Frankfurter Allgemeine Zeitung 20110426

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    ZEITUNG FR DEUT SC H LAND

    Dienstag, 26. April 2011 Nr. 96 / 17 D 1 HERAUSGEGEBEN VON WERNER DINKA, BERTHOLD KOHLER, GNTHER NONNENMACHER, FRANK SCHIRRMACHER, HOLGER STELTZNER 2,00 D 2954 A F. A. Z. im Internet: faz.net

    An der New Yorker MetropolitanOpera hat Die Walkre Premiere.Der Regisseur Robert Lepage ent-tuscht, aber James Levine als Diri-gent und Bryn Terfel als Wotan sindwahre Gtter. Feuilleton, Seite 27

    Uganda kmpft mit dem PestizidDDT gegen die todbringende Malaria.Damit entzieht das Land seinenkobauern aber die Lebensgrundlage.Deutschland und die Welt, Seite 9

    Mehrere internationale Medienhaben geheime Dokumente desPentagons zum GefangenenlagerGuantnamo verffentlicht. Dieamerikanische Regierung verurteiltdie Enthllung. Politik, Seite 4

    Tennispendler aus Osteuropaerleichtern die Kassen deutscherAmateurklubs sie blockierendamit auch den Nachwuchs. DieStrategie der Vereine ist deshalbnicht unumstritten. Sport, Seite 26

    Die tiefen Spuren, die Gewalt,Islamisten, Ungerechtigkeit undSelbstbetrug in den Kpfen derMenschen in Pakistan hinterlassenhaben, versprechen fr die Zukunftnichts Gutes. Politik, Seite 3

    Investoren aus China suchen nichtnur Erz und Kohle in Australien, sienutzen auch die Krise der Wein-industrie des Fnften Kontinents,um dort traditionsreiche Winzer zukaufen. Wirtschaft, Seite 17

    RC-Hubschrauber sind der Hit beiden Modellbauern. Die arbeitensich von Typen fr Innenrume biszu Sechs-Kanal-Helis frs Freigeln-de vor. Je grer, desto besser zufliegen. Technik und Motor, Seite T 1

    Block 4

    Wotan, wie ihn Wagner liebte

    Eines ist Winfried Kretschmannnicht abzusprechen: Schon bevor

    er durch die Wahl zum baden-wrttem-bergischen Ministerprsidenten Gele-genheit bekommt, lokal zu handeln,denkt er nur noch global. Tatschlichmuss er sich an der groen weitenWelt festhalten, um seinen industriepo-litischen Vorstellungen einen Anstrichvon Plausibilitt zu geben. Wer in Zu-kunft vor allem Mobilittskonzepteverkaufen will, muss wissen, dass mandas nicht im Vier- oder Sechsjahres-rhythmus wiederholen kann, denn ent-weder ist das Konzept gut und der Kun-de daraufhin auf Jahrzehnte bedient oder die Konzepte taugen nichts unddann werden sich die potentiellen Ku-fer das nchste Mal nicht mehr in Ba-den-Wrttemberg eindecken. Und werdaran denkt, dass es Fahrrder auchtun, der hat sich zu berlegen, dass dieHerstellung eines Fahrrades wenigerArbeitspltze trgt als der Bau einesAutos, dass mit einem Fahrrad einZwanzigstel oder ein Vierzigstel vondem zu erlsen ist, was ein Autobringt, dass aber die Weltbevlkerungnicht zwanzig oder vierzig mal so groist wie die Zahl der potentiellen Auto-

    besitzer. Wenn das brgerliche Fahr-rad der Schlssel zum Wohlstand fralle sein knnte, dann wre MaosVolksrepublik China das Wirtschafts-wunderland schlechthin gewesen.

    Doch in Wahrheit ist das globaleDenken in Deutschland das Vorrechtder Bundespolitik. Landesregierungensind nicht dazu berufen, energie- oderauch nur verkehrspolitische Trendwen-den jenseits ihrer Grenzen anzupeilen.Den Lndern bleibt nur die Wahl zwi-schen Pragmatismus und Realismus,das heit, fast keine, wenn es darumgeht, die Strken zu sichern und auszu-bauen, die sie haben.

    Die grn-rote Koalition wird in ih-rem Koalitionsvertrag entweder aufdie Bedrfnisse der baden-wrttem-bergischen Bevlkerung eingehenoder ein kurzes Leben haben. Der Aus-bau von Kinderkrippen ist nur dannvon Belang, wenn es Arbeitspltze inso groer Zahl gibt, dass die Mtter tat-schlich fr einen Krippenplatz dank-bar sind. Und das Schulsterben imlndlichen Raum lsst sich selbstdurch bildungsorganisatorische Einfl-le nur dann verlangsamen, wenn auchdort gutes Geld zu verdienen ist. Esmag den Grnen Kretschmann schmer-zen, dass sein Erfolg davon abhngt,ob er industriepolitisch einem sozialde-mokratischen Regierungschef oder gareinem seiner CDU-Vorgnger zum Ver-wechseln hnlich sieht.

    F.A.Z. FRANKFURT, 25. April. Die Titel-entscheidung in der Fuball-Bundesligaist vertagt. Tabellenfhrer Borussia Dort-mund verlor am Samstag mit 0:1 beim Ta-bellenletzten Mnchengladbach. Verfol-ger Bayer Leverkusen bezwang Hoffen-heim mit 2:1 und liegt nur noch fnf Punk-te zurck. Die deutsche Tennisspielerin Ju-lia Grges gewann das internationale Hal-len-Turnier in Stuttgart. Sie siegte gegendie Weltranglistenerste Caroline Wozni-acki aus Dnemark. (Siehe Sport.)

    Tschernobyl Wenn die Namen bedeutungsloser Orte zuChiffren einer Zeit werden, stehen sie meist fr Schrecken.So wie die Ortsnamen Menschenwerk sind, sind es auch dieKatastrophen, die sie benennen. Waren es frher die Namenvon Schlachtfeldern und die Tatorte groer Menschheits-

    verbrechen, die in diesen Rang aufrckten, so wurden esseit Ende des 20. Jahrhunderts Unflle mit einer Technik,die Fortschritt versprach: Harrisburg 1979, Tschernobyl1986, Fukushima 2011. Die Erinnerung findet sich auf denSeiten 30 und 31, das aktuelle Geschehen auf Seite 7. Foto dapd

    Angst vor dem groen Knall

    Geheimes aus Guantnamo

    Griff nach den Trauben

    Stippvisite mit Schlger

    Im Tiefflug durch die Kche

    Briefe an die Herausgeber ............ 18

    Sport ............................................................. 21

    Technik und Motor ............................. T 1

    Impressum ................................................... 4

    Die Gegenwart ......................................... 8

    Deutschland und die Welt .............. 9

    Zeitgeschehen ...................................... 10

    Wirtschaft ................................................. 11

    Der Volkswirt .......................................... 12

    Neue Wirtschaftsbcher ................ 12

    Unternehmen ......................................... 14

    Netzwirtschaft ....................................... 18

    Wetter .......................................................... 20

    Feuilleton .................................................. 27

    Medien ........................................................ 33

    Fernsehen und Hrfunk ................ 33

    Dortmund stolpertauf dem Weg zum Titel

    F.A.Z. FRANKFURT, 25. April. Die syri-schen Sicherheitskrfte sind am Osterwo-chenende mit groer Brutalitt gegen dieandauernden Proteste im Land vorgegan-gen. Laut Augenzeugen rckte die Armeeam Montag mit Panzern in die Stadt Da-raa an der jordanischen Grenze vor.Scharfschtzen htten abermals Zivilistenbeschossen. Dabei sollen mehr als 25 Men-schen gettet worden sein; einige Regie-rungsgegner berichteten von bis zu 40 To-ten. In Daraa seien zudem Stromversor-gung und die Telefonverbindungen unter-brochen. Ein syrischer Behrdenvertreterwies Meldungen zurck, wonach die Gren-ze zu Jordanien geschlossen worden ist.

    Auch aus einem Vorort von Damaskussowie der Kstenstadt Dschebaleh wurdeam Montag ein hartes Vorgehen der Si-

    cherheitskrfte gemeldet. Nach Angabenvon Menschenrechtlern nahm die Polizeiam Wochenende Dutzende Oppositionel-le fest. Die Regierung msse ihre Sicher-heitskrfte zurckhalten und politischeGefangene freilassen, verlangte die UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay.Auch die Bundesregierung verurteilte diegewaltsame Niederschlagung der Protes-te; seit Karfreitag wurden dabei mehr alshundert Menschen gettet.

    In Libyen bombardierte unterdessendie Nato hat in der Nacht zum Montag dasHauptquartier von Machthaber Muammaral Gaddafi in Tripolis. Mindestens zweiRaketen wurden auf die Anlage abgefeu-ert, dabei wurde ein Gebude zerstrt, indem sich ein Bro Gaddafis und ein Konfe-renzsaal befinden. Ein Regierungsspre-

    cher in Tripolis verurteilte den Angriff amMontag als Versuch, Gaddafi zu tten,machte allerdings keine Angaben darber,wo der Diktator sich zum Zeitpunkt desLuftschlags aufhielt.

    Die Nato sprach hingegen von einemPrzisionsschlag gegen ein Kommuni-kations-Hauptquartier im Zentrum der li-byschen Hauptstadt, wo Angriffe gegen Zi-vilisten koordiniert worden seien. Kampf-flugzeuge der Allianz bombardierten wei-tere Ziele im Umfeld von Tripolis. In derseit Wochen belagerten westlibyschenStadt Misrata flammten Kmpfe zwischenRegimetruppen und Rebellen wieder auf

    Im Jemen zerschlugen sich ber OsternAufkeimende Hoffnungen auf ein Endedes blutigen Machtkampfs. (Siehe Seite 4,Kommentar Seite 10.)

    Was seit den Wahlen in Rhein-land-Pfalz und Baden-Wrttem-

    berg von tonangebenden Vertreternder Linkspartei ber ihre Partei im all-gemeinen und ber Parteifreunde imbesonderen gesagt wurde, berbietetdas meiste, was bisher an Stamm-tischen, in wissenschaftlichen Analy-sen oder Kommentaren ber die Par-tei Die Linke zu hren und zu lesenwar. Ob eine einzige im gesitteten Tongefhrte Sondersitzung vor den Oster-ferien die Wunden schlieen konnte?

    Der Vorsitzende Klaus Ernst meint,ein harter Kern in der Partei kmpfegegen den Kurs von Oskar Lafontai-ne. Er kndigte an, die Debatte berPersonal, Strategie und Programm derPartei knftig als das zu fhren, wassie ist: eine politische Kursdebatte.So redet auch die stellvertretende Par-teivorsitzende Sahra Wagenknecht:Klaus und Gesine vertreten den Kursvon Oskar. Einige aber benutzenjetzt die schlechten Wahlergebnisseals Argument, um einen Personal-und Kurswechsel vorzubereiten. DieParteibildungsbeauftragte HalinaWawzyniak empfindet Ernsts Aussa-ge wiederum als Klimavergiftung unddie Kommentare ihres Kollegen Ul-rich Mauer sieht sie als Gegenteil sei-ner Aufgabe als zweiter Parteibil-dungsbeauftragter.

    Jeder Tag brachte mehr vom selbenwtenden, rcksichtslosen Umsich-schlagen. Und dieses Mal ist nicht ein-mal die bse brgerliche Pressedar-an schuld, sondern die Whler habender Linkspartei das ihr vermeintlichzustehende Abonnement auf den Er-folg gekndigt.

    Den Grundkonflikt einer Parteilinks von der SPD hat die Linksparteiunter Lafontaines Fhrung mit Be-dacht ungelst gelassen, so langeWahlerfolge ihr schn und leicht zufie-len. Die SPD war bundespolitisch ander Regierung, man konnte in Opposi-tion zu ihr stehen und zwar von links.Jetzt, da die Erfolgsserie gebrochenist, weil auch die SPD selbst in die Op-position gerutscht ist, findet die Links-partei nicht die Kraft zur Klrung derFrage, wo, wie und warum eigentlichsie ber die sozialdemokratische Ideeim weitesten Sinn hinausgehen willund mit wem sie zusammenarbeitenkann. Die langjhrige Beteiligung ander Berliner Stadt- und Landesregie-rung wre ein Beispiel dafr, dassman mit so harmlos und technischklingenden Vorhaben wie dem,Good Governance zu ben, alsonach den Regeln der Kunst zu regie-ren, eine ganz gute Figur machenkann. Doch ist die Fhrung, die Gysiin einer Nacht im Reichstag installier-te, viel zu abgehoben, um an Ideen,Projekte und Erfolge der Landesver-bnde anknpfen zu knnen. In ihr do-minieren die Strmungen weit berdas real in der Partei vorhandene Mahinaus.

