Franz Kesting Franz Kesting (1885–1977) - edition-huy.de · E D I T I O N H U Y Nr. 14 - 2016...

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Franz Kesting Ein Beitrag zur Paderborner Bistumsgeschichte und der sächsischen Diaspora Nachdruck der Ausgabe von 1953

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E D I T I O N H U Y

Nr. 14 - 2016

EDITION HUY Nr. 14 Franz Kesting Aus Huysburgs Tagen

Franz Kesting

Ein Beitrag zur Paderborner Bistumsgeschichte

und der sächsischen Diaspora

Nachdruck der Ausgabe von 1953

Franz Kesting (1885–1977) war Pfarrer in Bruchhausen nahe

Höxter. Seine Beschreibung der Geschichte des Benediktiner-

klosters Huysburg geht weit über dessen eigentliche Geschichte

hinaus. Einen wesentlichen Teil seines Textes nimmt die Zeit nach

der Auflösung des Klosters im Jahre 1804 ein. Neben dem Schick-

sal des aufgelösten Klosters Huysburg wird auch auf die anderen

untergegangenen Klöster im Fürstentum Halberstadt und im

Herzogtum Magdeburg eingegangen. Insbesondere wird die

Geschichte des bischöflichen Kommissariats Magdeburg

beschrieben, dessen Wurzeln auf der Huysburg lagen und dessen

Entwicklung zum jetzigen Bistum Magdeburg führte. Kesting

bringt eine Fülle von Fakten, Anekdoten und Auszügen aus Briefen

und Urkunden, die die Wechselfälle dieses Klosters in der Diaspora

lebendig werden lassen.

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FRANZ KESTING

Ein Beitrag zur Paderborner Bistumsgeschichte und der sächsischen Diaspora

Nachdruck der 1953 von der Bonifacius-Druckerei Paderborn besorgten Ausgabe

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Imprimatur der Erstausgabe: Paderbornae, d. 28. m. Maji 1953 Nr. A 2857/53 Vic. Gen. Dr. Tuschen Genehmigung zum Nachdruck durch Generalvikar Alfons Hardt des Erzbistums Paderborn vom 18.1.2016 Impressum: Franz Kesting: Aus Huysburgs Tagen. Nachdruck der Ausgabe von 1953 herausgegeben von Martin Hentrich, Schöppensteg 89b, 39124 Magdeburg Schriftenreihe EDITION HUY Nr. 14 (2016) 1. bis 100. Stück www.edition-huy.de

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INHALT

Geleitwort Sr. Exzellenz, des HH. Erzbischofs Dr. Lorenz Jaeger ..........................7 Vorwort ....................................................................................................................9 I. Die Benediktiner-Abtei Mariä Himmelfahrt auf der Huysburg A. Gründung und Wachstum ............................................................... 11 B. Huysburg und die Bursfelder Kongregation ................................... 15 C. Huysburg im Reformationszeitalter..................................................17 D. Huysburg in der Brandenburgisch-Preußischen Zeit ........................19 E. Ernste Lage der Klöster und der Diaspora im XVIII. Jahrhundert ...21 F. Versuche Preußens zur Errichtung eines unabhängigen kirchlichen Vikariates und Abt Matthias Hempelmann....................26 G. Huysburg unter den letzten Äbten, 1756 bis 1804 ...........................28 H. Gesamtbild der Abtei im XVII. und XVIII. Jahrhundert ..................32 I. Wissenschaftliches Studium und Klosterbibliothek .........................35 K. Die 47 Äbte von Huysburg ..............................................................37 II. Die Aufhebung der Abtei Huysburg ...........................................................38 III. Vorgeschichte des Kommissariats Huysburg .............................................39 IV. Das Geistliche Kommissariat Huysburg .....................................................47 V. Der Verbleib der letzten Benediktiner von Huysburg .................................59 VI. Anhang Der weitere Aufbau des Kommissariats Magdeburg ..................................62 Schlusswort ..........................................................................................................66 Anmerkungen ....................................................................................................... 67 Quellen und Literatur .............................................................................................92

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Über Franz Kesting................................................................................................ 94 Zu dieser Ausgabe..................................................................................................95 Bildnachweis..........................................................................................................95 Danksagung............................................................................................................95

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ZUM GELEIT

Der Herr liebt die Berge. Er steigt auf den Berg, um zu beten. Auf einem Berge hält Er Seine große Predigt. Auf dem Berge Tabor ward Er vor Seinen Freunden verklärt. Am Ölberg beginnt Sein Leiden. Auf dem Berge Golgotha steht Sein Kreuz. Von einem Berge fährt Er auf in den Himmel. Und dort sieht Johannes das Lamm auf dem heiligen Berge Sion (Apoc. 14, 1).

Der Herr liebt die Berge. Kein Wunder, daß die Kirche ihre Gotteshäuser und Klöster oft auf die Berge baute. Allen voran liebt St. Benedikt die Berge. Seine Klöster stehen meist hoch auf dem Berge. So bauten auch Benediktiner im 11. Jahrhundert ihr Kloster nahe bei Halberstadt auf die Höhe eines Berges, den der Volksmund „Huy“ nennt. Die Türme der alten romanischen Kirche ragen wie Türme einer Burg hinein ins Land. „Huysburg“ heißt deshalb dies Kloster seit alters her. Jahrhunderte lang sangen hier die Benediktiner das Gotteslob, bis An-fang des letzten Jahrhunderts ihr Kloster mit Gewalt aufgelöst wurde. Die alte Klosterkirche wurde Pfarrkirche. Eine kleine Diasporagemeinde hütet das Ewige Licht. Es wurde still auf der Huysburg.

Nun ist sie seit einigen Jahren aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Die Dias-porakatholiken des Kommissariates Magdeburg kennen wieder ihren Namen.

In den Räumen, in denen einstmals die Benediktiner wohnten, wohnen jetzt die jungen Seminaristen des neu errichteten Priesterseminars, das eine Zweigstelle des Paderborner Priesterseminars ist.

Dort auf dem Berge bereiten sich die zukünftigen Priester auf ihr Priestertum vor. Dort sind sie mit IHM allein auf dem Berge, damit Er sie beten lehre; damit Er ihnen Sein Wort künde, das sie bald über die Dächer hin der Welt predigen sollen; damit Er sie in Seine hochheiligen Mysterien einführe, deren Ausspender sie bald sein dürfen.

