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Politik und Hintergrund Freitag, 16. Januar 2009 · Nr. 13 17 A Wird Israel im Gazastreifen gelingen, was im Libanon schei- terte: Kann der Feldzug die Hamas schwȨchen, nachdem die Hisbollah 2006 eher noch an Renommee gewann? Dr. Muriel Asseburg: Poli- tisch wird die Hamas wohl nicht geschwȨcht aus dem Krieg hervorgehen. Aber es wird Is- rael gelingen, die Infrastruktur der Hamas zu schwȨchen – das betrifft allerdings nicht nur die militȨrische, sondern auch die zivile Infrastruktur. Die Frage ist allerdings, ob das wirklich als Erfolg zu werten ist oder ob es nicht vielmehr eine Gefahr darstellt. NȨmlich die Gefahr, dass mit den Angriffen auf die Infrastruktur auch die Ord- nungs- und RegierungsfȨhigkeit im Gazastreifen zerstɆrt wird – wie dies auch schon zu Beginn der zweiten Intifada in den gesamten palȨstinensischen Ge- bieten der Fall war. Dies kann letztlich zu einer Situation fɒh- ren, in der es im Gazastreifen keine Fɒhrung mehr gibt, die einen Waffenstillstand aushan- deln und auch durchsetzen kann. A Erschafft Israel mit seinen SchlȨgen auch gegen Zivilisten die nȨchste Generation Terro- risten? Dr. Asseburg: Es liegt auf der Hand, dass die jetzige MilitȨr- aktion nicht 1,5 Millionen Is- rael-Freunde im Gazastreifen hinterlassen wird, sondern eine zutiefst traumatisierte, desillu- sionierte und zum Teil sicher- lich auch radikalisierte BevɆl- kerung. Gruppierungen, die ra- dikaler sind als die Hamas, werden erheblichen Zulauf be- kommen. Mit diesen Gruppen wird man nicht verhandeln kɆnnen, weil sie keine nationa- len Interessen verfolgen. Das kann nicht in Israels Sinn sein. A Hamas ist nicht nur eine Terrororganisation, sondern auch eine soziale Bewegung – fɒr deren Zulauf Israel selbst sorgte. Wie kann dies gestoppt werden? Dr. Asseburg: Vor allem ist die Hamas auch eine politische Organisation, die bei den letz- ten Parlamentswahlen haus- hoch gewonnen hat. Es wird kein Weg daran vorbeigehen, die Hamas als politische Kraft einzubinden. Die AussɆhnung zwischen Fatah und Hamas ist letztlich die Voraussetzung fɒr Fortschritte – in den PalȨstinen- sergebieten und bei einer Kon- fliktregelung mit Israel. Nur wenn es einen Ausgleich gibt, werden Neuwahlen stattfinden kɆnnen. Nur so kann es wieder eine handlungsfȨhige Regierung geben. Nur so kann der palȨsti- nensische PrȨsident die Unter- stɒtzung fɒr Verhandlungen ha- ben. Nur so kɆnnen Regelungen ɒber die Ȕffnung der Grenzen des Gazastreifens gefunden werden. Und die sind notwen- dig, um Handel und wirtschaft- liche Entwicklung ɒberhaupt zu ermɆglichen. Auf Dauer kann ja nicht die internationale Ge- meinschaft in den PalȨstinen- sergebieten Almosen verteilen, damit die BevɆlkerung ɒberlebt. A Muss auch der Westen mit der Hamas verhandeln, um nicht doppelzɒngig zu wirken? Immerhin hat die Hamas Wah- len gewonnen . . . Dr. Asseburg: Momentan geht es nicht primȨr darum, dass der Westen offizielle Ge- sprȨche mit der Hamas fɒhrt. Es geht eher darum, dass er klar- macht, eine innerpalȨstinensi- sche AussɆhnung nicht lȨnger zu blockieren – wie noch nach dem Wahlsieg der Hamas. So sollte die EU vor allem gegen- ɒber der Fatah und dem palȨs- tinensischen PrȨsidenten ihre Bereitschaft signalisieren, mit einer Regierung der nationalen Einheit wieder zusammenzuar- beiten, wenn sie denn gebildet wird. Die Illusion, die Hamas wɒrde sich in Luft auflɆsen, darf nicht genȨhrt werden, etwa durch Gedankenspiele, nach der Gaza-Invasion eine Fatah- Herrschaft im Gazastreifen zu installieren. A Welche Ziele verfolgt die Hamas mit den