    Die beiden Vorsitzenden haben inihre mter nicht hineingefunden, und

    sie sind darin auch nicht gewachsen.Ihre Positionen und ihre Herkunft ha-ben sie auf eine Weise verzerrt darge-stellt, dass die Momente ihrer Selbst-entblung unvergesslich bleiben. Mitder Frage, warum er sich als Parteivor-sitzender eigentlich finanziell ver-schlechtern solle, gab Ernst sowohldas Milieu der Gewerkschaftsfunktio-nre, aus dem er stammt, als auch sei-ne Politikauffassung (gute Arbeit)dem Spott preis. Frau Ltzsch straftemit einer falschen Entscheidung dieAnstrengungen anderer Lgen: Werauch nur in Erwgung zieht, mit derreulosen ehemaligen Terroristin IngeViett Wege zum Kommunismus zuerrtern, stellt die Linkspartei genauin das geschichtspolitische Zwielicht,dem PDS-Funktionre seit zwei Jahr-

    zehnten zum Teil unter Schmerzen zuentkommen suchen. Diese Vorsitzen-den haben fertig. Doch ihre Parteifindet keine neuen.

    Es mangelt der Linkspartei nicht anpopulren Forderungen und nicht ein-mal an talentierten Leuten. Vielen ih-rer Funktionren fehlt es aber an derFhigkeit, Vertrauen zu gewinnen undGlaubwrdigkeit in Sachfragen zu er-zeugen. Wer seine Parteifreunde stn-dig unter Verratsverdacht stellt, wersich von Feinden, die er nie mit Na-men nennt, umzingelt sieht, wer sichscheut, offene Fragen offen zu err-tern, der kann programmatisch nichtweiterkommen. Die schwchste Passa-ge des Programmtextes, den Lafontai-ne hinterlie, ist die Analyse der Ge-genwart. Das unglubige Staunen derParteifhrung ber das neue grneLebensgefhl der Whler zeigt, wietief die Weltfremdheit inzwischen ist.

    Die Hter von Lafontaines Gral tunso, als sei jede Kritik an dessen Ent-wurf ein Versuch, sich dem geliebtenFeind Sozialdemokratie an den Halszu werfen. Das taube Ohr gegenberdurchaus substantieller Kritik amschlichten Weltbild des Hauptwider-spruchs von Kapital und Arbeit, amfreudlos-mechanischen Verstndnisder modernen Gesellschaft, an dervollstndigen Abwesenheit von kolo-gischem Denken oder von Verstnd-nis fr die digitale Welt mndete inRatlosigkeit. Frau Ltzsch stellt nachjeder Wahl erleichtert fest, ihre Kom-munismusdebatte sei nicht wahlent-scheidend gewesen, und Ernst findet,wann immer etwas schiefgeht, namen-lose Parteifreunde seien daran schuld.

    Aus der programmatischen Enge,Leere und Widersprchlichkeit derLinkspartei wurde eine Fhrungskri-se. Inzwischen ist die Krise bis auf dieBasis durchgewachsen. Nun ist die Rat-losigkeit allseitig.

    ruh. FRANKFURT, 25. April. Der finni-sche Notenbank-Prsident Erkki Liika-nen hat im Gesprch mit dieser Zeitunghervorgehoben, dass die meisten Finnenden Euro befrworteten. Das gelte trotzder Wahlerfolge von Euro-Gegnern in sei-ner Heimat. Allerdings htten die Ret-tungsaktionen fr Euro-Staaten bei vie-len seiner Landsleute das Gefhl hervor-gerufen, dass grundlegende Regeln derGemeinschaft verletzt wrden. (SieheWirtschaft, Seite 13.)

    Heute

    rso. STUTTGART, 25. April. Die Grnenund die SPD in Baden-Wrttemberg habenihre Koalitionsverhandlungen nahezu abge-schlossen und sich ber die Osterfeiertageauf tief greifende Bildungsreformen geei-nigt. In der Bildungspolitik werde der Poli-tikwechsel der knftigen grn-roten Regie-rung am deutlichsten sichtbar, sagte derknftige Ministerprsident Kretschmannam Ostermontag: Wir treten fr eine Poli-tik des Gehrtwerdens ein. Bildung istauch eine zentrale soziale Frage. Wir wol-len den Bildungserfolg von der Herkunftentkoppeln. Die von Grnen und SPD an-gestrebten Vernderungen des bisher er-folgreichen Bildungssystems sollen mit ei-ner sozial gestaffelten Erhhung derGrunderwerbssteuer um 1,5 Prozent undmit der Abschaffung des Landeserziehungs-

    geldes finanziert werden. Ursprnglich warvorgesehen, die Grunderwerbssteuer nurum einen Prozentpunkt zu erhhen.

    Im Einzelnen sieht die knftige Koaliti-on folgende Vernderungen vor: Die Studi-engebhren sollen sptestens zum Winter-semester 2012 abgeschafft werden. Die135 Millionen Euro an Einnahmen sollenden Hochschulen weiterhin zur Verfgungstehen und nun aus dem Landeshaushaltbezahlt werden. Auerdem soll die Zahlder Studienpltze deutlich erhht werden.Die Verfasste Studierendenschaft wirdwieder eingefhrt und erhlt auch an-ders als von der noch amtierenden Landes-regierung geplant ein entsprechendesMandat an der gesellschaftlichen Willens-bildung. In der Schulpolitik vereinbartendie Verhandlungskommissionen, die ver-

    bindliche Schulempfehlung in Klasse 4 ab-zuschaffen. Die Ganztagsschule wird imSchulgesetz verankert und zur Regelschu-le. Hierfr soll es 1500 zustzliche Lehrer-deputate geben, die durch den Schler-rckgang frei werden (demographischeRendite).

    Als Reaktion auf die Kritik der Elternam achtjhrigen Gymnasium soll es knf-tig Modellschulen mit zwei Geschwindig-keiten geben, also Gymnasien, an denennach acht oder nach neun Jahren die allge-meine Hochschulreife erworben werdenkann. Die grten Vernderungen desstark auf die beruflichen Bildungsab-schlsse konzentrierten baden-wrttem-bergischen Bildungssystems drfte dieEinfhrung der Gemeinschaftsschulemit sich bringen. (Fortsetzung Seite 2.)

    cheh. FRANKFURT, 25. April. Imsdafghanischen Kandahar ist hunder-ten von Taliban die Flucht aus einemGefngnis gelungen. Der Gouverneurder Provinz, Toryalai Weesa, teilte amMontag mit, insgesamt 475 Gefangeneseien durch einen mehr als 300 Meterlangen Tunnel entkommen. Nur bei ei-nem der geflohenen Mnner habe essich um einen Kriminellen gehandelt.Der Tunnel habe vom Trakt fr politi-sche Gefangene in ein Haus in derNachbarschaft gefhrt. Er msse Ergeb-nis monatelanger Arbeit sein. Sicher-heitskrfte htten nach der Erstr-mung und Durchsuchung des Anwe-sens Bomben und Sprengstoffwestenfr Selbstmordattentter gefunden, teil-te der Gouverneur ferner mit. Einigeder Hftlinge wurden nach Behrden-angaben im Zuge der eingeleitetenGrofahndung noch am Montag wie-der festgesetzt. Die Taliban bezichtig-ten sich, die Flucht ins Werk gesetzt zuhaben. Ein Sprecher teilte mit, drei In-sassen seien vorab von den Ausbruch-plnen informiert worden und httenden Taliban geholfen. Nach Angabender Extremisten wurden 50 Mann be-freit, unter ihnen auch 100 Komman-deure. Ein Sprecher von Prsident Ha-mid Karzai sprach von einen schwe-ren Schlag, der Gouverneur Kanda-hars von Versagen des Gefngnisper-sonals und des Geheimdienstes. (Fort-setzung Seite 2; Kommentar Seite 10.)

    Die meisten Finnensind fr den Euro

    Der giftigeUnterschied

    ami. BERLIN, 25. April. Die deutscheWirtschaft ist unzufrieden mit der Politikder Regierung. Schwarz-Gelb vermittleden Eindruck von Orientierungslosigkeit,wichtige Reformen seien offensichtlichaus dem Blick geraten, beklagte der Prsi-dent des Deutschen Industrie- und Han-delskammertages, Hans Heinrich Drift-mann, gegenber dieser Zeitung. Die Re-gierung solle die gute Wirtschaftsentwick-lung nutzen, um dauerhaftes Wachstumzu sichern. (Siehe Wirtschaft, Seite 11.)

    Lafontaines ratlose Gralshter

    Von Mechthild Kpper

    Grn-Rot verstndigt sich auf BildungsreformenAbschaffung der Studiengebhren im Sdwesten / Keine Schulempfehlung nach Klasse 4

    Hunderte Talibanaus Gefngnisausgebrochen

    Wirtschaft unzufriedenmit Schwarz-Gelb

    In Syrien Panzergegen DemonstrantenLibyen: Nato bombardiert Gaddafis Bro / Jemen: Machtkampf geht weiter

    Aus der Enge wurde eineFhrungskrise. Nun istdie gesamte Linksparteimit sich im Unreinen.

    Zum Verwechseln hnlich

    Von Georg Paul Hefty

    4:n;l;l;W;xFrankfurter Allgemeine Zeitung GmbH; Abonnenten-Service: 0180 - 2 34 46 77 (6 Cent pro Anruf aus dem dt. Festnetz, aus Mobilfunknetzen max. 42 Cent pro Minute). Briefe an die Herausgeber: [email protected] 2,70 / Dnemark 20 dkr / Finnland, Frankreich, Griechenland 2,70 / Grobritannien 2,70 / Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande 2,70 / Norwegen 28 nkr / sterreich 2,70 / Portugal (Cont.) 2,70 / Schweden 27 skr / Schweiz 4,80 sfrs / Slowenien 2,70 / Spanien, Kanaren 2,70 / Ungarn 690 Ft

  • SEITE 2 DIENSTAG, 26. APRIL 2011 NR. 96 F P M FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNGPolitik

    Sollte sich das deutsche Staats-kirchenrecht endlich zu einem offe-neren Religionsverfassungsrechtwandeln, wre das fr die traditio-nellen Grokirchen nicht nur vonNachteil. Die Gegenwart, Seite 8

    Italien und Frankreich wollen ihrenStreit ber die Flchtlinge ausNordafrika beilegen. Dafr soll dasSchengen-Abkommen flexibilisiertwerden, und die EU-Partner sollenmehr Geld geben. Politik, Seite 5

    Die ungarische Polizei hat dieparamilitrischen bungen einerrechtsextremistischen Vereinigungin der Ortschaft Gyngyspataunterbunden. Die Roma konntenzurckkehren. Politik, Seite 5

    In drei Tagen heiratet der britischePrinz William seine Verlobte KateMiddleton. Auch die kniglichenWachregimenter bereiten sich vor,damit am Hochzeitstag alles blitzt.Deutschland und die Welt, Seite 9

    Mit der Zurckhaltung im Libyen-konflikt beging Berlin einen kapita-len historischen und strategischenFehler. In der Nato wird Deutsch-land als ein zweitklassiger Partnerangesehen. Zeitgeschehen, Seite 10

    Der ukrainische Prsident Januko-witsch hat seine Amtszeit mit einerAnnherung an Moskau begonnen.Weil dieses ihm nicht entgegen-kommt, bewegt er sich wieder vonRussland weg. Politik, Seite 6

    R diger Kruse wohnt im NiendorferHolz, sehr hbsch im Forsthaus.Seine Wohnung hat etwa hundert Qua-dratmeter, und er zahlt dafr eine frHamburger Verhltnisse sehr niedrigeMiete. Eigentlicher Mieter des Forst-hauses ist fr 3,21 Euro je Quadratme-ter die Schutzgemeinschaft DeutscherWald, eine gemeinntzige Einrichtung.Die Gemeinschaft nutzt das Erdge-

    schoss, KrusesWohnung liegtim Oberge-schoss. Schonseit Wochenwird der Politi-ker nun aufgefor-dert, die Woh-nung aufzuge-ben. SPD undGAL sind beider Kruse-Kri-tik immer vorne-

    weg. Wrden sie Kruse auf diese Weisetreffen, trfen sie auch die CDU: Kruseist seit 2010 Kreisvorsitzender vonEimsbttel und schon viel lnger Orts-verbandsvorsitzender fr Lokstedt,Niendorf und Schnelsen.

    Dabei kann Kruse nicht unterstelltwerden, er sei geizig und wolle an derMiete sparen. Er ist eben ein leiden-schaftlicher Grner in der CDU. Von2001 bis 2009 war er Mitglied der Ham-burger Brgerschaft und dort verant-wortlich fr Entwicklungspolitik, Finan-zen und nachhaltige Entwicklung. Jetztsitzt er im Bundestag. Er gehrte zu denwenigen Unionspolitikern, die imHerbst 2010 gegen die Laufzeitverlnge-rung fr Kernkraftwerke gestimmt ha-ben. Freilich hat vor allem die SPD nocheine Rechnung mit Kruse offen, fr dieer allerdings gar nichts kann. Kruse kan-didierte 2009 fr den Bundestag undwre im roten Eimsbttel ohne Chanceauf ein Direktmandat geblieben, httenicht Danial Ilkhanipour auf halblegaleWeise den bekannten SPD-PolitikerNiels Annen bei der Direktkandidaturaus dem Feld geschlagen. Deswegenwollten nicht mal Sozialdemokratenihre Partei mit der Erststimme whlen.

