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Zentrum Mathematik an der Technischen Universit¨ at M¨ unchen Fourier- und Laplace- Transformation Vorlesungsskript Dr. Brigitte Forster Fassung vom 3. September 2010

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Zentrum Mathematik

an der Technischen Universitat Munchen

Fourier- und Laplace-

Transformation

Vorlesungsskript

Dr. Brigitte Forster

Fassung vom 3. September 2010

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ii Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

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Vorwort

Dieses Skriptum ist konzipiert fur eine vierstundige Vorlesung im Hauptstudium der Ma-thematik und richtet sich besonders an Studenten der Technomathematik und der Diplom-Mathematik mit technischen Nebenfachern. Vorausgesetzt werden Kenntnisse der Analy-sis 1 – 4 und der Linearen Algebra 1 & 2.

Horer aus anderen Fachrichtungen sind ebenso herzlich willkommen. Zum Verstandnis derVorlesung genugen gute Kenntnisse in Hoherer Mathematik 1 – 4.

Kenntnisse in Funktionalanalysis sowie Maß- und Integrationstheorie sind von Vorteil,aber nicht notwendig.

Ziel der Vorlesung ist die Vermittlung der verschiedenen Methoden, Funktionen oderSignale mit diskreten Transformationen bezuglich Basen oder Frames in Reihen zu ent-wickeln und die Koeffizientenfolgen zur Interpretation heranzuziehen, bzw. mit kontinu-ierlichen Transformationen (Integraltransformationen) in besser zugangliche Funktionenabzubilden.

Ubungsaufgaben zur Vertiefung des Stoffs werden angegeben. Sie sind fur eine einstundigeUbung konzipiert.

Munchen, im Marz 2005 Brigitte Forster

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort iii

1 Motivation 1

1.1 Was ist ein Signal? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Beispiel: Entrauschen eines periodischen Signals mittels Fourier-Reihen . . 3

1.3 Inhalt der Vorlesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Basen und Frames – Begriffsbildung 7

2.1 Vollstandigkeit und Minimalitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

2.2 Schauder-Basen in Banach-Raumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.3 Biorthogonalitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.4 Aquivalenz von Schauder-Basen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.5 Unbedingte Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.6 Frames . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.7 Riesz-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3 Fourier-Reihen 17

3.1 Zur Geschichte der Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.2 Orthonormalbasen und allgemeine Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . 18

3.3 Fourier-Reihen im L2(T) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

3.4 Fourier-Reihen in den Banach-Raumen L1(T) und C(T) . . . . . . . . . . . 21

3.4.1 Fourier-Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

3.4.2 Die Faltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3.4.3 Homogene Banach-Raume und approximative Einsen . . . . . . . . 26

3.4.4 Norm-Konvergenz von Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3.5 Kriterien zur Norm-Konvergenz von Fourier-Reihen . . . . . . . . . . . . . 40

3.5.1 Konjugation und Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

3.5.2 Die Hilbert-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

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3.5.3 Die Lebesgue-Eigenschaft und punktweise Konvergenz . . . . . . . . 46

3.5.4 Eigenschaften der Hilbert-Transformation . . . . . . . . . . . . . . 49

4 Fourier-Integrale 61

4.1 Fourier-Integral-Transformation auf L1(R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

4.1.1 Anwendung: Die Warmeleitungsgleichung auf R . . . . . . . . . . . 77

4.1.2 Anwendung in der Signal-Analyse: Der ideale Tiefpass-Filter . . . . 78

4.1.3 Lineares zeitinvariantes Filtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

4.2 Die Plancherel-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

4.3 Hermite-Funktionen als Orthonormal-Basis des L2(R) . . . . . . . . . . . . 86

5 Poisson-Summationsformel und Abtastsatz 91

5.1 Die Poisson-Summationsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

5.2 Die Poisson-Summationsformel und Funktionen von beschrankter Variation 93

5.3 Der Abtastsatz von Shannon, Whittaker und Kotel’nikov . . . . . . . . . . 96

5.4 Der Satz von Paley-Wiener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

6 Lokale Transformationen und die Heisenbergsche Unscharferelation 103

6.1 Die Kurzzeit-Fourier-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

6.2 Die Gabor-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

6.2.1 Die Gabor-Transformation als Fourier- bzw. Plancherel-Transformierte— Sichtweise bezuglich der Variablen ω . . . . . . . . . . . . . . . . 105

6.2.2 Die Gabor-Transformation aus Sicht bez. der Variablen b: Fenster-Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

6.2.3 Fensterbreitenparameter s und Zeit-Frequenz-Lokalisation . . . . . 106

6.3 Das Heisenberg-Unscharfe-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

7 Die Laplace-Transformation 119

7.1 Definition und grundlegende Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

7.2 Differentiations- und Integrationssatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

7.3 Die komplexe Inversionsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Literaturverzeichnis 135

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Kapitel 1

Motivation

In den meisten technischen Verfahren werden Signale gemessen, um sie zur

• Uberwachung des Verlaufs,

• Regelung,

• zur Qualitatssicherung,

• etc.

heranzuziehen.

Die gemessenen Signale mussen so aufbereitet werden, dass sie ausgewertet und interpre-tiert werden konnen.

Ziel: Signale (Funktionen in Banach- oder Hilbert-Raumen) zu transformieren, so dassdas Bild der Transformation aussagekraftig und interpretierbar oder besser analysierbarist, d. h.

• ungewunschte Storungen aus dem Signal gefiltert werden konnen,

• charakteristische System-Parameter geschatzt werden konnen, und

• die Transformation eine Darstellung der Funktion ist, die mehr Information liefert,als die Funktion an sich.

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1.1 Was ist ein Signal?

Mit dem Begriff Signal bezeichnen wir Funktionen f : X → C, die wir gegebenfallsgenauer spezifizieren:

• X = R zeitkontinuierliches Signal

• X = Z, X = N zeitdiskret

• X = [ a, b ] zeitbeschrankt

• f(t) = f(t + kA) fur alle k ∈ Z A-periodisch

• f ∈ L2(R) oder f ∈ l2(Z) Signal von endlicher Energie

• f ∈ L∞(R) oder f ∈ l∞(Z) beschrankt

• f ∈ L1(R) bzw. f ∈ l1(Z) integrierbar bzw. summierbar.

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1.2 Beispiel: Entrauschen eines periodischen Signals

mittels Fourier-Reihen

Annahme: Wir haben die Funktion in Abbildung 1.1 (a), oben links in blau, als periodi-sches Signal in einem technischen System gemessen.

Das Signal besteht aus zwei Anteilen:

gemessenes Signal = Signal + Storungen.

Unser Ziel ist, die Storungen aus dem Signal (in rot) zu eliminieren.

Idee: Wir betrachten die Fourier-Reihe der Funktion.

Die Fourier-(Reihen)-Transformation entwickelt zeitbegrenzte oder 2π-periodische Funk-tionen in eine Reihe bezuglich ihrer Frequenzanteile,

f(t) ∼∑n∈Z

cneint, t ∈ [−π, π ],

d. h. bezuglich der Orthonormalbasis {eint}n∈Z des L2([−π, π ]). Hierbei werden die Ko-effizienten cn als Amplitude zur Kreisfrequenz n interpretiert.

Die Fourier-Transformation liefert die Frequenzanteile des gemessenen Signals als Koeffi-zientenfolge.

Wir nehmen als Modell an, dass das gemessene f ∈ L2([−π, π ]). Dann entwickeln wir fin seine Fourier-Reihe.

In Abbildung 1.1 (a) oben rechts sind die Betrage der Koeffizienten von Index -200 bis200 aufgetragen.

Annahme: Die betragsmaßig kleinen Koeffizienten gehoren zum Storsignal.

Um diese Anteile zu elimieren, betrachten wir nur Fourier-Koeffizienten, deren Betraggroßer als eine gewisse Schranke (engl. Threshold) liegt.

cn,neu =

{cn falls |cn| > sThreshold

0 sonst.

In Abbildung 1.1 (a) unten links wurden alle Koeffizientenanteile, die kleiner als einegewisse Schranke T sind, entfernt.

Rekonstruktion des Original-Signals durch Reihenbildung uber die verbleibenden Frequen-zen liefert Abbildung 1.1 (a) unten rechts. Das Original-Signal ist in rot, die Rekonstruk-tion in blau dargestellt.

In Abbildung 1.1 (b) ist dasselbe Verfahren mit einem großeren Threshold dargestellt.Die rekonstruierte Funktion erschient glatter. In der Praxis ist die Wahl eines geeignetenThresholds ein wesentliches Problem!

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-2 0 2

-2

-1

0

1

2

-200 -100 0 100 2000

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

-200 -100 0 100 2000

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

-2 0 2

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

(a)

-2 0 2

-2

-1

0

1

2

-200 -100 0 100 2000

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

-200 -100 0 100 2000

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

-2 0 2-1

-0.5

0

0.5

1

(b)

Abbildung 1.1: Thresholding eines verrauschten Signals im Frequenz-Bereichmit zwei unterschiedlichen Thresholds.

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Nicht fur jede zu analysierende Funktion und jede Fragestellung ist die Exponentialfamilie{eint}n∈Z eine geeignete Wahl zur Reihenentwicklung. Es gibt eine Vielzahl von Funktio-nenfamilien, die zur Analyse mittels Reihenentwicklungen oder Integraltransformationenherangezogen werden konnen. Die Wahl der Analyse-Funktionenfamilie hangt vom zu-grundeliegenden Modell des signalerzeugenden Systems ab. Fur zeitbegrenzte Signaleverwenden wir eine andere Basis, als fur zeitunbeschrankte Signale, fur stetige Signaleeine andere, als fur diskret vorliegende Werte. Das Verfahren ist dennoch stets dasselbe.Eine schematische Darstellung des Verfahres findet sich in Abbildung 1.2.

System Modell

| |gemessenes Signal Funktionenfamilie

↓ ↓Transformation

|Koeffizienten

↓Manipulation

|veranderte Koeffizienten

↓Rekonstruktion ← Funktionenfamilie

↓verwertbares Signal

Abbildung 1.2: Die verschiedenen Methoden zur Signalanalyse verfahrenalle nach demselben Schema. Funktionen werden Koeffizienten zugeordnet,die manipuliert werden. Anschließend wird aus diesen neuen Koeffizienten eineErgebnisfunktion rekonstruiert.

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1.3 Inhalt der Vorlesung

Wir werden in dieser Vorlesung Reihenentwicklungen und Integraltransformationen bezuglichverschiedener Funktionenfamilien und ihre Vor- und Nachteile untersuchen. Wir gehen wiefolgt durch die Abschnitte:

• Motivation

• Basen und Frames: Begriffsbildung

• Fourier-Reihen

• Fourier-Integrale

• Poisson-Summationsformel und Abtastsatz

• Short-Time-Fourier-Transformation und Gabor-Frames

• Laplace-Transformation und ihre Anwendung zur Losung von Differentialgleichun-gen.

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Kapitel 2

Basen und Frames – Begriffsbildung

In diesem Abschnitt definieren wir die Grundbegriffe der Vorlesung. Begriffe wie Basissind sicher schon aus der Linearen Algebra oder wie Vollstandigkeit aus der Analysisvertraut. Wir betrachten hier unendlich-dimensionale Banach- oder Hilbert-Raume. Wirhaben daher mit Basen mit unendlich-vielen Elementen zu tun und mussen den BegriffBasis aus der endlich-dimensionalen Linearen Algebra mit den topologischen Begriffenwie Chauchy-Folge oder Vollstandigkeit aus der Analysis verknupfen.

Im ganzen Kapitel sei X stets ein separabler Banach-Raum und H ein separabler Hilbert-Raum (Separabel heißt, es gibt eine abzahlbare dichte Teilmenge). X ′ bezeichnet den Dual-raum, den Banach-Raum aller stetigen Linearformen auf X, versehen mit der Operator-norm-Topologie:

‖y‖op = supx∈X‖x‖≤1

|y(x)|‖x‖

, y ∈ X ′.

2.1 Vollstandigkeit und Minimalitat

Um jedes Element x aus einem Banach-Raum X bezuglich einer Familie {xn}n∈Z ⊂ Xsinnvoll in eine Reihe

∑n∈Z cnxn entwickeln zu konnen, muss die Familie {xn}n∈Z gewissen

Eigenschaften genugen. Die Reihe soll fur jedes x in der Norm des Banach-Raums gegenx konvergieren. Dazu muss die Familie {xn}n∈Z vollstandig sein, d. h. den ganzen RaumX aufspannen.

Definition 2.1.1 Eine Folge {xn}n∈Z ist vollstandig in X, wenn span {xn}n∈Z = X gilt.

Wieviele Elemente zu einer Familie hinzugefugt werden mussen, um Vollstandigkeit zuerreichen, oder wieviele Elemente entfernt werden konnen, ohne die Eigenschaft der Voll-standigkeit zu verlieren, geben die Begriffe Uberschuss und Defizit an. Sie wurden vonPaley und Wiener eingefuhrt. Wir verwenden eine etwas allgemeinere Definition:

7

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Definition 2.1.2 Die Familie {xn}n∈Z hat den Uberschuss E in X, wenn die Familie nachdem Entfernen von beliebigen E Funktionen noch vollstandig ist, aber unvollstandigwird, sobald E +1 Funktionen entfernt werden. Das Defizit einer Familie {xn}n∈Z wirdanalog als negativer Uberschuss definiert. Die Familie heißt exakt , wenn E = 0 ist.

Weiter gelten die folgenden Konventionen: Es sei E = ∞, wenn {xn}n∈Z nach demEntfernen von beliebigen N Funktionen, N ∈ N, noch immer vollstandig ist. Wir setzenE = −∞, wenn {xn}n∈Z durch Hinzufugen von beliebigen N Funktionen, N ∈ N, nichtvollstandig wird.

Ideal ist eine Funktionenfolge ohne Redundanz, eine minimale Folge:

Definition 2.1.3 Eine Folge {xn}n∈N heißt minimal in X, wenn xm 6∈ span {xn, n 6= m}gilt.

Der folgende Satz zeigt, dass fur minimale Folgen die Koeffizienten-Folge {cn}n∈N aus derDarstellung x =

∑n∈N cnxn fur alle x ∈ span {xn}n∈N eindeutig ist.

Satz 2.1.4 Die Folge {xn}n∈N ist genau dann minimal, wenn gilt

limn→∞

∥∥∥∥∥n∑

k=1

ankxk

∥∥∥∥∥ = 0 ⇒ limn→∞

ank = 0. (2.1)

Beweis Klar. 2

Gelegentlich wird die Eindeutigkeit der Koeffizienten mit einer eigenen Definition belegt,die durch die lineare Unabhangigkeit der Linearen Algebra motiviert ist:

Definition 2.1.5 Eine Folge {xn}n∈N im Banach-Raum X heißt ω-unabhangig, wenn aus∑∞n=1 cnxn = 0 bereits cn = 0 fur alle n ∈ N folgt.

2.2 Schauder-Basen in Banach-Raumen

Der wichtigste Basen-Begriff in der Analysis ist der der Schauder-Basis:

Definition 2.2.1 (Schauder 1927) Eine Folge von Elementen {xn}n∈N in einem unend-lich-dimensionalen Banach-Raum X heißt Schauder-Basis von X, wenn es zu jedemx ∈ X eine eindeutige Folge von Skalaren {cn}n∈N gibt, so dass∥∥∥∥∥x−

n∑i=1

cixi

∥∥∥∥∥→ 0 fur n→∞. (2.2)

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Die Schauder-Basis heißt beschrankt, wenn gilt 0 < infn∈N ‖xn‖ ≤ supn∈N ‖xn‖ < ∞.Wenn {xn}n∈N eine Schauder-Basis ist, dann heißen die Linearformen

fk : X → C, x =∑n∈N

cnxn 7→ ck, k ∈ N, (2.3)

Koeffizientenfunktionale.

Beispiele 2.2.2 (i) lp(N), 1 ≤ p < ∞, besitzt als Schauder-Basis die kanonischenBasis {e1, e2, e3, . . .}. Hierbei ist

en = {0, . . . , 0, 1, 0, . . .}

die Folge, die nur an nur an der n-ten Stelle den Wert 1 hat.

(ii) Banach-Raume mit Schauder-Basis sind separabel. Da l∞(N) nicht separabel ist,besitzt er keine Schauder-Basis.

(iii) Orthonormalbasen {en}n∈N im Hilbert-Raum sind Schauder-Basen, die zusatzlich〈en, em〉 = δnm und ‖en‖ = 1 erfullen.

Fur Schauder-Basen und ihre Koeffizientenfunktionale gilt der folgende

Satz 2.2.3 (i) Schauder-Basen sind vollstandig und minimal.

(ii) Die Koeffizientenfunktionale sind stetig, also Elemente des Dualraums X ′, und er-fullen die Abschatzung

1 ≤ ‖xn‖ · ‖fn‖ ≤ K (2.4)

fur eine geeignete positive Konstante K und alle n ∈ N.

Beweisskizze (i) Dies folgt sofort aus den jeweiligen Definitionen und Satz 2.1.4.

(ii) Sei Y der Vektorraum

Y :=

{{cn}n∈N ⊂ C

∣∣∣∣∣∞∑

n=1

cnxn konvergiert in X.

}(2.5)

versehen mit der Norm

‖{cn}n∈N‖ := supn∈N

∥∥∥∥∥n∑

i=1

cixi

∥∥∥∥∥ .

Dann ist Y ein Banach-Raum und zu X isomorph, denn die Abbildung

T : Y → X, {cn}n∈N 7→∞∑

n=1

cnxn

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ist linear, und da {xn}n∈N eine Schauder-Basis von X ist folgt mit (2.5), dass T bijektivist. Da

‖T{cn}n∈N‖ =

∥∥∥∥∥∞∑

n=1

cnxn

∥∥∥∥∥ ≤ supn∈N

∥∥∥∥∥n∑

i=1

cixi

∥∥∥∥∥ = ‖{cn}n∈N‖

folgt, dass T stetig ist. Also ist T nach dem Satz von der offenen Abbildung ein Banach-Raum-Isomorphismus.

Sei x =∑∞

n=1 cnxn ∈ X. Dann gilt fur jedes n ∈ N

|fn(x)| = |cn| =‖cnxn‖‖xn‖

≤ ‖∑n

i=1 cixi‖+ ‖∑n−1

i=1 cixi‖‖xn‖

≤ 2 supk ‖∑k

i=1 cixi‖‖xn‖

=2‖T−1x‖‖xn‖

≤ 2‖T‖−1‖x‖‖xn‖

.

Also ist ‖fn‖ ≤ 2‖T‖−1

‖xn‖ . Daher ist fn ist stetig und die rechte Seite der Ungleichung gilt.Die linke Seite gilt wegen

1 = fn(xn) = |fn(xn)| ≤ ‖fn‖ · ‖xn‖.

2

Bemerkung 2.2.4 Nicht jede beschrankte, vollstandige und minimale Folge ist eineSchauder-Basis. Wir werden im folgenden Abschnitt ein Beispiel hierzu sehen.

2.3 Biorthogonalitat

Zur Berechnung der Koeffizienten cn in einer Reihenentwicklung f ∼∑

n cnxn werdenbestimmte lineare Funktionale yn mit cn = yn(f) verwendet. Fur sie wird die folgendeEigenschaft gefordert:

Definition 2.3.1 Zwei Folgen {xn}n∈Z ⊂ X und {yn}n∈Z ⊂ X ′ heißen biorthogonal, wenngilt

ym(xn) = δmn fur alle m,n ∈ Z.

Mit Hilfe der Satze von Hahn–Banach laßt sich zeigen, dass eine Folge {xn}n∈Z im Banach-Raum genau dann eine biorthogonale Folge besitzt, wenn {xn}n∈Z minimal ist, und einebiorthogonale Folge genau dann eindeutig ist, wenn {xn}n∈Z vollstandig ist.

Die Koeffizientenfunktionale besitzen noch weitere wichtige Eigenschaften:

Satz 2.3.2 (i) Wenn {xn}n∈N eine Schauder-Basis im Banach-Raum X ist, dann sinddie zugehorigen Koeffizientenfunktionale {fn}n∈N biorthogonal.

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(ii) Sei {xn}n∈N eine Schauder-Basis im reflexiven Banach-Raum X. Dann bilden dieKoeffizientenfunktionale {fn}n∈N eine Schauder-Basis des Dualraums X ′.

Beweis (i) Klar nach (2.3) aus der Definition 2.2.1 der Koeffizientenfunktionale.

(ii) Ubungsaufgabe. 2

Dieser Zusammenhang zwischen Schauder-Basis und ihren Koeffizientenfunktionalen fuhrtauf folgende

Definition 2.3.3 Die Schauder-Basis von X ′, bestehend aus den Koeffizientenfunktiona-len zu {xn}n∈N ⊂ X im reflexiven Banach-Raum X, heißt zu {xn}n∈N duale Schauder-Basis.

Beispiel 2.3.4 Vollstandige minimale Folgen sind nicht notwendigerweise Schauder-Ba-sen.

Betrachte dazu den Hilbert-Raum H und eine Orthonormalbasis {en}n∈N. Sie ist minimalund vollstandig. Die Familie {xn}n∈N mit

xn =n∑

k=1

1

kek, n ∈ N,

ist ebenso beschrankt, vollstandig und minimal. Aber {xn}n∈N ist keine Schauder-Basis.Denn dann ware die duale Folge {yn}n∈N mit

yn = nen − (n + 1)en+1, n ∈ N,

auch eine Schauder-Basis, also vollstandig. Dies ist aber nicht der Fall, da f =∑

n∈N1nen

nicht im Spann von {yn}n∈N liegt.

2.4 Aquivalenz von Schauder-Basen

Um in der Fulle von moglichen Schauder-Basen in einem Banach-Raum”gleichwertige“

zu klassifizieren, definieren wir die Aquivalenz von Schauder-Basen:

Definition 2.4.1 Zwei Schauder-Basen {xn}n∈N und {yn}n∈N im Banach-Raum X heißenaquivalent, wenn es einen beschrankten, invertierbaren, linearen Operator T : X → Xgibt mit Txn = yn fur alle n ∈ N.

Im endlich-dimensionalen Vektorraum lassen sich Basen stets durch einen invertierbarenOperator auf die kanonische Basis abbilden. Fur unendlich-dimensionale Vektorraumegilt dies im allgemeinen nicht mehr. Dort hangt die Konvergenz einer Reihenentwicklungbezuglich einer Basis im allgemeinen von der Summationsreihenfolge ab.

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2.5 Unbedingte Konvergenz

Bei Schauder-Basen sind wir bisher immer von bedingter Konvergenz ausgegangen: DieSchauder-Basis besteht aus einer indizierten Folge, und die Konvergenz einer Reihe be-zuglich der Schauder-Basis hangt von der Anordnung der Basis-Elemente ab (vgl. (2.2)).Bei unbedingten Basen muss nicht auf die Summationsreihenfolge geachtet werden:

Definition 2.5.1 Eine Reihe∑

n∈Z an im Banach-Raum X heißt unbedingt konvergentwenn jede Permutation der Reihe gegen das gleiche Element in X konvergiert.

Eine Schauder-Basis {xn}n∈Z von X heißt unbedingte Basis von X, wenn jede konver-gente Reihe der Form

∑n∈Z cnxn unbedingt konvergiert.

Bemerkung 2.5.2 Oft werden in der Signalanalyse nach manipulation der Koeffizientendie N großten aufsummiert und fur die Approximation der Limes N →∞ betrachtet, Beibedingten Basen kann so nicht sicher gestellt werden, dass das Ergebnissignal interpre-tierbar ist: Die zugehorige Reihe wird in unvorhersehbarer Reihenfolge aufsummiert undkonvergiert unter Umstanden nicht.

In Abschnitt 2.7 werden wir uns mit einer wichtigen Klasse von unbedingten Basen befas-sen, den Riesz-Basen, und eine Aquivalenz fur beschrankte unbedingte Basen formulieren.

Beispiel 2.5.3 Die Folge {dn}n∈N mit

d1 = (1, 0, 0, . . .), d2 = (1, 1, 0, . . .), d3 = (1, 1, 1, 0, . . .), . . .

ist eine bedingte Basis des Raums c0(N).

Denn sei {an}∈N eine Folge in R, so dass∑

n∈N an konvergiert, aber nicht absolut konver-giert. Dann ist

∑n∈N andn nicht unbedingt konvergent.

Als Beweis zieht man den aus der Analysis bekannten Beweis heran, dass es unter diesenVoraussetzungen fur jedes s ∈ R eine Permutation p : N → N gibt, also eine bijektiveAbbildung, so dass limn→∞ ap(n) = s.

2.6 Frames

In diesem Abschnitt werden Folgen {xn}n∈Z im Hilbert-Raum H untersucht, die Uber-schuss besitzen, also keine eindeutige Reihenentwicklung f =

∑n∈Z cnxn mit cn ∈ C fur

f ∈ H zulassen, aber dennoch Konvergenz der Reihe garantieren. Sie heisßen Frames undwerden gelegentlich in der deutschsprachigen Literatur mit Rahmen bezeichnet.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 13

Definition 2.6.1 Eine Folge {xn}n∈Z in einem separablen Hilbert-Raum H heißt Framein H, wenn es Konstanten A, B > 0 gibt mit

A‖f‖2 ≤∑n∈Z

|〈f, xn〉|2 ≤ B‖f‖2 fur alle f ∈ H. (2.6)

Die Konstanten A und B heißen Frame-Schranken. Ein Frame heißt straff oder fest,wenn A = B. Ein Frame heißt exakt, wenn er nach Entfernen eines Elementes keinFrame mehr ist. Sei

S : H → H, Sf =∑n∈Z

〈f, xn〉xn (2.7)

der Frame-Operator. Dann ist S selbstadjungiert (d.h., S = S∗), invertierbar und{S−1xn}n∈Z heißt der zu {xn}n∈Z duale Frame. Fur alle f ∈ H gilt die duale Frame-Zerlegung

f =∑n∈Z

〈f, S−1xn〉xn =∑n∈Z

〈f, xn〉S−1xn. (2.8)

Frames sind immer vollstandige Folgen, aber nicht notwendig minimal. Die Minimalitatzeichnet einen exakten Frame aus.

Bemerkung 2.6.2 Frames werden z. B. beim Entrauschen von Signalen verwendet, dadie Redundanz in der Analysefamilie dem Erhalt der tatsachlichen Signaldaten forderlichist. Fur hoherdimensionale Signale im X(Rn) kann zu hohe Redundanz zu Speicher- undRechenzeitengpassen fuhren.

Die Entwicklung eines Elementes f ∈ H in seine Koeffizienten bezuglich eines Frames{xn}n∈Z ist also nicht immer eindeutig. Zwischen zwei Entwicklungen besteht allerdingsein Zusammenhang:

Lemma 2.6.3 [You80, S. 186 f.]

(i) Sei {xn}n∈Z ein Frame im separablen Hilbert-Raum H und f ein beliebiges Elementin H.

Dann gibt es eine eindeutige Momentenfolge {an}n∈Z, so dass

f =∑n∈Z

anxn

und an = 〈g, xn〉, wobei Sg = f .

Ist {bn}n∈Z eine weitere Folge, so dass f =∑

n∈Z bnxn, so gilt∑n∈Z

|bn|2 =∑n∈Z

|an|2 +∑n∈Z

|an − bn|2.

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14 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

(ii) Wenn von einem Frame ein Element entfernt wird, entsteht entweder ein Frameoder eine unvollstandige Menge.

Beweis Ubungsaufgabe. 2

Die Koeffizientenfolgen {〈f, S−1xn〉}n∈Z, die mit Hilfe des Frame-Operators berechnetwurden, sind minimal in der l2(Z)-Norm.

2.7 Riesz-Systeme

In dieser Vorlesung werden Riesz-Basen {xn}n∈Z im Hilbert-Raum H eine wesentlicheRolle spielen, da sie

• Schauder-Basen sind, also insbesondere vollstandig und minimal,

• unbedingt konvergerieren und

• zu Orthonormalbasen aquivalent sind und daher Analyse und Synthese topologischeIsomorphismen sind.

Definition 2.7.1 Sei H ein separabler Hilbert-Raum.

(i) Eine Folge {xn}n∈Z ⊂ H heißt Riesz-Folge, falls es Konstanten 0 < A ≤ B < ∞gibt, so dass

A∑n∈Z

|an|2 ≤

∥∥∥∥∥∑n∈Z

anxn

∥∥∥∥∥2

≤ B∑n∈Z

|an|2 (2.9)

fur alle {an}n∈Z ∈ l2(Z).

(ii) Eine Riesz-Folge heißt Riesz-Basis, falls zusatzlich span ({xn}n∈Z) = H gilt.

Bemerkungen 2.7.2 (i) Riesz-Basen sind Schauder-Basen. Die erste Ungleichung in(2.9) garantiert die Eindeutigkeit der Koeffizienten.

(ii) Jede Teilfolge einer Riesz-Folge ist eine Riesz-Folge.

Riesz-Basen lassen sich auf viele verschiedene aquivalente Arten charakterisieren:

Satz 2.7.3 Sei {xn}n∈Z eine Folge in H. Dann sind die folgenden Aussagen aquivalent:

(i) {xn}n∈Z ist eine Riesz-Basis.

(ii) {xn}n∈Z ist aquivalent zu einer Orthonormalbasis.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 15

(iii) Die Folge {xn}n∈Z ist vollstandig in H, und die Ungleichung (2.9) ist erfullt.

(iv) Die Folge {xn}n∈Z ist vollstandig in H, und ihre Gram-Matrix

(〈xn, xm〉)m,n∈Z

erzeugt einen beschrankten, invertierbaren, linearen Operator G : l2(Z)→ l2(Z).

