Franz Hart in München

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NR. 26 22. JUNI 2012 SIA: WO BLEIBEN DIE FRAUEN? | KURZMITTEILUNGEN | LETZTE SITZUNG DER ZNO WETTBEWERBE: NEUES SCHULHAUS FÜR ALLSCHWIL MAGAZIN: POREN, PATIOS UND PERISKOPE | CLUSTER FÜR GEBÄUDETECHNIK FRANZ HART IN MÜNCHEN DIE VIELEN BERUFE DES FRANZ HART | GARAGE AUFGESTOCKT | BEWEGTER VORHANG

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TEC21 – Fachzeitschrift für Architektur, Ingenieurwesen und Umwelt Ausgabe 26/2012

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Page 1: Franz Hart in München

NR. 26 22. JUNI 2012

SIA: WO BLEIBEN DIE FRAUEN? | KURZMITTEILUNGEN | LETZTE SITZUNG DER ZNO

WETTBEWERBE: NEUES SCHULHAUS FÜR ALLSCHWIL

MAGAZIN: POREN, PATIOS UND PERISKOPE | CLUSTER FÜR GEBÄUDETECHNIK

FRANZ HART IN MÜNCHENDIE VIELEN BERUFE DES FRANZ HART | GARAGE AUFGESTOCKT | BEWEGTER VORHANG

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Editorial | 3TEC21 26 / 2012

Franz Hart in müncHEnDiese Ausgabe erzählt eine Geschichte vom Bauen, Bewahren und Ertüchtigen. Sie spielt in München, hat sich aber so oder ähnlich vielerorts zugetragen und ist überall aktuell: Der Münchner Architekt Franz Hart (1910 – 1996) hat mit seinen modernen Bauten den Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg mitgeprägt – in einem politischen Umfeld, das die Jahre Münchens als Hitlers «Hauptstadt der Be-wegung» am liebsten vergessen machen wollte und deshalb vielfach historisierende Wiederherstellungen bevorzugte. Wie sein Architektenkollege Hans Döllgast steht Hart für eine gemässigte Moderne, die sich nie vom historischen Kontext ablöste: In der Altstadt unweit der Residenz – des Stadtschlosses der bayerischen Herzöge, Kurfürsten und Könige – und direkt an den letzten Überresten der mittelalterlichen Stadtmauer errichtete Hart mit der Salvatorgarage ein Parkhaus, das aus heutiger Sicht schon fast als Vorgriff auf die interpretierende Rekonstruktion gelesen werden kann. In der Maxvorstadt – im Gebäudekonglomerat der Technischen Universität – wählte er hingegen einen pragmatisch-nüchternen, ingenieurmässigen Ansatz, der wie bei vielen seiner Bauten von der Konstruktion und dem Material geprägt wurde. Darüber hinaus war er als Schriftgestalter, später als Fachbuchautor und Bauberater erfolgreich tätig.Von 1948 an hat er denn auch als Professor für Hochbaukonstruktion die konstruktive Ausrichtung des Architekturstudiums an der Technischen Universität entscheidend beeinflusst. Nachdem er 1978 emeritiert wurde, trugen die ehemaligen Assistenten seine Lehre weiter. Entsprechend wurden Generationen von Architekturstudierenden von seiner Haltung beeinflusst. So zitierte etwa der Architekt Uwe Kiessler in einem Interview auf die Frage, ob man Kreativität lernen könne, seinen Lehrer Hart mit den Worten: «Der Architekt braucht mehr Fleiss als Begabung, mehr Verstand als Fleiss und mehr Glück als Verstand.»1

Inzwischen ist die übernächste Architektengeneration mit der notwendig gewordenen Erneuerung von Hart-Bauten befasst. Umso spannender ist der Blick auf den Umgang zweier Münchner Architekten mit dem prägenden Erbe: Andreas Hild und Peter Hai-merl nähern sich bei ihren Projekten den Hart-Bauten mit grosser gestalterischer Frei-heit, dabei kontextbezogen und mit sauber konstruierten Details. So kann man wohl sagen, dass die Saat aufgegangen ist und sich die Zöglinge bei allem Respekt selbst-bewusst freigeschwommen haben.Alexander Felix, [email protected]

Anmerkung1 «Architekt – der Haus-Meister», Süddeutsche Zeitung vom 5. 10. 2001

5 wEttbEwErbENeues Schulhaus für Allschwil

10 magazinPoren, Patios und Periskope | Krieg in der Schweiz | Schauen, sehen, verstehen | Kurz-meldungen | Cluster für Gebäudetechnik

20 diE ViElEn bEruFE dEs Franz Hartcornelius tafel Franz Hart (1910 – 1996) war ein vielseitiger Architekt. Seine gemässigt modernen Nachkriegsbauten prägen das Münchner Stadtbild bis heute. Ein paar sei-ner Gebäude wurden zerstört, während eine neue Architektengeneration sein Erbe weiterbaut. 23 garagE auFgEstocktJochen Paul Franz Hart erbaute 1964 / 65 im historischen Stadtkern von München eine öf-fentliche Parkgarage. Sein Umgang mit der historischen Substanz war zukunftsweisend. 2006 hat der Münchner Architekt Peter Hai-merl die Garage mit einem beeindruckenden Stahlbau aufgestockt.

26 bEwEgtEr VorHangclaudia Hildner 1960 errichtete Franz Hart das Institut für Technische Physik der Tech-nischen Universität München. 2011 – 2013 setzen es die Münchner Architekten Hild und K instand und versehen den pragmati-schen Skelettbau mit einer neuen Mauerwerkfassade.