    Kruse gewann zu seiner eigenenberraschung das Direktmandat. Aberschon Ende 2010 wre er beinahe wie-der in die Hamburger Landespolitik zu-rckgekehrt. Nachdem Carsten Frigge(CDU) als Finanzsenator seinen Rck-tritt erklrt hatte, wurde Kruse alsNachfolger nominiert. Er kam abernicht mehr ins Amt, weil die GAL dieKoalition mit der CDU aufkndigte.Von Kruse wird auch in einer erneuer-ten CDU zu hren sein. Umso wichti-ger ist es fr den politischen Gegner, sei-nen Wohnsitz immer wieder zum The-ma zu machen. FRANK PERGANDE

    Das Recht der Religionen

    Angst vor dem UngewissenDie Zeitung Le Figaro (Paris) kommentiert am Oster-montag die Revolte in Syrien:

    Baschir al-Assad unterdrckt, und die internationaleGemeinschaft stellt sich Fragen. Wenn auch die Gro-mchte von Washington bis Paris die Brutalitt des Re-gimes in Damaskus verurteilen, so frchten sie doch sei-nen Fall. Das nahstliche Pulverfass knnte noch schwie-riger einzudmmen sein. Die Furcht vor dem Ungewis-sen ist gro. In Syrien wie anderswo beim ,arabischenFrhling ist die Revolte Ausdruck eines Durstes nachFreiheit und Demokratie. Doch hier steht die politischeForderung in einem besonderen politischen Kontext . . .Die harte Hand Baschir al-Assads ist die eines jungen Pr-sidenten, der aus der alawitischen Minderheit seines Lan-des hervorgegangen ist. Nach den laizistischen und natio-nalistischen Prinzipien der Baath-Partei erzogen, bt erdank der Untersttzung anderer christlicher, kurdi-scher und drusischer Minderheiten ungeteilte Machtaus. Dieses von seinem Vater bernommene klugeGleichgewicht hat lange Syriens Stabilitt garantiert.Sollte Assad gestrzt werden, wrde die sunnitischeMehrheit ihre Revanche nehmen.

    Ohne politische FhrungDie EU-Krise analysiert die Zeitung ABC (Madrid):

    Die EU hat den Europern mehr als ein halbes Jahr-hundert lang Frieden und Wohlstand gesichert. Dennochwird die europische Einigung zunehmend infrage ge-stellt. In Brssel hufen sich die Probleme, ohne dass dieEU eine Antwort darauf htte. Es ist nicht hinnehmbar,dass die EU sich mit viel Pomp einen diplomatischen

    Dienst zulegt, ohne dass dieser in Nordafrika oder an-derswo durch ntzliche Aktionen in Erscheinung getre-ten wre. Frher war Europa aus Krisen gestrkt hervor-gegangen. Damals gab es in Brssel und in anderenHauptstdten aber auch groe politische Fhrer. Diesescheinen jetzt zu fehlen.

    Die Revolution und der Faktor ZeitZum Brgerkrieg in Libyen schreibt die Zeitung La Re-pubblica (Rom) am Ostersonntag:

    Was fr ein rger! Der libysche RevolutionsfhrerMuammar al-Gaddafi, der schon wenige Tage nach Be-ginn des Konflikts in seinem Land im Februar fr besiegtangesehen worden war, ist immer noch da. Eingeigeltsitzt er in seinem Bunker in Tripolis. Doch auch wenn die-se Resistenz des Wstengenerals in den Hauptstdtendes Westens Irritation auslsen mag: Der Zeitfaktorspielt zugunsten der libyschen Revolution. So ist Bengasiweltweit immer anerkannter, whrend Gaddafis Isolati-on zunimmt. Ausweglos und isoliert kann er nur auf sei-ne Soldaten zhlen und auf einen Teil der Volksstm-me. Sollten sie ihn fr geschlagen halten, knnten auchdiese ihn jedoch eines Tages verlassen.

    Fukushima belebt FriedensmrscheDie Zeitung LAlsace (Straburg) befasst sich mit denOstermrschen in Deutschland:

    Tschernobyl und Fukushima beleben die sterlichenFriedensmrsche. In Deutschland zielte diese Traditionzunchst mehr auf die Atom-Bewaffnung vor allem dieder Nato denn die friedliche Atom-Nutzung. Das Endeder Ost-West-Konfrontation hat sie viel Zulauf gekostet:

    Am Freitag hatten die ersten Kundgebungen kaum mehrals ein Hundertstel der Massen von einst versammelt.Doch der Anti-Atom-Protest wird erneut von der Aktuali-tt belebt von Kehl heute bis nach Indien, wo eine gan-ze Region das Projekt einer gigantischen Anlage mit ei-ner Leistung von 10 000 Mega-Watt ablehnt.

    Gtliche Einigung bei der SPDDie Mrkische Allgemeine (Potsdam) widmet sichdem Parteiordnungsverfahren gegen den frheren Finanz-senator und ehemaligen Bundesbank-Vorstand Sarrazin:

    SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte den Parteiaus-schluss Thilo Sarrazins. Acht Monate und einige politi-sche Skandale spter hat offenbar auch Gabriel begrif-fen, dass der SPD durch ein solches Verfahren groerSchaden entstehen knnte. Denn Sarrazin ist in der Be-vlkerung populr, auch und gerade bei mglichen SPD-Whlern. Die SPD-Spitze kann nun von Glck sagen,dass Sarrazin anders als vor einiger Zeit Wolfgang Cle-ment den Streit nicht auf die Spitze treiben wollte, son-dern ebenfalls an einer gtlichen Einigung interessiertwar. In seiner Erklrung nimmt er zwar nichts von seinenumstrittenen Thesen zur Auslnderpolitik zurck,schlgt aber dennoch einen vershnlichen Ton an. Viel-leicht tritt er ja nun sogar als Wahlkmpfer in Berlin auf ntzen wrde es der SPD vermutlich.

    Gescheiterte Verunglimpfungen der GenossenDie Nordwest-Zeitung (Oldenburg) gibt zu bedenken:

    Nicht Deutschland schafft sich ab, aber die SPD hatein Gutteil dazu beigetragen, sich strker noch als bisherin Frage zu stellen. Was haben die Genossen nicht alles

    versucht, um den Buchautor in die Nhe von Verfasserneugenischer Hetzschriften zu rcken. Die harmlosesteUnterstellung war noch der Vorwurf des blinden Ausln-derhasses. Nichts davon hat der SPD-Vorstand am Grn-donnerstag aufrechterhalten. Wohl vor allem deshalb,weil mit diesen pauschalen Verunglimpfungen dem Par-teifreund nicht beizukommen ist, der vielen Brgern(auch SPD-Mitgliedern) aus dem Herzen sprach und vonseinem Buch immerhin eineinhalb Millionen Exemplareverkaufte. Sarrazin jedenfalls kann seine Kritik an denmassiven Fehlern bei der Integration von Zuwanderernnun als anerkanntes SPD-Mitglied mit Nachdruck fortset-zen.

    Hingebogenes ErgebnisDie tageszeitung (Berlin) setzt sich kritisch mit der Ver-einbarung ber Stuttgart 21 auseinander:

    Die SPD stimmt zu, weil es ihr nicht weh tut. Die Gr-nen beien die Zhne zusammen, weil sie die Rotennicht ins Bett der Schwarzen springen lassen wollen. Daszeigt, wer hier gewonnen hat. Die Genossen haben ihreVolksabstimmung, die sie aus taktischen Grnden gefor-dert haben, und die Grnen ein Problem. Sie wissen,dass sie bei diesem Votum nur verlieren knnen. Abervon diesem Baum, den sie mit gepflanzt haben, knnensie nun nicht mehr herabsteigen . . . Jetzt soll das Quo-rum runter, selbst die CDU den Steigbgel dafr hinhal-ten und dann geguckt werden, ob das Wahlergebnis ent-sprechend hingebogen werden kann. Das htte StefanMappus mal machen sollen: In der Luft htten sie ihn zer-rissen und einen Antidemokraten genannt, dem die Stim-me des Volkes am Stiernacken vorbeigeht.

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    Die Nato gefhrte Schutztruppe Isaf botden Behrden ihre Untersttzung an.Der Vorfall sei ein Rckschlag imKampf gegen die Extremisten, sagteIsaf- Sprecher Joseph Blotz. Nach Anga-ben eines weiteren Taliban Sprechers hat-ten die Drahtzieher des Ausbruchs auchnachgemachte Schlssel fr die Gefng-niszellen erhalten. Die Gefangenenkonnten so zum Tunneleingang gelan-gen und seien in Gruppen von vier bisfnf Mann nach in den Tunnel geschicktworden. Dreieinhalb Stunden habe es ge-dauert, bis der letzte unbemerkt entkom-men sei. Die Hftlinge seien dann an si-chere Orte gebracht worden.

    Unterdessen wurde in der sdafghani-schen Provinz Helmand der frhere Dis-

    triktchef von Mardschah gettet. NachAngaben der Provinzregierung erschos-sen Unbekannte Abdul Zahir am Sams-tagabend in der ProvinzhauptstadtLashkar Gah. Zahir sollte im vergange-nen Jahr nach einer massiven Militrope-ration zur Vertreibung der Taliban einefunktionierende Verwaltung in dem Dis-trikt aufbauen. Er war nach sechs Mona-ten von seinem Posten zurck- und demFriedensrat der Provinz beigetreten.1989 war er nach Deutschland geflohen,wo er fr mehrere Jahre gelebt hatte undfr etwa vier Jahre wegen versuchten Tot-schlags im Gefngnis sa.

    Derweil wurden nach Isaf-Angabenvier Soldaten bei Anschlgen im Sdenund Osten des Landes gettet.

    ban. BERLIN, 25. April. Der Bundesbe-auftragte fr die Stasi-Unterlagen, Jahn,hat seine Absicht bekrftigt, 47 Mitarbei-ter, die einst hauptamtlich fr die DDR-Staatssicherheit ttig waren, aus seinerBehrde zu versetzen. Jahn sagte imDeutschlandfunk: Wir arbeiten jetzt dar-an, dass es Mglichkeiten geben wird, inanderen nachgeordneten Bundesbehr-den zu arbeiten. Jahn sagte, er sei mitden Betroffenen im Gesprch. Er habeRespekt vor ihrer Arbeit in den vergan-genen 20 Jahren und vor ihrem Bedrf-nis nach sozialer Sicherheit. Zwar httensie zugegeben, frher bei der DDR-Staatssicherheit gearbeitet zu haben,und sie htten sich eingebracht in dieseGesellschaft durch ihre tgliche Arbeit.Doch sei ihm bei seinen Gesprchen mitVerbnden von Stasi-Opfern auch gesagtworden, sie empfnden das Verbleiben

    der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter in derBehrde als Schlag ins Gesicht. Jahnsagte: Das finden diese Opferverbnde,jeder Einzelne dort, unertrglich. SeineGesprche mit den Mitarbeitern seien infreundlicher Atmosphre verlaufen.Als Leiter der Behrde habe er auch eineFrsorgepflicht. Doch habe er ihnenauch deutlich gemacht, es gehe um dieGlaubwrdigkeit unserer Behrde, umdie Glaubwrdigkeit der Aufarbeitungder Staatssicherheit und um den Respektgegenber den Opfern. Jahn sagte: Bei-des muss ich zusammenkriegen. DieMitarbeiter seines Amtes htten nicht Ar-beitsvertrge mit dem Bundesbeauftrag-ten fr die Stasi-Unterlagen, sondern mitder Bundesrepublik Deutschland. Jahnbezeichnete seine Haltung als moralischrigoros. Doch sei seine Behrde aucheine moralische Instanz.

    Betreuung fr Migranten

    Polizei stoppt Rechtsextreme

    Proben, Putzen und Polieren

    Bndnispolitischer Gau?

    Kiewer Abwehrreaktion

    Zehntausende Demonstranten habensich ber die Osterfeiertage in ganz

    Deutschland fr den Frieden und denAusstieg aus der Kernkraft eingesetzt.Die traditionellen Ostermrsche wurdendabei von Protesten der Atomkraftgeg-ner berlagert, die sich am Ostermontagan zwlf Standorten von Meilern versam-melten, um die Stilllegung der Anlagenzu fordern. Anlass dieser Aktionen warder 25. Jahrestag der Atomkatastrophevon Tschernobyl. Von Freitag bis Mon-tag fanden nach Angaben des Bundes-ausschusses Friedensratschlag in ganzDeutschland 80 Ostermrsche durch ins-gesamt 100 Stdte statt. Die Mrsche ge-hen auf die Proteste gegen das atomare

    Wettrsten whrend des Kalten Kriegeszurck. Die zentralen Forderungen laute-ten in diesem Jahr Raus aus Afghanis-tan, chtung aller Atomwaffen undAbschaltung aller Atomkraftwerke so-fort. Ein weiteres prgendes Themawar der Nato-Einsatz in Libyen. Auf Pla-katen und Transparenten war zu lesen:Zivilisten in Libyen vor der Nato scht-zen, Stoppt die kriminelle Aggressiongegen Libyen und Vernichtet die Nato,nicht Muammar Gaddafi.