(v) Die Folge {xn}n∈Z ist vollstandig in H und besitzt eine vollstandige biorthogonaleFolge {yn}n∈Z mit ∑

n∈Z

|〈f, xn〉|2 <∞ und∑n∈Z

|〈f, yn〉|2 <∞

fur jedes f ∈ H.

(vi) {xn}n∈Z ist ein exakter Frame.

(vii) {xn}n∈Z ist eine beschrankte unbedingte Basis.

(ohne Beweis)

Bemerkung 2.7.4 Da jeder separable Hilbert-Raum eine Orthonormalbasis besitzt undOrthonormalbasen trivialerweise Riesz-Basen sind, besitzt jeder separable Hilbert-Raumeine Riesz-Basis.

Das Grundproblem, ob jeder separable Banach-Raum eine Schauder-Basis besitzt, wurde1932 von Banach aufgeworfen.

Es blieb ein wesentliches offenes Problem der Funktionalanalysis, bis Per Enflo 1973 einenseparablen Banach-Raum konstruierte, der keine Schauder-Basis besitzt.

Dies ist uberraschend, da fur alle gewohnlichen Beispiele separabler unendlich-dimensionalerBanach-Raume Schauder-Basen bekannt sind.

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16 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

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Kapitel 3

Fourier-Reihen

3.1 Zur Geschichte der Fourier-Reihen

Die Fourier-Reihenentwicklung

f ∼∑n∈Z

cf (n) eint

einer Funktion f geht auf den franzosischen Ingenieur und Mathematiker Jean BaptisteJoseph de Fourier (1768–1830) zuruck. Zuerst unschlussig, ob er Priester oder Wissen-schaftler werden wollte, entschied sich sein Lebensweg bei seiner Teilnahme ann der derFranzosischen Revolution. Er wurde wissenschaftlicher Berater Napoleons bei der Inva-sion in Agypten und spater Prafekt vom Departement Isere. In dieser Zeit entwickelteer Exponentialreihen, die heute unter dem Namen Fourier-Reihen bekannt sind, um einegewisse partielle Differentialgleichung, die Warmeleitungsgleichung zu losen.

Beispiel 3.1.1 Betrachte einen dunnen Kreisring, der die Lange 2π besitze. Bezeichneθ ∈ [0, 2π] den Ort auf dem Kreis, wobei θ und θ + 2π den selben Punkt bezeichnen.Sei f(t, θ) die Temperaturfunktion zum Zeitpunkt t ∈ R am Ort θ im Kreisring. Dannbeschreibt

∂f

∂t=

∂2f

∂θ2

f(0, θ) = f0(θ)

Warmeleitungsgleichung

die Temperaturverleitung im Kreisring. Durch Nachrechnen lasst sich zeigen, dass dieFunktionen

Fn(t, θ) = e−n2t cos(nθ), n ≥ 0,

undGn(t, θ) = e−n2t sin(nθ), n > 0,

Losungen der obigen partiellen Differentialgleichung sind. Also sind auch alle endlichenLinearkombinationen dieser Losungen wieder Losungen der Warmeleitungsgleichung:

f(t, θ) =∑

n

anFn(t, θ) +∑

n

bnGn(t, θ),

17

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18 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

wobei an, bn ∈ C Koeffizienten sind. Fouriers Idee bestand darin, die Anfangsbedingungf0 in eine Exponentialreihe zu entwickeln, um davon abhangig die Koeffizienten in derReihe zu erhalten:

f0(θ) ∼∑

n

an cos(nθ) +∑

n

bn sin(nθ)

fuhrt auf die Losung

f(t, θ) ∼∑

n

ane−n2t cos(nθ) +

∑n

bne−n2t sin(nθ).

Am 21. Dezember 1807 stellte er sein Memorandum”Uber die Warmeverteilung in Fest-

korpern“ der Franzosischen Akademie der Wissenschaften vor, mit dem Inhalt, dass einebeliebige Funktion auf einem Intervall dargestellt werden kann als unendliche Reihe uberSinus- und Cosinus-Funktionen.

Dieser Beitrag rief harte Kontroversen bei damaligen Mathematikern hervor. Die Reihemuss doch eine unendlich oft differenzierbare Funktion ergeben? Wie passen die Fourier-Reihen zu den bereits bekannten Taylor-Reihen? Wieso konvergieren in einigen FallenFourier-Reihen, wo die Konvergenz der Taylor-Reihe versagt?

Tatsachlich stehen Fourier- und Taylor-Reihen nicht im Widerspruch zueinander: Fourier-Reihen betrachten globale Eigenschaften, Taylor-Reihen lokale Eigenschaften einer Funk-tion.

Fur seine Arbeit zur Warmeleitungsgleichung erhielt Fourier 1811 einen Preis der Franzosi-schen Akademie der Wissenschaften, wenn auch aufgrund der Kontroversen mit nichtgerade positiver Begrundung. 1817 wurde Fourier in die Akademie der Wissenschaftengewahlt.

3.2 Orthonormalbasen und allgemeine Fourier-Rei-

hen

In diesem Abschnitt betrachten wir Fourier-Reihen aus dem allgemeinen Basis-Blickwin-kel. In den folgenden Abschnitten betrachten wir konkrete Banach- und Hilbert-Raume.

Die wichtigste Eigenschaft einer Orthonormalbasis im Gegensatz zu jeder anderen Basisist die Einfachheit der Terme in der Basisdarstellung. Wenn {e1, e2, e3, . . .} eine Ortho-normalbasis im Hilbert-Raum ist, so kann jedes f ∈ H in seine Fourier-Reihe

f =∞∑

n=1

〈f, en〉en

entwickelt werden, und die Reihe konvergiert in der Norm von H. Das Innenprodukt 〈f, en〉heißt n-ter Fourier-Koeffizient von f . Mit dem Satz von Pythagoras folgt die Parseval-Gleichung (auch Energie-Satz (ing.))

‖f‖2 =∞∑

n=1

|〈f, en〉|2. (3.1)

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 19

Dies bedeutet, dass die lineare Abbildung

S : H → l2(N), f 7→ {〈f, en〉}n∈N

ein isometrischer Hilbert-Raum-Isomorphismus ist. S erhalt daher auch Skalar-Produkteund es gilt die schwache Parseval-Gleichung

〈f, g〉 =∞∑

n=1

〈f, en〉〈g, en〉 ∀f, g ∈ H.

Beispiel 3.2.1 In l2(N) ist die kanonische Basis aus Beispiel 2.2.2 (i) eine Orthonormal-Basis.

Satz 3.2.2 Fur jedes endliche orthonormale System {e1, . . . , eN} gilt

N∑n=1

|〈f, en〉|2 ≤ ‖f‖2.

Daraus folgt sofort

Lemma 3.2.3 (Riemann–Lebesgue-Lemma im Hilbert-Raum)

lim|n|→∞

〈f, en〉 = 0 ∀f ∈ H.

3.3 Fourier-Reihen im L2(T)

Sei T := {z ∈ C : |z| = 1} = {eit : t ∈ [0, 2π[}. T = S1 ist eine kompakte Teilmenge desR2.

T ist eine kommutative Gruppe mit Multiplikation. Da die Multiplikation · : T× T→ Tstetig ist bezuglich der Topologie des Rn, ist T eine topologische Gruppe.

Jede Funktion f : T → C lasst sich in eindeutiger Weise identifizieren mit einer 2π-periodischen Funktion f : R → C durch f(t + 2πn) = f(t) = f(eit), wobei t ∈ [0, 2π[,n ∈ Z.

Das Lebesgue-Maß von [0, 2π[ wird transformiert auf T durch∫Tf(z)dz =

∫ 2π

0

f(eit) dt =

∫ 2π

0

f(t) dt,

falls das Lebesgue-Integral existiert.

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20 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Wir bezeichnen mit L2(T) den Raum aller komplex-wertigen, bezuglich des Lebesgue-Maßes quadrat-integrierbaren Funktionen auf T. Versehen mit dem Innenprodukt

〈f, g〉 =1

∫Tf(z) g(z) dz fur f, g ∈ L2(T).

wird L2(T) zum Hilbert-Raum.

(Bemerkung: Lp(T) = Lp(T)/N , wobei

Lp(T) = {f : T→ C : f Lebesgue-meßbar und

∫T|f(t)|pdt <∞.}

und N = {f : T→ C, f = 0 fast uberall}, 1 ≤ p <∞. )

Im folgenden identifizieren wir f mit f .

Das komplexe trigonometrische System {eint}n∈Z ist eine Orthonormal-Basis des Hilbert-Raums L2(T). Die Orthogonalitat lasst sich leicht durch Nachrechnen uberprufen. Auf-grund der Orthogonalitat ist die Familie minimal und die Koeffizienten eindeutig. Wenndie Familie vollstandig ist, haben wir nach den Ergebnissen im vorhergehenden Abschnittdie Orthonormalbasis-Eigenschaft gezeigt, d. h. jedes f ∈ L2(T) besitzt eine eindeutigeFourier-Reihen-Entwicklung

f =∑n∈Z

〈f, ein·〉ein· in L2(T),

wobei

〈f, ein·〉 =1

∫ π

−π

f(t) e−int dt, n ∈ Z.

Nach der Parseval-Gleichung (3.1) gilt

1

∫ π

−π

|f(t)|2 dt =∑n∈Z

|〈f, ein·〉|2 ∀f ∈ L2(T)

und die AbbildungT : L2(T)→ l2(Z), f 7→ {〈f, ein•〉}n∈Z

ist ein Hilbert-Raum-Isomorphismus.

Also zur Vollstandigkeit:

Satz 3.3.1 Das trigonometrische System {eint}n∈Z ist vollstandig in L2(T).

Beweis mit Hilfe des Satzes von Weierstraß

Annahme: Sei f ∈ L2(T) eine integrierbare Funktion mit f /∈ span {eint}n∈Z. Dann gilt

〈f, ein·〉 =1

∫ π

−π

f(t) e−int dt = 0 ∀n ∈ Z.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 21

Wir zeigen, dass f = 0 fast uberall. Setze

g(t) =

∫ t

−π

f(u) du fur t ∈ [−π, π ].

Dann ist g stetig.

Sei c ∈ C konstant. Partielle Integration liefert∫ π

−π

(g(t)− c) e−int dt = 0 fur alle n ∈ Z \ {0}. (3.2)

Wahle c, so dass (3.2) auch fur n = 0 gilt und setze F (t) = g(t)− c. Dann ist F stetig auf[−π, π ] und F (π) = F (−π) = −c. Nach dem Satz von Weierstraß gibt es fur jedes ε > 0eine endliche trigonometrische Summe

T (t) =N∑

k=−N

ckeikt,

so dass|F (t)− T (t)| < ε fur |t| ≤ π.

Damit folgt

‖F‖2 =1

∫ π

−π

|F (t)|2 dt =1

∫ π

−π

F (t) (F (t)− T (t)) dt ≤ ε

∫ π

−π

|F (t)| dt ≤ ε ‖F‖.

Daher ‖F‖ ≤ ε und da F beliebig war, gilt F = 0. Also ist g = c und daher f = 0 fastuberall. 2

Bemerkung 3.3.2 Analog laßt sich die Vollstandigkeit von {eint}n∈Z in Lp(T), 1 ≤ p <∞, zeigen.

Wir konnen diesen Abschnitt im folgenden Satz zusammenfassen:

Satz 3.3.3 Das trigonometrische System {eint}n∈Z ist eine Orthonormalbasis des Hilbert-Raums L2(T).

3.4 Fourier-Reihen in den Banach-Raumen L1(T) und

C(T)

Wir wissen bereits, dass das trigonometrische System {eint}n∈Z eine Orthonormalbasisdes Hilbert-Raums L2(T) ist. Wie verhalt es sich mit den Banach-Raumen L1(T) undC2π(T)? Die Familie {eikt}k∈Z ist Teilmenge beider Raume, da aber

C(T) ⊂ L2(T) ⊂ L1(T)

und alle diese Raume verschiedene Topologien haben, bleibt zu prufen,

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22 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

• ob die Familie in den beiden Banach-Raumen eine Schauder-Basis bildet,

• wie die Koeffizienten-Funktionale aussehen,

• ob die Reihen unbedingt, punktweise und in der Norm konvergieren,

• oder welche Modifikationen zur Konvergenz notwendig sind.

3.4.1 Fourier-Koeffizienten

Sei L1(T) der Raum aller komplex-wertigen Lebesgue-integrierbaren Funktionen (eigent-lich Aquivalenzklassen von Funktionen) auf T, der versehen mit der Norm

‖f‖L1(T) =1

∫T|f(t)| dt

zum Banach-Raum wird.

Definition 3.4.1 Ein trigonometrisches Polynom auf T ist ein Funktion der Form

P (t) =N∑

n=−N

cneint.

Die Zahlen n heißen Frequenzen von P .

Die großte Zahl n mit |cn|+ |c−n| 6= +0 heißt Grad von P .

Fur ein trigonometrisches Polynom P konnen die Koeffizienten cn, n ∈ Z, berechnetwerden durch die Formel

cn =1

∫ 2π

0

P (t)e−int dt,

denn1

∫ 2π

0

eint dt =

{1 fur n = 00 fur n 6= 0.

Definition 3.4.2 Eine trigonometrische Reihe auf T ist ein Ausdruck der Form

S ∼∞∑

n=−∞

cneint.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 23

Definition 3.4.3 Sei f ∈ L1(T). Wir bezeichnen mit

f(n) =1

∫Tf(t)e−int dt

den n-ten Fourier-Koeffizienten von f .

Die Fourier-Reihe S(f) ist die trigonometrische Reihe

S(f)(t) ∼∞∑

n=−∞

f(n)eint.

Bemerkung: S(f)(t) ist zunachst nur ein Symbol.

Satz 3.4.4 (Grundlegende Eigenschaften der Fourier-Koeffizienten) Seien f, g ∈L1(T). Dann gilt fur α ∈ C und alle n ∈ N:

(i) (f + g)(n) = f(n) + g(n).

(ii) (αf)(n) = αf(n).

(iii) Bezeichnet f(t) := f(t) die konjugiert-komplexe Funktion von f , dann

f(n) = f(−n).

(iv) Bezeichne (Lτf)(t) = f(t− τ), τ ∈ T, eine um τ translierte Funktion. Dann gilt

Lτf(n) = f(n)e−inτ .

(v)

|f(n)| ≤ 1

∫T|f(t)| dt = ‖f‖L1(T).

Beweis Ubungsaufgabe. 2

Korollar 3.4.5 Sei fj ∈ L1(T), j = 0, 1, . . ., und ‖fj − f0‖L1 → 0. Dann konvergiert

fj(n)→ f0(n) gleichmaßig.

Satz 3.4.6 (i) Sei f ∈ L1(T) und f(0) = 0 (d.h., f ist Mittelwert-frei:∫

T f(t) dt = 0).

Sei F (t) =∫ t

0f(τ) dτ fur alle t ∈ [0, 2π].

Dann ist F stetig, 2π-periodisch und es gilt :

F (n) =1

inf(n) ∀n ∈ Z \ {0}.

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24 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

(ii) Sei f eine differenzierbar Funktion auf T. Gilt f ′ ∈ L1(T), so gilt

f(n) =1

inf ′(n) ∀n ∈ Z \ {0}.

Beweis Die Stetigkeit von F (sogar absolute Stetigkeit) ist offensichtlich.

Die Periodizitat folgt aus

F (t + 2π)− F (t) =

∫ t+2π

t

f(τ) dτ = 2πf(0) = 0.

Mit partieller Integration gilt

F (n) =1

∫ 2π

0

F (t)e−int dt

=1

[F (t)

1

−ine−int

]2π

t=0

− 1

∫ 2π

0

F ′(t)e−int

−indt

=1

inf(n). (3.3)

Zu (ii): Zu prufen bleibt f ′(0) = 0. Dies gilt aufgrund der 2π-Periodizitat:

f ′(0) =1

∫ 2π

0

f ′(t) dt = f(2π)− f(0) = 0.

2

Korollar 3.4.7 Ist f : T→ C zweimal stetig differenzierbar, dann gilt:

f ∈ l1(Z), d.h.,∞∑

n=−∞

|f(n)| <∞.

Beweis

|f(n)| =

∣∣∣∣∣ f ′(n)

in

∣∣∣∣∣ =

∣∣∣∣∣ f ′′(n)

−n2

∣∣∣∣∣ < M

n2.

2

3.4.2 Die Faltung

Satz 3.4.8 Seien f, g ∈ L1(T). Dann ist die Funktion

x 7→ f(y − x)g(x)

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 25

fur fast alle y ∈ [−π, π ] absolut integrierbar. Fur

h(y) =1

∫ π

−π

f(y − x)g(x) dx

gilt h ∈ L1(T) und ‖h‖1 ≤ ‖f‖1‖g‖1. Fur die Fourier-Koeffizienten gilt

h(n) = f(n) · g(n) (3.4)

fur alle n ∈ Z.

Beweis f und g sind als Funktionen in x, y messbar. Dann ist auch die FunktionF (y, x) = f(y−x)g(x) messbar. Fur fast alle x ist die Funktion y 7→ F (y, x) ein konstantesVielfaches der Funktion f(· − x), daher integrierbar und

1

∫ π

−π

1

∫ π

−π

|F (y, x)| dy dx =1

∫ π

−π

|g(x)|‖f‖1 dx = ‖f‖1‖g‖1.

Die Satze von Tonelli und Fubini liefern die Integrierbarkeit von (y, x) 7→ F (y, x). Insbe-sondere ist x 7→ F (y, x) fur fast alle y integrierbar und

1

∫ π

−π

|h(y)| dy =1

∫ π

−π

∣∣∣∣ 1

∫ π

−π

F (y, x) dx

∣∣∣∣ dy

≤ 1

4π2

∫ π

−π

∫ π

−π

|F (y, x)| dy dx = ‖f‖1‖g‖1.

Bleibt die Gleichung (3.4) zu zeigen:

h(n) =1

∫ 2π

0

h(y)e−iny dy =1

∫ 2π

0

1

∫ 2π

0

f(y − x)g(x) dxe−iny dy

=(Fubini)1

∫ 2π

0

1

∫ 2π

0

f(y − x)e−in(y−x)g(x)e−inx dy dx

=(Transl.-Inv.)1

∫ 2π

0

f(y)e−iny dy · 1

∫ 2π

0

g(x)e−inx dx

= f(n)g(n).

2

Definition 3.4.9 Sei f, g ∈ L1(T). Die fast uberall definierte Funktion h : T → C ausdem Satz 3.4.8 wird mit f ∗ g bezeichnet und heißt Faltung (engl. convolution) von fund g.

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26 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Bemerkung 3.4.10 Der Banach-Raum L1(T) wird mit der zusatzlichen Faltungsopera-tion zu einer kommutativen Banach-Algebra.

Die Fourier-Transformation ist ein Banach-Algebra-Homomorphismus : L1(T)→ l∞(Z),

bezuglich der Banach-Algebra l∞(Z) mit elementweiser Multiplikation.

Beispiel 3.4.11 (Filterung) Betrachte ein 2π-periodisches Signal f ∈ L1(T), also eine

Funktion f : T→ C, das die Frequenzen n ∈ Z enthalte (d.h. f(n) 6= 0).

Ein Filter ist eine Funktion g ∈ L1(T), die bestimmte Frequenz-Anteile I ⊂ Z entfernt,und die ubrigen beibehalt: g(n) = 0 fur n ∈ I, und g(n) = 1 fur n ∈ Z \ I.

Das mit g gefilterte Signal h = f ∗ g hat dann auf Z \ I genau die Frequenzen von f undhat auf I keine Frequenzen.

Der folgende Satz zeigt, wie sich durch Faltung von Funktionen f mit trigonometrischenPolynomen die Fourier-Koeffizienten in der zugehorigen Reihenentwicklung gewichten las-sen:

Satz 3.4.12 Sei f ∈ L1(T) und P (t) =∑N

n=−N aneint. Dann gilt

f ∗ P (t) =N∑

n=−N

anf(n) eint in L1(T).

Beweis

f ∗ P (t) =1

∫ π

−π

N∑n=−N

anf(x)ein(t−x) dx

=N∑

n=−N

aneint 1

∫ π

−π

f(x)e−inx dx

=N∑

n=−N

anf(n)eint.

2

3.4.3 Homogene Banach-Raume und approximative Einsen

Bisher haben wir fur f ∈ L1(T) nur formale Fourier-Reihen

f(t) ∼∑k∈Z

f(k)eikt

betrachtet. Um die Fragen zu klaren , bezuglich welcher Normen die Reihe konvergiert,bzw. in welchen Teilraumen des L1(T) f rekonstruiert werden kann, fuhren wie homogeneBanach-Raume ein.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 27

Definition 3.4.13 Ein homogener Banach-Raum B auf T ist ein linearer Teilraum vonL1(T) mit einer Norm ‖ · ‖B mit folgenden Eigenschaften:

(i) {eint : n ∈ Z} ⊂ B.

(ii) (Stetigkeit der Einbettung in L1(T))

(B, ‖ · ‖B) ist ein Banach-Raum und ‖ · ‖1 ≤ ‖ · ‖B .

(iii) (Translationsinvarianz)

Fur alle f ∈ B und alle τ ∈ T gilt Lτf = f(• − τ) ∈ B und ‖Lτf‖B = ‖f‖B.

(iv) (Stetigkeit der Translation)

Die Abbildung T→ B : τ 7→ Lτf ist stetig fur alle f ∈ B.

Beispiele 3.4.14 (i) Fur jedes 1 ≤ p <∞ ist Lp(T) mit ‖ · ‖p ein homogener Banach-Raum auf T.

Es ist Lp(T) ⊂ L1(T) und ‖ · ‖1 ≤ ‖ · ‖p (mit Holder-Ungleichung).

‖Lτf‖B = ‖f‖B wegen der Translationsinvarianz des Lebesgue-Maßes.

Daher genugt es die Stetigkeit von τ 7→ Lτf fur alle f in τ = 0 zu zeigen. Zuf ∈ Lp(T) existiert fur alle ε > 0 eine stetige Funktion g ∈ C(T) mit ‖f − g‖p < ε.Da g gleichmaßig stetig (als stetige Funktion auf einem Kompaktum), gibt es eineNull-Umgebung U in T mit

|g(t + τ)− g(t)| < ε ∀t ∈ T ∀τ ∈ U.

Damit gilt ‖Lτg−g‖p < ε fur alle τ ∈ U und weiter ‖Lτf −f‖p < 3ε fur alle τ ∈ U .

(ii) L∞(T) ist kein homogener Banach-Raum, denn (iv) ist nicht erfullt.

Betrachte dazu fur t0 ∈ T die Stufenfunktion

f(t) =

{0 fur t ∈ [0, t0],1 fur t ∈]t0, 2π].

Dann ist ‖Lτf − Lτ0f‖∞ = 1 fur τ 6= τ0.

(iii) C(T ) ist mit ‖ · ‖∞ ein homogener Banach-Raum.

(iv) Cn(T) = {f : T→ C : f ist n-mal stetig differenzierbar}, n ∈ N ist mit

‖f‖Cn(T) =n∑

k=0

‖f (k)‖∞k!

ein homogener Banach-Raum.

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28 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

(v) A(T) = {f ∈ C(T) : f ∈ l1(Z)} ist mit ‖f‖A(T) :=∑

k∈Z |f(k)| = ‖f‖l1(Z) einhomogener Banach-Raum.

Im folgenden steht die Indexmenge I fur N, [a, b[ resp. [a, b], und der Haufungspunkt j0

fur ∞, b, resp. a, wobei 0 ≤ a < b <∞.

Definition 3.4.15 Sei B ein homogener Banach-Raum auf T. Eine Familie {kj}j∈I vonstetigen Funktionen auf T heißt approximative Eins fur B, falls

limj→j0‖f − kj ∗ f‖B = 0 ∀f ∈ B.

Bemerkung 3.4.16 Wenn die kj trigonometrische Polynome sind, dann sind die kj ∗ febenfalls trigonometrische Polynome, d.h. f wir durch trigonometrische Polynome appro-ximiert.

Definition 3.4.17 Ein Summationskern auf T ist eine Familie {kj}j∈I stetiger Funktio-nen mit den folgenden drei Eigenschaften:

(S1)1

∫ π

−π

kj(t) dt = 1 fur alle j ∈ I.

(S2)1

∫ π

−π

|kj(t)| dt ≤M fur alle j ∈ I, wobei M > 0 eine von j unabhangige Konstante

ist.

(S3) limj→j0

∫ 2π−δ

δ

|kj(t)| dt = 0 fur alle 0 < δ < π.

Ein positiver Summationskern erfullt kj(t) ≥ 0 fur alle t ∈ T und alle j ∈ I.

Lemma 3.4.18 Sei B ein Banach-Raum, ϕ : T → B eine stetige B-wertige Funktionauf T, und {kj}j ein Summationskern. Dann gilt

limj→j0

1

∫ 2π

0

kj(t)ϕ(t) dt = ϕ(0).

Beweis Nach (S1) gilt fur 0 < δ < π

1

∫ 2π

0

kj(t)ϕ(t) dt− ϕ(0) =1

∫ 2π

0

kj(t)(ϕ(t)− ϕ(0)) dt

=1

∫ δ

−δ

kj(t)(ϕ(t)− ϕ(0)) dt +1

∫ 2π−δ

δ

kj(t)(ϕ(t)− ϕ(0)) dt.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 29

Fur den ersten Term gilt ∥∥∥∥ 1

∫ δ

−δ

kj(t)(ϕ(t)− ϕ(0)) dt

∥∥∥∥B

≤ 1

∫ δ

−δ

|kj(t)| · ‖ϕ(t)− ϕ(0)‖ dt

≤ max|t|≤δ‖ϕ(t)− ϕ(0)‖B‖kj‖L1

≤(S2) M ·max|t|≤δ‖ϕ(t)− ϕ(0)‖B (3.5)

Fur den zweiten Term konnen wir abschatzen:

∥∥∥∥ 1

∫ 2π−δ

δ

kj(t)(ϕ(t)− ϕ(0)) dt

∥∥∥∥≤ max

t∈[δ,2π−δ]‖ϕ(t)− ϕ(0)‖B ·

1

∫ 2π−δ

δ

|kj(t)| dt, (3.6)

wobei das letzte Integral nach (S3) fur j → j0 verschwindet.

Fur alle ε > 0 gibt es ein δ > 0, so dass die rechte Seite von (3.5) kleiner als ε2

wird. Mit(S3) wird auch die rechte Seite von (3.6) kleiner ε

2, falls j nahe genug an j0. 2

Satz 3.4.19 Sei f ∈ L1(T) und {kj}j ein Summationskern auf T. Dann gilt in L1(T)

f = limj→j0

1

∫ 2π

0

kj(t)f(• − t) dt.

Beweis Wende Lemma 3.4.18 auf ϕ(t) = f(• − t) an. 2

Das Integral in Satz 3.4.19 erscheint wie ein Faltung, obwohl es sich hier um ein vektor-wertiges Integral handelt. Der Zusammenhang ist folgender:

Lemma 3.4.20 Sei f ∈ L1(T) und k eine stetige Funktion auf T. Dann gilt

1

∫ 2π

0

k(t)f(• − t) dt = k ∗ f. (3.7)

Beweis Sei zunachst f stetig auf T. Dann gilt in der L1-Norm

1

∫ 2π

0

k(t)f(• − t) dt =1

2πlim

N→∞

N∑j=0

(τj+1 − τj)k(τj)f(• − τj)

fur immer feiner werdende Partitionen {τj}j von [0, 2π[.

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30 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Andererseits

1

2πlim

N→∞

N∑j=0

(τj+1 − τj)k(τj)f(t− τj) = (k ∗ f)(t)

gleichmaßig in t ∈ T. Damit gilt das Lemma fur stetige f .

Fur beliebiges f ∈ L1(T) sei ε > 0 beliebig und g eine stetige Funktion auf T, so dass‖f − g‖L1 < ε.

Da (3.7) fur das stetige g gilt, ist

1

∫ 2π

0

k(t)f(• − t) dt− k ∗ f =1

∫ 2π

0

k(t)(f − g)(• − t) dt + k ∗ (g − f).

Damit ∥∥∥∥ 1

∫ 2π

0

k(t)f(• − t) dt− k ∗ f

∥∥∥∥L1

≤ 2‖k‖L∞ · ε.

2

Fur beliebige homogene Banach-Raume gilt:

Satz 3.4.21 (Approximationssatz) Sei B ein homogener Banach-Raum auf T, f ∈ Bund {kj}j ein Sumamtionskern. Dann

‖kj ∗ f − f‖B → 0 fur j → j0.

(D.h. Ein Summationskern ist eine approximative Eins fur alle homogenen Banach-Raume.)

Beweis Da ‖ · ‖B ≥ ‖ · ‖L1 ist das B-wertige Integral

1

∫ 2π

0

kj(t)f(• − t) dt

identisch zu jenem in L1(T). Dieses ist nach Lemma 3.4.20 identisch zu kj ∗f . Mit Lemma3.4.18 folgt nun die Behauptung. 2

Beispiele 3.4.22 (i) Gegenbeispiel: Dirichlet-Kern

Dn(t) =n∑

k=−n

eint =sin(2n + 1) t

2

sin t2

(3.8)

Die zugehorige Partial-Reihe ist Sn(f) =∑n

k=−n f(n)eint.

In Kurze: {Dn}n∈N ist keine approximative Eins fur L1(T) und C(T), also auch keinSummationskern.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 31

(ii) Fejeer-Kern

Fn(t) =1

n + 1

n∑k=0

Dk(t) =n∑

k=−n

(1− |k|

n + 1

)eikt

=1

n + 1

(sin n+1

2t

sin t2

)2

, n ∈ N, (3.9)

ist ein Summationskern. Denn:

Fn(t) ≥ 0 fur alle t ∈ [0, 2π].

