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FRANZ VON SALES – BRIEFE IIFRANZ VON SALES – BRIEFE IIFRANZ VON SALES – BRIEFE IIFRANZ VON SALES – BRIEFE IIFRANZ VON SALES – BRIEFE II

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Deutsche Ausgabe derDeutsche Ausgabe derDeutsche Ausgabe derDeutsche Ausgabe derDeutsche Ausgabe der

WERKE DES HL. FRANZ VWERKE DES HL. FRANZ VWERKE DES HL. FRANZ VWERKE DES HL. FRANZ VWERKE DES HL. FRANZ VON SON SON SON SON SALESALESALESALESALES

Band 6Band 6Band 6Band 6Band 6

Nach der vollständigen Ausgabe derNach der vollständigen Ausgabe derNach der vollständigen Ausgabe derNach der vollständigen Ausgabe derNach der vollständigen Ausgabe der

OEUVRES DE SAINT FRANÇOIS DE SALESOEUVRES DE SAINT FRANÇOIS DE SALESOEUVRES DE SAINT FRANÇOIS DE SALESOEUVRES DE SAINT FRANÇOIS DE SALESOEUVRES DE SAINT FRANÇOIS DE SALES

der Heimsuchung Mariä zu Annecy (1892-1931)der Heimsuchung Mariä zu Annecy (1892-1931)der Heimsuchung Mariä zu Annecy (1892-1931)der Heimsuchung Mariä zu Annecy (1892-1931)der Heimsuchung Mariä zu Annecy (1892-1931)

herausgegeben von den Oblaten den hl. Franz von Salesherausgegeben von den Oblaten den hl. Franz von Salesherausgegeben von den Oblaten den hl. Franz von Salesherausgegeben von den Oblaten den hl. Franz von Salesherausgegeben von den Oblaten den hl. Franz von Sales

unter Leitung von Punter Leitung von Punter Leitung von Punter Leitung von Punter Leitung von P. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. F. F. F. F. Franz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.

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Franz von SalesFranz von SalesFranz von SalesFranz von SalesFranz von Sales

BRIEFEBRIEFEBRIEFEBRIEFEBRIEFE

II. Seelenführungsbriefe an LaienII. Seelenführungsbriefe an LaienII. Seelenführungsbriefe an LaienII. Seelenführungsbriefe an LaienII. Seelenführungsbriefe an Laien

FFFFFranz-Sales-ranz-Sales-ranz-Sales-ranz-Sales-ranz-Sales-VVVVVerlagerlagerlagerlagerlag

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AAAAAusgewählt, aus dem Fusgewählt, aus dem Fusgewählt, aus dem Fusgewählt, aus dem Fusgewählt, aus dem Französischen überranzösischen überranzösischen überranzösischen überranzösischen übertragen und erläutertragen und erläutertragen und erläutertragen und erläutertragen und erläuterttttt

von Pvon Pvon Pvon Pvon P. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. F. F. F. F. Franz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.ranz Reisinger OSFS.

Die kirchliche DrDie kirchliche DrDie kirchliche DrDie kirchliche DrDie kirchliche Druckuckuckuckuckerlaubnis ererlaubnis ererlaubnis ererlaubnis ererlaubnis erteilte dasteilte dasteilte dasteilte dasteilte das

Bischöfliche Generalvikariat Eichstätt am 18. Juni 1965.Bischöfliche Generalvikariat Eichstätt am 18. Juni 1965.Bischöfliche Generalvikariat Eichstätt am 18. Juni 1965.Bischöfliche Generalvikariat Eichstätt am 18. Juni 1965.Bischöfliche Generalvikariat Eichstätt am 18. Juni 1965.

ISBN 3-7721-0005-8Alle Rechte vorbehalten.

© © © © © Franz Sales Verlag, Eichstätt2. Auflage 2002

Herstellung Brönner und Daentler, Eichstätt

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Von den Briefen des hl. Franz von Sales ist im deutschen Sprachgebietaußer jenen an Frau von Chantal kaum etwas bekannt; auch diese waren inder seit Jahren vergriffenen Ausgabe von Mager-Heine nur in einer Auswahlübersetzt. Die in Band 5 unserer deutschen Ausgabe neu übersetzten Briefean Frau von Chantal stellen zwar ein einzigartiges Dokument einer einmali-gen Seelenfreundschaft dar, bilden aber nur einen schmalen Ausschnitt ausder großen Zahl der Briefe des Heiligen, die uns überliefert sind.