Die Klosterkirche ist eine alte Marienkirche. Als der heilige Bischof Burchard von Halberstadt die Kirche einweihte, sagte er: „Auf diesem Berge soll das Ma-rienlob nie wieder verstummen.“ Es ist nie verstummt, aber seit einigen Jahren, da

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wieder Tausende von Wallfahrern alljährlich zur „Mutter Gottes vom Huy“ hinauf-ziehen, erschallt das Lob „Unserer Lieben Frau“ wieder laut ins weite Land.

Dieses Büchlein will berichten aus der Geschichte des Klosters Huysburg und der Pfarrgemeinde, welche das Klosterheiligtum hütet; es will allen Katholiken des Kommissariates Magdeburg und darüber hinaus der ganzen Erzdiözese Paderborn künden von der Liebe des Herrn, die seit 900 Jahren sich dort so herrlich offenbart.

Möge Gottes Huld und Gnade Jahr für Jahr recht viele Priester-Seminaristen und Wallfahrer führen und geleiten zum heiligen Berge Gottes und in Sein heiliges Zelt (Ps. 42). Mögen alle, die dort dem Herrn begegnen, oft der Stunde gedenken, „da sie mit IHM auf dem heiligen Berge waren“ (1 Petr. 2. 18).

Paderborn, am 24. Oktober, dem Feste des hl. Erzengels Raphael 1953.

Erzbischof von Paderborn

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VORWORT

Die Umsiedlung katholischer Bevölkerung aus dem deutschen Osten in die Deutsche Demokratische Republik erhöhte, wie anderswo, auch im Kommissari-atsbezirk Magdeburg der Erzdiözese Paderborn die Zahl der Katholiken von früher 140 000 auf heute ca. 500 000. Aus der Abschnürung dieses kirchlichen Gebietes von der seit 1821 festgelegten Verbindung mit Paderborn ergab sich die Notwen-digkeit, für dieses vom westlichen Muttersprengel gelöste reine Diasporagebiet ein Priesterseminar zu errichten. Dort soll der erforderliche Nachwuchs für den Seel-sorgsklerus seine letzte Ausbildung erhalten.

Die Wahl fiel auf die ehemalige Benediktiner-Abtei „Mariä Himmelfahrt“ auf der Huysburg unweit Halberstadt. Seitdem vor 150 Jahren die Klostergemeinschaft aufgelöst worden ist, dient die ehrwürdige Klosterkirche der katholischen Pfarrge-meinde Huysburg als Gotteshaus. Der Rest der zum Teil abgebrochenen Kloster-gebäude beherbergt neben der Pfarrwohnung und anderen kirchlichen Räumen seit 1952 die neue Pflanzstätte katholischen Priestertums.

Die folgenden Abhandlungen lassen ersehen, daß Huysburg unter den ostsächsi-schen Klöstern bis in die preußische Zeit hinein und später noch als Sitz eines Geistlichen Kommissariates eine führende Stellung eingenommen hat. Die land-schaftlich reizvolle Lage auf dem Gipfel des „Huy“, fern von der Unruhe städti-scher Betriebsamkeit, macht die Huysburg wie geschaffen zu einer Heimstatt für künftige Seelsorger, die sich hier in Gebet und innerer Sammlung das geistige Rüstzeug holen sollen für einen lebenslangen Diasporadienst.

Die Verwirklichung dieses Planes stellte den Oberhirten der Paderborner Erzdiö-zese, Exzellenz Dr. Lorenz Jaeger, vor eine Aufgabe, deren erfolgreiche Lösung der mitteldeutschen Glaubensdiaspora den weiteren Weg zu einer segensreichen Zukunft weisen dürfte. Das neue Seminar muß diasporaständig sein, um seine Alumnen für die Diaspora reif zu machen. Seine Wurzeln sollen in der heimatli-

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chen Erde schlagen. Den erforderlichen Kleinarbeiten hierzu konnte sich nur ein mit allen Verhältnissen vertrauter Kenner dieser Diaspora unterziehen.1

Der modernen Anforderungen entsprechende Ausbau der alten, seit anderthalb Jahrhunderten ihren Zwecken entzogenen Klostergebäude, nahm zwei Jahre in Anspruch und stellt eine dankenswerte Leistung dar. Von den Bemühungen um den Ort der neuen Priesterheimstätte bis zur Beschaffung der schwer erhältlichen Materialien war es ein weiter Weg. Wer alte Klosterbauten kennt, weiß, was es heißt, aus den meist weitläufigen Räumlichkeiten Einzelzimmer für die Alumnen zu gewinnen. Der Umbau verlangte gleichzeitig die Anlage einer Zentralheizung und Wasserversorgung für alle Räume. Das Werk ist nach Überwindung mancher Schwierigkeiten gelungen.

Hier finden die jungen Priesteramtskandidaten aus dem Paderborner Anteil in-nerhalb der DDR und der Kommissariate Meiningen und Mecklenburg in der Priesterweihe den Abschluß ihrer Vorbereitung auf die praktische Seelsorge. Schon 1952 gingen die ersten Neupriester heraus, und eine angemessene Anzahl steht wieder unter der wissenschaftlichen und geistlichen Leitung zweier Dozenten, die mit der Übernahme dieser verantwortungsvollen Aufgabe ein großes Opfer brin-gen.

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Ehem. Benediktinerkloster Huysburg, gegr. 1080 [Luftbild ca. 1925]

I. DIE BENEDIKTINERABTEI MARIÄ-HIMMELFAHRT AUF DER HUYSBURG A. Gründung und Wachstum

Der Huy ist ein buchenbewaldeter Höhenzug von etwa 10 km Länge und 3 km Breite aus Buntsandstein und Muschelkalk mit eingestreuten Mineralquellen. Das Gelände steigt bis zu 310 m aus dem nördlichen Harzvorlande auf und liegt nahe bei Halberstadt.

Hier errichtete Bischof Burchard I. von Halberstadt im elften Jahrhundert eine Kapelle mit zwei Altären. Der Altar im Chore erhielt seine Weihe zu Ehren der hl. Jungfrau Maria durch Erzbischof Engelhard von Magdeburg. Burchard selbst konsekrierte in der Krypta den zweiten Altar dem Andenken der hil. Gregor und Magdalena.