1

∫ 2π

0

Fn(t) dt =1

n∑k=−n

(1− |k|n + 1

)

∫ 2π

0

eikt dt

=1

n∑k=−n

(1− |k|n + 1

)2πδ0,k = 1.

Damit sind Eigenschaften (S1) und (S2) erfullt.

∫ 2π−δ

δ

|Fn(t)| dt ≤(3.9)1

n + 1

∫ 2π−δ

δ

1

(sin t2)2

dt→ 0 fur n→∞.

Also ist auch Eigenschaft (S3) erfullt.

Die zum Fejer-Kern gehorende Partial-Reihe wird mit σn(f) bezeichnet:

σn(f) =n∑

k=−n

(1− |k|

n + 1

)f(k)eik·.

(iii) De la Vallee-Poussin-Kern

Vn(t) = 2F2n+1(t)− Fn(t), n ∈ N, (3.10)

ist ein Summationskern.

(iv) Poisson-Kern

Pr(t) =∞∑

k=−∞

r|k|eikt = 1 + 2∞∑

k=1

rk cos(kt)

= Re

(∞∑

k=0

rkeikt

)+ Re

(∞∑

k=1

rkeikt

)

= Re

(1 + reit

1− reit

)=

1− r2

1− 2r cos(t) + r2, r ∈ [ 0, 1 [ , (3.11)

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32 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

(nutze geometrische Reihe) ist ein Summationskern.

Denn: Pr(t) ≥ 0 nach der letzten Gleichung.

1

∫ 2π

0

Pr(t) dt =1

∫ 2π

0

∞∑k=−∞

r|k|eikt dt

= (glm. Kvgz.)1

∞∑k=−∞

r|k|∫ 2π

0

eikt dt = 1.

Pr(t) ist in [0, π] fallend und in [π, 2π[ steigend. Daher

supδ<t<2π−δ

{Pr(t)} = Pr(δ)

fur δ ∈]0, π[. Daher

limr→1−

∫ 2π−δ

δ

Pr(t) dt ≤ limr→1−

∫ 2π−δ

δ

Pr(δ) dt

= limr→1−

∫ 2π−δ

δ

1− r2

1− 2r cos δ + r2dt

= limr→1−

(1− r2)(2π − 2δ)1

1− 2r cos(δ) + r2= 0,

denn der zweite und der dritte Term sind positiv und beschrankt fur 0 < δ < π.

Insgesamt folgt, dass {Pr}r ein Summationskern ist.

Es gilt Pr ∗ f(t) =∑∞

n=−∞ f(n)r|n|eint, da die Reihe im Poisson-Kern gleichmaßigkonvergiert.

Pr ∗ f ist das Abel-Mittel von Sf .

Im Vergleich zum Fejer-Kern hat der Poisson-Kern den Nachteil, dass er kein Poly-nom ist. Da er der Realteil des Chauchy-Kerns 1+reit

1−reit ist, liefert er die Verbindungzur Theorie analytischer Funktionen.

Da der Fejer-Kern ein Summationskern ist konnen wir formulieren:

Satz 3.4.23 Sei B ein homogener Banach-Raum. Dann gilt fur alle f ∈ B

limn→∞

∥∥∥∥∥f −n∑

k=−n

(1− |k|

n + 1

)f(k)eik•

∥∥∥∥∥B

= 0.

Dieser Satz besagt insbesondere, dass die trigonometrischen Polynome in jedem homoge-nen Banach-Raum dicht liegen. Fur C(T) entspricht dies dem Satz von Weierstraß.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 33

Satz 3.4.24 (Eindeutigkeitssatz) Sei f ∈ L1(T) mit f(n) = 0 fur alle n ∈ Z. Dannist f ≡ 0 in L1(T).

Beweis Da f durch die Polynome∑n

k=−n(1− |k|n+1

)f(k)eik• approximiert wird, und nach

Voraussetzung f(k) = 0 fur alle k, folgt f ≡ 0. 2

Satz 3.4.25 (Riemann-Lebesgue-Lemma) Sei f ∈ L1(T).

Dann lim|n|→∞ f(n) = 0.

Beweis Sei ε > 0. Dann gibt es ein trigonometrisches Polynom P auf [−π, π ] mit‖f − P‖1 < ε. Fur n ∈ Z mit |n| > gradP gilt

|f(n)| = ‖(f − P ) (n)| ≤ ‖f − P‖1 < ε.

2

Die folgenden Bilder illustrieren die Eigenschaften der verschiedenen Kerne. Links sindstets die Fourier-Koeffizienten angetragen, rechts die Approximation der Haarfunktionf(t) = χ[−π

2, π2

].

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-40 -20 20 40n

0.2

0.4

0.6

0.8

1

-3 -2 -1 1 2 3t

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Abbildung 3.1: Fourierkoeffizienten und Approximation fur den Dirichlet-Kern mit n = 25. An den Unstetigkeitsstellen sieht man deutliches Uber-schwingen der Approximation (Gibbs-Effekt)

-40 -20 20 40n

0.2

0.4

0.6

0.8

1

-3 -2 -1 1 2 3t

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Abbildung 3.2: Fourierkoeffizienten und Approximation fur den Fejer-Kernmit n = 25.

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-40 -20 20 40n

0.2

0.4

0.6

0.8

1

-3 -2 -1 1 2 3t

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Abbildung 3.3: Fourierkoeffizienten und Approximation fur den De laVallee–Poussin-Kern mit n = 12.

-40 -20 20 40n

0.2

0.4

0.6

0.8

1

-3 -2 -1 1 2 3t

0.2

0.4

0.6

0.8

1

Abbildung 3.4: Fourierkoeffizienten und Approximation fur den Poisson-Kern mit r = 0, 99 und nur n = 25 Gliedern.

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36 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

3.4.4 Norm-Konvergenz von Fourier-Reihen

Zwei klassische Schreibweisen:

Fourier-Polynome:

Sn(f)(t) :=n∑

k=−n

f(k)eikt = Dn ∗ f(t), t ∈ T.

Fejer-Polynome:

σn(f)(t) :=n∑

k=−n

(1− |k|n + 1

)f(k)eikt = Fn ∗ f(t) =1

n + 1

n∑k=0

Sk(f)(t), t ∈ T.

Satz 3.4.26 Sei B Banach-Raum mit Norm ‖ · ‖.Sei (Tn)n∈N eine Folge stetiger linearer Operatoren von B in B (d.h. Tn ∈ B(B)).

Fur eine dichte Teilmenge M ⊂ B gelte

limn→∞

‖Tn(f)− f‖ = 0 ∀f ∈M.

Dann sind aquivalent:

(i) limn→∞

‖Tn(f)− f‖ = 0 ∀f ∈ B

(ii) Es gibt C ≥ 0 mit ‖Tn(f)‖ ≤ C‖f‖ fur alle f ∈ B und alle n ∈ N.

Beweis (i)⇒ (ii): Nach (i) gibt es eine Konstante Cf ≥ 0 mit

‖Tn(f)‖ ≤ Cf ∀n ∈ N.

Mit dem Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit (Satz von Banach-Steinhaus) gibt eseine Konstante C ≥ 0 mit

‖Tn(f)‖ ≤ C‖f‖ ∀f ∈ B ∀n ∈ N,

d.h. ‖Tn‖op ≤ C.

Die Operator-Normen der Tn sind gleichmaßig beschrankt.

(ii) ⇒ (i): Da M in B dicht liegt gibt es zu ε > 0, f ∈ B, ein g ∈ M mit ‖f − g‖ < ε.Dann gilt

‖Tn(f)− f‖ ≤ ‖Tn(f)− Tn(g)‖+ ‖Tn(g)− g‖+ ‖g − f‖ ≤ C‖f − g‖+ ε + ε ≤ (C + 2)ε,

wenn n genugend groß, so dass ‖Tn(g)− g‖ < ε (da g ∈M). 2

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 37

Um nun in einem homogenen Banach-Raum die Konvergenz

Sn(f)→ f ∀f ∈ B

zu zeigen, genugt es nach Satz 3.4.26 zu zeigen

‖Sn‖op:B→B = sup‖f‖B≤1

‖Dn ∗ f‖B ≤ C.

Die Norm ‖Sn‖op:B→B ist die Operatornorm von Sn.

Da Sn(f) = Dn ∗ f , gilt

‖Sn‖op:B→B = sup‖f‖≤1

‖Dn ∗ f‖B ≤ ‖Dn‖1.

Die Zahlen

Ln = ‖Dn‖1

heißen Lebesgue-Konstanten.

Lemma 3.4.27 Die Lebesgue-Konstanten Ln = 12π

∫ 2π

0|Dn(t)| dt erfullen die Unglei-

chung

Ln >4

π2ln n ∀n ∈ N.

Beweis Es gilt

Ln =1

∫ 2π

0

∣∣∣∣sin(2n + 1) t2

sin t2

∣∣∣∣ dt =2

π

∫ π2

0

∣∣∣∣sin(2n + 1)s

sin s

∣∣∣∣ ds

≥ 2

π

∫ π2

0

∣∣∣∣sin(2n + 1)s

s

∣∣∣∣ ds.

Nun Substitution r = 2n+1π

s:

Ln ≥2

π

∫ 2n+12

0

∣∣∣∣sin πr

r

∣∣∣∣ dr >2

π

∫ n

0

∣∣∣∣sin πr

r

∣∣∣∣ dr

=2

π

n−1∑k=0

∫ k+1

k

∣∣∣∣sin πr

r

∣∣∣∣ dr =2

π

n−1∑k=0

∫ 1

0

sin πr

r + kdr

≥ 2

π

n−1∑k=0

1

k

∫ 1

0

sin πr dr ≥ 2

πln n · 2

π,

da∑n−1

k=01k≥ ln n. 2

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38 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Proposition 3.4.28 Es gilt:

‖Sn‖op:L1(T)→L1(T) = sup‖f‖1≤1

‖Dn ∗ f‖1 = Ln.

D.h. die Folge der Operatornormen ist unbeschrankt und Dn ist keine approximativeEins fur L1(T).

Beweis Wir approximieren mit dem Fejer-Kern FN .

Wir wissen: ‖FN‖1 = 1.

Damit gilt fur n, N ∈ N:

‖Sn(FN)‖ = ‖FN ∗Dn‖1 ≤ ‖Sn‖op:L1(T)→L1(T).

Da FN ein Summationskern ist gilt

Sn(FN) = FN ∗Dn → Dn fur N →∞ in L1(T),

und daher‖Dn‖1 ≤ ‖Sn‖op:L1(T)→L1(T).

Die umgekehrte Ungleichung gilt immer:

‖Sn‖op:L1(T)→L1(T) = sup‖f‖1≤1

‖Dn ∗ f‖1 ≤ ‖Dn‖1.

Insgesamt:‖Sn‖op:L1(T)→L1(T) = ‖Dn‖1 = Ln.

2

Satz 3.4.29 In L1(T) gilt die Normkonvergenz der Fourier-Reihen nicht!

D.h. es gibt f ∈ L1(T), so dass Sn(f) = Dn ∗ f nicht in L1(T) konvergiert.

Beweis Da die trigonometrischen Polynome dicht in L1(T) liegen, gibt es nach Satz3.4.26 eine Funktion f ∈ L1(T), deren Fourier-Reihe nicht gegen f konvergiert.

Wurde Sn(f) gegen ein anderes g ∈ L1(T) konvergieren, so wurden die Fejer-Polynomeσn(f) = 1

n+1

∑nk=0 Sn(f) gegen g konvergieren.

Da der Fejer-Kern ein Summations-Kern ist konvergiert σn(f) → f und nach dem Ein-deutigkeitssatz f = g. Widerspruch. 2

Bemerkung 3.4.30

‖Sn‖op:Lp(T)→Lp(T) <∞ fur 1 < p <∞.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 39

Proposition 3.4.31 Es gilt

‖Sn‖op:C(T)→C(T) = Ln ∀n ∈ N.

Beweis Sei ε > 0. Betrachte kleine Umgebungen der Nullstellen von Dn, so dass dieVereinigung V dieser Umgebungen Lebesgue-Maß kleiner ε

2n+1hat.

Wahle nun eine stetige Funktion ϕn ∈ C(T) mit ‖ϕn‖∞ < 1 und

ϕn(t) = signDn(t) fur z ∈ T \ V.

Dann gilt

‖Sn‖op:C(T)→C(T) ≥ ‖Dn ∗ ϕn‖∞ ≥ |Dn ∗ ϕn(0)|

=1

∣∣∣∣∫ 2π

0

Dn(t)ϕn(t) dt

∣∣∣∣≥ 1

∫ 2π

0

|Dn(t)| dt− 1

∫V

|Dn(t)| dt,

≥ 1

∫ 2π

0

|Dn(t)| dt− ε,

da supt∈T |Dn(t)| = |Dn(0)| = 2n + 1.

Da ε > 0 beliebig, folgt die Behauptung

‖Sn‖op:C(T)→C(T) ≥ Ln.

2

Daraus folgt wie eben:

Satz 3.4.32 Es existiert eine stetige Funktion f ∈ C(T), so dass Sn(f) nicht gleichmaßigkonvergiert.

Es gilt sogar:

Satz 3.4.33 Sei t0 ∈ T.

Dann gibt es ein f ∈ C(T), so dass Sn(f)(t0) nicht konvergiert.

Beweis Annahme: Snf(t0) konvergiert fur alle f ∈ C(T). Dann gilt

supn∈N|Sn(f)(t0)| ≤ Cf <∞

fur alle f ∈ C(T).

Betrachte fur n ∈ N das lineare Funktional

γn : C(T)→ C, γn(f) = Sn(f)(t0).

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40 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Nach dem Prinzip der gleichmaßigen Beschranktheit gibt es ein C ≥ 0, so dass

|Sn(f)(t0)| ≤ C‖f‖∞

fur alle n ∈ N und f ∈ C(T). Da

Sn(f)(t) = Sn(Lt0−tf(t0))

fur alle t ∈ T, folgern wir‖Sn(f)‖∞ ≤ C‖f‖∞

im Gegensatz zu Satz 3.4.26, Lemma 3.4.27 und Proposition 3.4.28. 2

Bemerkung 3.4.34 Das trigonometrische System {eint}n∈N ist weder Schauder-Basis furL1(T), noch fur C(T).

3.5 Kriterien zur Norm-Konvergenz von Fourier-Reihen

3.5.1 Konjugation und Projektion

Wir charakterisieren nun Norm-Konvergenz der Fourier-Reihen in homogenen Banach-Raumen B. Dazu fuhren wir zwei Operationen ein: Konjugation und Projektion.

Definition 3.5.1 Sei f ∈ L1(T).

Die Funktion f heißt Konjugierte zu f , falls gilt

f(n) = −isign(n)f(n).

Eine Funktion Pf ∈ L1(T) heißt Projektion, falls

P f(n) =

{0 fur n < 0,

f(n) fur n ≥ 0.

Definition 3.5.2 Sei B ein homogener Banach-Raum auf T.

(i) B lasst Konjugation zu, falls fur alle f ∈ B ein g ∈ B existiert, so dass g dieKonjugierte zu f ist,

und wenn ein von f unabhangiges M > 0 existiert mit

‖g‖B ≤M‖f‖B.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 41

(ii) B laßt Projektion zu, falls zu jedem f ∈ B ein h ∈ B existiert, das die Projektionvon f ist,

und wenn ein von f unabhangiges M > 0 existiert mit

‖h‖B ≤M‖f‖B.

Existieren solche Raume?

Beispiel 3.5.3 B = L2(T) ist ein homogener Banach-Raum, der Projektion und Konju-gation zulasst.

Wir wissen bereits: : L2(T)→ l2(Z), f 7→ {f(n)}n∈Z

ist ein isometrischer Hilbert-Raum-Isomorphismus.

L2(T) lasst Konjugation zu:

‖f‖22 =∑n∈Z

| − i sign(n)f(n)|2 = ‖f‖22 − |f(0)|2 ≤ ‖f‖22,

und wegen∞∑

n=0

|f(n)|2 ≤ ‖f‖22

auch Projektion.

Die Konstante lautet M = 1 in beiden Fallen.

Lemma 3.5.4 Sei B ein homogener Banach-Raum auf T. Dann sind aquivalent:

(i) B lasst Konjugation zu.

(ii) B lasst Projektion zu.

Beweis (i) ⇒ (ii): Sei f ∈ B und

h :=1

2f(0) +

1

2(f + if).

Es gilt nach Voraussetzung f ∈ B, also ist h ∈ B. Weiter gilt ‖h‖B ≤ M‖f‖B fur einevon f unabhangige Konstante M > 0. Und es gilt

h(n) =

{f(n) fur n ≥ 0,

0 sonst.

(ii) ⇒ (i): Setze

g :=2

i(Pf − f(0)

2− f

2).

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42 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Es gilt g ∈ B, da nach Voraussetzung Pf ∈ B. Weiter ist

g(n) = −isign(n)f(n), n ∈ Z,

und es gibt ein von f unabhangiges M > 0 mit ‖g‖ ≤M‖f‖. 2

Satz 3.5.5 Sei B ein homogener Banach-Raum auf T, f ∈ B, und fn(t) = e−intf(t),n ∈ Z. Weiter gelte fn ∈ B und ‖fn‖B = ‖f‖B fur alle n ∈ N. Dann sind aquivalent:

(i) limn→∞ ‖Sn(f)− f‖B = 0 fur alle f ∈ B.

(ii) B lasst Projektion zu.

(iii) B lasst Konjugation zu.

Beweis (i) ⇒ (ii): Es gilt

eintSn(fn)(t) = eint

n∑k=−n

fn(k)eikt = eint

n∑k=−n

(e−in•f ) (k)eikt

= eint

n∑k=−n

f(k + n)eikt =2n∑

k=0

f(k)eikt =: P2nf(t).

Nach Voraussetzung (i) und dem Satz 3.4.26 (Banach-Steinhaus-Folgerung) gilt

‖P2nf‖B = ‖Sn(fn)‖B ≤M‖fn‖B = M‖f‖B. (3.12)

Sei ε > 0 und Q ein trigonometrisches Polynom mit Grad(Q) ≤ N und ‖f −Q‖ < ε.

Dann folgt:

‖P2nf − P2nQ‖B = ‖P2n(f −Q)‖B ≤M‖f −Q‖B < Mε.

Sei nun n,m > N2, dann gilt P2nQ = P2mQ und daher:

‖P2nf − P2mf‖B ≤ ‖P2nf − P2nQ‖+ ‖P2mQ− P2mf‖ ≤ 2Mε

(mit M unabhangig von f , Q.)

Die (P2nf)n bilden also eine Cauchy-Folge in B.

Da B vollstandig ist, gilt:

Es gibt ein h ∈ B mit h = limn→∞ P2nf und ‖h‖B ≤ M‖f‖B, wegen (3.12). Außerdemgilt

h(k) = limn→∞

P2nf(k) =

{f(k) fur k ≥ 0,

0 fur k < 0.

Also ist h = Pf .

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 43

(ii) ⇒ (i): Es gilt

Sn(f)(t) = e−int(Pf−n)(t)− e−i(n+1)t(Pfn+1)(t).

Daraus folgt:

‖Sn(f)‖B ≤ ‖Pf−n‖B + ‖Pfn+1‖B ≤ 2M‖f‖B(mit M unabhangig von f).

Mit dem Satz 3.4.26 (Folgerung aus dem Satz von Banach-Steinhaus) folgt die Behaup-tung.

(ii) ⇐⇒ (iii): Lemma 3.5.4. 2

Korollar 3.5.6 L1(T) und C(T) lassen weder Projektion noch Konjugation zu.

Beispiele 3.5.7 (i) Konjugierter Dirichlet-Kern:

Dn(t) :=n∑

k=−n

(−i)sign(k)eikt = 2 sinnt

2·sin(n + 1) t

2

sin t2

=cos t

2

sin t2

−cos(2n + 1) t

2

sin t2

. (3.13)

(ii) Konjugierter Fejer-Kern:

Fn(t) =1

n + 1

n∑k=0

Dk(t) =cos t

2

sin t2

− 1

n + 1

sin(n + 1)t

2(sin t2)2

. (3.14)

3.5.2 Die Hilbert-Transformation

Wir definieren:

Sn(f)(t) := Dn ∗ f(t) =n∑

k=−n

(−i) sign(k)f(k)eikt.

σn(f)(t) := Fn ∗ f(t) =n∑

k=−n

(−i) sign(k)

(1− |k|

n + 1

)f(k)eikt.

Ziel: Um zu zeigen, dass ein homogener Banach-Raum Konjugation (und damit Norm-

Konvergenz von Snf → f) zulaßt, mussen wir die Beschranktheit des Operators Sn zeigen.

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44 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Es ist

Sn(f)(t) = Dn ∗ f(t) =1

∫ π

−π

f(t− s)Dn(s) ds

=1

∫ π

0

f(t− s)Dn(s) ds +1

∫ 0

−π

f(t− s)Dn(s) ds

=1

∫ π

0

f(t− s)Dn(s) ds +1

∫ π

0

f(t + s)Dn(−s) ds

=1

∫ π

0

f(t− s)Dn(s) ds− 1

∫ π

0

f(t + s)Dn(s) ds

=1

∫ π

0

(f(t− s)− f(t + s))Dn(s) ds

= − 1

π

∫ π

0

f(t + s)− f(t− s)

2Dn(s) ds,

denn Dn(−s) = −Dn(s).

Analog gilt

σn(f)(t) = Fn ∗ f(t) = − 1

π

∫ π

0

f(t + s)− f(t− s)

2Fn(s) ds

Einfaches Einsetzen der Formeln (3.13) und (3.14) ist nicht korrekt, weil die Funktion

s 7→ f(t + s)− f(t− s)

2 tan s2

uber [ 0, π ] i.A. nicht Lebesgue-integrierbar ist.

Definition 3.5.8 (i) Fur f ∈ L1(T) und ε > 0 heißt

Hε(f)(t) := − 1

π

∫ π

ε

f(t + s)− f(t− s)

2 tan s2

ds.

gestutzte Hilbert-Transformierte von f .

(ii) Sei f ∈ L1(T). Fur jene t ∈ T, fur die der Grenzwert

limε→0+

Hε(f)(t)

exisitiert, schreiben wir fur den Grenzwert H(f)(t).

H(f) heißt Hilbert-Transformierte von f .

Bemerkung 3.5.9 H(f)(t) ist im Allgemeinen nicht definiert. Aber es gilt der

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 45

Satz 3.5.10 (Satz von Lusin-Privalov)

Sei f ∈ L1(T). Dann existiert

H(f)(t) = limε→0+

Hε(f)(t).

fur fast alle t ∈ T.

H(f) ist dann allerdings im Allgemeinen nicht mehr integrierbar.

Beispiel 3.5.11 (Die Hilbert-Transformierte fur trigonometrische Polynome)

Sei P (t) =∑N

m=−N ameimt. Fur n ≥ N gilt:

P (t) =n∑

m=−n

(−i)sign(m)ameimt = Sn(P ),

d.h. limn→∞ Sn(P )(t) = P (t).

Andererseits gilt:

P (s + t)− P (s− t) = −2i∑

1≤|m|≤N

ameims sin(mt)

Damit sind die Funktionen

t 7→ P (s + t)− P (s− t)

sin t2

und

t 7→ P (s + t)− P (s− t)

tan t2

auf [ 0, π ] Lebesgue-integrierbar.

Fur die Integration gegen den zweiten Term im konjugierten Dirichlet-Kern (3.13) gilt

limn→∞

∫ π

0

P (s + t)− P (s− t)

sin t2

cos

((2n + 1)

t

2

)dt = 0.

nach dem Riemann-Lebesgue-Lemma.

Damit gilt fur t ∈ T:

P (t) = limn→∞

Sn(P )(t) =

= − 1

πlim

n→∞

∫ π

0

P (s + t)− P (s− t)

2Dn(t) dt

= − 1

π

∫ π

0

P (s + t)− P (s− t)

2 tan t2

dt

= limε→0+

Hε(P )(t) = H(P )(t).

Also gilt fur trigonometrische Polynome P die Gleichung P = H(P ) punktweise.

Ziel: Erweiterung auf beliebige f ∈ L1(T) mit Hilfe von σn(f).

Wir benotigen dazu die Lebesgue-Eigenschaft:

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46 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

3.5.3 Die Lebesgue-Eigenschaft und punktweise Konvergenz

Wir wissen aus dem vorherigen Abschnitt, dass fur f ∈ C(T) die Folge der Fejer-Polynomeσn(f)→ f gleichmaßig, also punktweise konvergiert.

Fur f ∈ L1(T) konvergieren die Fejer-Polynome σn(f) → f in der ‖ · ‖1-Norm. Ergebnisaus der Maßtheorie: Also gibt es eine Teilfolge (σnk

(f))k mit σnk(f)→ f punktweise fast

uberall.

Definition 3.5.12 Sei f ∈ L1(T). Die Funktion f erfullt in t0 ∈ T die Lebesgue-Eigenschaft, falls ein Lf,t0 ∈ C existiert mit

limh→0+

1

h

∫ h

0

∣∣∣∣f(t0 + s) + f(t0 − s)

2− Lf,t0

∣∣∣∣ ds = 0.

Bemerkung 3.5.13 (i) Wenn ein solches Lf,t0 existiert, dann ist es eindeutig be-stimmt.

(ii) Wenn der Grenzwert

limh→0+

f(t0 + h) + f(t0 − h)

2=: c

existiert, so ist c = Lf,t0 .

Insbesondere bei stetigem f : Lf,t0 = f(t0).

Satz 3.5.14 Sei f ∈ L1(T), t0 ∈ T.

f erfulle die Lebesgue-Eigenschaft in t0 mit Lf,t0. Dann gilt:

limn→∞

σn(f)(t0) = Lf,t0 .

Beweis Fur δ ∈ ] 0, π [ gilt:

σn(f)(t0)− Lf,t0 =1

∫ 2π

0

Fn(t)(f(t0 − t)− Lf,t0) dt

=1

π

∫ δ

0

Fn(t)

(f(t0 + t) + f(t0 − t)

2− Lf,t0

)dt

+1

π

∫ π

δ

Fn(t)

(f(t0 + t) + f(t0 − t)

2− Lf,t0

)dt

=: I1 + I2.

Da sin t2

> tπ

fur 0 < t < π, folgt

Fn(t) ≤ π2

(n + 1)t2fur 0 < t < π.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 47

Weiter gilt, Fn(t) ≤ n + 1 fur alle t ∈ T.

Mit diesen beiden Abschatzungen konnen wir die beiden Terme oben abschatzen.

Wir setzen:

Φ(t) =f(t0 + t) + f(t0 − t)

2− Lf,t0 .

Fur den zweiten Term in der Summe gilt∣∣∣∣∫ π

δ

Fn(t)Φ(t) dt

∣∣∣∣ ≤ ( supδ≤t≤π

Fn(t)

)∫ π

δ

|Φ(t)| dt ≤ π2M

(n + 1)δ2,

wobei M eine von δ und n unabhangige Konstante M .

Daher setzen wir δn = n−14 . Dann konvergiert der Term gegen 0 fur n→∞.

Fur das erste Integral oben gilt∣∣∣∣ 1π∫ δn

0

Fn(t)Φ(t) dt

∣∣∣∣ ≤ n + 1

π

∫ 1n

0

|Φ(t)| dt +π

n + 1

∫ δn

1n

1

t2|Φ(t)| dt.

Aufgrund der Lebesgue-Eigenschaft verschwindet der erste Term fur n→∞.

Fur den zweiten Term liefert partielle Integration

π

n + 1

∫ δn

1n

1

t2|Φ(t)| dt =

π

n + 1

ϕ(t)

t2

∣∣∣δn

1n

+2π

n + 1

∫ δn

1n

ϕ(t)

t3dt,

wobei

ϕ(t) =

∫ t

0

|Φ(s)| ds

eine Stammfunktion. Wegen der Lebesgue-Eigenschaft wahlen wir fur ε > 0 ein n ∈ N, sodass

ϕ(t) < εt fur 0 < t < δn.

Dann gilt

π

n + 1

∫ δn

1n

1

t2|Φ(t)| dt ≤ πε

(n + 1)δn

+ε2π

n + 1

∫ δn

1n

dt

t2

=2πεn

n + 1− πε

(n + 1)δn

< 2πε.

Zusammen folgt die Konvergenz von σn(f)(t0)→ Lf,t0 fur n→∞. 2

Bemerkung 3.5.15 Wenn f ∈ L1(T) in t0 stetig ist, dann liefert Satz (3.5.14) die Kon-vergenz σn(f)(t0)→ f(t0) fur n→∞.

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48 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 3.5.16 (Satz von Lebesgue)

Sei f ∈ L1(T). Dann gilt fur fast alle t ∈ T:

limh→0+

1

h

∫ h

0

∣∣∣∣f(t + s) + f(t− s)

2− f(t)

∣∣∣∣ ds = 0.

Trickreicher Beweis:

Beweis Sei ohne Einschrankung f reell-wertig; sonst betrachte Real- und Imaginarteil.

Sei a ∈ Q. Wir zeigen:

limh→0+

1

h

∫ h

0

∣∣∣∣f(t + s) + f(t− s)

2− a

∣∣∣∣ ds = |f(t)− a| (3.15)

fur fast alle t ∈ T.

Wir nutzen zuerst einen aus der Analysis bekannten weiteren Satz von Lebesgue, denMittelwertsatz der Integralrechnung:

Sei f ∈ L1(R), F (x) =∫ x

−∞ f(t) dt ⇒ F ′(x) = f(x) fast uberall.

