FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“...

29
FOTOGESCHICHTE Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie Jonas Verlag 2002 Heft 85/86

Transcript of FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“...

Page 1: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

160 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

FOTOGESCHICHTEBeiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie

Jonas Verlag 2002 Heft 85/86

Page 2: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

97aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Miriam Y. Arani

„Und an den Fotos entzündete sich dieKritik“Die „Wehrmachtsaustellung“, deren Kritiker und die Neukonzeption.

Ein Beitrag aus fotohistorisch-quellenkritischer Sicht

Dem Hamburger Institut für Sozialforschung ge-lang es mit der Ausstellung „Vernichtungskrieg.Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ diedeutsche Öffentlichkeit zu interessieren für die ak-tive Beteiligung der Wehrmacht an den Verbrechengegen sowjetische Kriegsgefangene und Zivilistenim Osten und Südosten Europas. Die Ausstellungzielte darauf, die nach 1945 etablierte Legende voneiner „sauberen“ Wehrmacht zurückzuweisen: Siebeurteilte sie als verbrecherisch, weil die Befehleder militärischen Führung eine bewusste Entgren-zung der vom Kriegsvölkerrecht vorgegebenenHandlungsspielräume darstellten.1 Die Kontrover-sen um die Fotos dieser Ausstellung, deren Schlie-ßung und Neukonzeption verdeutlichten u. a. dieherrschenden Defizite des archivalischen und ge-schichtswissenschaftlichen Umgangs mit fotografi-schen Quellen zur Zeitgeschichte.2

Die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechender Wehrmacht 1941 bis 1944“

Die Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Ver-brechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ wurde vonMärz 1995 bis November 1999 in 33 deutschenund österreichischen Städten gezeigt. Bis zum No-vember 1999 hatten sie über 850.000 Menschenbesucht.3 Wie auch in anderen historischen Aus-

stellungen wurde das Bildmaterial in erster Liniededuktiv benutzt, d. h. abstrakte sprachliche Aussa-gen sollten durch Fotografien sinnlich-konkret ver-anschaulicht werden. Diese unter Historikern übli-che und von Fotohistorikern oftmals kritisierte illu-strative Gebrauchsweise von Fotografien wurdehierbei vergleichsweise wirkungsvoll eingesetzt.Speziell die ästhetische Verdichtung von fotografi-schen Dokumenten physischer Gewaltanwendunggegen Zivilisten wurde von manchen als zu „sug-gestiv“ kritisiert.4

In der Ausstellung wurden fotografische Auf-nahmen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs teilszur Illustration der Texte, teils in Form thematischzusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welchedie Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten.Letzteres galt insbesondere für die Installation„Das Eiserne Kreuz“, in dem eine Vielzahl von Fo-tografien ohne weitergehende Erklärungen unterden Überschriften „Judenquälen“, „Galgen“, „ToteZonen“, „Genickschüsse“, „Gefangenschaft“ und„Deportationen“ zusammengefasst wurden.5 Diehier verdichteten Fotografien zeigten verschiedeneFormen physischer Gewaltanwendung gegenüberZivilisten im Osten und Südosten Europas und dieFormen der Teilhabe von Wehrmachtssoldaten andiesen grausigen Spektakeln (Abb. 1). Die Be-schriftungen der fotografischen Aufnahmen in derAusstellung wie auch im Katalog waren oftmals

Page 3: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

98 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Abb. 1 Thematische Zusammenstellung von Fotografien im „Eisernen Kreuz“ unter der Überschrift „Galgen“. (aus: HamburgerInstitut für Sozialforschung [Hrsg.], Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Ausstellungskatalog, Hamburg1997, S. 192).

nachlässig. Sie wiesen nur gelegentlich und ohnejegliche Systematik auf die Entstehungs- undÜberlieferungszusammenhänge der betreffendenBilder hin. Dabei wurde relativ deutlich unterschie-den zwischen privaten Fotografien und offiziellenFotografien der deutschen Propagandakompanien.6

Die Ausstellung präsentierte auf über 90 Tafelninsgesamt 1.433 Fotos. Mit Ausnahme von 735kleinen Porträtfotos der Opfer einer Massener-

schießung in Serbien, die auf zwei Ausstellungsta-feln gezeigt wurden, präsentierte die Schau aus-schließlich Fotografien, die Deutsche oder Öster-reicher gemacht hatten.7 Dabei handelte es sich zu80% um private Fotografien deutscher und österrei-chischer Soldaten vom Kriegsgeschehen; zeitge-nössische Pressefotografien von den Propaganda-kompanien (PK) der deutschen Wehrmacht wurdennur in vergleichsweise geringem Umfang (20%) in

Page 4: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

99aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

die Ausstellung aufgenommen.8 Speziell unter denim „Eisernen Kreuz“ gezeigten Fotografien befan-den sich zahlreiche private Kriegsfotografien, wel-che die zivilen „Opfer“ des nationalsozialistischenVernichtungsfeldzugs im Osten wie auch die kör-persprachlichen Ausdrücke der Zustimmung durchWehrmachtssoldaten sichtbar machten. Insbeson-dere diese privaten Schnappschüsse führten demAusstellungspublikum das Ausmaß der Gewalt inden von der deutschen Wehrmacht eroberten undbeherrschten Ländern im Osten und Südosten Eu-ropas „ungeschminkt“ vor Augen.9 Eines dieserBilder zeigte beispielsweise drei Männer, die an ei-nem Galgen auf Rollen öffentlich gehängt wordenwaren (Abb. 2). Derartige Fotografien wurdenhauptsächlich von den Archiven, Museen und Ge-denkstätten der damals besetzten Länder im Ostenund Südosten Europas gesammelt und überliefert.Den Abbildungsnachweisen im Ausstellungskata-log zufolge stammte die Hälfte der ausgewähltenund präsentierten Fotos aus öffentlichen Sammlun-gen der ehemals besetzten Länder und nur ein Vier-tel aus öffentlichen Sammlungen in Deutschlandund Österreich.10

In der veröffentlichten Meinung hieß es über dieZurschaustellung der fotografischen Quellen zurGewaltanwendung und zu den Gewaltfolgen, dassderen Massierung abscheulich sei, dass es sich umeine „pamphletistische Collage“ handele und dassdie Bilder eine Zumutung seien.11 Manche Kritikernährten auch den Verdacht, die Fotografien von zi-vilen Todesopfern seien ein Produkt kommunisti-scher Propaganda, das aus „sowjetischen“ Archi-ven gespeist werde. Doch während der Laufzeit derAusstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen derWehrmacht 1941 bis 1944“ zeigte sich, dass eben-solche Fotoaufnahmen auch in deutschen undösterreichischen Privathaushalten überliefert wur-den. Manche Ausstellungsbesucher übergaben demHamburger Institut für Sozialforschung eigene pri-vate Fotobestände, die der Bildwelt der Ausstel-lung entsprachen.12 Die erstmals in großer Zahl öf-fentlich präsentierten privaten Fotos vom Krieg imOsten waren nicht nur ein Ärgernis für national-konservativ-autoritäre Kräfte, sie schufen zugleicheinen lebensweltlichen Bezug der Ausstellung zumPublikum, eine Brücke zum Selbsterlebten und zuden familiären Fotoüberlieferungen. Die erste„Wehrmachtsausstellung“ überwand so die Grenzezwischen öffentlicher Erinnerungskultur und bisdahin ausgegrenzten privaten Erinnerungen. Be-

gleitend zur Ausstellung durchgeführte Interviewsmit Besuchern, Gästebucheinträge und Briefe andie Veranstalter geben Auskunft darüber, wie ein-zelne Besucher die in der Ausstellung präsentiertenFotografien wahrnahmen. Ein Teil der Besucherin-nen und Besucher, deren Väter oder Großväter alsWehrmachtssoldaten dienten, suchten hier Antwor-ten auf Fragen, die in den Familien oft unbeantwor-tet blieben und mit Schweigen quittiert wurden.13

Die Nähe der in dieser Ausstellung öffentlich ge-zeigten Fotografien zu den privaten Überlieferun-gen und zur Familiengeschichte löste Neugier undAngst zugleich aus. Vereinzelt konnten Besuche-rinnen und Besucher tatsächlich ihren Vater, Groß-vater oder auch Onkel auf einem der präsentiertenFotos identifizieren.14 Zum Teil vermochte dieAusstellung es auch, Verständnis für die Symptomeeiner Traumatisierung der Soldaten durch Kriegs-

Abb. 2 Anonym, Unter der Überschrift „Galgen“ im „Eiser-nen Kreuz“ präsentiertes Foto mit der Beschriftung „Unbekann-ter Ort, UdSSR oder Polen“, ohne Datum (aus: Hamburger In-stitut für Sozialforschung, Vernichtungskrieg. Verbrechen derWehrmacht 1941 bis 1944, Ausstellungskatalog, Hamburg 1997,S. 195, Abb. 76).

Page 5: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

100 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

erlebnisse zu wecken: angesichts der zahlreichenBilder von Gewaltanwendung und Tod wurdenmanchen Ausstellungsbesuchern lebenslange Alp-träume der Väter verständlicher.15 Einzelne Kriegs-teilnehmer unter den Besuchern bestätigten aus ih-rer subjektiven Perspektive, dass sie den Krieg imOsten und Südosten so sahen, wie er in der Aus-stellung dargestellt wurde: in ihrem Kopf seien ent-sprechende Bilder wieder wachgerufen worden unddie Fotos im eigenen Album vom Krieg sähen auchso aus. Ein jüngerer Besucher kannte ähnliche Bil-der aus dem Fotoalbum seines Großvaters.16 DieAussagen von Besuchern bestätigten ferner, dassFotografien von Exekutionen im Osten und miss-handelten sowjetischen Kriegsgefangenen bereitswährend des Krieges in kleinen Teilöffentlichkei-ten kursierten.17 Bildserien, die Exekutionsopfervor und nach ihrem Tod zeigten, veranlassten Be-sucher zu der Frage, was diese Menschen wohldurchgemacht hatten.18

Bei den Ausstellungsbesuchern handelte es sichum Individuen verschiedenen Alters und Bildungs-grades, die sich jeweils persönlich ihrer Interessen-lage entsprechend von den Bildern zu einer weite-ren Auseinandersetzung mit dem Thema anregenließen. Einzelne Historiker wie Horst Möller, Lei-ter des Instituts für Zeitgeschichte in München, be-haupteten, die Besucher der Ausstellung seienemotional leicht zu beeinflussende und an wissen-schaftlichen Büchern nicht interessierte Massen-menschen19, die durch schockierende Fotos dahin-gehend manipuliert würden, alle Wehrmachtsange-hörigen als Verbrecher anzusehen.20 Seine Behaup-tungen, insbesondere die letztere, sind empirischnicht verifizierbar.21 Die Fotografien von Grausam-keiten und Toten wurden von den Ausstellungsbe-suchern nicht in erster Linie als Beweise von Wehr-machtsverbrechen rezipiert, sondern vor allem alsunbeschönigte und detailgetreue Impressionen vonKriegswirklichkeiten „im Osten“.

Die erste Version der “Vernichtungskrieg“-Aus-stellung war – im Verbund mit den jeweils vor Ortangebotenen Begleitprogrammen – nicht nur einMittel wissenschaftlich fundierter rationaler Auf-klärung, sondern auch ein Massenmedium mit ei-ner emotional wirksamen sozialtherapeutischenFunktion.22 Sie brachte eine Vielzahl von Kommu-nikationsprozessen in Gang und ermöglichte eineAuseinandersetzung mit dem in der Nachkriegsge-sellschaft Privatisierten, Marginalisierten und Ta-buisierten. Gegen die Ausstellung formierte sich

eine politische Opposition, deren gemeinsamer An-satzpunkt der Kritik darin lag, die Beurteilung derWehrmacht als „verbrecherische Organisation“ ab-zulehnen. Die politisch motivierte Kritik an derAusstellung nahm in der öffentlichen Diskussioninsgesamt einen breiteren Raum ein als eine seriösefotohistorische Kritik.23 Letztere gab bereits 1997zu Bedenken, dass die Ausstellung keinen medien-kritischen Ansatz hinsichtlich der Fotografien er-kennen lasse, dass die Bilder besser beschriftetwerden sollten und dass künftige Forschungen zumThema die Unterschiede zwischen „Knipsern“ undoffiziellen „Bildberichterstattern“ stärker berück-sichtigen müssten.24 Öffentlichkeitswirksam wurdeaber erst eine angeblich ’fotohistorische‘ Kritik der„Wehrmachtsausstellung“ im Jahr 1999: BogdanMusial und Krisztián Ungváry traten in zwei re-nommierten deutschen Fachzeitschriften zur Zeit-geschichte auf mit dem Anspruch, die Fotografiender Ausstellung sachgerecht beurteilen zu können.Ihre angeblich ’fotohistorisch‘ begründete Kritik,die anschließend von den Massenmedien völlig un-kritisch reproduziert wurde, erfreute sich wahr-scheinlich vor allem deshalb großer Resonanz, weilsie zugleich einer Relativierung der Wehrmachts-verbrechen zuarbeitete: Musial stellte Fotos vonsowjetischen Verbrechen ins Zentrum seines Bei-trages und Ungváry brachte zum Ausdruck, dass erdie von der Wehrmacht durchgeführten Exekutio-nen von Zivilisten für rechtmäßig hält. Diese Ele-mente in ihren Beiträgen machten sie für die Geg-ner der Ausstellung offenbar so attraktiv, dass auchdie methodische Unzulänglichkeit ihres Umgangsmit fotografischen Quellen billigend in Kauf ge-nommen wurde. Es ist notwendig, die Inkompetenzdieser angeblichen Fotohistoriker offenzulegen, umso einer seriösen Kritik fotografischer Quellen an-gemessene Geltung zu verschaffen.

Darüber hinaus ist auf einen weiteren Sachver-halt hinzuweisen, der die geschichtswissenschaftli-che Fachdiskussion betrifft: Im Zusammenhangmit der Diskussion um die Fotos der „Wehrmachts-ausstellung“ wurde wiederholt von Historikern be-hauptet, es gäbe für Fotografien keine verbindli-chen, konsensfähigen Methoden der Quellenkritik.Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die traditionel-le historisch-kritische Methode durchaus auf Foto-grafien übertragen lässt. In der historischen Quel-lenkritik wird unterschieden zwischen einer äuße-ren und inneren Kritik der Quelle.25 Zur äußerenQuellenkritik zählt die Echtheitsbestimmung und

Page 6: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

101aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Objektbeschreibung; sie umfasst Angaben zu äuße-ren und stilistischen Merkmalen sowie zur Entste-hung und Überlieferung der Quelle. Die innereQuellenkritik soll demgegenüber Aufschluss überden spezifischen Aussagewert einer Quelle geben;hierbei ist der Vergleich zwischen zeitgleich, aberunabhängig voneinander entstandenen Quellenzum gleichen Ereignisfeld oder Themenkomplexdie sicherste Methode zur Beurteilung der Aussagebzw. des Quellenwerts. Diese Methode ist Grund-lage meiner folgenden Aussagen zu Fotografien alshistorischen Quellen. Eines der anthropologischwichtigsten Themen im Krieg ist der Tod des ’An-deren‘. Der Aussagewert verschiedener fotografi-scher Quellen kann beispielsweise durch Quellen-vergleiche zu diesem Thema näher bestimmt wer-den.

Zur Kritik der Kritiker I: Bogdan Musial

Bogdan Musial, deutscher Staatsbürger polnischerMuttersprache, wurde zum prominentesten Kritikerder Fotos der „Wehrmachtsausstellung“. Er warfden Veranstaltern der Ausstellung vor, dass minde-stens neun Bilder nicht Opfer der Wehrmacht, son-dern Opfer des sowjetischen NKWD zeigen.26 AlsBelege für seine Thesen führte er in erster Linieschriftliche und mündliche Quellen aus Polen an,wo man sich seit dem Ende der Bevormundungdurch die Sowjetunion juristisch und wissenschaft-lich zu Recht in verstärktem Maß mit deren Verbre-chen am polnischen Volk befasst.27 Seine Kritik aneinzelnen Fotos der Ausstellung bezog sich in er-ster Linie auf eine unzutreffende Identifizierungvon Bildinhalten. Dass einige Bildinhalte nicht zu-treffend identifiziert seien, begründete er vorwie-gend mit wissenschaftlichen und juristischen Er-mittlungen aus Polen sowie dem Vergleich vonBildbeschriftungen in der deutschen Ausstellungeinerseits und polnischen Archiven andererseits.Eine Kritik der fotografischen Quellen selbst lei-stete Bogdan Musial dabei nicht. Er unterzog die inseinem Beitrag angeführten Fotografien weder ei-ner hinreichenden äußeren noch einer innerenQuellenkritik. Zur Objektbeschreibung bedient ersich sehr unpräziser Begriffe. Er spricht wiederholtvon unterschiedlichen „Blickwinkeln“, wobei erden veränderten Bildausschnitt einer fotografi-schen Aufnahme nicht von einem verändertenStandpunkt des Fotografen zu unterscheiden ver-

mag.28 Er nahm auch keine Echtheitsprüfung vor,zu der u. a. auch die Unterscheidung zwischen denfrühesten fotografischen Überlieferungen (zeitge-nössische Negative und Positivabzüge) und denzum Teil sehr viel später angefertigten Reproduk-tionen zählt.29 Manche Fotografien bezeichnet erleichtfertig als Nahaufnahmen, obwohl es sichebenso um spätere Ausschnittsvergrößerungenbeim Reproduzieren handeln kann.30

Dass Bogdan Musial jegliche innere Kritik derfotografischen Quellen vermissen lässt, wird da be-sonders deutlich, wo er private Fotografien vondeutschen Soldaten und offizielle Pressefotografiender Hauptabteilung Propaganda bei der nationalso-zialistischen Regierung des Generalgouvernementsin Krakau31 gleichermaßen als „wirkliche Doku-mentaraufnahmen“32 interpretiert. So führt er bei-spielsweise eine Fotografie mit dem Titel „Sowjeti-sche Greuel“33 aus der Hauptabteilung Propagandaohne jegliche quellenkritische Analyse als „wirkli-che Dokumentaraufnahme“ bzw. Beleg für seineThese von NKWD-Morden an. Unter dem Ge-sichtspunkt der inneren Quellenkritik besteht dasProblem nicht darin, ob und wie viele Opfer vomNKWD zu verantworten sind, sondern darin, dassdie Propagandaabteilung der deutschen Besat-zungsverwaltung in Polen nur Bildmaterial in Auf-trag gab und sammelte, das den propagandistischenZielen des NS-Staates entsprach. Musial ignoriertdie unterschiedlichen Entstehungszusammenhängeund Aussageabsichten der privaten Erinnerungs-aufnahmen und Pressefotografien völlig. Diese bei-den Quellengruppen unterscheiden sich sowohlformal als auch inhaltlich in der Erfassung undDarstellung historischer Wirklichkeiten, insbeson-dere hinsichtlich der Darstellung vom Tod des ’An-deren‘ bzw. des feindlichen Gegenübers im Krieg.