Raketenangrif- fen auf Israel? Dr. Asseburg: In erster Linie wollte die Hamas den Teil des Waffenstillstandsabkommens einfordern, der im Juni 2008 zugesagt, aber bisher nicht um- gesetzt worden war. Also das Ende der nahezu vollstȨndigen Blockade des Gazastreifens durch die Ȕffnung der Grenz- ɒbergȨnge nach Israel und Ɛgypten. A Demnach agiert die Hamas nicht als verlȨngerter Arm Te- herans? Dr. Asseburg: Sicherlich ver- folgt der Iran auch eigene Inte- ressen, indem er Gruppierun- gen wie die Hamas unterstɒtzt. Doch die Hamasfɒhrung kalku- liert sehr genau, welches ihre eigenen Interessen sind – und die sind nicht deckungsgleich mit denen Teherans. Ƞber- schneidungen gibt es unter an- derem bezɒglich dessen, dass die Hamas sich im Gazastreifen weiter konsolidieren will und damit den Preis fɒr eine Aus- sɆhnung mit der Fatah und einen Waffenstillstand mit Is- rael in die HɆhe zu treiben, also hierbei ihre Hauptforderungen durchzusetzen. A Wird Israel den Gazastrei- fen erneut besetzen mɒssen, um vor Raketenangriffen sicher zu sein? Dr. Asseburg: Ich denke, daran hat Israel dauerhaft kein Interesse. Vielmehr will Israel die internationale Gemein- schaft dazu bewegen, Verant- wortung fɒr den Gazastreifen zu ɒbernehmen, um sich selbst dieser entledigen zu kɆnnen. A Keine Verantwortung wol- len die arabischen Staaten ɒber- nehmen. Zeigt dies, wie isoliert die Hamas ist? Dr. Asseburg: Einerseits ja, andererseits zeigt es auch, wie Ȩngstlich die arabischen Regime darauf achten, dass weder Ha- mas noch Hisbollah in ihren BevɆlkerungen Vorbildstatus gewinnen kɆnnen. Denn dies kɆnnte den islamistischen Op- positionsparteien in diesen LȨn- dern zugute kommen. Zudem sind viele Regime in der Region ɒber den wachsenden Einfluss des Iran besorgt. A Barack Obama hat ange- kɒndigt, sich unmittelbar nach seiner Amtsɒbernahme des Nahost-Konfliktes annehmen zu wollen. Bekommt dieser endlich auch in der US-Politik gebɒhrenden Stellenwert einge- rȨumt? Dr. Asseburg: Ich wȨre sehr zurɒckhaltend, hier allzu große Hoffnungen zu wecken. HȨlt man sich die jɒngsten Resolu- tionen sowohl im Senat als auch im ReprȨsentantenhaus vor Augen, die ganz eindeutig zugunsten Israels Partei ergrei- fen und Hamas die alleinige Verantwortung fɒr den Krieg zuschieben, wird deutlich, dass die neue Administration keine allzu großen SpielrȨume hat, einen vɆllig neuen Kurs einzu- schlagen. Ich bezweifle zudem, dass die Obama-Administration das tun wird, was notwendig ist, um tatsȨchlich substanzielle Fortschritte im Friedensprozess zu erzielen: nȨmlich alle Kon- fliktparteien zu versammeln, an die Hand zu nehmen und aktiv zu einem Verhandlungsergebnis zu fɒhren. Dies ginge nur, wenn Washington eine Blaupause fɒr den Endstatus vorlegen und konsequent Druck in Richtung Konfliktregelung ausɒben wɒr- de. A Ein neuer Kurs soll auch gegenɒber Iran eingeschlagen werden. Endet die Zeit, in der die Konflikte der Region isoliert betrachtet wurden? Dr. Asseburg: Das steht zu hoffen. Allerdings befɒrchte ich, dass wir keine Fortschritte in Richtung Frieden sehen wer- den, solange Washington nicht die arabischen Staaten und Is- rael gleichermaßen zu einem Ausgleich drȨngt. A Bedarf Washington der Ɛquidistanz zu den Gegnern? Dr. Asseburg: Nein, das ist nicht nɆtig, aber es mɒssen die legitimen Interessen aller Kon- fliktparteien einbezogen wer- den. Vorrangig geht es doch darum, die Prinzipien fɒr eine Zwei-Staaten-LɆsung, die alle bereits auf dem Tisch liegen und von den Konfliktparteien weitgehend verhandelt worden sind, in eine konkrete Regelung umzusetzen. Zum anderen be- darf