Hiermit gilt:

limh→0+

1

h

[∫ t±h

0

f(s)− a ds−∫ t

0

f(s)− a ds

]= f(t)− a

fur fast alle t ∈ [ 0, 2π [ .

Substitution ergibt:

limh→0+

1

h

∫ h

0

f(t + s)− a ds = f(t)− a

und

limh→0+

1

h

∫ h

0

f(t− s)− a ds = f(t)− a

fur fast alle t ∈ T.

Zusammen folgt:

limh→0+

1

h

∫ h

0

f(t + s) + f(t− s)

2− a ds = f(t)− a

fur fast alle t ∈ T.

Analog zeigt man fur die Zahl 0 statt a und |f(t)− a| statt f(t).

limh→0+

1

h

∫ h

0

|f(t + s)− a|2

+|f(t− s)− a|

2dt = |f(t)− a|

fur fast alle t ∈ T.

Damit folgt (3.15) mit der Dreiecksungleichung.

Bis hierher war a ∈ Q noch beliebig.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 49

Bezeichne Ea die Menge der t ∈ T, fur die (3.15) nicht gilt. Ea ist eine Lebesgue-Nullmenge. Dann ist auch E =

⋃a∈Q Ea eine Lebesgue-Nullmenge.

Sei nun t /∈ E, ε > 0. Da Q dicht in R, existiert ein a ∈ Q mit |f(t)− a| < ε2. Dann gilt:

1

h

∫ h

0

∣∣∣∣f(t + s) + f(t− s)

2− f(t)

∣∣∣∣ ds

≤ 1

h

∫ h

0

∣∣∣∣f(t + s) + f(t− s)

2− a

∣∣∣∣ ds +1

h

∫ h

0

|a− f(t)| ds.

Der erste Term ist nach (3.15) kleiner als ε2

fur h genugend klein. Wir hatten a so gewahlt,dass der zweite Term auch kleiner als ε

2wird. 2

Bemerkung 3.5.17 Dieser Beweis zeigt, dass die asymmetrischen Beziehungen

limh→0+

1

h

∫ h

0

|f(t + s)− f(t)| ds = 0 = limh→0+

1

h

∫ h

0

|f(t− s)− f(t)| ds

auch fur fast alle t ∈ T gelten.

Wenn wir Satz 3.5.14 und Satz 3.5.16 verbinden gilt:

Korollar 3.5.18 Sei f ∈ L1(T), dann gilt fur fast alle t ∈ T:

σn(f)(t)→ f(t).

3.5.4 Eigenschaften der Hilbert-Transformation

Proposition 3.5.19 Sei f ∈ L1(T). Dann gilt fur fast alle t ∈ T:

limn→∞

σn(f)(t)−H 1n(f)(t) = 0.

Beweis

σn(f)(t)−H 1n(f)(t)

= − 1

π

∫ 1n

0

f(t + s)− f(t− s)

2Fn(s) ds− 1

π

∫ π

1n

f(t + s)− f(t− s)

2

(Fn(s)− 1

tan s2

)ds

=: In + Jn.

Der konjugierte Dirichlet-Kern kann nach oben abgeschatzt werden durch

|Dk(t)| ≤ 2k fur alle t ∈ T.

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50 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Hiermit gilt fur den konjugierten Fejer-Kern

|Fn(t)| = 1

n + 1

n∑k=0

|Dk(t)| ≤2

n + 1

n∑k=0

k =2

n + 1· n(n + 1)

2= n.

fur alle t ∈ T. Damit

|In| ≤n

∫ 1n

0

|f(t + s)− f(t− s)| ds

≤ n

∫ 1n

0

|f(t + s)− f(t)| ds +n

∫ 1n

0

|f(t)− f(t− s)| ds.

Nach Bemerkung 3.5.17 verschwindet der erste Term In fur n→∞ fur fast alle t ∈ T.

Zur Abschatzung des Terms Jn:∣∣∣∣Fn(t)− 1

tan t2

∣∣∣∣ =

∣∣∣∣ 1

n + 1

sin((n + 1)t)

2(sin t2)2

∣∣∣∣ ≤ 1

2(n + 1)

1

( tπ)2

=π2

2(n + 1)t2

fur 0 < t ≤ π. Daher gilt

|Jn| ≤π

4(n + 1)

∫ π

1n

|f(s + t)− f(s− t)| ds

s2.

Nun gehen wir weiter vor wie im Satz von Lebesgue 3.5.16. Wir teilen |Jn| in zwei Teile

|Jn| ≤π

4(n + 1)

∫ δn

1n

|f(t + s)− f(t− s)| ds

s2

4(n + 1)

∫ π

δn

|f(s + t)− f(t− s)| ds

s2

= J1,n + J2,n,

wobei δn = n−14 .

Fur J2,n gilt

J2,n ≤π

4(n + 1)· 2‖f‖1 ·

1

δ2n

→ 0 fur n→∞.

Bleibt J1,n abzuschatzen.

Bezeichne

ϕ(y) =

∫ y

0

|f(t + s)− f(t− s)| ds.

Da

istbeschrϕ(y) ≤∫ y

0

|f(t + s)− f(s)| ds +

∫ y

0

|f(s)− f(t− s)| ds.

folgt wie im Satz von Lebesgue 3.5.16:

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 51

Zu ε > 0 gibt es n ∈ N: ϕ(y) < εy fur alle y ∈ ] 0, δn ].

Nun gilt mit partieller Integration:

J1,n ≤π

4(n + 1)

ϕ(y)

y2

∣∣∣δn

y= 1n

2(n + 1)

∫ δn

1n

ϕ(t)

t3dt

≤ π

4(n + 1)

ε

δn

2(n + 1)ε

∫ δn

1n

dt

t2<

π

2ε.

2

Satz 3.5.20 Sei f ∈ L1(T).

Dann existiert limε→0+ Hε(f)(t) fur fast alle t ∈ Tgenau dann wenn limn→∞ σn(f)(t) fur fast alle t ∈ T existiert.

Existieren beide Grenzwerte, so sind sie gleich.

Beweis Sei ε > 0. Dann gibt es ein n ∈ N mit 1n+1≤ ε < 1

n. Damit

|H 1n(f)(t)−Hε(f)(t)|

≤ 1

π

∫ 1n

ε

|f(t + s)− f(t− s)|2 tan s

2

ds

≤ 1

π

∫ 1n

ε

|f(t + s)− f(t− s)|2 sin s

2

ds(Wir nutzen

2x

π≤ sin x ≤ |x| fur |x| < π

2

)≤ 1

2

∫ 1n

1n+1

|f(t + s)− f(t− s)|t

ds

≤ n + 1

2

∫ 1n

0

|f(t + s)− f(t− s)| ds→ 0 fur n→∞

nach Bemerkung 3.5.17.

Hiermit folgt die Behauptung. 2

Korollar 3.5.21 Sei f ∈ L1(T). Wenn die konjugierte Funktion f ∈ L1(T) existiert,dann gilt

limε→0+

Hε(f)(t) = f(t) fur fast alle t ∈ T.

Beweis Es gilt

σn(f)(t) =n∑

k=−n

(−i) sign(k)

(1− |k|

n + 1

)f(k) = σn(f)(t).

Nach Korollar 3.5.18 konvergiert σn(f) gegen f fast uberall.

Der vorhergehende Satz 3.5.20 liefert die Behauptung. 2

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52 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Im Folgenden zeigen wir, dass die Hilbert-Transformation

H : Lp(T)→ Lp(T), 1 < p <∞,

stetig ist. Dies ist ein Ergebnis von Marcel Riesz.

Wir benotigen den folgenden Satz aus der Funktional-Analysis:

Satz 3.5.22 (Schwach-* Konvergenz) Sei B ein separabler Banach-Raum. Sei {Fn}n∈Neine beschrankte Folge in B∗.

Dann existiert eine Teilfolge {Fnk}k∈N und ein F ∈ B∗, so dass

limk→∞

Fnk(g) = F (g) fur alle g ∈ B.

Beweis Sei {gj}j∈N eine abzahlbare dichte Teilmenge von B.

Die Folge {Fn(g1)}n∈N ist eine beschrankte Folge in C. Also gibt es eine konvergenteTeilfolge {Fn1(g1)}n∈N (Bolzano-Weierstraß).

Mit analogem Argument gibt es eine weitere konvergente Teilfolge {Fn2(g2)}n∈N.

Wiederholung des Arguments liefert, dass die Diagonalfolge {Fnn}n∈N die Eigenschaftbesitzt, dass {Fnn(gj)}n∈N fur alle gj konvergieren.

Die Folge {gj}j∈N ist dicht in B. Damit konvergiert {Fnn(g)} fur alle g ∈ B.

Nun betrachte das lineare Funktional

F (g) = limn→∞

Fnn(g).

Da die Folge {|Fnn(g)| : n ∈ N} beschrankt ist fur jedes g ∈ B, liefert das Prinzip dergleichmaßigen Beschranktheit

sup{‖Fnn‖ : n ∈ N} = M <∞.

Wir erhalten damit fur jedes g ∈ B

‖F (g)‖ = limn→∞

‖Fnn(g)‖ ≤M‖g‖.

Also haben wir eine Teilfolge gefunden und das zugehorige F ∈ B∗ mit den gewunschtenEigenschaften.

2

Zur Vorbereitung des Resultats von M. Riesz:

Lemma 3.5.23 Sei 1 < p <∞. Fur eine gegebene Konstante c > 0 definiere

Ec = {f ∈ Lp(T) : H(f) ∈ Lp(T) und ‖H(f)‖p ≤ c‖f‖p.}

Dann gilt folgendes:

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 53

(i) Ec ist eine abgeschlossene Teilmenge von Lp(T).

(ii) Wenn u = Re f und v = Im f Elemente von Ec sind, dann gilt f ∈ E2c.

(iii) Wenn fur reell-wertige Funktionen der Positiv-Teil f+ = sup(f, 0) und der Negativ-Teil f− = − inf(f, 0) Elemente in Ec sind, dann gilt f ∈ E2c.

Beweis Zu (i):

Die Nullfunktion gehort zu Ec. Also ist Ec eine nicht-leere Menge.

Sei {fn}n∈N eine Folge von Funktionen fn ∈ Ec, die in der Lp(T)-Norm gegen ein f ∈ Lp(T)konvergieren.

Die Folge (H(fn))n∈N ist beschrankt in Lp(T), d.h., supn∈N ‖H(fn)‖p ≤M <∞.

Dann gibt es eine Teilfolge (H(fnk))k∈N und ein g ∈ Lp(T) mit

limk→∞

H(fnk) = g in der schwach-∗-Topologie .

d.h. mit 1p

+ 1q

= 1 gilt

limk→∞

1

∫TH(fnk

)(t)ϕ(t) dt =1

∫Tg(t)ϕ(t) dt ∀ϕ ∈ Lq(T).

Insbesondere gilt mit ϕ(t) = eimt:

limk→∞

(H(fnk)) (m) = g(m) ∀m ∈ Z.

Da nach der Wahl der Folge fn gilt

fnk(m)→ f(m) fur k →∞

und nach Korollar 3.5.21

(H(fnk)) (m) = (−i)sign(m)fnk

(m)→ (−i)sign(m)f(m) fur k →∞

folgtg(m) = (−i)sign(m)f(m) ∀m ∈ Z.

Also g = f nach dem Eindeutigkeitssatz. Mit Korollar 3.5.21 folgt

g = f = H(f) fast uberall.

Es bleibt zu zeigen: ‖H(f)‖p ≤ c‖f‖p.Zu ε > 0 gibt es ϕ ∈ Lq(T), ‖ϕ‖q ≤ 1 mit

‖H(f)‖p − ε ≤∣∣∣∣ 1

∫TH(f)(t)ϕ(t)dt

∣∣∣∣

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54 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

(Reflexivitat von Lp.)

Damit existiert ein k0 ∈ N mit

‖H(f)‖p − 2ε ≤∣∣∣∣ 1

∫TH(fnk

)(t)ϕ(t) dt

∣∣∣∣fur alle k ≥ k0.

Da ∣∣∣∣ 1

∫TH(fnk

)(t)ϕ(t)dt

∣∣∣∣ ≤ ‖H(fnk)‖p ≤ c‖fnk

‖p,

gilt im Limes k →∞ mit ‖fnk‖ → ‖f‖p:

‖H(f)‖p − 2ε ≤ c‖f‖p.

Daher gilt‖H(f)‖p ≤ c‖f‖p,

d.h. f ∈ Ec, was zu zeigen war.

Zu (ii):

Da H(f) = H(u) + iH(v) folgt H(f) ∈ Lp(T).

Mit ‖Re f‖p ≤ ‖f‖p und ‖Im f‖p ≤ ‖f‖p folgt

‖H(f)‖p ≤ ‖H(u)‖p + ‖H(v)‖p ≤ c(‖u‖p + ‖v‖p) ≤ 2c‖f‖p.

Zu (iii): Argumentation analog zu (ii).

H(f) = H(f+)−H(f−) und ‖f+‖p ≤ ‖f‖p und ‖f−‖p ≤ ‖f‖p.Hiermit folgt die Behauptung. 2

Betrachte ein reell-wertiges trigonometrisches Polynom P (t) =∑n

k=−n akeikt, das positiv

ist P (t) > 0 fur alle t ∈ T.

Bezeichne h(t) = P (t) + iP (t), wobei P die konjugierte Funktion von P ist.

Da P reell-wertig ist (also P (t) = P (t)), gilt a−k = ak. Insbesondere ist a0 ∈ R. Weitergilt

P (t) = Re (P (t)) = a0 + 2n∑

k=1

Re (akeikt)

und

P (t) = 2n∑

k=1

Im (akeikt).

Ferner

a0 = P (0) =1

∫TP (t) dt > 0

undRe (h(t)) = P (t) > 0 fur alle t ∈ T.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 55

Damit liegen die Werte von h in der Halbebene Re h(t) > 0 und beim Potenzieren bleibenwir im Hauptzweig des Logarithmus:

Es existiert fur α ∈ R stets hα(t) = (h(t))α, wobei wir mit wα = exp(α ln w), w ∈C\]−∞, 0] den Hauptzweig des Logarithmus betrachten.

Lemma 3.5.24 Sei α ∈ R und P (t) =∑n

k=−n akeikt ein positives trigonometrisches

Polynom: P (t) > 0 fur alle t ∈ T.

Bezeichne h(t) = P (t) + iP (t) fur t ∈ T.

Dann gilt1

∫Thα(t) dt =

(1

∫Th(t) dt

= aα0 .

Beweis Fur α ∈ N ist die Funktion hα(t) von der Form

hα(t) = aα0 +

αn∑k=−αn,k 6=0

akeikt.

Daher 12π

∫T hα(t) dt = aα

0 .

Wegen Linearitat gilt1

∫TQ(h(t)) dt = Q(a0)

fur algebraische Polynome Q(w) in w ∈ C.

Wahle nun ein zusammenhangendes Kompaktum K ⊂ C\ ] −∞, 0 ], das h(T) und a0 > 0enthalt. Fur beliebiges α ∈ R Approximiere w → wα gleichmaßig auf K durch trigono-metrische Polynome. Damit folgt

1

∫T(h(t))α dt = (a0)

α.

2

Satz 3.5.25 (Satz von M. Riesz)

Sei 1 < p <∞. Fur f ∈ Lp(T) gilt H(f) ∈ Lp(T) und es gibt eine positive Konstantecp > 0

‖H(f)‖p ≤ cp‖f‖p.

Beweis

1. Schritt:

Wir zeigen, dass wir die Behauptung nur fur positive trigonometrische Polynome P (t) =∑nk=−n ake

ikt mit P (t) > 0 fur alle t ∈ T zeigen mussen.

Annahme: Die Behauptung gilt fur alle positiven trigonometrischen Polynome.

Z.z.: Die Behauptung gilt fur alle f ∈ Lp(T).

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56 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

• Sei f ∈ C(T), f(t) > 0 fur alle t ∈ T.

Dann existiert δ > 0 mit mint∈T f(t) ≥ δ > 0.

Dann exisistiert ein trigonometrisches Polynom P mit P (t) ≥ δ2

> 0 fur alle t ∈ T, das fin der Lp-Norm approximiert (nutze Fejer-Polynome; sie sind reell-wertig).

Mit Lemma 3.5.23(i) gilt mit P ∈ Ec auch f ∈ Ec, da Ec abgeschlossen ist.

• Sei nun f ∈ C(T), f ≥ 0. Approximiere f durch g ∈ C(T) mit g(t) > 0 fur alle t ∈ T.Wieder mit Lemma 3.5.23(i) gilt f ∈ Ec.

Mit Lemma 3.5.23(ii),(iii) folgt:

• Ist f ∈ C(T), so gilt f ∈ E4c (Aufspaltung in Re , Im und deren Positiv- und Negativ-Teil).

Mit C(T )Lp

= Lp(T) und Lemma 3.5.23 (i) folgt die Behauptung fur alle f ∈ Lp(T).

2. Schritt:

Sei 1 < p ≤ 2.

Z.z. Ist P (t) =∑n

k=−n akeikt > 0, so gilt P ∈ Ec.

Wahle ein δ mit 0 < π2p

< δ < π2.

Dann gilt: 0 < δ < π2

< δp < π2p ≤ π, da 1 < p ≤ 2.

Setze α := 1cos(pδ)

< 0, β := 1+|α|(cos δ)p > 0.

Fur |t| < π2

gilt:

1 ≤ α cos(pt) + β(cos t)p, (3.16)

denn:

• Ist δ ≤ |t| < π2, so ist α cos(pt) ≥ α cos(pδ) = 1, da α < 0.

• Fur |t| < δ beachte α cos(pt) + β(cos t)p ≥ β(cot t)p − |α| = 1.

Mit h = P + iP gilt Re (h) = P > 0.

Damit P (t) = |h(t)| cos s fur s = s(t), wobei |s(t)| < π2

fur alle t ∈ T.

Mit (3.16) schatzt man ab:

1

∫T|h(t)|p dt ≤ α

∫T|h(t)|p cos(ps(t)) dt +

β

∫T|h(t)|p cosp(s(t)) dt

2πRe

∫Thp(t) dt +

β

∫TP p(t) dt.

(Beachte: Re hp(t) = |hp(t)| cos(ps(t)).)

Mit Lemma 3.5.24 ergibt sich

1

∫Thp(t) dt =

(1

∫Th(t) dt

)p

= ap0 =

(1

∫TP (t) dt

)p

> 0.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 57

Also ist (da α < 0)α

2πRe

∫Thp(t) dt < 0,

und weiter1

∫T|h(t)|p dt ≤ β

∫TP p(t) dt. (3.17)

Zusammen ergibt sich:

‖H(P )‖p = ‖P‖p = ‖h− P‖p ≤ ‖h‖p + ‖P‖p≤(3.17) (β)

1p‖P‖p + ‖P‖p = (1 + (β)

1p )‖P‖p.

3. Schritt:

Sei nun 2 < p <∞.

Seien P , Q trigonometrische Polynome. Fur sie gilt: H(P ) = P , resp. H(Q) = Q und

P ∗ Q = P ∗Q, d.h. P ∗H(Q) = H(P ) ∗Q punktweise.

Setze t = 0.

1

∫TP (−s)H(Q)(s) ds = (P ∗H(Q))(0) = (H(P ) ∗Q)(0)

=1

∫TH(P )(s)Q(−s) ds.

Mit der Holder-Ungleichung erhalt man mit 1q

+ 1p

= 1, q ≤ 2,∣∣∣∣ 1

∫TH(P )(s)Q(−s) ds

∣∣∣∣ ≤ ‖P‖p‖H(Q)‖q ≤2. Schritt cq‖Q‖q‖P‖p

Die trigonometischen Polynome liegen dicht in Lq(T). Daher∣∣∣∣ 1

∫TH(P )(s)g(−s) ds

∣∣∣∣ ≤ cq‖g‖q‖P‖p.

Der Darstellungssatz von Riesz (Lq(T)∗ = Lp(T)) liefert H(P ) ∈ Lp(T) und ‖H(P )‖p ≤cp‖P‖p.Damit gilt die Behauptung fur 2 < p <∞ fur trigonometrische Polynome P > 0.

Mit dem 1. Schritt folgt die Behauptung fur alle f ∈ Lp(T) mit 2 < p <∞. 2

Korollar 3.5.26 Sei 1 < p <∞. Wenn f ∈ Lp(T), dann f ∈ Lp(T) und f = H(f).

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58 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beweis Da σn(f) ein trigonometrisches Polynom, gilt H(σn(f)) = σn(f). Nach Satz3.5.25

‖H(f)− σn(f)‖1 ≤ ‖H(f)− σn(f)‖p ≤ cp‖f − σn(f)‖p → 0 fur n→∞,

da der Fejer-Kern ein Summationskern ist.

Daher limn→∞ σn(f) = H(f) in der L1(T)-Norm.

Somit gilt fur alle k ∈ Z:lim

n→∞(σn(f)) (k) = H(f ) (k).

Da

(σn(f)) (k) = (−i)sign(k)

(1− |k|

n + 1

)f(k)

fur |k| ≤ n folgt

H(f ) (k) = (−i)sign(k)f(k).

Mit dem Eindeutigkeitssatz folgt f = H(f). 2

Wir haben soweit gezeigt, dass Lp(T), 1 < p <∞, Konjugation zulaßt. Wir wissen bereits,dass dies aquivalent zu Norm-Konvergenz der Fourier-Reihe ist:

Korollar 3.5.27 (M. Riesz)

Sei 1 < p <∞. Dann gibt es eine Konstante Mp, die nur von p abhangt, so dass

‖Sn(f)‖p ≤Mp‖f‖p

fur alle f ∈ Lp(T) und n ∈ N.

Korollar 3.5.28 Fur 1 < p <∞ ist das trigonometrische System {eint}n∈Z eine Schauder-Basis des Lp(T).

Betrachten wir nochmal den Raum L2(T). Die Parseval-Gleichung liefert

1

∫T|f(t)|2 dt = |f(0)|2 +

∞∑n=−∞

n6=0

|f(n)|2

=1

∣∣∣∣ 1

∫Tf(t) dt

∣∣∣∣2 +1

∫T|H(f)(t)|2 dt

Dies ist ein Spezialfall des folgenden Satzes:

Satz 3.5.29 (Formeln von Hilbert)

Sei 1 < p, q < ∞ mit 1p

+ 1q

= 1. Fur f ∈ Lp(T) und g ∈ Lq(T) gelten die folgendenGleichungen:

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 59

(i) ∫TH(f)(t)g(t) dt = −

∫Tf(t)H(g)(t) dt.

(ii) ∫Tf(t)g(t) dt =

1

∫Tf(t) dt

∫Tg(t) dt +

∫TH(f)(t)H(g)(t) dt

Beweis Ubungsaufgabe. 2

Satz 3.5.30 (Inversionsformel)

Sei f ∈ Lp(T), 1 < p <∞. Dann gilt fur fast alle t ∈ T:

H(H(f))(t) = −f(t) +1

∫Tf(u) du = −f(t) + f(0).

Beweis Es gilt nach Satz 3.5.29 fur alle g ∈ Lq(T), 1p

+ 1q

= 1:∫TH(H(f))(t) g(t) dt = −

∫TH(f)(t) H(g)(t) dt

=1

∫Tf(s) ds

∫Tg(t) dt−

∫Tf(t) g(t) dt

=

∫T

(−f(t) +

1

∫Tf(s) ds

)g(t) dt.

2

Bemerkung 3.5.31 Dieser Inversionssatz besagt, dass H : f 7→ H(f) ein surjektiverOperator von

Lp(T)→ Lp0(T) = {f ∈ Lp(T) : f(0) = 0}

ist (1 < p <∞).

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60 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

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Kapitel 4

Fourier-Integrale

Wie auch die Fourier-Reihen fur periodische Funktionen wurden die Fourier-Integralevon Joseph Fourier zur Losung der Warmeleitungsgleichung – nun auf R statt auf demKreisring – eingefuhrt.

4.1 Fourier-Integral-Transformation auf L1(R)

Modell:Zeitkontinuierliche integrierbare Funktionen f ∈ L1(R).

Definition 4.1.1 Sei f ∈ L1(R). Die Fourier-Transformierte F(f) von f ist definiertdurch

F(f)(a) =

∫R

f(x)e−iax dx fur alle a ∈ R.

Satz 4.1.2 Seien f, g ∈ L1(R), a ∈ R und λ ∈ C.

(i) F ist linear:

F(λf + g)(a) = λF(f)(a) + F(g)(a).

(ii) Bezeichne f(x) := f(x). Dann F(f)(a) = F(−a).

(iii) Bezeichne Lyf(x) := f(x− y) fur y ∈ R. Dann F(Lyf)(a) = e−iyaF(f)(a).

(iv) |F(f)(a)| ≤ ‖f‖1

(v) Bezeichne fλ(x) := λf(λx) fur λ ∈ R \ {0}. Dann ist F(fλ)(a) = F(f)( aλ).

61

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62 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beweis Zu (v):

F(fλ)(a) =

∫R

fλ(x)e−ixa dx = λ

∫R

f(λx)e−ixa dx

=

∫R

f(x)e−ix aλ dx = F(f)

(a

λ

).

2

Bemerkung 4.1.3 Fur hohere Dimensionen und f ∈ L1(Rn), n ≥ 1, definiert man fura ∈ Rn

F(f)(a) :=

∫R

f(x)e−i〈x,a〉 dx.

Satz 4.1.4 Sei f ∈ L1(R). Dann ist die Funktion F(f) : R → C beschrankt undgleichmaßig stetig.

Beweis Die Beschranktheit folgt aus Satz 4.1.2.

Fur a, b ∈ R gilt

F(f)(a + b)−F(f)(a) =

∫R

f(x)e−iax(e−ibx − 1) dx,

also

|F(f)(a + b)−F(f)(a)| ≤∫

R|f(x)| · |e−ibx − 1| dx.

Ziel: Majorisierte Konvergenz1. Punktweise Konvergenz des Integranden fur alle x ∈ RDa f(x)(e−ibx − 1)→ 0 fur b→ 0 bei festem x ∈ R2. Integrierbare Majorante

und da|f(x)| · |e−ibx − 1| ≤ 2|f(x)|

folgt mit dem Satz von der Majorisierten Konvergenz:

limb→0|F(f)(a + b)−F(f)(a)| → 0

fur b→ 0 unabhangig von a. 2

Bemerkung 4.1.5 Bei der Fourier-Transformation in L1(T) betrachteten wir ein diskre-tes Frequenzspektrum n ∈ Z. Hier betrachten wir ein kontinuierliches Frequenzspektruma ∈ R.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 63

Ganz analog zur Faltung in L1(T) kann auch der Banach-Raum L1(R) mit einer Faltungs-struktur versehen werden und zur Banach-Algebra werden:

Satz 4.1.6 Sei f, g ∈ L1(R). Fur fast alle x ∈ R ist die Abbildung y 7→ f(x − y) · g(y)absolut integrierbar. Bezeichne

h(x) :=

∫R

f(x− y)g(y) dy.

Dann gilt: h ∈ L1(R) sowie

‖h‖1 ≤ ‖f‖1 · ‖g‖1 und F(h)(a) = F(f)(a) · F(g)(a) ∀a ∈ R.

Beweis Analog zu Satz 3.4.8. 2

Definition 4.1.7 Seien f, g ∈ L1(R). Die Funktion h aus Satz 4.1.6 bezeichnet man mitf ∗ g und heißt Faltung von f und g.

Bemerkung 4.1.8 Mit ∗ wird L1(R) zu einer Banach-Algebra ohne Eins.

Die Fourier-Transformation ist ein Algebra-Homomorphismus in Cbu(R), d. h. der Banach-

Algebra mit punktweiser Multiplikation aller gleichmaßig stetigen (u) beschrankten (b)Funktionen auf R.

Wie fur Fourier-Reihen kann auch bei der Fourier-Integral-Transformation ein Kern auf-gefaltet werden:

Satz 4.1.9 Seien f, k ∈ L1(R) und es gelte

k(x) =

∫R

K(a)eiax da mit K ∈ L1(R).

Dann gilt

k ∗ f(x) =

∫R

K(a)F(f)(a)eiax da.

Beweis Es gilt fast uberall

k ∗ f(x) =

∫R

k(x− y)f(y) dy =

∫R

∫R

K(a)eiaxe−iayf(y) da dy.

Der Satz von Fubini liefert

k ∗ f(x) =

∫R

K(a)F(f)(a)eiax da.

2

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64 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 4.1.10 Sei f ∈ L1(R).

(i) Sei

F (x) =

∫ x

−∞f(y) dy =

∫R

f(y)χ ]−∞,x ] dy fur x ∈ R.

Wenn F ∈ L1(R), dann gilt

F(F )(a) =1

iaF(f)(a)

fur alle a ∈ R \ {0}.

(ii) Falls f eine auf R differenzierbare Funktion ist und f ′ ∈ L1(R), dann

F(f)(a) =1

iaF(f ′)(a)

fur alle a ∈ R \ {0}.

Beweis Es genugt, (i) zu zeigen. Wir wissen, F ′(x) = f(x) gilt fur fast alle x ∈ R.Partielle Integration und der Satz uber die Majorisierte Konvergenz liefern

F(F )(a) = limA→∞

F (x)1

−iae−iax

∣∣∣Ax=−A

+

∫R

f(x)1

iae−iax dx.

Offensichtlich gilt limA→−∞ F (A) = 0. Da f integrierbar ist, existiert limA→∞ F (A) undist endlich, denn

limA→∞

F (A) =

∫R

f(x) dx <∞

existiert.