32 siaWo bleiben die Frauen? | Kurzmitteilungen | Letzte Sitzung der ZNO

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weiterbauen in drei zeit­schichten: Hinter der mit­telalterlichen münchner stadtmauer errichtete der architekt Franz Hart 1964 / 65 ein Parkhaus mit backsteinfassade, das Peter Haimerl 2006 mit einem denkmalpreis­gekrönten stahlbau auf­stockte (Foto: Gero Wortmann, München)

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20 DIE VIELEN BERUFE DES FRANZ HART Cornelius Tafel

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FRANZ HART IN MÜNCHEN

23 GARAGE AUFGESTOCKT Jochen Paul

26 BEWEGTER VORHANG Claudia Hildner

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Die Bauten von Franz Hart (1910 – 1996) prägen mit ihrer gemässigt moder­nen Formensprache und ihrem hohen gestalterischen anspruch das münch­ner Stadtbild. Hart war nicht nur architekt, er arbeitete auch als Schrift­gestalter, Bauingenieur, Hochschullehrer, Fachbuchautor und vielgefragter Bauberater. als einer der ersten befasste er sich intensiv mit dem Bauen im historischen Kontext. Während einige seiner Bauten bereits wieder weichen mussten, wurden andere von einer jüngeren architektengeneration mit dem­selben respekt für den Bestand weitergebaut.

Franz Hart (1910 – 1996) gehört zu den einflussreichen und prägenden Architekten der Nachkriegszeit in München. Er arbeitete als freischaffender Architekt, Publizist und Schrift­grafiker. Darüber hinaus erlangte er als Hochschullehrer an der Technischen Hochschule München und als Autor von grundlegenden Fachpublikationen, wie etwa dem «Stahlbau­atlas», deutschlandweit Bedeutung. Hart besuchte das Wilhelmsgymnasium in München und begann nach dem Abitur 1929 ein Studium an der Technischen Hochschule (heute: Technische Universität), das er 1934 ab­schloss. Zu seinen Lehrern gehörte bis 1933 Robert Vorhölzer, der als Oberbaurat der Post­verwaltung mit seinen Postbauten Stadtbild prägende Meilensteine der Moderne im ansons­ten streng konservativen München schuf. Ein anderer für ihn wichtiger Lehrer war Hans Döllgast, der an der Technischen Hochschule Architekturzeichnen lehrte. Diesem fiel Hart früh als Schriftgestalter auf, und er vermittelte ihm zahlreiche schriftgrafische Aufträge. Seine bis heute für das Stadtbild Münchens wohl wichtigste Leistung auf diesem Gebiet ist der Schriftzug auf dem Münchner Siegestor, mit dem das ehemalige militärische Siegeszei­chen zum Mahnmal für den Frieden umgedeutet wird (vgl. inneres Titelbild, S. 19). Auf dem Gymnasium noch wenig an Mathematik und Technik interessiert, arbeitete sich Hart während des Studiums auf dem Gebiet der Statik – insbesondere des Stahlbetonbaus – so gründlich ein, dass er nach seinem Abschluss in das renommierte Münchner Ingenieurbüro Haberäcker eintrat, in dem unter anderem auch die monströsen Planungen bearbeitet wurden, die das Architekturbüro von Roderich Fick in der NS­Zeit für München entwickelte. Zugleich über­nahm Hart auch die Ausführung der Statik für Bauten seiner früheren Professoren und für seine ersten eigenen Projekte. 1942 wurde er in die Wehrmacht eingezogen und kehrte nach dem Krieg wieder nach München zurück.

nacH Dem Krieg: arcHiteKt unD HocHScHulleHrerAuch nach 1945 blieb die Münchner Architekturszene in grossen Teilen konservativ und restaurativ. Bereits im Krieg waren Wiederaufbaupläne entwickelt worden, die die weitge­hende Rekonstruktion der zerstörten Innenstadt vorsahen. Das Stadtbild wurde in der Folge in Teilen originalgetreu, zum Teil in einer gemässigten Moderne wiederaufgebaut. Die ersten Bauten Franz Harts, die er nach 1945 realisierte, sind kennzeichnend für diese Münchner Nachkriegsmoderne: Technische und grosse öffentliche Bauten wurden modern, private Wohnhäuser eher traditionell ausgeführt. Exemplarisch für diese Haltung zwischen Tradition und Moderne ist der von Hart realisierte Kraftwerksbau am Walchensee, bei dem die grossflächig verglaste Wandkonstruktion mit einem traditionellen Walmdach überdeckt

Die Vielen BeruFe DeS Franz Hart

Titelbild 1840 erteilte der bayrische König ludwig i. seinem architekten Friedrich von gärtner den auftrag, einen triumphbogen nach Vorbild des Konstantinsbogens in rom als abschluss der ludwigstrasse zu planen. im zweiten Weltkrieg wurde dieses tor schwer beschädigt. unter dem eindruck der zerstörungen und weiterer Folgen wie Vertreibung und Kriegsschuld wurde das tor 1958 unter der leitung des münchner archi­tekten Josef Wiedemann bewusst vereinfacht wieder aufgebaut und auf der Südseite eine zusätzliche inschrift des Schriftstellers und Diplomaten Wilhelm Hausenstein angebracht. Die Schriftgestaltung stammt vom architekten Franz Hart (Foto: Michael Heinrich)