Die Thematik der Briefe des hl. Franz von Sales ist so vielfältig wie seinBekanntenkreis und so bunt wie der Ablauf seines Lebens und Wirkens.Dennoch treten Fragen des religiösen Lebens stark in den Vordergrund,denn Franz von Sales hat zahlreichen Menschen, die ihn um Rat fragtenoder sich unter seine geistliche Leitung stellten, seine Antworten und Rat-schläge teilweise auch schriftlich gegeben. So lag es nahe, dem deutschenLeser eine Auswahl von Seelenführungs-Briefen zu bieten, die diesen undden nächsten Band füllen.

In den elf Bänden der „Oeuvres“, in denen die Briefe des hl. Franz vonSales chronologisch gesammelt sind, stehen auch die Seelenführungs-Briefeverstreut unter vielen anderen Briefen des Heiligen. In unserer deutschenAusgabe werden sie zusammengestellt, uzw. die Briefe an Laien getrenntvon denen an Ordensleute, obwohl auch diese vieles enthalten, was alleChristen angeht. Diese Briefe geben nicht nur ein Bild des heiligen Bischofsals Seelenführer, sondern lassen auch den Charakter und die religiöse Situa-tion der Adressaten erkennen.

Von den überlieferten etwa 530 Briefen, die man als Seelenführungs-Brie-fe für Laien ansprechen kann, sind u. a. 10 an Frau von Charmoisy gerich-tet, 15 an Frau von Granieu, 106 an Madame de la Fléchère, 30 an diePräsidentin Brulart, 14 an Frau von Peyzieu, an andere Adressaten nur eineroder einige. Trotz eifrigen und gewissenhaften Forschens konnten allerdingsdie Herausgeber der „Oeuvres“ in vielen Fällen die Namen der Empfängernicht feststellen; wegen ihres Inhalts wurden sie aber in die Sammlung auf-genommen und werden als an „Unbekannte“ geschrieben geführt. Um ei-nen Überblick zu ermöglichen, werden in dieser Ausgabe

1. alle Briefe an bestimmte Adressaten zusammengestellt, vor allem dieBriefe an die oben genannten Empfänger, aber auch Briefe an Adressaten,die nur zwei oder drei Briefe erhalten haben.

Vorwort

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2. Die Briefe werden zeitlich in drei Perioden eingereiht, die wichtigen Ab-schnitten im Leben des hl. Franz von Sales entsprechen:

a) Von der Bischofsweihe bis zur Gründung des Ordens von der Heimsu-chung: 1602 bis 1610 (in den Oeuvres Band XII-XVI).

b) Von 1610 bis 1616, d. h. bis zu den Advent- und Fastenpredigten inGrenoble (Oeuvres Band XIV-XVI).

c) Von 1616 bis 1622, also aus den letzten Lebensjahren des Heiligen(Oeuvres Band XVI-XX).

Die einzelnen Adressaten werden jeweils der Periode zugeteilt, in die derBeginn des Briefwechsels (und die Mehrzahl der Briefe) fällt; dann werdenaber auch Briefe an den gleichen Empfänger aus späteren Zeitabschnittenangefügt, um die geistliche Leitung durch den Heiligen besser hervortretenzu lassen und die Einheit zu wahren.

Nach der ersten Periode werden zwei der größten Brief-Serien eingescho-ben, die sich über mehrere Zeitabschnitte hinziehen: an die PräsidentinBrulart und an Madame de la Fléchère. Am Schluß sind Briefe ohne Datumangeführt. – So entstehen in unserem Band die folgenden sechs Abschnitte:

I. Briefe aus den Jahren 1602-1610.II. Briefe an Frau Brulart (1604-1613).III. Briefe an Madame de la Fléchère (1608-1622).IV. Briefe aus den Jahren 1610-1616.V. Briefe aus den Jahren 1616-1622.VI. Briefe ohne Datum.Jedem Abschnitt ist eine biographische Einführung mit einer Charakteri-

stik der Adressaten und ihrer Stellung zum hl. Franz von Sales vorangestellt.– Die Unterschrift nach den einzelnen Briefen (in den meisten Fällen „Franz,Bischof von Genf“) wurde weggelassen. – Eine Inhaltsübersicht am Anfangund eine vergleichende Tafel am Schluß des Bandes gibt Auskunft über dieAuswahl der Briefe und ihre Fundstelle in der authentischen Ausgabe der„Oeuvres“.