Karl van Eß, letzter Prior der nach 720 Jahren anfangs des neunzehnten Jahrhun-derts aufgelösten Huysburger Abtei, gibt an, daß auf der Höhe und um den Huy-berg herum eine ansehnliche Siedlung bestanden habe mit einer Ober- und Unter-stadt. Er verlegt die Gründung der Ortschaft in die Zeit König Heinrichs I. und Kaiser Ottos I., ihre Blüte in das elfte Jahrhundert, ihren Untergang in die Tage des Bauernkrieges, 1521, wobei die urkundlichen Nachrichten verlorengegangen sein dürften.2

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Mönche gegenüber denen aus anderen Landesteilen scheint zeitweise bei Kon-ventswahlen zur Bevorzugung der Paderborner Landsmannschaft geführt zu haben. Julius Hildebrand legt den dieserhalb laut gewordenen Beschwerden aus dem Jahre 1801 keine Bedeutung bei. Ihm genügt die Tatsache, daß der damalige Abt Isidor aus Meppen ein Münsterländer und wegen hervorragender Tüchtigkeit Lektor und dann Abt geworden sei.

H. Gesamtbild der Abtei Huysburg im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert

Zum Abschluß der ereignisreichen Geschichte des Klosters Huysburg erscheint

eine zusammenfassende Darstellung nach Herkunft der Mönche, der einzelnen Klosterämter, Kloster-Kirchengemeinde und der räumlichen Ausdehnung der Klostergüter und Abtshoheit angebracht. Während für die ersten Jahrhunderte nur die meist deutschen Personennamen der Mönche, bei den Äbten wohl auch der Familienname und die Herkunft bekannt sind, vervollständigt sich seit Abt Theoderich Branden um 1450 das Mönchsverzeichnis auf nähere Angaben.

Nach dem bedauerlichen Rückgang der Ordensberufe in den Reformationswir-ren stieg seit etwa 1650 die Zahl wieder.

Mit Abt Sebastian von Horn aus Paderborn begann der bis zur Aufhebung der Abtei anhaltende Zuzug aus den katholisch gebliebenen Gebieten.

Für die Jahre 1650 bis gegen 1800 ergibt sich folgendes Bild:

1. Corveyer Land (heutiger Kreis Höxter) ........................ 25 Eintritte 2. Stadt und Kreis Paderborn ............................................ 39 Eintritte 3. Kreis Warburg .............................................................. 10 Eintritte Summa aus Paderborn-Corvey......... 74 Eintritte 4. Kurkölnisches Sauerland .............................................. 14 Eintritte 5. Hochstift Münster ......................................................... 17 Eintritte 6. Hochstift Osnabrück ..................................................... 13 Eintritte 7. Hochstift Hildesheim .................................................... 17 Eintritte 8. Kurmainzisches Eichsfeld etc ......................................... 5 Eintritte 9. Norddeutschland ............................................................ 9 Eintritte Summa aus den anderen Gebieten .. 75 Eintritte Insgesamt ......................................149 Eintritte

Im Einzelnen verteilen sich die Ordensberufe aus Land CorveyIHöxter auf die Ortschaften Bellersen, Beverungen (4), Bergheim, Bökendorf, Bredenborn (3), Brakel (3), Erpentrup, Eversen, Godelheim, Hohehaus, Höxter, Lügde, Merls-heim, Schmechten, Steinheim und Vörden (2).

Stadt und Land Paderborn: Altenbeken, Delbrück Elsen, Lippspringe, Marien-loh, Neuhaus (3), die übrigen 31 aus der Stadt Paderborn, oder nur mit Angabe „Diözese Paderborn“.

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Kreis Warburg: Borgentreich, Dössel, Gehrden (2), Peckelsheim (2), Warburg (2) und Weida.72/73

Das Normalstatut von 1648 setzte die Zahl der Mönche für Huysburg auf 26 fest. Der Apostolische Vikar Agostino Steffani führt in seinem Bericht von 1711/12 die Zahl von 25 Konventualen an. In dem Jahrhundert von 1704 bis 1804 werden 98 Neueintritte verzeichnet, somit jährlich ein Zugang. Demgegen-über stehen in derselben Zeit 95 namentlich berichtete Todesfälle, dazu 3 Ver-schollene bzw. Austritte, zusammen wieder 98 Verluste.74

Eine letzte Zählung veröffentlicht Julius Hildebrand aus dem Jahre 1801. Da-nach waren in Huysburg 15 Mönche, in Minden lebten 6 Patres.75 Für die Klos-terhöfe in Anderbeck, Eilenstedt und Röderhof ist je 1 Pater anzusetzen, desglei-chen für die Propsteien Hadmersleben und Badersleben wenigstens je 1 Ordens-priester. Bückeburg und Wittlage beanspruchten 2 Kräfte. Die Zahl der jungen Professen wird auf 4 bis 5, die der Novizen auf 2 bis 3 anzusetzen sein.

Außer den feststehenden Ämtern des Abtes, Priors und Subpriors weist der Cata-logus Abbatum noch folgende nach: 1) den Lektor der Theologie und Philosophie für die Unterweisung der jungen Religiosen; 2) das wichtige Amt des Novizen-meisters zur Einführung der Ordenskandidaten in das geistliche Leben; 3) den Ludimagister für die bei dem Kloster bestehenden Elementarschulen; 4) den Celle-rarius für die äußeren Geschäfte; 5) den Culinarius für die Nahrungsversorgung; 6) den P. Granarius für die Landwirtschaft; 7) den Aufseher über das Forstwesen, P. Inspector Ligneti; 8) für Pachtangelegenheiten den P. Inspector Decimarum.

Dazu kommen noch der Sakristan, Bibliothekar, Kantor, Koch, Krankenwärter und Schneider oder andere Handwerker, die meist Laien waren.

Nach den Angaben Hildebrands waren die Beamten des Klosters Katholiken und meist Westfalen. Die Pächter waren dagegen einheimische Nichtkatholiken. Unter den von den Äbten auf dem Röderhofe angesetzten Kolonisten waren vorzugsweise Katholiken. Um 1900 befanden sich einige dieser ehemaligen Lehnsstellen noch in katholischen Händen.76

Den Gottesdienst für die zum Kloster gehörige Zivilgemeinde versah der P. Pas-tor, bei den Frauenklöstern der Propst. Zur weiteren Gemeinde gehörten Sargstedt, Röderhof, Dingelstedt, Eilenstedt, Eilsdorf und [Haus-]Nienburg, auch Schwane-beck mit der Herrgottskapelle. Gegen das Jahr 1800 rechnete man 300 Gläubige zur Gemeinde, für welche sonn- und feiertags Hochamt mit Predigt und am Nach-mittag Christenlehre stattfand. – Die Zahl der nach Huysburg eingeschulten Kinder wird auf 30 bis 50 berechnet. Sie lernten Lesen, Schreiben, Rechnen, Geschichte und wurden vor allem in der Religion unterwiesen. Das Kloster gab ihnen unent-geltlich Unterricht und Schreibmaterial und beköstigte alle Schulkinder.77