    Verglichen mit 2010 verbuchten diemeisten Ostermrsche eine Zunahme anDemonstranten, nur in wenigen Stdtenstagnierte die Zahl, nirgends gab es ei-nen Rckgang, sagte ein Sprecher des

    Bundesausschusses Friedensratschlag.Die grten Ostermrsche gab es nachAngaben der Veranstalter im westfli-schen Gronau mit etwa 10 000 und inBerlin mit etwa 4000 Demonstranten.Hinzu kamen am Ostermontag zwlfgroe Protestaktionen an Atomkraft-werks- und Atommll-Standorten. DieProteste der Atomkraftgegner reichtenauch ber Deutschland hinaus. Mit einergrenzberschreitenden Aktion an elfStandorten entlang dem Ober- undHochrhein protestierten zahlreiche Um-weltverbnde, darunter das Aktions-bndnis Fessenheim stilllegen jetzt!, ge-gen den Betrieb des ltesten franzsi-schen Kraftwerks. (dapd)

    STIMMEN DER ANDEREN

    Heute

    Kretschmann sagte: Die Schule musssich den Kindern anpassen, deshalb wer-den wir innovative Schulmodelle zulas-sen. Es liegen sehr viele Antrge vor. Anden Gemeinschaftsschulen sollen alleSchler von der ersten bis zur zehntenKlasse gemeinsam lernen, danach sollensie in das duale System der beruflichenBildung oder in die gymnasiale Oberstu-fe wechseln. Die knftige Landesregie-rung will die Entscheidung ber dieSchulstruktur den Kommunen und denSchulkonferenzen berlassen, gleich-wohl soll der neue Schultyp im Schulge-setz verankert werden. Wir hoffen, da-mit auch das Schulsterben auf dem Landerheblich eindmmen zu knnen, sagteKretschmann. Seit 2007 sind beim Kultus-ministerium etwa 70 Antrge zur Erpro-bung von neuen Schulmodellen eingegan-gen. Wie viele Kommunen und Schulkon-ferenzen demnchst Antrge zur Einfh-rung der Gemeinschaftsschule stellenwerden, ist schwer vorauszusagen. Einigeder Antrge drften sich in der Zwischen-zeit erledigt haben. Die Landesregierungwill auch an jeder Hauptschule eine 10.Klasse anbieten. Sollte das Angebot, Ge-meinschaftsschulen einzurichten, gut an-genommen werden, drfte das faktischdie Abschaffung von Haupt- und Werkre-alschulen bedeuten. Die gerade von deralten Landesregierung eingefhrte Werk-realschule, eine um die 10. Klasse erwei-terte Hauptschule fr praktisch-hand-werklich begabte Schler, hlt Kretsch-mann fr nicht berlebensfhig.

    Fr die frhkindliche Bildung will dieknftige Landesregierung einen Master-plan vorlegen. Der Rechtsanspruch aufeinen Krippenplatz soll bis zum Jahr2012 realisiert sein. Allerdings wird dieGebhrenfreiheit der Kindergrten zu-rckgestellt, denn der qualitative Ausbauhat Prioritt, sagte der SPD-Landesvor-

    sitzende Nils Schmid. Die SPD hatte mitdem beitragsfreien Kindergarten imWahlkampf offensiv geworben.

    Das 1986 eingefhrte Landeserzie-hungsgeld soll knftig anders verwendetwerden. Bisher wurde es im Anschlussan das Bundeselterngeld an finanzschwa-che Familien gezahlt. Jetzt sollen dieseLeistung in Hhe von 200 Euro je Kindnur Hartz-IV-Familien bekommen, diekein Bundeselterngeld mehr erhalten.Die andere Hlfte der insgesamt 50 Mil-lionen Euro soll fr den Ausbau von Kin-derkrippen und Kindergrten verwendetwerden. Die oppositionelle CDU kriti-sierte vor allem die Erhhung der Grund-erwerbssteuer: Junge Familien, die sichein Zuhause schaffen, werden in unver-schmter Hhe zustzlich zur Kasse gebe-ten und mit diesem Geld will Grn-Rotseine Segnungen bers Land verteilen.Das ist Umverteilung um der Umvertei-lung willen, das ist vorgetuschte Hand-lungsfhigkeit, sagte CDU-Generalse-kretr Strobl. An diesem Dienstag wollensich die knftigen Koalitionspartner zumletzten Mal zu einer Verhandlungsrundetreffen; der Koalitionsvertrag soll amMittwoch vorgestellt werden.

    Kretschmann forderte am Wochenen-de die Automobilindustrie auf, grnerzu werden, ansonsten habe sie keine Zu-kunft. Weniger Autos sind natrlich bes-ser als mehr, sagte er der Zeitung Bildam Sonntag. Auerdem uerte er sichzur Standortsuche fr atomare Endlager:Seine knftige Regierung werde keineEndlagerstandorte ins Gesprch brin-gen, aber es msse berall dort gesuchtwerden, wo entsprechende Gesteinsfor-mationen vorhanden seien. Nach demWillen von SPD und Grnen soll Baden-Wrttemberg knftig gentechnikfreiwerden die Landesregierung will keineFlchen fr die grne Genforschungmehr zur Verfgung stellen.

    STREIFZGE

    Fortsetzung von Seite 1

    Massenausbruch in Kandahar

    ban. BERLIN, 25. April. In der Spitze derCDU gibt es die Sorge, die Personaldebat-ten beim Koalitionspartner FDP wrdenauf dem Parteitag Mitte Mai in Rostocknicht abgeschlossen und knnten Arbeitund Ansehen der schwarz-gelben Koaliti-on auch den Rest des Jahres weiter belas-ten. Hintergrund solcher Befrchtungensind die von fhrenden FDP-Politikerneingestandenen pessimistischen Erwar-tungen der Freien Demokraten fr ihr Ab-schneiden bei den drei in diesem Jahrnoch anstehenden Landtagswahlen.

    In der Union wird es fr mglich gehal-ten, dass die FDP im Mai bei der Wahl zurBremer Brgerschaft an der Fnf-Pro-zent-Hrde scheitert. Auch bei der Land-tagswahl Anfang September in Mecklen-burg-Vorpommern, wo die FDP 2006 auf9,6 Prozent kam, knnte sei sie berausgefhrdet, und bei der Wahl zum BerlinerAbgeordnetenhaus zwei Wochen sptergebe es aus heutiger Sicht keine Aussich-ten fr die FDP auf einen Wiedereinzugins Parlament. Beim greren Koalitions-partner wird vorhergesagt, dann werdedie Personaldebatte in der FDP abermalsbeginnen. Auch unter fhrenden FDP-Po-litikern heit es, Schuldfragen knntendann neu beantwortet werden. Keines-falls drfte die Schuld beim designiertenParteivorsitzenden, Bundesgesundheits-minister Rsler, abgeladen werden. In derUnion heit es entsprechend, besser frdie Arbeit der Koalition wre es, wenndie FDP schon im Mai smtliche Personal-angelegenheiten regeln wrde. Diesschlsse Kabinettsmitglieder der FDP mitein.

    Rsler selbst scheint ein solches Vorge-hen nicht auszuschlieen. In einem Ge-

    sprch mit der Zeitung Welt am Sonn-tag machte er deutlich, zunchst underst einmal gehe es um die Erneuerungder Partei. Auf die Frage, ob sich die Per-sonalfragen auch auf die FDP-Mitgliederim Bundeskabinett und die Fhrung derBundestagsfraktion bezgen, antworteteRsler wrtlich: Meine Kandidatur isterst der Anfang der personellen Erneue-rung, weitere werden folgen. Zunchsteinmal geht es um das beste Team fr diePartei. Mit Blick auf Forderungen ausder FDP, es sollten auch Kabinettsmitglie-der ausgetauscht werden, sagte Rsler:Wenn es also in der Partei zu Vernde-rungen kommt, wird das Auswirkungenauf die Politik der Minister und der FDP-Fraktion haben. Erst mal muss sich diePartei neu formieren.

    Damit gab Rsler die Linie zu erken-nen, wonach es im Laufe dieser Legisla-turperiode zu personellen Vernderun-gen kommen msse, die ber die Partei-spitze hinausgehen und die den Bundes-tagswahlkampf seiner Partei 2013 prgensollen. Rsler legte sich nicht fest, ob dernoch amtierende Parteivorsitzende Wes-terwelle dauerhaft Auenminister blei-ben werde. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im bayerischen Landtag, Ha-cker, hatte am Wochenende gefordert,Wirtschaftsminister Brderle solle nichtnur auf sein Amt als stellvertretenderFDP-Vorsitzender verzichten, sondernauch aus dem Bundeskabinett ausschei-den.

    Entwicklungshilfeminister Niebel(FDP) beschrieb in der Zeitung Hambur-ger Abendblatt seinen Erwartungen frdie weiteren Regionalwahlen in diesemJahr so: Es wird in allen drei Lndern

    sportlich, den Einzug ins Parlament zuschaffen. Er fgte an: In den Stadtstaa-ten haben wir traditionell einen schwerenStand. Die FDP drfe aber nichts unver-sucht lassen. Niebel sagte: Hamburg hatgezeigt, was mglich ist. Bundesjustizmi-nisterin Sabine Leutheusser-Schnarren-berger, die nach eigener Darstellung eineKandidatur zur stellvertretenden FDP-Vorsitzenden nicht ausschliet, hatte sichAnfang April hnlich geuert. Es gehtum das berleben der FDP. Die vor unsliegenden Wahlen in Bremen und Berlinwerden schwierig. Wir mssen die Chan-cen, die sich mit einem neuen, sympathi-schen Vorsitzenden bieten, wirklich nut-zen. In Hamburg war die FDP im Febru-ar in die Brgerschaft gewhlt worden;auch in Baden-Wrttemberg kam sie inden Landtag. In Sachsen-Anhalt und inRheinland-Pfalz scheiterte sie hingegenan der Fnf-Prozent-Klausel.

    Niebel kritisierte, wie die FDP mit Wes-terwelle umgehe. Guido Westerwelle istwaidwund geschossen worden. Mit die-sem Stil hat sich die FDP keine Freundegemacht. Niebel, der lange Jahre Wester-welles Generalsekretr war, sagte: DieAchtung vor anderen ist eine brgerlicheTugend. Es wird uns gut tun, wenn wir die-se Kompetenz zurckgewinnen. Wester-welle sei der erfolgreichste FDP-Vorsit-zende aller Zeiten gewesen. ber Rsleruerte Niebel, der Gesundheitsministersei in der jetzigen Situation am ehesteninfrage gekommen, neuer FDP-Vorsit-zender zu werden. Rsler solle als Vorsit-zender 2013 auch Spitzenkandidat derFDP werden. Wenn er gute Arbeitmacht, wird er auch gute Wahlergebnisseerzielen.

    Gegen Atomkraft und den Nato-Einsatz

    Hamburg

    Jahn will frhere Stasi-Mitarbeiteraus seiner Behrde versetzen47 Betroffene / Aus Respekt gegenber den Opfern

    Fortsetzung von Seite 1

    Bildungsreformen vereinbart

    Lieber ein

    Haus im Grnen

    Union in Sorge um Koalitionspartner FDPMit weiteren Wahlniederlagen wird gerechnet / Debatte ber personelle Erneuerung schwelt

    Anti-Atomkraft-Demonstration bei Neckarwestheim in Sichtweite des Atomkraftwerks Foto dapd

    Rdiger Kruse

  • FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG DIENSTAG, 26. APRIL 2011 NR. 96 SEITE 3Politik

    LAHORE, im April

    Es ist ein schnes Haus aus rotemBackstein. Kaum etwas vomLrm der verstopften Straen La-hores dringt hinein. Das Haus ist

    umgeben von hohen Mauern, es wird vonschwer bewaffneten Polizisten bewacht.Denn Leute wie der Hausherr, Leute wieNajam Sethi, leben gefhrlich im Pakistandieser Tage. Weil sie sich noch trauen,den islamistischen Eiferern entgegenzu-treten, die gerade sehr erfolgreich darinsind, liberale Stimmen zum Schweigen zubringen. Weil sie unangenehme Wahrhei-ten aussprechen. Najam Sethi wird mitdem Tode bedroht. Er wei, dass es ernstist, und dass der Schutz den ihm die Regie-rung bieten kann, seine Grenzen hat.