Bei der Übersetzung hat mir wieder Frau Susi Handler viel geholfen, derich eine wertvolle Vorübersetzung verdanke. Ihr und den anderen Mitarbei-tern, die zu dieser Sammlung von Briefen des Heiligen und bei deren Bear-beitung mitgeholfen haben, sei hiermit herzlicher Dank abgestattet.

Eichstätt, 29. Januar 1965.

P. Dr. Franz Reisinger OSFS.

Vorwort

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INHALINHALINHALINHALINHALTSÜBERSICHTTSÜBERSICHTTSÜBERSICHTTSÜBERSICHTTSÜBERSICHT

Hier werden innerhalb der einzelnen Abschnitte und Empfänger von jedem Briefangegeben: die Brief-Nummer, der Band und die Seitenzahl in der authentischen Aus-gabe der Oeuvres, das Datum und die Seitenzahl dieses Bandes. Die Angabe 206. XII,244 bedeutet demnach: Brief Nr. 206, Oeuvres Band XII, Seite 244. – Für die chrono-logische Reihenfolge und die Frage der Echtheit verweisen wir auf die vergleichendenTafeln am Schluß des Bandes.

Vorwort 5

I. Briefe aus den Jahren 1602-1610 21

An seine Mutter, Frau von Boisy206. XII, 244 – 1602 oder 1603 27556. XIV, 212f – Annecy, 29.11.1609 27

An seine Schwägerin, Frau de la Thuille271. XIII, 1f – Januar-März 1605 28

An Fräulein von Soulfour174. XII, 163-170 – Annecy, 16.1.1603 29181. XII, 180-184 – Annecy, (April-Mai) 1603 35190. XII, 202-206 – Annecy, 22.7.1603 38

An Frau von Limojon291. XIII, 58-60 – Annecy, 28.6.1605 42307. XIII, 90f – Annecy, 7.9.1605 44

An Unbekannte179. XII, 177 – Annecy, 13.3.1603 45414. XIII, 320-322 – Annecy, 27.9.1607 46441. XIII, 385-388 – (1605-1608) 47

An den Präsidenten Bénigne Frémyot230. XII, 326-332 – Sales, 7.10.1604 49

An Fräulein Clément376. XIII, 244f – Annecy, 14.12.1606 53483. XIV, 75 – (Oktober 1608) 54

Inhaltsverzeichnis

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An Frau von Charmoisy350. XIII, 179-181 – Annecy, 20.5.1606 55439. XIII, 381-383 – Rumilly, um den 20.3.1608 56440. XIII, 383f – Rumilly, Ende März 1608 58474. XIV, 58f – Saint Rambert, 21.8.1608 59863. XV, 365f – Annecy, 28.3.1613 591485. XVIII, 311f – Paris, November 1618 601846. XX, 172f – Annecy, 10.11.1621 611898. XX, 273 – Annecy, 28.2.1622 611967. XXI, 3 – ohne Datum 62

An Frau von Mieudry490. XIV, 85 – Annecy, 6.11.1608 621166. XVII, 147-149 – Annecy, 19.2.1616 63

An Fräulein von Bréchard491. XIV, 86f – 16.11.1608 64531. XIV, 160f – Annecy, Mitte Mai 1609 64534. XIV, 164f – Annecy, Ende Mai 1609 65

An Fräulein Claudine von Chastel454. XIV, 18-20 – Annecy, 18.5.1608 66459. XIV, 28-30 – Annecy (Ende Mai/Anfang Juni) 1608 68656. XV, 9f – Annecy, 4.1.1611 70

An Frau von Traves495. XIV, 91f – Annecy, 18.12.1608 70524. XIV, 150f – Annecy, 18.4.1609 71

An seine Schwester, Frau von Cornillon530. XIV, 158f – Annecy, 15.5.1609 72537. XIV, 171f – Annecy, 30.6.1609 72570. XIV, 243f – Annecy, Ende Januar 1610 73577. XIV, 254f – Sales, 4.3.1610 74614. XIV, 338f – Annecy, 6.8.1610 75629. XIV, 364 – Sales, 23. oder 24.11.1610 76928. XVI, 92f – Annecy, 12.11.1613 761316. XVIII, 16-18 – Annecy, 30.5.1617 77

