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Frailty und die Zukunft der Mobilität in Stadt und Land ÖPIA-Vorlesungen 2014 Wien, 30. Oktober 2014 Cornel Sieber Lehrstuhl Innere Medizin-Geriatrie Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Chefarzt Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg

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Frailty und die Zukunft der Mobilität in Stadt und Land

ÖPIA-Vorlesungen 2014 Wien, 30. Oktober 2014

Cornel Sieber Lehrstuhl Innere Medizin-Geriatrie Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Chefarzt Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg

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●  Was bedeutet „Frailty“ ? ●  Dyade Frailty-Sarkopenie ●  Erhalt Funktionalität ●  Bedeutung der Funktionalität für

Selbständigkeit ●  Konklusionen

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●  Was bedeutet „Frailty“ ? ●  Dyade Frailty-Sarkopenie ●  Erhalt Funktionalität ●  Bedeutung der Funktionalität für

Selbständigkeit ●  Konklusionen

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Die Stuffenjahre des Menschen. Nürnberg, 1805-1853

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Frailty vs Gesundheit

„La santé et la silence des organes“ (Die Gesundheit ist das Schweigen der

Organe)

(René Leriche, franz. Chirurge1879-1955)

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Frailty ist ein alters-assoziiertes Syndrom,

das gekennzeichnet ist durch eine verminderte Widerstandskraft gegen

interne und externe Stressoren. Personen, die am Frailty-Syndrom leiden, haben ein erhöhtes Risiko für den Verlust

der Selbständigkeit, Hospitalisationen und Tod.

Adapted after: Bergmann H et al. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2007;62:731-737

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Strandberg and Pitkälä, Lancet (2007)

Frailty

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Dimensionen von Frailty

Physische Dimension

Soziale Dimension Psychische Dimension

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Frailty – Definition

●  Frailty ist ein klinisches Syndrom charakterisiert durch mindestens drei der folgenden Kriterien: ●  Gewichtsverlust (>5kg in 12/12) ●  Empfundene Erschöpfung ●  Schwäche (Handgriff) ●  Langsame Gehweise ●  Geringe physische Aktivität

Fried LP et al. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2001;56:M146-M156

Sarkopenie !

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Frailty bei zu Hause Lebenden

●  >65 J N=100 ●  N=14 Frail ●  N=52 Prefrail ●  N=34 Not frail

Drey M et al. Z Geront Ger 2011;44:48-54

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0

20

40

60

80

100

Gait speed Exhaustion Hand gripstrength

Activity Weight loss

Prev

alenc

e [%]

FrailtyPrefrailty

Prävalenz der Frailty-Kriterien bei zu Hause lebenden betagten Personen

Drey M et al. Z Geront Ger 2011;44:48-54

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Relevanz von Frailty

Mortality

Group N Death Not frail 2469 260 Prefrail 2480 474 Frail 368 130

Months

Fried et al. J Gerontol Med Sci 2001;56A:M146-M156

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Der Mensch ist ein kasuistisches Original

Alter [Jahre]

=> 90 J.

80-89 J.

70-79 J.

60-69 J.

50-59 J.

40-49 J.

30-39 J.

20-29 J.

<20 J.

Alter [Jahre]

4006

10203040

5

5060

300

708090

4

100

Harnstoff [mg/dl]Creatinin [mg/dl]2003 2 1001

Mühlberg W et al. Pharmakotherapie (2006)

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●  Was bedeutet „Frailty“ ? ●  Dyade Frailty-Sarkopenie ●  Erhalt Funktionalität ●  Bedeutung der Funktionalität für

Selbständigkeit ●  Konklusionen

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Frailty – Definition

●  Frailty ist ein klinisches Syndrom charakterisiert durch mindestens drei der folgenden Kriterien: ●  Gewichtsverlust (>5kg in 12/12) ●  Empfundene Erschöpfung ●  Schwäche (Handgriff) ●  Langsame Gehweise ●  Geringe physische Aktivität

Fried LP et al. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2001;56:M146-M156

Sarkopenie !

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Sarkopenie (Consensus Rome, 19.11.09 + Albuquerque 28.07.10)

●  Verminderte Muskelmasse (DXA oder BIA)

und

●  Verminderte Funktion (Gehgeschwindigkeit) und/oder Kraft (Handkraft)

Cruz-Jentoft A et al. Age and Ageing 2010;39:412-423 Cederholm T et al. Clin Geriatr Med 2011;27:341-353

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MNA-SF®

1.   Appetitverlust in letzten 3 Monaten?

2.   Gewichtsverlust in letzten 3 Monaten?

3.   Mobilitätspobleme? 4.   Akute Erkrankung

oder Belastung in letzten 3 Monaten?

5.   Demenz oder Depression?

6. Body mass index (BMI) (kg/m2)

www.mna-elderly.com

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BMI available ? CC available ?