Ware nun limA→∞ F (A) = α 6= 0. Dann gabe es A0 > 0 mit |F (A)| ≥ |α|2

> 0 fur alleA > A0. Dies ware ein Widerspruch zu F ∈ L1(R). 2

Satz 4.1.11 Sei f ∈ L1(R). Bezeichne g(x) := xf(x). Sei g ∈ L1(R). Dann gilt fur allea ∈ R:

F(f) ist differenzierbar und (F(f))′(a) = F(−ig)(a).

Beweis Wir betrachten

F(f)(a + h)−F(f)(a)

h=

∫R

f(x) e−iax e−ihx − 1

hdx.

Es gilt ∣∣∣∣e−ihx − 1

h

∣∣∣∣ ≤ |x|,

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 65

sowiee−ihx − 1

h→ −ix fur h→ 0.

Da g(x) = xf(x) ∈ L1(R) absolut integrierbar ist, folgt mit dem Satz von der Majorisier-ten Konvergenz

(F(f))′(a) = −i

∫R

f(x)e−iaxx dx = −iF(g)(a).

2

Mit vollstandiger Induktion folgt:

Korollar 4.1.12 Ist f ∈ L1(R), so dass x 7→ xnf(x) =: g(x) absolut integrierbar ist furein n ∈ N. Dann ist F(f) n-mal differenzierbar und

(F(f))(n)(a) = (i)nF(g)(a) fur alle a ∈ R.

Insbesondere gilt fur a = 0:

(F(f))(n)(0) = (−i)nmn,

wobei

mn :=

∫R

xnf(x) dx

das n-te Moment von f ist.

Korollar 4.1.13 Sei f : R → C 2-mal stetig differenzierbar und habe f kompaktenTrager.

Dann gilt F(f) ∈ L1(R).

Beweis Da f kompakten Trager hat und in C2 liegt, haben auch f ′ und f ′′ kompaktenTrager. Satz 4.1.10 ergibt

|F(f)(a)| =∣∣∣∣F(f ′′)(a)

a2

∣∣∣∣ ≤ 1

a2‖f‖1.

Spalte R auf in [−1, 1 ] und R \ [−1, 1 ]. Auf [−1, 1 ] ist F(f) als stetige Funktion aufeinem Kompaktum beschrankt, und damit integrierbar. Auf R \ [−1, 1 ] ist F(f)(a) istintegrierbar, da es wie 1

a2 fallt.

Damit folgt F(f) ∈ L1(R). 2

Ziel: Approximation der fehlende Eins in der Banach-Algebra (L1(R), ∗):

Definition 4.1.14 Ein Summationskern auf R ist eine Familie {kλ}λ∈ ]0,∞[ stetiger Funk-tionen mit den folgenden Eigenschaften:

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66 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

(S1)

∫R

kλ(x) dx = 1 fur alle λ ∈ ] 0,∞ [ .

(S2)

∫R|kλ(x)| dx ≤M fur alle λ ∈ ] 0,∞ [ und eine Konstante M > 0.

(S3) Fur alle δ > 0 gilt

limλ→∞

∫|x|>δ

|kλ| dx = 0.

Beispiele 4.1.15 (i) Alle Summationskerne erhalt man durch folgendes Vorgehen:

Wahle f ∈ L1(R) ∩ C(R) mit∫

R f(x) dx = 1. Setze dann kλ(x) := λf(λx).

Nun gilt:

•∫

RKλ(x) dx =

∫R

λf(λx) dx =

∫R

f(y) dy = 1. Also gilt (S1).

•∫

R|Kλ(x)| dx =

∫R|λf(λx)| dx =

∫R|f(y)| dy = ‖f‖1. Damit gilt (S2).

• Fur δ > 0 gilt∫|x|>δ

|Kλ(x) dx| =∫|x|>δ

|λf(λx)| dx =

∫|y|>δλ

|f(y)| dy → 0 mit λ→∞.

Damit gilt auch (S3).

(ii) Wichtigstes Beispiel — Der Fejer-Kern:

F (x) :=1

(sin x

2

x/2

)2

, Fλ(x) = λF (λx), λ ∈ ] 0,∞ [ .

(Fλ)λ∈ ] 0,∞ [ heißt Fejer-Kern auf R und ist ein Summationskern.

Dazu mussen wir nur

∫R

Fλ(x) dx = 1 prufen.

Zum Nachweis nutzen wir den Fejer-Kern 1n+1

(sin n+1

2t

sin t2

)2

auf T. Fur ihn wissen wir,

dass die Bedingung (S1) und (S3) aus Definition 3.4.17 gelten:

1

∫ π

−π

1

n + 1

(sin n+1

2t

sin t2

)2

dt = 1

und

limn→∞

1

∫ 2π−δ

δ

1

n + 1

(sin n+1

2t

sin t2

)2

dt = 0.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 67

Damit ergibt sich

limn→∞

1

∫ δ

−δ

1

n + 1

(sin n+1

2t

sin t2

)2

dt = 1. (4.1)

Fur 0 < ε < 1 gibt es ein δ > 0, so dass fur alle |t| < δ gilt

(da die Gerade die Tangente an den Sinus in Null ist)

(sin

t

2

)2

≤(

t

2

)2

≤ (1 + ε)

(sin

t

2

)2

.

Daher gilt fur dieses δ > 0:

1

1 + ε

1

∫ δ

−δ

1

n + 1

(sin n+1

2t

sin t2

)2

dt

≤ 1

∫ δ

−δ

1

n + 1

(sin n+1

2t

t2

)2

dt

≤ 1

∫ δ

−δ

1

n + 1

(sin n+1

2t

sin t2

)2

dt. (4.2)

Mit Einsetzen des speziellen λ = n + 1 gilt∫R

F (x) dx =

∫R

Fn+1(x) dx =

∫ δ

−δ

Fn+1(x) dx +

∫R\ [−δ,δ ]

Fn+1(x) dx. (4.3)

Das zweite Integral in (4.3) verschwindet:∫R\ [−δ,δ ]

Fn+1(x) dx =1

∫ δ

−δ

1

n + 1

(sin(n+1

2x)

x2

)2

dx→ 0 fur n→∞.

Daher∫R

F (x) dx = limn→∞

∫ δ

−δ

Fn+1(x) dx = limn→∞

1

∫ δ

−δ

1

n + 1

(sin n+1

2x

x2

)2

dx.

Mit (4.1) und (4.2) folgt

1

1 + ε≤ lim

n→∞

1

∫ δ

−δ

1

n + 1

(sin n+1

2x

x2

)2

dx ≤ 1.

Da 0 < ε < 1 beliebig war, folgt die Behauptung∫

R F (x) dx = 1.

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68 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Definition 4.1.16 Eine Familie (kλ)λ∈] 0,∞ [ heißt approximative Eins fur L1(R), falls

limλ→∞‖f − kλ ∗ f‖1 = 0 ∀f ∈ L1(R).

Mit dem Beweis wie in Kapitel 3 folgt, dass jeder Summationskern auf R eine approxi-mative Eins fur L1(R) ist:

Satz 4.1.17 Ist {kλ}λ∈ ]0,∞[ , ein Summationskern, so gilt

limλ→∞‖f − kλ ∗ f‖1 = 0 ∀f ∈ L1(R).

Speziell fur kλ = Fλ gilt

Korollar 4.1.18 Sei f ∈ L1(R). Fur λ > 0 bezeichne

σλ(f)(x) := Fλ ∗ f(x) =1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)F(f)(a)eiax da.

Dann giltlim

λ→∞‖f − Fλ ∗ f‖1 = 0.

Beweis Wir mussen nur das zweite Gleichheitszeichen zeigen. Bezeichne

∆(x) =

{12π

(1− |x|) fur |x| ≤ 1,0 sonst.

Es gilt fur a 6= 0: ∫ 1

0

(1− x)e−iax dx = − 1

ia− 1

a2(eia − 1)

und ∫ 0

−1

(1 + x)e−iax dx =1

ia− 1

a2(e−ia − 1).

Zusammen ergibt sich fur a 6= 0

F(∆)(a) =1

∫ 1

−1

(1− |x|)e−ixa dx

=1

∫ 1

−1

2− 2 cos a

a2=

1

(sin a

2a2

)2

= F (a).

Außerdem F(∆)(0) = 12π

= F (0).

Also ist F = F(∆).

Fλ(a) = λF (λa) = λF(∆)(λa) = F(∆λ)(a),

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 69

wobei

∆λ(x) =

{12π

(1− |x|

λ

)fur |x| < λ,

0 sonst.

Also ist

Fλ(x) =1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)e−iax da =

1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)eiax da,

da ∆ eine gerade Funktion ist.

Mit Satz 4.1.9 folgt

Fλ ∗ f(x) =1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)F(f)(a)eiax da.

Da Fλ ein Summationskern, und damit nach Satz 4.1.17 eine approximative Eins ist, folgtdie Behauptung. 2

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-15 -10 -5 5 10 15x

0.025

0.05

0.075

0.1

0.125

0.15

(a)

-4 -2 2 4a

0.025

0.05

0.075

0.1

0.125

0.15

(b)

-15 -10 -5 5 10 15x

0.1

0.2

0.3

0.4

(c)

-4 -2 2 4a

0.025

0.05

0.075

0.1

0.125

0.15

(d)

Abbildung 4.1: (a) Der Fejer-Kern F (x) und (b) seine Fourier-Inte-graltransformierte ∆(a) in L1(R). (c) Fur Skalierungen λ · F (λx), λ =1, 2, 3 wird der Fejer-Kern immer schmaler und hoher, (d) die Fourier-Integraltransformierte immer breiter.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 71

Korollar 4.1.19 (Eindeutigkeitssatz)

Sei f ∈ L1(R) mit F(f)(a) = 0 fur alle a ∈ R.

Dann ist f = 0 fast uberall.

Korollar 4.1.20 (Inversionsformel)

Sei f ∈ L1(R) mit F(f) ∈ L1(R). Dann gilt

f(x) =1

∫RF(f)(a)eiax da fur fast alle x ∈ R.

Gleichheit gilt in allen Stetigkeitspunkten von f .

Beweis Die Funktion

R→ C : a 7→ χ[−λ,λ ](a)

(1− |a|

λ

)F(f)(a)eiax

hat mit λ→∞ den Grenzwert

a 7→ F(f)(a)eiax fur festes x.

Der Betrag dieser Funktion kann durch |F(f)| nach oben beschrankt werden. Da nachVoraussetzung F(f) ∈ L1(R) folgt mit dem Satz von der Majorisierten Konvergenz in derL1-Norm:

limλ→∞

Fλ ∗ f(x) = limλ→∞

1

∫R

χ[−λ,λ ](a)

(1− |a|

λ

)F(f)(a)eiax da

=1

∫RF(f)(a)eiax da.

Allgemein gilt: Konvergiert eine Folge gn → g in L1(R), also ‖gn − g‖ → 0 fur n→∞,so existiert eine Teilfolge gnk

mit

limk→∞

gnk(x) = g(x) fast uberall.

Damit existiert eine Teilfolge {Fλk}k∈N mit Fλk

∗ f → f fast uberall fur k →∞.

Die Aussage fur Stetigkeitspunkte folgt mit einem spateren Satz. 2

Definition 4.1.21 Bezeichne fur g ∈ L1(R)

F−1(g)(x) :=1

∫R

g(a)eiax da

die inverse Fourier-Transformation.

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72 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Bemerkung 4.1.22 Fur Funktionen f ∈ L1(R) mit F(f) ∈ L1(R) gilt

F−1(F(f))(x) = f(x) fast uberall.

Beispiel 4.1.23 (Nochmal Fejer-Kern) Wir wissen bereits F(∆) = F . Da F(∆) ∈L1(R) aufgrund des kompakten Tragers, gilt mit der Inversionsformel:

∆(a) =1

2πF(F )(a).

Korollar 4.1.24 (Kontinuierliches Analogon zum Satz von Weierstraß)

Die Funktion f ∈ L1(R) mit F(f) ∈ Cc(R) bilden einen Norm-dichten Teilraum vonL1(R).

Hierbei bezeichnet Cc(R) den Raum aller stetigen Funktionen R → C mit kompaktemTrager.

Beweis

F(Fλ ∗ f)(a) = F(Fλ)(a)F(f)(a) = χ[−λ,λ ]

(1− |a|

λ

)F(f)(a),

d. h. F(Fλ ∗ f) ∈ Cc(R).

Da der Fejer-Kern ein Summationskern ist, folgt die Behauptung. 2

Korollar 4.1.25 (Riemann–Lebesgue-Lemma)

Fur f ∈ L1(R) gilt: lim|a|→∞F(f)(a) = 0.

Beweis Mit dem kontinuierlichen Analogon zum Satz von Weierstraß gilt:

∀ε > 0 ∃g ∈ L1(R) : F(g)|R\[−λ,λ ] = 0 und ‖f − g‖1 < ε.

Daher gilt fur |a| > λ

|F(f)(a)| = |F(f)(a)−F(g)(a)| ≤ ‖f − g‖1 < ε.

2

Satz 4.1.26 Sei f ∈ L1(R). Bezeichne

σλ(f)(x) =1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)F(f)(a)eixa da,

Dann gilt: σλ(f)(x)→ f(x) (λ→∞) fur fast alle x ∈ R.

In Stetigkeitspunkten von f konvergiert σλ(f)(x) gegen f(x).

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 73

Beweis Wir fuhren den Beweis analog zu jenem von Satz 3.5.14. Wir erhalten wie imSatz von Lebensgue 3.5.16 fur fast alle x ∈ R:

limh→0+

1

h

∫ h

0

∣∣∣∣f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

∣∣∣∣ dy = 0. (4.4)

Insbesondere gilt (4.4) in Stetigkeitspunkten von f .

Nun sei x ∈ R, so dass (4.4) gilt:

|σλ(f)(x)− f(x)| =

∣∣∣∣∫R

Fλ(y)(f(x− y)− f(x)) dy

∣∣∣∣≤ 2

∣∣∣∣∫ ∞

0

Fλ(y)

(f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

)dy

∣∣∣∣≤ 2

∫ ∞

0

Fλ(y)

∣∣∣∣f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

∣∣∣∣ dy.

Es gelten Fλ(y) ≤ 2πλy2 fur y 6= 0 und ‖Fλ‖∞ ≤ λ

2π.

Fur δ > 0 folgt∫ ∞

δ

Fλ(y)

∣∣∣∣f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

∣∣∣∣ dy ≤ 2

πλ

∫ ∞

δ

∣∣∣∣f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

∣∣∣∣ dy

y2

≤ 2M

πλδ2,

wobei M > 0 eine von λ, δ unabhangige Konstante ist.

Wir wahlen nun δ = λ−14 . Mit λ→∞ geht das Integral gegen 0.

Sei nun ohne Einschrankung λ > 1. Dann 1λ

< δ. Damit gilt∫ 1λ

0

Fλ(y)

∣∣∣∣f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

∣∣∣∣ dy ≤ λ

∫ 1λ

0

∣∣∣∣f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

∣∣∣∣ dy.

Dieses Integral verschwindet fur λ→∞, da x (4.4) erfullt.

Bleibt zu untersuchen: ∫ δ

Fλ(y)

∣∣∣∣f(x + y) + f(x− y)

2− f(x)

∣∣∣∣ dy.

Partielle Integration wie im Beweis von Satz 3.5.14 zeigt, dass das Integral fur genugendgroße λ beliebig klein werden kann. 2

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74 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beispiele 4.1.27 (Weitere Summationskerne auf R)

• Cauchy–Poisson-Kern

P (x) =1

π

(1

1 + x2

), Pλ(x) = λP (λx), λ ∈ ] 0,∞ [ .

ist ein Summationskern. (Siehe Abbildung 4.2.)

1

π

∫R

1

1 + x2dx =

1

πarctan(x)

∣∣∣∞x=−∞

= 1.

Also ist (Pλ)λ∈ ] 0,∞ [ ein Summationskern. Fur die Fourier-Transformierte gilt

F(Pλ)(a) = exp(−∣∣∣aλ

∣∣∣),denn

f(x) = χ[ 0,∞ [(x)e−x, F(f)(a) =1

1 + ia,

g(x) = χ]−∞,0 ](x)ex, F(g)(a) =1

1− ia.

Setze h(x) = f(x) + g(x) = e−|x|. Dann F(h)(a) = 21+a2 . Nun ist h,F(h) ∈ L1(R).

Also ist der Inversionssatz anwendbar.

F(Pλ)(a) =

∫R

Pλ(x)e−iax dx =λ

∫RF(h)(λx)e−iax dx

=1

∫RF(h)(y)e−i a

λy dy =F−1 h

(−a

λ

)= e−|

aλ|.

• Gauß-Kern

G(x) =1√π

e−x2

, Gλ(x) = λG(λx), λ ∈ ] 0,∞ [ .

(Siehe Abbildung 4.3.)

Es gilt∫

R G(x) dx = 1. Daher ist (Gλ)λ∈ ] 0,∞ [ ein Summationskern. Weiter gilt

F(G)(a) = exp (−(a

2

)2).

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-4 -2 2 4x

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

(a)

-4 -2 2 4a

0.2

0.4

0.6

0.8

1

(b)

-4 -2 2 4x

0.2

0.4

0.6

0.8

(c)-4 -2 2 4

a

0.2

0.4

0.6

0.8

1

(d)

Abbildung 4.2: (a) Der Cauchy–Poisson-Kern P und (b) seine Fourier-Integraltransformierte in L1(R). (c) Fur Skalierungen λ · P (λx), λ = 1, 2, 3wird der Cauchy–Poisson-Kern immer schmaler und hoher, (d) die Fourier-Integraltransformierte immer breiter.

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-2 -1 1 2x

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

(a)

-10 -5 5 10a

0.2

0.4

0.6

0.8

1

(b)

-2 -1 1 2x

0.25

0.5

0.75

1

1.25

1.5

(c)

-10 -5 5 10a

0.2

0.4

0.6

0.8

1

(d)

Abbildung 4.3: (a) Der Gauß-Kern G und (b) seine Fourier-Integral-transformierte in L1(R). (c) Fur Skalierungen λ · G(λx), λ = 1, 2, 3 wird derGauß-Kern immer schmaler und hoher, (d) die Fourier-Integraltransformierteimmer breiter.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 77

4.1.1 Anwendung: Die Warmeleitungsgleichung auf R

Betrachte die eindimensionale homogene Warmeleitungsgleichung

ut − kuxx = 0, x ∈ R, t > 0.

Hierbei ist u(x, t) die Temperaturfunktion am Ort x zur Zeit t und k eine Materialkon-stante.

Die Gleichung beschreibt die Warmeausbreitung in einem isolierten, unendlich langenStab.

Anfangsbedingung:u(x, 0) = f(x) fur alle x ∈ R.

Wir nehmen an, dass f, u(·, t), ut(·, t), ux(·, t), uxx(·, t) ∈ L1(R) ∩ C(R) und ebenso ihreFourier-Transformierten bezuglich der ersten Variable x.

Idee: Zur Losung der DGL betrachten wir nicht u sondern ihre Fourier-Transformierte Ubezuglich der Variablen x:

U(a, t) := F1(u)(a, t) =

∫R

u(x, t)e−ixa dx

Mit dem Satz von der majorisierten Konvergenz lasst sich zeigen, dass

Ut(a, t) =

∫R

ut(x, t)e−iax dx

und weiter aufgrund der Warmeleitungsgleichung

Ut(a, t) = k

∫R

uxx(x, t)e−iax dx

Unter zweifacher Anwendung des Lemmas 4.1.10 erhalten wir mit stetiger Fortsetzung fura = 0

Ut(a, t) = kF1(uxx)(a, t) = −ka2U(a, t),

also die simple gewohnliche Differentialgleichung

Ut + kw2U = 0.

Die allgemeine Losung lautetU(a, t) = A(a)e−ka2t.

Die Funktion A(a) bestimmen wir unter Verwendung der Anfangswerte:

A(a) = U(a, 0) =

∫R

u(x, 0)e−iax dx =

∫R

f(x)e−iax dx,

also A(a) = F(f)(a). Spezielle Losung:

U(a, t) = F(f)(a)e−ka2t.

Die Fourier-Inversionsformel und der Faltungssatz liefert mit dem Gauß-Kern

u(x, t) = f ∗ g(x, t), wobei g(x, t) =1

2√

πkte−

x2

4kt .

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78 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

4.1.2 Anwendung in der Signal-Analyse: Der ideale Tiefpass-Filter

Definition 4.1.28 Ein Signal f heißt zeitbeschrankt, falls es eine Konstante M > 0 gibtmit

f |R\[−M,M ] = 0.

Ein Signal f heißt bandbeschrankt, wenn es eine Konstante L > 0 gibt mit

F(f)|R\[−L,L ] = 0.

Sei f ∈ L1(R) und gelte F := F(f) ∈ L1(R) fur ihre Fourier-Transformierte. Wahle einL > 0 und definiere

FL(a) =

{F (a), |a| ≤ L,0 sonst.

Man sagt, f wird mit einem idealen Tiefpass h gefiltert:

f ∗ h

denn alle Frequenzen |a| > L werden aus dem Signal eliminiert.

Es gilt also auf der Frequenzseite

FL(a) = F (a) · χ[−L,L ](a).

Wir erhalten auf der Zeitseite eine Funktion fL, die bandbeschrankt ist, also einen genaudefinierten Frequenzbereich hat.

Anwendungen:

• Dies spielt bei der Signal-Ubertragung eine wesentliche Rolle, da die Bandbreiten,die zur Ubertragung bereit stehen, begrenzt sind.

• In der Signal-Analyse kann so hochfrequentes Rauschen entfernt werden.

Problem: h(t) = F−1(χ[−L,L ])(t) = sin tLtL

/∈ L1(R).

Ziel: Finde Tiefpasse h, die in L1(R) liegen, und damit die Faltung mit h wohldefiniertist. Dies fuhrt auf lineare zeitinvariante Filter.

4.1.3 Lineares zeitinvariantes Filtern

Klassische Operationen der Signal-Verarbeitung, wie Signal-Ubertragung, Entfernung sta-tionaren Rauschens (d.h. E{X(s)X(t)} = C(s− t)) oder Codierung werden uber linearezeitinvariante Operatoren implementiert. Dies sind Operatoren H, fur die gilt

Hf(t) = g(t) ⇒ H(f(· − b))(t) = g(t− b).

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 79

Mit Hilfe von Distributionen lassen sich die Integral-Kerne solcher linearen zeit-invariantenOperatoren charakterisieren.

Wir halten hier nur fest, dass fur h ∈ L1(R)

Hh(f)(t) =

∫R

h(x− t)f(x) dx = h ∗ f(t)

ein beschrankter linearer zeit-invarianter Operator Hh : L1(R)→ L1(R) ist:

Hh(f(· − b))(t) =

∫R

h(x− t)f(x− b) dx =

∫R

h(x + b− t)f(x) dx

=

∫R

h(x− (t− b))f(x) dx = Hh(f)(t− b).

Die zugehorigen Kerne h ∈ L1(R) heißen Filter.

In der Signalverarbeitung heißen die Fourier-Transformierten der Filter Fenster-Funktio-nen. Sie sollen dem Rechteck-Fenster, das zum idealen Tiefpass gehort, ahnlich sein, damitder zugehorige Filter den idealen Tiefpass-Filter simuliert.

Die folgenden Fenster spielen in der Signal-Verarbeitung eine Rolle:

• Rechteckfenster K(a) = χ[−1,1 ](a)

Achtung: K(a) ist nicht Fourier-Transformierte einer L1(R)-Funktion, da die zu-gehorige Filterfunktion sin(x)/x /∈ L1(R).

• Dreieckfenster K(a) = (1 − |a|) · χ[−1,1 ](a) entspricht der Fourier-Transformiertendes Fejer-Kerns.

• Von-Hann-Fenster K(a) = 12(1 + cos πa) · χ[−1,1 ](a)

• Blackman-Fenster K(a) = (0, 42 + 0, 5 cos πa + 0, 08 cos 4πa) · χ[−1,1 ](a)

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80 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

4.2 Die Plancherel-Transformation

Fur viele Anwendungen eignet sich eine Hilbert-Raum-Modellierung besser, da dort einSkalar-Produkt zur Verfugung steht. Wir zeigen in diesem Abschnitt die Erweiterung derFourier-Transformation im Hilbert-Raum L2(R).

Wir nutzen dabei, dass Cc(R), der Raum aller stetigen Funktionen mit kompaktem Tragerein Teilraum von L1(R) ∩ L2(R) ist und dicht liegt in L1(R) und L2(R) bezuglich derjeweiligen Topologie.

Lemma 4.2.1 Fur f ∈ Cc(R) gilt F(f) ∈ L2(R) und

1

∫R|F(f)(a)|2 da =

∫R|f(x)|2 dx.

Beweis (i) Sei supp f ⊂ [−π, π ]. Dann konnen wir f als Element f ∈ L2([−π, π ])betrachten. Mit den Ergebnissen zu Fourier-Reihen gilt∫

R|f(x)|2 dx =

∫ π

−π

|f(x)|2 dx =1

∑n∈Z

|f(n)|2 =1

∑n∈Z

|F(f)(n)|2.

Substitution: f(x)→ eiaxf(x) mit a ∈ R:∫R|f(x)|2 dx =

1

∑n∈Z

|F(f)(n + a)|2.

Der Satz von Beppo Levi liefert∫ 1

0

∑n∈Z

|F(f)(n + a)|2 da =∑n∈Z

∫ 1

0

|F(f)(n + a)|2 da =

∫R|F(f)(a)|2 da.

Hiermit folgt: ∫R|f(x)|2 dx =

1

∫R|F(f)(a)|2 da.

(ii) Falls supp f 6⊂ [−π, π ] skaliere und betrachte

g(x) =√

λf(λx) und F(g)(a) =1√λF(f)(

a

λ).

Dann gilt∫R|f(x)|2 dx =

∫R|g(x)|2 dx =

1

∫R|F(g)(a)|2 da =

1

∫R|F(f)(a)|2 da.

2

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 81

Da Cc(R) dicht in L2(R) liegt, konnen wir mit diesem Lemma die Fourier-Transformationvon Cc(R) auf L2(R) erweitern.

Sei f ∈ L2(R). Dann gibt es eine Folge {fn}n∈N ⊂ Cc(R) mit ‖f − fn‖2 → 0 fur n→∞.

Nach dem Lemma gilt fur die Fourier-Transformierten

‖F(fm)−F(fn)‖2 =√

2π‖fm − fn‖2.

Also bildet F(fn)}n∈N eine Cauchy-Folge in L2(R).

Da der Raum L2(R) vollstandig ist existiert eine Funktion P (f) = limn→∞F(fn) in L2(R).P (f) ist fast uberall definiert.

Wohldefiniertheit: Die Funktion P (f) ist unabhangig von der Wahl der Folge {fn}n∈N. Sei{gn}n∈N eine weitere Folge in Cc(R), die in der L2(R)-Norm gegen f konvergiert. Dann

‖fn − gn‖2 ≤ ‖fn − f‖2 + ‖f − gn‖2 → 0 fur n→∞.

Also auch‖F(fn)−F(gn)‖2 → 0 fur n→∞.

Definition 4.2.2 Sei f ∈ L2(R) und {fn}n∈N ⊂ Cc(R) eine beliebige Folge, die in L2(R)gegen f konvergiert. Der Grenzwert

P (f) = limn→∞

F(fn) ∈ L2(R)

in der L2(R)-Norm heißt Plancherel-Transformierte von f .

Bemerkung 4.2.3 Die Plancherel-Transformation und die Fourier-Transformation sindbeide auf L1(R) ∩ L2(R) definiert. Tatsachlich stimmen sie dort uberein:

Sei f ∈ L1(R)∩L2(R). Wahle eine Folge {fn}n∈N ⊂ Cc(R), die in L1(R) und L2(R) gegenf konvergiert. Dann gilt

‖F(fn)− P (f)‖2 → 0 und F(fn)(a)→ F(f)(a) fur alle a ∈ R und n→∞.

Da F(fn)−P (f) in L2(R), gibt es eine Teilfolge {nk}k∈N ⊂ N, so dass F(fn)(a)→ P (f)(a)fur fast alle a ∈ R. Also gilt F(f) = P (f) fast uberall.

Lemma 4.2.4 Fur f ∈ L1(R) ∩ L2(R) gilt F(f) = P (f) fast uberall. Weiter

1

∫R|F(f)(a)|2 da =

∫R|f(x)|2 dx.

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82 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 4.2.5 (Eine aquivalente Beschreibung der Plancherel-Transformation)

Sei f ∈ L2(R). Fur λ > 0 setze fλ := χ[−λ,λ ]f .

Dann ist fλ ∈ L1(R) ∩ L2(R) und F(fλ) ∈ L2(R).

Insbesondere gilt limλ→∞ ‖P (f)−F(fλ)‖2 = 0.

Beweis Wir zeigen zuerst fλ ∈ L1(R).∫R

χ[−λ,λ ](y)|f(y)| dy ≤(C.-S.-Ungl.)

(∫R|f(y)|2 dy

)1/2

(2λ)1/2 <∞.

Da auch fλ ∈ L2(R) gilt nach Lemma 4.2.4 F(fλ) ∈ L2(R).

Sei {gn}n∈N ⊂ Cc(R) eine Folge mit ‖f − gn‖2 → 0 fur n→∞. Dann

1√2π‖F(gn)−F(fλ)‖2 = ‖gn − fλ‖2 ≤ ‖gn − f‖2 + ‖f − fλ‖2 → 0

fur n→∞ und λ→∞. Damit

limλ→∞F(fλ) = P (f)

in der L2–Norm. 2

Wir wissen soweit, dass die Plancherel-Transformation P ein beschrankter linearer Ope-rator P : L2(R)→ L2(R) ist. Wir wissen weiter, dass

1√2π‖P (f)‖2 = ‖f‖2 ∀ f ∈ L2(R)

und daher P injektiv ist.

