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FOTOGRAFIE UND TYPOGRAFIE der künstlerische wert der fotografie ist umstritten seil sie existiert, zuerst liefen die maier gegen sie stürm, um dann zu erkennen , daß sie für sie keine erhebliche konkurrenz war. noch heute raufen sich die kunsthistoriker um einige probleme, die die folografie aufgeworfen hat. die buchgewerbekünstler versagen ihr das recht, bestanclteil eines „schönen buches" zu sein, sie begründen das mit dem angeblichen ästhetischen Zwiespalt zwischen der rein grafischen, materiell stark körperlichen form der type und der meist scheinbar „plastischen ", materiell aber mehr flächigen netzätzung. hierbei legen sie das hauptge- wicht auf die äußere erscheinung beider druckformen; sie sehen den hauptfehler in der angeblich nicht buchmäßigen „plastik" der klischees. der andere einwand ist ohnehin nicht sehr stichhaltig; zerfällt doch die autotypie schließlich in lauter kleine erhabene einzelpunkte, die der type durchaus verwandt sind. alle diese theorien haben jedoch nicht verhindern können, daß, vornehmlich seit nach dem kriege, die fotografie im buch- druck einen siegeszug ohnegleichen angetreten hat. paper: INSULATED HIGH TENSION CABLES IGH IONISATION VOLTAGE OW DIELECTRIC LOSS Nif C1 piet swart, I\ 1. wassenaar, NEDERLANDSCHE werbXatt KABELZ FABRI EK »° mit Fotogramm, DELFT (HOLLAND) Schriftgruppe ist im Original rot 140

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FOTOGRAFIE UND TYPOGRAFIE

der künstlerische wert der fotografie istumstritten seil sie existiert, zuerst liefendie maier gegen sie stürm, um dann zu erkennen, daß sie für sie keine erheblichekonkurrenz war. noch heute raufen sichdie kunsthistoriker um einige probleme, diedie folografie aufgeworfen hat.

die buchgewerbekünstler versagen ihr dasrecht, bestanclteil eines „schönen buches" zusein, sie begründen das mit dem angeblichenästhetischen Zwiespalt zwischen derrein grafischen, materiell stark körperlichenform der type und der meist scheinbar „plastischen", materiell aber mehr flächigen

netzätzung. hierbei legen sie das hauptge-wicht auf die äußere erscheinung beiderdruckformen; sie sehen den hauptfehler inder angeblich nicht buchmäßigen „plastik"der klischees. der andere einwand ist ohnehinnicht sehr stichhaltig; zerfällt doch dieautotypie schließlich in lauter kleine erhabeneeinzelpunkte, die der type durchausverwandt sind.

alle diese theorien haben jedoch nichtverhindern können, daß, vornehmlich seitnach dem kriege, die fotografie im buch-druck einen siegeszug ohnegleichen angetreten

hat.

paper:INSULATEDHIGH TENSION CABLES

IGH IONISATION VOLTAGEOW DIELECTRIC LOSS

Nif C1 piet swart,I\ 1. wassenaar,NEDERLANDSCHE werbXatt

KABELZ FABRI EK »°mit Fotogramm,DELFT (HOLLAND) Schriftgruppe

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EL LISSITZKY:WERBEFOTOGRAMM 1924

Nur ein oberflächlicher Betrachterwürde zu der Entgegnung verführt sein,die Anwendung der „Antiquaform" derSchrift dieses Fotogramms sei nichtkonsequent. Denn das Bestreben, mitelementaren Mitteln zu gestalten, führteauch hier mit Notwendigkeit zur Verwendung

einer nicht-manuell erzeugtenStandardschrift — einer Schablonenschrift, die darum Antiquaform zeigt,weil Groteskschablonenschriften imHandel noch nicht zu haben sind.

ihr großer rein praktischer wert besiehtdarin, daß man mit ihr auf mechanischemwege verhältnismäßig leicht, jedenfallsleichler als auf dem manuellen, ein getreuesabbild eines Objekts schaffen kann.