A: „Appetite loss� 0-2 p. B: „Weight loss� 0-3 p. C: „Mobility� 0-2 p. D: „Acute disease� 0-2 p. E: „Depression/Dementia� 0-2 p.

„Classical� MNA-SF und „new� MNA-SF

F: „BMI� 0-3 p. R: „CC� 0 or 3 p.

12-14 points wellnourished 7-11 points at risk

0-7 points malnourished Kaiser MJ et al. JNHA 2009;13:782

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0%

20%

40%

60%

80%

100%IADL ADL

schwere mittlere keine/leichte

Einschränkung

Mangelernährung und Funktionalität bei pflegebedürftigen älteren Menschen zuhause

Häufigkeit von Funktionseinschränkungen bei (instrumentellen) Alltagsaktivitäten in Abhängigkeit vom Ernährungszustand

guter Risiko ME guter Risiko ME EZ für ME EZ für ME (n=92) (n=168) (n=36) (n=92) (n=168) (n=36)

Kiesswetter E et al. J Nutr Health Aging 2013;17:345-350

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0%

20%

40%

60%

80%

100% Handkraft Timed Up & Go

Einschränkung

Mangelernährung und Funktionalität bei pflegebedürftigen älteren Menschen zuhause

Häufigkeit von Funktionseinschränkungen in Abhängigkeit vom Ernährungszustand

guter Risiko ME guter Risiko ME EZ für ME EZ für ME (n=92) (n=168) (n=36) (n=92) (n=168) (n=36)

Proband nicht in der Lage

mittlere

keine/leichte

EZ = Ernährungszustand ME = Mangelernährung

Kiesswetter E et al. J Nutr Health Aging 2013;17:345-350

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Selbständigkeit ●  Konklusionen

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Spezifika des geriatrischen Patienten

●  Anderes Risiko ●  Anderer Vorstatus ●  Andere Belastbarkeit ●  Andere Zeitperspektive ●  Andere Zielperspektive

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ICD versus ICF

●  ICD = International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10, 2011)

●  ICF = International Classification of Functionality, Disability and Health (WHO, 2005) ●  www.dimdi.de ●  Teil 1: Funktionsfähigkeit und Behinderung ●  Teil 2: Kontextfaktoren ●  Wichtig: Leistung der Körperfunktionen im Kontext der

gegenwärtigen tatsächlichen Umwelt = TEILHABE

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ICF beispielhaft

●  Frau M ist 86-jährig und seit 6 Jahren Witwe ●  Sie lebt in 3-Zimmerwohnung im 1. Stock ohne Aufzug

(5 Stufen bis zur Haustüre, 22 Stufen bis zur Wohnungstür im 1. Stock)

●  Im Quartier seit 56 Jahren, also ihre „Heimat“ ●  Myokardinfarkt – EF 41% - Sekundärprophylaxe mit

Beta-Blocker; Anstieg EF auf 49% ●  Frau Müller interessiert vorab: Schaffe ich 27 Stufen =

entscheidet über Teilhabe

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„Krankheitslast�

Ressourcen-Orientierung

(Geriatrie)

Defizit-Orientierung

(Organ-Medizin)

Individuum Gesellschaft Individuum Gesellschaft

EF (%) Peak-flow CrCl MMSE

ADL IADL Qol (SF-36) Care-giver burden

……………………………………………………… . ……………………………………………………..

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Medizin der Defizite

Medizin der Ressourcen

Organ-orientierte Medizin (z.B. Herzinsuffizienz)

„Assisted living“ als Kontroll-Funktion

„Assisted living“: Weshalb?

System-orientierte Medizin (z.B. Demenz)

„Assisted living“ als Promotor für Funktionalität

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Barrier-free Assistance(„Barrierenfreie Gesundheitsassistenz�)

●  Seamless navigation of pedestrians (GPS- and WLAN-surveillance)

●  https://medical-valley-emn.de/cluster/spitzencluster/intelligente_sensorik

●  Smart Sensor: ubiquitous localisation ●  Included if patient is standing, lying in bed or on the

floor…

www.izg.uni-erlangen.de

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Gesundheits-wesen Patient(in)

Gesellschaft

„Assisted living“ hat Einfluss auf...

Pflegende Angehörige

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●  Was bedeutet „Frailty“ ? ●  Dyade Frailty-Sarkopenie ●  Erhalt Funktionalität ●  Bedeutung der Funktionalität für

Selbständigkeit ●  Konklusionen

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Die zwei Hauptachsen der geriatrischen Medizin

Nosologie Diagnose: Kausale Therapie Spezialisten Technologie

Problem Behinderung: Funktionsanalyse Therapiebedarf Assessment Funktionelles Resultat zählt

Patient

Assessement Erhebungs- instrumente

Adaptiert nach HB Stähelin