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wurde – eine gestalterisch überzeugende Lösung, weniger ein Kompromiss denn eine span­nungsvolle Synthese (Abb. 2). Nach einigen Lehraufträgen wurde Hart 1948 zum Professor für Baustofflehre und Entwerfen an die Technische Hochschule in München berufen. Er übernahm damit eine der grössten Baustoffsammlungen und baute sie weiter aus. Hart war der erste einer neuen Generation von Hochschullehrern, die für einige Jahrzehnte die Lehre an der Technischen Hochschule und das Bild einer gemässigt modernen, stark handwerk­lich und technisch orientierten Fakultät prägte. Zu den wesentlichen Aufgaben der Hochschullehrer gehörte die Umsetzung der Erweite­rungsbauten der Hochschule, mit denen in München ein ganzes Stadtviertel neu geordnet wurde. An zahlreichen dieser Bauten war Franz Hart beteiligt. Er arbeitete dabei häufig mit Kollegen zusammen. Zu den Neubauten zählen vor allem Instituts­ und Laborbauten sowie das ebenfalls von Hart realisierte Mensagebäude (1956 / 57, 1976 erweitert). Neben den grossen Glasfassaden, die den benachbarten Park hinter der Glyptothek gleichsam in das Innere hereinholten, beeindruckt am Gebäude vor allem das aufwendig geschalte, weit ge­spannte Stahlbetontragwerk, das offensichtlich von Louis Kahns Yale University Art Gallery von 1953 inspiriert ist.Hart setzte bei seinen Bauten den Skelettbau in immer neuen konstruktiven Variationen ein. Dabei kombinierte er das tragende Skelett vielfach mit geschlossenen Aussenwänden, oft zugunsten der haptischen Qualitäten von Backsteinflächen. Besonders überzeugend ist das Institut für Technische Physik (1960, mit Josef Wiedemann), ein fein proportionierter Stahl­betonskelettbau mit Fenster­ und Backsteinausfachungen in der Nachfolge der Bauten, die Mies van der Rohe für das IIT (Illinois Institute of Technology) in Chicago zwischen 1943 und

01 übersichtsplan münchner innenstadt mit Bauten von Franz Hart: a Siegestor, B nordge­lände tu, c institut für technische Physik, D mensa tu, e ehemaliges Südgelände tu, F Salvatorgarage, g Deutsches Patent­ und markenamt (Grafik: Red.)02 Synthese aus voralpenländischer tradition und moderne: Kraftwerk niedernach am Walchensee, 75 km südlich von münchen, 1947 – 1951, Franz Hart (Foto: wikimedia.commons / AHert)03 2007 rückgebaut: Harts institutsbauten auf dem tu­Südgelände. auf diesem areal gegen­über der alten Pinakothek sollte ab 1938 das Kanzleigebäude der nSDaP errichtet werden – kriegsbedingt wurde damals nur der Keller mit den Bunkern fertiggestellt. Heute befinden sich an diesem ort das Staatliche museum Ägypti­scher Kunst und die Hochschule für Fernsehen und Film (Foto: Michael Heinrich)04 nordgelände der tu: Hochvolthalle des insti­tuts für Hochspannungstechnik, 1957 – 1963, Franz Hart mit Werner eichberg (Foto: Michael Heinrich)05 Deutsches Patent­ und markenamt, münchen, 1953 – 1959, Franz Hart mit georg Hellmuth Wink­ler (Foto: Architekturmuseum der TU München)

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1957 realisierte, und das vom Büro Hild und K energetisch nachgerüstet und umgestaltet wurde (vgl. S. 26). Zukunftsweisend sind seine Versuche mit vorgehängten hinterlüfteten Fassadenkonstruktionen, wie sie etwa das Institut für Hochspannungstechnik zeigt (1957 – 1963, mit Werner Eichberg) (Abb. 4).Ausser mit den Hochschulprojekten hat Franz Hart mit zwei Grossbauten das Gesicht Mün­chens massgeblich mitgestaltet: dem Deutschen Patent­ und Markenamt (1953 – 1959, mit Georg Hellmuth Winkler) und dem Münchner Hauptbahnhof (1955 – 1963, mit Heinrich Gerbel und der Bundesbahndirektion München). Wenn Hart am Bahnhofsgebäude auch nur beratend tätig war, so ist doch die gut belichtete, ebenso wirtschaftliche wie elegante Stahl­konstruktion der Gleishalle vor allem sein Werk. Das Empfangsgebäude und das Hochhaus bilden ein grosszügiges und differenziertes, weitgehend in Skelettbauweise ausgeführtes Bahnhofs ensemble, dem man die vielen zu berücksichtigenden Randbedingungen nicht ansieht. Das schlichte Hochhaus des Patentamts, ein Backsteinbau, war 1959 das höchste Amtsgebäude in München (Abb. 5).

FacHBucHautor unD BauBeraterMit den Veröffentlichungen über den Mauerziegel (1967) und mit dem «Stahlbauatlas» (1974, zusammen mit Walter Henn und Hansjürgen Sontag) schrieb er Standardwerke, die Generationen von Architekten nutzten. Hart war nicht nur technisch auf der Höhe der Zeit, er kannte auch die Geschichte des modernen Bauens sehr genau. Nicht zufällig stammte die Einführung in die historische Entwicklung des Stahlbaus im «Stahlbauatlas» von ihm. Das Meisterwerk einer technikgeschichtlichen Darstellung gelang ihm jedoch mit dem Buch «Kunst und Technik der Wölbung» von 1965, in dem er einen Bogen von den antiken Gewölbekonstruktionen bis zu den modernen Schalenbauten schlug – ein bis heute gültiges Standardwerk. Sein historisches Bewusstsein prädestinierte Hart auch für die Bauberatung. Der gegenüber historischen Rahmenbedingungen unempfindliche Funktionalismus der Bauwirtschaft der Nachkriegszeit stiess im traditionellen Bayern schon vor der Denkmalpflegebewegung in den 1970er­Jahren auf Widerstand. Franz Hart gehörte, wie sein Kollege Josef Wiedemann, zu den Ersten, die Neubauten in ihrem historischen Kontext sahen. So war es nur folgerich­tig, dass er zu zahlreichen Bauvorhaben, die im innerstädtischen Umfeld realisiert wurden, als Berater hinzugezogen wurde. Mancher Zeitgenosse hatte Harts Vorschläge als ge­schmäcklerisch oder als zu kompromissbereit angesehen. Mit dem heutigen Bewusstsein für das Bauen in bestehenden Strukturen wird man Franz Harts Eingriffe und Einfügungen in die historische Bausubstanz neu bewerten können. Ein exemplarischer Beitrag zum innerstädtischen Bauen gelang ihm bei einem seiner eigenen Projekte, der Salvatorgarage (1964 / 1965), die von Peter Haimerl kongenial weitergebaut wurde (vgl. S. 23).Franz Hart war ein Architekt, der in beneidenswert erfolgreicher Weise die ganze Breite der Architektentätigkeit in sich zu vereinigen wusste, wie aus der Publikation hervorgeht, mit der die TU München 1980 Franz Hart gewürdigt hat. Durch die handwerkliche Qualität sei­ner Bauten, seine Fähigkeit, als Autor und als Hochschullehrer Kenntnisse und Können zu vermitteln, und sein starkes Gespür für die historischen Wurzeln der Baukultur ist sein Werk auch heute noch aktuell.

