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Bei der Parkinsonerkrankung kommt es neben den im Vordergrund stehenden motorischen Beeinträchtigungen auch zu kognitiven Defiziten, d. h. zu Einbussen im Gedächtnis, in der Aufmerksamkeit oder in der Wahrnehmung. Mit dem Fortschreiten der Krankheit können diese Einbussen zunehmen. Kognitives Training stellt eine vielversprechende, nicht-pharma- kologische Behandlungsmöglichkeit für kognitive Leistungseinschränkungen dar. Denn diese Art von Behandlung ist leicht zugänglich und bringt keine unerwünsch- ten Nebenwirkungen mit sich. Unter kognitivem Training versteht man das Trainieren von spezifischen, das Den- ken betreffende Funktionen. Dessen Ziel ist es, die geistigen Fähigkeiten aufrecht- zuerhalten und zu stärken, um so eine Verbesserung der Alltagsfunktionalität zu erlangen. Arten von Gedächtnistraining Es gibt unzählige Angebote für kogni- tive Trainings. Es besteht einerseits die Möglichkeit, die geistige Leistungsfä- higkeit in Gruppensitzungen zu verbes- sern, andererseits kann auch individu- ell trainiert werden. Institutionen wie der Schweizerische Verband für Gedächtnis- training (www.gedaechtnistraining.ch) bieten ganzheitliche Trai- ningsprogramme an. Das bedeutet, dass nicht nur ein spezifischer Aspekt des Gehirns trainiert wird, sondern viele verschiedene. Diese können mit anderen unterstützenden Behand- lungsmöglichkeiten, wie Maltherapie, Tanzen oder Ähnlichem, verbunden wer- den. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, in regionalen Institutionen, etwa Alters- und Pflegeheimen oder Memory-Kliniken, an begleiteten Trainingsprogrammen teilzu- nehmen (www.prosenectute.ch/de/ dienstleistungen). Gedächtnistraining – Nutzen und Limitationen Zunehmende Vergesslichkeit soll nicht einfach hingenommen werden. Die Forschergruppe um Prof. Dr. med. Peter Fuhr der Universität Basel beschreibt Nutzen und Grenzen von Gedächtnistraining bei Parkinson. Spiele wie Schach, Jass oder Memory können den Geist wachhalten – und machen Spass. Foto: Fotolia Es gibt unzählige Angebote für kognitive Trainings. 8 PARKINSON 128

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Bei der Parkinsonerkrankung kommt es neben den im Vordergrund stehenden motorischen Beeinträchtigungen auch zu kognitiven Defiziten, d. h. zu Einbussen im Gedächtnis, in der Aufmerksamkeit oder in der Wahrnehmung. Mit dem Fortschreiten der Krankheit können diese Einbussen zunehmen. Kognitives Training stellt eine vielversprechende, nicht-pharma-kologische Behandlungsmöglichkeit für kognitive Leistungseinschränkungen dar. Denn diese Art von Behandlung ist leicht zugänglich und bringt keine unerwünsch-ten Nebenwirkungen mit sich.

Unter kognitivem Training versteht man das Trainieren von spezifischen, das Den-ken betreffende Funktionen. Dessen Ziel ist es, die geistigen Fähigkeiten aufrecht-

zuerhalten und zu stärken, um so eine Verbesserung der Alltagsfunktionalität zu erlangen.

Arten von GedächtnistrainingEs gibt unzählige Angebote für kogni-tive Trainings. Es besteht einerseits die Möglichkeit, die geistige Leistungsfä-higkeit in Gruppensitzungen zu verbes-sern, anderer seits kann auch individu-ell trainiert werden. Institutionen wie der Schweizerische Verband für Gedächtnis-training (www.gedaechtnistraining.ch)

bieten ganz heitliche Trai-ningsprogramme an. Das bedeutet, dass nicht nur ein spezifischer Aspekt des Gehirns trainiert wird,

sondern viele verschiedene. Diese können mit anderen unterstützenden Behand-lungsmöglichkeiten, wie Mal therapie, Tanzen oder Ähnlichem, verbunden wer-den. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, in regionalen Institutionen, etwa Alters- und Pflegeheimen oder Memory-Kliniken, an begleiteten Trainingsprogrammen teilzu-nehmen (www.prosenectute.ch/de/dienstleistungen).