das folo ist zu einem so bezeichnendenmerkmal unserer zeit geworden, daß manes sich nicht mehr hinwegdenken könnte,der bildbunger des modernen menschenwird hauptsächlich durch die fotografischillustrierten Zeitschriften und magazine befriedigt; die inseratreklame (vor allem ame-rikas), auch vereinzelt schon die plakat-reklame, bedient sich mehr und mehr desfotos. das große bedürfnis nach gutenfotografien hat die fotografische technikund kunst außerordentlich gefördert; esgibt in frankreich und amerika mode- undreklame-folografen, die viele maier qualitativ

überragen (paris: paul outerbridge,

o'neill, heuningen-hcime, scaioni, luigi diaz;amerika: sbeeler, baron de meyer, ralphsteiner, ellis u. a.). ganz ausgezeichnetesleisten auch die meist anonymen reporter-fotografen, deren bilder, nicht zum wenigstenauch in rein fotografischer hinsieht, oftmehr zu fesseln vermögen als die gummidruckeder zünftigen porträtfolografen und

amateure.

schon heute wäre es gänzlich unmöglich,

den ungeheuren druckbedarf der gegenwarlmit Zeichnungen oder maiereien zu decken,weder würden die künstler von qualität dazuausreichen sie herzustellen noch die zeitzu ihrer fertigung und reproduklion. vielesaktuelle könnten wir überhaupt nicht erfahren, wenn es nicht die folografie gäbe,dieser außerordentliche konsum hat seinen

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grund in den allgemeinen sozialen Verhältnissen, die sich seit der mitte des 19. Jahrhundertswesentlich verändert haben, und

der gegenüber früher stark vermehrten verbraucherzahl: in der zunehmenden Verbreitung

der europäischen städtischen kulturund der Vervollkommnung aller nachrich-tenmittel. seine befriedigung fordert zeitgemäßemittel, er kann gar nicht andersals auf mechanischem wege gedeckt werden, der mittelalterliche holzsclmitt, derden buchgewerbekünstlern als ideal vorschwebte, ist weder zeilgemäß, denn er istschon archaisch geworden, noch rationell inbezug auf seine herstellungsdauer; er fügtsich den modernen reproduktionsverfahrenschon rein technisch schlecht ein und vermagunsere ansprüche an klarheit und ex-aktheit nicht zu befriedigen.

gerade in ihrer großen, oft übernatürlichenklarheit und ihrer Unbestechlichkeit

beruht der eigentümliche reiz der fotogra-fie. durch die reinheit ihrer erscheinungund den mechanischen herstellungsprozeßwird so die fotografie zum gegebenen mittelbildlicher darstellung in unserer zeit.

daß die bloße, selbst die nicht ganz zufälligefotografie kunst sei, darf bestrittenwerden, aber kommt es denn in allen fällenihrer Verwendung auf kunst an? dieeinfache, sogar die gänzlich unkünstlerischefotografie genügt den ansprächen, die manan ein reporter- oder sach-foto stellt, zumeistvollkommen; denn diese wollen nichtsanderes sein als mitteilungen in bildlicherform — keine gestaltungen. wo höhere be-dürfnisse vorhanden sind, treibt die natürlicheentwicklung stets von selbst zu ihrer

L. MOHOLY-NAGY:UMSCHLAGEINERWERBESACHEDas Schild mitder Schrift ist imOriginal rot

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HERBERT BAYER: ZEITSCHRIFTENUMSCHLAGFotografie