Cornelius Tafel, Dr. Ing. Architekt, [email protected]

Literatur– Franz Hart, Kunst und Technik der Wölbung, München 1965– Franz Hart, Ernst Bogenberger, Der Mauerziegel, München 1967– Franz Hart, Walter Henn, Hansjürgen Sontag, Stahlbauatlas, München 1974– Lehrstuhl für Grundlagen der Gestaltung an der TU München (Hrsg.), Franz Hart – Bauten, Projekte,

Schriften, München 1980– Die andere Tradition, Katalog zur Ausstellung, München 1981– W. Nerdinger (Hrsg.), Architekturschule München 1868–1993, München 1993

Franz Hart – Bauten im üBerBlicK1947 – 1950: Umbau des «Hauses der Deutschen Erziehung» in Bayreuth1947 – 1951: Kraftwerk Niedernach am Walchensee1953: Haus Dr. Leppert in Bayreuth1953 – 1959: Deutsches Patent- und Marken-amt in München, mit Georg Hellmuth Winkler1955 – 1963: Hauptbahnhof München, mit Heinrich Gerbel und der Bundesbahndirektion München1956: Schriftgestaltung für den Wiederaufbau des Siegestors, München1956 – 1957: Mensagebäude der Technischen Hochschule München1957 – 1963: Institut für Hochspannungstechnik der Technischen Hochschule München, mit Werner Eichberg1960: Institut für Technische Physik der Technischen Hochschule München, mit Josef Wiedemann1960 – 1964: Neubau der Fakultät für Allgemei-ne Wissenschaften der Technischen Hochschule München (TU-Südgelände), mit Johannes Lud-wig und Andreas Hlawaczek; 2007 abgebrochen1962: Überdachung des Olympia-Eissport-zentrums in Garmisch-Partenkirchen1963 – 1964: Hertie-Hochhaus, München, mit Rolf Schütz, abgebrochen1964 – 1965: Parkhaus Salvatorgarage mit Verwaltungsgebäude in München1969 – 1975: Verbindungsgang zwischen Bibliothek und Sammlungsbau des Deutschen Museums, München1985: Volksbank in Eichstätt

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Franz Hart erbaute 1964 / 65 am Salvatorplatz im historischen Stadtkern von münchen eine öffentliche Parkgarage. Berücksichtigt man, dass neu­bauten in der münchner innenstadt meist einer traditionellen gestaltung verpflichtet waren, ist Harts umgang mit der historischen Substanz zu­kunftsweisend. mit der aufstockung der garage 2006 durch den münchner architekten Peter Haimerl und der gleichzeitigen instandsetzung durch das architekturbüro Schmidt­Schicketanz und Partner ist das denkmalgeschütz­te gebäude für die zukunft gerüstet. Dabei beeindruckt vor allem die arbeit Haimerls.

Die Aufstockung der Salvatorgarage, die gegenüber dem Bestand ebenso eigenständig auftritt, wie sie ihn respektiert, hat Aufsehen erregt und erhielt mehrere Auszeichnungen: Auf den Preis für Stadtbildpflege der Landeshauptstadt München (2010) folgten u. a. die Nominierung für den BDA­Preis Bayern und der Preis für Denkmalschutz und Neues Bauen 2010. Über Letzteren freute sich der Münchner Architekt Peter Haimerl besonders, «weil es sich dabei wohl um die erste realisierte computergenerierte Fassade in Europa handelte – und dann ein Preis für Denkmalschutz», so Peter Haimerl. Der Standort des Parkhauses inmitten der Münchner Altstadt zählt damals wie heute zu den städtebaulich anspruchvollsten in München. Die Parzelle Salvatorplatz 3 grenzt nicht nur an Teile des Jungfernturms von 1430, sondern auch an einen der wenigen erhaltenen Reste der mittelalterlichen Stadtmauer und an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Darüber hinaus steht der Grossteil der näheren Umgebung unter Denkmalschutz: unter anderem das Literaturhaus (Friedrich Löwel, 1887), die spätmittelalterliche Salvatorkir­che (Lukas Rottaler, 1493 / 94), die Bauten der – mittlerweile unter UniCredit firmierenden – HypoVereinsbank in der Prannerstrasse (François Cuvillés d. Ä., 1735 – 1740) und in der Kardinal­Faulhaber­Strasse (Enrico Zucalli, 1693 / 94) sowie das Erzbischöfliche Palais (François Cuvillés d. Ä., 1733 – 1737) (Abb. 1). Vom obersten Parkdeck blickt man auf die Türme und die Dachlandschaft der Frauenkirche.

