unter Wasser – insbesondere der damit verbundenen Einschränkungen in der Kommunikation – sind sie in beson- derem Maße davon abhängig, autonome Steuerungssysteme nutzen zu können. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an diesen Fahrzeugen sind in vielerlei Hinsicht als Schlüssel für zukünftige unbemannte Systeme zu sehen. Die dabei zu betrachtenden Faktoren umfassen Elemente des Schiff- bzw. Uboot-Baus. Insbesondere die Miniaturisierung von zahl- reichen Komponenten sind Schlüsselelemente unbemannter Fahrzeuge in den Dimensionen Land, Luft und See. Im Einzelnen gehören hierzu Steuerung, Antrieb und Energieversorgung, computergestützte Sammlung und Auswertung von Sensordaten, verschiedene Möglichkeiten der Kommunikation unter Wasser sowie über Schnittstellen von unter Wasser nach über Wasser und nicht zuletzt die Entwicklung und Implementierung verschiedener Stufen der Automatisierung bis hin zu autonomer Missionsausführung. Im Anbetracht dieser Relevanz hat das Referat Zukunftsanalyse des Planungsamtes der Bundeswehr das Potenzial von unbemann- ten Unterwassersystemen in einem Future Topic untersucht. Dabei wurden sowohl technische Aspekte betrachtet als auch politische, rechtliche und gesellschaftliche Faktoren mit berücksichtigt. Insbesondere die Problematik der Verwendung von künstlicher Intelligenz bei gleich- zeitiger Wahrung menschlicher Entscheidungsautonomie bis hin zum Effektoreneinsatz, waren Bestandteil der Untersuchungen. Ferngelenkte Systeme werden hauptsächlich in der Minenjagd verwendet Die verschiedenen Entwicklungsstufen der „Selbständigkeit“, ange- fangen mit ferngelenkt über automatisiert bis hin zu autonom, sind ent- scheidend für die Einsatzmöglichkeiten von UUVs. Gerade diese Stufen der Selbständigkeit sind zugleich der kritischer Faktor mit Blick auf die Eingriffsmöglichkeit des Menschen auf System und Mission des UUV. Ferngelenkte Systeme sind der dauerhaften und verzugslosen Kontrolle eines Bedieners unterworfen, der als Man-in-the-loop – meist über eine Art Nabelschnur – alle Handlungen des UUV lenkt und damit auch ethisch-moralisch und rechtlich verantworten muss. Diese Fahrzeuge sind wegen der unverzichtbaren Einflussnahme des Menschen auf die Mission Hajo Lippke Fortschritt in der Entwicklung autonomer unbemannter Unterwasserfahrzeuge SEAFOX UUV bei der Königlich-Thailändischen Marine. (Foto: Atlas Elektronik) Marine Spezial 41 IV/2017

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Das Planungsamt der Bundeswehr untersucht zukünftige Entwicklungen unbemannter Unterwasserfahrzeuge. Der Autor Dr. Hajo Lippke ist Mitarbeiter des Planungsamts der Bundeswehr, Abteilung I, Referat Zukunfts analyse

Einer der wesentlichen Zukunftstrends für die Fähig­keiten von Streit kräften ist die zunehmende Nutzung von unbemannten Systemen. Die fachliche Debatte findet in nicht­öffentlichen Expertengremien statt und dreht sich um das technologische Innovationspotenzial im Bereich künstliche Intelligenz. Die öffentliche Debatte hingegen ist geprägt durch Begriffe wie den der Drohne. Dabei wird das Bild verengt auf fliegende Systeme wie HERON oder REAPER und damit auf Systeme in Nutzung ande­rer Streitkräfte und deren mitunter völkerrechtswidrigen Einsatz. Tatsache ist jedoch, dass unbemannte Systeme inzwischen schon seit Jahrzehnten in allen Dimensionen im Einsatz sind.