Die im zwölften Jahrhundert geweihte Klosterkirche war ursprünglich eine romanische Basilika. Spätere bauliche Veränderungen zur Kreuzesform fanden 1413 und 1487 statt, wobei auch die beiden Haupttürme errichtet wurden. Für die Barockausstattung der Abteikirche sorgten die Äbte Matthias Hempelmann und

II. DIE AUFHEBUNG DER ABTEI HUYSBURG Bereits in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts lag die Furcht vor

zwangsweiser Auflösung durch die weltlichen Mächte wie ein Alpdruck auf den Gemütern der Ordensleute. In Osterreich wurden 1781 über siebenhundert Ordenshäuser aufgehoben, bei der Teilung Polens erfolgte die Säkularisation des Ermlandes. Nicht nur die französische Revolution forderte solche Einzie-hungen kirchlicher Vermögen, auch in Deutschland traten manche Reichsfürs-ten dafür ein. Tagespresse und Schriften redeten der Verweltlichung geistli-chen Besitzes das Wort und fanden selbst in katholischen Kreisen offene Oh-ren. Dieser schon lange befürchtete Schlag gegen die Kirchengüter traf auch die Huysburg mit den anderen Klöstern im Fürstentum Halberstadt und Her-zogtum Magdeburg am 21. Januar 1804.

Daß es hier nicht an einer moralischen Gegenwehr fehlte, solange die tat-sächliche Aufhebung noch nicht erfolgt war, beweist eine Denkschrift vorn 16. Juli 1804.

Eine Aktenbeilage aus Kloster Huysburg, nach Handschrift und Stil von ei-nem Huysburg nahestehenden anonymen Juristen stammend, vom 24. März 1804 enthält ein beruhigendes Urteil. Die dortigen Klöster hätten keine Auflö-sung zu befürchten, solange sie zu den Landständen gehörten und zugleid einer nützlichen Bestimmung dienten. Der Gerechtigkeitssinn des preußischen Kö-nigs werde die Katholische Kirche schonend behandeln, ihre unschädlichen religiösen Anstalten dulden und die nützlichen gebührend achten. Mit der Auf-hebung solcher Klöster werde wenig gewonnen, weil man genötigt sei, an ihrer Stelle neue Einrichtungen zu treffen. – Gegen die Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner) scheint der Gutachter eingenommen zu sein und ihre Einziehung für berechtigt zu halten. – Der Rat des Gutachtens geht dahin, die Entwicklung der Dinge abzuwarten, bis entscheidende Schritte vorgenommen würden. „Der fiscalische Geist ist furchtsam, besonders scheut er die Justiz, und durch sie kann man ihn am besten zügeln.“ Das Schreiben schließt mit einer tröstlichen Empfehlung an den Herrn Abt Isidorus.91/94

Allen auf Recht und Verbindlichkeit gestützten Vorstellungen zum Trotz kam doch bald der Tag der endgültigen Auflösung der ehrwürdigen Klosterge-meinde Huysburg. Am zweiten Oktober 1804 veranlaßte der Kriegsrat Krieger – später Domänendirektor – aus Halberstadt den Abt, seine Konventualen zu-sammenzurufen. Es galt, den Klosterangehörigen das unfreiwillige Ende ihres klösterlichen Lebens anzukündigen und sie damit auf eine völlige Wende ihrer bisherigen Gewohnheiten vorzubereiten. Krieger gesteht selbst, daß es ihm schwer geworden sei, sich dieser Aufgabe ohne innere Anteilnahme zu unter-ziehen.95

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III. VORGESCHICHTE DES GEISTLICHEN KOMMISSARIATES HUYSBURG

Trotz des siegreichen Vordringens der Glaubensneuerung des sechzehnten Jahr-

hunderts in den Bistümern Halberstadt und Magdeburg konnte sich die Katholische Kirche, wenn auch bescheiden, behaupten. Um die erhalten gebliebenen Klöster in und bei Halberstadt und Magdeburg sammelte sich eine kleine Schar von Gläubi-gen. Die größeren Klöster mit Grundbesitz zogen zur Bewirtschaftung ihrer Güter noch katholische Glaubensgenossen aus dem Westen oder von Hildesheim herbei. Sie wirkten durch die Ordenspriester in Seelsorge und Unterricht bis in entlegene Orte, wo sich Gelegenheit bot. Halberstadt hatte sogar zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges wieder einen rechtmäßigen Bischof, Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich. Erst der Westfälische Friede erkannte beide Stifter als Fürstentum bzw. Herzogtum Kurbrandenburg zu.

Es brauchte eine längere Zeit, bis sich die nunmehrige Diasporakirche wieder aufrichten konnte. Die Schrittmacher der ersten planmäßigen Diasporaarbeit waren die Klosterföderationen unter der Leitung der Äbte von Huysburg und Ammensle-ben, welche für die rechte Verteilung der Aufgaben zu sorgen hatten.

Die Errichtung des Apostolischen Vikariates im Norden durch die Römische „Propaganda de Fide“ im Jahre 1622 beweist, daß in Norddeutschland noch oder schon wieder genügend Katholiken vorhanden waren, die der Sorge eines Bischofs würdig erschienen. Aus einem Visitationsbericht des Apostolischen Vikars Agosti-no Steffani für die Jahre 1711/12 erfahren wir Genaueres über den Bestand im Halberstädter und Magdeburger Gebiet:

A. Fürstentum Halberstadt

Kloster Orden Ordensleute Gläubige

1) Huysburg Benediktiner 25 100

2) Halberstadt Franziskaner 43 500

3) Halberstadt Dominikaner 27 150

4) Halberstadt Augustiner 15 80

5) Hamersleben Augustiner 23 60

6) Halberstadt Dominikanerinnen 12 40

7) Halberstadt Zisterzienserinnen 21 22

8) Adersleben Zisterzienserinnen 22 111

9) Hedersleben Zisterzienserinnen 20 88

10) Badersleben Augustinerinnen 10 40

Übertrag 218 1191

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VI. ANHANG

Der weitere Aufbau des Kommissariates Magdeburg

Als Preußen 1816 die Provinz Sachsen einrichtete, stellte das bisherige Saale-

Elbdepartement, ausgenommen Goslar und Helmstedt, den stärksten Anteil in den Regierungsbezirken Magdeburg und Merseburg. Das Geistliche Kommissariat Huysburg blieb in seiner bisherigen Form bestehen, d. h. 12 ehemalige Klosterpfar-reien und die seit 1808 neugebildeten Pfarreien Halle, Stendal, Magde-burg/Altstadt, Aschersleben und Burg. In den ersten Jahrzehnten schien noch alles beim alten stehenbleiben zu wollen.136 Die Diaspora fand sich erst zögernd in die neue Zeit hinein. Nebst neuen Gottesdienststationen in Osterwieck am Ostharz, Quedlinburg, Sangerhausen, Wittenberg, Eilenburg und Delitzsch erstanden einige katholische Schulen.