einBettung in ein DiFFizileS umFelDIn diese sensible Nachbarschaft setzte Franz Hart seinen markanten Neubau, der zum Sal­vatorplatz mit einem einbündigen Bürotrakt abschliesst. Dabei respektierte Hart bei allem Bekenntnis zur Gegenwartsarchitektur den umgebenden Bestand: Die Pfeilergliederung der Fassade orientiert sich an der gegenüberliegenden Salvatorkirche, die Wahl des Fassaden­materials an der unmittelbar angrenzenden Stadtmauer. Charakteristisch für das äussere Er­scheinungsbild der Salvatorgarage ist neben den versetzt angeordneten Lüftungsschlitzen mit hochkant eingestellten Lochziegeln vor allem das Fugenbild des mit Dünnformatsteinen im Quartverband ausgeführten Mauerwerks. Dabei wird jeder zweite um einen halben Stein versetzt – ein ornamentales Detail, das laut Peter Haimerl auf den ersten Blick gar nicht so recht zu Hart passen will (vgl. Kasten S. 24), das aber eine enorme Präsenz entfaltet und in Hinblick auf den umgebenden Kontext seine Logik erhält. Als die Salvatorgarage nach 40 Betriebsjahren instand gesetzt werden musste – der Zahn der Zeit hatte vor allem in Form von Streusalzeintrag in die Gebäudestruktur an ihr genagt –, verband die Bauherrschaft die anstehenden Arbeiten am mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Parkhaus mit einer Aufstockung um fünf Halbgeschosse und 135 zusätzliche Auto parkplätze. Dabei war die Fassade im Bezug auf die historische Umgebung und das Bestandsgebäude von grosser Bedeutung. Die Instandsetzung des Bestands übernahm das Büro Schmidt­Schicketanz und Partner, von dem auch die Lichtinstallation an der Ein­

garage auFgeStocKt

am Bau BeteiligteBauherrschaft: HVB Immobilien AG, MünchenArchitektur, Lichtplanung und Denkmalpflege: Peter Haimerl, Studio für Architektur, München (Aufstockung); Schmidt-Schicketanz und Part-ner, München (Instandsetzung)Tragkonstruktion: F-SIT, MünchenHLKSE-Planung: Fischer & Fey, Maisach-GernlindenFassadenplanung: Peter Haimerl, Studio für Architektur, München, mit Gero Wortmann, München, und Gföllner, Grieskirchen (A)Stahlbeton und Stahlbau: Berger-Bau, Passau

01 Situationsplan: a Stadtmauer, B Salvator­garage, c literaturhaus, D Salvatorkirche, e erzbischöfliches Palais, F Bauten der Hypo­Vereinsbank (Plan: Peter Haimerl, München)

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fahrt und das Wegeleitsystem im Inneren des Parkhauses stammen. Das Gutachterverfahren für die über eine zweite Rampe erschlossene Aufstockung konnte Peter Haimerl für sich entscheiden.

FaSSaDe Der auFStocKungDie Stahlkonstruktion wächst aus der vorgesetzten Backsteinfassade des Altbaus förmlich empor. Haimerl plante dafür eine brandschutzbeschichtete (F30) Stahlkonstruktion mit Stahl­betonverbunddecken, die auf den Pfeilern des bestehenden Tragwerks – eines Stahlbeton­skeletts – aufsetzt. Dessen arabeskes Fugenspiel übersetzte Peter Haimerl mit Gero Wort­mann (Programming), München, in eine vom Bestandsgebäude abgerückte, vorgehängte Fassade aus 15 000 identischen, 30 mm dicken, feuerverzinkten Rechteckprofilen in der Breite der Dünnformatziegel. Der Entwurf kontrastiert die Schwere von Franz Harts Back­steinfassade und orientiert sich gleichzeitig an den Proportionen und der massstäblichen Struktur des Bestands – weshalb ihn auch die für den Denkmalschutz zuständige Stadt­gestaltungskommission von Anfang an mittrug. Konstruktiv vereint diese Lösung mehrere Vorteile: So ist die Stahlfassade stabil genug, um auf Leitplanken als Anprallschutz verzich­ten zu können; jede der 8.50 m hohen und 2.50 m breiten Fassadentafeln kommt mit nur zwei Befestigungspunkten pro Deck aus. Zudem erlaubten die vorgefertigten und untereinander unverbundenen Elemente auf der Baustelle eine rasche und kostengünstige Montage mit dem Autokran. Die Fassade bildet eine transparente Hülle, die sich als umlaufendes Band um die gesamte Aufstockung legt. Ihr netzartiges Geflecht verdichtet sich auf Brüstungshöhe und zu den Befestigungspunkten an den Geschossdecken der neuen Parkdecks. Das auf diese Weise entstehende Muster – es erinnert an Mikadostäbchen – ist jedoch weder zufällig entstanden noch als rhythmisches Arrangement auf herkömmliche Weise «entworfen», sondern compu­tergeneriert und streng regelbasiert: Die 1.50 m langen Stahlstäbe treffen stets im Winkel von 11.5 ° oder einem Vielfachen davon aufeinander. Für die Berechnung der Fassade im Com­puter nutzten Peter Haimerl und Gero Wortmann «Povray». Das Open­Source­Rendering­Programm, mit dem sie bereits seit 2001 arbeiten, fütterten sie für die Salvatorgarage mit Parametern von selbstorganisierenden Strukturen und Wachstumsprozessen aus der Natur. Die so generierten Informationen wurden für den Zuschnitt der Fassadentafeln als Datei