Unbemannte Unterwasserfahrzeuge (UUV) stellen innerhalb der Gruppe der unbemannten Systeme eine Sonderform dar. Aufgrund der physikalischen Besonderheiten des Operierens unter Wasser – insbesondere der damit verbundenen Einschränkungen in der Kommunikation – sind sie in beson­derem Maße davon abhängig, autonome Steuerungssysteme nutzen zu können. Forschungs­ und Entwicklungsarbeiten an diesen Fahrzeugen sind in vielerlei Hinsicht als Schlüssel für zukünftige unbemannte Systeme zu sehen. Die dabei zu betrachtenden Faktoren umfassen Elemente des Schiff­ bzw. Uboot­Baus. Insbesondere die Miniaturisierung von zahl­reichen Komponenten sind Schlüsselelemente unbemannter Fahrzeuge in den Dimensionen Land, Luft und See. Im Einzelnen gehören hierzu Steuerung, Antrieb und Energieversorgung, computergestützte Sammlung und Auswertung von Sensordaten, verschiedene Möglichkeiten der Kommunikation unter Wasser sowie über Schnittstellen von unter Wasser nach über Wasser und nicht zuletzt die Entwicklung und Implementierung verschiedener Stufen der Automatisierung bis hin zu autonomer Missions ausführung.

Im Anbetracht dieser Relevanz hat das Referat Zukunftsanalyse des Planungsamtes der Bundeswehr das Potenzial von unbemann­ten Unterwassersystemen in einem Future Topic untersucht. Dabei wurden sowohl technische Aspekte betrachtet als auch politische,

rechtliche und gesellschaftliche Faktoren mit berücksichtigt. Insbesondere die Problematik der Verwendung von künstlicher Intelligenz bei gleich­zeitiger Wahrung menschlicher Entscheidungsautonomie bis hin zum Effektoreneinsatz, waren Bestandteil der Untersuchungen.

Ferngelenkte Systeme werden hauptsächlich in der Minenjagd verwendet

Die verschiedenen Entwicklungsstufen der „Selbständigkeit“, ange­fangen mit ferngelenkt über automatisiert bis hin zu autonom, sind ent­scheidend für die Einsatzmöglichkeiten von UUVs. Gerade diese Stufen der Selbständigkeit sind zugleich der kritischer Faktor mit Blick auf die Eingriffsmöglichkeit des Menschen auf System und Mission des UUV.

Ferngelenkte Systeme sind der dauerhaften und verzugslosen Kontrolle eines Bedieners unterworfen, der als Man­in­the­loop – meist über eine Art Nabelschnur – alle Handlungen des UUV lenkt und damit auch ethisch­moralisch und rechtlich verantworten muss. Diese Fahrzeuge sind wegen der unverzichtbaren Einflussnahme des Menschen auf die Mission

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SEAFOX UUV bei der Königlich-Thailändischen Marine. (Foto: Atlas Elektronik)

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für Operationen in der Nähe eines Objektes geeignet, da sie sich ziel­genau steuern und navigieren lassen. Weitere Vorteile sind die beinahe schon beliebige Größe und Zuladungskapazität, die direkte Kontrolle sowie der Echtzeit­Datenaustausch und die prinzipiell unbegrenzten Einflussmöglichkeiten auf den Missionsverlauf. Die Nachteile liegen in einer Einschränkung der Reichweite und Manövrierbarkeit sowie in der Abhängigkeit von der Kontrollstation. Sie werden überwiegend im kom­merziellen Bereich (Offshore, Ressourcen abbau, Unterwasserkabellegen, Ozeanographie) verwendet, militärische Nutzungen beschränken sich derzeit auf die Minensuche und vor allem die Minenjagd.

Teilautomomatische unbemannte Unterwasserfahrzeuge navigieren eigenständig

Bei einer teilautomatischen Steuerung ist eine Überwachung durch den Bediener gegeben. Dabei wird das System durch einen Autopiloten gelenkt, der definierte und programmierte Regeln beachtet sowie vorbe­stimmte Abläufe vollautomatisch ausführt. Das System handelt innerhalb der ihm vorgegeben Regeln und überschreitet diese nicht. Eine teilau­tomatische Steuerung liegt vor, wenn das Fahrzeug bspw. eigenständig navigiert (ohne Eingreifen des Operateurs) und entweder an bestimmten Wegpunkten/Zeitintervallen oder bei bestimmten Vorkommnissen/Lagen die direkte Rückmeldung des Controllers anfordert. In diesen Fällen würde das UUV auftauchen und eine Funkverbindung zum Operateur herstellen (Man­on­the­loop).