Gedächtnistraining – Nutzen und LimitationenZunehmende Vergesslichkeit soll nicht einfach hingenommen werden. Die Forschergruppe um Prof. Dr. med. Peter Fuhr der Universität Basel beschreibt Nutzen und Grenzen von Gedächtnistraining bei Parkinson.

Spiele wie Schach, Jass oder Memory können den Geist wachhalten – und machen Spass. Foto: Fotolia

Es gibt unzählige Angebote für kognitive

Trainings.

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Von links: Prof. Dr. med. Ute Gschwandtner, Antonia Meyer, MSc, Prof. Dr. med. Peter Fuhr, Denise Bamberger, BSc Foto: zvg Universität Basel

Diese basieren oft auf wissenschaft- lich entwickelten Computerpro grammen (z. B. NEUROvitalis, CogniPlus, Rehacom). Obwohl sie teuer sind, erwiesen sich diese Programme nur bedingt als nützlicher als andere Trainingsoptionen.

Für diejenigen, die ein individu elles Training bevorzugen, sind computerba-sierte Spiele und Apps für Tablet oder Smartphone verfügbar. Beliebte «Gehirn-jogging-Apps» sind z. B. NeuroNation, Lumo sity oder Peak, die kostenlos her-unter geladen und genutzt werden kön nen. Falls eine grössere Auswahl an Übungen gewünscht wird, sind Premium-Versio-nen gegen eine monatliche Gebühr erhält-lich. Diese Angebote bieten vielfältigere Übungen und andere nützliche Funktio-nen an, wie Statistiken oder Verbesse-rungsverläufe in übersichtlichen Grafiken.

Die Kosten für die Premium-Versionen belaufen sich auf ca. 3 bis 10 Fran ken monatlich.

Für Personen, denen computerbasierte Trainings nicht zusagen, gibt es die Mög-lichkeit, ihre geistigen Fähigkeiten mit Denksportaufgaben wie Kreuzworträtsel, Sudokus oder Knobelaufgaben aus Zei-tungen oder Zeitschriften zu verbessern. In Buchhandlungen gibt es Praxisbücher mit Übungen, die sich speziell an ältere Menschen richten.

Wirksamkeit des TrainingsWissenschaftliche Studien konnten zei gen, dass kognitive Trainings u. a. Verbesse-rungen in den Bereichen Gedächtnis, Auf-merksamkeit und Allgemeinwissen bewir-ken können. Diese Wirkung nimmt jedoch nach Beendigung des Trainings relativ schnell ab. Es ist deshalb wichtig, dass das Training über einen möglichst langen Zeit-

raum regelmässig durchgeführt wird, um eine nachhaltige Verbesserung der Denkprozesse zu bewirken. Ver-besserungseffekte sind zudem sehr

spezifisch, d. h., das Trainieren einer bestimmten Aufgabe verbessert zwar die

Fähigkeit, explizit diese Aufgabe schnell und gut lösen zu können, ein Übertra-gungseffekt auf alltägliche Aufgaben ist

jedoch weniger zu erwarten.Ein regelmässiges Training gelingt

leichter, wenn es motivierend gestal-tet ist und Spass macht. Es sollte des-

halb den eigenen Bedürfnissen angepasst sein. Um einen frühzeitigen Abbruch des Trainings zu verhindern, ist es hilfreich, wenn dieses im Alltag eingebaut und immer zur gleichen Uhrzeit durchgeführt wird. Eine optimale Häufigkeit und Dauer des Trainings wurde wissenschaftlich nicht überzeugend nachgewiesen. Verschiedene Studien konnten jedoch zeigen, dass ein Training von zwei- bis dreimal pro Woche während mindestens 30 Minuten bereits Wirkung zeigt.

Ergänzend zu kognitivem Training ist es auch wichtig, sich körperlich zu betätigen. Gemäss Studien können körperliche Akti-vitäten, wie beispielsweise Nordic Walking oder Spaziergänge, das kognitive Training unterstützen und sogar verstärken.

SchlussfolgerungKognitives Training ist leicht zugänglich und zu Hause durchführbar. Es ist völlig unschädlich und frei von Nebenwirkun-gen. Manchmal zeigt sich ein erstaunli-cher Erfolg. Die Integration des Trainings in den Alltag ist optimal. In Verbindung mit körperlicher Aktivität wird die Chance auf Wirksamkeit noch erhöht.