Haimerl üBer HartMeine ersten Professoren waren teilweise «ge-hartete» Professoren, ehemalige Assistenten von Professor Franz Hart: autoritär, rigide, re-gelbesessen. So wurde Franz Hart für mich zu einem anzuzweifelnden «Hardliner» der Bau-konstruktion. Viele Objekte bestätigten meine Meinung, aber andere, wie die Fassade des – Anfang der 1990er-Jahre abgerissenen – Her-tie-Hochhauses an der Leopoldstrasse, mochten sich nicht so recht in mein zementiertes Hart-Bild fügen.Vollends gewandelt hat sich meine Einstellung, als ich mich bei meinen Planungen für die Salva-torgarage näher mit deren Aufbau beschäftigt habe: ein Backsteinbau, wie er in den 1960er-Jahren gerade von Ideologen der Moderne mas-senhaft konzipiert wurde. Doch da waren diese Ungereimtheiten, die mich neugierig machten: statt eines stringenten Rasters kleine, schein-bar willkürliche Vor- und Rücksprünge, statt des erwarteten Läufer-Binder-Ziegelverbandes ein spielerischer Versatz um einen halben Ziegel, der in die Fassade ein fast maurisch anmuten-des Muster zaubert. Auf den ersten Blick ein nicht sofort erkennbarer, aber bei längerer Be-trachtung nicht mehr auszublendender Effekt, der der Rigidität der damaligen Moderne und ihrer vermeintlichen Strenge mit einem Augen-zwinkern begegnet, das ich aus den legendären Geschichten über den Professor Franz Hart he-rauszuhören glaubte.Peter Haimerl, Architekt (geb. 1961)

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direkt an den Stahlbauer gesendet, wo die 64 – aneinandergereiht fast 900 m langen – Ele­mente mit CNC­gesteuerten Plasmaschneidgeräten innerhalb von vier Wochen produziert wurden. Das Ergebnis, so die Jury für den BDA­Preis Bayern 2010 seinerzeit, «ist ein Garten für Autos über den Dächern von München: ein technischer, paradiesischer Ort in ornamentalem Funktionalismus üppig und gleichzeitig industriell gestaltet». Weniger poetisch formuliert, realisiert die Salvatorgarage architektonische Qualität dort, wo wir uns mittlerweile daran gewöhnt haben, sie nicht zu erwarten: im Bereich der innerstädti­schen Verkehrsarchitektur. Und damit führt Peter Haimerl das weiter, was Franz Hart seiner­zeit bereits erkannt hatte. Die Aufstockung der Garage steht so beispielhaft für eine Instand­setzung, die eigenständig und undogmatisch an das Bestehende anknüpft, der historischen Substanz jedoch den nötigen Raum lässt.

Jochen Paul, Fachjournalist und -autor Architektur und Gestaltung, [email protected]

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02 Blick in die Salvatorstrasse mit ansicht Fas­sade garage (Fotos: Florian Holzherr, München)03 Blick von innen auf die Stahlfassade aus rechteckprofilen in der Breite der alten Dünn­formatziegel04 Querschnitt Salvatorgarage, mst. 1:400 (Plan: Peter Haimerl, München)05 Blick richtung Frauenkirche vom obersten Parkdeck aus

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am Bau BeteiligteBauherrschaft: Freistaat Bayern, vertreten durch Staatliches Bauamt München 2, MünchenArchitektur: Hild und K Architekten, Andreas Hild, Dionys Ottl, D-München; Projektleitung: Beate Brosig, Ina Fidorra, Henrik Thomä, Markus SchubertAusschreibung und Bauleitung: Eckl + Partner, RegensburgTragkonstruktion: Ingenieurbüro rb – Bau-planung, MünchenTragkonstruktion Klinkerfassade: Sailer Stepan und Partner, MünchenHLKS-Planung: Bloos Däumling Huber, MünchenElektroplanung: Planungsbüro für Elektro-technik J. Schnabl, OberpframmernBauphysik, Akustikplanung: Obermeyer Planen + Beraten, MünchenFreiflächenplanung: Keller Damm Roser Landschaftsarchitekten Stadtplaner, MünchenKlinkerarbeiten: Klinkerzentrum Roland Weigel GmbH & Co. KG, Mellrichstadt

TermineWettbewerb: September 2007Beginn Ausführungsplanung: März 2008Fertigstellung Bauteil 1: August 2011Fertigstellung Bauteil 2: März 2013 (geplant)

Wer die Westseite der technischen universität münchen passiert, den wird der Blick auf die scheinbar bewegte neue Haut des gebäudes fesseln. Das relief wählten die münchner architekten Hild und K, die für den umbau und die instandsetzung (2011) des von Franz Hart errichteten instituts für tech­nische Physik (1960) verantwortlich zeichnen, nicht willkürlich: es leitet sich aus der Konstruktion des Bestands ab und überspielt den übergang zwischen zwei tragwerksskeletten. Der alte, nüchterne Kern erhält damit eine attrak­tive Verpackung, die den heutigen energetischen anforderungen entspricht.