es eines Politikwechsels in Bezug auf Hamas und Syrien. Ziel Washingtons darf es nicht lȨnger sein, die Kluft zwischen Fatah und Hamas zu vertiefen und Hamas und Syrien als Teil des Problems statt als Teil der LɆsung zu behandeln. A Welche Chancen bestehen, Syrien in eine Nahost-Friedens- architektur einzubinden? Dr. Asseburg: Die Chancen sind sehr gut, weil Damaskus großes Interesse hat, die bislang indirekten GesprȨche mit Israel auf eine neue Ebene zu heben. Es wȨre fɒr Syrien ein großer Erfolg, nach Verhandlungen unter US-Vermittlung die Go- lanhɆhen zurɒckzugewinnen. Durch einen solchen Friedens- prozess kɆnnte sich Syrien zu- dem aus der Isolierung durch den Westen befreien. A Die Frequenz der Waffen- gȨnge in der Region steigt. Droht ein großer Showdown zwischen Israel und Iran? Dr. Asseburg: Ich sehe trotz der jɒngsten Meldungen ɒber einen unterbundenen PrȨven- tivschlag Israels gegen iranische Atomanlagen nicht, wie eine der beiden Seiten annehmen kɆnnte, eine militȨrische Aus- einandersetzung kɆnnte die KrȨfteverhȨltnisse wirklich dau- erhaft klȨren. Die Gefahr aller- dings besteht weiter, dass durch kleinere Auseinandersetzungen oder von den Regierungen nicht kontrollierte Gruppierungen eine Eskalation ausgelɆst wurde – wie es etwa beim Libanon- krieg 2006 der Fall war. Die Vielzahl ungelɆster, offener Konflikte, das massive Waffen- arsenal im Nahen Osten sowie Machthaber, die Krieg als Mittel der Politik begreifen, lassen einen zɆgern, die Hand dafɒr ins Feuer zu legen, dass es keinen großen Krieg gibt. A Kennt der Nahe Osten keine Kriegsmɒdigkeit? Dr. Asseburg: In großen Tei- len der BevɆlkerung ist die Kriegsmɒdigkeit sehr groß. Das erklȨrt zum Beispiel die Zu- rɒckhaltung der Hisbollah in dem aktuellen Konflikt. Denn in der libanesischen BevɆlke- rung hȨtte sie derzeit keinen Rɒckhalt fɒr einen Waffengang. Leider hat sich bei vielen PalȨs- tinensern die Einsicht durchge- setzt, dass es keine realistische Option fɒr einen friedlichen Ausgleich mit Israel gibt. Nach ihren Erfahrungen haben Ver- handlungen sie ihren Zielen nicht nȨhergebracht. Und in Israel steht die BevɆlkerung nahezu geschlossen hinter dem Waffengang. Das Interview fɒhrte Joachim Zießler Dr. Muriel Asseburg (*1968 in Stuttgart) leitet die For- schungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika bei der Stif- tung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Die SWP ist eine Denkfabrik, die Bundestag und -regierung in Außen- und Sicherheitspolitik berȨt. Finan- ziert wird sie vom Bundeskanz- leramt. Dr. Asseburg hat Politikwis- senschaft, Volkswirtschaft und VɆlkerrecht in Mɒnchen stu- diert, dort mit einer Disserta- tion zum Staatsbildungsprozess in den palȨstinensischen Gebie- ten promoviert. Sie hat in den USA, Jerusalem, Ramallah, Da- maskus und Beirut gelebt. jz M M Zur Person Interview der Woche Eine Frau beklagt die Verwɒstung ihrer Wohnung in Gaza-Stadt durch eine israelische Rakete. Dr. Muriel Asseburg: ZerstɆrt Israel die Hamas als Ordnungskraft, bekommen noch radikalere KrȨfte Zulauf. Fotos: dpa/nh Hamas ist ein Teil der LɆsung Expertin Dr. Asseburg: AussɆhnung mit der Fatah und Akzeptanz durch Israel sind Voraussetzungen fɒr Fortschritte Aufrufe zur MȨßigung verhallen im Gazastreifen ungehɆrt. Israel verschȨrft seine Offensive. Die Hamas sendet widersprɒchliche Signale ɒber ihre Verhandlungsbereitschaft aus. Welche Chancen gibt es fɒr eine Befriedung des Konfliktes? Dr. Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik, dem grɆßten Think Tank in Europa: „Ohne eine politische Einbindung der Hamas lȨuft nichts.“