    Zwei liberale Politiker sind in der jngs-ten Vergangenheit auf offener Strae re-gelrecht hingerichtet worden: AnfangMrz wurde der christliche Minoritten-minister Shahbaz Bhatti im Kugelhagelgettet. Zwei Monate vorher war der Gou-verneur des Punjab, Salman Taseer, voneinem der Elitepolizisten erschossen wor-den, die zu seinem Schutz abkomman-diert waren. Beide Politiker waren Geg-ner des Blasphemiegesetzes, das die To-desstrafe fr jene vorsieht, die den Pro-pheten Mohammed oder den Koran ver-unglimpfen und das zum Symbol frden Kulturkampf geworden ist, der imLand tobt. Als es im Parlament darumging, ein Gebet im Gedenken an Taseerzu sprechen, herrschte Schweigen. Sei-nem Mrder schlug eine Welle der Sympa-thie aus allen Gesellschaftsschichten ent-gegen. Als sich im Parlament die Abgeord-neten zu einer Schweigeminute fr Bhattierhoben, blieben die drei Mnner sitzen,die zur islamistischen Partei Jamiat Ule-ma-e-Islam gehren, die lange Zeit zur Re-gierungskoalition gehrte, bis sich ihrFhrer, Fazlur Rehman, im Streit berKorruptionsvorwrfe gegen einen seinerMinister in die Opposition zurckzog.

    Sethi beunruhigen solche Auswchse re-ligisen Volkszorns. Trotzdem denkt ernicht daran zu schweigen. Er ist unter an-derem Chefredakteur der WochenzeitungFriday Times, er ist ein im ganzen Landbekannter Journalist mit eigener Fernseh-sendung. Einer, der unterhaltsam erzh-len kann ber die politischen Intrigen, dieLgen, Mythen, Schuldzuweisungen undVerschwrungstheorien, die in Pakistanseit Jahren tradiert werden. Mit denen dasMilitr seine Machtflle rechtfertigt und si-chert. Mit denen die korrupte Elite davonablenken will, dass sie die einfachen Leu-te auspresst. Er spricht darber, wie die Re-ligion politisiert wurde und wie aggressiveFrmmigkeit und Denkverbote Einzug indie Gesellschaft gehalten haben. Und wiedas alles miteinander zusammenhngt.Wir sind schuld an unseren Problemen zu einhundert Prozent, sagt Sethi.

    Es sind horrende Probleme, denen Pa-kistan gegenbersteht. Die Wirtschaft tau-melt. Die Preise fr Nahrungsmittel undTreibstoff explodieren. RegelmigeStromausflle treiben erboste Kleinunter-nehmer auf die Strae, legen Fabrikenlahm. Wer es sich leisten knne, reglehohe Stromrechnungen mit Bestechungs-geld, sagt Najam Sethi. Diejenigen, diesich Bestechung nicht leisten knnen, ht-ten wiederum keine hohen Stromrechnun-gen. Und so gerieten die Kraftwerksbetrei-ber in Schwierigkeiten, ihren Brennstoffzu bezahlen. Am Ende stnden die Strom-ausflle.

    Es ist ein verwirrtes und verunsicher-tes Land ber das Sethi spricht. Intellektu-elle sagen, Pakistan stecke in einer Identi-ttskrise und viele flchteten sich in im-mer engere religise Korsette. Es ist eingekrnktes Land, dessen Menschen einenhohen Preis fr den Kampf gegen die radi-kalen Islamisten zahlen und dessen Politi-ker und Militrs nicht mde werden dar-auf hinzuweisen, dass der Westen dasnicht anerkenne. Ein Land, dass sich be-

    harrlich daran erinnert, dass der Westenes nach dem Krieg gegen die Sowjetunionin Afghanistan verraten und verkaufthabe und deshalb lieber beleidigt alsselbstkritisch ist.

    So ist unter auslndischen Diplomatenund Beobachtern sowie kritischen Geis-tern im Land die Hoffnung auf Besserungeher gering. Der Staat ist ohnehin kaumhandlungsfhig, denn Steuern zahlen nurdie kleinen Leute. Die Einfhrung einerAgrarsteuer, welche die reichen Grundbe-sitzer, die in Provinzen wie Sindh oder imPunjab wie Feudalherren herrschen, zurKasse bitten wrde, wird verschleppt. DerInternationale Whrungsfonds, der dienchste Tranche seiner Kredite fr Pakis-tan auf Eis gelegt hat, stellte in seinemjngsten Bericht ernchtert fest, die Regie-rung zgere wichtige Reformen heraus.

    Aber noch drften die Devisenreser-ven der Regierung fr ein paar Monateausreichen, und so kann die Regierungweiter das tun, was sie schon lange tut:sich irgendwie durchwurschteln, die Dru-ckerpressen der Notenbank laufen lassen.Was aber, wenn im nahenden Sommer,wenn die harten Sonnenstrahlen auch dieGemter erhitzen, die Khlungen immerwieder ausfallen? Was, wenn die einfa-chen Leute im Fastenmonat Ramadannicht genug Geld haben, um sich beimFastenbrechen wrdig satt zu essen? Esmehren sich angesichts der Umstrze inder Arabischen Welt die Stimmen, die voreinem blutigen Aufstand der viele Armengegen die wenigen Reichen warnen. Esknnte ein heier Sommer werden.

    Auch Offiziere des berchtigtenGeheimdienstes ISI sehen inder sozialen Ungerechtigkeiteine Gefahr fr die nationale Si-

    cherheit vor allem, da die islamistischenPrediger das Thema fr sich entdeckt ha-ben. Armut ist die Hauptursache fr Ra-dikalisierung, sagt ein Mitarbeiter desDienstes, dessen Schnurrbart akkurat ge-stutzt ist und dessen Krawatte millimeter-genau zu sitzen scheint. Er gesteht sogarindirekt zu, dass die seit der Staatsgrn-dung gepflegte Feindschaft mit Indiendazu beitrgt, diese Probleme zu verstr-ken. Aber dann kommt er wie viele an-dere auf neun geheimnisvolle indischeKonsulate in Afghanistan zu sprechen,die dort sicher nicht zur Visavergabe ein-gerichtet worden seien, sondern um denTerrorismus jenseits der Grenze in Pakis-tan zu untersttzen. Hinter vorgehaltenerHand sagt ein Armeeoffizier, natrlich ar-beite man mit dem extremistischen Haq-qani-Netz zusammen, denn man brauchein Afghanistan einen Verbndeten, aufden man sich verlassen knne. Das sei-nen die Taliban. Die Amerikaner, heit esgemeinhin, htten Pakistan in ihr Afgha-nistan-Abenteuer hineingezogen und esauf den Folgen sitzen gelassen.

    Wir haben uns doch selbst an die Ame-rikaner verkauft, sagt Najam Sethi.Wenn wir ihre Hilfe nicht wollen, dannmssen wir sie rauswerfen die Konse-quenzen tragen und auf ihr Geld verzich-ten, sagt er. Aber das Militr brauche dieHilfe Washingtons, um im Wettrsten mitdem Erzfeind Indien mitzuhalten, und

    ein Frieden mit Indien wrde das Militrwiederum seiner Daseinsberechtigung be-rauben. Dabei solle man das Geld lieberfr Schulen und Universitten ausgeben.

    Solche Gedanken machen sich nicht vie-le im Land. Auch an den Universitten istes wohl nicht die Mehrzahl. Der Trendscheint wie berall im Land zu einemscharfen Antiamerikanismus zu gehen,der durch die anhaltenden Drohenangrif-fe in den Stammesgebieten, die von der pa-kistanischen Fhrung nur inoffiziell gedul-det werden, stndig neue Nahrung erhlt.Zuletzt wurde das durch den Fall des Ame-rikaners Raymond Davies verstrkt, der inLahore zwei pakistanische Staatsbrger er-schossen hatte und nach einem politi-schen Streit der Regierungen in Islamabadund Washington am Ende mit Hilfe derScharia freikam: Die Familien der Opferakzeptierten die Zahlung eines Blut-gelds. Journalistikstudenten in Lahoreempren sich reflexhaft ber Koranver-brennungen und Mohammed-Karikatu-ren, wenn sie auf den Kulturkampf im eige-nen Land angesprochen werden. Das Mili-tr scheint einflussreicher und beliebterdenn je. Da gibt es Leute wie den Armee-sprecher General Athar Abbas, der weltge-wandter und smarter wirkt als die meistenPolitiker und der vorsichtige ffentlicheSelbstkritik wagt. Man mchte ihm gerneglauben, wenn er sagt: Natrlich hat das,was in der Gesellschaft passiert, auch Aus-wirkungen auf das Militr, aber wir wis-sen, was in den Kpfen unserer Soldatenvor sich geht. Es klingt gut, wenn er sagt,Militroperationen seien nur der Anfangim Kampf gegen den Extremismus. Esmsse Rechtssicherheit geschaffen wer-den, auch die wirtschaftliche Entwicklungmsse vorangebracht werden.

    Man mchte auch die Erfolgsgeschichteglauben, die das Militr besonders gerneprsentiert: die Swat-Story. Die Geschich-te vom Sieg ber die Extremisten im vonKrieg und Flut gebeutelten Ferienpara-dies. Dort ist die pakistanische Flagge aufviele Huserwnde und Tore gemalt wor-den. Dort hat die Armee geholfen, Schu-len und Frauenzentren einzurichten, Br-cken wiederaufzubauen. Besonders stolzist das Militr auf mehrere Zentren zur De-radikalisierung, in denen Extremisten psy-chologisch betreut werden und eine guteAusbildung erhalten sollen. Es gibt Zen-tren fr Frauen, fr die traumatisiertenKinder, welche die Taliban immer fterfr Selbstmordattentate rekrutieren. DasZentrum fr die Mnner liegt in einer ma-lerischen Umgebung. Im Hintergrund er-heben sich die Berge Kohistans. In pasch-tunischer Einheitskleidung sitzen ein paarDutzend Delinquenten im Klassenzim-mer. Eine weihaarige Respektsperson do-ziert ber die Religion: Der Islam ist eineReligion des Friedens, sagt er. Solche St-ze sagen die Insassen wie automatisch auf.Wer negativ auffllt, bekommt Einzelthe-rapie. Zwlf Wochen verbringen die Mn-ner in der Regel hier, einmal die Wochedarf die Familie zu Besuch kommen. Auchnach ihrer Entlassung sollen die Behr-den und ltesten ber sie wachen.

    Im Nachbarzimmer sitzen zwei Gefan-gene einem Militrpsychologen gegen-ber. Einer war Religionslehrer und warerwischt worden, als er sich mit einem Ge-whrsmann der Extremisten traf. Beimanderen war eine Waffe gefunden wor-den, er hatte zudem fr einige Tage gehol-fen, in einem Ausbildungslager der Tali-ban Grben auszuheben. Der Therapeuthrt den Mnnern aufmerksam zu. Es istein sehr ruhig gefhrtes Gesprch. Wirwrden herausfinden, wenn sie uns anl-gen oder nur das erzhlen, von dem sieglauben, dass wir es hren wollen, sagtder Psychologe. Dazu wisse das Militrauch zu viel ber sie. In einem weiterenRaum gibt ein Soldat an einem langenTisch anschaulichen Unterricht in Elek-trotechnik, in wieder einem anderen ar-beitet Faiz Ali Khan am Computer. Er hat-

    te mit den Taliban kooperiert ausAngst, wie er sagt. In der Haft hat er einGedicht fr den Frieden geschrieben. DerBesuch behagt ihm nicht, auch die Anwe-senheit des Offiziers, der das Zentrum lei-tet, macht ihn nervs. Als er das Gedichtvortrgt, entspannen sich seine Gesichts-zge. Jeder braucht Frieden nach demSturm, die Armen und die Reichen. Sei-ne Hnde zittern noch ein wenig. DerFrhling ist nicht weit, die Blume des Frie-dens soll blhen. Du hattest in letzterZeit ble Laune, sagt der Armeeoffizier.Das Bein habe ihm zu schaffen gemacht,sagt der 40 Jahre alte Mann. Aber jetzt sei

    es besser. Der junge Offizier ermuntertFaiz Ali Khan mit freundlicher Strenge,auf dem rechten Weg zu bleiben. Ihm ge-fllt es, als sein Schtzling sagt: Die Weltist ein Dorf, und in dem Dorf mssen alleMenschen friedlich miteinander umge-hen. Aber die Umstnde meinen es nichtbesonders gut mit dem Frieden.

    Einwohner der Region beklagen, derwirtschaftliche Aufschwung erfolge zulangsam und es war vor allem die wirt-schaftliche Not, die Dorfbewohner den Ta-liban in die Arme trieb, die sie zwang, denExtremisten ihre Kinder zu berlassen.Sie frchten ein Scheitern der Regierung,

    der sie nicht viel zutrauen. Und wenndann auch die Armee abziehe, dann kehr-ten womglich die Taliban zurck, dienoch nicht vollstndig vertrieben wordensind. Das Militr macht kein Geheimnisdaraus, dass es noch Kmpfe gibt, dassnoch immer nchtliche Operationen ge-gen die Extremisten gefhrt werden. Einhoher Offizier gesteht zgerlich ein, dasses in Einzelfllen Verfehlungen von Solda-ten gegenber der Bevlkerung gegebenhabe, wofr diese natrlich zur Rechen-schaft gezogen wurden. Auf die Berichtemehrerer Menschrechtsorganisationenber auergerichtliche Ttungen und Hin-richtungen mutmalicher Extremistenkommt er lieber nicht zu sprechen.