Im Sonnenlicht glänzt das Klinkerkleid, das seit 2011 einen Teil des Eckgebäudes im Nord­westen der TU München umhüllt, fast metallisch. Es markiert den ersten Bauabschnitt der Instandsetzungsarbeiten und lässt ahnen, dass der Stahlbetonbau von Franz Hart (1963) bald hinter seiner neuen Hülle verborgen sein wird. Die Instandsetzung geht mit den Quali­täten des bestehenden Gebäudes souverän um: Während die klar strukturierten Innenräume erhalten bleiben und die den Raum prägende Tragkonstruktion freigelegt und durch die farbliche Gestaltung noch betont wird, erhält die Fassade eine völlig neue Interpretation.Das Gebäude an der Ecke Luisen­ und Theresienstrasse (Abb. 1) gliedert sich in zwei Bau­körper, die durch ein leicht zurückgesetztes Treppenhaus miteinander verbunden sind (Abb. 2). Es ist Teil des Stammgeländes der TU München, die aus vielen unterschiedlichen, im Laufe der letzten 150 Jahre entstandenen Bauten zusammengesetzt ist. Die Bauabschnit­te spiegeln dabei auch den architektonischen Geist wider, der jeweils herrschte, haben sich doch hier die Architekturlehrer der Universität über mehrere Generationen verwirklichen können. Der schlichte Eckbau Harts, der aus der inneren Organisation entwickelt ist, nimmt sich in diesem Nebeneinander der Epochen in der Fassadegestaltung ganz zurück.Aufgrund der erforderlich gewordenen energetischen Sanierung wurde ein Wettbewerb zu­nächst nur für die Instandsetzung der Fassade ausgeschrieben. Den Wettbewerb gewann das Münchner Architekturbüro Hild und K, das vorschlug, eine Mauerschale aus titangrauen Klinkersteinen vor die neue Dämmung zu setzen. Bei der Materialwahl orientierten sich die Architekten an den benachbarten Universitätsgebäuden: Auf dem Nordgelände finden sich einige Bauten aus den 1950er­ und 1960er­Jahren aus beigem Backstein, während im Innen hof das Audimax mit angrenzendem Institutsgebäude mit Aluminiumpaneelen bekleidet ist. Hild und K suchten den Kompromiss zwischen diesen Hüllen und strebten gleichzeitig nach einer möglichst robusten, langlebigen Konstruktion. Eine Besonderheit des Entwurfs sind die etwa 137 cm breiten Wellen, die die Fassade in rhythmischen Abständen in vertikale Streifen gliedern. Dieses Relief leitet sich aus dem Bestand ab: Die vertikal verlaufenden Wellen überbrücken Versprünge, die daher rühren, dass sich die Konstruktion aus zwei ver­schiedenen Stahlbetonskeletten zusammensetzt. Die unteren Geschosse – auf der Strassen­seite sind es zwei, im Blockinneren aufgrund eines Tiefhofs drei Stockwerke – sind als grosse Halle ausgebildet. In diesen flexiblen Raum wurde ein Stahlbetongitter eingefügt, das das Innere in verschiedene Ebenen gliedert. In den oberen Geschossen gibt es diese aufwen­dige Konstruktion nicht: Ein einfaches Stahlbetonskelett sitzt auf der Halle, es weicht aller­dings von der Baulinie etwas zurück (Abb. 3). Von aussen liess sich dieser zweigeteilte Auf­bau vor der Instandsetzung vor allem an den nach aussen vorstehenden Pfeilern der Halle ablesen. Dort, wo die Konstruktion oberhalb der Pfeiler zurückweicht, finden sich heute die Backsteinwellen. Im oberen Bereich der Fassade geht der Schwung sanft in die Ebene über, sodass das Relief glatt ausläuft. Statt einer eindeutigen Linie, die die verschiedenen Konst­ruktionen voneinander trennt, entsteht eine Übergangszone (Abb. 6).

BeWegter VorHang

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Wellen in HanDarBeitDie Klinker wurden speziell für dieses Projekt entwickelt. Der glasierte Stein mit den Massen 24 × 11.5 × 4 cm wirkt je nach Lichteinfall silbrig oder schwarz glänzend. Die komplette Vor­mauerfassade sitzt auf Konsolen, die im Bestand verankert sind. Dabei gliedert sich die Hülle in einzelne Abschnitte: Die Klinkerbekleidungen der Brüstungsbereiche definieren sich durch die seitlichen Begrenzungen als separate Bauteile, beim oberen Gebäudeabschluss befin­den sich die vertikalen Fugen zwischen den einzelnen Vormauerelementen jeweils über den Mittelachsen der Fenster. Bei den Wellen fallen die Abfang ebenen – also die horizontalen Trennungen zwischen den Vormauerelementen, die von den Positionen der Konsolen definiert werden – nicht mit Brüstung oder Sturz zusammen, daher konnten sie von den Architekten definiert werden. Um durchgehende Fugen in einer Höhe zu vermeiden, wurden sie versetzt angeordnet. Für den Betrachter wirkt es zunächst so, als gleiche kaum ein Wellenband dem anderen, doch tatsächlich reichen vier verschiedene Typen aus, um die Fassade lebendig erscheinen zu lassen. Die neue Hülle liessen die Architekten traditionell vor Ort von Handwer­kern mauern. Um eine präzise Form zu erreichen, wurde für jeden Wellentyp ein Plan mit ge­nauer Bemassung vorbereitet. Damit konnte man auf Schablonen verzichten, die Handwerker überprüften die Form der geschwungenen Bänder in regelmässigen Abständen durch Nach­messen. Wellenbänder und Gebäudeabschluss sind im Läuferverband mit Halbsteinüberde­ckung gemauert, die Brüstungsbereiche heben sich davon mit einer Viertelsteinüberdeckung ab. Die Hinterlüftung der Fassade erfolgt nicht über offene Stossfugen, sondern über vorge­fertigte Lüftungssteinelemente aus Beton, die im unteren Bereich der Pfeilerbekleidung in die Fassade integriert sind. Oben tritt die Luft über die Attika nach hinten wieder aus.