in der fotomontage wird mit hilfe gegebeneroder gewählter einzelfotos eine neuebildeinheit aufgebaut, die als bewußte, nichtmehr zufällige gestaltung grundsätzlich ansprachauf die bezeichnung kunst hat.natürlich sind nicht alle fotomontagen, genauso wenig wie alle Ölmalereien, kunst.aber das, was heartfield (der die fotomontageerfand), baumcister, burchartz, maxernst, lissitzky, moholy-nagy, vordemberge-gildewart auf diesem gebiete geschaffenhaben, hat auf diesen namen anrecht. dassind keine willkürlichen Zusammenstellungenmehr, sondern folgerichtig und harmonischaufgebaute bildeinheiten. die zunächstzufällige form des einzelfotos (grautöne, Strukturwirkung, linienbewegungen)erhält künstlerischen sinn durch die kom-position des ganzen, von der alten kunstunterscheidet sich die fotomontage durchdas fehlen des objekts. sie ist nicht wiejene beurteilung eines tatbestandes, sondernVerwirklichung einer fantasie, also einefreie menschliche Schöpfung, die von dernatur unabhängig ist. die „logik" einer

befriedigung. so wenig die fotografie nunan sich kunst ist, liegen aber in ihr keimezu einer kunst, die sich freilich notwendigvon den anderen künsten sehr unterscheidenmuß.

an der grenze zur kunst befindet sich die„gestellte" fotografie. durch beleuchtung,arrangement, ausschnitt usw. lassen sich oftWirkungen erzielen, die eine verblüffendeähnlichkeit mit werken der kunst habenkönnen, ein beispiel dafür mag unser foto„schokolademischmaschine im gang" sein,durch die großen schwarz-weiß-kontrasteund die mannigfalligkeit der grautöne isthier eine Wirkung entstanden, die in ihrerfarbigkeit manche maierei oder Zeichnungübertrifft.

zur kunst kann die fotografie namentlichin zwei formen werden: als fotomontageund als fotogramm. als fotomontage bezeichnetman bilder, die entweder ganz auseinzelfotos zusammengeklebt sind (foto-klebebilder) oder die das foto als einzel-teil neben anderen bildelementen verwenden(folozeichnung, foloplastik). die über-

. n PI. „ WILLI BAUMEISTERgange zwischen diesen arten sind fließend. Fotozeichnung

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solchen gestaltung ist freilich die irrationaledes kunstwerks. zu ganz übernatürlicherwirkung gelangt die fotomontage durch denbewußten kontrast des plastischen fotos zurtoten weißen oder farbigen fläche und gegebenenfalls

der rudimentär vorhandenenZeichnung, dieser unerhörte eindruck kannmit keiner Zeichnung oder maierei erreichtwerden, die möglichkeiten stark kontrastierendergroßen und formen, des kontra-stes von Objekten von großer nähe und weiterferne, flächigerer oder plastischererform usw. tun das ihre, diese kunstformaußerordentlich variabel zu machen.

in ihr liegen die weitesten möglichkeitenauch für die zweckgebundene reklame.hier ist es naturgemäß nur vereinzelt möglich, durch ausgleich aller teile mit dem er-gebnis des freien gleichgewichts ein ,Kunstwerk" zu schaffen, da die binclungen durchden notwendigen logischen Zusammenhang,die logische größenordnung, die gegebenescbrift usf. stark hemmend wirken können,es ist im übrigen auch nicht aufgäbe desreklameschaffenden künstlers, freie kunst- jan tschichold: filmplakat

Dunkelbraun und grau

werke, sondern beste reklame zu gestalten,beides kann, muß aber nicht zusammenfallen

.fotogramme sind fotos, die ohne apparat

mittels bloßen lichtempfindlichen papiereshergestellt werden, diese einfache methodeist an sich nicht neu, denn man kennt fotogrammez. b. nach blumen, die durch einfachesauflegen des „objekts" auf das fotografischepapier hergestellt werden, schonseit langem.

der erfinder des gestalteten fotogramms,des fotogramms als kunst, ist der jetzt inparis lebende amerikaner man ray. er veröffentlichteum 1922 in der amerikanischenZeitschrift „broom" seine ersten Schöpfungendieser art. in ihnen enthüllt sich eineunwirkliche, übernatürliche weit, die reinfotografisch gebildet worden ist. es sindpoetische Schöpfungen, die nichts mehr mitden gewöhnlichen reporter- und sachfotosgemein haben und sich zu ihnen verhaltenwie die dichlung zum alltagsgespräch. es

plakat der Ausstellung „die wohnung" wäre naiv, wollte man diese fotogramme

WOHNUNG.WERKBUND AUSSTELLUNG

. iüli-sm mi STU1TOA!