    Auch die tiefen Spuren, die Ge-walt, Islamisten, Ungerechtig-keit und Selbstbetrug in denKpfen der Menschen in Swat

    hinterlassen haben, lassen sich nicht soeinfach ausradieren. In einer Runde rtli-cher Journalisten werden Schauervideosherumgezeigt. Auf den Bildschirmen derMobiltelefone flimmern Schreckensbil-der der Talibanherrschaft; wie sie Polizis-ten enthaupten, wie sie einen Mullah hn-gen, der ihre Lehre nicht verbreiten woll-te. Das sei eine schlimme Zeit gewesen,sagt einer in der Runde. Sein Tischnach-bar nickt beifllig und berichtet, wie dieTaliban damals versuchten, die Presse ein-zuschchtern, dass vier Kollegen gettetwurden. Ob es sie dann nicht wtend ma-che, wenn Journalisten im Streit ber dasBlasphemiegesetz aus Angst ihre Wortewgen, wenn jemand wie Taseer fr seineKritik an dem Gesetz umgebracht wird?Taseer hat es verdient, lautet die Ant-wort, und es folgt noch ein Verweis aufden ungebhrlich hedonistischen Lebens-wandel des Politikers. Zugleich scheintsich aber keiner in der Runde daran zu st-ren, dem selbst gebrannten Obstschnapszuzusprechen, der auf dem Schwarzmarktgehandelt wird.

    Najam Sethi kennt diese moralischenSchattenspiele sehr gut. Er sieht groesUnheil kommen, wenn Doppelmoral undUngerechtigkeit kein Riegel vorgescho-ben wird. Wir sitzen auf einer Bombe,sagt Sethi. Er wisse nicht, wie Pakistan infnf Jahren aussehe. Ob es Gerechtigkeitund Freiheit gebe, oder ob es in Gewaltund Chaos versunken sei. Sein Haus wer-de noch da sein, nur soviel sei sicher. Erselbst sei dann vielleicht im Ausland, wieviele, die es sich leisten knnten. Viel-leicht sei er auch tot. Aber Langsam be-griffen die Menschen, das etwas falschluft in Pakistan, sagt Sethi. Das Land be-findet sich in einer Phase des Erwa-chens. Er hofft, dass es kein bses Erwa-chen wird.

    Die stete Angst vor dem groen Knall

    Reflexhafte Emprung: Anhnger der Partei Jamaat-e-Islami protestieren gegen die Freilassung des Amerikaners Raymond Davies, der in Lahore zwei pakistanische Staatsbrger erschossen hatte. Foto Reuters

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    Die tiefen Spuren, dieGewalt, Islamisten,Ungerechtigkeit undSelbstbetrug in Pakistanhinterlassen haben,lassen fr die Zukunftnichts Gutes ahnen.

    Von Christoph Ehrhardt

  • SEITE 4 DIENSTAG, 26. APRIL 2011 NR. 96 FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNGPolitik

    Frankfurter Zeitung

    Grndungsherausgeber Erich Welter

    VERANTWORTLICHE REDAKTEURE: fr Innenpolitik: Stefan Dietrich; fr Auenpoli-tik: Klaus-Dieter Frankenberger; fr Nachrichten: Dr. Jasper von Altenbockum; frZeitgeschehen: Dr. Georg Paul Hefty; fr Die Gegenwart: Horst Bacia; fr Deutsch-land und die Welt: Dr. Alfons Kaiser; fr Wirtschaftspolitik: Heike Gbel; fr Wirt-schaftsberichterstattung: Michael Psotta; fr Unternehmen: Carsten Knop; fr Finanz-markt: Gerald Braunberger; fr Sport: Jrg Hahn; Fuball-Koordination: Roland Zorn;fr Feuilleton: Patrick Bahners, Verena Lueken (stv.); fr Literatur und literarisches Le-ben: Felicitas von Lovenberg; fr Rhein-Main-Zeitung: Dr. Matthias Alexander (Stadt),Peter Lckemeier (Region).

    FR REGELMSSIG ERSCHEINENDE BEILAGEN UND SONDERSEITEN: Beruf undChance: Sven Astheimer; Bilder und Zeiten: Andreas Platthaus; Bildungswelten: Dr.h.c. Heike Schmoll; Die Lounge: Carsten Knop; Die Ordnung der Wirtschaft: Heike Gbel;Geisteswissenschaften: Jrgen Kaube; Immobilienmarkt: Steffen Uttich; Jugend schreibt:Dr. Ursula Kals; Jugend und Wirtschaft: Dr. Lukas Weber; Kunstmarkt: Dr. Rose-MariaGropp; Medien: Michael Hanfeld; Menschen und Wirtschaft: Georg Giersberg; Natur und

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    SANAA, 25. April (dpa). AufkeimendeHoffnungen auf ein Ende des Macht-kampfs im Jemen haben sich ber Osternzerschlagen. Prsident Ali Abdullah Salihmachte deutlich, dass er nicht wie erhofftin Monatsfrist abtreten will. Dem briti-schen Sender BBC sagte Salih am Sonn-tag, eine Machtbergabe knne nur nachWahlen erfolgen. Die Opposition siehtden Rcktritt des seit 32 Jahren herr-schenden Salih als Vorbedingung fr einepolitische Lsung der Krise an. Die Regie-rung hatte mit der Mitteilung Hoffnungauf eine rasche Lsung des Konflikts ge-weckt, Salih habe einen Kompromissvor-schlag des Golfkooperationsrats akzep-tiert. Der Vorschlag sieht vor, dass Salihbinnen 30 Tagen die Macht an den Vize-prsidenten abgibt. Zudem sollte demPrsidenten, seiner Familie und seinenGetreuen Sicherheit vor Strafverfolgunggarantiert werden. Die Protestbewegungwollte dies allerdings nicht akzeptieren.

    Salih nannte die Proteste gegen seineHerrschaft einen Coup. Islamistische

    Extremisten htten die Protestbewegunginfiltriert. Die Macht knne nur durchWahlen oder Referenden bergeben wer-den. Die Opposition hatte in Salihs an-geblicher Bereitschaft, den Vorschlagder Golfstaaten zu akzeptieren, eine Fin-te gesehen, um bis zur Wahl 2013 an derMacht bleiben zu knnen. Ein Sprecherforderte, Salih solle erst zurcktreten,dann knne eine neue Einheitsregierungmit einem neuen Prsidenten gebildetwerden. Den jugendlichen Demonstran-ten, die mit ihren Massenprotesten seitEnde Januar versuchen, den Prsidentenzu strzen, geht der Vermittlungsvor-schlag nicht weit genug. Sie lehnen jedeLsung ab, die nicht Salihs sofortigenRcktritt beinhaltet.

    Nach Angaben von Regimegegnernkam es am Sonntag im Sdosten desLandes zu einem Schusswechsel zwi-schen Salihs Republikanischer Gardeund bewaffneten Brgern. Sechs Gardis-ten und drei Zivilisten seien dabei get-tet worden, hie es.

    T.G. FRANKFURT, 25. April. Die Natohat in der Nacht zum Montag das Haupt-quartier von Machthaber Muammar alGaddafi in Tripolis mit mindestens zweiRaketen angegriffen. Dabei wurde ein Ge-bude zerstrt, in dem sich ein Bro Gad-dafis befand; der daran grenzende Konfe-renzsaal wurde beschdigt. Ein Regie-rungssprecher verurteilte den Angriff amMontag als Versuch, Gaddafi zu tten. Ermachte jedoch keine Angaben darber,wo dieser sich zum Zeitpunkt der Attackeaufhielt. Die Nato teilte mit, sie habe ei-nen Przisionsschlag gegen ein Kom-munikations-Hauptquartier im Zentrumvon Tripolis ausgefhrt. Dort seien Angrif-fe gegen Zivilisten koordiniert worden.Kampfflugzeuge der Allianz bombardier-ten weitere Ziele im Umfeld von Tripolis,Sirte, Sintan, Mizdah und Misrata. In Mis-rata flammten Kmpfe zwischen Regime-truppen und Rebellen wieder auf, nach-dem die Aufstndischen am Wochenendedie Befreiung der Stadt gemeldet hatten.

    Das libysche Regime fhrte am MontagFotografen und Kameraleute auf das Ge-lnde der Kaserne Bab al Azizia im Sdender Hauptstadt. Ihre Bilder zeigen einweitgehend zertrmmertes Gebude, indem Gaddafi zuletzt eine Delegation derAfrikanischen Union empfangen hatte.Nach Angaben eines libyschen Wach-manns wurden 4 Personen bei dem ncht-lichen Raketenangriff verletzt. Das Pro-gramm von drei staatlichen Fernsehsen-dern fiel nach den Explosionen fr einehalbe Stunde aus. Als es wieder auf Sen-

    dung war, sagte Gaddafis Sohn Saif al Is-lam, die Nato-Militroperation werdescheitern, denn sein Vater sei umgebenvon Millionen von Libyern, die ihn scht-zen. Der Angriff auf das Bro von Muam-mar al Gaddafi im Dunkel der Nacht warfeige, fgte er hinzu.

    Zwei Tage zuvor hatten Kampfflugzeu-ge einen Parkplatz nahe dem sechs Qua-dratkilometer groen Militrkomplex an-gegriffen, unter dem sich mglicherweiseein Bunker befindet. Zum Auftakt derLuftschlge war ein Gebude auf dem Ge-lnde bombardiert worden. Amerikani-sche Kommandeure und Regierungsver-treter beeilten sich jedoch klarzustellen,dass Gaddafi selbst kein Ziel sei und einRegimewechsel nicht durch die UN-Reso-lution 1973 legitimiert werde.

    Die westlibysche Stadt Misrata wurdeam Montag und Sonntag abermals von Re-gimetruppen massiv beschossen. NachAugenzeugenberichten schlugen mehr als70 Raketen in der Stadt ein. Bei dem Be-schuss einer Wohngegend seien zehnMenschen gettet worden, sagte ein Arzt.In das rtliche Krankenhaus wurden amSonntag 16 Leichname eingeliefert. Auf-stndische hatten zuvor bis zu 400 Solda-ten des Regimes von dem Gelnde vertrie-ben. Der libysche RegierungssprecherMussa Ibrahim sagte, die Armee sei bei ih-rem Rckzug aus Misrata von Rebellen an-gegriffen worden und habe sich zur Wehrgesetzt.

    Das libysche Regime hatte am Freitagangekndigt, es ziehe seine Truppen aus

    der Stadt zurck. Der stellvertretende liby-sche Auenminister Chaled Kaim sagteam Sonntag, Stammesfhrer sollten mitden Rebellen ber eine Niederlegung derWaffen verhandeln. Hierfr sei ein Zeit-raum von 48 Stunden angesetzt. Solltendie Verhandlungen scheitern, knntendie Stammesfhrer bewaffnete Anhngerin die Stadt schicken.

    Am Sonntag trafen mehr als 1400Flchtlinge aus Misrata an Bord zweierSchiffe in der Rebellenhochburg Bengha-si ein. Nach Angaben des Roten Kreuzeshandelte es sich vor allem um auslndi-sche Arbeiter. Derzeit warteten noch2000 bis 3000 Personen im HafengebietMisratas auf Hilfe, teilte ein Sprecher mit.Misrata liegt 200 Kilometer stlich vonTripolis und ist derzeit fr die Aufstndi-schen nur auf dem Seeweg zu erreichen.

    Am Sonntagabend verhinderte Bord-personal die Entfhrung eines Linien-flugs der italienischen Luftlinie Alitalianach Libyen. Wie italienische Medien be-richteten, berwltigten vier Flugbeglei-ter einen verstrt wirkenden Passagier.Der 48 Jahre alte Kasache, der zur Delega-tion seines Landes bei der Unesco in Pa-ris gehre, hatte auf dem Weg von Parisnach Rom eine Flugbegleiterin mit einerzehn Zentimeter langen Klinge bedroht.Der Mann verlangte, die Route des FlugsAZ 329 zu ndern und statt Rom Tripolisanzufliegen. Das Flugzeug mit 131 Passa-gieren landete planmig in Rom, nach-dem der Kasache berwltigt wordenwar.