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Politik und HintergrundFreitag, 16. Januar 2009 · Nr. 13 17

A Wird Israel im Gazastreifengelingen, was im Libanon schei-terte: Kann der Feldzug dieHamas schw�chen, nachdemdie Hisbollah 2006 eher nochan Renommee gewann?

Dr. Muriel Asseburg: Poli-tisch wird die Hamas wohlnicht geschw�cht aus dem Krieghervorgehen. Aber es wird Is-rael gelingen, die Infrastrukturder Hamas zu schw�chen – dasbetrifft allerdings nicht nur diemilit�rische, sondern auch diezivile Infrastruktur. Die Frageist allerdings, ob das wirklichals Erfolg zu werten ist oder obes nicht vielmehr eine Gefahrdarstellt. N�mlich die Gefahr,dass mit den Angriffen auf die

Infrastruktur auch die Ord-nungs- und Regierungsf�higkeitim Gazastreifen zerst�rt wird –wie dies auch schon zu Beginnder zweiten Intifada in dengesamten pal�stinensischen Ge-bieten der Fall war. Dies kannletztlich zu einer Situation f�h-ren, in der es im Gazastreifenkeine F�hrung mehr gibt, dieeinen Waffenstillstand aushan-deln und auch durchsetzenkann.

A Erschafft Israel mit seinenSchl�gen auch gegen Zivilistendie n�chste Generation Terro-risten?

Dr. Asseburg: Es liegt auf derHand, dass die jetzige Milit�r-aktion nicht 1,5 Millionen Is-rael-Freunde im Gazastreifenhinterlassen wird, sondern einezutiefst traumatisierte, desillu-sionierte und zum Teil sicher-lich auch radikalisierte Bev�l-kerung. Gruppierungen, die ra-dikaler sind als die Hamas,werden erheblichen Zulauf be-kommen. Mit diesen Gruppenwird man nicht verhandelnk�nnen, weil sie keine nationa-len Interessen verfolgen. Daskann nicht in Israels Sinn sein.

A Hamas ist nicht nur eineTerrororganisation, sondernauch eine soziale Bewegung –f�r deren Zulauf Israel selbstsorgte. Wie kann dies gestopptwerden?

Dr. Asseburg: Vor allem istdie Hamas auch eine politischeOrganisation, die bei den letz-ten Parlamentswahlen haus-hoch gewonnen hat. Es wirdkein Weg daran vorbeigehen,die Hamas als politische Krafteinzubinden. Die Auss�hnungzwischen Fatah und Hamas istletztlich die Voraussetzung f�rFortschritte – in den Pal�stinen-sergebieten und bei einer Kon-fliktregelung mit Israel. Nurwenn es einen Ausgleich gibt,werden Neuwahlen stattfindenk�nnen. Nur so kann es wiedereine handlungsf�hige Regierung

geben. Nur so kann der pal�sti-nensische Pr�sident die Unter-st�tzung f�r Verhandlungen ha-ben. Nur so k�nnen Regelungen�ber die �ffnung der Grenzendes Gazastreifens gefundenwerden. Und die sind notwen-dig, um Handel und wirtschaft-liche Entwicklung �berhaupt zuerm�glichen. Auf Dauer kann janicht die internationale Ge-meinschaft in den Pal�stinen-sergebieten Almosen verteilen,damit die Bev�lkerung �berlebt.

A Muss auch der Westen mitder Hamas verhandeln, umnicht doppelz�ngig zu wirken?Immerhin hat die Hamas Wah-len gewonnen . . .

Dr. Asseburg: Momentangeht es nicht prim�r darum,dass der Westen offizielle Ge-spr�che mit der Hamas f�hrt. Esgeht eher darum, dass er klar-macht, eine innerpal�stinensi-sche Auss�hnung nicht l�ngerzu blockieren – wie noch nachdem Wahlsieg der Hamas. Sosollte die EU vor allem gegen-�ber der Fatah und dem pal�s-tinensischen Pr�sidenten ihreBereitschaft signalisieren, miteiner Regierung der nationalenEinheit wieder zusammenzuar-beiten, wenn sie denn gebildetwird. Die Illusion, die Hamasw�rde sich in Luft aufl�sen,darf nicht gen�hrt werden, etwadurch Gedankenspiele, nachder Gaza-Invasion eine Fatah-Herrschaft im Gazastreifen zuinstallieren.

A Welche Ziele verfolgt dieHamas mit den Raketenangrif-fen auf Israel?