Die Pressefotografie im NS-Staat war einer par-tei- und regierungsamtlichen Lenkung unterwor-fen. Verschiedene Dienststellen achteten darauf,dass nur solche Fotografien professionell herge-stellt und öffentlich verbreitet wurden, die denZielsetzungen der NS-Propaganda entsprachen. ImKrieg gegen die Sowjetunion wurden visuelleNachrichten über eigene Verbrechen unterdrücktund „sowjetische Verbrechen“ groß herausge-stellt.34 Die NS-Propaganda als psychologischeKriegsführung zielte darauf, dem Kriegsgegner So-wjetunion und „den Juden“ furchterregende „Greu-eltaten“ vorzuwerfen. Dadurch sollte von den eige-nen Verbrechen abgelenkt und der deutsche An-

Page 7: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

102 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

griffskrieg legitimiert werden.35 Zu diesem Zweckwurden speziell solche Toten zahlreich von deut-schen Pressefotografen aufgenommen und von denPresse- und Propagandastellen verbreitet, die vorder Weltöffentlichkeit den „Feinden“ als „Greuel-taten“ vorgeworfen werden sollten. Auch das Bild-material der nationalsozialistischen „Hauptabtei-lung Propaganda“ im deutsch besetzten Krakau,auf welches sich Musial beruft, wurde zu diesenPropagandazwecken hergestellt, archiviert und ver-breitet; es ist in seiner Thematik und Darstellungs-weise im Kontext der antijüdischen und antisowje-tischen Propagandakampagnen des NS-Regimes zusehen.36

Im Bildarchiv der Hauptabteilung Propagandabefanden sich noch weitere Fotos, die den deut-schen Angriff auf die Sowjetunion moralisch legiti-mieren sollten, indem sie Tote zeigen, die demKriegsgegner angelastet werden: Ein Beispiel hier-für ist die bildfüllende Aufnahme eines am Bodenliegenden, verhungerten Jugendlichen von dem

Abb. 3 PK-Fotograf Duckert: „Das ist das Los der Jugend im Sowjet-Paradies. Halbverhungerte in einem beispiellos schmutzigenKrankenhaus, wo niemand da ist, der sich um die unglücklichen Opfer des tyrannischen Systems kümmert.“ (Beschriftung nachWeltbild GmbH), Silbergelatineabzug mit geradem weißen Rand, 13,3 : 18,0 cm (Privatbesitz d. Verf.).

Abb. 4 Rückseite von Abb. 3, mit zwei Stempeln und einemPapieraufkleber der Weltbild GmbH. Der Aufkleber ist typischfür die von den Bildagenturen herausgegebenen Pressebildabzü-ge. Das in der vorletzten Zeile des Papieraufklebers genannteDatum ist nicht das Aufnahmedatum, sondern das Herausgabe-datum der Weltbild GmbH. Bei den handschriftlichen Vermer-ken handelt es sich um Ordnungskennzeichen des Bildarchivsder Hauptabteilung Propaganda sowie um eine Maßangabe, ver-mutlich für eine Reproduktion zur weitergehenden Verwendungin propagandistischen Zusammenhängen.

Page 8: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

103aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

PK-Fotografen Duckert (Abb. 3). Dieses schockie-rende Foto zeigt dem zeitgenössischen offiziellen –d. h. militärisch und politisch zensurierten – Bild-text zufolge einen jungen Menschen, der in einemsowjetischen Krankenhaus verelendet ist (Abb. 4).Anhand der Beschriftungen und Stempel auf derRückseite des zeitgenössischen Pressebildabzugsist zu erkennen, dass diese PK-Fotografie von derFirma „Weltbild“ vertrieben wurde. Die WeltbildGmbH zählte zu einem „arisierten“ Oligopol von„Bildkorrespondenzen“ im NS-Staat, das den ge-samten Markt im Bereich aktueller und politischrelevanter Bildnachrichtengebung im deutschenMachtbereich beherrschte.37 Dieses Oligopol anBildagenturen vertrieb auch die PK-Fotos an diePresse.

Auch die innerhalb der Propaganda-Kompanieneingesetzten Pressefotografen sammelten an denKriegsfronten und in den besetzten Gebieten Pro-pagandamaterial für die psychologische Kriegsfüh-rung Nazi-Deutschlands. Ein Beispiel hierfür ist

Abb. 5 PK-Fotograf Gronefeld, „Greuel der jüdischen roten Kommissare an Zivilisten, bevor sie die Ortschaften verliessen“ (Be-schriftung nach Textautor der Propagandakompanie), Silbergelatineabzug mit geradem weißen Rand, 13,0 : 18,3 cm (Privatbesitz d.Verf.).

Abb. 6 Rückseite von Abb. 5, mit einem Papieraufkleber derPropagandakompanien, dem Eingangsstempel eines Bildpresse-referats und einem Archivstempel der damals in Berlin ansässi-gen Bildagentur Atlantic GmbH. Der Aufkleber ist typisch fürdie von den Propagandakompanien herausgegebenen Presse-bildabzüge.

ein Pressebildabzug des PK-Fotografen Gronefeld(Abb. 5 und 6). Anhand des rückseitigen Aufkle-bers ist erkennbar, dass der zeitgenössische Bild-

Page 9: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

104 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

text zu der Aufnahme nicht von dem Fotografenselbst stammt, aber bereits im Organisationszusam-menhang der Propagandakompanien mit einer pro-pagandistischen Bildbeschriftung versehen wurde.Die offiziellen Bildbeschriftungen der Pressefoto-grafien entsprachen in der Regel den Sprachrege-lungen der NS-Presselenkung oder antizipierendiese.38 Auf der Rückseite des Fotos ist oben linksein Archivstempel der Firma „Atlantic“ erkennbar.Dieses Unternehmen gehörte ebenfalls den poli-tisch „gleichgeschalteten“ und ökonomisch oligo-polisierten Bildagenturen im NS-Staat.39

Um die thematischen Schwerpunkte der Presse-fotografien und ihre Aussageabsichten angemessenzu interpretieren, müssen die Anweisungen desReichsministeriums für Volksaufklärung und Pro-paganda in die Betrachtung mit einbezogen wer-den. Wie aus Goebbels geheimer Ministerkonfe-renz vom 5. Juli 1941 überliefert ist, sollte die So-wjetunion dargestellt werden als ein „gigantischesBetrüger- und Ausbeutersystem, in dem die Schaf-fenden durch blutigen Terror in menschenunwürdi-gen Zuständen ein unbeschreiblich erbärmlichesDasein fristen müssen.“ Er befahl der deutschenPresse, die „menschenunwürdigen Zustände in derSowjetunion“ dem „sozialen Fortschritt“ und „kul-turellem Hochstand“ des nationalsozialistischenDeutschlands gegenüberzustellen. Zu diesemZweck verlangte Goebbels speziell Bilder von„vertierten bolschewistischen Typen“, von „ver-dreckten Sowjetbaracken“ und von „Verbrechender GPU“.40

Derartige Anweisungen hatten einen erheblichenAnteil an der Konzentration der offiziellen deut-schen Pressefotografie auf ganz bestimmte Bildge-genstände und bestimmte Darstellungsweisen die-ser Gegenstände. So wurden von den Pressefoto-grafen nur diejenigen Toten bildfüllend bzw.schockierend nah aufgenommen, für welche dasNS-Regime den „Feind“ verantwortlich machte.Eine öffentliche Verbreitung fotografischer Auf-nahmen von solchen Toten, die dem NS-Regimeoder der Wehrmacht zum Opfer gefallen waren,widersprach demgegenüber den propagandisti-schen Zielsetzungen. Die Anweisungen von Propa-gandaminister Goebbels betrafen auch die Darstel-lung der Bevölkerung in der Sowjetunion. Typischfür die NS-Bildpropaganda während des Kriegesist die Polarisierung zwischen heroisierenden Dar-stellungen der deutschen Soldaten einerseits41 undpejorativen Darstellungen der Bevölkerung in den

östlichen Kriegsgebieten andererseits (Abb. 7 und8). Sie tritt besonders deutlich als Kontrastierung ineiner Bildreportage hervor, in welcher finster undunsauber aussehende Russen und ihre „Greuelta-ten“ frohgemut entschlossenen Deutschen und de-ren Kampfeinsätzen gegenüber gestellt werden.42

Die visuelle Repräsentation der russischen Be-völkerung in den zur weiteren Verbreitung vorgese-henen und redaktionell bereits bearbeiteten PK-Fo-tografien beschränkt sich auf eine bildliche Her-ausstellung derjenigen Eigenschaften, die das Vor-urteil von einer „rassisch-völkischen“ Unterlegen-heit zu bestätigen geeignet sind. Ein Beispiel dafürist eine Aufnahme des PK-Fotografen Hähle, dieebenfalls zu Propagandazwecken bei der Regie-rung des Generalgouvernements archiviert wurde(Abb. 7). Das Bildfeld zeigt halbnah einen erbärm-lich wirkenden Mann in zerschlissener, schmutzi-ger Kleidung mit einem asymmetrisch verzerrtenGesicht. Die fotografische Aufnahme legt nahe,dass es sich um einen abstoßenden, primitivenMenschen bzw. einen „vertierten bolschewisti-schen Typ“ handelt, lässt aber noch eine Möglich-

Abb. 7 PK-Fotograf Hähle: „Solche Verbrechertypen setztendie Sowjets zum Kampf gegen die deutschen Soldaten ein.“(Beschriftung nach Weltbild GmbH), Silbergelatineabzug mitgeradem weißen Rand, 18,0 : 13,1 cm (Privatbesitz d. Verf.).

Page 10: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

105aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

keit offen, Mitleid zu entwickeln. Die offizielleBildbeschriftung (Abb. 8) vermindert die Ambiva-lenz der Bildaussage dahingehend, dass sie denMann – im Sinne der o.g. propagandistischen Ziel-setzung von Goebbels – als „Verbrechertypen“klassifiziert. Diese Aufnahme wie auch die zweizuvor besprochenen Pressefotografien waren Mit-tel der propagandistischen Konstruktion einesFeindbildes.

Bogdan Musial lässt die propagandistisch be-gründete Themenauswahl und Darstellungsweise,die auch der von ihm zitierten Aufnahme von „so-wjetischen Greueln“ zugrunde liegt, völlig außeracht. Er verwendet NS-Propagandamaterial, alshandele es sich um eine politisch neutrale Aussage.Während er im Fall von Fotografien aus „postso-wjetischen“ Archiven wegen möglicher propagan-distischer Verzerrungen der Überlieferung größtesMisstrauen empfiehlt43, verhält er sich gegenüberdem aus einer Institution des NS-Staats stammen-den nationalsozialistischen Propagandamaterialvöllig unkritisch.

Zur Kritik der Kritiker II: Krisztián Ungváry

Der zweite geschichtswissenschaftliche Beitrag,der in der überregionalen Presse kolportiert wurde,war von Krisztián Ungváry aus Ungarn verfasstworden. Er führte den auch von Musial formulier-ten Vorwurf, die „Wehrmachtsausstellung“ zeige

viele Fotos, die nichts mit Wehrmachtsverbrechenzu tun haben, weiter aus.44 Viele der in dieser Aus-stellung gezeigten Fotos würden keine Wehr-machtsverbrechen abbilden, mehrere Bilder wür-den in falschem Kontext oder mit falschen Anga-ben präsentiert (darunter auch hier Abb. 2) und dieBegleittexte zu den Bildern seien unzureichend,verzerrt oder falsch.45

Ungváry gab vor, über quantitative und qualitati-ve Methoden zur Analyse von historischen Foto-grafien zu verfügen. Über die Herkunft, Anwen-dungsmöglichkeiten und -grenzen dieser Methodengibt er keine Auskunft. Seine „quantitative“ Analy-se46 besteht darin, die Bildinhalte der in der Aus-stellung präsentierten Fotos auszuzählen.47 Die Re-duktion bildlicher Aussagen auf Zahlenwerte er-weckt den Anschein von Objektivität. Doch die Artund Weise, wie diese Zahlen zustande kamen, istkritisch zu hinterfragen. Bei der Bildung von Kate-gorien für die Auszählung der Bildinhalte ver-mengt Ungváry zwei Ebenen, die in einer statisti-schen Auswertung auseinandergehalten werdensollten: erstens das tatsächlich auf den BildernSichtbare und zweitens das, was nicht auf den Bil-dern sichtbar ist und nur auf zusätzlichem Hinter-grundwissen aus anderen Quellen beruht und daherauch nicht als Bildinhalt zählbar ist.48 Er kommtdurch diese Vermengung der Auszählung vonsichtbaren Bildinhalten und Zusatzinformationen,die kein Bildinhalt sind, aber von ihm als solchergezählt werden, zu dem Ergebnis, dass bei 10% dergezeigten Fotos von Grausamkeiten die TäterWehrmachtssoldaten seien, dass es sich bei 23%der Fotos um Todesopfer ohne bekannten Täterhandele und dass bei 9% der Fotos die gezeigtenTodesopfer nicht auf Taten der Wehrmacht zurück-gehen würde.

Inhaltsanalysen zählen zu den wichtigsten Me-thoden sozialwissenschaftlicher Medienforschung,doch ihr Aussagewert ist begrenzt. Sie beziehen sichnur auf die im jeweiligen Medienprodukt vorkom-menden Inhalte, lassen dabei aber die Form undDarstellungsweise der Inhalte außer acht.49 AuchUngvárys Statistik erfasst nicht die Unterschiede derForm und Darstellungsweise von fotografischenQuellen aus der Kriegszeit, deren Unterschiede imVergleich von privaten Schnappschüssen und offi-ziellen Pressefotografien besonders deutlich zutagetreten. Er ignoriert die unterschiedlichen Herstel-lungsbedingungen, die Abhängigkeit ihrer Entste-hung von bestimmten Interessenslagen und den Um-

Abb. 8 Rückseite von Abb. 7, mit zwei Stempeln und einemPapieraufkleber der Weltbild GmbH. Bei dem in der zweitenZeile des Bildtexts in Klammern angegebenen Datum handelt essich vermutlich um das Aufnahmedatum der Fotografie. Das inder dritten Zeile des Aufklebers angegebene Datum dagegengibt den Tag an, zu welchem das Pressefoto von der WeltbildGmbH herausgegeben wurde.