Für das vorläufig noch zum Huysburger Kommissariat zählende Herzogtum An-halt mit seinen Linien A-Dessau, A-Köthen, A-Bernburg ist am bemerkenswertes-ten die Entwicklung in Köthen. Die Anfänge dieser katholischen Gemeinde fallen noch in die Zeit des P. Menkens von Dessau. Er nahm sich noch im Alter zusätz-lich der jungen Gründung an, indem er jährlich achtmal die Liturgie feierte. Nach seinem Tode ging die Seelsorge vorübergehend an Pfarrer P. Vahron in Halle über. Mit der Berufung der Patres Beckx und Devis SJ. anläßlich der Konversion des Herzogs Friedrich Ferdinand, 1825, kamen bessere Zeiten für die katholische Ge-meinde, die zur Erbauung einer würdigen Kirche und ansehnlichen Ausstattung der neuen Pfarrei führten.136a In Bernburg begann der periodische Gottesdienst 1814 von Aschersleben aus, den 1839 Köthen weiterführte. Der Bericht des P. Schohaus von Dessau erwähnt bereits 1723 die Anwesenheit von Katholiken in Bernburg.

Auch die Zerbster Gemeinde mußte nach dem Weggang des bisherigen Seelsor-gers die Dienste des Dessauer Paters Menkens bis zu seinem Tode (1823) in An-spruch nehmen.

Das 1826 gegründete Apostolische Vikariat wurde 1865 dem Bischof von Pa-derborn anvertraut. Seit 1921 ist Anhalt ganz der Diözese Paderborn angegliedert.

Die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts brachte einen beachtlichen Auf-schwung der sächsischen Diaspora. Zusammen mit der maschinellen Ausnutzung der Dampfkraft und mit der Befreiung des inländischen Zuckerrübenanbaues von der Besteuerung – gegenüber der Verzollung des Kolonialzuckers – entstanden hier zahlreiche Zuckerfabriken. Den erforderlichen Arbeiterbedarf deckten weithin Katholiken aus dem Eichsfelde. Westfalen aus dem noch industriearmen Sauer- und Münsterlande und wieder Eichsfelder ließen sich in den aufstrebenden Ort-schaften als Handels- oder Kaufleute dauernd nieder oder hatten wenigstens ihr Standquartier. Auf lange Zeit bildeten sie den gesunden Grundstock neuer katholi-scher Gemeinden.

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Bald benötigte die Landwirtschaft auf den ausgedehnten Rittergütern abermals neue Hilfskräfte. Diese stellten vielfach die preußischen Landesteile mit polnischer Bevölkerung oder der polnische Anteil Rußlands für die Rübenzucht und den Kartoffelanbau. Wir kennen sie als sogenannte „Sachsengänger“, die bis zum Spätherbst die katholischen Gemeinden bevölkerten. Nach dem Ersten Weltkriege kam der Zuzug ausländischer Wanderarbeiter zum Stillstand.

Das neue Jahrzehnt brachte neue Gemeinden in Salzwedel, Bahrendorf, Magde-burg-Neustadt, Oschersleben und Quedlinburg. Im Mersburger Bezirk entstanden Torgau, Eilenburg, Eisleben, Delitzsch und Wittenberg. Die folgenden Jahrzehnte konnten mit noch mehr Neugründungen die dringendsten Seelsorgsbedürfnisse befriedigen. Es ist das Verdienst des zweiten Präsidenten des jungen Bonifatius-vereins, Bischof Dr. Konrad Martin von Paderborn, daß bis 1872 schon achtund-zwanzig Neugemeinden in den beiden Regierungsbezirken fertig dastanden.137/138

Um die Jahrhundertwende zählen wir im Magdeburger Anteil achtundvierzig ka-tholische Kirchengemeinden. Aus den 14 128 katholischen Einwohnern mit sech-zehn Kirchen und achtundzwanzig Geistlichen im Jahre 1852 waren bis 1896 ihrer 56 163 geworden. Die Übersicht des Bonifatiusvereins aus dem Jahre 1937 errech-net im Bezirk Magdeburg siebenundfünfzig Kirchengemeinden mit ca. 60 000 Katholiken und achtundsiebzig Geistlichen. Katholische Schulen gab es dreiund-fünfzig, dazu etwa zwölf karitative Anstalten, wie Kommunikantenheime, Kinder-garten, Waisen- und Krankenhäuser.139

Zur Verwaltungseinheit Magdeburg-Anhalt rechnet das bisher einzige Dekanat Dessau, von dem neuestens Bernburg als eigenes Dekanat abgetrennt worden ist.

Hier lebten vor hundert Jahren etwa 900 Katholiken in drei Kirchengemeinden unter 160 000 Einwohnern. Im Jahre 1890 waren es 8878 katholische Christen in der Gesamtbevölkerung von 293 000. Nach den Feststellungen des Bonifatiusver-eins kann man 1937 mit 12 000 Katholiken rechnen, für die fünfzehn Gemeinden mit neunzehn Geistlichen, fünfzehn Schulen und zwei Caritasheime vorhanden waren.

Neben der Zuckerindustrie in der Magdeburger Börde und der Altmark entfaltete sich die Gewinnung von Kali und Steinsalzen im Großbetrieb um Aschersleben, Stassfurt und Leopoldshall. Bedeutende Eisenhüttenwerke entstanden in Thale und Ilsenburg. Die chemische Großindustrie liegt in den Bezirken Magde-burg/Schönebeck und Dessau/Bernburg. Als Errungenschaft neuester Technik breitet sich der Flugzeugbau ( Junkerswerke) aus, welcher Dessau zu einer Groß- und Industriestadt umgewandelt hat.

Das bis dahin prozentual nur langsame Ansteigen der katholischen Bevölkerung erreichte in den Nachriegsjahren ein schnelles Tempo durch Zuwanderung aus den Ostgebieten. So ergibt sich für das Jahr 1948 ein Anteil von ca. 240 000 unter insgesamt 1 600 000 Bewohnern.