Wellen VS. glatte WanDDie Abmessungen der neuen Fenster entsprechen jenen des Hart­Baus. Die Elemente sitzen bündig in der Fassade, um nicht in Konkurrenz zum Relief zu treten. Der Einbau erfolgte in mehreren Abschnitten: Zunächst wurde auf den Rohbau die Fensterzarge montiert, dann

01 Situation: a nordgelände tu, B alte Pinako­thek, c mensa tu, D ehemaliges Südgelände tu, e glyptothek02 ansicht ecke theresien­/luisenstrasse: Die Klinkerfassade (rechts) wird künftig über das zurückgesetzte treppenhaus und den an­schliessenden gebäudeflügel weitergeführt. Die Kunstfenster werden dabei übernommen (Foto: Michael Heinrich)03 Perspektive der geschossweise gestapelten Stahlbeton­rahmenkonstruktionen (Pläne: Hild und K Architekten)

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Wandaufbau:– Stahlbetonstütze 325 mm– Wärmedämmung

mineralwolle 160 mm– Hinterlüftung min. 90 mm– edelstahlunterkonstruk­

tion zur abfangung– ziegelvorsatzschale

Klinker 115 mm

unterzug 440 mm(Bestand)

unterzug 800 mm (neu)

unterzug 1400 mm (Bestand)

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Franz Hart in müncHen | 29TEC21 26 / 2012

folgten die Dämmung und die Vormauerfassade. Anschliessend wurde das Fenster element von aussen eingesetzt, an den Zargen befestigt, und von innen wurde ein Anschlussprofil angebracht. Zur Strasse hin finden sich zwei Arten von Fenstern: In den unteren beiden Ge­schossen, in denen sich vor allem die Hörsäle und deren Erschliessung befinden, liessen die Planer durchgehende Festverglasungen einsetzen, in den oberen Geschossen, die von Büros besetzt werden, zweiflügelige Fenster, die sich nicht zur Seite, sondern zur Mitte hin öffnen lassen. Die beiden Mitarbeitenden, die sich dort jeweils ein Büro teilen, können da­durch je einen Öffnungsflügel für sich in Anspruch nehmen und nach Belieben lüften. Die Sonnenschutz lamellen sind bei allen Fenstertypen in den Scheibenzwischenraum integriert. Im zweiten Bauabschnitt wollen die Architekten die Einschnürung zwischen den beiden Bau­körpern des Eckgebäudes schliessen, indem sie die Fassade des verbindenden Treppen­hauses an die Strasse rücken.

rauer KernUrsprünglich waren die Architekten nur für die Gestaltung der Fassade verantwortlich – im Laufe des Projekts übernahmen sie jedoch auch die Instandsetzung der Innenräume. Dort verfolgten Hild und K ein Konzept, das sich in gewisser Weise konträr zu ihrem Umgang mit der Aussenfassade verhält: Während sie das Gebäude aussen umhüllten, legten sie im Inne­ren Harts Konstruktion weitgehend frei. Durch den Verzicht auf umfangreiche Bekleidung konnten sie neue Schwerpunkte setzen, wie etwa ein grosszügiges Foyer mit geschwunge­ner Treppe (Abb. 8). Um eine einheitlich raue Oberfläche zu erreichen, mussten die Archi­tekten den Beton sandstrahlen und instand setzen lassen. Hild und K haben einen eigenen Umgang mit dem historischen Gebäude gewählt: Die dunkle Farbe der Klinkerfassade und ihre ornamentale Gestaltung stehen eigenständig im Kontext der Universitätsbauten und sind weniger Teil eines Ensembles, als es der Altbau von Franz Hart war. Die Hülle verleiht dem Bau jedoch Eleganz und nimmt Rücksicht darauf, dass es bis zum nächsten Umbau länger dauern könnte: Der Instandsetzungsstau bei deutschen Hochschulbauten wird in Zukunft nicht kleiner werden. Die robuste dunkle Klinker fassade ist daher auch im Hinblick auf die nächsten Jahrzehnte eine sinnvolle Ent­scheidung. Im Umgang mit dem Bestand arbeiten die Architekten auf diese Weise souverän dessen Qualitäten heraus und setzen, wo erfordelich, neue Akzente.

Claudia Hildner, Architekturjournalistin, [email protected]

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04 grundriss obergeschosse, mst. 1:1000 (Pläne: Hild und K Architekten)05 grundriss Strassenebene, mst. 1:100006 Hofseitige Fassade mit Blick nach norden auf die originale Fassade des Hart­Baus, die im zweiten Bauabschnitt erneuert wird07 Schnitt Hoffassade ab dem Systemwechsel von Hallen­ zu geschosstragwerk. Die gesamt­höhe von 24.08 m entspricht 476 Steinlagen08 im inneren zeigt sich nach der erneuerung das unverkleidete Betontragwerk des Hart­Baus (Fotos: Michael Heinrich)

HilD üBer HartEine feingliedrige Stahlbeton-Fertigteilfassade bestimmte das Äussere des Gebäudes an der Luisenstrasse, so wie es Franz Hart entworfen hatte. Sein Inneres war bestimmt von der Vision des Urhebers, mittels einer komplexen, doppelt übereinandergeschichteten Hallenkonstruktion eine grösstmögliche Flexibilität der Nutzung zu ermöglichen. Diese Chance wurde wie so oft in der Geschichte multifunktionaler Bauten wäh-rend der Nutzungsdauer nicht ausgeschöpft. Dennoch: Die weit gespannten Träger haben es möglich gemacht, die Struktur sinnvoll umzunut-zen, und das Tragwerk entwickelt unverkleidet einen hohen ästhetischen Reiz. Gerade durch die Qualität des Bestandes wurde es möglich und sinnvoll, das Gebäude zu erhal-ten. Insofern versteht sich das architektonische Konzept des Umbaus auch als Beitrag zur Debatte über die Nutzbarkeit bestehender Strukturen.Andreas Hild, Architekt (geb. 1961)