    KAIRO, 25. April (AFP/Reuters). Dergestrzte gyptische Prsident Muba-rak soll in ein Militrgefngnis verlegtwerden. Zuvor soll er nach einem Be-richt der Nachrichtenagentur Mena inein Militrkrankenhaus nahe Kairo ge-bracht werden. Wie die Generalstaats-anwaltschaft in der Hauptstadt Kairoam Sonntag mitteilte, ist sein Gesund-heitszustand bei entsprechender Be-handlung ausreichend stabil, um dieKlinik im Badeort Scharm el Scheichverlassen zu knnen. Demnach soll Mu-barak spter in das Tora-Gefngnis inKairo verlegt werden, wo schon seineShne Gamal und Alaa einsitzen. Dortfehle es aber noch an der notwendigenmedizinischen Einrichtung. Gegen den82 Jahre alten Mubarak und seine Sh-ne wird wegen des gewaltsamen Vorge-hens der Staatsmacht gegen Regie-rungsgegner Anfang des Jahres ermit-telt. Bei einer Vernehmung erlitt Muba-rak spter offenbar einen Herzinfarkt,wurde am 12. April in die Klinik inScharm el Scheich am Roten Meer ein-geliefert und in Untersuchungshaft ge-nommen.

    rb. WASHINGTON, 25. April. MehrereMedien haben an den Osterfeiertagen einKonvolut von Dokumenten des Penta-gons zum Gefangenenlager Guantnamoverffentlicht, das der Enthllungsplatt-form Wikileaks vor Monaten zugespieltworden war. Es handelt sich um 779 Dos-siers, in denen Ergebnisse von Verhrensowie andere Informationen ber Gefan-gene in Guantnamo festgehalten wur-den. Aus den als geheim klassifiziertenDokumenten, die zwischen Februar 2002und Januar 2009 erstellt wurden, ist man-che bedeutende oder auch kuriose Einzel-heit zu erfahren. Vollstndig ausgeleuch-tet werden die Zustnde in dem Lager so-wie die Verhrtaktiken jedoch nicht.

    Ein Pentagon-Sprecher und der Guan-tnamo-Sonderbeauftragte des Auenmi-nisteriums, Dan Fried, verurteilten in ei-ner gemeinsamen Stellungnahme die Ver-ffentlichtung der geheimen Dokumente.Der Schutz der amerikanischen Bevlke-rung sei die oberste Prioritt der gegen-wrtigen Regierung sowie auch der Regie-rung unter dem republikanischen Prsi-

    denten George W. Bush, heit es in der ge-meinsamen Erklrung. Auch bei der Repa-triierung von Gefangenen, die als nicht(mehr) gefhrlich eingestuft wurden,habe man stets mit hchster Sorgfalt undVorsicht gehandelt. Whrend der Amts-zeit von George W. Bush wurden 537 Ge-fangene in ihre Heimat oder an Drittln-der berstellt, seit dem Amtsantritt vonBarack Obama im Januar 2009 haben wei-tere 67 Gefangene das Lager verlassen.Derzeit werden noch 172 Gefangene inGuantnamo festgehalten. Von ihnen gel-ten 130 als weiterhin gefhrlich, sodasssie ein hohes Risiko fr die VereinigtenStaaten und ihre Verbndeten darstellten,sollten sie ohne langfristigen Rehabilitati-onsprozess und ohne berwachung frei-gelassen werden.

    Die verffentlichten Dokumente wider-legen die Einschtzung des frheren La-gerkommandanten, wonach die ersten Ge-fangenen die schlimmsten der Schlimms-ten gewesen seien. Bisher wurden achtder ersten 20 Gefangenen entlassen, dererste kam schon nach neun Monaten wie-

    der frei. Auch die Kategorisierung derSchmutzigen dreiig unter den ersten300 Inhaftierten von Camp X-Ray er-wies sich als falsch: Die Mnner, die inden Tora-Bora-Bergen im afghanisch-pa-kistanischen Grenzgebiet festgenommenworden waren, galten als innerer Zirkelum den aus Saudi-Arabien stammendenAl-Qaida-Fhrer Usama Bin Ladin unddessen gyptischen Stellvertreter Aymanal Zawahiri, die sich vor den anrckendenamerikanischen Truppen nach Pakistanhatten absetzen knnen. Doch auch vondiesen 30 Mnnern wurden inzwischenzehn entlassen.

    Besonders ergiebig ist das jetzt verf-fentlichte 15 Seiten umfassende Dossierber die Verhre von Khalid Scheich Mo-hammed, der sich selbst als Drahtzieherund Chefplaner der Anschlge vom 11.September 2001 bezichtigt hat. Moham-med gestand Vernehmern des amerikani-schen Auslandsgeheimdienstes CIA, dieihn mehrfach der weithin als Folter ge-brandmarkten Verhrmethode des simu-lierten Ertrnkens (Waterboarding) un-

    terzogen, dass wenige Wochen nach denAnschlgen von New York und Washing-ton auch der Londoner GroflughafenHeathrow mit einem entfhrten Verkehrs-flugzeug htte angegriffen werden sollen.Ein Selbstmordkommando sollte das Flug-zeug nach dem Start in seine Gewalt brin-gen und auf das Flughafenterminal str-zen lassen. Mohammed will dafr 2002zwei Zellen gebildet haben. In Grobri-tannien lebende Terroristen sollten dem-nach in Kenia lernen, ein Flugzeug zusteuern. Auch weitere Anschlge mit ent-fhrten Verkehrsflugzeugen auf Gebudeund Flughfen sowie Attentate mit Zya-nid in den Vereinigten Staaten seien erwo-gen worden. Im November 2002 will Mo-hammed einem pakistanischen Geschfts-mann eine halbe Million Dollar zur Ver-wahrung gegeben haben, verpackt in ei-ner Plastiktte. Ein mutmalicher Atten-tter des Anschlages von Bali habe100 000 Dollar bekommen.

    Bin Ladin und al Zawahiri gelang dieFlucht ber die Tora-Bora-Berge, wenigeTage ehe amerikanische Truppen dort die

    Hhlen und andere Unterschlupfe durch-kmmten. Bin Ladin musste sich seiner-zeit von einem Leibwchter 7000 Dollarleihen, die er ein Jahr spter zurckzahl-te. Der jetzt in Guantnamo wegen desAnschlags auf das Kriegsschiff USSCole angeklagte Jemenit Abd al Rahimal Nashiri habe sich potenzhemmendeSpritzen geben lassen, geht aus den Doku-menten hervor, ohne przise Angabenber das angebliche Mittel. Auch seinenMitkmpfern habe er geraten, mittels In-jektion ihre Manneskraft zu drosseln, umsich ganz auf den Kampf gegen den Feindzu konzentrieren.

    Verlssliche Informationen ber das La-ger und dessen Insassen waren bisherkaum zu erhalten, weil fast alle Angabender Geheimhaltung unterliegen. Journa-listen knnen auf gefhrten Touren dasLager und die Zellen besichtigen undauch die Prozesse beobachten. Gesprchemit den Gefangenen sind aber untersagt.Die Arbeiten fr das erste provisorischeLager (Camp X-Ray) begannen im De-zember 2001. Die ersten 20 Gefangenen

    trafen am 11. Januar 2002 ein und wur-den in Drahtkfigen von etwa 2,5 auf 2,5Meter Gre festgehalten. Toiletten gabes innerhalb der Kfigzellen, Duschennur auerhalb. Bis Ende Mrz 2002 befan-den sich etwa 300 Gefangene aus 33 Staa-ten in Camp X-Ray, die meisten warenin Afghanistan und in Pakistan festgenom-men worden.

    Das Lager aus Maschendraht war alsbergangslsung gedacht und wurdeEnde April 2002 geschlossen, nachdemdie Gefangenen in Zellenblcke aus Me-tallwnden im Camp Delta verlegt wor-den waren. Heute gibt es zudem drei hoch-moderne, klimatisierte Gefngnisgebu-de aus Beton und Stahl mit Platz fr insge-samt 300 Gefangene, mit Einzel- und Ge-meinschaftszellen. Dennoch sind die ers-ten Fotografien der Gefangenen in ihrenorangefarbenen Anzgen und mit verbun-denen Augen hinter Maschen- und Sta-cheldraht zum Symbol des Lagers gewor-den. Die hchste Zahl gleichzeitig in demLager festgehaltener Gefangener betruggut 520.

    F.A.Z. FRANKFURT, 25. April. Die syri-schen Sicherheitskrfte haben am Oster-wochenende versucht, die andauerndenProteste mit groer Brutalitt zu stop-pen. Nach Berichten von Augenzeugenrckte die Armee am Montag mit Pan-zern in die Stadt Daraa an der jordani-schen Grenze vor. Scharfschtzen be-schossen demnach von Dchern aus wie-der wahllos Zivilisten. Laut im Internetverbreiteten Berichten von Regierungs-gegnern sollen dabei in Daraa mehr als25 Menschen ums Leben gekommensein; andere sprachen von fast 40 Toten.Die Strom- und Telefonverbindungennach Daraa seien unterbrochen worden.Syrische Behrdenvertreter bestrittenMeldungen, wonach die Grenze nach Jor-danien geschlossen worden sei.

    Aus Duma, einem Vorort der Haupt-stadt Damaskus, und der KstenstadtDschableh wurde gemeldet, diese seienerst umstellt worden, bevor Heeresein-heiten ins Zentrum vorgestoen seien.Die Toten sind in den Moscheen undHusern. Wir knnen sie nicht heraus-bringen, sagte ein Augenzeuge ausDschableh der Nachrichtenagentur AP.Ein Einwohner in Duma berichtete, dieSicherheitskrfte seien seit Freitag in gro-er Zahl in Aktion: ber Nacht habensie Teile der Stadt voneinander abge-schnitten. Sie haben Kontrollposten er-richtet, um die Viertel zu isolieren. AmSamstag und Sonntag wurden nach An-gaben eines Menschenrechtlers Dutzen-de von Oppositionsanhngern festge-nommen. Die Razzien htten am Sams-tagabend in Damaskus und Homs begon-nen, sagte der Leiter der Nationalen Or-ganisation fr Menschenrechte in Sy-rien, Ammar Kurabi, am Sonntag.

    Aus Protest gegen das harte Vorgehender syrischen Sicherheitskrfte gegen De-

    monstranten erklrte unterdessen ein is-lamischer Geistlicher seinen Rcktritt.Der Mufti von Daraa Resk AbdulrahmanAbaseid sagte, er trete zurck, weil Pro-testteilnehmer von der Polizei erschos-sen worden seien. Er bezeichnete die Ge-tteten als Opfer und Mrtyrer. Zuvorhatten die Parlamentsabgeordneten Na-ser al Hariri und Chalil al Rifaei aus Pro-test gegen die Gewalt ihr Mandat nieder-gelegt. Beide Abgeordnete kommenebenfalls aus Daraa. Am Montag verf-fentlichten etwa 100 syrische Schriftstel-ler und Journalisten eine gemeinsame Er-klrung, in der das Vorgehen der Regie-rung kritisiert wird. Wir verurteilen dieunterdrckerischen Akte der Gewalt dessyrischen Regimes gegen die Protestie-renden und betrauern die Mrtyrer desAufstands, heit es darin. Unterzeich-net haben auch Intellektuelle der alawiti-schen Minderheit, die in Syrien das Sa-gen hat.

    Auch die Kritik aus dem Auslandnahm zu. Die erneute Gewalt gegenfriedliche Demonstranten in Syrien istinakzeptabel. Sie wird von der Bundesre-gierung auf das Schrfste verurteilt,lie der deutsche Auenminister Wester-welle am Samstag mitteilen. Die Vorgn-ge am Freitag mssten genau unter-sucht und juristisch aufgearbeitet wer-den. Nach Angaben der Menschenrechts-organisation Human Rights Watch(HRW) tteten Sicherheitskrfte am Frei-tag 112 Menschen. Die Organisation ver-langte deshalb, internationale Sanktio-nen gegen Syrien zu verhngen. Auchdie Vereinten Nationen verurteilten dieEskalation. Die Regierung msse ihre Si-cherheitskrfte zurckhalten und dar-ber hinaus politische Gefangene freilas-sen, verlangte die UN-Menschenrechts-beauftragte Navi Pillay.

    wie. MADRID, 25. April. Tausendevon Marokkanern sind am Ostersonn-tag in mehreren Grostdten des nord-afrikanischen Landes auf die Strae ge-gangen, um fr ein neues Marokkomit politischen Reformen und einerparlamentarischen Monarchie zu de-monstrieren. Zum ersten Mal zeigtensich in den Reihen berwiegend Ju-gendlicher aus der Bewegung 20. Fe-bruar auch Vertreter radikaler islamis-tischer Gruppen. Diese verlangten dieFreilassung ihrer politischen Gefange-nen sowie die Abschaffung des nachden Attentaten von Casablanca imJahr 2003 verabschiedeten Antiterror-gesetzes. Knig Mohammed VI. hatteerst vor zwei Wochen mehr als hundertGefangene begnadigt, darunter ber-wiegend Islamisten. Noch sollen etwasechshundert Angehrige verbotenerOrganisationen in Haft sein.