Page 11: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

106 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

stand, dass die Fotografien durch ihre Verwendungin einer zeithistorischen Ausstellung in einen neuenGebrauchszusammenhang überführt wurden. Ung-váry geht stattdessen davon aus, dass alle in derAusstellung präsentierten Fotografien Beweismittelseien und die Beziehung der in ihrem Titel genann-ten Oberbegriffe „Wehrmacht“ und „Verbrechen“belegen und visuell konkretisieren sollen.50

Überlegungen zu den Entstehungszusammenhän-gen der Fotografien stellt Ungváry auch nicht imRahmen dessen an, was er als „qualitative Analyse“bezeichnet. Er umschreibt damit das Bestimmenvon Bildinhalten, wobei die Zusatzinformationen,auf die er zu diesem Zweck zurückgreift, nicht im-mer zuverlässig sind. Zur Identifikation der Bildin-halte greift er – wie Musial – hauptsächlich aufschriftliche Überlieferungen zurück und gelegent-lich auch auf Vergleiche mit anderen Bildern undderen Beschriftungen. Speziell bei den Bildverglei-chen zeigt sich Ungvárys Unvermögen, fotografi-sche Quellen analytisch zu betrachten. So behaupteter, das Foto aus der „Wehrmachtausstellung“ mitden drei an einem Galgen mit Rollen gehängten Zi-vilisten (Abb. 2) sei schon 1964 publiziert wordenund zeige keine Russen oder Polen, sondern deut-sche Deserteure, die in den letzten Monaten desKrieges erhängt worden seien (Abb. 9). Die Identi-fizierung der abgebildeten Personen als Deutschebegründet er mit der Beschriftung „Ich bin ein Feig-ling“ auf dem Schild, das der Erhängte im Vorder-grund um den Hals trägt. Dieser Text ist aber nurbei der von ihm angeführten Abbildung in einemBildband aus den 1960er Jahren lesbar und nichtauf dem Foto in der Ausstellung. Dies veranlassteUngváry zu der Behauptung, diese Inschrift sei fürdie Ausstellung „wegretuschiert“ worden.51 DieseAussage wurde u. a. von der österreichischen Rech-ten dankbar aufgegriffen: in der Jörg Haider nahe-stehenden Zeitschrift Zur Zeit behauptete SiegfriedLorber wenig später unter Verweis auf Ungváry, ei-ne Fotografie in der „Wehrmachtsausstellung“, dieaus dem Dokumentationsarchiv des Österreichi-

Abb. 9 Anonymes Foto unbekannter Herkunft, „Von fliegenden Standgerichten erhängte deutsche Zivilisten mit dem Schild:’Ich bin ein Feigling‘. In den Wirren der letzten Monate wurden von fanatischen Nationalsozialisten zahlreiche Bürgermeister,Pfarrer und andere verantwortungsbewusste Persönlichkeiten ermordet, die den sinnlosen Widerstand aufgeben und ihre Städte vorder Vernichtung durch deutsche Sprengkommandos und alliierte Bombenangriffe retten wollten. Aber auch Offiziere und Soldatenfielen diesem Treiben zum Opfer. Dabei tat sich Feldmarschall Schörner besonders hervor, der ’Durchhaltegeneral‘, der jedem mitdem Gesicht von der Front abgewandten Soldaten hängen ließ. Als es zu Ende ging, verließ er im Flugzeug und in Zivil seineTruppen in der Tschechei. Nach seiner Heimkehr aus russischer Gefangenschaft wurde ihm in der Bundesrepublik der Prozess ge-macht.“ Stark retuschierte Druckvorlage, Größe der gedruckten Abbildung 17,7 : 7,4 cm (aus: Unser Jahrhundert im Bild, Güters-loh 1964, S. 577).

Page 12: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

107aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Abb. 10 Anonym: „SS-Morde in der UdSSR“ (Beschriftung nach DÖW), Silbergelatineabzug mit Büttenrand, 1941 – 1944(?), 8,5 : 6 cm (DÖW Fotosammlung 3035a).

Page 13: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

108 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

schen Widerstands (DÖW) in Wien stammt, sei„manipuliert“ und der Text auf dem Schild schon ander Quelle „wegretuschiert“ worden.52 Damit wur-de nicht nur die Glaubwürdigkeit der HamburgerAusstellung, sondern auch die der fotografischenQuelle im DÖW in Zweifel gezogen.

Bei der für die Ausstellung reproduzierten Vor-lage in Wien handelt es sich um einen Positivabzugmit Büttenrand in dem für private Fotografien inDeutschland während des Zweiten Weltkriegs typi-schen Format 6x9 cm (Abb. 10 und 11). Nicht nurdie materielle Überlieferungsform, auch die gestal-terisch unambitionierte Mittenorientierung der fo-tografischen Aufnahme ist typisch für den zeitspe-zifischen Bildstil der „Knipser“ in den Jahren 1939bis 1945. Während der Anteil deutscher Pressefo-tografien, die erhängte Zivilisten zeigen, sehr ge-ring ist, sind unter den kleinformatigen Privatfotos

vergleichsweise häufig Aufnahmen von Exekutio-nen oder Exekutionsopfern zu finden.53 Die von derFotoindustrie hofierten „Knipser“ bzw. Freizeitfo-tografen unter den Soldaten bildeten ein vom Pro-pagandaministerium nicht so leicht kontrollierba-res soziales Aggregat. Allem Anschein nach stell-ten sich ihnen Exekutionen im Osten dar als einaußergewöhnliches Spektakel – ähnlich wie Juden-schikanen und Judengettos –, das es wert ist, zurErinnerung fotografiert zu werden.54 Darüber, wiehäufig privat Exekutionen fotografiert wurden, gibtes keine zuverlässigen Angaben. Die im DÖW auf-bewahrte Fotografie weist keine erkennbaren Spu-ren nachträglicher Bearbeitung auf, welche zu ei-ner Veränderung der Bildaussage hätten beitragenkönnen. Die Tatsache, dass keine Beschriftung aufdem Schild um den Hals eines der Erhängten zu er-kennen ist, beruht nicht auf nachträglichen Retu-schen, sondern auf einem fototechnischen Pro-blem, nämlich einem zu großen Kontrastumfangder Aufnahme für das Fotopapier bei der Herstel-lung des Positivabzugs.55

Ungvárys Behauptung, die Fotografie aus demDÖW sei durch Retusche manipuliert worden, istunzutreffend. Dies geht aus einem quellenkriti-schen Vergleich aller bekannten fotografischenÜberlieferungen dieser Exekutionsszene hervor.Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Herkunftdes Bildes, das Ungváry als Beleg für seine Be-hauptung anführt, völlig unklar ist.56 Demgegen-über ist die Überlieferungsgeschichte des Papierab-zuges im DÖW deutlich besser dokumentiert: dasWiener Archiv erhielt die Fotoaufnahme Anfangder 1970er Jahre vom Bundesverband Österreichi-scher Widerstandskämpfer und Opfer des Faschis-mus zusammen mit anderen Fotografien, die Exe-kutionen in Staraja Russa vom August 1941 betref-fen. Die hier besprochene Aufnahme wurde auf-grund dieses Überlieferungszusammenhangs zu-nächst irrtümlich diesem Kontext zugeordnet.57

Die Abbildung in einem westdeutschen Bild-band der 1960er Jahre, welche Ungváry als Belegfür seine Behauptung anführt, es handele sich umdeutsche Deserteure, ist stark retuschiert. Die Retu-schen wurden in großzügigen Pinselstrichen ausge-führt, um die Ränder einzelner Bildelemente durchHelldunkel-Kontraste deutlicher gegeneinander ab-zuheben und die Lichter und Schatten im Bild zuverstärken. Auch die Beschriftung „Ich bin einFeigling“ ist bei der Retusche mit Pinselstrichenaufgebracht worden. Ob sie mit dem ursprüngli-

Abb. 11 Rückseite von Abb. 10 mit einem roten Stempel undeiner schlecht lesbaren Bleistiftbeschriftung des Bundesver-bands Österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Fa-schismus: „SS-Mörder erfanden in ihrer Mord(lust?) fahrendeGalgen zum abschrecken der befölkerung kein Mittel war die-sen Mördern zu schlecht (Staraja Russa?)“ sowie blauer Kugel-schreiber-Beschriftung, Stempel und Signatur des DÖW „3035/16 SS-Morde in UdSSR“, (DÖW Fotosammlung 3035a).

Page 14: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

109aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

chen Text auf dem Schild übereinstimmt, ist daherfraglich. Die Abbildung weist auch sehr steile Kon-traste auf, die nicht auf das Druckverfahren zurück-gehen, da andere Fotografien auf derselben Seitedes Bildbandes in differenzierten Graustufen abge-bildet sind. Die geringe Graustufendifferenzierungwie auch der – im Vergleich zur Aufnahme ausdem DÖW – sehr enge Bildausschnitt sind Indiziendafür, dass es sich um eine Reproduktion handelt.Durch den Reproduktionsvorgang werden oftmalsdie Helldunkel-Kontraste steiler und der Bildaus-schnitt wird in der Regel kleiner.

Unter den privaten Fotobeständen, die demHamburger Institut übergeben wurden, befand sichein weiterer zeitgenössischer Abzug von der imDÖW überlieferten Aufnahme der „Rollgalgen“-Exekution. Auch in diesem Fall handelt es sich umeinen Papierabzug im Format 6x9 cm mit Bütten-rand.58 Das Bild befindet sich in einem Fotoalbumaus der Kriegszeit, dessen Autor es auf einer Seitezwischen Fotos orthodoxer Juden – vermutlich imbesetzten Polen – einordnete.59 Auch bei diesemzweiten zeitgenössischen Papierabzug ist der Textauf dem Schild um den Hals des erhängten Zivili-sten im Vordergrund nicht lesbar. Möglicherweisekamen schon zu Kriegszeiten mehrere Abzüge der-selben Fotoaufnahme in Umlauf, da die Wehr-machtssoldaten damit zum Teil schwunghaftenHandel trieben.60 Eine andere, auf den 9.11.1939datierte Aufnahme dieser drei öffentlich erhängtenMänner befindet sich in New York61 und eine wei-tere in den Archivbeständen der polnischen Staats-anwaltschaft. Den Angaben des polnischen Histori-kers Czeslaw Luczak zufolge, der letztere Aufnah-me mehrmals in seine geschichtswissenschaftli-chen Publikationen aufnahm, handelt es sich um ei-ne von deutschen Polizeikräften auf dem BaluterMarkt (Rynek Balucki) in Litzmannstadt (Lodz)durchgeführte Exekution von Zivilisten.62

Neben dieser Überlieferung in institutionellenOrganisationszusammenhängen war in Polen aucheine private Überlieferung ermittelbar. Mitte der1990er Jahre übergab mir ein polnischer Inge-nieur63 denjenigen Teil des fotografischen Nachlas-ses seiner Schwiegermutter, der in die Zeit desZweiten Weltkriegs fällt. Die damals junge Polinwar während der deutschen Besatzung Polens 1939– 1945 Fotolaborantin in der von Deutschen gelei-teten „Foto-Spezialhandlung Otto Draudsin“ in Po-sen (Poznan); nach dem Krieg arbeitete sie in der-selben Stadt als Fotografin. Unter ihren fotografi-

schen Hinterlassenschaften aus der Kriegszeit be-fanden sich neben privaten Aufnahmen auch Auf-nahmen von dem Fotogeschäft, in welchem sie ar-beitete (Abb. 12 und 13) sowie vereinzelte Aufnah-men aus den Kriegsgebieten. Darunter waren – ne-ben Aufnahmen von Flüchtlingen, Häftlingen undverwesten Leichen – auch eine Aufnahme der hierbesprochenen Exekutionsopfer an einem Galgenmit Rollen (Abb. 14). Die meisten dieser Aufnah-men, die außerhalb Posens entstanden, wurden vondeutschen Soldaten oder Angehörigen der Besatz-ergesellschaft gemacht und zu Entwicklungsarbei-ten in dem Posener Fotogeschäft abgegeben. Beiden Papierabzügen in dem Nachlass handelt es sichsehr wahrscheinlich um heimlich angefertigteZweitabzüge von den Aufnahmen der deutschenKundschaft des Fotogeschäfts.64 Im Fall dieses Pa-pierabzugs, ebenfalls im Format 6x9 cm mit Büt-tenrand, ist im Unterschied zu allen vorher bespro-chenen Fotografien dieser Exekutionsszene dieÜberlieferungsgeschichte vom Zeitpunkt der Ent-stehung des Papierabzugs bis in die Gegenwart be-kannt: von dem Negativ wurden während des Krie-ges in einem vom NS-Staat annektierten GebietPolens Papierabzüge hergestellt und einer dieserAbzüge blieb in den folgenden Jahrzehnten am sel-ben Ort im Besitz der ehemaligen Laborantin bzw.deren Familie. Diese Aufnahme weicht in der Per-spektive geringfügig und insbesondere im Bildaus-schnitt von der Aufnahme im DÖW ab. Es handeltsich um eine Halbtotale im Querformat, die mehrvom sozialen Kontext der Exekution und der bauli-chen Umgebung des Exekutionsortes preisgibt.Mittels einer etwa dreihundertprozentigen Vergrö-

Abb. 12 Anonym, Außenaufnahme der „Photo-Spezialhand-lung Otto Draudsin“ in Posen, Martinstrasse 26, aus dem Nach-lass einer polnischen Fotolaborantin, Silbergelatineabzug mitBüttenrand, 1939 – 1945, 10,2 : 7,2 cm, Bildausschnitt (Privat-besitz d. Verf.).

Page 15: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

110 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Abb. 13 Anonym, In der Mitte stehend die Fotolaborantin, aus deren Nachlass Abb. 14 stammt, mit ihren polnischen Kolleginnenund nationalsozialistischem Wandschmuck in einem Laborraum der „Photo-Spezialhandlung Otto Draudsin“ in Posen, Martinstras-se 26, Silbergelatineabzug mit Büttenrand, 1939 – 1945, 7,1 : 10,2 cm (Privatbesitz d. Verf.).

ßerung durch moderne Bildtechniken ließ sich fest-stellen, dass sich auf den Schildern um den Halsder Erhängten eine verhältnismäßig kleine zweizei-lige, unterstrichene Beschriftung befindet. Die ein-zelnen Worte sind nicht entzifferbar, doch ihre An-zahl ist deutlich höher als bei der Beschriftung „Ichbin ein Feigling“. Der genaue Wortlaut lässt sichnicht mehr rekonstruierten, in jedem Fall aberstimmt die Beschriftung der Schilder auf der vonUngváry angeführten Abbildung weder im Stilnoch von der Länge her mit der ursprünglichen Be-schriftung überein.

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Dievon Ungváry als Beleg angeführte Abbildung isteine stark retuschierte Ausschnittsvergrößerungunbekannter Herkunft, die durch eine nachträglicheBeschriftung die Identifizierung der Erhängten alsDeutsche und eine Lokalisierung der Exekution inDeutschland suggeriert. Demgegenüber sprechenalle anderen Überlieferungen, deren Herkunft undheutiger Standort besser dokumentiert sind, für ei-

ne Lokalisierung dieser Erhängung „im Osten“,und noch genauer: in Polen. Insofern war die Be-schriftung dieser Aufnahme in der ersten „Wehr-machtsausstellung“, die über die Beschriftung imDÖW hinaus auch Polen als möglichen Exeku-tionsort nannte, sachlich richtig. Um zu klären, werdie Opfer und die Täter dieser Exekution waren,hätten die Autoren der ersten „Wehrmachtsausstel-lung“ breiter recherchieren müssen; das Problemparalleler Überlieferungen privater Fotografien vonVerbrechen im Ausland lässt sich nur durch part-nerschaftliche Kooperation mit Experten in den be-treffenden Ländern lösen.

Konstruktive Ansätze der Kritik fotografischerQuellen, die nicht von der Presse kolportiert wurden

Den Aussagen von Musial und Ungváry zu den Fo-tos der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbre-chen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ lag keine hin-

Page 16: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

111aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

reichende Kritik fotografischer Quellen zugrunde.Methoden der Kritik fotografischer Quellen, dieauch auf andere Fälle übertragbar wären, konntendie beiden Autoren nicht benennen. Ihre Ausfüh-rungen zu den Fotos beschränken sich hauptsäch-lich auf die ’richtige‘ Identifikation der Bildinhalteeinzelner Fotografien. Dennoch kolportierte diePresse und ein Teil der Historiker die vorgeblich’fotohistorischen‘ Erkenntnisse und die Fäl-schungsvorwürfe von Ungváry und Musial. In derbreiten Öffentlichkeit verfestigte sich der Ein-druck, dass in der Ausstellung des Hamburger In-stituts für Sozialforschung „Fälschungen“ gezeigtwürden. Die politische Lagerbildung in den Kon-troversen um die Ausstellung verschleierte hierbeidas Kompetenzdefizit von Historikern im Umgangmit fotografischen Quellen und die unbefriedigen-de Erschließung von Fotografien in den Archiven.Auch die Archive, aus denen die in der Ausstellungdes Hamburger Instituts gezeigten Fotografienstammten, wurden mit Fälschungsvorwürfen kon-

frontiert. Bezweifelt wurde nicht nur die Echtheitder oben angesprochenen Fotografie aus demDÖW, sondern auch Bildmaterial aus dem Bundes-archiv Koblenz. Vor diesem Hintergrund hielt WolfBuchmann, leitender Archivdirektor des Bundesar-chivs, bereits im Sommer 1999 auf einer Tagungdes Hamburger Instituts zum „Foto als Quelle“65

einen Vortrag über die Echtheitsprüfung von Foto-grafien. Er erläuterte, wie gegenüber Fotografienaus dem Bundesarchiv erhobene Fälschungsvor-würfe mit etablierten Methoden historischer Quel-lenkritik zurückgewiesen werden können. Wedersein sachlich fundierter Vortrag noch dessen über-arbeitete Textfassung, die in der Zeitschrift Der Ar-chivar veröffentlicht wurde66, fand in der Schlachtder kommerziellen Presse um angebliche „Fäl-schungen“ in der ersten „Wehrmachtsausstellung“Beachtung.

Buchmann zeigt, dass zwei in der archivalischenund geschichtswissenschaftlichen Praxis erprobteund etablierte Methoden der Quellenkritik und

Abb. 14 Anonym, Abzug einer Aufnahme der „Rollgalgen“-Exekution aus dem Nachlass einer polnischen Fotolaborantin des1939 – 1945 in Posen (Poznan) befindlichen Fotogeschäfts Otto Draudsin, Silbergelatineabzug mit Büttenrand, 1939 – 1945, 6,2 :9,2 cm (Privatbesitz d. Verf.).

Page 17: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

112 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Echtheitsprüfung von Dokumenten auch bei Foto-grafien angewendet werden können: 1. die Prüfungder Quelle selbst, d. h. ihrer Form und ihres Inhalts,und 2. die Prüfung der Herkunft der Quelle, d. h.ihres Entstehungs- und Überlieferungszusammen-hangs. Die Prüfung der fotografischen Quelleselbst umfasst deren materielle Überlieferungs-form, den Bildinhalt und dazugehörige Beschrif-tungen; hierzu sind Detailkenntnisse in der Realge-schichte der Fotografie erforderlich.67 Die Prüfungder Herkunft einer fotografischen Quelle besteht ineiner Ermittlung des Entstehungs- und Übermitt-lungszusammenhangs der Fotoaufnahme. Zu er-mitteln sind demzufolge nach Möglichkeit der Ortund Zeitpunkt der Aufnahme, ihr Hersteller undder ursprüngliche Verwendungszweck des Bildes,sowie die Überlieferungsgeschichte vom Zeitpunktder Entstehung bis zum heutigen Standort der Fo-tografie.