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Das Gebiet des Kommissariates weist 1948 auf an:

Pfarreien 38 Pfarrvikarien 24 Kuratien 32

Anhalt: Pfarreien 8 Pfarrvikarien 8 Kuratien 7

Merseburg: Pfarreien 29 Pfarrvikarien 21 Kuratien 45 In den anhaltinischen Dekanaten Dessau und neuestens Bernburg leben unter

480 000 Bewohnern im Jahre 1948 gegen 69 000 Katholiken. Gegenüber Magde-burg-Anhalt mit 309 000 Katholiken unter ca. 2 000 000 Einwohnern zählte der Merseburger Bezirk nach den Ermittlungen von 1948 bei 1 900 000 Einwohnern ca. 294 000 Katholiken auf.

Die Entwicklung des katholischen Lebens ging im Regierungsbezirk Merseburg anfangs recht langsam vor sich.

Zu dem schon altpreußischen Gebiet von Halle nahm der neue Verwaltungskreis umfangreiche Teile des Königreiches Sachsen, nämlich die alten Kurlande um Torgau und Wittenberg, sowie die früheren Bistumsteile Merseburg und Naum-burg/Zeitz auf. Hier waren außer in Halle während der nachreformatorischen Zeit keinerlei bleibende katholische Neugründungen zustande gekommen. Bis 1850 war Halle die Mutterpfarrei des ganzen Gebietes. Nachdem in Torgau, gleichsam als Morgengabe des jungen Bonifatiusvereins, die erste neue Pfarrei entstanden war, sah das neue Jahrzehnt solche Gründungen in Delitzsch, Eilenburg, Naumburg, Eisleben und Wittenberg. Der große Diasporafreund Bischof Dr. Konrad Martin wendete diesem katholischen Neuland die gleiche Sorgfalt zu, wie er sie gegenüber Magdeburg bewiesen hatte. Um 1872 bestanden hier bereits sechzehn katholische Gemeinden. Die Zahl der Katholiken war von 2850 im Jahre 1852 zur Jahrhun-dertwende auf 30 000 angewachsen. Der Diasporaführer von 1937 führt in sieben-undvierzig Kirchengemeinden 51 000 katholische Gläubige auf, denen siebenund-fünfzig Priester zur Seite standen. Die Zahl der katholischen Schulen betrug zwölf, ferner sieben caritative Stationen.

Im Bezirk Merseburg ist die Großindustrie recht stark vertreten. Da ist das Gei-seltal bei Merseburg, ein umfangreiches Braunkohlenrevier. Alt ist schon die Mansfelder Kupfergewinnung. Der Raum Halle-Leuna-Bitterfeld weist die am meisten gesteigerte Entwicklung auf. Hier herrscht neben Braunkohlenbergbau der modernste chemische Industriezweig vor mit der Erzeugung von Stickstoffproduk-ten, Benzin, Ölen, der gewaltige Arbeiter- und Angestelltenmassen beschäftigt, z. B. in Leuna 38 000 und Buna-Kautschuk in Schkopau 22 000 Arbeitnehmer. Die-sen allen dienen die Großkraftwerke Golpa-Zschornewitz mit ihren Stromleistun-gen. Das stille Gelehrten-Wittenberg hat sich durch die Stickstoffwerke Piesteritz vor seinen Toren zu einem ansehnlichen Industriebezirk entwickelt. Schien anfäng-lich der Merseburger Anteil das Stiefkind der Diaspora zu sein, so hat ihm die neueste Zeit durch die auffallende Industrialisierung zu verhältnismäßig stärkerem Anstieg der katholischen Bevölkerung verholfen.

Zeitweise gehörten die katholischen Gemeinden des Merseburger Anteils zum Geistlichen Gerichte Erfurt. Nach dem Übergange Erfurts an das Bistum Fulda

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vergrößerte sich das Kommissariat Magdeburg um das Gebiet von Merseburg. Im ganzen gesehen sind im Bezirk Magdeburg-Anhalt die Katholiken am stärks-

ten vertreten im Dekanat Oschersleben mit 26 500 Seelen (19 %) Egeln mit 32 000 Seelen (16,5 %) Dessau/Bernburg mit 69 000 Seelen (14,5 %) Geringere Anteile zeigen Halberstadt mit 50 000 Seelen (13,9 %) Magdeburg mit 85 000 Seelen (12,1 %) Industriearm, vorwiegend landwirtschaftlich ausgerichtet ist das Dekanat Stendal mit 45 000 Seelen (10 %). Es befinden sich im Dekanat Wittenberg 73 500 Seelen (18,7 %), desgleichen wohnen im Dekanat Eisleben 52 000 Seelen (14,4 %), errechnet sind für das Dekanat Torgau 48 000 Seelen (13,5 %). Verblieben sind noch im Dekanat Halle 70 000 Seelen (10,5 %), während das neu abgetrennte Dekanat Naumburg 50 000 Seelen (10,5 %) zählt.

Das heutige Kommissariat Magdeburg unterscheidet sich stark gegen die Vor-kriegszeit. Es führt zwar dessen verwaltungsmäßige Aufgabe weiter, hat aber dar-über hinaus auch die stellvertretenden Befugnisse eines Generalvikariates über-nommen. In der Person des Weihbischofs als ständigen Kommissars, in der Ver-waltung und seinen besonderen geistlichen Instituten ist es den moderen Bedürf-nissen bestens angepaßt worden.140/142

Zusammenfassung 143 Bezirk Jahr Einwohner Katholiken Dekanate Gemeinden Seelsorger

Magdeburg 1852 713 268 14 128 - 10 28 1895 1 122 857 56 163 1931 1 307 692 75 100 5 55 78 1948 1 600 000 240 000 5 95 120

Anhalt 1852 164 417 900 3 3 1895 293 298 8 875 1 1931 338 900 14 570 1 12 - 19 1948 480 000 69 000 1 22 27

Merseburg 1852 763 683 2 850 - 2 2 1895 1 129 192 30 277 1931 1 295 032 54 700 3 43 57 1948 1 850 000 294 000 4 93 119

Insgesamt 1948 3 930 000 603 000 10 210 266 73 Pfarreien, 53 Pfarrvikarien, 84 Kuratien. Gesamtdurchschnitt 13,3 % Katholiken.

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SCHLUSSWORT

Seit der Errichtung des Geistlichen Kommissariates Huysburg sind 142 Jahre verflossen. Es hat vor 125 Jahren seine Fortsetzung in Magdeburg gefunden. Die Steigerung der Katholikenzahl von ca. 11-12 000 um 1828 auf mehr als 500 000 in jüngster Zeit gibt ein Bild vom stetigen Wachstum der Verwaltungsaufgaben und der Seelsorgsarbeiten. Vergessen sei jedoch nicht, daß jede Zeit ihr Bestes geleistet hat und der immer tragfähigere Unterbau für die heutige Zeit geworden ist.