    Die Kundgebungen in Casablanca,Rabat, Marrakesch, Tanger und ande-ren Stdten verliefen allesamt fried-lich. Es war das dritte Mal, dass sichMarokkaner dem Beispiel der Tune-sier und gypter folgend seit dem 20.Februar zu ffentlichen Protesten ver-sammelten, bei denen es um mehr Frei-heitsrechte, Kritik an der Korruptionim Staatsapparat und mangelnde Ar-beitspltze fr Jugendliche ging. DieBeteiligung war indes etwas geringerals bei den ersten beiden Demonstra-tionen. Der Knig hatte am 9. Mrz ineiner ersten Konzession eine Verfas-sungsreform mit mehr Rechten fr dasParlament und mehr Autonomie frdie Regierung angekndigt. Die Bewe-gung 20. Februar, die zur Teilnahmean der Arbeit einer von ihm eingesetz-ten Verfassungskommission eingela-den wurde, hat dies bislang nicht ange-nommen.

    Salih will nur nach Wahl abtretenOpposition im Jemen beharrt auf Rcktritt / Neue Gewalt

    Nato zerstrt Bro Gaddafis in TripolisRaketenangriff in der Nacht / Kmpfe in Misrata / Flugzeugentfhrung vereitelt

    Mubarak sollverlegt werden

    Gefangenendossiers aus Guantnamo verffentlichtAl Qaida wollte nach Aussage des Chefplaners auch den Flughafen Heathrow angreifen / Amerikanische Regierung verurteilt Enthllungsberichte

    In Syrien lsstdas Regime Panzer auffahrenAssad versucht Proteste zu unterdrcken / Viele Tote

    Marokkanerfordern Reformen

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    In Trmmern: In diesem von der Nato zerstrten Gebude in Tripolis hatte Machthaber Gaddafi ein Bro. Foto Reuters

  • FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG DIENSTAG, 26. APRIL 2011 NR. 96 SEITE 5Politik

    jb. ROM, 25. April. Hhepunkt derOsterfeiern in Rom ist am Sonntag derSegen von Papst Benedikt XVI. fr dieStadt und den Erdkreis (urbi et orbi)gewesen. Der Papst sprach von der mitt-leren Loggia des Petersdoms herab in 65Sprachen vor mehreren zehntausend Pil-gern. Dabei rief das Oberhaupt der ka-tholischen Kirche zu einer friedlichenLsung der Konflikte auf und forderteSolidaritt mit den Flchtlingen Afri-kas. Zum Krieg in Libyen im Speziellensagte er: Mgen Diplomatie und Dialogan den Platz der Waffen treten, undmge denjenigen, die wegen des Kon-flikts leiden, humanitre Hilfe gewhrtwerden. Zur Lage in Nordafrika unddem Nahen Osten allgemein uerte er,alle Menschen, vor allem die Jugend-lichen, mssten zusammenarbeiten, umfr das allgemeine Wohl zu sorgen:Mge das Licht von Frieden undmenschlicher Wrde die Dunkelheit vonTeilung, Hass und Gewalt berwinden.Wegen der hohen Zahl von Flchtlingenaus Nordafrika rief Benedikt XVI. dieStaaten auf, mit den Flchtlingen solida-risch zu sein und ihr Herz fr die Mi-granten zu ffnen. Organisationen undEinzelpersonen, die den Flchtlingenhelfen, gehre sein Respekt. Auch nahmder Papst Anteil am Leid der Opfer derErdbeben- und Atomkatastrophe in Ja-

    pan und der Menschen in anderen Ln-dern. Am Karfreitag hatte der Papst indem ersten Fernsehinterview eines Paps-tes einem japanischen Mdchen geant-wortet, das fragte, warum sein Land soleiden msse: Wir haben keine Antwor-ten, aber wir wissen, dass Jesus gelittenhat wie ihr.

    Die Kirchen in Deutschland riefen anOstern zu neuer Hoffnung nach Kata-strophen wie in Japan und zu einem soli-darischen Lebensstil auf. Der Ratsvorsit-zende der Evangelischen Kirche inDeutschland, Nikolaus Schneider, sagtein Dsseldorf, Christen verschlssennicht die Augen vor schrecklichen Reali-tten, aber sie lieen sich auch nicht lh-men durch Furcht. Aufgrund der Oster-freude ber den Auferstandenen lieensie sich bewegen zu Anteilnahme, Mitlei-den und Hilfe. Der Vorsitzende der ka-tholischen Deutschen Bischofskonfe-renz, Robert Zollitsch, forderte eineneue Solidaritt in Kirche und Politik.Frontstellungen mssten aufgegebenwerden, sagte der Freiburger Erzbischofam Ostersonntag im Freiburger Mns-ter: Visionen werden selten umgesetzt,wenn sich Milieus, Parteien und Glau-bensgemeinschaften in sich verkap-seln. Dies gelte nach der Reaktorkata-strophe von Fukushima und mit Blickauf aktuelle Herausforderungen mehrdenn je.

    Papst: Dialog anstelle von WaffenBenedikt XVI. spricht an Ostern zu Nordafrika und Nahost

    hcr. JERUSALEM, 25. April. Der israe-lische Ministerprsident Netanjahuhat von der palstinensischen Autono-miebehrde verlangt, hart gegen Poli-zisten durchzugreifen, die am Sonntagam Rand von Nablus einen Israeli er-schossen und vier weitere Personenverletzt hatten. Der israelische Vertei-digungsminister Barak sprach vonMord. Siedler bewarfen im Westjor-danland palstinensische Autos mitSteinen und zndeten ein Fahrzeug an.

    Der gettete Neffe der Kulturminis-terin Livnat, die Netanjahus Likud-Par-tei angehrt, hatte am Sonntagmorgenzusammen mit einer Gruppe religiserJuden ohne die Genehmigung der Be-hrden zum Grab des biblischen Patri-archen Josef am Stadtrand von Nablusim Westjordanland gebetet. Nach An-gaben des Gouverneurs von Nablushtten sie sich einer palstinensischenStraensperre genhert, ohne anzuhal-ten. Die Beamten htten zunchstWarnschsse abgegeben, sagte Dschi-bril Bakri. Auch die israelische Armeebewertete den Tod des Israelis als Si-cherheitsvorfall und nicht als An-schlag.

    In Nablus sind palstinensische Poli-zisten weitgehend fr die Sicherheitverantwortlich. In Koordination mitder israelischen Armee suchen jdi-sche Israelis das Grab, in dem nach derberlieferung Josef bestattet sein soll,einmal im Monat auf. Die Gruppe amSonntagmorgen hatte ihren Besuch je-doch offenbar nicht mit den Behrdenabgestimmt. Laut einem Sprecher derisraelischen Organisation, die dieseFahrten organisiert, beten Juden fastjede Nacht zum Josefsgrab. Die Ar-mee erlaubt zehn Busse, aber eine hal-be Million will kommen, sagte er demOnline-Dienst Ynet. Seit dem Mord anfnf Mitgliedern einer Familie in derSiedlung Itamar bei Nablus im Mrz istdie Sicherheitslage im Westjordanlanduerst gespannt.

    Als Rache fr die Todesschsse be-warfen jdische Siedler bei Nablus Au-tos von Palstinensern mit Steinen. Da-bei wurde ein 13 Jahre alter Palstinen-ser am Kopf verletzt. Auch bei Hebronim sdlichen Westjordanland kam eszu gewaltsamen Auseinandersetzun-gen zwischen Siedlern und Palstinen-sern.

    jb. ROM, 25. April. An diesem Dienstagwollen sich der italienische Ministerprsi-dent Berlusconi und der franzsische Pr-sident Sarkozy in Rom auf einen Vor-schlag zur Anpassung des Abkommensber die Freizgigkeit in Europa (ber-einkommen von Schengen, 1985) eini-gen. Dies soll in Form eines Briefes andie EU geschehen, hie es am Wochenen-de in Rom. Niemand wolle Schengen ab-schaffen, sagte der italienische Auenmi-nister Franco Frattini in einem Zeitungs-gesprch, weder Frankreich noch Italien.Aber es msse ein Kontrollsystem ge-ben, um in besonderen Situationen flexi-bel zu sein. Der franzsische Europa-Mi-nister Laurent Wauquiez sprach indessenvon der Notwendigkeit einer Notbrem-se und stie damit in Rom auf Kritik.Beide Staaten wollen zudem mehr Geldvon ihren EU-Partnern zur Betreuungder Migranten aus Nordafrika.

    Rom und Paris versuchen mit dieserInitiative, ihren bilateralen Streit beizule-gen. Italien versorgt seit Mitte April Mig-ranten aus Tunesien mit Auslnderps-sen, die ein halbes Jahr gltig sind. Aushumanitren Grnden erteilt es ihnenfr denselben Zeitraum Aufenthaltsge-nehmigungen, mit denen sie gem demSchengen-Abkommen in drei der sechsMonate im Schengen-Raum reisen dr-fen. Damit hat Italien eine fr humanit-

    re Einzelflle geltende EU-Regelung mas-senhaft fr 12 000 bis zu 20 000 Migran-ten eingesetzt. Seit dem Sturz des Ben-Ali-Regimes hatten etwa 24 500 Tunesierdie sditalienische Insel Lampedusa oderSizilien erreicht. Wer bis zum 5. April an-gekommen und registriert worden war,bekommt von Italien diese Papiere. Dage-gen protestierte nicht nur Paris; auch Ber-lin warf Rom den Missbrauch des Schen-gen-Vertrages vor. Einige tausend Tune-sier hatten schon vor dem 5. April ohnePapiere die italienischen Grenzen inRichtung Frankreich berschritten undhalten sich nun illegal in Nordeuropaauf.

    Die meisten Migranten aus Tunesienversuchten, ber Ventimiglia in Liguriennach Frankreich auszureisen. Parisschickte Migranten zunchst zurck. AmSonntag vor zehn Tagen wurde die Gren-ze fr einen Tag geschlossen, als italieni-sche Brgerrechtler die Bahnsteige blo-ckierten, um Freizgigkeit durchzuset-zen. Derzeit ist die Grenze offen. DieMigranten mssen aber neben den bei-den Papieren auch Geld vorweisen: 60Euro pro Reisetag, wenn sie alleine sindoder mindestens 30 Euro, wenn in Frank-reich Familie auf sie wartet. Die EU-In-nenkommissarin Cecilia Malmstrm sahdie italienische Ausgabe von Papierenwie die eintgige Schlieung der Grenze

    durch Frankreich aus einer aktuellen Si-cherheitsbedrohung heraus als gerecht-fertigt an und zeigte damit, dass dasSchengen-Abkommen dehnbar ist. Daswollen sich Paris und Rom zunutze ma-chen.

    Frattini sagte, die Reisefreiheit msseden zunehmenden Migrantenstrmen an-gepasst werden. Zugleich mssten dieEU-Staaten am Mittelmeer langfristigmehr Mittel zur Finanzierung der Hilfenfr Migranten in Hhe von zehn Milliar-den Euro durch die Europische Investiti-onsbank erhalten. Es wird zudem an einebessere Ausstattung der Grenzschutz-agentur Frontex gedacht, die Migrantenauch abwehren kann.

    Der franzsische Minister Wauquiezsprach sogar von der Mglichkeit, dasSchengen-Abkommen zeitweise auerKraft zu setzen. Er verteidigte gegenberdem Journal du Dimanche einen ent-sprechenden Vorschlag Sarkozys: Euro-pa bedeutet nicht Bewegungsfreiheit frillegale Immigranten. Wir mssen ge-meinsam Lektionen aus der Krise zie-hen, sagte Wauquiez. In Rom hie es, eswre ein Missverstndnis, sollte Parisannehmen, auch Italien sei fr eine zeit-weise Suspendierung von Schengen.Frankreich msste diese Suspendierung15 Tage im voraus der EU-Kommissionund den Nachbarstaaten mitteilen.

    R.O. WIEN, 25. April. 267 Roma-Frauenund -Kinder, die am Karfreitag wegen be-frchteter bergriffe Rechtsradikalervom Roten Kreuz aus der nordostungari-schen Ortschaft Gyngyspata in Sicher-heit gebracht worden waren, sind in ihrenHeimatort zurckgekehrt. Zuvor hattenvier Hundertschaften Polizei, die vomBudapester Innenministerium nach Gyn-gyspata beordert worden waren, parami-litrische bungen verhindert, die dierechtsextremistische Vereinigung Vde-r (Schutzmacht) in einem Ausbil-dungslager nahe der Zigeunersiedlung ab-halten wollte. Der Fhrer der Gruppe Ta-ms Eszes und acht seiner Untergebe-nen wurden festgenommen; die anderenTeilnehmer verlieen das Lager. In Buda-

    pest stellte Regierungssprecher Pter Szij-jarto unter Berufung auf das Rote Kreuzdie Darstellung in Abrede, wonach eineaus pltzlicher Notwendigkeit vollzoge-ne Aussiedlung stattgefunden habe.Stattdessen habe es sich um einen lngergeplanten Osterurlaub gehandelt. Auchdas Rote Kreuz dementierte eine Evaku-ierung im Zusammenhang mit der Pr-senz der Rechtsradikalen. Dem wider-sprach der stellvertretende Vorsitzendeder Roma-Bewegu