Denise Bamberger, BSc,

Prof. Dr. med. Peter Fuhr,

Prof. Dr. med. Ute Gschwandtner,

Antonia Meyer, MSc

Vor- und Nachteile von Gedächtnistrainingsarten

Individuelles Training

Sozialer Kontakt

Zugänglichkeit

Ganzheitliches Trainingsprogramm

Apps1 Senioren- gruppen2

Trainings- bücher

Legende: - nicht gut geeignet; + geeignet; ++ gut geeignet; +++ sehr gut geeignet1 z. B. NeuroNation, Lumosity, Peak, 2 Weitere Infos unter: www.gedaechtnistraining.ch oder www.prosenectute.ch/de/dienstleistungen

Lesebeispiel der Tabelle: Gedächtnistraining in Seniorengruppen hat in allen Aspekten Vorteile, v. a. ist es ein ganzheitliches Trainingsprogramm und fördert die sozialen Kontakte.

G E DÄ C H T N I S T R A I N I N GB R E N N P U N K T

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Eine Basler Forschergruppe um Prof. Dr. med. Peter Fuhr hat zwei Arten von com-puterbasierten Trainings bei Parkinson-patienten im Rahmen einer wissenschaft-lichen Studie miteinander verglichen: CogniPlus und Nintendo Wii.

CogniPlus ist eine computerisierte, wis sen schaftlich fundierte Trainingsbat-terie, mit der spezifisch kognitive Funk-tionen trainiert werden. Für die Studie wurden vier Aufgaben gestellt, welche die geistige Leistung – Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Planen, exekutive Funk tion – trainierten.

Nintendo Wii ist eine Spielkonsole, die seit dem Jahre 2006 frei erhältlich ist. Sie besitzt, wie viele andere Spielsysteme, eine Fernbedienung (Controller), die zusätzlich über einen eingebauten Bewe-gungssensor verfügt. Dabei werden im Raum Position und Bewegungen des Spie-lenden via Controller registriert und in entsprechende dreidimensionale Bewe-gungen der Spielfiguren auf dem Bild-

Bewegung verstärkt die WirkungKörperliche Aktivität unterstützt das Gedächtnistraining, zeigt eine Basler Studie. Verglichen wurden zwei Computerspiele.

schirm umgesetzt. In der vor drei Jahren in der Zeitschrift «Neurology» publizierten Studie trainierten die Teilnehmenden mit vier naturgetreuen Sportspielen: Tischten-nis, Fechten, Bogenschiessen, Sportfliegen.

Die Studie, an der 40 Parkinson-patienten teilnahmen, kam zum überra- schenden Ergebnis, dass die Nintendo- Wii-Trainingsgruppe eine stärkere Ver bes-serung der geistigen Leistungsfähigkeit erzielte, als die CogniPlus-Trainings gruppe.

Gedächtnishilfen im Alltag• Terminkalender: Benutzen Sie

einen Terminkalender, in den Sie wichtige Termine, Geburtstage oder Ähnliches eintragen.

• Notizbuch: Legen Sie sich ein handliches Notizbuch zu, das Sie, wenn möglich, immer bei sich tragen, um wichtige Informationen, Abläufe oder Ideen festzuhalten.

• Feste Rituale: Versuchen Sie, feste Rituale oder Abläufe für alltägliche Dinge einzuführen, etwa bei der Medikamenten-einnahme, bei körperlichen und geistigen Trainings oder vor dem Zubett gehen.

TIPPSi

CogniPlus ist eine computerisierte, wissenschaftlich fundierte Trainingsbatterie, mit der spezifisch kognitive Funktionen trainiert werden.

Regel: In jeder Spalte, in jeder Zeile und in jedem 3x3-Quadrat darf jede Zahl nur einmal vorkommen. Auflösung siehe Seite 47.

CogniPlus®

Rätsel-Ecke: Sudoku

Körperliche Aktivität scheint die Wirkung von kognitivem Training bei Parkinsonpa-tienten zu verstärken. Dies ist eine wich-tige Erkenntnis für die Behandlung und Verbesserung von kognitiven Beeinträch-tigungen bei der Parkinsonkrankheit.

Denise Bamberger, BSc,

Prof. Dr. med. Peter Fuhr,

Prof. Dr. med. Ute Gschwandtner,

Antonia Meyer, MSc

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