II. Briefe an Frau Brulart (1604–1613) 78

217. XII, 267-271 – Annecy, 3.5.1604 79233. XII, 345-352 – Sales, (13.10.) 1604 82242. XII, 395f – Annecy, um den 22.11.1604 87

Inhaltsübersicht

9

275. XIII, 14-16 – Annecy (um den 18.2.) 1605 88277. XIII, 18-22 – (Laroche, März) 1605 89282. XIII, 37-39 – um den 20.4.1605 93289. XIII, 53f – Annecy, 10.6.1605 94305. XIII, 86f – Annecy, 28.8.1605 95331. XIII, 148-151 – Chambéry, (Februar/März) 1606 96338. XIII, 160f – Annecy, 3.4.1606 99341. XIII, 166f – Annecy, 7.4.1606 100347. XIII, 174-176 – Annecy, 29.4.1606 101353. XIII, 194 – (Juni-August) 1606 102361. XIII, 213-217 – Mitte September 1606 102367. XIII, 225-230 – Annecy, (Ende Oktober) 1606 105384. XIII, 258-260 – Annecy, 30.1.1607 109400. XIII, 289-292 – Annecy, (Juni) 1607 110404. XIII, 298f – Viuz en Sallaz, 20.7.1607 112419. XIII, 333-335 – Sales, um den 2.11.1607 113462. XIV, 39-41 – Annecy, 25.6.1608 115516. XIV, 132-135 – Annecy, Ende Februar 1609 117518. XIV, 137f – Annecy, Mitte März 1609 118520. XIV, 141-143 – Annecy, März/April 1609 119535. XIV, 166-168 – Annecy, 30.5.1609 120588. XIV, 277-280 – Sales, 20.4.1610 (1612) 122665. XV, 23-26 – Annecy, 1.3.1611 125685. XV, 53f – Annecy, April 1611 127751. XV, 164f – Annecy, 11.2.1612 128761. XV, 191-194 – Chambéry, (März 1612) 129910. XVI, 62-65 – Annecy, Anfang September 1613 132

III. Briefe an Madame de la Fléchère (1608–1622) 134

444. XIV, 1-3 – Annecy, 8.4.1608 135448. XIV, 7f – Annecy, (Ende April Anfang Mai) 1608 136455. XIV, 21-23 – Annecy, 19.5.1608 137458. XIV, 26f – Annecy, 28.5.1608 139468. XIV, 51f – Annecy, 13.7.1608 139469. XIV, 53f – Annecy, 16.7.1608 140470. XIV, 55 – Annecy, um den 21.7.1608 141472. XIV, 57 – Annecy, (August) 1608 142488. XIV, 81f – Annecy, 28.10.1608 142512. XIV, 119-121 – Annecy, 20.1.1609 143513. XIV, 121-123 – Annecy, (Februar) 1609 144517. XIV, 135-137 – Annecy, (März) 1609 146528. XIV, 156f – Annecy, (Mai 1609) 147