Dr. Asseburg: In erster Liniewollte die Hamas den Teil desWaffenstillstandsabkommenseinfordern, der im Juni 2008zugesagt, aber bisher nicht um-gesetzt worden war. Also dasEnde der nahezu vollst�ndigenBlockade des Gazastreifensdurch die �ffnung der Grenz-�berg�nge nach Israel und�gypten.

A Demnach agiert die Hamasnicht als verl�ngerter Arm Te-herans?

Dr. Asseburg: Sicherlich ver-folgt der Iran auch eigene Inte-ressen, indem er Gruppierun-

gen wie die Hamas unterst�tzt.Doch die Hamasf�hrung kalku-liert sehr genau, welches ihreeigenen Interessen sind – unddie sind nicht deckungsgleichmit denen Teherans. �ber-schneidungen gibt es unter an-derem bez�glich dessen, dassdie Hamas sich im Gazastreifenweiter konsolidieren will unddamit den Preis f�r eine Aus-s�hnung mit der Fatah undeinen Waffenstillstand mit Is-rael in die H�he zu treiben, alsohierbei ihre Hauptforderungendurchzusetzen.

A Wird Israel den Gazastrei-fen erneut besetzen m�ssen, umvor Raketenangriffen sicher zusein?

Dr. Asseburg: Ich denke,daran hat Israel dauerhaft keinInteresse. Vielmehr will Israeldie internationale Gemein-schaft dazu bewegen, Verant-wortung f�r den Gazastreifenzu �bernehmen, um sich selbstdieser entledigen zu k�nnen.

A Keine Verantwortung wol-len die arabischen Staaten �ber-nehmen. Zeigt dies, wie isoliertdie Hamas ist?

Dr. Asseburg: Einerseits ja,andererseits zeigt es auch, wie�ngstlich die arabischen Regimedarauf achten, dass weder Ha-mas noch Hisbollah in ihrenBev�lkerungen Vorbildstatusgewinnen k�nnen. Denn diesk�nnte den islamistischen Op-positionsparteien in diesen L�n-dern zugute kommen. Zudemsind viele Regime in der Region�ber den wachsenden Einflussdes Iran besorgt.

A Barack Obama hat ange-k�ndigt, sich unmittelbar nachseiner Amts�bernahme desNahost-Konfliktes annehmenzu wollen. Bekommt dieserendlich auch in der US-Politikgeb�hrenden Stellenwert einge-r�umt?

Dr. Asseburg: Ich w�re sehrzur�ckhaltend, hier allzu großeHoffnungen zu wecken. H�ltman sich die j�ngsten Resolu-tionen sowohl im Senat alsauch im Repr�sentantenhausvor Augen, die ganz eindeutigzugunsten Israels Partei ergrei-fen und Hamas die alleinige

Verantwortung f�r den Kriegzuschieben, wird deutlich, dassdie neue Administration keineallzu großen Spielr�ume hat,einen v�llig neuen Kurs einzu-schlagen. Ich bezweifle zudem,dass die Obama-Administrationdas tun wird, was notwendig ist,um tats�chlich substanzielleFortschritte im Friedensprozesszu erzielen: n�mlich alle Kon-fliktparteien zu versammeln, andie Hand zu nehmen und aktivzu einem Verhandlungsergebniszu f�hren. Dies ginge nur, wennWashington eine Blaupause f�rden Endstatus vorlegen undkonsequent Druck in RichtungKonfliktregelung aus�ben w�r-de.

A Ein neuer Kurs soll auchgegen�ber Iran eingeschlagenwerden. Endet die Zeit, in derdie Konflikte der Region isoliertbetrachtet wurden?

Dr. Asseburg: Das steht zuhoffen. Allerdings bef�rchte ich,dass wir keine Fortschritte inRichtung Frieden sehen wer-den, solange Washington nichtdie arabischen Staaten und Is-rael gleichermaßen zu einemAusgleich dr�ngt.

A Bedarf Washington der�quidistanz zu den Gegnern?

Dr. Asseburg: Nein, das istnicht n�tig, aber es m�ssen dielegitimen Interessen aller Kon-fliktparteien einbezogen wer-den. Vorrangig geht es dochdarum, die Prinzipien f�r eineZwei-Staaten-L�sung, die allebereits auf dem Tisch liegenund von den Konfliktparteienweitgehend verhandelt wordensind, in eine konkrete Regelungumzusetzen. Zum anderen be-darf es eines Politikwechsels inBezug auf Hamas und Syrien.Ziel Washingtons darf es nichtl�nger sein, die Kluft zwischenFatah und Hamas zu vertiefenund Hamas und Syrien als Teildes Problems statt als Teil derL�sung zu behandeln.