Zur Surjektivitat zeigen wir eine Inversionsformel.

Lemma 4.2.6 (Parseval) Fur f, g ∈ L2(R) gilt

〈P (f), g〉 = 〈P (g), f〉.

Beweis Sei f, g ∈ Cc(R). Der Satz von Fubini liefert

〈F(f), g〉 =

∫RF(f)(a)g(a) da =

∫R

∫R

f(x)e−iax dxg(a) da

=

∫R

f(x)F(g)(x) dx = 〈F(g), f〉.

Fur f, g ∈ L2(R) wahle konvergente Folgen {fn}n∈N, {gn}n∈N ⊂ Cc(R) mit fn → f undgn → g fur n→∞ in der L2(R)-Norm. Mit der Stetigkeit des Skalar-Produkts folgt

〈P (f), g〉 = limn,m→∞

〈F(fn), gm〉 = limn,m→∞

〈F(gm), fn〉 = 〈P (g), f〉.

2

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 83

Satz 4.2.7 (Inversionsformel) Sei f ∈ L2(R). Dann

f =1

2πP (P (f)) fast uberall.

Beweis Setze g := P (f). Aufgrund der Linearitat des Skalar-Produkts gilt:

‖f − 1

2πP (g)‖22 = ‖f‖22 − 〈f,

1

2πP (g)〉 − 〈 1

2πP (g), f〉+ ‖ 1

2πP (g)‖22.

Nach der Parseval-Gleichung gilt

〈f,1

2πP (g)〉 =

1

2π〈P (g), f〉 =

1

2π〈P (f), g〉 =

1

2π‖P (f)‖22 = ‖f‖22

und

〈 1

2πP (g), f〉 =

1

2π〈P (g), f〉 = ‖f‖22,

sowie

‖ 1

2πP (g)‖22 =

1

4π2‖P (g)‖22 =

1

2π‖g‖22 = ‖f‖22.

Damit folgt

‖f − 1

2πP (g)‖22 = 0

und die Behauptung. 2

Also ist P : L2(R)→ L2(R) ein topologischer Automorphismus.

Wir konnen zusammenfassen:

Satz 4.2.8 (Plancherel)

Der lineare Operator P : L2(R)→ L2(R) ist ein Isomorphismus von L2(R) auf L2(R).Er erfullt die folgenden Eigenschaften:

(i) Fur alle f, g ∈ L2(R) gilt

1

2π〈P (f), P (g)〉 = 〈f, g〉.

Insbesondere ist1√2π‖P (f)‖2 = ‖f‖2.

(ii) P (f) = F(f) fur f ∈ L1(R) ∩ L2(R).

(iii) P (f)(a) = limλ→∞∫ λ

−λf(x)e−iax dx in der L2-Norm.

(iv) f(x) = 12π

limλ→∞∫ λ

−λP (f)(a)eiax da in der L2-Norm.

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84 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beweis Wir mussen nur noch (i) zeigen. Mit der Formel von Plancherel und dem Inver-sionssatz gilt

1

2π〈P (f), P (g)〉 =

1

2π〈P (P (g)), f〉 = 〈g, f〉 = 〈f, g〉.

2

Ziel: Untersuchung der punktweisen Konvergenz von σλ(f) fur f ∈ L2(R).

Dazu fuhren wir die Faltung ∗ : L1(R)× Lp(R)→ Lp(R), 1 < p <∞, ein.

Wir definieren fur f ∈ Lp(R) und g ∈ L1(R)

g ∗ f(x) :=

∫R

f(x− y)g(y) dy.

Wir zeigen, dass g ∗ f fur fast alle x ∈ R existiert und dass g ∗ f ∈ Lp(R) mit ‖g ∗ f‖p ≤‖g‖1 ‖f‖p.Die Funktion

(x, y) 7→ |f(x− y)|p|g(y)|

ist meßbar. Wie in den anderen Beweisen zu Faltungsoperationen in L1(T) und L1(R)erhalten wir, dass die Funktion

x 7→∫

R|f(x− y)|p |g(y)| dy

fur fast alle x ∈ R existiert und integrierbar ist mit∫R

∫R|f(x− y)|p |g(y)| dy dx = ‖f‖pp‖g‖1.

Sei nun q der konjugierte Exponent: 1p

+ 1q

= 1.

Mit der Holder-Ungleichung folgt

|g ∗ f(x)| ≤∫

R|f(x− y)||g(y)| dy dx =

≤(∫

R|f(x− y)|p|g(y)| dy

)1/p(∫R|g(y)| dy

) 1q

.

Daher existiert g ∗ f(x) fur fast alle x ∈ R, und es gilt

‖g ∗ f‖p ≤ ‖g‖1q

1 ‖f‖p‖g‖1p

1 = ‖g‖1‖f‖p.

Hiermit folgt:

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 85

Satz 4.2.9 Sei g ∈ L1(R) und f ∈ L2(R). Dann ist

g ∗ f(x) =

∫R

f(x− y)g(y) dy

ein Element des L2(R) und es gilt ‖g ∗ f‖2 ≤ ‖g‖1‖f‖2.Die Plancherel-Transformation erfullt

P (g ∗ f) = F(g)P (f).

Beweis Es genugt, die Aussage uber Fourier- resp. Plancherel-Transformation zu zeigen.

Sei {fn}n∈N ⊂ Cc(R), so dass fn → f in der L2-Norm fur n → ∞. Dann sind g ∗ fn ∈L1(R) ∩ L2(R) und es gilt

‖g ∗ f − g ∗ fn‖2 ≤ ‖g‖1‖f − fn‖2.

Da die Fourier-Transformierte der L1-Funktion stetig und beschrankt ist durch ‖F(g)‖∞ ≤‖g‖1 gilt F(g)P (f) ∈ L2(R). Daher

‖P (f ∗ g)−F(g)P (f)‖2 ≤ ‖P (g ∗ f)− P (g ∗ fn)‖2 + ‖F(g)F(fn)−F(g)P (f)‖2≤√

2π‖g ∗ f − g ∗ fn‖2 + ‖F(g)‖∞‖F(fn)− P (f)‖2 → 0

fur n→∞. Also P (g ∗ f) = F(g)P (f). 2

Also ist mit f ∈ L2(R) auch Fλ ∗ f ∈ L2(R). Insbesondere gilt:

Fλ ∗ f(x) =1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)P (f)(a)eiax da.

Dies sieht man wie folgt:

Setze ϕ(a) = ∆λ(a)eiax. Dann gilt

F(ϕ)(y) =

∫R

∆λ(a)e−ia(y−x) da = Fλ(y − x).

Da ϕ stetig ist und kompakten Trager hat gilt F(ϕ) = P (ϕ). Mit dem Satz von Plancherelgilt:

Fλ ∗ f(x) =

∫R

Fλ(x− y)f(y) dy =

∫R

Fλ(y − x)f(y) dy =

∫R

P (ϕ)(y)f(y) dy

=

∫R

P (f)(a)ϕ(a) da =1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)P (f)(a)eiax da.

Mit analogen Methoden wie im Beweis von Satz 4.1.26 lasst sich zeigen:

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86 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 4.2.10 Sei f ∈ L2(R). Bezeichne

σλ(f)(x) =1

∫ λ

−λ

(1− |a|

λ

)P (f)(a)eiax da.

Dann gilt σλ(f)(x)→ f(x) fur λ→∞ fur fast alle x ∈ R.

(ohne Beweis)

4.3 Hermite-Funktionen als Orthonormal-Basis des

L2(R)

Bei den obigen Berechnungen haben Orthonormalbasen keine Rolle gespielt, ganz imGegensatz zur Entwicklung der Fourier-Reihen fur L2([−π, π ]). Wir betrachten nun dieEigenfunktionen der Plancherel-Transformierten P , die eine Orthonormalbasis bilden.

Mit der Inversionsformel fur die Plancherel-Transformation gilt

P (P (f))(a) = limλ→∞

∫ λ

−λ

P (f)(x)e−iax dx = 2πf(−a)

in der L2–Norm und daher weiter

P 4(f) = 4π2f.

Fur die Eigenwerte µ von P gilt daher µ4 = 4π2, d.h.,

µ = (−i)k√

2π, k = 0, 1, 2, 3.

Bezeichne mit

Hn(x) := (−1)nex2

(d

dx

)n

e−x2

, x ∈ R, n ∈ N0,

das n–te Hermite-Polynom. Wir zeigen, dass die Hermite-Funktionen

hn(x) :=1

n!e−x2/2Hn(x) =

(−1)n

n!ex2/2

(d

dx

)n

e−x2

, x ∈ R, n ∈ N0,

die Eigenfunktionen von P sind.

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-10 -5 5 10x

0.5

1

1.5

2

n = 0 -4 -2 2 4x

0.2

0.4

0.6

0.8

1

-10 -5 5 10x

-20

-10

10

20

n = 1

-4 -2 2 4x

-0.75

-0.5

-0.25

0.25

0.5

0.75

-10 -5 5 10x

100

200

300

400

n = 2

-4 -2 2 4x

-1

-0.8

-0.6

-0.4

-0.2

0.2

0.4

-10 -5 5 10x

-150

-100

-50

50

100

150

n = 3

-4 -2 2 4x

-0.6

-0.4

-0.2

0.2

0.4

0.6

-10 -5 5 10x

5000

10000

15000

20000

n = 4

-4 -2 2 4x

-0.2

0.2

0.4

-10 -5 5 10x

-6000

-4000

-2000

2000

4000

n = 5

-4 -2 2 4x

-0.2

-0.1

0.1

0.2

Abbildung 4.4: Links Hermite-Polynome vom Grad n, rechts die zugehorigenHermite-Funktionen.

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88 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 4.3.1 Die Hermite-Funktionen hn(x), n ∈ N0, sind Elemente von L1(R) ∩ L2(R)und erfullen

P (hn) = F(hn) = (−i)n√

2πhn fur alle n ∈ N0.

Beweis mittels vollstandiger Induktion nach n.

Sei n = 0.

h0(x) = e−x2/2 =√

πG

(x√2

)=√

2πG 1√2(x),

wobei G(x) = e−x2den Gauß-Kern bezeichnet. Es gilt h0 ∈ L1(R) ∩ L2(R) und

F(h0)(a) =√

2πe−a2/2 =√

2πh0(a)

folgt.

Gelte die Behauptung fur n ∈ N0. Durch Differentiation von hn erhalt man

h′n(x) = xhn(x)− (n + 1)hn+1(x).

Es gilt

F(hn+1)(a) = − 1

n + 1(iaF(hn)(a)− i(F(hn))′(a)) fur alle a ∈ R.

Unter Anwendung der Induktionsvoraussetzung erhalten wir

F(hn+1)(a) = − 1

n + 1

(−(−i)n+1a

√2πhn(a) + (−i)n+1

√2πh′n(a)

)= (−i)n+1

√2π

(− 1

n + 1

)(−ahn(a)− h′n(a))

= (−i)n+1√

2πhn+1(a)

und die Behauptung ist bewiesen. 2

Satz 4.3.2 (Wiener)

Die normierten Hermite-Funktionen

wn(x) =hn(x)

‖hn‖2, n ∈ N0,

bilden eine Orthonormalbasis des L2(R).

Insbesondere gilt fur jedes f ∈ L2(R)

f =∞∑

n=0

〈f, wn〉wn,

‖f‖22 =∞∑

n=0

|〈f, wn〉|2,

sowie

P (f) =√

2π∞∑

n=0

(−i)n〈f, wn〉wn.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 89

Beweis Die Orthogonalitatsrelationen∫R

Hm(x)Hn(x)e−x2

dx = 0 fur n 6= m

konnen mit partieller Integration bewiesen werden (Ubung).

Es genugt, die Vollstandigkeit zu zeigen. Die drei Gleichungen folgen dann aus der Ortho-normalbasis-Eigenschaft und der Isometrie-Eigenschaft der Plancherel-Transformation.

Sei f ∈ L2(R) mit 〈f, wn〉 = 0 fur alle n ∈ N0.

Wir zeigen: f = 0.

Dazu betrachten wir g(x) = f(x)e−x2/2 ∈ L1(R).

Mit dem Satz von der majorisierten Konvergenz gilt fur alle a ∈ R:

F(g)(a) =

∫R

f(x)e−x2/2e−iax dx

= limn→∞

∫R

f(x)e−x2/2

n∑k=0

(−ia)kxk

k!dx

= limn→∞

n∑k=0

(−ia)k

k!

∫R

f(x)e−x2/2xk dx.

Durch Induktion nach n lasst sich mit 〈f, wn〉 = 0 fur alle n ∈ N0 zeigen∫R

f(x)xne−x2/2 dx = 0.

Denn es gilt xn = anHn(x) + Q(x) fur ein Polynom Q vom Grad kleiner n. Dann gilt mitInduktion ∫

Rf(x)xne−x2/2 dx = c〈f, wn〉 = 0

fur eine Konstante c.

Hiermit folgt F(g) = 0, also nach dem Eindeutigkeitssatz auch g = 0 und weiter f = 0.

2

Bemerkung 4.3.3 Die Gleichung

P (f) =√

2π∞∑

n=0

(−i)n〈f, wn〉wn

kann auch als Definition fur die Plancherel-Transformierte dienen.

Umgekehrt kann man mit Hilfe von Orthogonal-Polynomen durch geeignete Maße, hiere−x2

dx, Orthonormalbasen des L2(R) erzeugen. Die zugehorigen Transformationen kon-nen wiederum zur Signal-Analyse genutzt werden.

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90 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

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Kapitel 5

Poisson-Summationsformel undAbtastsatz

Ziel: Beziehung zwischen der Fourier-Transformation auf L1(T) und L1(R).

5.1 Die Poisson-Summationsformel

Sei f ∈ L1(R). Definierefn(eit) = f(t + 2πn)

fur t ∈ [0, 2π[, n ∈ Z. Dann ist fn ∈ L1(T). Weiter gilt:∞∑

n=−∞

∫ 2π

0

|f(t + 2πn)| dt =

∫R|f(x)| dx <∞.

Mit dem Satz von Beppo Levi folgt:∫ 2π

0

∞∑n=−∞

|fn(eit)| dt =∞∑

n=−∞

∫ 2π

0

|fn(eit)| dt =

∫R|f(x)| dx <∞.

Damit ist

F (t) := 2π∞∑

n=−∞

fn(eit) (5.1)

absolut konvergent fur fast alle t ∈ [0, 2π[, und F ∈ L1(T).

Insbesondere:

‖F‖1 =1

∫ 2π

0

|F (t)| dt ≤∫ 2π

0

∞∑n=−∞

|fn(eit)| dt

=∞∑

n=−∞

∫ 2π

0

|fn(eit)| dt =

∫R|f(x)| dx = ‖f‖1.

91

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92 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 5.1.1 Sei f ∈ L1(R). Die Funktion F aus (5.1) erfullt ‖F‖1 ≤ ‖f‖1 und fur allek ∈ Z gilt:

F (k) = F(f)(k).

Beweis Wir nutzen erneut den Satz von Beppo Levi und erhalten fur k ∈ Z:

F (k) =1

∫ 2π

0

F (t)e−ikt dt =

∫ 2π

0

∞∑n=−∞

f(t + 2πn)e−ikt dt

=∞∑

n=−∞

∫ 2π

0

f(t + 2πn)e−ik(t+2πn) dt

=

∫R

f(x)e−ikx dx = F(f)(k).

2

Wenn wir wissen, dass F ∈ L1(T) durch seine Fourier-Reihe approximiert werden kann,dann impliziert die Gleichung oben die

Poisson-Summationsformel

2π∞∑

n=−∞

f(t + 2πn) =∞∑

n=−∞

F (n)eint. (5.2)

Ohne weitere Voraussetzungen ist dies nur eine formale Identitat. Es gibt in der LiteraturBeispiele, fur die (5.2) nicht punktweise gilt.

Daher nutzen wir den Fejer-Kern, um das folgende Resultat zu erhalten:

Satz 5.1.2 Sei f ∈ L1(R). Fur fast alle t ∈ [0, 2π[ gilt

2π∞∑

n=−∞

f(t + 2πn) = F (t) = limN→∞

N∑n=−N

(1− |n|

N + 1

)f(n)eint.

Beweis Wir wissen, dass fur F ∈ L1(T) die Fejer-Summe fast uberall gegen F konvergiert(Korollar 3.5.18). Mit Satz 5.1.1 folgt die Behauptung. 2

Ziel: Punktweise Poisson-Summationsformel

Satz 5.1.3 Sei f ∈ L1(R) ∩ C(R). Weiter seien die Partialsummen

FN(t) = 2πN∑

n=−N

f(t + 2πn)

gleichmaßig auf [0, 2π[ konvergent, und gelte {F(f)(k)}k∈Z ∈ l1(Z).

Dann gilt die Poisson-Summationsformel (5.2) punktweise fur alle t ∈ [0, 2π[.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 93

Beweis Nach unserer Annahme konvergieren die FN gleichmaßig gegen F , und auch∑∞n=−∞F(f)(n)eint konvergiert gleichmaßig gegen F . Damit gilt die Poisson-Summationsformel

fur alle t ∈ [0, 2π[. 2

Beispiel 5.1.4 (Periodisierung des Fejer-Kerns)

Sei k ∈ N. Betrachte den Fejer-Kern auf R

f(x) =k + 1

(sin((k + 1)x

2)

(k + 1)x2

)2

, x ∈ R.

Wir wissen, f ∈ L1(R). Die Partialsummen der Periodisierung liefert

FN(t) = (k + 1)N∑

n=−N

(sin((k + 1) t+2πn

2)

(k + 1) t+2πn2

)2

=(sin((k + 1) t

2))2

k + 1

N∑n=−N

(t

2+ nπ

)−2

.

Sie sind gleichmaßig konvergent auf t ∈ [0, 2π[. Weiter gilt F(f)(n) = 0 fur |n| ≥ k + 1

und f(n) = 1− |n|k+1

fur |n| ≤ k. Mit Satz 5.1.3 gilt fur jedes t ∈ [0, 2π[:

(sin((k + 1) t2))2

k + 1

∞∑n=−∞

(t

2+ nπ

)−2

=k∑

n=−k

(1− |n|

k + 1

)eint.

Die Formel fur den Fejer-Kern auf T liefert mit t2→ t:

(sin((k + 1)t))2

∞∑n=−∞

(t

2+ nπ

)−2

=(sin((k + 1)t))2

(sin(t))2.

Fur t /∈ Z folgt

1

(sin(t))2=

∞∑n=−∞

(t

2+ nπ

)−2

.

Zur Herleitung dieser Identitat nutzt man normalerweise die Theorie meromorpher Funk-tionen.

5.2 Die Poisson-Summationsformel und Funktionen

von beschrankter Variation

Wir benotigen eine Aussage zur Konvergenz der Fourier-Reihen:

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94 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 5.2.1 (Jordan)

Sei f ∈ L1(T). Habe f beschrankte Variation auf [a, b] ⊂ [0, 2π[:

supN∑

i=1

|f(xi)− f(xi−1)| <∞,

wobei das Supremum uber alle N und alle moglichen {xi}i genommen wird, wobei

a = t0 < t1 < . . . < tN = b.

Dann konvergiert die Folge (Sn(f))n∈N0 fur alle t ∈]a, b[. Der Grenzwert ist f(x), fallsf in x stetig ist, resp.

limh→0+

f(t + h) + f(t− h)

2,

je nachdem ob f stetig in t ist, oder nicht.

(ohne Beweis)

Korollar 5.2.2 Sei f ∈ L1(T). Betrachte sie als Funktion des abgeschlossenen Intervalls[0, 2π] uber die Indentifikation f(0) = f(2π). Wenn f von beschrankter Variation ist,dann konvergiert (Sn(f)(t)) gegen f(t), falls f dort stetig ist, oder gegen

limh→0+

f(t + h) + f(t− h)

2,

falls f in t unstetig ist.

Lemma 5.2.3 Sei f ∈ L1(R) von beschrankter Variation. Dann konvergieren die Parti-alsummen

FN(t) = 2πN∑

n=−N

f(t + 2πn)

gleichmaßig auf [0, 2π[.

Die Grenzfunktion F ist von beschrankter Variation auf [0, 2π[.

Beweis Sei Vn die totale Variation von f |[2πn,2π(n+1)].

Wahle t0 ∈ [0, 2π[ mit limN→∞∑N

n=−N |f(t0 + 2πn)| <∞.

Fur ε > 0 wahle n0 ∈ N mit ∑|n|≥n0

|f(t0 + 2πn)| < ε

2und

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 95∑|n|≥n0

Vn <ε

2.

Dann gilt fur jedes t ∈ [0, 2π[:∑|n|≥n0

|f(t + 2πn)| ≤∑|n|≥n0

|f(t0 + 2πn)|+∑|n|≥n0

|f(t + 2πn)− f(t0 + 2πn)|

≤∑|n|≤n0

|f(t0 + 2πn)|+∑|n|≥n0

Vn <ε

2+

ε

2< ε.

Also konvergiert FN absolut und gleichmaßig auf [0, 2π[.

Um zu zeigen, dass F von beschrankter Variation ist auf [0, 2π], betrachte

0 = t0 < t1 < . . . < tm = 2π.

Hiermit

m∑j=1

∣∣∣∣∣∞∑

n=−∞

f(tj + 2πn)−∞∑

n=−∞

f(tj−1 + 2πn)

∣∣∣∣∣≤

∞∑n=−∞

m∑j=1

|f(tj + 2πn)− f(tj−1 + 2πn)|

≤∞∑

n=−∞

Vn <∞.

2

Mit Lemma 5.2.3 und Korollar 5.2.2 erhalten wir

Satz 5.2.4 Sei f ∈ L1(R) von beschrankter Variation. Gelte

f(x) = limh→0+

f(x + h) + f(x− h)

2fur alle x ∈ R.

Dann gilt fur jedes t ∈ [0, 2π[ die Poisson-Summationsformel

2π∞∑

n=−∞

f(t + 2πn) = F (t) =∞∑

n=−∞

F(f)(n)eint.

Im folgenden benotigen wir noch

Lemma 5.2.5 Sei f ∈ L1(T) und g : T → C, wobei g von beschrankter Variation auf[−π, π] ist. Dann gilt:

1

∫ π

−π

f(t)g(−t) dt =∞∑

n=−∞

f(n)g(n).

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96 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beweis

N∑n=−N

f(n)g(n) =1

∫ π

−π

f(t)N∑

n=−N

g(n)e−int dt

=1

∫ π

−π

f(t)SN(g)(−t) dt.

Damit folgt ∣∣∣∣∣ 1

∫ π

−π

f(t)g(−t) dt−N∑

n=−N

f(n)g(n)

∣∣∣∣∣≤ 1

∫ π

−π

|f(t)||g(−t)− SN(g)(−t)| dt.

Nach dem Jordan-Kriterium sind die trigonometrischen Polynome gleichmaßig beschranktund konvergieren gegen g fur N →∞, bis auf abzahlbar viele Ausnahmepunkte (Korollar5.2.2). Lebesgue’s Satz von der majorisierten Konvergenz liefert die Behauptung. 2

5.3 Der Abtastsatz von Shannon, Whittaker und Ko-

tel’nikov

Ziel: Vollstandige Rekonstruktion einer Funktion f(t) anhand ihrer Abtastwerte f(tk),k ∈ Z.

Frage: Fur welche Funktionen gilt solch eine Rekonstruktion?

Wir betrachten im folgenden Funktionen f ∈ L2(R) ∩ C(R), mit P (f) ∈ L1(R).

Fourier-Inversionsformel fur diese Funktionen:

P (f) ∈ L1(R) ∩ L2(R) ⇒ P (P (f)) = F(P (f)).

Die Plancherel-Inversion liefert

2πf(−x) = P (P (f))(x) fur fast alle x ∈ R.

Da f und F(P (f)) stetig sind, gilt punktweise

f(x) =1

∫R

P (f)(a)eiax da.

Definiere nun

G(t) :=∞∑

n=−∞

P (f)(−t + 2πn).

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 97

Wie wir bereits wissen, ist G fur fast alle t definiert und ein Element von L1(T). Es gilt

G(k) =1

2πF(P (f))(−k) = f(k) ∀k ∈ Z.

Fur a ∈ R definiere

ea : T→ T, ea(t) = eiat.

ea ist eine Funktion von beschrankter Variation und es gilt

F(ea)(k) =1

∫ π

−π

ei(a−k)t dt

=sin π(a− k)

π(a− k)=: sinc(a− k).

sinc wird als Sinuskardinalis-Funktion bezeichnet.

Bezeichne fur obiges f

ϕf (a) :=∞∑

k=−∞

f(k)sinc(a− k)

formal die Kardinal-Reihe.

Es gilt: sinc(n − k) = δn,k, also ϕf (n) = f(n) fur alle n ∈ Z, d.h., ϕf interpoliert f inn ∈ Z.

Frage: In welchem Sinne konvergiert die Kardinalreihe?

Satz 5.3.1 Sei f ∈ L2(R), P (f) ∈ L1(R). Setze

G(t) =∞∑

n=−∞

P (f)(−t + 2πn).

Dann gilt fur alle a ∈ R:

ϕf (a) =∞∑

k=−∞

f(k)sinc(a− k) =1

∫ π

−π

G(t)e−iat dt.

Beweis Es ist G(t) ∈ L1(R). Weiter ist e−iat von beschrankter Variation. Lemma 5.2.5liefert die Behauptung. 2

Satz 5.3.2 Sei f ∈ L2(R) ∩ C(R), P (f) ∈ L1(R). Dann gilt

supx∈R|f(x)−

∞∑k=−∞

f(k)sinc(x− k)| ≤ 1

π

∫|a|>π

|P (f)(a)| da.

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98 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beweis Es gilt:

f(x) =1

∫R

P (f)(a)eiax da

=1

∞∑k=−∞

∫ (2k+1)π

(2k−1)π

P (f)(a)eiax da.

Nach Satz 5.3.1 und dem Satz von Beppo Levi gilt

ϕf (x) =1

∫ π

−π

G(t)e−ixt dt

=1

∫ π

−π

∞∑k=−∞

P (f)(−t + 2πk)e−ixt dt

=1

∞∑k=−∞

e−i2πkx

∫ (2k+1)π

(2k−1)π

P (f)(t)eixt dt.

Damit gilt:

f(x)− ϕf (x) =1

∞∑k=−∞

k 6=0

(1− e−2πkx)

∫ (2k+1)π

(2k−1)π

P (f)(a)eiax da.

Hiermit folgt

|f(x)− ϕf (x)| ≤ 1

π

∞∑k=−∞

k 6=0

∫ (2k+1)π

(2k−1)π

|P (f)(a)| da =1

π

∫|a|>π

|P (f)(a)| da.

2

Korollar 5.3.3 Sei f ∈ L2(R) ∩ C(R) mit P (f)|R\[−π,π] = 0 fast uberall. Dann gilt:

f(x) =∞∑

k=−∞

f(k)sinc(x− k) fur alle x ∈ R.

Dabei konvergiert diese Reihe absolut und gleichmaßig auf ganz R.

Beweis Da P (f) ∈ L2(R), gilt:

‖P (f)‖22 =∞∑

k=−∞

|(P (f)) (k)|2 =∞∑

k=−∞

|F(P (f))(k)|2 =∞∑

k=−∞

|f(k)|2.

Mit der Plancherel-Inversionsformel folgt:

2π‖f‖22 =∞∑

k=−∞

|f(k)|2. (5.3)

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 99

Speziell fur f(x) = sinc(b− x) mit b ∈ R fest gilt:

P (f)(a) = eibaχ[−π,π](a) fur fast alle a ∈ R.

Mit (5.3) erhalt man:

2π‖f‖22 = ‖P (f)‖22 = 2π =(5.3)

∞∑k=−∞

|sinc(b− k)|2.

Mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt:∑|n|≥N

|f(k)sinc(b− k)| ≤√

2π∑|n|≥N

|f(k)|2 → 0 for N →∞,

unabhangig von b.

2

Analoge Aussage fur andere Bandbreite:

Satz 5.3.4 Sei f ∈ L2(R) ∩ C(R) mit P (f) ∈ L1(R). Dann gilt fur alle w > 0:

supx∈R|f(x)−

∞∑k=−∞

f

(k

w

)sinc(wx− k)| ≤ 1

π

∫|a|>πw

|P (f)(a)| da.

Beweis Ersetze f in Korollar 5.3.3 durch fw(x) := f( xw). 2

Korollar 5.3.5 (Shannon (1949), Whittaker (1920), Kotel’nikov)

Sei f ∈ L2(R) mit P (f)|R\[−πw,πw] = 0 fast uberall fur ein w > 0.

Dann gilt fur alle x ∈ R:

f(x) =∞∑

k=−∞

f

(k

w

)sinc(wx− k).

Die Reihe konvergiert absolut und gleichmaßig.

Bemerkung 5.3.6 Satz 5.3.4 besagt insbesondere:

f(x) = limw→∞

∞∑k=−∞

f

(k

w

)sinc(wx− k)

fur alle x ∈ R.

Definition 5.3.7 Ist f ∈ L2(R) mit P (f)|R\[−δ,δ] = 0 fast uberall fur ein δ > 0, so heißtf bandbegrenzt.

Ist δ die kleinste Zahl mit dieser Eigenschaft, so heißt πδ

Nyquist-Rate.

Bemerkung 5.3.8 Die Nyquist-Rate ist der großtmogliche Abstand der Abtastwerte, sodass f noch rekonstruiert werden kann.

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100 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

5.4 Der Satz von Paley-Wiener

Wir stellen in diesem Abschnitt den Zusammenhang zwischen Fourier-Reihen und Ab-tastsatz her.