Buchmann führt die Anwendung der zweitenMethode am Beispiel einiger PK-Fotografien vonJuden in Mogilew vor, die zur Zwangarbeit ver-pflichtet wurden. Gegen diese Fotografien war inbrieflicher Form ein Fälschungsvorwurf erhobenworden: die Judensterne seien in die Bilder nach-träglich einkopiert. Buchmann widerlegt diese Be-hauptung durch eine Darstellung der Entstehungs-und Überlieferungszusammenhänge dieser imBundesarchiv verwahrten PK-Aufnahmen. Da imFall dieses großen Fotobestands die Überliefe-rungsgeschichte relativ leicht zu ermitteln ist, kannBuchmanns Vorschlag, die Echtheit von Fotogra-fien vorzugsweise durch eine Ermittlung der Ent-stehung und Überlieferung nachzuweisen, nichtohne weiteres auf die Masse der Einzelbilder über-tragen werden, die aus ihren Entstehungskontextenherausgelöst überliefert wurden. Die oben bespro-chene Fotografie der „Rollgalgen“-Exekution istein Beispiel hierfür. Das zuverlässigste, auch insolchen Fällen anwendbare Verfahren, das Buch-mann nennt, ist der Rückgriff auf die früheste über-lieferte Fassung eines Bildes. Hierbei wird nachdem Verbleib der Negative oder zeitgenössischenPositivabzüge gefragt, wobei möglichst genau zwi-schen den zeitgenössischen Bilderzeugnissen undden späteren Reproduktionen zu unterscheiden ist.Buchmann widmet sich in seinem Beitrag auchdem Problem der Bildbeschriftungen und weistausdrücklich darauf hin, dass die Bildlegenden derArchive wie auch die zeitgenössischen Beschrif-tungen mit Vorsicht gehandhabt werden sollten.68

Im wissenschaftlichen Umgang mit fotografischenQuellen müsste mindestens die Herkunft der Fotoseindeutig erläutert, der Entstehungszusammenhangder Aufnahme und der Fotograf benannt werden.Wenn es sich um professionelle Fotoaufnahmenhandelt, können die Fotografen meist namentlichidentifiziert werden. Bei privaten Fotografien wieden besprochenen Aufnahmen von der „Rollgal-gen“-Exekution ist dies nur manchmal möglich; daein großer Teil von ihnen anonym überliefert wur-de, kann oft nur der Kreis der Urheber näher einge-grenzt werden.

Die Kommission zur Überprüfung und ihr Gutach-ten

Nachdem die von der überregionalen Presse kol-portierte Kritik Musials, Ungvárys und Möllersnicht nachließ, schloß Jan Philipp Reemtsma alsDirektor des Hamburger Instituts für Sozialfor-schung die Ausstellung vorübergehend und setzteeine unabhängige Historikerkommission zu derenÜberprüfung ein. Sie sollte die Aussagen der Aus-stellung und die Echtheit und den Wert der verwen-deten Quellen vor dem Hintergrund des For-schungsstandes begutachten. Die Kommission leg-te im November 2000 ihren abschließenden Berichtvor und kam zu dem Ergebnis, dass die zentralenAussagen der Ausstellung sachlich richtig sind. Sieunterstützte den ihr zugrundeliegenden weiten Ver-brechensbegriff, welcher neben der formalen Ver-antwortlichkeit auch die Mitwisserschaft und logi-stische Unterstützung von Verbrechen miteinbe-zieht.69 Dem Bericht zufolge könne der Ausstel-lung vorgeworfen werden, dass sie zu pauschal ar-gumentiere und die Art der Präsentation zu sugge-stiv sei, doch sie enthalte keine Fälschungen. Weildie Verbrechen der Wehrmacht nur als arbeitsteili-ger Vorgang innerhalb des militärischen und poli-zeilichen Exekutivapparates möglich waren, solltenauch Fotografien, die Bahnbeamte, SS und Ange-hörige anderer deutscher Organisationen zeigen, ineine solche Ausstellung aufgenommen werden.70

Der Kommissionsbericht ging ausführlich einauf die Forschungslage zu den fotografischenQuellen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs undzu den nachweisbaren Fehlern bei den Bildbe-schriftungen der in der „Wehrmachtsausstellung“gezeigten Fotos.71 Er verweist auf die bereits vor-liegenden Einzeluntersuchungen zu Fotografien,

Page 18: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

113aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

insbesondere zu den professionellen Fotoaufnah-men der Propagandakompanien und den Knipser-fotografien bzw. privaten Fotografien vom Kriegs-geschehen.72 Die Überprüfung der umstrittenenExponate durch die Kommission führte zu dem Er-gebnis, dass bei etwa einem Dutzend Fotos keineVerbrechen der Wehrmacht, sondern solche ungari-scher und finnischer Soldaten zu sehen seien73 unddass zwei Fotos nachweisbar Opfer des sowjeti-schen NKWD und keine der Wehrmacht zeigen.74

Die Mängel bei der Beschriftung der Fotos führtedie Kommission in einigen Fällen darauf zurück,dass die Autoren der Ausstellung von den ur-sprünglichen Archivbeschriftungen abwichen, undin anderen darauf, dass sie die Archivzuschreibun-gen ungeprüft übernahmen.75 Da überwiegend Fo-tografien für die Ausstellung ausgewählt wordenwaren, welche die aufgesuchten Archive dem The-ma „Deutsche Wehrmacht“ zugeordnet hatten,wies der Kommissionsbericht ausdrücklich auf die– in wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Fo-togeschichte schon oft beklagte – unzureichendearchivalische Aufbereitung der Fotografien hin.76

Letztlich müssten aber die wissenschaftlichen Be-nutzer selbst die Fotografien quellenkritisch prü-fen77 und klären, ob ihnen ein zeitgenössischer Ori-ginalabzug oder eine spätere Version des Bildesvorliege.78

Die Kommission empfahl, die Ausstellunggründlich zu überarbeiten, wobei die Hauptaussa-gen der Ausstellung nicht verändert werden müss-ten. Ferner empfahl sie, „die vorherrschende Täter-perspektive zumindest beispielhaft durch die Per-spektive der Opfer“ zu ergänzen, „so dass die Ver-brechen auch aus der Sicht und Erfahrungsweltderjenigen, gegen die sie verübt wurden, sichtbarwerden“.79 Der Bericht stellte auch fest, dass dieGlaubwürdigkeit von Fotografien einer zeithistori-schen Ausstellung bis dahin nie derart in Frage ge-stellt und so intensiv überprüft wurde wie im Fallder Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechender Wehrmacht 1941 bis 1944“.80 Die Kritik an ihrund speziell an der Beschriftung der Fotos war un-verhältnismäßig, da man bei einer gleichermaßenstrengen Überprüfung von den in anderen zeithi-storischen Ausstellungen präsentierten Fotografienund deren Beschriftungen ähnliche Fehlerquotenhätte ermitteln können.81

Die neue Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht.Dimensionen des Vernichtungskrieges“

Nach der Vorstellung des Kommissionsberichtsverging ein Jahr, bis das Hamburger Institut für So-zialforschung im November 2001 in Berlin eineneue Ausstellung unter dem Titel „Verbrechen derWehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrie-ges“ eröffnete. In der neu konzipierten Ausstellungzum gleichen Thema sollten die kriegs- und völker-rechtlichen Rahmenbedingungen ausführlicher be-handelt, sechs Verbrechenstypen vorgestellt unddie individuellen Handlungsspielräume der Wehr-machtsangehörigen dargelegt werden. Bei den Fo-tografien sollten suggestive Bildsequenzen vermie-den werden.

Die neu konzipierte Ausstellung zeigt sich inhellem, freundlichen Weiß; die Darstellung desGeschehens und der Verbrechen ist entdramati-siert. Die Schau wurde ’verwissenschaftlicht‘, in-dem die Materialfülle gesteigert und Wertungenvermieden wurden. Dem damals geltenden Völ-ker- und Kriegsrecht wird nun ein entsprechenderAbschnitt gewidmet. Die Verbrechen der Wehr-macht werden überwiegend auf einer abstraktenEbene durch Schriftquellen aus dem bürokrati-schen Apparat des Militärs vermittelt. Komforta-ble Möbel laden ein zum Lesen von Texten undTabellen aus der Nazi-Zeit, man kann sich auchTonaufnahmen von Nachkriegsaussagen anhören.Die Präsentationsweise schafft emotionale Distanzzum Gegenstand der Ausstellung. Sie informiert,ohne selbst Position zu beziehen und stellt an dieBesucher die Forderung, die präsentierten Quellenselbständig zu beurteilen. Die präsentierte Masseamtlicher Schriftquellen ist nur sehr sparsam undzurückhaltend eingeleitet und kommentiert; dieeinleitenden Texte stellen die Wehrmacht dar als„Nutzer“ des Kriegs- und Völkerrechts82, ohne zuerklären, wo die Wehrmacht oder einzelne Wehr-machtsangehörige die Grenze zum Verbrechenübertraten. Im Vergleich zu ihrer Vorläuferin istdie neue Schau eine geschichtswissenschaftlicheFachausstellung, die entsprechenden Zuspruch un-ter akademisch vorgebildeten Spezialisten findet.Zeitarme oder weniger gebildete Besucher, die ei-nes grundlegenden Orientierungswissens bedür-fen, werden allein schon vom Umfang der Aus-stellung überfordert. Insofern gibt die neue„Wehrmachtsausstellung“ nicht nur den Gestusder moralischen Anklage, sondern darüber hinaus

Page 19: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

114 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

auch das volksbildend-aufklärerische Anliegenauf.83

In einem Abschnitt der neuen Ausstellung überdie Kontroversen um die alte „Wehrmachtsausstel-lung“ heißt es: „Fotos dominierten die Ausstellung.Und an den Fotos entzündete sich die Kritik.“84 Esvermittelt sich der Eindruck, die Fotografien seien’schuld‘ gewesen an der Kontroverse über die alteAusstellung. Unerwähnt bleibt der kritikwürdigeUmgang von Historikern mit fotografischen Quel-len, der durch die Kontroversen um die erste„Wehrmachtsausstellung“ nur unfreiwillig offenge-legt wurde.85 In der neuen Ausstellung wurde derAnteil von Fotografien im Vergleich zu den Text-quellen insgesamt drastisch verringert. Währendder ’alte‘ Ausstellungskatalog auf 222 Seiten 785Fotografien, d. h. 3,5 fotografische Bilder pro Sei-te, präsentierte, beschränkt sich der 748 Seiten um-fassende ’neue‘ Katalog auf nur noch 600 Fotogra-fien, d.h. 0,8 fotografische Bilder pro Seite. Um zuerfahren, nach welchen Kriterien die Fotografienfür die neue Ausstellung ausgewählt wurden, rich-tete ich eine schriftliche Anfrage an das HamburgerInstitut. Mir wurde mitgeteilt, dass die jeweils füreinen Themenkomplex zuständigen Rechercheureund wissenschaftlichen Mitarbeiter jeweils für ih-ren Bereich eine Auswahl an Fotografien getroffenhätten. Diese seien dann einer eingehenden Nach-recherche unterzogen worden, wobei nach Mög-lichkeit alle Informationen über die Aufnahme, de-ren Überlieferung und Urheber ermittelt wordenwären; die Quellenkritik habe „bildimmanente undexterne Aspekte“ berücksichtigt. In die Ausstel-lung seien nur solche Fotografien aufgenommenworden, bei welchen „keine Unstimmigkeiten oderZweifel an der Zuschreibung zutage traten“.86 Be-fremdlich ist hierbei, dass ein Institut für Sozialfor-schung die sozialen Gebrauchsweisen von Fotogra-fien nicht kritisch analysiert.

Ein in der neuen Ausstellung eingeschobenerAbschnitt zum „Foto als Quelle“87 ist in erster Li-nie eine nachträgliche Reaktion auf die Kritik anFotos der vorhergehenden Ausstellung von den Er-eignissen in der Stadt Tarnopol. Die hier vorgetra-genen Überlegungen zur Fotoüberlieferung in denArchiven, zur Authentizität fotografischer Quellen,zur Bildbeschriftung und Kontextualisierung derFotografien sind sachlich zwar richtig, wurden abernicht auf den Umgang mit den anderen Fotografiender Ausstellung übertragen. Die Autoren der neuen„Wehrmachtsausstellung“ griffen mehrheitlich auf

einen weitgehend bekannten Bildervorrat zumZweiten Weltkrieg zurück.88 An der Spitze der wie-derholt publizierten Fotografien vom „Vernich-tungskrieg“ steht eine Aufnahme des PK-Fotogra-fen Gronefeld, die den Besuchern der neuen Aus-stellung als „Ikone“ präsentiert wird89, ohne auf dieEntstehungszusammenhänge der Aufnahme90 oderderen übliche Gebrauchsweise als willkürlich be-schriftete Illustration in historischen Ausstellungenhinzuweisen.91

Fragte man nach den Kriterien der Auswahl ein-zelner Fotografien, würde man sich in unendlichenDetailfragen verlieren. Aus diesem Grund ist essinnvoll, nach den Auswahlkriterien, der Herkunftund Gewichtung verschiedener fotografischerQuellengruppen zu fragen. Während in den großenstaatlichen und kommerziellen Bildarchiven derBundesrepublik hauptsächlich Pressefotografienaus der NS-Zeit überliefert sind, wurden in denLändern des ehemaligen „Ostblocks“ sehr vieleprivate Kriegsfotografien archiviert. In der ersten„Wehrmachtsausstellung“ dokumentierten vor al-lem diese privaten Fotografien, dass Exekutionenvon Zivilisten im von der Wehrmacht geführten„Vernichtungskrieg“ ein Spektakel mit vielen Zu-schauern waren. Die neue Ausstellung schließt die-se Quellengruppe, die Bezugspunkte zu privatenfotografischen Überlieferungen schaffen konnte,weitgehend aus. Auch auf fotografische Quellenaus den Archiven, Museen und Gedenkstätten inden Ländern des ehemaligen „Ostblocks“ verzich-teten die Autoren der neuen Ausstellung fast völ-lig: ihr Anteil unter den insgesamt 524 Fotografienzur Kriegszeit im Ausstellungskatalog sank auf et-wa 7%.92 Mehr als 70% der in der neuen Schaupräsentierten Fotografien stammen aus öffentlichenEinrichtungen der Bundesrepublik93, knapp 12%wurden von kommerziellen Bildarchiven inDeutschland geliefert94 und rund 9% der Fotogra-fien stammen aus dem westlichen Ausland95. Ob-wohl die Autoren der neuen Ausstellung die Ent-stehungszusammenhänge der Fotos aus den kom-merziellen Bildarchiven der Bundesrepublik oftnicht klären konnten, zogen sie diese ganz offen-sichtlich gegenüber den fotografischen Quellen ausosteuropäischen Archiven vor. Eine wissenschaft-lich fundierte Begründung für diese Bevorzugunggibt es nicht.

In der neuen Ausstellung wird der „Vernich-tungskrieg“ hauptsächlich durch Pressefotografienvon den Propagandakompanien der deutschen

Page 20: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

115aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Wehrmacht (rund 50%) und Atelierporträts vonGenerälen und anderen Männern an den Spitzender Befehlsketten96 (knapp 10%) in den von ihnenselbst bestimmten Formen idealisierender Selbst-darstellung visuell repräsentiert. Der Aussagewertder gestellten Porträts freundlich dreinschauenderälterer Herren in Wehrmacht-Uniform hinsichtlichihres Denkens und Handelns im Kriegsgeschehenist äußerst gering. Dass es sich bei etwa der Hälftealler in der neuen Ausstellung präsentierten Fotosum Aufnahmen von Propagandakompanien (PK)der deutschen Wehrmacht handelt, wird in denBildbeschriftungen nicht hinreichend deutlich ge-macht und ist oft nur anhand der Signaturen desBundesarchivs erkennbar.

Die Verbrechen der deutschen Wehrmacht sollenin der neuen Ausstellung hauptsächlich durch Auf-nahmen der Propagandakompanien dargestellt wer-den, obwohl der Quellenwert gerade der PK-Fotosfraglich ist97 und diese Quellengruppe von ihren ur-sprünglichen Entstehungszwecken her denkbar un-geeignet ist, das zu zeigen, was gezeigt werdensoll: Verbrechen der Wehrmacht. Aufgrund ihrerpropagandistischen Zweckbestimmung klammernspeziell die Aufnahmen der Propagandakompaniendiejenigen Wirklichkeitsbereiche aus, die gegen dieWehrmacht hätten ausgelegt werden können. Diepropagandistischen Ziele, die mittels der PK-Foto-grafien verfolgt wurden, werden in der neuen„Wehrmachtsausstellung“ nicht kritisch dargestellt.Die Aufnahmen der Propagandatruppen werdenvon den Ausstellungsautoren mehrheitlich so be-nutzt, als handele es sich um Bildmaterial aus einerpolitisch neutralen sozialen Perspektive. Daran än-dert auch die irgendwo am Rande beigefügte Be-merkung nichts, derzufolge die PK-Aufnahmen ge-macht worden seien, „um sie propagandistisch zunutzen. Der Aussagewert der zeitgenössischenBildkommentierungen ist daher problematisch.“98

Problematisch sind nicht nur die damaligen Bildle-genden, sondern die Bildinhalte und Darstellungs-weisen der gesamten Quellengruppe.