Kollektivarbeit als zufallsprodukte oder geschicktes arran-willi baumeister - mies van der rohe 1 • 1 n n • 11 , ,Werner gräff gement bezeichnen; daß sie alles andere als

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JAN TSCHICHOLD: ZWEI SEITEN AUS EINER WERBESACHETypofoto. Schwarz und rot

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HANS FINSLERKunstgewerbeschule Halle a. S.. Foto für Werbezwecke. Schokolademischmaschine im Gang

dies sind, kann jeder fachmann bestätigen,hier wurden die möglichkeiten der autonomenfotografie (ohne kamera) zum erstenmale rein ausgebaut; aus der Verwendungmodernen materials erwuchs das foto-gramm als moderne formpoesie.

auch das fotogramm kann in der reklameverwandt werden. als erster hat el . lis-sitzky 1924 reklamefotogramme geschaffen, ein ganz ausgezeichnetes beispiel vonihm ist das fotogramm für „pelikan-tinte".selbst die schrift ist auf mechanisch-foto-

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grafischem wege hergestellt, die technischen lehnend gegenüberstand, hat die lösung die-herstellungsmethoden des fotogramms sind ses problems zwar versucht, sie aber nichtzwar sehr einfach, aber zu vielfältig, als daß finden können, weil sie von vornherein allesie in wenigen worten beschrieben werden Zusammenstellungen von schrift und fotokönnten, jeder, der sich eine solche auf- als kompromiß empfand,gäbe stellt, wird durch versuche selbst die wir heutigen haben das foto als einwege zur erreichung der wirkung finden. wesentliches typografisches mittel derda man nur lichtempfindliches papier und gegenwart anerkannt, wir empfinden seinallenfalls eine dunkelkammer braucht, hinzutreten zu den früheren ausdrucksmil-kann sich jeder auf diesem gebiet versuchen. teln des buchdrucks als bereicherung undes sei bei dieser gelegenheit auf das buch erblicken in der fotografie geradezu das„maierei, fotografie, film" von 1. moholy- merkmal, das unsere typografie von allernagy hingewiesen, das über diese dinge aus- früheren unterscheidet, die bloß flächigeführHch und sehr instruktiv berichtet. typografie gehört der Vergangenheit an.

der typograf nun, dem fotografische kli- durch das hinzutreten des fotoklischeesSchees zur eingliederung in den bestellten haben wir uns des raumes und seiner dyna-satz übergeben werden, wird vor allem vor mik bemächtigt, gerade auf dem kontrastdie frage gestellt, welche schrift er in sol- zwischen den scheinbar dreidimensionalenchem falle zu wählen habe, die künstler- gebilden der fotos und den flächigen for-generation der Vorkriegszeit, die, wie ich men der schrift beruht die starke wirkungschon oben beschrieb, der fotografie ab- der typografie der gegenwart.

Die Abbildungen für diesen Aufsatzhat der Verfasser zusammengestellt

HANS FINSLERKunstgewerbeschule Halle a. S.

Reklamefoto

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die hauptfrage, welche schrift man zumfolo wählen müsse, hat man früher auf verschiedenste

weise zu lösen versucht; vorallem durch Verwendung grau wirkenderoder manchmal wirklich grauer Schriften,durch sehr zarle und stark individualistischetypen und dergleichen mehr, wie auf allenanderen gebieten ging man auch hier aufeine nur äußerliche angleichung der auf-bauteile, also auf nivellierung, aus. so entstandhöchstens ein einheitliches grau, dasaber über den kompromiß nur schlecht hinwegtäuschte