Die Verbindung liefert der Satz von Paley-Wiener:

Satz 5.4.1 (Paley-Wiener) Sei f ∈ L2(R). Dann sind aquivalent:

(i) P (f)|R\[−δ,δ] = 0 fast uberall fur ein δ > 0.

(ii) f kann erweitert werden zu einer ganzen Funktion f : C → C exponentiellen Typsδ, d.h.

|F (z)| ≤M exp(δ|z|) ∀z ∈ C

fur eine Konstante M > 0.

Beweisskizze (i) ⇒ (ii):

Sei P (f)|R\[−δ,δ] = 0 fast uberall. Dann ist F (z) =∫ δ

−δP (f)(t)eizt dt, z ∈ C, eine Erweite-

rung von f .

Die Holomorphie von F auf ganz C laßt sich mit dem Satz von Morera zeigen.

|F (z)| ≤∫ δ

−δ

|P (f)(t)|e−Im zt dt ≤ eδ|Im z|∫ δ

−δ

|P (f)(t)| dt ≤ eδ|z|2δ‖P (f)‖22,

also ist F von exponentiellem Typ hochstens δ.

Der Satz von Plancherel liefert die Quadratintegrierbarkeit:∫ ∞

∞|F (x)|2 dx = 2π

∫ δ

−δ

|P (f)(t)|2 dt <∞.

(ii) ⇒ (i): Sei

P (f)(a) =

∫ ∞

−∞f(x)e−iax dx in L2(R)

die Plancherel-Transformierte von f . Dann ist P (f) ∈ L2(R) und mit der Inversionsformelgilt

f(x) =1

∫ ∞

−∞P (f)(a)eiax da.

Wir mussen also nur zeigen, dass P (f) fast uberall ausßerhalb von [−δ, δ] verschwindet.Dies laßt sich mit dem Cauchy-Integralsatz erreichen. 2

Definition 5.4.2 Der Raum aller L2(R)-Funktionen mit P (f)|R\[−δ,δ] = 0 fast uberallheißt Paley-Wiener-Raum und wird mit PW 2

δ bezeichnet.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 101

L2([−π, π ]) l2(Z)

PW 2π

-

?

@@

@@

@@

@@R

Satz von

Paley-Wiener

Abtastsatz

Abbildung 5.1: Die Isometrien der Fourier-Transformation FT auf dem TorusT, des Paley–Wiener-Satzes PW und des Abtastsatzes T bilden ein kommu-tatives Diagramm.

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102 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

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Kapitel 6

Lokale Transformationen und dieHeisenbergsche Unscharferelation

Die Fourier-Integral-Transformation liefert keine Information uber lokale Eigenschaftenvon f , insbesondere kein

”lokales Frequenz-Spektrum“.

Im Gegenteil: Wenn die Funktion f lokal verandert wird, beinflusst das das gesamteFrequenz-Spektrum (siehe Abbildung 6.1).

Idee: Einschrankung von f auf ein Intervall f ·χ[−A,A ] und Betrachtung der zugehorigenFourier-Integral-Transformation.

Aber: Hartes Abschneiden der Funktion erzeugt kunstliche Unstetigkeitsstellen, die un-erwunscht sind.

Daher werden im Allgemeinen glattere Schnittfunktionen, sogenannte”Fenster“ ϕ ver-

wendet: f · ϕ.

(Achtung: Hier wird im Gegensatz zum Abschnitt uber lineares Filtern der Begriff Fensterauf der Zeit-Seite verwendet.)

6.1 Die Kurzzeit-Fourier-Transformation

engl. Short-Time-Fourier-Transform (STFT) oder auch Sliding-Window-Transform

Definition 6.1.1 Sei ϕ ∈ L1(R) ∩ L2(R) und f ∈ L2(R). Setze fur ω ∈ R und b ∈ R

Φb(f)(ω) =

∫R

f(x)ϕ(x− b)e−iwx dx = 〈f, Wb,ω〉,

wobei Wb,ω(x) = eiωxϕ(x− b).

Dann heißt Φb(f)(ω) Kurzzeit-Fourier-Transformation von f .

103

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104 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Da nach der Holder- und der Cauchy–Schwarz-Ungleichung f · ϕ(• − b) ∈ L1(R) undbezuglich b in L2(R) gelten fur die STFT analoge Eigenschaften wie jeweils fur die Fourier-und die Plancherel-Transformation. Wir werden dies an einem Spezialfall, der Gabor-Transformation untersuchen.

-10 -5 5 10x

0.2

0.4

0.6

0.8

1

-10 -5 5 10a

0.5

1

1.5

2

2.5

3

-10 -5 5 10x

0.2

0.4

0.6

0.8

1

-10 -5 5 10a

0.5

1

1.5

2

2.5

3

Abbildung 6.1: Oben: Links eine Funktion f und rechts der Betrag ihresFrequenz-Spektrum bezuglich der Fourier-Integral-Transformation auf L1(R).Unten: Die Funktion f wurde links lokal mit einer Storfunktion uberlagert.Dies wirkt sich global auf den Betrag ihres Frequenz-Spektrums aus.

6.2 Die Gabor-Transformation

(Dennis Gabor, Budapest 1900 – London 1979, Erfinder der Holographie, Nobel-Preis1971)

Sei

gs(x) :=1

2√

πse−x2

4s fur s > 0.

(Zur Erinnerung: gs(x) = Gλ(x) mit λ = 12√

s).

Definition 6.2.1 Sei f ∈ L2(R). Sei s > 0 und b ∈ R. Setze

Gsb (f)(ω) :=

∫R

f(x)gs(x− b)e−iωx dx.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 105

Gsb (f)(ω) heißt Gabor-Transformierte von f mit den Parametern s, b.

Die Gabor-Transformation ist eine sogenannte Zeit-Frequenz-Darstellung, wobei der Para-meter b den Zeitanteil, also den Ort des Fensters gs, und ω den Frequenz-Anteil modelliert.Der Parameter s beschreibt die

”Breite“ des Fensters.

6.2.1 Die Gabor-Transformation als Fourier- bzw. Plancherel-Transformierte — Sichtweise bezuglich der Variablen ω

Proposition 6.2.2 Sei f ∈ L2(R). Es gilt

(i) Gsb (f) ∈ Cb

u(R).

(ii) lim|ω|→∞ Gsb (f)(ω) = 0. (Abart des Riemann–Legesgue-Lemmas).

(iii) Gsb (f) ∈ L2(R).

Beweis Es gilt mit der Holder- und der Cauchy–Schwarz-Ungleichung f · gs(• − b) ∈L1(R) ∩ L2(R).

Damit giltGs

b (f) = F(f · gs(• − b))

und die Behauptungen (i) und (ii) folgen aus den Eigenschaften der Fourier-Integral-Transformation auf L1(R).

Ausserdem giltGs

b (f) = P (f · gs(• − b)),

und die Isometrie-Eigenschaft der Plancherel-Transformation auf L2(R) liefert die Be-hauptung (iii). 2

6.2.2 Die Gabor-Transformation aus Sicht bez. der Variablen b:Fenster-Verschiebung

Dazu definieren wir zuerst den Modulationsoperator

Mω : Lp(R) → Lp(R), 1 ≤ p ≤ ∞f 7→ eiω•f

fur alle ω ∈ R und den Translationsoperator

Tb : Lp(R) → Lp(R), 1 ≤ p ≤ ∞f 7→ Tbf = f(• − b)

fur alle b ∈ R.

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106 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 6.2.3 Sei f ∈ L2(R). Dann gilt:

(i) Die Abbildung Gs•(f)(ω) : R→ C, b 7→ Gs

b (f)(ω) ist stetig.

(ii) Gs•(f)(ω) ∈ L2(R) und ‖Gs

•(f)(ω)‖2 ≤ ‖gs‖1 · ‖f‖2 ∀s > 0,∀ω ∈ R.

(iii) P (Gs•(f)(ω)) = F(gs)P (Mωf) in L2(R), wobei F(gs)(a) = e−sa2

.

(iv) Fur f ∈ L1(R) ∩ L2(R) gilt Gs•(f)(ω) ∈ L1(R) ∩ L2(R) und∫

RGs

b (f)(ω) db = F(f)(ω) ∀ω ∈ R, s > 0.

Beweis

(i) Ergibt sich aus der Stetigkeit von R→ L2(R), b 7→ gs(• − b) und dem Satz von dermajorisierten Konvergenz.

(ii) Gsb (f)(ω) =

∫R e−iωxf(x)gs(x− b) dx = gs ∗ (M−ωf)(b)

fur die Faltung ∗ : L1(R)× L2(R)→ L2(R). Daher

‖Gs•(f)(ω)‖2 ≤ ‖gs‖1‖M−ωf‖2 = ‖gs‖1‖e−iω•f‖2 = ‖gs‖1‖f‖2.

(iii) P (Gs•(f)(ω)) = P (gs)P (M−ωf) = F(gs)P (M−ωf).

(iv) Gs•(f)(ω) = gs ∗M−ωf ∈ L1(R),

denn gs und f ∈ L1(R). Daher folgt:

F(Gs•(f)(ω))(a) = F(gs)(a)F(M−ωf)(a) ∀a ∈ R

und setze a = 0. Hiermit folgt die Behauptung.

2

Bemerkung 6.2.4 Die Familie {Gsb (f)(ω) : b ∈ R} zerlegt F(f)(ω) in eine Menge von

Gabor-Transformationen.

6.2.3 Fensterbreitenparameter s und Zeit-Frequenz-Lokalisati-on

Die Gabor-Transformation ist ein Spezialfall der lokalisierenden STFT. Ein Mass fur dieBreite des Fensters ist

∆gs :=1

‖gs‖2

(∫R

x2(gs(x))2 dx

) 12

.

(Standardabweichung zur”Dichte“ g2

s)

∆gs heißt Radius von gs.

Es gilt ∆gs =√

s. (Ubung.)

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 107

Satz 6.2.5 Sei f ∈ L2(R) und b, ω ∈ R. Dann gilt

Gsb (f)(ω) =

1

2√

πse−ibωG

14sω (P (f))(−b).

Beweis

Gsb (f)(ω) =

∫R

gs(x− b)f(x)e−ixω dx

= 〈f, gs(• − b)eiω•〉 =1

2π〈P (f), P (eiω•gs(• − b))〉

=1

2π〈P (f),F(eiω•gs(• − b))〉.

Es gilt

F(eiω•gs(• − b))(a) =

∫R

gs(x− b)eiωxe−iax dx

=

∫R

gs(x)e−i(a−ω)(x+b) dx = e−i(a−ω)bF(gs)(a− ω)

= e−i(a−ω)b · e−s(a−ω)2 = e−i(a−ω)b

√π

sg 1

4s(a− ω).

Damit folgt

Gsb (f)(ω) =

1

2π〈P (f), e−i(•−ω)be−s(•−ω)2〉

=1

∫R

P (f)(a)ei(a−ω)be−s(a−ω)2 da

= e−ibω 1

2√

πsG

14sω (Pf)(−b).

2

Bemerkung 6.2.6 Gsω(P (f))(−b) lokalisiert im Frequenz-Bereich mit Radius 1√

4s, wah-

rend Gsb (f)(ω) im Zeitbereich mit Radius

√s lokalisiert.

Das Mass fur die simultane Lokalisation in Zeit- und Frequenzbereich ist√

s · 1√4s

= 12.

Zeit-Frequenz-Fenster: [ b−√

s, b +√

s ]× [ ω − 12√

s, ω + 1

2√

s].

Satz 6.2.7 Seien f, g ∈ L2(R). Dann gilt∫R

∫RGs

b (f)(ω)Gsb (g)(ω) db dω =

√π√2s〈f, g〉.

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108 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beweis Ubung. 2

Satz 6.2.8 (Inversionssatz) Sei f ∈ L1(R) ∩ L2(R). In allen Punkten a ∈ R, in denenf stetig ist, gilt:

f(a) =

√2s

π

∫R

∫RGs

b (f)(ω)gs(a− b)eiωa db dω.

Beweis Sei {Fλ}λ∈ ] 0,∞ [ Fejer-Kern auf R. Es gilt Fλ ∈ L1(R) ∩ L2(R).

Approximiere f mit dem Fejer-Kern:

〈f, TaFλ〉 =

∫R

f(x)Fλ(x− a) dx =

∫R

f(x)Fλ(a− x) dx = f ∗ (Fλ)(a)

fast uberall und punktweise in Stetigkeitspunkten von f . Dort gilt auch punkteweiseKonvergenz:

limλ→∞〈f, TaFλ〉 = f(a).

Ferner gilt

Gsb (TaFλ)(ω) =

∫R

Fλ(x− a) gs(x− b) e−iωx dx

= e−iωb

∫R

Fλ(x− a) gs(x− b) e−iω(x−b) dx

= e−iωb

∫R

Fλ(y + b− a) gs(y) e−iωy dy

= e−iωb

∫R

Fλ(a− b− y) gs(y) e−iωy dy

= e−iωb (Fλ ∗M−ωgs)(a− b)

→ e−iωb M−ωgs(a− b) = gs(a− b) e−iωa fur λ→∞. (6.1)

Wende Satz 6.2.5 auf f und Fλ(• − a) an und nutze den Satz von der majorisiertenKonvergenz:

limλ→0

∫R

∫RGs

b (f)(ω)Gsb (TaFλ)(ω) db dω =

∫R

∫RGs

b (f)(ω) gs(a− b) eiωa db dω.

und

limλ→∞

√π

2s〈f, TaFλ〉 =

√π

2sf(a).

2

Fur eine Illustration der Gabor-Transformation in Abhangigkeit vom Parameter s sieheAbbildungen 6.2 und 6.3.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 109

-2 -1 1 2x

0.2

0.4

0.6

0.8

1

(a)

-3 -2 -1 1 2 3x

0.5

1

1.5

2

2.5

(b)

Abbildung 6.2: (a) Funktion f und (b) die Gauß-Kerne fur verschiedeneFenster-Breiten-Parameter s. In Abbildung 6.3 finden sich die zugehorigenGabor-Transformationen.

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110 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

-2 -1 0 1 2

b

-10

-5

0

5

10

omega

-2 -1 0 1 2

b

-10

-5

0

5

10

omega

s = 0.01 s = 0.05

-2 -1 0 1 2

b

-10

-5

0

5

10

omega

-2 -1 0 1 2

b

-10

-5

0

5

10

omega

s = 0.1 s = 0.25

-2 -1 0 1 2

b

-10

-5

0

5

10

omega

s = 0.5

Abbildung 6.3: Gabor-Transformationen zu den Funktionen aus Abbildung6.2 fur verschiedene Fenster-Breiten-Parameter s.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 111

6.3 Das Heisenberg-Unscharfe-Prinzip

Frage: Konnen wir eine Fensterfunktion ϕ fur die STFT finden, deren Energie sowohl inder Zeit als auch in der Frequenz gut lokalisiert ist?

Leider ist eine ideale Zeit-Frequenz-Analyse, also exakte Aussage, welche Frequenzen zueinem bestimmten Zeitpunkt auftreten, nicht moglich. Dem steht das Unscharfeprinzipentgegen, das besagt, dass

eine Funktion f und ihre Plancherel-Transformierte P (f) nicht beide beliebig kleine Tragerhaben konnen.

Definition 6.3.1 Sei ϕ ∈ L2(R) und√|x| · |ϕ(x)| ∈ L2(R).

(i) a∗ := 1‖ϕ‖22

∫R x · |ϕ(x)|2 dx

heißt Zentrum von ϕ.

(ii) ∆ϕ := 1‖ϕ‖2

(∫R(x− a∗)2|ϕ(x)|2 dx

) 12

heißt Radius von ϕ, gelegentlich auch mittlere Bandbreite oder mittlere Laufdauer.

Satz 6.3.2 (Die Heisenbergsche Unscharfe-Relation) Sei f ∈ L2(R). Dann gilt

1

∫R

x2 |f(x)|2 dx ·∫

Ra2 |P (f)(a)|2 da ≥ 1

4‖f‖42. (6.2)

(Auf der linken Seite ist hierbei”∞“ zugelassen.)

Gleichheit gilt genau dann, wenn f(x) = c · e−kx2fur k > 0 und c ∈ C.

Das Heisenberg’sche Unscharfe-Prinzip wurde in dieser Form, aber unter starkeren Vor-aussetzugen von Weyl bewiesen.

Wir benotigen zum Beweis den Schwartz-Raum S:

Er besteht aus allen Funktionen f ∈ C∞(R) fur die gilt:

sup|α|≤N

supx∈R

(1 + x2)N |Dα(f)(x)| <∞ (6.3)

fur beliebige N ∈ N0.

D.h. P ·Dαf ist eine beschrankte Funktion auf R fur jedes Polynom P und jeden Diffe-rentialoperator Dα der Ordnung α ∈ N0.

Da dies auch fur (1 + x2)NP (x) statt P (x) gilt, folgt, dass jedes P ·Dαf ∈ L1(R), denn

|P (x) ·Dαf(x)| ≤ const. 1(1+x2)N

Die Funktionen aus S nehmen also fur |x| → ∞ schneller ab als jede Potenz 1|x|m .

Die Funktionen mit diesen Eigenschaften bilden einen Vektorraum S, in welchem dieabzahlbare Menge von Normen (6.3) eine lokal-konvexe Topologie erzeugen.

Es gilt:

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112 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 6.3.3 (i) S ist ein Frechet-Raum, d.h ein vollstandiger lokal-konvexer metrisier-barer Raum.

(ii) Sei P ein Polynom, g ∈ S, α ∈ N. Dann ist jede der drei Abbildungen

f 7→ P · f, f 7→ g · f, f 7→ Dαf

eine stetige lineare Abbildung von S → S.

(iii) Die Fourier-Transformation ist eine stetige lineare Abbildung von S → S. Insbeson-dere F(f) ∈ S fur f ∈ S.

(iv) S ist dicht in L2(R).

(ohne Beweis, siehe Rudin, Functional Analysis, und Walter, Theorie der Distributionen)

Beweis von Satz 6.3.2:

Wir konnen annehmen:∫R

x2|f(x)|2 dx <∞,

∫R

a2|P (f)(a)|2 da <∞.

Damit ist dann insbesondere −iaP (f)(a) ∈ L2(R).

Bezeichne f ∗ := P−1(−iaP (f)(a)) ∈ L2(R) (nach Plancherel).

Damit gilt fur die linke Seite der Heisenberg-Ungleichung:

1

∫R

x2|f(x)|2 dx ·∫

Ra2|P (f)(a)|2 da

=1

∫R

x2|f(x)|2 dx ·∫

R| − iaP (f)(a)|2 da

=

∫R

x2|f(x)|2 dx

∫R|f ∗(x)|2 dx.

Die Cauchy-Schwarz-Ungleichung liefert mit

Re (xf ∗(x)f(x)) =1

2x(f ∗f + f ∗f)(x) :

∫R

x2|f(x)|2 dx

∫R|f ∗(x)|2 dx ≥

(∫R

x((f ∗f + f ∗f)(x))

2dx

)2

. (6.4)

Daher genugt es, zu zeigen:(∫R

x(f ∗f + f ∗f)(x) dx

)2

= ‖f‖42. (6.5)

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 113

1. Schritt:

Wir suchen eine Folge {fn}n∈N ∈ S mit

limn→∞

∫R(1 + a2)|P (fn)(a)− P (f)(a)|2 da = 0.

Wir konnen sie wie folgt erzeugen:

Nach den obigen Uberlegungen gilt aP (f)(a) ∈ L2(R) und P (f) ∈ L2(R). Damit auch

(1 + a2)12 P (f) ∈ L2(R).

Es existiert aufgrund der Dichte von S in L2(R) eine Folge {gn} ∈ S mit∫R|gn(a)− (1 + a2)

12 P (f)(a)|2 da→ 0 fur n→∞,

d.h. ∫R(1 + a2)| gn(a)

(1 + a2)12

− P (f)(a)|2 da→ 0 fur n→∞.

Wahle nun fn so, dass

P (fn)(a) =gn(a)

(1 + a2)12

.

Mit P (fn) ∈ S ist auch fn ∈ S. Dies sind die gesuchten fn.

2. Schritt:

Es gilt: ‖fn − f‖2 → 0 und ‖f ′n − f ∗‖2 → 0 fur n→∞.

Denn:

P (f ′n)(a) = F(f ′n)(a) = iaF(fn)(a) = iaP (fn)(a).

Hiermit

2π‖fn − f‖22 + 2π‖f ′n − f ∗‖22=

∫R|P (fn)(a)− P (f)(a)|2 da +

∫R

a2|P (fn)(a)− P (f)(a)|2 da→ 0

fur n→∞ nach dem 1. Schritt und dem Satz von Plancherel.

3. Schritt

Wir zeigen: |fn(x)− f(x)| → 0 mit n→∞ fur fast alle x ∈ R.

Dies sieht man wie folgt:

Es gilt P (fn)− P (f) ∈ L1(R) fur alle n ∈ N, denn∫R|P (fn)(a)− P (f)(a)| da

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114 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

=

∫R

(1 + a2)12

(1 + a2)12

|P (fn)(a)− P (f)(a)| da

≤(∫

R

da

1 + a2

) 12(∫

R(1 + a2)|P (fn)(a)− P (f)(a)|2 da

) 12

=: Bn → 0 fur n→∞.

Also P (fn)− P (f) ∈ L1(R) fur alle n ∈ N.

Da fn − f ∈ L2(R) folgt P (fn)− P (f) ∈ L1(R) ∩ L2(R) fur alle n ∈ N. Weiter

fn(x)− f(x) =1

∫R(P (fn)(a)− P (f)(a))eiax da

fast uberall. Daher

|fn(x)− f(x)| ≤ ‖P (fn)− P (f)‖1 ≤ Bn → 0

fur n→∞ fur fast alle x ∈ R.

Insbesondere gibt es c > 0 mit

|fn(x)− f(x)| ≤ c <∞ fast uberall.

4. Schritt

Wir zeigen nun (6.5).

Da f ∗ ∈ L2(R) gilt f ∗ ∈ L1([−R,R]) fur 0 < R <∞. Hiermit gilt:∣∣∣∣∫R(f ′nfn − f ∗f)(x) dx

∣∣∣∣≤

∫ R

−R

|(f ′nfn − f ′nf + f ′nf − f ∗f)(x)| dx

≤∫ R

−R

|f ′n(x)| · |(fn − f)(x)| dx +

∫ R

−R

|f(x)| · |(f ′n − f ∗)(x)| dx

≤ Bn

∫ R

−R

|f ′n(x)| dx +

(∫ R

−R

|f(x)|2 dx

) 12

︸ ︷︷ ︸<∞

·(∫ R

−R

|f ′n(x)− f ∗(x)|2 dx

) 12

︸ ︷︷ ︸→ 0 fur n→∞ nach 2. Schritt

.

Den ersten Term auf der rechten Seite schatzt man wie folgt ab ab:

Bn

∫ R

−R

|(f ′n − f ∗ + f ∗)(x)| dx ≤ Bn

∫ R

−R

|(f ′n − f ∗)(x)| dx︸ ︷︷ ︸→ 0

+ Bn︸︷︷︸→ 0

∫ R

−R

|f ∗(x)| dx︸ ︷︷ ︸<∞

→ 0

fur n→∞ fur festes R > 0, was mit ‖fn−f ∗‖2 → 0 fur n→∞ und der Cauchy-Schwarz-Ungleichung eingesehen werden kann.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 115

Insgesamt folgt

limn→∞

∫ R

−R

f ′n(x)fn(x) dx =

∫ R

−R

f ∗(x)f(x) dx,

und weiter ∫ R

−R

xf ′n(x)fn(x) dx→∫ R

−R

xf ∗(x)f(x) dx fur n→∞,

sowie ∫ R

−R

xf ′n(x)fn(x) dx→∫ R

−R

xf ∗(x)f(x) dx fur n→∞.

Zusammen folgt

limR→∞

limn→∞

∫ R

−R

x(f ′nfn + f ′nfn)(x) dx =

∫R

x(f ∗f + f ∗f)(x) dx,

wobei ∣∣∣∣∫R

x(f ∗f + f ∗f)(x) dx

∣∣∣∣ <∞nach den Uberlegungen am Anfang des Beweises.

Nun gilt nach der Produktregel:∫ R

−R

x(f ′nfn + f ′nfn)(x) dx =

∫ R

−R

x(|fn(x)|2)′ dx.

Folglich mit partieller Integration:

limR→∞

limn→∞

∫ R

−R

x(|fn(x)|2)′ dx

= limR→∞

limn→∞

x|fn(x)|2|x=Rx=−R −

∫ R

−R

|fn(x)|2 dx

= limR→∞

R(|f(R)|2 + |f(−R)|2)− ‖f‖22.

Da die linke Seite, sowie der zweite Term auf der rechten Seite endlich sind, gilt

limR→∞

R(|f(R)|2 + |f(−R)|2) existiert und ist ≥ 0.

5. Schritt: Dieser Limes ist 0.

Annahme:lim

R→∞R(|f(R)|2 + |f(−R)|2) = α > 0.

Dann gibt es ein R0 > 0 mit

R(|f(R)|2 + |f(−R)|2) ≥ α

2fur alle R > R0.

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116 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Hiermit folgt ∫ ∞

R0

|f(R)|2 + |f(−R)|2 dR ≥ α

2

∫ ∞

R0

1

RdR→∞

im Widerspruch zu f ∈ L2(R). Daher ist die Annahme falsch und es gilt α = 0.

Hiermit ist die Ungleichung (6.2) bewiesen.

6. Schritt:

Wir untersuchen nun, wann die Ungleichung (6.2) eine Gleichung wird.

Dazu betrachten wir die Ungleichung (6.4) aus den Uberlegungen zu Beginn des Beweises,die wir mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung erhalten haben.

Fur sie gilt die Identitat∫R

x2|f(x)|2 dx

∫R|f ∗(x)|2 dx =

(∫R

x((f ∗f + f ∗f)(x))

2dx

)2

genau dann, wenn f ∗(x) = Kxf(x) fast uberall, wobei K ∈ C eine Konstante ist.

Es gilt f ∗(x) = f ′(x) fast uberall, denn:

Nach dem 2. Schritt wissen wir ‖f ′n − f ∗‖2 → 0 fur n→∞. Dies impliziert

limn→∞

∫ x

0

f ′n(y) dy =

∫ x

0

f ∗(y) dy

fur jedes endliche Intervall [ 0, x ]. Aber die linke Seite ist gleich

limn→∞

fn(x)− fn(0) = f(x)− f(0)

fast uberall nach dem 3. Schritt. Daher ist f fast uberall gleich einer absolut stetigenFunktion.

Daher ist f ∗ fast uberall f ∗(x) = ddx

[f(x)] fur fast alle x ∈ R.

Hiermit folgt, dass in (6.4) gilt, genau dann, wenn

d

dx(f(x)) = Kxf(x) fur eine Konstante K ∈ C.

Fur x 6= 0 ist dies gleichbedeutend mit

1

x

d

dxf(x) = Kf(x).

Einsetzen liefert1

x

d

dx

(1

x

d

dxf(x)

)=

1

x

d

dx(Kf) = |K|2f(x)

⇐⇒(

1

x

d

dx

)2

f(x)− |K|2f(x) = 0,

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 117

⇐⇒(

1

x

d

dx− |K|

)(1

x

d

dx+ |K|

)f(x) = 0.

Es gilt (1

x

d

dx− |K|

)f = 0 ⇐⇒ 1

x

df

dx= −|K|f.

Umformen liefert f ′

f= −|K|x, und Integration ergibt log f = −|K|x2

2+ c und weiter

f(x) = c1e−|K|x2/2 ∈ L2(R).

Wenn ( 1x

ddx− |K|)(f) = 0, dann f(x) = c2e

|K|x2/2 /∈ L2(R).

Tatsachlich erfullt die Funktion f(x) = e−|K|x2/2 die Gleichung (6.2), denn fur f ∗(x) =Kxf(x) gilt: ∫

Rx2|f(x)|2 dx

∫R

a2|P (f)(a)|2 da =

(∫R|xf ∗(x)f(x)| dx

)2

=

(∫R|K|x2|f(x)|2 dx

)2

= |K|2(∫

Rx2|f(x)|2 dx

)2

= |K|2(∫

Rx2|f(x)|2 dx

)2

.

Weiter gilt fur f(x) = e−|K|x2/2 unter Verwendung der beiden Identitaten∫R

e−ax2

dx =

√π

aund

∫R

x2e−ax2

dx =

√π

2a−

32 :

einerseits:

|K|2(∫

Rx2|f(x)|2 dx

)2

= |K|2(∫

Rx2e−|K|x2

dx

)2

= |K|2 1

4|K|3(√

π)2 =π

4|K|.

Andererseits

1

4‖f‖42 =

1

4

(∫R|f(x)|2

)2

=1

4

(∫R

e−|K|x2

dx

)2

=1

4|K|(√

π)2 =π

4|K|.

2

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118 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

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Kapitel 7

Die Laplace-Transformation

Zur Geschichte:

Die Laplace-Transformation gehr zuruck auf Leonard Euler (1763/1769).

Sein Ziel war die Losungf von gewohnlichen linearen Differentialgelcihungen zweiter Ord-nung.

Laplace zitiert Euler bei seinen Untersuchungen der Transformation (1812).

Spitzer (1878) pragt die Namensgebung”Laplace-Transformation“.

7.1 Definition und grundlegende Eigenschaften

Definition 7.1.1 Sei f : ] 0,∞ [→ C, s ∈ C. Die Laplace-Transformation L(f)(s) istdefiniert als das uneigentliche Riemann-Integral

L(f)(s) =

∫ ∞

0

f(t)e−st dt = limα→0

limτ→∞

∫ τ

α

f(t)e−st dt

fur alle s ∈ C, fur welche der Limes existiert.