In der neuen „Wehrmachtsausstellung“ wird bei-spielsweise die „Aktion Frühlingsfest“, bei welcherim Raum Uschatschi über 11.000 Arbeitskräfte er-fasst und abtransportiert wurden, illustriert mit ei-ner PK-Aufnahme von deutschen Soldaten, die aufPanzern ’friedlich‘ durch eine Waldschneise fah-ren. Ferner wird auch ein seltenes Beispiel für PK-Aufnahmen einer Exekution von Zivilisten präsen-tiert: eine ganze Aufnahmereihe aus Topola.99 Die

fotografische Darstellungsweise dieser Exekutionvermittelt in Form von Übersichtsaufnahmen imVordergrund die ’Choreografie‘ eines großen Er-schießungskommandos und den Eindruck einesstreng geordneten Vorgehens gegen eine HandvollZivilisten im Hintergrund. Bei den Massenerschie-ßungen in Topola brachte die Wehrmacht 2.200Menschen um, doch die PK-Fotografien lassen diesnicht einmal erahnen, da ihr Zweck nicht der war,Verbrechen der Wehrmacht zu dokumentieren, son-dern der, alle im Osten begangenen Verbrechenpropagandistisch vor der Weltöffentlichkeit zurechtfertigen.

Die durch die propagandistischen Zwecke be-gründete Selektivität der Inhalte von Fotoaufnah-men, die Propagandakompanien der deutschenWehrmacht herstellten, wird von den Autoren derneuen Ausstellung in der Regel nicht propaganda-kritisch erläutert. Ein Beispiel hierfür ist eine un-kommentiert präsentierte lange Sequenz von PK-Fotografien zur Erfassung, Musterung und zumAbtransport von russischen Einwohnern der StadtCharkow zur Zwangsarbeit.100 Auffällig sind beidieser Aufnahmesequenz scheinbar emphatischeNahaufnahmen von freundlich lächelnden Betrof-fenen nationalsozialistischer Ausbeutungspoli-tik.101 Es bleibt unerwähnt, dass die NS-Propagan-da darauf zielte darzustellen, dass die „Fremdarbei-ter“ glücklich sind, im nationalsozialistischenDeutschland arbeiten zu dürfen. Der propagandisti-sche Zweck dieser Aufnahmen war es darzustellen,dass die Russen gerne und freiwillig nach Deutsch-land kommen und vor ihrer Einreise einer strengen„gesundheitlichen“ Musterung unterworfen wer-den. Die Aufnahmen verschleiern den Zwangscha-rakter der Deportationen von Arbeitskräften ausden besetzten Staaten Osteuropas zur wirtschaftli-chen Ausbeutung durch den NS-Staat.

In der neuen „Wehrmachtsausstellung“ wirft ins-besondere eine Aufnahmereihe des PK-FotografenHähle von Juden auf dem Weg zur Exekution inLubny102 das Interpretationsproblem auf, inwiefernInhalt und Darstellungsweise auf individuelle Ent-scheidungen des PK-Fotografen, auf dessen innereAnteilnahme, auf berufsgruppenspezifische Verhal-tensweisen oder auf Anweisungen von vorgesetztenStellen zurückzuführen sind. Da die Bildbeschrif-tung nur den Namen des Fotografen, das Ereignis,dessen Ort und Datum nennt, könnte man anneh-men, ein Fotograf habe soziale Dokumentaraufnah-men gemacht und mit Nahaufnahmen einzelner

Page 21: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

116 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Menschen Anteilnahme an deren Schicksal aus-drücken wollen. Doch dass ein PK-Fotograf eineVielzahl von Nahaufnahmen einzelner Judenmacht, ist im organisatorischen Zusammenhang derpolitisch gelenkten Pressefotografie des NS-Staatsund der Konkurrenz der „Bildberichterstatter“ un-tereinander sehr wahrscheinlich nicht auf dessen in-dividuelle Anteilnahme an deren Schicksal, sondernvielmehr auf ein professionelles Ziel des PK-Foto-grafen zurückzuführen, ’brauchbares‘ Propaganda-material für seine Abnehmer in der AbteilungWehrmachtpropaganda und im Reichspropaganda-ministerium zu liefern.103 Insbesondere die Frage,inwiefern in den PK-Aufnahmen eine innere An-teilnahme am Schicksal der „Opfer“ zum Ausdruckkommt, wurde in der fotohistorischen Fachdiskus-sion bereits am Beispiel der PK-Fotografien von Ju-den in den deutsch besetzten Ländern diskutiert.104

Ahlrich Meyer schlug vor, die Propagandakompa-nien als einen „kollektiven Autor“ zu verstehen105,was insofern berechtigt ist, als alle Mitarbeiter die-ser Truppen einschließlich der PK-Fotografen deninhaltlichen und organisatorischen Maßgaben desReichsministeriums für Volksaufklärung und Pro-paganda und der Abteilung Wehrmachtpropagandabeim Oberkommando der Wehrmacht unterla-gen.106 Winfried Ranke machte deutlich, dass sichdie PK-Fotografen in erster Linie als Pressefotogra-fen verstanden, die weiterhin um möglichst vieleVeröffentlichungen ihrer Aufnahmen in der gelenk-ten deutschen Presse konkurrierten.107

Der Grad der propagandistischen Verzerrung inder Darstellung der russischen Bevölkerung durchdie PK-Fotografien wird in der neuen Ausstellungmit einer Randbemerkung zu drei PK-Aufnahmenvon Straßenszenen in Charkow108 nicht hinrei-chend deutlich gemacht. Die PK-Fotografien wa-ren ein Medium der psychologischen Kriegsfüh-rung des NS-Staates und vermitteln das Handelnder deutschen Wehrmacht aus einer propagandi-stisch verzerrten Perspektive, die heroisierendeDarstellungen deutscher Soldaten beim siegreichenVormarsch einerseits und abwertende Darstellun-gen der Kriegsgegner (vgl. Abb. 7) andererseitsschuf. Um zu belegen, dass die für die neue „Wehr-machtsausstellung“ getroffene Auswahl von Auf-nahmen der PK-Fotografen Gronefeld und Hählenicht repräsentativ ist für deren Gesamtwerk alsAngehörige der Propagandakompanien, habe ichoben speziell solche Aufnahmen von ihnen ausge-wählt, die zeigen, dass sie auch PK-Fotografien für

die Feindbildpropaganda im Kriege herstellten. Dadie neue Ausstellung die damals betriebene Feind-bildpropaganda nicht thematisiert, werden die in-neren Zusammenhänge zwischen den Bildinhaltender PK-Fotografien und der NS-Propaganda nichthinreichend deutlich.

Die mit den propagandistischen Aussageabsich-ten verbundene Selektivität der Wirklichkeitsver-mittlung durch die Fotografien der Propaganda-kompanien der Wehrmacht wird in der neuen Aus-stellung nicht thematisiert. Die Tätigkeitsberichteder Propagandatruppen könnten hierfür Materialbieten, doch sie werden nicht als Quellen zur propa-gandistischen Lenkung der Berichterstattung überden Krieg, sondern stattdessen als Quelle zur Re-konstruktion der Kriegsereignisse (!) präsentiert.109

Die ursprüngliche Zweckbestimmung und Ge-brauchszusammenhänge der PK-Fotografien als na-tionalsozialistisches Propagandamaterial werdenweder auf den Ausstellungstafeln noch im Kataloghinreichend erläutert. Laut Auskunft des Hambur-ger Instituts sollen PC-Stationen in der Ausstellungvertiefende Betrachtungen zu fotografischen Quel-len liefern110, doch während der Laufzeit der Aus-stellung in Berlin konnte vor Ort niemand Auskunftdarüber geben, wo diese PC-Stationen zu findenseien. Ganz offensichtlich befand es die Ausstel-lungsleitung nicht einmal für wert, derartige Hinter-grundinformationen in den Katalog aufzunehmen.

Die außerhalb des Abschnitts über das „Foto alsQuelle“ in der Ausstellung und im Katalog ver-streuten Aussagen zu Fotografien als Quelle undzum Quellenwert der präsentierten Bilder bleibenzusammenhangloses Stückwerk, das sich in margi-nalen Detailproblemen der Quellenkritik ver-liert.111 Einige Ansätze, die Inhalte und propagan-distische Funktion der PK-Fotografien näher zu be-trachten, finden sich in den sporadisch unter derÜberschrift „Bruchstücke“ eingefügten Gedanken.Diese „Bruchstücke“ sollen das in der Ausstellungverwendete Foto- und Dokumentenmaterial ergän-zen, wobei es sich um „Einzelquellen“ handele,„die aufgrund der oftmals spärlichen Materialüber-lieferung kaum durch andere Zeugnisse kontextua-lisiert werden können.“112 Doch bei PK-Fotogra-fien handelt es sich nicht um „Einzelquellen“ ohneKontext, es handelt sich vielmehr um Massenquel-len, zu welchen bereits Sekundärliteratur vorliegt.So werden in der neuen Ausstellung vage bleiben-de Mutmaßungen zur propagandistischen Beschrif-tung von PK-Aufnahmen russischer Bauern mit

Page 22: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

117aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

Pferdefuhrwerken auf Landstraßen angestellt, diebereits in der Sekundärliteratur ausführlicher be-sprochen wurden.113 In der neu konzipierten Aus-stellung wird die unterschiedliche materielle Über-lieferungsform der Fotos verdeutlicht, indem Re-produktionen von „Knipser“-Fotos mit nachge-schnittenen Büttenrändern, ganze Kontaktbögenund Aufnahmereihen von PK-Fotos präsentiertwerden. Doch die unterschiedlichen Entstehungs-zusammenhänge der fotografischen Bilder, die zuderen verschiedenen äußeren Formen führten, wer-den nicht erläutert.114 Das Publikum wird mit demProblem allein gelassen, die verschiedenen Foto-grafien gedanklich in größere Zusammenhängeeinzuordnen.

Von den Bildbeschriftungen sollte in der neukonzipierten Ausstellung keinerlei suggestive Wir-kung mehr ausgehen. Dies führte offenbar auch zueiner ängstlichen Vermeidung jeglicher Interpreta-tion und Erläuterung der präsentierten Fotografien.Um zu erfahren, nach welchen Kriterien die Bild-beschriftungen verfasst wurden, hatte ich ebenfallsbeim Hamburger Institut für Sozialforschung ange-fragt. In der Antwort hieß es, dass eine Kommen-tierung der Fotos insbesondere dann erfolgt sei,wenn die eigenen Recherchen zu den Fotos überdie Zuschreibungen eines Archives hinausgin-gen.115 Soweit erkennbar, gingen die Autoren derneuen Ausstellung nur selten mit eigenen Recher-chen zu den Fotos über die Zuschreibungen einesArchivs hinaus. Ganz offensichtlich nahmen sieauch die bisher erschienene Sekundärliteratur zuden entsprechenden Fotos nicht zur Kenntnis. Bei-spiele hierfür sind die Beschriftungen von PK-Auf-nahmen jüdischer Zwangsarbeiter in Mogilew116,die bereits in der ersten „Wehrmachtsausstellung“zu sehen waren. Der neue Katalog nennt nur denFotografen namentlich, nicht aber den genauerenZweck der Aufnahmen bzw. deren propagandisti-sche Aussageabsicht, die von Wolf Buchmann inseinem bereits erwähnten Beitrag recherchiert undbenannt wurde.

Die Bildbeschriftungen wurden nicht nach ei-nem einheitlichen Konzept verfasst und redigiert.Während bei schriftlichen Dokumenten angegebenwurde, wer sie verfasste und an wen sie gerichtetwaren, wurde bei den Fotografien gar nicht erstnach den zeitgenössischen Adressaten der Bildergefragt. Bei den Atelierporträts von hochrangigendeutschen Entscheidungsträgern im Kriegsgesche-hen wurden die Urheber der Fotografien überhaupt

nicht genannt und bei Pressefotos aus kommerziel-len Bildarchiven nur zum Teil. Im Unterschied zurersten Ausstellung ist nun bei allen Bildern derenheutiger Standort in der Bildunterschrift angege-ben. Allerdings ist diese Angabe hinsichtlich derQuellenkritik nur von begrenztem Wert. Zur Beur-teilung der Aussageabsicht und des Quellenwertsist die Ermittlung des Herstellers und der Entste-hungszusammenhänge des Bildes wichtiger.

Soweit erkennbar, stand bei den Beschriftungender Fotos die Identifizierung des Bildinhalts, des-sen Datierung und Lokalisierung sowie die na-mentliche Identifizierung des Fotografen im Vor-dergrund des Interesses. Die Entstehungszusam-menhänge der Aufnahmen wie auch wichtige De-tails der Bildinhalte, die zum Verständnis des Ab-gebildeten erforderlich sind, werden in den Bildbe-schriftungen nicht erläutert. Besonders problema-tisch ist dies im Fall der weitgehend unkommen-tiert reproduzierten PK-Fotografien. Die zeitgenös-sischen Bildbeschriftungen dieser Aufnahmen wer-den nicht kritisch kommentiert, so dass die propa-gandistischen Aussagen ungebrochen stehen blei-ben. Durch die unkommentierte Reproduktion vonPK-Fotografien mit ihren ursprünglichen propa-gandistischen Bildtexten als wichtigster fotografi-scher Quellengruppe in der neuen Ausstellung ge-winnt man den Eindruck, die Legende von der„sauberen“ Wehrmacht werde auf der visuellenEbene fortgeschrieben im Sinne von GeneralmajorHasso von Wedels Legende von den „sauberen“Propagandakompanien der deutschen Wehr-macht.117

Ausnahmen von der propagandistisch verzerrtenBildwelt der Propagandakompanien bilden in derneuen Ausstellung einige Fotografien aus Lenin-grad von russischen Fotografen zum Thema „Er-nährungskrieg“.118 Diese Aufnahmen sind beson-derer Aufmerksamkeit wert, da sie „die Russen“ –im Unterschied zu den PK-Fotografien – als in ih-ren Existenzgrundlagen bedrohte moderne städti-sche Bevölkerung zeigen. Auch die Fotos von Exe-kutionen in Minsk aus Archiven des ehemaligen„Ostblocks“ zum Thema „Partisanenkrieg“, die –entgegen dem insgesamt in der Bildauswahl vor-herrschenden Trend – Eingang in die neue Ausstel-lung fanden, sollten nicht unerwähnt bleiben.119

Bei den übrigen Fotografien, die in der neuen„Wehrmachtsausstellung“ präsentiert werden, han-delt es sich ganz überwiegend um Fotografien vonUrhebern auf seiten der deutschen und österreichi-

Page 23: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

118 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

schen „Täter“. Doch ihre zeitgenössischen Entste-hungs- und Gebrauchszusammenhänge bleibenaufgrund mangelhafter Bildbeschriftungen weitge-hend unklar, wenn man einmal von vereinzelten,zufällig wirkenden Hinweisen („unbekannterKnipser“) absieht. So bleibt es den Betrachternüberlassen zu vermuten, dass es sich bei einigenvollständig reproduzierten Schreibmaschinenseitenmit jeweils zwei Fotografien um den Bildanhangeines vorher zitierten offiziellen Kriegstagebuchshandelt. Mehrfach werden Bezüge zwischen denpräsentierten Fotos und Schriftquellen nicht be-nannt und kommentiert.

Der Empfehlung der Kommission zur Überprü-fung der alten Ausstellung, auch der Perspektiveder Opfer gegenüber der der Täter Geltung zu ver-schaffen, sind die Autoren der neuen Ausstellungnicht gefolgt. Ganz im Gegenteil wählten sie mehr-heitlich fotografische Selbstinszenierungen der„Täter“ zur Visualisierung des „Vernichtungskrie-ges“. Wenn man davon ausgeht, dass es sich hier-bei nicht um eine bewusst angestrebte politischeAussage der Ausstellungsautoren handelt, liegt dieeinzige Begründung hierfür darin, dass der Aussa-gewert der Quellen nicht hinreichend reflektiertwurde. Speziell hinsichtlich der inneren Kritik fo-tografischer Quellen versagt das ’neue Konzept‘der Ausstellung. Die Beschränkung auf eine na-mentliche Identifizierung von Fotografen ermög-licht keine hinreichende Differenzierung unter-schiedlicher Entstehungszwecke und der damit zu-sammenhängenden Begrenzungen des Quellen-werts. Die weitgehende Aussparung der privatenKriegsfotografien aus der neuen Ausstellung unddas Übergewicht an Fotos, die idealisierendeSelbstinszenierungen der Täterseite perpetuieren,führt dazu, dass die visuelle Repräsentation des„Vernichtungskrieges“ verengt wird auf fotografi-sche Selbstdarstellungen der nationalsozialisti-schen Funktionseliten und dass fotografische Quel-len, welche die Gewaltausübung der Wehrmachtgegen Zivilisten auf seiten der Kriegsgegner doku-mentieren, fast gänzlich aus der Bilderwelt derneuen Ausstellung verschwinden.