Inhaltsübersicht

10

545. XIV, 193f – Annecy, 20.8.1609 148550. XIV, 202-204 – Annecy, 2.10.1609 149562. XIV, 232-234 – Annecy, Mitte Dezember 1609 150564. XIV, 235f – (1609 oder 1610) 152584. XIV, 269-271 – Annecy, 27.3.1610 153590. XIV, 285f – Annecy, 21.4.1610 153620. XIV, 346f – Annecy, 19.9.1610 154630. XIV, 365f – Sales, 24.11.1610 155658. XV, 11-13 – Annecy, 7.1.1611 156674. XV, 36f – Annecy, 22.3.1611 156704. XV, 84-86 – Annecy, 5.8.1611 157707. XV, 89f – Annecy, 17.8. (1611) 158734. XV, 136f – Annecy, 28.12.1611 159776. XV, 214f – Annecy, 15.5.1612 160837. XV, 319f – (1610-1612) 160841. XV, 325f – Annecy, (1611-März 1613) 161887. XVI, 27f – Annecy, 11.6.1613 162912. XVI, 67f – Annecy, 12.9.1613 163920. XVI, 80f – Annecy, 29.9.1613 164927. XVI, 91f – Annecy, um den 8.11.1613 164972. XVI, 179f – Annecy, 5.5.1614 165975. XVI, 184f – Annecy, 13.6.1614 166976. XVI, 185-187 – Annecy, 22.6.1614 166980. XVI, 191f – Annecy, 11.7.1614 167991. XVI, 211f – Annecy, 19.8.1614 167996. XVI, 222f – Annecy, August-September 1614 1681018. XVI, 270f – Annecy, Ende November 1614 1681086. XVII, 1-4 – Annecy, 1.6.1615 1691090. XVII, 9f – Annecy, 20.6.1615 1711138. XVII, 97-100 – Annecy, 5.12.1615 1721165. XVII, 144-147 – Annecy, 17.2.1616 1721169. XVII, 151f – Annecy, 24.2.1616 1731175. XVII, 163-165 – Annecy, 1.3.1616 1741177. XVII, 169-171 – Annecy, um den 6.3.1616 1741193. XVII, 194-196 – Annecy, 21.4.1616 1751194. XVII, 196f – Annecy, 22.4.1616 1751200. XVII, 211 – Annecy, 15.5.1616 1761210. XVII, 225f – Annecy, 11.6.1616 1761229. XVII, 268-270 – Annecy, 14.8.1616 1771433. XVIII, 228f – Annecy, 22.5.1618 1781491. XVIII, 319 – Paris, 29.12.1618 1791586. XIX, 93f – (1618 oder 1619) 1791603. XIX, 121f – Annecy, Januar/Februar 1616/1620 179

Inhaltsübersicht

11

1651. XIX, 207f – Annecy, 26.5.1620 1801894. XX, 268f – Annecy, 13.2.1622 1801897. XX, 272f – Annecy, 19.2.1622 1801917. XX, 307f – Annecy, um den 18.5.1622 181

IV. Briefe aus den Jahren 1610–1616 182

An die Baronin von Cusy591. XIV, 286-288 – Annecy, 23.4.1610 186594. XIV, 293-295 – Annecy, 2.5.1610 186

An Fräulein von Chapot609. XIV, 325-328 – Annecy, 3.7.1610 188

An Frau von Travernay611. XIV, 332f – Annecy, 21.7.1610 189619. XIV, 345f – Annecy, 11.9.1610 190796. XV, 246f – Gex, 20.7.1612 191808. XV, 268-270 – Annecy, 29.9.1612 192845. XV, 331-333 – Annecy, 3.1.1613 193891. XVI, 33f – Annecy, 15.6.1613 1941895. XX, 269f – Annecy, 17.2.1622 195

An Madame Madeleine de la Fléchère622. XIV, 351f – September/Oktober 1610 196

An einen unbekannten jungen Mann637. XIV, 376-381 – Annecy, 8.12.1610 196

An Fräulein von Blonay652. XIV, 401f – (1610-1611) 200

An die Frau Präsidentin Favre635. XIV, 372-374 – Annecy, 5.12.1610 201661. XV, 18f – Annecy, 25.1.1611 202686. XV, 54 – Annecy, 2.5.1611 202824. XV, 301-304 – Annecy, 18.11.1612 203

An Frau von Aiguebellette646. XIV, 393f – Annecy, 30.12.1610 204731. XV, 131-133 – Annecy, 15.12.1611 204

Inhaltsübersicht

12

894. XVI, 36f – Annecy, 24.6.1613 2051834. XX, 157f – Annecy, 25.9.1621 205

An eine unbekannte Dame673. XV, 35f – Annecy, 22.3.1611 206

An eine Dame738. XV, 140-142 – (1610-1611) 207

An Frau von Saint-Cergues756. XV, 171f – Annecy, (26.)2.1612 208

An Frau de la Valbonne777. XV, 216f – Annecy, 22.5.1612 209884. XVI, 21-23 – Annecy, 7./8.6.1613 209958. XVI, 155f – Annecy, 5.2.1614 210964. XVI, 170 – Annecy, 2.4.1614 211990. XVI, 209f – Annecy, 19.8.1614 2111309. XVIII, 3f – Annecy, 15.5.1617 2121382. XVIII, 135f – (1615-1617) 212