Es ist von Interesse, in welchem Gebiet in C die Laplace-Transformation existiert.

Beispiele 7.1.2 (i) Sei f(t) = 1 fur t ≥ 0.

L(f)(s) =

∫ ∞

0

1 · e−st dt = limτ→∞

e−st

−s

∣∣∣τt=0

= limτ→∞

(e−sτ

−s+

1

s

)=

1

s

fur Re s > 0. Also

L(1)(s) =1

sfur Re s > 0.

Fur Re s ≤ 0 ist die Laplace-Transformierte nicht definiert.

119

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120 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

(ii) Fur die Funktion f(t) = exp(t2) gilt

limτ→∞

e−stet2 dt = limτ→∞

∫ τ

0

et2−st dt =∞

fur jede Wahl der Variablen s, da der Integrand zu schnell wachst.

Wir definieren im folgenden eine Klasse von Funktionen fur die die Laplace-Transformationin geeigneten Gebieten von C konvergiert.

Definition 7.1.3 (i) Eine Funktion f besitzt eine Sprung-Unstetigkeitsstelle am Punktt0, wenn beide Limiten

limt→t0−

f(t) = f(t0−) und limt→t0+

f(t) = f(t0+)

existieren und f(t0−) 6= f(t0+).

(ii) Eine Funktion f : [ 0,∞ [→ C heißt stuckweise stetig, wenn

limt→0+

f(t) = f(0+) existiert,

und f auf jedem endlichen Intervall ] 0, b [ stetig ist, außer an endlich vielen Aus-nahmepunkten τ1, ..., τN ∈ ] 0, b [ , an welchen Sprungunstetigkeitsstellen vorliegen.

Insbesondere ist f dann beschrankt auf [ 0, b [ und dort Riemann-integrierbar.

(iii) Eine Funktion f besitzt exponentielles Wachstum der Rate hochstens α > 0, wennes eine Konstante M > 0 gibt mit

|f(t)| ≤Meαt, t ≥ t0,

fur ein geeignetes t0 > 0.

Satz 7.1.4 Sei f eine stuckweise stetige Funktion auf [ 0,∞ [ und von exponentiellemWachstum mit Rate hochstens α. Dann existiert die Laplace-Transformierte L(f)(s)fur alle Re s > α und sie konvergiert absolut.

Beweis Es gibt nach Voraussetzung ein α > 0 mit

|f(t)| ≤M1eαt, t ≥ t0.

Da f stuckweise stetig auf [ 0, t0 ] und daher dort beschrankt ist, gibt es M2 > 0 mit

|f(t)| ≤M2. 0 < t < t0.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 121

Da eαt auf 0 ≤ t ≤ t0 beschrankt ist, gibt es M > 0 mit

|f(t)| ≤Meαt, t > 0.

Hiermit ∫ τ

0

|e−stf(t)| dt ≤ M

∫ τ

0

e−(Re s−α)t dt =Me−(Re s−α)t

−(Re s− α)

∣∣∣τt=0

=M

Re s− α− Me−(x−α)τ

Re s− α.

Unter Beachtung, dass Re s > α, gilt fur τ →∞:∫ ∞

0

|e−stf(t)| dt ≤ M

Re s− α.

Also konvergiert die Laplace-Transformation (absolut) fur Re s > α. 2

Beispiele 7.1.5 (i) f(t) = t, t ≥ 0, ist stetig und von exponentiellem Wachstum.

L(f)(t) =

∫ ∞

0

te−st dt =−te−st

s

∣∣∣∞t=0

+1

s

∫ ∞

0

e−st dt

=1

sL(1)(s) =

1

s2,

falls Re s > 0.

Durch zweifache partielle Integration erhalt man

L(t2)(s) =

∫ ∞

0

e−stt2 dt =2

s3fur Re s > 0.

Mit vollstandiger Induktion kann man allgemein zeigen:

L(tn) =n!

sn+1fur Re s > 0 und n ∈ N.

(ii) Betrachte f(t) = 2tet2 cos(et2). Diese Funktion ist stetig auf [ 0,∞ [ , aber nicht vonexponentiellem Wachstum mit einer Rate α > 0. Trotzdem existiert die Laplace-Transformierte, denn partielle Integration liefert

L(f)(s) =

∫ ∞

0

e−st2tet2 cos(et2) dt

= e−st sin(et2)∣∣∣∞t=0

+ s

∫ ∞

0

e−st sin(et2) dt = − sin(1) + sL(sin(et2))

fur Re s > 0.

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122 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Satz 7.1.6 (i) (Linearitat)

Konvergiere die Laplace-Transformation von f fur Re s > α und jene von g furRe s > β. Dann konvergiert die Laplace-Transformation von f + g fur Re s >max(α, β). Insbesondere gilt dort fur A, B ∈ C:

L(Af + Bg)(s) = AL(f)(s) + BL(g)(s).

(ii) Sei f : [0,∞[→ C stuckweise stetig und von exponentiellem Wachstum mit Rate α.Dann konvergiert die Laplace-Transformierte L(f) gleichmaßig.

Weiter giltL(f)(s)→ 0 fur Re s→∞.

(iii) (Erster Translationssatz)

Sei F (s) = L(f)(s) fur Re s > 0. Dann gilt fur a ∈ R

F (s− a) = L(ea•f)(s) fur Re s > a.

(iv) (Zweiter Translationssatz)

Sei F (s) = L(f)(s) fur Re s > 0. Bezeichne fur a ≥ 0

ua(t) =

{1 fur t ≥ a,0 sonst,

die Heaviside-Stufenfunktion.

Dann gilt:L(uaf(• − a))(s) = e−asF (s) fur Re s > 0.

Beweis Zu (i): Klar.

Zu (ii): Analog zu den beiden Spezialfallen in der Ubung.

Zu (iii): Fur Re s > a gilt

F (s− a) =

∫ ∞

0

e−(s−a)tf(t) dt =

∫ ∞

0

e−steatf(t) dt

= L(ea•f)(s).

Zu (iv): Es gilt fur Re s > 0:∫ ∞

0

e−stua(t)f(t− a) dt =

∫ ∞

a

e−stf(t− a) dt =

∫ ∞

0

e−s(t−a)f(t) dt

= e−as

∫ ∞

0

e−stf(t) dt = e−asF (s).

2

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 123

Satz 7.1.7 (Laplace-Transformation unendlicher Reihen)

Sei f(t) =∑∞

n=0 antn fur t ≥ 0 konvergent, und gelte

|an| ≤Kαn

n!

fur alle genugend großen n ∈ N und α, K > 0.

Dann gilt fur Re s > α:

L(f)(s) =∞∑

n=0

anL(tn) =∞∑

n=0

ann!

sn+1.

Bemerkung 7.1.8 Die verallgemeinerte Laplace-Transformation fur Potenzreihen

∞∑n=0

anzn, z ∈ C,

wird in der Funktionentheorie oft mit Borel-Transformation bezeichnet (siehe Boas, EntireFunctions). Fur sie wird entlnag eines Strahls reiθ, r ∈ [ 0,∞ [ , integriert. Die Laplace-Transformierte konvergiert dann außerhalb einer konvexen Menge in C.

Beweis von Satz 7.1.7:

Da f eine konvergente Potenzreihe ist, ist f stetig auf [ 0,∞ [. Wir zeigen dass die Differenz∣∣∣∣∣L(f)(s)−N∑

n=0

anL(tn)(s)

∣∣∣∣∣ ≤∫ ∞

0

e−Re st|f(t)−N∑

n=0

antn| dt→ 0 fur n→∞.

Um dies zu zeigen, betrachte∣∣∣∣∣f(t)−N∑

n=0

antn

∣∣∣∣∣ =

∣∣∣∣∣∞∑

n=N+1

antn

∣∣∣∣∣ ≤ K∞∑

n=N+1

(αt)n

n!= K

(eαt −

N∑n=0

(αt)n

n!

).

Hiermit gilt aufgrund der Positivitat aller Terme∫ ∞

0

e−Re st

∣∣∣∣∣f(t)−N∑

n=0

antn

∣∣∣∣∣ dt ≤ K

∫ ∞

0

e−Re st

(eαt −

N∑n=0

(αt)n

n!

)dt

= K

(1

Re s− α−

N∑n=0

αn

(Re s)n+1

)= K

(1

Re s− α− 1

Re s

N∑n=0

( α

Re s

)n)→ 0

fur N →∞ und Re s > α mit der geometrischen Reihe∑∞

n=0 zn = 11−z

fur |z| < 1. Daher

L(f)(s) = limN→∞

N∑n=0

anL(tn)(s) =∞∑

n=0

ann!

sn+1, fur Re s > α.

2

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124 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Frage: Wie sieht die Laplace-Transformierte fur periodische Funktionen aus?

Sei f eine stuckweise stetige Funktion auf R mit Periode T > 0.

Definiere uber

FT (s) :=

∫ T

0

e−stf(t) dt

die Laplace-Transformierte einer Funktion, die uber eine Periode gleich f ist und sonstverschwindet.

Proposition 7.1.9 Sei F (s) = L(f)(s) und f periodisch mit Periode T . Dann gilt:

F (s) =1

1− e−sTFT (s) fur Re s ≥ 0.

Beweis

F (s) =

∫ ∞

0

e−stf(t) dt =

∫ T

0

e−stf(t) dt +

∫ ∞

T

e−stf(t) dt

=

∫ T

0

e−stf(t) st + e−sT

∫ ∞

0

e−st f(t + T )︸ ︷︷ ︸= f(t)

dt =

∫ T

0

e−stf(t) dt + e−sTL(f)(s)

=

∫ T

0

e−stf(t) dt + e−sT F (s).

Auflosen nach F (s) liefert die Behauptung. 2

Satz 7.1.10 (Faltungssatz)

Seien f(t), g(t) fur t ∈ [0,∞[ stuckweise stetige Funktionen von exponentiellem Wachs-tum mit Rate hochstens α > 0. Bezeichne

f ∗ g(t) =

∫ t

0

f(u)g(u− t) du

die Faltung von f mit g.

Dann gilt:L(f ∗ g)(s) = L(f)(s) · L(g)(s) fur Re s > α.

Beweis Setze f , g auf ]−∞, 0 [ durch die Nullfunktion fort.

L(f)(s) · L(g)(s) =

∫ ∞

0

e−stf(t) dt ·∫ ∞

0

e−sug(u) du

=

∫ ∞

0

∫ ∞

0

e−s(t+u)f(t)g(u) du dt =u→u−t

∫ ∞

0

∫ ∞

t

e−suf(t)g(u− t) du dt

=(Fortsetzung von g)

∫ ∞

0

∫ ∞

0

e−suf(t)g(u− t) du dt.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 125

Da L(f)(s) und L(g)(s) fur Re s > α absolut konvergieren, konvergiert dort auch∫ ∞

0

∫ ∞

0

|e−suf(t)g(u− t)| du dt <∞.

Daher konnen wir die Integrationsreihenfolge vertauschen und es gilt unter Beachtung desTragers von g:

L(f)(s)L(g)(s) =

∫ ∞

0

∫ ∞

0

e−suf(t)g(u− t) dt du =

∫ ∞

0

e−su

∫ u

0

f(t)g(u− t) dt du

= L(f ∗ g)(s).

2

7.2 Differentiations- und Integrationssatze

Satz 7.2.1 Sei f(t) stuckweise stetig auf [ 0,∞ [ und von exponentiellem Wachstum mitRate hochstens α > 0.

Dann ist F (s) = L(f)(s) analytisch fur Re s > α.

Beweis mit den Cauchy-Differentialgleichungen.

Wir konnen ohne Einschrankung annehmen, dass f reell ist.

Fur s = x + iy gilt

F (s) =

∫ ∞

0

e−(x+iy)tf(t) dt

=

∫ ∞

0

e−xtf(t) cos yt dt + i

∫ ∞

0

−ie−xtf(t) sin yt dt

=: u(x, y) + iv(x, y).

Betrachte nun ∣∣∣∣∫ ∞

t0

d

dxe−xt cos ytf(t) dt

∣∣∣∣ =

∣∣∣∣∫ ∞

t0

−te−xt cos ytf(t) dt

∣∣∣∣≤

∫ ∞

t0

te−xt|f(t)| dt ≤ M

∫ ∞

t0

eδte−xteαt dt

≤ M

x− α− δe−(x−α−δ)t0

fur ein beliebig kleines δ > 0. Dann gilt fur x ≥ x0 > α, dass die rechte Seite fur großest0 beliebig klein werden kann. Damit folgt, dass das Integral∫ ∞

0

d

dxe−xt cos ytf(t) dt

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126 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

gleichmaßig fur x ≥ x0 > α konvergiert. Analoges gilt fur∫ ∞

0

d

dy(− sin yt)e−xtf(t) dt.

Da diese beiden Integrale gleichmaßig und L(f) absolut konvergieren, kann die Differen-tiation unter das Integral gezogen werden und es gilt

d

dxu(x, y) =

∫ ∞

0

d

dxe−xt cos ytf(t)

=

∫ ∞

0

−te−xt cos ytf(t) dt

=

∫ ∞

0

d

dy(− sin yte−xtf(t)) dt =

d

dyv(x, y).

Analog laßt sich zeigen: ddy

u(x, y) = − ddx

v(x, y).

Diese partiellen Ableitungen sind stetig als gleichmaßiger Limes uber das Integral einerstuckweise stetigen Funktion. Daher folgt mit den Cauchy-Riemann-Differentialgleichungen,dass F (s) analytisch ist fur Re s > α, da x0 beliebig gewahlt werden kann. 2

Proposition 7.2.2 Sei f stuckweise stetig auf [ 0,∞ [ von exponentiellem Wachstum derRate hochstens α und gelte

F (s) = L(f)(s) fur Re s > α.

Dann giltdn

dsnF (s) = L((−1)n(•)nf)(s)

fur n ∈ N und Re s > α.

Beweis

d

dsF (s) =

d

ds

∫ ∞

0

e−stf(t) dt =

∫ ∞

0

d

dse−stf(t) dt

=

∫ ∞

0

−te−stf(t) dt = L(−tf(t))(s),

da e−stf(t) und dds

e−stf(t) stuckweise stetig sind und L(f), sowie L(−(•)f) gleichmaßigkonvergieren fur Re s ≥ x0 > α.

Da x0 beliebig ist, gilt die Gleichung fur Re s > α.

Mit vollstandiger Induktion folgt die Behauptung fur alle n ∈ N. 2

Proposition 7.2.3 Sei f stuckweise stetig auf [ 0,∞ [ und von exponentiellem Wachstummit Rate hochstens α > 0.

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 127

Sei F (s) = L(f)(s) und existiere limt→0+f(t)

t.

Dann gilt fur reelle s > α: ∫ ∞

s

F (x) dx = L(

f

(•)

)(s).

Beweis Betrachte fur x ∈ R

F (x) =

∫ ∞

0

e−xtf(t) dt.

Integration auf beiden Seiten liefert fur s > 0:∫ ∞

s

F (x) dx = limτ→∞

∫ τ

s

(∫ ∞

0

e−xtf(t) dt

)dx.

Da∫∞

0e−xtf(t) dt gleichmaßig konvergiert fur α < s ≤ x ≤ τ , konnen wir die Integrati-

onsreihenfolge vertauschen:∫ ∞

s

F (x) dx = limτ→∞

∫ ∞

0

(∫ τ

s

e−xtf(t) dx

)dt

= limτ→∞

∫ ∞

0

e−xt

−tf(t)

∣∣∣∣τx=s

dt

=

∫ ∞

0

e−st f(t)

tdt− lim

τ→∞

∫ ∞

0

e−τt f(t)

tdt︸ ︷︷ ︸

→ 0 nach Satz 7.1.6 (ii)

= L(

f

(•)

)(s).

Das erste Integral existiert, da nach Voraussetzung limt→0+f(t)

texistiert. 2

Um Differentialgleichungen losen zu konnen, benotigen wir die Laplace-Transformierteder Ableitung f ′ einer Funktion f :

Satz 7.2.4 (Uber Ableitungen)

(i) Sei f stetig auf [ 0,∞ [ und von exponentiellem Wachstum mit Rate hochstens α > 0.Sei weiter f ′ stuckweise stetig auf [ 0,∞ [ .

Dann gilt:L(f ′)(s) = sL(f)(s)− f(0+) fur Re s > α.

(ii) Seien f , f ′,. . . ,f (n−1) stetig auf ] 0,∞ [ und von exponentiellem Wachstum mit Ratehochstens α > 0. Sei f (n) stuckweise stetig auf [ 0,∞ [ .

Dann gilt fur Re s > α:

L(f (n))(s) = snL(f)(s)− sn−1f(0+)− sn−2f ′(0+)− . . .− f (n−1)(0+).

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128 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Beweis Zu (i):

Partielle Integration liefert

L(f ′)(s) =

∫ ∞

0

e−stf ′(t) dt = limδ→0+

limτ→∞

∫ τ

δ

e−stf ′(t) dt

= limδ→0+

limτ→∞

e−stf(t)∣∣∣τt=δ

+ s

∫ τ

δ

e−stf(t) dt

= limδ→0+

limτ→∞

e−sτf(τ)− e−sδf(δ) + s

∫ τ

δ

e−stf(t) dt

= −f(0) + s

∫ ∞

0

e−stf(t) dt = sL(f)(s)− f(0+) fur Re s > α.

Zu (ii): Folgt mit Teil (i) und vollstandiger Induktion nach n. 2

Bemerkung 7.2.5 In diesem Satz (i) mussten wir nicht voraussetzen, dass f von expo-nentiellem Wachstum ist. Vergleiche dazu auch Beispiel 7.1.5(ii).

Proposition 7.2.6 Sei f stuckweise stetig auf [ 0,∞ [ und von exponentiellem Wachstummit Rate hochstens α ≥ 0 und bezeichne

g(t) =

∫ t

0

f(u) du.

Dann

L(g)(s) =1

sL(f)(s), Re s > α.

Beweis Da g′(t) = f(t) außer an den Sprungunstetigkeitsstellen von f , liefert partielleIntegration ∫ ∞

0

e−stg(t) dt = limτ→∞

g(t)e−st

−s

∣∣∣τt=0

+1

s

∫ τ

0

e−stf(t) dt

= limτ→∞

g(τ)e−sτ

−s+

1

s

∫ τ

0

e−stf(t) dt,

da g(0) = 0. Es gilt fur Re s > α > 0:

|g(τ)e−sτ | ≤ e−Re sτ

∫ τ

0

|f(t)| dt ≤ Me−Re sτ

∫ τ

0

eαt dt

≤ Me−Re sτ

∫ τ

0

eαt dt =M

α(e−(Re s−α)τ − e−Re sτ ) → 0

fur τ →∞ fur Re s > α > 0.

Fur α = 0 ist |g(τ)e−sτ | ≤Me−Re sττ → 0 fur τ →∞ und Re s > 0. Daher

L(g)(s) =1

sL(f)(s).

2

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 129

Satz 7.2.7 (Asymptotisches Verhalten)

Angenommen, f , f ′ erfullen die Voraussetzungen von Satz 7.2.4 (i). Bezeichne F (s) =L(f)(s).

(i) (Anfangswert-Satz)

Fur reelle s gilt dann

f(0+) = limt→0+

f(t) = lims→∞

sF (s).

(ii) (Endwert-Satz)

Zusatzlich existiere limt→∞ f(t). Dann gilt fur reelle s

limt→∞

f(t) = lims→0

sF (s).

Beweis

Zu (i):

Wir wissen G(s) := L(f ′)(s)→ 0 fur s→∞ nach Satz 7.1.6 (ii). Nach dem Ableitungssatz7.2.4 ist

G(s) = sF (s)− f(0+) fur s > α.

Daher0 = lim

s→∞G(s) = lim

s→∞sF (s)− f(0+) ⇒ f(0+) = lim

s→∞sF (s).

Zu (ii):

Nach Voraussetzung ist f von exponentiellem Wachstum mit Rate α = 0. Mit dem Ab-leitungssatz 7.2.4 folgt

G(s) = L(f ′)(s) = sF (s)− f(0+), s > 0.

Limesbildung liefertlims→0

G(s) = lims→0

sF (s)− f(0+).

Andererseits

lims→0

G(s) = lims→0

∫ ∞

0

e−stf ′(t) dt =(∗)

∫ ∞

0

f ′(t) dt

= limτ→∞

∫ τ

0

f ′(t) dt = limτ→∞

f(τ)− f(0+).

Hiermit folgtlimt→∞

f(t) = lims→0

G(s) + f(0+) = lims→0

sF (s).

In (∗) darf der Limes unter das Integral gezogen werden nach folgender Argumentation:∫∞0

f ′(t) dt existiert, da nach Voraussetzung limt→∞ f(t) existiert. Nach Satz 7.1.6 (ii)konvergiert die Laplace-Transformierte gleichmaßig und das Integral und der Limes durfenvertauscht werden. 2

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130 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

7.3 Die komplexe Inversionsformel

Um die Laplace-Transformation sinnvoll nutzen zu konnen, benotigt man eine inverseTransformation, die wir mit L−1 bezeichnen wollen.

Fragen: Wie bestimmt man die inverse Transformation?

Ist sie eindeutig?

Beispiel 7.3.1 Betrachte

L(sin ω•)(s) =ω

s2 + ω2fur Re s > 0.

Alle Funktionen

g(t) =

{a fur t = 0,

sin ωt fur t > 0,

mit a ∈ R haben als Laplace-Transformierte L(g)(s) = ωs2+ω2 .

Tatsachlich gilt folgender Satz:

Satz 7.3.2 (Satz von Lerch)

Bezeichne N die Klasse der Funktionen N(t), die∫ t0

0

N(t) dt = 0 ∀t0 > 0

erfullen. Wenn L(f1) = L(f2), dann

f1(t)− f2(t) = N(t)

fur ein N ∈ N .

(ohne Beweis)

Dies bedeutet, die inverse Laplace-Transformierte kann nur eindeutig sein bis auf einN ∈ N . Deshalb werden wir fur die Inversion nur stetige Funktionen f betrachten.

Bemerkung 7.3.3 Es gibt keinen universalen Inversions-Algorithmus, da die Laplace-Inversion nicht stabil unter geringen Storungen ist. Betrachte obiges Beispiel 7.3.1 furwachsendes ω. Dann oszilliert sin ωt in einer Nullumgebung immer starker und bleibtvon beschranktem Betrag. Die Laplace-Transformierte jedoch ist gleichmaßig beschranktdurch 1

ωfur reelle s > 0 und konvergiert gleichmaßig gegen 0 fur ω →∞.

Satz 7.3.4 (Inversionssatz)

Sei f stetig und f ′ stuckweise stetig auf [ 0,∞ [ . Sei f dort von exponentiellem Wachs-tum mit Rate hochstens α > 0.

Fur F (s) = L(f)(s) gelte fur Re s > α

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 131

(i) die Wachstumsbedingung

|F (s)| ≤ M

|s|p

fur alle |s| genugend groß und geeignetes p > 0.

(ii) Zusatzlich sei F (s) analytisch in C bis auf endlich viele Pole bei z1, . . . , zn, n ∈ N.

Dann gilt fur x > α die Inversionsformel

f(t) =1

2πi

∫ x+i∞

x−i∞estF (s) ds =

n∑k=1

Res (zk), t ≥ 0, (7.1)

wobei Res (zk) das Residuum der Funktion etsF (s) am Punkt s = zk ist.

Beweis 1.Schritt: Wir zeigen zunachst die Integralformel in (7.1).

Fur Re s > α ist

F (s) = L(f)(s) =

∫ ∞

0

f(t)e−st dt

absolut konvergent. Daher∫ T

−T

eu(x+iy)F (x + iy) dy =

∫ T

−T

eu(x+iy)

∫ ∞

0

f(t)e−(x+iy)t dt dy.

Da das Doppelintegral rechts absolut konvergiert fur Re s > α, kann die Integrationsrei-henfolge vertauscht werden:∫ T

−T

eu(x+iy)F (x + iy) dy = eux

∫ ∞

0

f(t)e−xt

∫ T

−T

ei(u−t)y dy dt

= eux

∫ ∞

0

f(t)e−xt 2 sin T (u− t)

u− tdt.

Wir untersuchen nun das Verhalten des rechten Integrals fur u > 0. Wir splitten dazu dasIntegral um die Singularitat herum auf. Fur d > 0 ist∫ T

−T

eu(x+iy)F (x + iy) dy

= 2eux(∫ u−d

0

f(t)e−xt sin T (u− t)

u− tdt +

∫ u+d

u−d

f(t)e−xt sin T (u− t)

u− tdt

+

∫ ∞

u+d

f(t)e−xt sin T (u− t)

u− tdt)

Die Integranden im ersten und im dritten Term sind stetig. Daher folgt mit partiellerIntegration folgt fur g(t) = f(t)e−xt in den allgemeinen Integrationsgrenzen a, b:

limT→∞

g(t) sin(tT ) dt = limT→∞

g(t) cos(tT )

T

∣∣∣bt=a− 1

T

∫ b

a

g′(t) cos(tT ) dt = 0.

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132 Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010

Daher

limT→∞

∫ T

−T

eu(x+iy)F (x + iy) dy = limT→∞

∫ u+d

u−d

f(t)e−xt sin T (u− t)

u− tdt.

f ist stetig und f ′ ist stuckweise stetig. Daher kann f in einer kleinen Umgebung von udargestellt werden als

f(t)e−xt = f(u)e−xu + h(u, t)(u− t),

wobei |h(u, t)| < K und u− d < t < u + d. Hiermit folgt

limT→∞

∫ T

−T

eu(x+iy)F (x + iy) dy

= limT→∞

2f(u)

∫ u+d

u−d

sin(T (u− t))

u− tdt + 2eux

∫ u+d

u−d

h(u, t)︸ ︷︷ ︸beschrankt

sin T (u− t)︸ ︷︷ ︸beschrankt

dt

= limT→∞

2f(u)

∫ Td

−Td

sin v

v+O(d).

Wahle d = 1√T. Da Riemann-Integration

∫R

sin xx

dx = π liefert, gilt

f(u) = limT→∞

1

∫ T

−T

eu(x+iy)F (x + iy) dy.

Da F (s) fur x > α analytisch ist, existiert das Integral fur x > α. Wir wahlen fur s = x+iyeinen Integrationsweg C, der parallel zur Imaginar-Achse verlauft, so dass ds = idy. Dannfolgt

f(u) = limT→∞

1

2πi

∫ x+i∞

x−i∞eusF (s) ds =

1

2πi

∫ x+i∞

x−i∞eusF (s) ds.

Diese Formel heißt komplexe (Fourier-Mellin) Inversionsformel. Die Gerade x+ iλ, λ ∈ R,heißt Bromwich-Gerade (vgl. Abbildung 7.1).

2. Schritt: Wrir zeigen nun die Aussage uber die Residuen.

Wir betrachten dazu die Bromwich-Kontur ΓR = ABCDEA (vgl. Abildung 7.2). Fur siegilt

1

2πi

∫ΓR

etsF (s) ds =1

2πi

∫CR

etsF (s) ds +1

2πi

∫EA

etsF (s) ds.

Alle Singularitaten von F liegen links der Bromwich-Geraden. Da es nach Voraussetzungendlich viele sind, konnen wir fur R genugend groß alle mit ΓR umschließen. Dann liefertder Cauchy-Residuensatz fur etsF (s):

1

2πi

∫ΓR

etsF (s) ds =n∑

k=1

Res (zk).

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Brigitte Forster, Vorlaufige Fassung 3. September 2010 133

Beachte, dass der Faktor ets 6= 0 keinen Einfluß auf die Pole zk von F hat.

Hiermit folgt

n∑k=1

Res (zk) =1

2πi

∫ x+iy

x−iy

etsF (s) ds +1

2πi

∫CR

etsF (s) ds.

3. Schritt: Es genugt nun zu zeigen, dass

limR→∞

∫CR

etsF (s) ds = 0,

um den Beweis abzuschließen.

Da CR alle Pole von F (s) umschließt, ist F stetig auf CR und dort gilt |F (s)| ≤ MRp fur

große R. Daher gilt auf dem Kreisbogen BCD mit s = Reiθ∣∣∣∣∫BCD

estF (s) ds

∣∣∣∣ ≤∫

BCD

|ets||F (s)||ds|

≤ M

Rp−1

∫ 3π2

π2

eRt cos θ dθ

≤θ=ϕ+π2

M

Rp−1

∫ π

0

e−Rt sin ϕ dϕ

= Symmetrie2M

Rp−1

∫ π2

0

e−Rt sin ϕ dϕ

≤ 2M

Rp−1

∫ π2

0

e−Rt ϕπ dϕ

=Mπ

Rpt(1− e−Rt)→ 0 fur R→∞.

Uber den Bogen AB gilt |ets| ≤ etx ≤ c fur festes t > 0. Die Lange l(AB) von AB bleibtfur R→∞ beschrankt. Daher∣∣∣∣∫

AB

etsF (s) ds

∣∣∣∣ ≤ cMl(AB)

Rp→ 0 fur R→∞.

Ebenso kann man∣∣∫

DEetsF (s) ds

∣∣→ 0 zeigen fur R→∞. 2

Bemerkung 7.3.5 Es genugt, die Wachstumsbedingung von F (s) durch |F (s)| < εR mitεR → 0 fur R → ∞ gleichmaßig fur s auf CR zu ersetzen. Dann kann zum Beispiel auchdie Inverse Laplace-Transformation einer Funktion wie F (s) = ln s

sbehandelt werden.

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Abbildung 7.1: Bromwich-Gerade

Abbildung 7.2: Bromwich-Kontur CR

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