A Welche Chancen bestehen,Syrien in eine Nahost-Friedens-architektur einzubinden?

Dr. Asseburg: Die Chancensind sehr gut, weil Damaskusgroßes Interesse hat, die bislangindirekten Gespr�che mit Israel

auf eine neue Ebene zu heben.Es w�re f�r Syrien ein großerErfolg, nach Verhandlungenunter US-Vermittlung die Go-lanh�hen zur�ckzugewinnen.Durch einen solchen Friedens-prozess k�nnte sich Syrien zu-dem aus der Isolierung durchden Westen befreien.

A Die Frequenz der Waffen-g�nge in der Region steigt.Droht ein großer Showdownzwischen Israel und Iran?

Dr. Asseburg: Ich sehe trotzder j�ngsten Meldungen �bereinen unterbundenen Pr�ven-tivschlag Israels gegen iranischeAtomanlagen nicht, wie eineder beiden Seiten annehmenk�nnte, eine milit�rische Aus-einandersetzung k�nnte dieKr�fteverh�ltnisse wirklich dau-erhaft kl�ren. Die Gefahr aller-dings besteht weiter, dass durchkleinere Auseinandersetzungenoder von den Regierungen nichtkontrollierte Gruppierungeneine Eskalation ausgel�st wurde– wie es etwa beim Libanon-krieg 2006 der Fall war. DieVielzahl ungel�ster, offenerKonflikte, das massive Waffen-arsenal im Nahen Osten sowieMachthaber, die Krieg als Mittelder Politik begreifen, lasseneinen z�gern, die Hand daf�rins Feuer zu legen, dass eskeinen großen Krieg gibt.

A Kennt der Nahe Ostenkeine Kriegsm�digkeit?

Dr. Asseburg: In großen Tei-len der Bev�lkerung ist dieKriegsm�digkeit sehr groß. Daserkl�rt zum Beispiel die Zu-r�ckhaltung der Hisbollah indem aktuellen Konflikt. Dennin der libanesischen Bev�lke-rung h�tte sie derzeit keinenR�ckhalt f�r einen Waffengang.Leider hat sich bei vielen Pal�s-tinensern die Einsicht durchge-setzt, dass es keine realistischeOption f�r einen friedlichenAusgleich mit Israel gibt. Nachihren Erfahrungen haben Ver-handlungen sie ihren Zielennicht n�hergebracht. Und inIsrael steht die Bev�lkerungnahezu geschlossen hinter demWaffengang.

Das Interview f�hrteJoachim Zießler

Dr. Muriel Asseburg (*1968in Stuttgart) leitet die For-schungsgruppe Naher/MittlererOsten und Afrika bei der Stif-tung Wissenschaft und Politik(SWP) in Berlin. Die SWP isteine Denkfabrik, die Bundestagund -regierung in Außen- undSicherheitspolitik ber�t. Finan-ziert wird sie vom Bundeskanz-leramt.

Dr. Asseburg hat Politikwis-senschaft, Volkswirtschaft undV�lkerrecht in M�nchen stu-diert, dort mit einer Disserta-tion zum Staatsbildungsprozessin den pal�stinensischen Gebie-ten promoviert. Sie hat in denUSA, Jerusalem, Ramallah, Da-maskus und Beirut gelebt. jz

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Interviewder Woche

Eine Frau beklagt die Verw�stung ihrer Wohnung in Gaza-Stadt durch eine israelische Rakete. Dr. Muriel Asseburg: Zerst�rt Israel die Hamas als Ordnungskraft, bekommen noch radikalere Kr�fte Zulauf. Fotos: dpa/nh

Hamas ist ein Teil der L�sungExpertin Dr. Asseburg: Auss�hnung mit der Fatah und Akzeptanz durch Israel sind Voraussetzungen f�r Fortschritte

Aufrufe zur M�ßigung verhallen im Gazastreifen ungeh�rt. Israelversch�rft seine Offensive. Die Hamas sendet widerspr�chlicheSignale �ber ihre Verhandlungsbereitschaft aus. Welche Chancengibt es f�r eine Befriedung des Konfliktes? Dr. Muriel Asseburg vonder Stiftung Wissenschaft und Politik, dem gr�ßten Think Tank inEuropa: „Ohne eine politische Einbindung der Hamas l�uft nichts.“