Nach all den aufgeregten Diskussionen um dieFotos der ersten Ausstellung und der ausführlichenStellungnahme der Historikerkommission zum fo-tohistorischen Forschungsstand ist die für die neueAusstellung getroffene Auswahl von Bildmaterialmehr als befremdlich. Der von den Ausstellungsau-toren erhobene Anspruch, die Fotos als Quelle zureflektieren, wird nicht in dem Maße eingelöst, wiees auf Grundlage des derzeitigen Forschungsstan-des möglich gewesen wäre. Die Aussagen zumQuellenwert des Bildmaterials fallen weit hinterden Kenntnisstand zurück, der in dem Kommis-sionsbericht zur Überprüfung der ersten Versionder „Wehrmachtsausstellung“ zur Geltung kam.Der fotohistorische Forschungsstand zur Knipser-und Pressefotografie während des Zweiten Welt-kriegs hätte Ansatzpunkte geboten, mehr kritischeDistanz gegenüber den PK-Fotografien zu wahrenund die private Kriegsfotografie quellenkritisch re-flektiert in die Ausstellung mit einzubeziehen.

Sowohl die zu Prominenz gelangten Kritiker deralten Ausstellung wie auch die Autoren der neuenAusstellung blendeten die Frage nach den Entste-hungsbedingungen und den ursprünglichen Zweck-bestimmungen der Fotografien weitgehend aus undfallen damit noch hinter das Reflexionsniveau zu-rück, das in der ersten Ausstellung zumindest an-satzweise deutlich wurde: dass nämlich die priva-ten Kriegsfotos aus den Brieftaschen deutscherSoldaten die physische Gewaltanwendung derdeutschen Exekutive gegen die Zivilbevölkerung inden Kriegsgebieten sehr viel deutlicher zeigen alsPK-Fotografien. Die neu konzipierte „Wehr-machtsausstellung“ kommt mit ihrer Bildauswahlder politischen Opposition gegen die erste Versionder Ausstellung weit entgegegen: sie stellt mehr’schöne‘ professionelle Fotos von der deutschenWehrmacht und weniger ’hässliche‘ privateSchnappschüsse vom Tod der Ausländer zurSchau. Die neue Ausstellung muss sich insofernvorwerfen lassen, dass sie statt suggestiver Bildse-quenzen zugunsten der Opfer nun suggestives Bild-material zugunsten der Täter präsentiert.

Page 24: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

119aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

1 Die Grundaussagen der Ausstellung über die deutschenStreitkräfte im Zweiten Weltkrieg waren bereits durch dieDokumente belegt, die bei den Nürnberger Prozessen als Be-weise vorgelegt wurden. Das Urteil des Internationalen Mili-tärtribunals 1946, welches das Oberkommando der Wehr-macht und den Generalstab als Organisationen freisprach, istumstritten; es wird in der Regel herangezogen, um die Wehr-macht vom Verbrechensvorwurf freizusprechen und darauseine kollektive Unschuld der Wehrmachtsangehörigen abzu-leiten.

2 Vgl. Omer Bartov, Cornelia Brink, Gerhard Hirschfeld,Friedrich Kahlenberg, Manfred Messerschmidt, ReinhardRürup, Christian Streit, Hans Ulrich Thamer, Bericht derKommission zur Überprüfung der Ausstellung „Vernichtungs-krieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“, HamburgerInstitut für Sozialforschung, November 2000, hier insbes. S.27.

3 Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.), Vernich-tungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Aus-stellungskatalog, Hamburg 21997.

4 Diese ignorierten dabei völlig, dass die Mehrheit der Bevöl-kerung spätestens seit der Privatisierung des Fernsehens inDeutschland ständig mit suggestiven Medienprodukten undauch Gewaltdarstellungen konfrontiert ist. Beispielsweisewären auch die von Guido Knopp verantworteten Fernseh-sendungen zur Zeitgeschichte einmal auf ihre Suggestivitäthin zu untersuchen. Neben den ubiquitären Werbebildernzeichnete sich auch die US-amerikanische Kriegsberichter-stattung seit dem Golfkrieg durch ein sehr hohes Maß anSuggestivität aus.

5 Siehe Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 3), S.177-218; vgl. Petra Bopp, „Wo sind die Augenzeugen, wo ih-re Fotos?“, in: Hamburger Institut für Sozialforschung,(Hrsg.), Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption derAusstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht1941 bis 1944“, Hamburg 1999, S. 205, 212 ff.

6 Beispiele für entsprechende Hinweise auf Urheber und Über-lieferung der Fotografien in den Bildbeschriftungen findensich im Katalog des Hamburger Institut für Sozialforschung,(Anm. 3) auf S. 66 f. (Propagandakompanien), S. 77, Abb. 2-4 (aus der Brieftasche eines Soldaten), S. 84 f. (Propaganda-kompanien), S. 86 f. (Propagandakompanien, mit einem aus-drücklichen Hinweis, dass eines der Bilder – dort Abb. 8 –von der Zensur gesperrt wurde), S. 93, Abb. 3-4 (Fotos einesSoldaten), S. 94 f., Abb. 1-9 (Fotos eines Soldaten), S. 111(Propagandakompanien), S. 113 Abb. 2-3 (Propagandakom-panien). Unterschwellig kam in den Bildbeschriftungen derAusstellung ein gewisses Misstrauen gegenüber den PK-Fo-tografien zum Ausdruck, doch dieses wurde an keiner Stellenäher erläutert und begründet.

7 Mit Ausnahme der 735 Porträts von Opfern der Exekution inKragujevac wurden keine Fotografien aus Perspektive der„Opfer“, d. h. Bilder, die Angehörige der besetzten Ländergemacht hatten, gezeigt. Auf diesen Kritikpunkt wies michfreundlicherweise Timm Starl am 12.5.1999 in einem Telefo-nat hin.

8 Siehe Bopp, (Anm. 5), S. 198 und 208 f. (zu den Ausstel-lungstafeln mit Porträtaufnahmen von Opfern der Erschies-sung von Kragujevac).

9 Vgl. Werner Röhr, Die neue Ausstellung „Verbrechen derWehrmacht“, in: Bulletin für Faschismus- und Weltkriegsfor-schung, Heft 18, 2002, S. 69-81, hier insbes. S. 70.

10 Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 3), S. 221(Bildquellennachweis). Die Zahl der im Abbildungsnachweis

aufgeführten Bilder (insgesamt 335) stimmt nicht überein mitder Gesamtzahl fotografischer Abbildungen im Katalog (ins-gesamt 785). Anhand des Bildquellennachweises kann dieHerkunft der Fotos unterschieden werden nach kommerziel-len Bildarchiven der Bundesrepublik (Axel Springer Verlag,Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Cinema Bildarchiv,Gruner & Jahr, Heinrich Bauer Verlag), öffentlichen Samm-lungen in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich(Bundesarchiv, Deutsche Bibliothek Frankfurt, DeutschesHistorisches Museum, Dokumentationsarchiv des österrei-chischen Widerstands, Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesba-den, Österreichisches Staatsarchiv, Österreichische National-bibliothek, Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zurAufklärung nationalsozialistischer Verbrechen), öffentlichenSammlungen der betroffenen Länder (Belorussisches Archivfür Film- und Fotodokumente Dscherschinsk, BelorussischesStaatsarchiv Minsk, GARF Staatsarchiv der Russischen Fö-deration Moskau, Gedenkstätte Kragujevac, JugoslawischesArchiv Belgrad, Jüdisches Museum Belgrad, Kriegshistori-sches Archiv Prag, Museum des Großen VaterländischenKrieges Minsk, Militärmuseum Belgrad, Russisches Staats-archiv für Film- und Fotodokumente Krasnogorsk, Ukraini-sches Film- und Fotoarchiv Kiew, Ukrainisches HistorischesMuseum Charkow), Sammlungen zur jüdischen Geschichtein den USA und Israel (United States Holocaust MemorialMuseum Washington, Yad Vashem Jerusalem, YIVO Institutfür jüdische Studien New York) und sonstigen (Privatbesitz).Dem Bildquellennachweis zufolge (335 = 100%) stammten52% der Fotos aus öffentlichen Sammlungen der vom Kriegim Osten betroffenen Länder, 26% aus öffentlichen Samm-lungen Deutschlands und Österreichs, etwas über 9% ausSammlungen zur jüdischen Geschichte in den USA und Isra-el, knapp 7% der Fotos aus kommerziellen Bildarchiven derBundesrepublik und fast 5% aus sonstigen Sammlungen.

11 Siehe Bopp, (Anm. 5), S. 214 (mit genaueren Nachweisender vorgebrachten Kritik).

12 Ebenda, S. 198. Petra Bopp zufolge hätte sich die Ausstel-lung mit der Zahl der eingegangenen Privatfotos duplizierenlassen. Vgl. auch Bernd Boll, Kriegssouvenirs. Rekonstruk-tion von Geschichtserfahrung als intergenerationelles Pro-jekt, in: Hamburger Institut für Sozialforschung, (Hrsg.), Ei-ne Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung„Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis1944“, Hamburg 1999, S. 163-183, hier S. 165.

13 Sie fragten sich, ob ihr Vater oder Großvater Zeuge solcherVerbrechen oder gar einer der Täter gewesen sei, ob er selbstGrausamkeiten fotografierte oder dabei fotografiert wordenwar. Siehe Gabriele Rosenthal, Die Kinder des „Dritten Rei-ches“. Sozialisiert im familialen Rechtfertigungsdialog, in:Hamburger Institut für Sozialforschung, (Hrsg.), Besucher ei-ner Ausstellung. Die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbre-chen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ in Interview und Ge-spräch, Hamburg 1998, S. 116-140, hier S. 116.

14 Siehe Bopp, (Anm. 5), S. 202 f., welche hierzu auch mehrereBriefe an die Aussteller zitiert. Auch eine Journalistin er-kannte auf einem der gezeigten Fotos ihren Vater wieder:Mein Vater, der Kriegsverbrecher. Brigitte Möller macht aufeinem Ausstellungs-Photo eine schockierende Entdeckung,in: Süddeutsche Zeitung vom 5./6.4.1997. Vgl. auch HannesHeer, Landschaft mit Kratern, in: Hamburger Institut für So-zialforschung, (Hrsg.), Besucher einer Ausstellung. Die Aus-stellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941bis 1944“ in Gespräch und Interview, Hamburg 1998, S.105 f. (Beispiele verschiedener Rezeptionsformen: Angst,

Page 25: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

120 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

den Vater auf einem Foto zu erkennen oder sich in die Fotosder Ausstellung hineinversetzen, um eine verlorene familiäreÜberlieferung zu ersetzen).

15 Bopp, (Anm. 5), S. 203 zitiert hierzu Gästebucheinträge undBriefe. Gästebucheintrag vom 15.12.1996 in Linz: „Mein Va-ter, Kriegsteilnehmer, konnte oder wollte die vielen Fragen,die ich ihm stellte, nicht beantworten. Ich wußte nicht, war-um er so oft geweint hat. Vielleicht weiß ich es jetzt.“ Briefeiner 59jährigen aus München vom 8.3.1997: „Noch ganz imBann dieser schrecklichen Bilder kann ich nur sagen, daß icheinfach nicht begreifen kann, wie Menschen zu solchen Tatenfähig sind [...] Ich kann erst jetzt verstehen, warum mein Va-ter nach dem Krieg bis zu seinem Lebensende Alpträumehatte.“

16 Brief eines 78jährigen aus Wien, ohne Datum: „Diese Aus-stellung hat bei mir Bilder wachgerufen, wie ich sie in meinersechsjährigen Kriegsdienstzeit insbesondere im Osten undSüdosten erlebt habe. Das Land, die Soldaten und Zivilistenhaben so ausgesehen wie sie gezeigt werden.“ Brief eines85jährigen aus Dresden vom 3.2.1998: „Mein Weg nach demOsten ist in vielen der Fotos und Berichte in Erinnerung ge-kommen. Das zeigen auch meine Fotos in meinem Album.“Eintrag vom 10.2.1998 in das Gästebuch in Dresden: „DieBilder kommen mir sehr bekannt vor, ähnliche habe ich imFotoalbum meines Großvaters gesehen.“ Briefe und Gäste-bucheinträge nach Bopp, (Anm. 5), S. 200.

17 Vgl. beispielsweise Raul Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer.Die Vernichtung der Juden 1933 – 1945. Frankfurt am Main1997, S. 259 (Oberstleutnant Artur Sommer, Referent imWirtschaftsamt des Oberkommandos der Wehrmacht, kamim Juli 1942 im offiziellen Auftrag in die Schweiz und sprachdort offen über das deutsche Verhalten in der Sowjetunion; erließ dort auch größere Mengen von Fotografien ausgemergel-ter und toter sowjetischer Kriegsgefangener zurück) und S.238 (ein SS-Leutnant kam vor das Oberste SS- und Polizei-gericht, weil er eine von ihm angeordnete Erschießung foto-grafiert hatte und in süddeutschen Labors entwickeln ließ,um sie seiner Frau und Bekannten zu zeigen. Das SS-Gerichtvertrat die Auffassung, er habe riskiert, dass Berichte darüberbis in die neutrale Schweiz gelangten und zur Propaganda ge-gen das Deutsche Reich dienen könnten). Ein Besucher der„Wehrmachtsausstellung“ erinnerte sich, dass sein Vater, einziviler Angestellter in der besetzten Ukraine, von Erschies-sungen erzählte und dass Soldaten zum Teil Aufnahmen da-von machten; siehe Auszüge aus dem Interview mit Herrn B.bei Rosenthal (Anm. 13), S. 125. Eine Besucherin erinnertesich an ihre Schulzeit während des Krieges, wo sie durch einanderes Mädchen Bekanntschaft mit Fotos von Erhängtenmachte; ein Thema, über das ihre Eltern nicht mit ihr spre-chen wollten: „wir dritte oder vierte Klasse, und eins von denMädchen, die kam eines Morgens mit großem Hallo in dieSchule, und och, was ich habe, was ich habe, ich zeig euchdas nachher mal [...] in der ersten Pause war es dann soweit,daß sie diese Bilder ausgepackt hat, und erst mal kriegte ihreNachbarin die zu sehen [...] und dann wurde gekuckt unddann wurde schon weitergereicht nach vorn. Ich kriegte dannoch so’n Bild, aus der Diskussion hab ich schon entnommengehabt damals, daß irgendwas Schreckliches das is, und ichhab schon kaum raufzukucken gewagt. Und was ich dann aufdiesen Bildern sah, war entsetzlich, also das konnt ich nievergessen, also, da war hier’n Pfosten, da’n Pfosten und dadrüber war so’ne Latte gelegt oder ’n Pfahl oder irgendwasund da dran hingen nicht bloß drei, vier, das waren wohlzehn, zwölf, fünfzehn Gefangene, die da also aufgehängt wa-

ren, schön der Reihe nach [...] also ich glaube, ich habe dasvage zu Hause, ich war entsetzt und ich hab auch, glaub ich,wieder eine Nacht nicht schlafen können“; Interview 41 Pots-dam, S. 1-2, nach Rosenthal, (Anm. 13), S. 121 f.

18 Brief eines 60jährigen aus Dresden vom 29.1.1998 nachBopp, (Anm. 5), S. 199; vgl. auch die Aussage von Frau T.,Tochter eines damaligen Berufssoldaten, die sich angesichtsder Fotos fragte, wie „sie das fertig kriegten, diese Menschenumzubringen“, nach Rosenthal, (Anm. 13), S. 133.

19 So behauptete beispielsweise Horst Möller, der Direktor desMünchener Instituts für Zeitgeschichte, die deutsche Öffent-lichkeit interessiere sich nicht für die Erkenntnisse der Ge-schichtswissenschaft, welche nur in komplizierten Büchernund nicht in Ausstellungen darstellbar sein. Siehe: WeinendeNachrichtensprecher, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom18.4.1997. Vgl. dazu Michael Wolffsohn, Geschichtsdilettan-ten prägen das Bild der Geschichte, Frankfurter AllgemeineZeitung vom 30.3.1997 (Wolffsohn meint, die deutsche Ge-schichtswissenschaft sei „strukturell unwillig“, mit der brei-ten Öffentlichkeit zu kommunizieren).

20 Horst Möller behauptete beispielsweise, der Ausstellungslei-ter Hannes Heer habe die Besucher im Sinne von Gustave LeBon’s Massenpsychologie manipuliert. Siehe Interview mitHorst Möller in der Zeitschrift Focus, Nr. 43, 1999, S. 45. LeBon’s Massenpsychologie wird in der Regel von Konservati-ven herangezogen, um die Notwendigkeit von Medienzensurund einer Bevormundung der vermeintlich leichtgläubigenund kritikunfähigen „Masse“ durch konservative Eliten zubegründen. Die Medienwirkungstheorien, auf welchen Möl-lers Beurteilung der Ausstellung beruht, sind spätestens seitden 1970er Jahren durch den „uses-and-gratifications“-An-satz in der Medienforschung überholt. Vgl. dazu Dieter Pro-kop, Medien-Macht und Massen-Wirkung. Ein geschichtlicherÜberblick, Freiburg 1995, S. 39-42 (zu Le Bon) und S. 291-298 (uses-and-gratification-Ansatz).

21 Die Behauptung, das Publikum sei durch Fotografien emotio-nal manipuliert worden, ist in erster Linie ein von konservati-ven Teilen des Wissenschaftsbetriebs formulierter Anspruchauf exklusive Deutungshoheit und autoritäre Bevormundungder Bevölkerung in einer demokratischen Gesellschaft. Da-hinter verbirgt sich die Auffassung, die Masse der Bevölke-rung sei dumm, emotional leicht beeinflussbar und nicht zueinem vernunftgeleiteten Urteil über eine Ausstellung fähig.Die Kritik von seiten der konservativen wissenschaftlichenExpertokratie nicht nur an der Ausstellung, sondern auch anderen Popularität, die denunziatorisch als emotionale Mani-pulation des Publikums durch Fotografien dargestellt wurde,fand in überregionalen Printmedien wie Focus und der Frank-furter Allgemeinen Zeitung dankbare kommerzielle Verwerterund Multiplikatoren.