.die neue typografie hat mit einem schlage

die lösung herbeigeführt, indem sie beiihrer absieht, aus elementaren zeitgemäßenformen eine künstlerische einheit zu bilden,eigentlich überhaupt keine schriftfragekennt (sie mußte mit notwendigkeit diegrotesk wählen) und sie das fotoklischee alsein ebenfalls elementares darstellungsmit-tel vorzugsweise verwendet, gelangt sie zuder Synthese: fotografie + grotesk!

beim ersten zusehen scheint es, als ob diehärte der klaren, eindeutigen schwarzenschriftformen dieser type mit den oft sehrweichen grautönen der fotos nicht zusammenstimmen

könnten. beide zusammenergeben freilich kein gleichmäßiges grau,denn ihre harmonie beruht gerade aufihrem form- und farbkontrast. beiden istaber gemeinsam: die Objektivität und unpersönliche

form, die sie als zeitgemäßemittel erweist, ihre harmonie ist also nichtbloß eine äußerlich formale, wie sie früherirrtümlich angestrebt worden war, und auchkeine willkürlichkeit; denn es gibt nur eineobjektive schriftform — die grotesk — undnur eine objektive auf Zeichnung unsererumweit — die fotografie.

damit ist der individualistischen form dergrafik: handschrift — Zeichnung heute diekollektive form: typo — foto gegenübergetreten

.als typofoto bezeichnen wir jede Synthese

von typografie und fotografie. heute könnenwir mit hilfe des fotos vieles besser

und schneller ausdrücken als auf den umständlichen

wegen der rede oder schreibe,das fotoklischee reiht sich damit den buch-staben und linien des Setzkastens als ein zeitgemäßes

, aber differenzierteres typografi-sches aufbauelement an. es ist auch im

rein materiellen sinne jenen grundsätzlichgleich, ganz offenbar wenigstens im buch-druck, wo dies durch die Zerlegung derOberfläche in (gewissermaßen typogra-fische) erhabene rasterpunkte und die gemeinsame

schrifthöhe bewirkt wird, in denmodernen druckverfahren tiefdruck undoffset entfällt ein solcher maßstab vollkommen, hier würde eine entgegengesetztemeinung in der materiellen form keinestütze für die behauptung der ungleichartig-keit mehr finden, nachdem wir heutigendie abneigung der buchkünstler gegen dasfoto im buch nicht kennen und auch derluxusbegriff des „schönen buches" der Vergangenheit

angehört, sieht der buchgestal-ter unserer zeit im fotoklischee einen dentypen usw. ebenbürtigen bestandleil auchdes buches.

die einordnung des klischees in den übrigensatz ist den geselzen einer sinngemäßentypografie und einer harmonischen flächen-gestaltung unterworfen.

man darf sagen, daß das typofoto einsder bezeichnendsten grafischen ausdrucks-mittel der heuligen typografie und reklameist. nur eines geringen Zeitraumes wird esbedürfen, bis sich auch die noch teilweisestark von hier ganz unberechtigten „traditionellen" auffassungen beeinflußten populärenformen des typofotos (vor allem dieillustrierten Zeitungen und ein teil derreklame) von diesen befreien und durcheine bewußte konsequent zeitgemäße gestallungdas kulturelle niveau der gegenwarterreichen.

die großen möglichkeiten der fotografieselbst sind bisher, von dem engen kreiseweniger fachleute abgesehen, noch kaumerkannt, geschweige denn erschöpft worden,es ist aber kein zweifei, daß die grafischekultur der Zukunft sich des fotos in nochweit höherem maße als die gegenwart bedienenwird, die fotografie wird für unserZeitalter so symptomatisch sein wie für diegotik der holzschnitt. hieraus ergibt sichfür alle grafischen berufe die notwendigkeit,schon heute die techniken der fotografieund der reproduklion soweit als möglichschöpferisch auszubauen und sie rechtzeitigauf die höheren anforderungen einer nahenzukunft vorzubereiten.

jan tschichold, ring neue werbe gestalter

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