Viele Bistümer des Katholischen Erdkreises erreichen nicht die Seelenzahl des Erzbischöflichen Kommissariates Magdeburg.

So erscheint dieses mit seiner halben Million katholischer Gläubigen als recht lebensfähig im Raume der Kirche Christi.

*** Der Verfasser dankt allen Förderern dieses Diasporabuches, Sr. Exzellenz H. H.

Erzbischof Dr. Lorenz Jaeger für das Geleitwort und freundliche Aufmunterung

Der H. H. Professor Dr. Honselmann und der Erzbischöfliche Archivar Dr. Co-

hausz in Paderborn, sowie P. Dr. Viktor Warnach OSB. in Herstelle/Weser gaben

wertvolle Hinweise. Die Paderborner Erzbischöfliche Akademische Bibliothek, die

Abtei Hl. Kreuz in Herstelle, das Städtische Archiv in Goslar und die Herzog-

August-Bibliothek in Wolfenbüttel stellten bereitwilligst die Literatur zur Verfü-

gung, und der Generalvorstand des Bonifatiusvereins half die Drucklegung und

Veröffentlichung des Buches sichern.

Bruchhausen im Nethetal, im Herbst 1953.

Fr. Kesting

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ziger Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen, unter dem bestimmten Vor-behalt der festen und bleibenden Domkirchen ... und der Pensionen für die aufge-hobene Geistlichkeit.

Mit der durch den Frieden von Luneville (1801) erzwungenen Abtretung des lin-ken Rheinufers aus dem Reichsverbande an Frankreich begründete man eine Ent-schädigung der deutschen Erbfürsten für ihre linksrheinischen Verluste, auf Kosten der rechtsrheinischen geistlichen Gebiete (und der freien Reichsstädte).

93) In einer gemeinsamen Denkschrift der Klosteroberen im Fürstentum Halber-stadt drückt sich die erschreckende Wahrnehmung aus, daß die Klöster in den alten Reichsgebieten denjenigen in den vorgesehenen Entschädigungsgebieten gleichge-stellt werden sollen, welche nach Kriegsrecht jeder Veränderung ihrer Verfassung sich unterwerfen müssen, und in welchen der neue Landesherr an die vormaligen Privilegien nicht gebunden ist. – Die Denkschrift vertritt die Belange der Benedik-tiner, Augustiner und Berhardiner/Zisterzienserinnen, deren Beschäftigung vorzüg-lich darauf gerichtet sei, gute Pfarrer und Schullehrer zu bilden. Es wird die Be-fürchtung ausgesprochen, daß der König hier laut folgender Darstellung falsch informiert worden sei: „Die Klöster in den alten deutschen Reichslanden, und so auch in dem Fürstentum Halberstadt, wären den Klöstern in den Entschädigungs-ländern ganz gleich, hätten kein besseres Recht und könnten ebenfalls vermöge des letzten Reichstagsschlusses nach Willkür aufgehoben werden; selbst die ihnen erteilten besonderen Privilegien machten keine Einschränkung, weil dabei voraus-gesetzt sei, daß durch die Reichsgesetze das jus reformandi der deutschen Landes-herren nicht würde verändert werden. Eine solche Veränderung sei jetzt aber er-folgt, und damit müßten alle den Klöstern erteilten Privilegien und Titel wegfal-len.“ Erzb. Generalvikariat Arch. Pdb. Bd. 5, Commiss. Dkschr. S. 5.

94) In der Erwiderung zu dieser von den Klöstern angefochtenen Auffassung heißt es dann: „Doch ist es (auch) weit gefehlt, daß durch den letzten Reichstagsschluß eine solche Erweiterung des jus reformandi festgesetzt sei. Wer den Inhalt dieses Reichstagsschlusses nur mit einiger Aufmerksamkeit erwägt, der wird bald überzeugt werden, daß darin die säkularisierten Entschädigungs-länder von den alten Reichsländern sorgfältig unterschieden sind; daß man auf jene das Recht des Krieges anwendet und darauf die Befugnis zu einer willkürli-chen Umformung ihrer bisherigen Verfassung gegründet hat, daß man aber bei den alten Reichslanden das jus reformandi nur von den Einschränkungen des Westfälischen Friedens befreit, im übrigen aber der Fundamentalverfassung eines jeden Landes überlassen ist, ob und wie weit jeder Fürst in seinen alten deutschen Reichslanden das jus reformandi rechtlich ausüben könne? Der Lan-desherr ist in den alten deutschen Reichslanden von Beobachtung der Fundamen-talgesetze nicht befreit, das jus reformandi kann immer nur nach den Grundsät-zen des allgemeinen Staatsrechts und nach den Fundamentalgesetzen des Landes ausgeübt werden, und nach diesen findet weder die Aufhebung der Klöster noch die Einziehung ihres Vermögens statt, sondern die Klöster können gleich jedem