22 Vgl. hierzu Alphons Silbermann zum Stichwort Massenkom-munikation in: Wilhelm Bernsdorf, (Hrsg.), Wörterbuch derSoziologie, Stuttgart 1969, 2. neubearbeitete und erweiterteAuflage, S. 673-681, insbes. S. 677. Silbermann nennt unterden Funktionen moderner Massenmedien u.a. eine sozialthe-rapeutische Funktion, die in der kapitalistischen Medienwirt-schaft vor allem durch Unterhaltung und Zerstreuung reali-siert wird, um das Gleichgewicht der Persönlichkeit aufrecht-zuerhalten (ebenda, S. 680). Im Fall der hier besprochenenAusstellung, bei der es sich nicht um ein kommerzielles, auffinanziellen Gewinn hin ausgerichtetes Medienprodukt han-delt, treten andere, von Silbermann ebenfalls genannte mas-senkommunikative Funktionen deutlicher hervor, die durch-aus auch sozialtherapeutische Wirkungen haben können:

Page 26: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

121aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

nämlich Verringerung der Isolation, Schaffung neuer Grup-pen- und Ideenassoziationen und die Vernichtung ideologi-scher und kultureller Barrieren. Silbermann weist am Endeseines 1969 erschienen Artikels darauf hin, dass sich die so-ziologische Massenkommunikationsforschung in den USA,Frankreich, Polen und Japan etabliert habe, während inDeutschland keine Lehrstühle und Institute hierfür eingerich-tet worden seien (ebenda, S. 681).

23 Von Seiten der politischen Opposition gegen die Ausstellungwurden auch zahlreiche juristische Auseinandersetzungenprovoziert, die nur teilweise öffentlich wurden. Einige Geg-ner der Ausstellung erhoben Privatklagen gegen das Hambur-ger Institut. Die Kritik von Focus bediente sich unangemesse-ner Diffamierungen (Ausstellungsleiter Heer „lüge“ und „fäl-sche“ Bilder) und mündete daher ebenfalls in Rechtsstreitig-keiten, die bis vor das Bundesverfassungsgericht gingen. Vgl.Focus, Nr. 11/1998, S. 13, und Urteil des Bundesverfassungs-gerichts, das Ausstellungsleiter Hannes Heer das von bayeri-schen Gerichten zunächst abgesprochene Recht auf Gegen-darstellung schließlich zusprach: http://www.bverfg.de/ent-scheidungen/frames/rk19980825_1bvr143598. Angriffe aufdie Ausstellung fanden auch in Form von Flugblattpropagan-da statt, die ihre politische Opposition in juristische Argu-mente oder Kritik an den Fotos kleidete. Als die Ausstellung1997 in der Paulskirche in Frankfurt am Main gezeigt wurde,verteilten junge Männer einer „Arbeitsgemeinschaft Pauls-kirche“ verschiedene Flugblätter an die auf Einlass warten-den Besucher. In einem zweiseitig bedruckten Flugblatt die-ser Gruppe mit dem Titel Wir kritisieren die Ausstellung ’Ver-nichtungskrieg‘ in der Paulskirche (V.i.S.d.P.: Götz Kubit-schek, Heidelberg) hieß es, die Kriegsverbrechen der Rotar-misten an deutschen Soldaten würden ignoriert, die russi-schen Partisanen hätten gegen das Kriegsvölkerrecht verstos-sen und die von Deutschen durchgeführten Geiselerschießun-gen wären völkerrechtlich zulässig gewesen. In diesem juri-stischen Argumentationszusammenhang kritisierte das Flug-blatt auch die präsentierten Fotos: „In der Ausstellung sindzahlreiche Bilder von ’Zivilisten‘ zu sehen, die erhängt odererschossen werden. Dabei bleibt völlig offen, wer diese Zivi-listen waren, bzw. ob es sich hierbei um völkerrechtlich ge-deckte Maßnahmen gegen Spione oder Partisanen gehandelthaben könnte.“ Weiter heißt es: „Die Herkunft der gezeigtenBilder ist umstritten, selten wird ein genauer Quellennach-weis erbracht. Viele Bilder sind unscharf, manche zeigennicht einmal das Exekutionskommando.“

24 Angelika Beckmann, Verbrechen der Wehrmacht 1941 –1944, in: Rundbrief Fotografie, Vol. 4, Nr. 2 vom 15.6.1997(N.F. 14), S. 26-27, hier S. 27.

25 Vgl. beispielsweise Erwin Faber, Imanuel Geiss, Arbeitsbuchzum Geschichtsstudium. Heidelberg 21992, S. 95-97.

26 Bogdan Musial, Bilder einer Ausstellung. Kritische Anmer-kungen zur Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Verbre-chen der Wehrmacht 1941 – 1944“, in: Vierteljahreshefte fürZeitgeschichte, Jg. 47, Heft 4, 1999, S. 563-591, hier insbes.S. 565.

27 Der Kontext polnischer Wissenschaftsgeschichte, in wel-chem Musials Auseinandersetzung mit dem sowjetischenGeheimdienst NKWD steht, wurde in der deutschsprachigenDiskussion nicht deutlich. Seine in der Sache richtige Kritikan der Beschriftung von weniger als 1% der in der Ausstel-lung präsentierten Fotos, die tatsächlich NKWD-Opfer zei-gen, wurde in der Bundesrepublik vor allem von denjenigenrezipiert, welche die Verbrechen des NS-Regimes im OstenEuropas bagatellisieren und die zur Entlastung der Wehr-

macht gerne die Verbrechen der Sowjetunion in den Vorder-grund stellen möchten. Das Durchbrechen der deutsch-polni-schen Sprachbarriere, die Isolierung von Teilerkenntnissenaus ihrem wissenschaftsgeschichtlichen Kontext in Polen undderen Verquickung mit der Propaganda verschiedener rechterGruppierungen in der Bundesrepublik verursachten Proble-me bei der Unterscheidung der sachlich angemessenen voneiner rein politisch motivierten Kritik.

28 Siehe Musial, (Anm. 26), insbesondere die beiden Abbildun-gen auf S. 566 und den Text dazu auf S. 566 f., vgl. dort be-treffend des verwendeten Begriffs „Blickwinkel“ auch S.568, 572 (mit Abbildungen dazu auf S. 571) und 579.

29 Der Quellenwert der Reproduktionen ist in der Regel gerin-ger. Beim Reproduktionsprozess geht für gewöhnlich eineVielzahl von Informationen zu den Entstehungs- und Über-lieferungszusammenhängen der jeweiligen Fotografie verlo-ren, die in der materiellen Überlieferungsform, den rückseiti-gen Beschriftungen und Überlieferungskontexten liegt.

30 Vgl. Musial, (Anm. 26), S. 572. Siehe dazu auch Ute Wrock-lage, Links stark beschnitten. Nach der Wehrmachtsausstel-lung: Fotografie & Quellenkritik, in: Frankfurter Rundschauvom 17.11.1999. Wrocklage schrieb in diesem Artikel be-reits, dass es sich bei den von Musial angeführten Fotos ausBoryslaw lediglich um unterschiedliche Bildausschnitte der-selben Fotoaufnahme handelte: „das Bild aus dem Ausstel-lungskatalog wurde im Vergleich zur Aufnahme aus dem Ar-chiv der Hauptkommission in Warschau im Vordergrund undam linken Rand stark beschnitten“. Das gleiche stellte sieauch für weitere der von Musial besprochenen Aufnahmenfest: „Dies trifft auch für die zwei nebeneinander gestelltenAufnahmen aus Zloczow zu: es handelt sich um dasselbe Fo-to in zwei Ausschnitten. Die Aufnahme aus dem Ostarchivgibt mehr von der eigentlichen Szene frei“.

31 Die Hauptabteilung Propaganda der Regierung des General-gouvernements hatte ihren Sitz in Krakau, Polen. Ihre voll-ständige Bezeichnung lautete – in Anlehnung an das überge-ordnete Reichsministerium – “Abteilung für Volksaufklärungund Propaganda“. Sie wurde im Zusammenhang mit der Li-quidierung des gesamten polnischen Pressewesens und demAufbau eines nationalsozialistischen Propaganda- und Pres-selenkungsapparates im Gebiet des Generalgouvernementsgeschaffen. Von den Akten dieser Abteilung sind nur geringeReste erhalten. Als Leiter dieser Abteilung wurde am1.2.1941 Wilhelm Ohlenbusch berufen, der 1933 bis 1939 inhöherer Stellung bei der NSDAP-Propagandaabteilung Ham-burg und beim Propagandaministerium in Berlin arbeitete.Nach Lucjan Dobroszycki, Die legale polnische Presse imGeneralgouvernement 1939 – 1945, München 1977, S. 8 , 12,73. Ein Teil des ehemaligen Bildarchivs der HauptabteilungPropaganda im Generalgouvernement befindet sich heute imWest-Institut in Posen (Poznan), Polen. Andere Teile des ehe-maligen Bildarchivs wurden über den Handel verstreut, überwelchen ich selbst auch in den Besitz einzelner Aufnahmenaus diesem Archiv gelangte.

32 Vgl. Musial, (Anm. 26), S. 590 („wirkliche Dokumentarauf-nahmen“).

33 Vgl. Ebenda, S. 569 (zum Foto aus der Hauptabteilung Pro-paganda mit der Bildunterschrift „Sowjetische Greuel“).Ähnlich unkritisch verwendet Musial auf S. 572 auch ein beiAlfred de Zayas, Die Wehrmacht-Untersuchungsstelle, Mün-chen 1995, S. 336, abgebildetes Foto von Leichen in Zloczowals Beleg, das – der Bildbeschriftung nach – damals höchst-wahrscheinlich zum Zweck nationalsozialistischer Propagan-da in Umlauf gebracht wurde. Die Tatsache, dass die Natio-

Page 27: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

122 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

nalität bzw. Religion der Leichen, die de Zayas, angibt (er-mordete Volksdeutsche und Ukrainer), nicht mit den Ergeb-nis von Musials eigenen Recherchen (ermordete Ukrainer,Polen und Juden) übereinstimmt, benennt er zwar, aber dasführt ihn nicht zu der Schlussfolgerung, daß auch den – of-fenbar von de Zayas kritiklos übernommenen – deutschenPressebildbeschriftungen aus der Zeit des Nationalsozialis-mus nicht zu trauen ist.

34 Musial selbst schreibt, dass der NS-Propaganda „die sowjeti-schen Massenverbrechen für ihre antisowjetische und antijü-dische Kampagne sehr gelegen“ kamen. Vgl. Musial, (Anm.26), S. 586.

35 Siehe hierzu Horst Hano, Die Taktik der Pressepropagandades Hitlerregimes 1943 – 1945, München 1963; S. 81-89; Jür-gen Hagemann, Die Presselenkung im Dritten Reich, Bonn1970, S. 131 f., 137, 191 f., 199 ff.; Kurt Koszyk, DeutschePresse 1914 – 1945. Geschichte der deutschen Presse, TeilIII., Berlin 1972, S. 430; Wilhelm Boelcke, (Hrsg.), Wollt ihrden totalen Krieg? Die geheimen Goebbels-Konferenzen 1939– 43, Hersching 1989, S. 180 ff.

36 Vgl. Dobroszycki, (Anm. 31), S. 116 f., 129. Ab Februar1944 wurde im Generalgouvernement in Zusammenarbeitmit der Sicherheitspolizei nochmals eine spezielle antirussi-sche und antikommunistische Propagandakampagne („Ak-tion Berta“) gestartet, ebenda, S. 202.

37 Die Weltbild GmbH mit Sitz in Berlin SW 68, Zimmerstr. 28entstand im April 1935 nach der Übernahme der deutschenNiederlassung der amerikanischen Bildagentur „KeystoneView“ durch das Deutsche Nachrichtenbüro. Im Zuge derÜbernahme und Umbenennung wurden alle jüdischen undhalbjüdischen Mitarbeiter entlassen. Die Weltbild GmbH warbereits Mitte der 1930er Jahre neben der Presseillustrations-firma Heinrich Hoffmann die führende Bildagentur inDeutschland. Siehe Diethart Kerbs, Die Epoche der Bild-agenturen, in: Diethart Kerbs, Walter Uka, Brigitte Walz-Richter, (Hrsg.), Die Gleichschaltung der Bilder. Pressefoto-grafie 1930 – 1936, Berlin 1983, S. 32-73, hier insbes. 62 f.und 69.

38 Siehe hierzu Hagemann, (Anm. 35), S. 207-209, und Hano,(Anm. 35), S. 84 f., der eine Presseanweisung des Propagan-daministeriums vom 2.8.1943 zitiert: „Ausdrücke wie ’Rus-sen‘ und ’russisch‘ für den sowjetischen Gegner sind unbe-dingt zu vermeiden [...] es darf nur von ’Bolschewisten‘ oder’Sowjets‘gesprochen werden [...]“. Treffende Kritik am na-tionalsozialistischen Sprachgebrauch wurde bereits währenddes Krieges geübt. So fragte Radio London am 3.11.1943:„Haben Sie je gehört, daß ein deutscher Sprecher das WortRußland oder die Russen gebraucht? Die deutschen Kriegs-berichte sprechen immer von den Bolschewisten oder denSowjets. Das ist die typische Propagandahaltung und nichtspontan. Diese unbestimmte und unpersönliche Bezeichnungaufzugeben, hieße anzudeuten, daß die Russen Menschenwie wir selber sind.“ Ebenda.

39 Die „Atlantic Pressebilderdienst und Verlags-GmbH“ mitSitz in Berlin SW 68, Lindenstr. 36, war unter Leitung vonHeinrich Sanden sen. eine der führenden Pressebildagenturender Weimarer Republik. Nach der Machtübernahme durchdie NSDAP verkaufte Sanden die Firma an den nationalkon-servativen Kaufmann Dr. Friedrich Karl Hermann, der dasUnternehmen den Vorgaben des Reichspropagandaministeri-ums unterwarf. Siehe Kerbs, (Anm. 37), S. 33 f., 37 f., 69.

40 Goebbels nach Boelcke, (Anm. 35), S. 183.41 Vgl. Winfried Ranke, Fotografische Kriegsberichterstattung

im Zweiten Weltkrieg. Wann wurde daraus Propaganda? In:

Fotogeschichte, Heft 43, 12. Jg., 1992, S. 61-75, hier insbes.S. 61 f., 69.

42 Berliner Illustrierte Zeitung 50/1941, Nr. 29 vom 17.7.1941,S. 764/65, abgebildet bei Ranke, (Anm. 41), S. 69.

43 Siehe Musial, (Anm. 26), S. 586-589. Musial weist zu Rechtdarauf hin, dass deutsche Soldaten nicht nur Opfer der deut-schen Kriegsführung und Besatzungsherrschaft fotografier-ten, sondern auch Opfer der Kriegsgegner (z. B. NKWD-Op-fer). Diese Erkenntnis kann aber nicht auf die offizielle deut-sche Pressefotografie übertragen werden.

44 Daneben vertrat Ungváry bezüglich der historischen Ereig-nisse die Auffassung, dass die Arbeitsteilung zwischen SSund Wehrmacht nicht deutlich genug dargestellt worden unddie von der Wehrmacht durchgeführten Exekutionen recht-mäßig gewesen seien.

45 Krisztián Ungváry, Echte Bilder – problematische Aussagen.Eine quantitative und qualitative Fotoanalyse der Ausstellung„Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 –1944“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Jg. 50,Heft 10, 1999, S. 584-595.

46 Siehe ebenda, S. 593.47 So kommt er zu dem Ergebnis, dass 41% der Bilder Leichen

oder Verbrechen zeigen, dass 20% der Fotos weder Täternoch zuschauende Soldaten zeigen und dass 25% zwar deut-sche Täter zeigen, diese aber nicht eindeutig der Wehrmachtzuzuordnen seien.

48 Diese Vermischung zweier Ebenen betrifft vor allem Foto-aufnahmen, auf welchen nur Opfer, aber keine Täter sichtbarsind; in manchen dieser Fälle lassen sich die Täter durchschriftliche Überlieferungen identifizieren, in anderen nicht.

49 Siehe dazu Prokop, (Anm. 20), S. 305 f. und 309.50 Dass die Beziehung zwischen abstrakten Begriffen nicht un-

mittelbar in sinnlich-konkrete fotografische Wirklichkeits-ausschnitte übersetzt werden kann, erkennt Ungváry nicht. Erverkennt, dass die faktisch aus der Zeit des Zweiten Welt-kriegs überlieferten Fotografien Verbrechen nicht unmittel-bar, sondern nur mittelbar zeigen: vermittelt durch die Mög-lichkeiten und Grenzen des fotografischen Mediums wieauch durch die Handlungsspielräume und Darstellungsab-sichten der jeweiligen Urheber. Die faktisch überlieferten Fo-tografien aus dem „Vernichtungskrieg“ zeigen meist nur diesichtbaren Spuren (die Toten) und nur selten Prozesse derGewaltanwendung selbst (das Töten). Die ebenfalls mit derfotografischen Erfassung von „Verbrechen“ befaßte Polizei-fotografie bietet ein beredtes Beispiel für die Grenzen desMediums Fotografie im Bereich der Verbrechensaufklärung.

51 Ungváry, (Anm. 45), S. 588.52 Siegfried Lorber, Ein fragwürdiges Gutachten, in: Zur Zeit,

Nr. 50 vom 9.-14.12.2000.53 Vgl. Peter Jahn, Ulrike Schmiegelt, (Hrsg.), Foto-Feldpost.