An eine Dame836. XV, 318 – (1612) 214

An Frau von Peyzieu817. XV, 286-289 – Annecy, 26.10.1612 214833. XV, 315 – Annecy, 31.12.1612 216877. XVI, 11f – 21.5.1613 216911. XVI, 65f – Annecy, 6.9.1613 2171029. XVI, 284f – Ende 1612/1614 2171043. XVI, 300f – Annecy, (etwa Februar) 1615 2181048. XVI, 310f – Annecy, 28.2.1615 2191059. XVI, 328f – Annecy, März 1615 2191069. XVI, 350f – Annecy, Ende April 1615 2201080. XVI, 370-372 – Annecy, 21.5.1615 2211089. XVII, 7f – Annecy, (Mitte Juni) 1615 2221109. XVII, 44 – (August/September) 1615 2241131. XVII, 87 – Annecy, 15.11.1615 224

An Frau d’Escrilles814. XV, 278-280 – Annecy, 13.10.1612 225853. XV, 347f – Annecy, Anfang Februar 1613 226949. XVI, 133f – Annecy, 7.1.1614 227969. XVI, 175 – Annecy, 30.4.1614 228

Inhaltsübersicht

13

An Frau de la Croix d’Autherin860. XV, 357-359 – Annecy, 12.3.1613 2281092. XVII, 12-14 – Annecy, 23.6.1615 2291093. XVII, 14f – 23.6.1615 2301843. XX, 169 – Annecy, 3.11.1621 231

An Frau von Grandmaison930. XVI, 95-98 – Annecy, Mitte November 1613 2321289. XVII, 358 – Grenoble, Ende März 1617 2341365. XVIII, 103f – Belley, 5.10.1617 234

An eine Dame852. XV, 346f – Annecy, (Ende Januar/Februar 1613) 235

An eine unbekannte Person892. XVI, 34f – Annecy, 18.-20.6.1613 236

An Frau le Murat de la Croix919. XVI, 78-80 – Annecy, 28.9.1613 236

An eine Dame939. XVI, 119f – Annecy, 24./25.12.1613 237

An den Baron Prosper de Rochefort2034. XXI, 111-113 – Annecy, 20.1.1614 238

An Wilhelm-Franz von Chabod, Herrn von Jacob993. XVI, 214f – Annecy, um den 20.8.1614 239

An eine Dame1068. XVI, 349f – Annecy, 26.4.1615 240

An Frau von Ruans1091. XVII, 11 – Annecy, 21.6.1615 2411753. XX, 14f – Annecy, Januar 1621 2411761. XX, 23f – Annecy, 8.2.1621 242

An eine Dame1176. XVII, 166-169 – Annecy, 5.3.1616 242

An Frau Guillet de Monthoux1254. XVII, 305 – Annecy, 10.11.1616 245

An den Herzog Roger de Bellegarde906. XVI, 55-58 – Annecy, 24.8.1613 246982. XVI, 193-195 – Annecy, 31.7.1614 248

Inhaltsübersicht

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2036. XXI, 115 – August 1614 249992. XVI, 212f – Annecy, (August) 1614 250997. XVI, 223f – Annecy, 12.9.1614 2511156. XVII, 129-131 – Annecy, 6.1.1616 2521231. XVII, 271-273 – Annecy, 15.8.1616 2531446. XVIII, 245f – Annecy, 9.7.1618 255

V. Briefe aus den Jahren 1617–1622 256An Frau von Blanieu

1292. XVII, 362f – Rumilly, 3.4.1617 2611346. XVIII, 69 – Annecy, 30.8.1617 2611390. XVIII, 150f – Annecy, 18.1.1618 262

An die Präsidentin Le Blanc de Mions1294. XVII, 366-371 – Annecy, um den 7.4.1617 2621301. XVII, 386-390 – Annecy, 26.4.1617 266

An Frau von Veyssilieu1295. XVII, 371-375 – Annecy, 7.4.1617 2681502. XVIII, 343f – Paris, 16.1.1619 2701511. XVIII, 365f – Paris, 26.3.1619 2711612. XIX, 143f – Annecy, 17.2.1620 2721860. XX, 206f – Annecy, 13.12.1621 273