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andern Untertan und jeder anderen erlaubten Religionsgesellschaft Schutz und Erhaltung ihrer wohlerworbenen Gerechtsame erwarten. – Die Fundamentalge-setze des Fürstentums Halberstadt und die den Klöstern erteilten Privilegien bestätigen die Existenzberechtigung der dortigen Klöster. Die männlichen Klös-ter zu Huysburg, Hamersleben und S. Johannis (Halberstadt) gehören zu den Landständen des Fürstentums und haben alle Rechte, welche nach den Landesre-zessen den Ständen zustehen, und von des jetzigen Königs Majestät sowohl für diese als sämtliche übrige Klöster bei der Thronbesteigung bestätigt sind. – Dies ist die rechtliche Seite der Sache, und diese allein entscheidet; so kommt die politische Ansicht nicht einmal in Betrachtung. Aber auch diese kann nicht zum Nachteile der Klöster ausfallen. Die Mitglieder dieser Klöster gehören zum größ-ten Teile zu den Orden der Benediktiner, Augustiner und Bernhardiner (Zister-zienser), welche in der ganzen katholischen Welt und selbst außerhalb derselben geachtet sind. Das Hauptgeschäft dieser Klöster bestehet darin, gute Pfarrer und Schullehrer zu bilden; dabei bestreben sie sich, die nützlichen Wissenschaften zu vervollkommnen und zu verbreiten; sie pflegen und erziehen arme Waisen, sie unterstützen die Dürftigen ohne Unterschied des Glaubens nach ihren Kräften und wenden alle Sorgfalt an, Gehorsam gegen die Obrigkeit, Trieb zur Ordnung und Arbeitsamkeit und häusliche Eintracht zu fördern. Besonders haben die Klöster im Fürstentum Halberstadt von jeher das Beispiel einer patriotischen Anhänglichkeit für die preußische Monarchie gegeben; sie haben nicht nur die Pflichten ihres Berufs treu erfüllt, sondern auch dem Staate ihr Vermögen willig geopfert; sie haben endlich auf ihren Besitzungen Schulen zur Erziehung der Jugend angelegt, Muster einer guten Landwirtschaft aufgestellt, wüste Länderei-en urbar gemacht ..., einen Teil ihrer Äcker und Wiesen an benachbarte protes-tantische Ortschaften verpachtet und denselben damit sehr aufgeholfen. Von solchen Klöstern kann wohl nicht gesagt werden, daß sie gemeinschädlich sind, und es kann nicht ein- mal ratsam sein, sie aufzuheben und ihr Vermögen einzu-ziehen, wenn dieses auch den allgemeinen Gründen des Rechtes nicht ganz zu-wider sein sollte. Dahin gehet das (wörtliche) Gutachten der Rechtsgelehrten, welche wir um Rat gefragt haben. Es bestärkt unsere Vermutung, daß man un-serm gerechten Könige die Sache aus dem rechtlichen Gesichtspunkte nicht gehörig dargestellt habe; und eben deshalb befreiet es uns von allem Vorwurfe darüber, daß wir um gesetzmäßiges Gehör und Erkenntnis durch das Obertribu-nal ehrfurchtsvoll bitten... ; nur dadurch kann unserer eidlichen Verpflichtung, die Gerechtsame der Klöster wahrzunehmen, ein Genüge geleistet werden; nur dadurch endlich kann die Aufhebung dieser Klöster und die Einziehung ihres Vermögens vor den Augen der katholischen und der ganzen übrigen verständigen Welt als ein rechtmäßiger Schritt unseres verehrten und Gerechtigkeit liebenden Königs dargestellt werden ...“

Berlin, den 16ten Juli 1804. Dkschr. S. 7/23. Die Obern der Katholischen Klöster im Fürstenthum Halberstadt.

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Über Franz Kesting Aus einer westfälischen Familie stammend, wurde Franz Kesting am 4. Oktober 1885 geboren und verlebte seine Jugendzeit in der Altmarkstadt Stendal nördlich von Magdeburg. Vom Sommerhalbjahr 1906 bis zum Sommerhalbjahr 1907 war er an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin zum Studium der Rechte eingeschrieben. Er wechselte jedoch zur theologischen Ausbildung nach Paderborn und Freiburg/Schweiz und erhielt am 14. März 1913 die Priesterweihe in Paderborn. Zunächst wurde Franz Kesting nun Kaplan in der Josephsgemeinde zu Dortmund und zugleich Seelsorger der dort zahlreich ansässigen Polen. Darauf folgten einige Jahre an der Herz-Jesu-Kirche in Paderborn, wiederum mit nebenamtlicher Polen-seelsorge im Paderborner Land und der Aufgabe, junge Theologen mit der polni-schen Sprache für den Gebrauch in der Seelsorge bekannt zu machen. Nach zwei-jähriger Tätigkeit als Missionspfarrer in Lützen bei Halle an der Saale stand er 6 Jahre im Dienste des Generalvikars zu Paderborn. Weitere Zwischenstationen in Leipzig und Breslau boten Franz Kesting Gelegenheit, slawische Sprachkunde zu betreiben. Von 1927 bis 1940 leitete er die Diasporagemeinde Wilnsdorf-Rödgen bei Siegen. Im Sommer 1940 wurde Franz Kesting Pfarrer der katholischen Kirchgemeinde von Bruchhausen bei Höxter. Neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit beschäftigte er sich auch mit dem umfangreichen Pfarrarchiv. Hier entdeckte er den Catalogus Abbatum des Benediktiner-Klosters Huysburg. Diese Handschrift kam durch Pet-rus Koch (1775–1854), einen der letzten Mönche des Klosters Huysburg bei seiner Auflösung 1804, nach Bruchhausen, denn Petrus Koch war von 1810 bis 1854 Pfarrer in Bruchhausen bei Höxter. Offensichtlich begleiteten ihn einige Werke aus der aufgelösten Huysburger Klosterbibliothek. Aus diesem Mönchskatalog entwi-ckelte Franz Kesting die vorliegende Schrift. Franz Kesting starb hochbetagt 1977. Er hinterließ u.a. eine theologische Biblio-thek von etwa 400 Bänden in slawischen und orientalischen Sprachen, Psalmen-ausgaben und zu Ostkirchlichen Ritualen. Neben der vorliegenden Schrift stammt aus seiner Feder: Geschichte der katholi-schen Pfarrei Bruchhausen im Nethetal. Paderborn 1957. Diesem Werk entstam-men auch u.a. die biografischen Angaben. Das Erzbistum Paderborn ehrte Franz Kesting mit dem Titel Geistlicher Rat. In Bruchhausen trägt der Franz-Kesting-Weg seinen Namen.

E D I T I O N H U Y

Nr. 14 - 2016

EDITION HUY Nr. 14 Franz Kesting Aus Huysburgs Tagen

Franz Kesting

Ein Beitrag zur Paderborner Bistumsgeschichte

und der sächsischen Diaspora

Nachdruck der Ausgabe von 1953

Franz Kesting (1885–1977) war Pfarrer in Bruchhausen nahe

Höxter. Seine Beschreibung der Geschichte des Benediktiner-

klosters Huysburg geht weit über dessen eigentliche Geschichte

hinaus. Einen wesentlichen Teil seines Textes nimmt die Zeit nach

der Auflösung des Klosters im Jahre 1804 ein. Neben dem Schick-

sal des aufgelösten Klosters Huysburg wird auch auf die anderen

untergegangenen Klöster im Fürstentum Halberstadt und im

Herzogtum Magdeburg eingegangen. Insbesondere wird die

Geschichte des bischöflichen Kommissariats Magdeburg

beschrieben, dessen Wurzeln auf der Huysburg lagen und dessen

Entwicklung zum jetzigen Bistum Magdeburg führte. Kesting

bringt eine Fülle von Fakten, Anekdoten und Auszügen aus Briefen

und Urkunden, die die Wechselfälle dieses Klosters in der Diaspora

lebendig werden lassen.