Autonome SystemeAutonome Systeme stellen eine nochmalige Steigerung des Grades

an Selbständigkeit dar. Diese sind befähigt, ihre Umwelt und Lage ei­genständig zu analysieren, zu bewerten, zu beurteilen und sogar ei­gene Entscheidungen zu treffen, die nicht vorher definiert waren. Ein menschlicher Operateur ist in die Entscheidung nicht eingebunden (Man­out­of­the­loop).

Diese Fähigkeit, autonome Entscheidungen treffen zu können, kann im Fall der unbemannten Unterwasserfahrzeuge bei Navigationsproblemen ein Vorteil sein. Aus technologischer Sicht wäre auch der autonome Einsatz von Waffen und Wirkmitteln denkbar, mit all seinen ethisch­moralischen und rechtlichen Fragen. Gerade wegen dieser ethisch­moralischen und

rechtlichen Fragen beabsichtigt Deutschland derzeit keine Beschaffung von Systemen mit der Fähigkeit zu autonomem Handeln.

Die strengen Maßstäbe, die die Bundeswehr an ihr eigenes Verhalten angelegt, könnten allerdings auf technologische Art und Weise als „pro­grammierbare Lösung“ implementiert werden. Die Programmierung der zu beachtenden Einsatzregeln bzw. Grundlagen, wie etwa die Genfer Konventionen oder das Völkerrecht, können einen rechtskonformen Einsatz technologisch sicherstellen. Die in Deutschland diskutierten Ein­schränkungen bei der Nutzung unbemannter Systeme stellen allerdings international keinesfalls die Regel dar. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass potenzielle und tatsächliche Nutzer von autonomen Systemen diese auch einsetzen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zahlreiche potenzielle mili­tärische Szenarien für den Einsatz von UUVs eine verzugslose Reaktion des Systems auf sich ändernde Lagen vorsehen. Diese Reaktion kann nur durch eine direkte Kommunikation mit einem Bediener (und entsprechen­den Beschränkungen bei der Bedienung selbst) oder durch ein eigenstän­diges Handeln des Fahrzeugs, also einer Fähigkeit zur Autonomie (und ent­sprechenden Fragestellungen bzgl. Verantwortung und Angemessenheit der Reaktion), geleistet werden.

Strategieentscheidende Entwicklungen sind für die Seekriegsführung kurzfristig nicht zu erwarten. Stattdessen wird es Lösungen insbesondere bei den Herausforderungen der Zulassung, Genehmigung und weiteren rechtlichen Regelungen geben. Auf technischer Seite gehen die Experten davon aus, dass sich in den klassischen Einsatzgebieten von unbemann­ten Unterwasserfahrzeugen (Minensuche/­jagd, Ozeanographie) die Nutzungsdichte erhöht. Zu den Treibern der technischen Entwicklung ge­hören primär die zivile und industrielle Nutzung.

In den nächsten 20 Jahren werden – bei entsprechendem Fortschritt in der Entwicklung künstlicher Intelligenz – weitestgehend autonome Unter wasserfahrzeuge technisch möglich und einsatzbereit werden. Dann können UUVs bei ihrem Auftrag die genaue Ausgestaltung ihrer Mission eigenständig nach entsprechenden Kriterien und Parametern planen und ausführen. Dennoch sind sie – ebenso wie menschliche Operateure – nicht unfehlbar. Diese Fehlerquote steht jedoch in keinem Verhältnis zum Potenzial menschlichen Fehlverhaltens sowie den Kosten und Einschränkungen, die alternativ bemannte Systeme verursach­ten. Inwieweit ein solcher Einsatz tatsächlich durchgeführt wird, obliegt dann weniger der technischen Machbarkeit, sondern einer politischen Entscheidung. wt

Bei der Vernichtung einer lokalisierten Mine kooperiert zwecks Sprengung der Mine ein unbemanntes Unterwasserfahrzeug als Primärfahrzeug mit einem unbemannten,

ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug als Sekundärfahrzeug, das mit einer Sprengladung ausgerüstet ist. Zu sehen ist ein Szenario mit dem KNIFEFISH UUV der US Navy.

(Foto: GDMS)

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