Geknipste Kriegserlebnisse 1939 – 1945. AusstellungskatalogMuseum Berlin-Karlshorst, Berlin 2000.

54 Dass das Entstehen solcher ’spektakulären‘ Privataufnahmeneingeschränkt werden sollte, belegen u. a. die an die deut-schen Soldaten und SS-Männer gerichteten Verbote, die vonden eigenen bewaffneten Kräften durchgeführten Exekutio-nen im Osten zu fotografieren. Allem Anschein nach nahmenderartige Verbote infolge von Erfahrungen, die der national-sozialistische Propagandaapparat mit bis in die Auslands-presse gelangten Knipserfotos von Exekutionen in Polen ge-macht hatte, seit dem Angriff auf die Sowjetunion zu. Vgl. zuden Fotoverboten: beispielsweise Ausstellungskatalog Ham-burger Institut für Sozialforschung, (Anm. 3), S. 163 undJahn/Schmiegelt, (Anm. 53), S. 25. Siehe zu den im Ausland

Page 28: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

123aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

publizierten Fotografien von Exekutionen: Sybil Milton, Ar-gument oder Illustration. Die Bedeutung von Fotodokumen-ten als Quelle, in: Fotogeschichte, Heft 28, 8. Jg., 1988, S. 86,Abb. 27 (London Illustrated News); Kathrin Hoffmann-Cur-tius, Trophäen und Amulette. Die Fotografien von Wehr-machts- und SS-Verbrechen in den Brieftaschen der Solda-ten, in: Fotogeschichte, Heft 78, 20. Jg., 2000, S. 73, Abb. 14(Prawda vom 6.2.1942). Goebbels zu ins Ausland gelangtenFotografien von Exekutionen im „Osten“: Boelcke, (Anm.35), S. 35, 172 f. und S. 232.

55 Der Papierabzug wurde angesichts dieses Kontrastproblemsso belichtet, dass es – unter Inkaufnahme einer schlechterenLichterzeichnung (im Bereich von hellen Details wie demSchild) – zu einer möglichst guten Schatten- und Mittendiffe-renzierung des gesamten Bildfeldes der Aufnahme kommt.Diesen Hinweis verdanke ich Jan Brüning. Es ist häufiger zubeobachten, dass bei zeitgenössischen Papierabzügen der Pri-vataufnahmen von Menschen mit ähnlichen Schildern amKörper die Beschriftungen nicht durchgezeichnet sind.

56 Der Bildquellennachweis in der betreffenden Veröffentli-chung belässt im Unklaren, woher dieses Bild stammt. SieheUnser Jahrhundert im Bild. Einleitung von Golo Mann, Text-beiträge von P. Kluke, W. Conze, O.-E. Schüddekopf, K. D.Bracher, H.-A. Jacobsen, H. Herzfeld, Bildtexte und Redak-tion: G. Richter, O.-E. Schüddekopf, D. Strothmann. Güters-loh 1964, S. 783

57 Schriftliche Mitteilung von Wolfgang Neugebauer, Doku-mentationsarchiv des Österreichischen Widerstands in Wienvom 10.1.2001.

58 Siehe Abbildung bei Boll, (Anm. 12), S. 167; siehe auchHamburger Institut für Sozialforschung, (Hrsg.), Verbrechender Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941 –1945, Ausstellungskatalog, Hamburg 2002, S. 726 (Jan Phi-lipp Reemtsma auf der Pressekonferenz vom 4.11.1999 inHamburg, im Hintergrund die Fotos der angesprochenen Sei-te des privaten Fotoalbums, hinter dem Zeigefinger seiner er-hobenen linken Hand die Exekutionsaufnahme).

59 Siehe Boll, (Anm. 12), S. 166. Das betreffende Album befandsich in Privatbesitz eines Arztes in Sigmaringen, der es aufeinem Flohmarkt gekauft hatte. Schriftliche Mitteilung BerndBoll vom 6.2.2001.

60 Siehe Jahn/Schmiegelt, (Anm. 53).61 Im YIVO-Institut, nach Hanno Loewy, Gerhard Schoenber-

ner, „Unser einziger Weg ist Arbeit“. Das Getto in Lodz 1940– 1944, Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main 1990.

62 Czeslaw Luczak, (Hrsg.), Polozenie ludnosci polskiej w KrajuWarty 1939 – 1945. Dokumenty niemieckie. Wybor i tlumac-zenie Czeslaw Luczak. Poznan 1987, Abb. 8; ders., Dzien podniu w okupowanej Wielkopolsce i Ziemi Lodzkiej, (Kraj War-ty). Kalendarium wydarzen 1939 – 1945. Poznan 1993, S.128; ders., Pod niemieckiem jarzem (Kraj Warty 1939 – 1945).Poznan 1996, S. 29, Abb. 7.

63 Der Kontakt kam aufgrund eines Artikels in einer polnischenTageszeitung über meine Recherchen zu Fotografien der Be-satzungszeit 1939 – 1945 in Polen zustande. Anna Plenzler,Miriam i fotografie, in: Glos Wielkopolski vom 17.2.1995.

64 Nach Aussagen ihres Schwiegersohns arbeitete sie mit dempolnischen Widerstand zusammen und leitete Fotoaufnah-men von Deutschen weiter, die für den polnischen Unter-grundstaat von Interesse waren. Diese Angaben stimmenüberein mit einer Reihe ähnlicher Überlieferungsgeschichtender Fotografien von NS-Verbrechen.

65 Sabine Hillebrecht, Bildquellen. Das Foto im Visier vonKunst- und Kulturwissenschaftlern, Historikern und Archiva-

ren, in: Fotogeschichte, Heft 74, 19. Jg., 1999, S. 68-70.66 Wolf Buchmann, „Woher kommt das Photo?“ Zur Authenti-

zität und Interpretation von historischen Photoaufnahmen inArchiven, in: Der Archivar, 59. Jg., 1999, Heft 4, S. 296-306.

67 Vgl. hierzu insbesondere Diethart Kerbs, Methoden und Pro-bleme der Bildquellenforschung, in: Revolution und Fotogra-fie. Berlin 1918/19, Berlin 1990, S. 241-262.

68 Zeitgenössische Beschriftungen sind ein Teil der Quelle undArchivzuschreibungen können falsch sein und sollten des-halb nicht ungeprüft übernommen werden. Buchmann zufol-ge sollten Bildlegenden vor dem Hintergrund aller verfügba-ren Erkenntnisse über den Entstehungskontext formuliertwerden und belegbar sein.

69 Bartov u.a., (Anm. 2), S. 84.70 Ebenda, S. 81. Der Kommission zufolge hätte auch der Wi-

derstand innerhalb der Wehrmacht und die führende Rolleder SS und Polizei bei den Vernichtungsaktionen dargestelltwerden sollen; ebenda, S. 60, 61. Den Kritikern, welche dieErschießung von „Partisanen“ für rechtlich zulässig erklär-ten, hielt die Kommission entgegen, dass sie den Begriff zuwörtlich nehmen würden und völlig außer acht ließen, dassdabei auch unbeteiligte Zivilisten als „Partisanen“ exekutiertwurden; ebenda, S. 45.

71 Ebenda, siehe insbes. die Kapitel 5 (Fotos als Quelle undMittel der Darstellung), 6 (Zur Verwendung fotografischerAufnahmen in der Ausstellung) und 11.3 (Bewertung der inder Ausstellung verwendeten Fotos).

72 Ebenda, S. 25, siehe dazu auch die von der Kommission an-geführte Literaturauswahl S. 94-102. Zu Fotografien der Pro-pagandakompanien der deutschen Wehrmacht wurden ge-nannt: Ahlrich Meyer, (Hrsg.), Der Blick des Besatzers. Pro-pagandaphotographie der Wehrmacht aus Marseille 1942 –1944, Bremen 1999; Ulrich Keller, (Hrsg.), Fotografien ausdem Warschauer Ghetto, Berlin 1987; Winfried Ranke, Deut-sche Geschichte kurz belichtet. Photoreportagen von GerhardGronefeld, Ausstellungskatalog Deutsches Historisches Mu-seum Berlin, Berlin 1991 und Ranke, (Anm. 41). Zur priva-ten Fotografie der Soldaten wurden genannt: Jahn/Schmie-gelt, (Anm. 53); Judith Levin, Daniel Uziel, Ordinary Men,Extraordinary Photos, in: Yad Vashem Studies 26, 1998, S.265-293; Alexander B. Rossino, Eastern Europe throughGerman Eyes. Soldier’s Photographs 1939 – 1942, in: Histo-ry of Photography 4, 1999, S. 313-321; Timm Starl, Knipser.Die Bildgeschichte der privaten Fotografie in Deutschlandund Österreich von 1880 bis 1980, Ausstellungskatalog Foto-museum im Münchner Stadtmuseum, München 1995.

73 Bartov u. a., (Anm. 2) S. 32.74 Ebenda, S. 85. Bei den anderen von den Kritikern in Zweifel

gezogenen Fotos gibt es dem Kommissionsbericht zufolgenur Indizien, aber keine Beweise dafür, dass es sich umNKWD-Opfer handelt.

75 Ebenda, S. 28 f.76 Die Fotobestände in den meisten wissenschaftlichen und

kommerziellen Bildarchiven setzen sich vorwiegend aus Re-produktionen zusammen, bei denen meist jegliche Hinweiseauf die Entstehungszusammenhänge der Aufnahmen fehlen;auch der Standort der Reproduktionsvorlagen ist meist nichtdokumentiert. Fotografische Quellen werden in der Regelnicht mit der erforderlichen archivalischen Sorgfalt erschlos-sen und beschriftet. Bei kommerziellen Bildarchiven kanndas Ziel der Gewinnschöpfung zur Verschleierung der Her-kunft und auch zur Mehrfachverwertung derselben Aufnah-me mit verschiedenen, bedeutungsverändernden Bildbe-schriftungen führen.

Page 29: FOTOGESCHICHTE · zusammengestellter Bildmontagen gezeigt, welche die Bilder als „Beweise“ sprechen lassen sollten. Letzteres galt insbesondere für die Installation „Das Eiserne

124 aus: FOTOGESCHICHTE Heft 85/86

77 Bartov u.a., (Anm. 2), S. 21.78 Ebenda, S. 24.79 Ebenda, S. 76.80 Ebenda, S. 2781 Vgl. ebenda; Bopp, (Anm. 5), S. 214-217; Wrocklage,

(Anm. 30). Auch die Bildbeschriftungen des Deutschen Hi-storischen Museums in Berlin würden sich bei einer sostrengen Kritik als unzulänglich erweisen.

82 So beispielsweise im Katalog des Hamburger Instituts fürSozialforschung, (Anm. 58), S. 287.

83 Vgl. hierzu Viola Roggenkamp, Rehabilitation mit Schön-heitsfehlern, in: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung vom23.11.2000, S. 3.

84 Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58), S.718 f.

85 Bartov u.a., (Anm. 2), S. 86, 87.86 Schriftliche Mitteilung des Hamburger Instituts für Sozial-

forschung vom 24.04.02.87 Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58), S. 107-

122.88 Beispielsweise die schon zuvor häufiger veröffentlichten

Aufnahmen von jüdischen Zwangsarbeitern in Mogilewoder auch Exekutionen in Minsk.

89 Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58), S.708 ff.

90 Vgl. ebenda, S. 547 (dieselbe Aufnahme im Kontext weite-rer Aufnahmen des Ereignisses, doch innerhalb des Kata-logs gibt es keinen Querverweis).

91 Vgl. hierzu Bopp, (Anm. 5), S. 215-217.92 Absolute Zahl: 43 Fotos aus ZAMO (2), Museum des Gro-

ßen Vaterländischen Kriegs (8), TsGAKFFD (8), Militärhi-storisches Archiv Prag (14), Belorussisches Staatsarchiv(4), Staatliches Historisches Museum Petersburg (3), Mili-tärmuseum Belgrad (4).

93 Absolute Zahl: 429 Fotos aus dem Bundesarchiv, aus Staats-archiven und Landesarchiven, von Staatsanwaltschaften undLandgerichten, aus dem Deutschen Historischen Museumin Berlin und kleineren Institutionen.

94 Absolute Zahl: 70 Fotos von SV-Bilderdienst (25), ullsteinbild (18), Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz (19), dpa (8).

95 Absolute Zahl: 53 Fotos aus ECPAD (28), USHMM (5),photo cinema (2), Schweizerisches Bundesarchiv (2), NA-RA (2), DÖW (15).

96 Vgl. Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58),beispielsweise S. 309 (Generaloberst Franz Halder), S. 350(General Erich von Manstein), S. 367 (Generalbevollmäch-tiger für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel), S. 514 (General-feldmarschall Wilhelm Keitel). Generalfeldmarschall Wal-ter von Reichenau wird sogar in zwei verschiedenen Por-träts an unterschiedlichen Stellen präsentiert, vgl. ebd.S. 295, 330.

97 Vgl. Röhr, (Anm. 9), S. 77.98 Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58), S. 498.99 Ebenda, S. 564 f.

100 Ebenda, S. 372-379.101 Ebenda, insbes. S. 378 f.102 Ebenda, S. 168-173.103 Dass Fotografien, die möglicherweise aufgrund eines indi-

viduellen Interesses an dem Ereignis und den Menschenentstanden, nicht notwendig Nahaufnahmen sind, sondernsehr wohl wenig prägnante Übersichtsaufnahmen sein kön-nen, zeigen einige „Knipser“-Aufnahmen des Abtransportsvon Juden aus Kamenez-Podolsk von Gyula Spitz; sieheHamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58), S. 133.

Die Frage, ob bestimmte Fotografien eine menschliche An-teilnahme am Dargestellten zum Ausdruck bringen sollen,lässt sich letztlich nur durch Rekonstruktion des Entste-hungszusammenhangs der Aufnahmen und weiteren zeitge-nössischen Kontextinformationen hierzu klären.

104 Vgl. beispielsweise Keller, (Anm. 72), S. 24; Meyer, (Anm.72), S. 32 f., 34 zufolge lassen sich individuelle Einstellun-gen, Meinungen und Intentionen des Fotografen kaum ausden fotografischen Quellen erschließen. In diesem Sinneauch Ranke, (Anm. 41), S. 64.

105 Vgl. Meyer, (Anm. 72), S. 34 f.106 Hasso von Wedel, der ehemalige Leiter der Abteilung

Wehrmachtpropaganda beim Oberkommando der Wehr-macht, erwähnt verschiedene Abkommen, die zwischendem Oberkommando der Wehrmacht und dem Propaganda-ministerium getroffen wurden. Diesen Abkommen zufolgefungierten die Propagandakompanien als Zulieferer vonMaterial für das Propagandaministerium und zwar auch aufAnweisung des Ministeriums; siehe Hasso von Wedel, DiePropagandatruppen der deutschen Wehrmacht, Neckarge-münd 1962, S. 20 (Dienstanweisung vom 19.8.1938), 22 f.(Abkommen im Winter 1938/39), 33 (Verfügung vom Sep-tember 1939). Siehe auch Ranke, (Anm. 41), S. 66, und Ha-gemann, (Anm. 35), S. 288 Anm. 698 und S. 242 Anm. 255.

107 Siehe Ranke, (Anm. 41), S. 65 f., 70.108 Siehe Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58),

343.109 Vgl. hierzu Tätigkeitsbericht der PK 637 als Beleg der Ver-

vielfältigung von Maueranschlägen in: ebenda, S. 162; auchBericht von Mitarbeitern der Propagandakompanien alsQuelle zu den Verbrechen „politischer Kommissare“ inDubno, ebenda, S. 124; die anschließende Exekution der“politischen Kommissare“ in Dubno dagegen wird durchFotos anderer Hersteller aus den Ermittlungsunterlagen derStaatsanwaltschaft illustriert, ebenda, S. 125 f.

110 Schriftliche Mitteilung des Hamburger Instituts für Sozial-forschung vom 24.4.02.

111 Vgl. Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58),Aussagen zu PK-Fotos: S. 384, 394, 498 f., Aussagen zuFotos einer Exekution: S. 476.

112 Ebenda, S. 10.113 Ebenda, S. 384, 394, und Ranke, (Anm. 41), S. 72.114 Ein Beispiel hierfür ist der Abschnitt über die russischen

Kriegsgefangenen: die Abbildungen von Kriegsgefangenenunterscheiden sich hinsichtlich ihrer Urheber und Darstel-lungsweisen erheblich, doch diese Unterschiede in der visu-ellen Repräsentation der Kriegsgefangenen werden nichtnäher erläutert.

115 Schriftliche Mitteilung des Hamburger Instituts für Sozial-forschung vom 24.4.2002. Als Beispiel hierfür wurde indem Schreiben die Kommentierung einer Fotoserie zur Er-schießung in Topola genannt; vgl. Hamburger Institut fürSozialforschung, (Anm. 58), S. 562-565.

116 Ebenda, S. 151.117 Hasso von Wedel versuchte, allein Goebbels für die propa-

gandistischen Inhalte der PK-Berichterstattung verantwort-lich zu machen und die Wehrmacht von jeglicher Verant-wortung für eine antijüdische und rassistische PK-Bericht-erstattung freizusprechen. Siehe von Wedel, (Anm. 106), S.34, 130, 148.

118 Hamburger Institut für Sozialforschung, (Anm. 58), S. 287-360 mit 34 Fotos, davon 11 von russischen Fotografen.

119 Ebenda, S. 429-506 mit 37 Fotos, davon 15 Fotos von Exe-kutionen in Minsk.