An Frau von Granieu1305. XVII, 395f – Annecy, April 1617 2731363. XVIII, 100f – Annecy, Ende Sept./Oktober 1617 2741432. XVIII, 227f – Annecy, 20.5.1618 2751441. XVIII, 237-240 – Annecy, 8.6.1618 2751449. XVIII, 250-252 – Annecy, 19.7.1618 2771456. XVIII, 261f – Annecy, 14.8.1618 2781470. XVIII, 286 – Annecy, 22.9.1618 2791501. XVIII, 340-342 – Paris, 16.1.1619 2801611. XIX, 141f – Annecy, 17.2.1620 2811668. XIX, 256-258 – Annecy, 20.6.1620 2821678. XIX, 279f – Annecy, 9./10.7.1620 2832043. XXI, 125f – Annecy, 18.7.1620 2841711. XIX, 354f – Annecy, 16.10.1620 2841713. XIX, 357 – Annecy, 23.10.1620 2851731. XIX, 390f – Annecy, 24.11.1620 2851844. XX, 170f – Annecy, 3.11.1621 286

An Herrn Claude de Blonay1314. XVIII, 13f – Annecy, 28.5.1617 287

Inhaltsübersicht

15

An den Baron Amadeus von Villette1317. XVIII, 18-20 – Annecy, 30.5.1617 288

An die Präsidentin von Sautereau1320. XVIII, 25-27 – Sales, 21.6.1617 2891823. XX, 138f – Annecy, 30.8.1621 291

An seine Schwägerin, die Baronin von Thorens1324. XVIII, 35f – Viuz-en Sallaz, 30.6.1617 291

An Frau von Montfort1350. XVIII, 72f – Annecy, 10.11.1617 292

An eine Dame1326. XVIII, 38-40 – (Juli 1617 oder 1604) 2931340. XVIII, 59f – Annecy, 7.8.1617 2951370. XVIII, 111 – Annecy, (Sept.-Nov. 1617) 295

An die Präsidentin von Bouquéron1391. XVIII, 151-153 – Annecy, 18.1.1618 296

An die Frau de la Baume1420. XVIII, 209-212 – Annecy, 30.4.1618 297

An eine Tante1435. XVIII, 230f – Annecy, 29.5.1618 299

An eine Dame (in Grenoble)1436. XVIII, 232f – Annecy, 30.5.1618 300

An die Präsidentin du Faure(1340) XXI, 116f – Annecy, 7.4.1617 3011455. XVIII, 260f – Annecy, 10.8.1618 302

An die Gräfin von Rossillon1506. XVIII, 356f – Paris, 27.1.1619 3021660. XIX, 231f – Annecy, 2.6.1620 3031947. XX, 373f – Annecy, um den 26.9.1622 303

An Frau von Villeneuve1507. XVIII, 357-359 – Paris, Januar/Februar 1619 3051551. XIX, 18f – um den 18.9.1619 3051671. XIX, 261f – Annecy, 4.7.1620 306

Inhaltsübersicht

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1696. XIX, 315f – Annecy, 9.8.1620 3071815. XX, 121f – Annecy, 2.8.1621 307

An die Präsidentin von Herse1675. XIX, 271-274 – Annecy, 7.7.1620 3081887. XX, 256f – Annecy, 23.1.1622 311

An Frau von Villesavin1522. XVIII, 384-386 – Paris, Mai 1619 3111539. XVIII, 415-417 – Paris, Juli/August 1619 3131636. XIX, 179f – Annecy, 9.4.1620 314

An Frau de Lamoignon1541. XIX, 1f – Paris, 7.8.1619 315

An Frau Le Naint de Cravant1543. XIX, 4 – Paris, 20.8.1619 3151842. XX, 167f – Annecy, Ende Sept.-Nov. 1621 315

An eine unbekannte Dame1545. XIX, 6f – Paris, 23.8.1619 316

An eine Pariser Dame1547. XIX, 9-11 – Paris, 4.9.1619 317

An eine unbekannte Dame1548. XIX, 11f – Paris, 7.9.1619 318

An Frau Le Maitre1556. XIX, 27-29 – Amboise, 22.9.1619 3181683. XIX, 298f – Annecy, (Juli/August 1620) 3201751. XX, 11f – Annecy, 24.1.1621 320

An die Präsidentin Amelot1570. XIX, 59f – Annecy, (Oktober-Dezember) 1619 321

An ein Fräulein in Paris1571. XIX, 60f – Oktober-Dezember 1619 321

An eine Dame1572. XIX, 61f – Annecy, 2.12.1619 322

An einen Onkel1594. XIX, 112f – Annecy, 16.1.1620 323

Inhaltsübersicht

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An Frau Rousselet1605. XIX, 128f – Annecy, 4.2.1620 324

An Frau von Jomaron1613. XIX, 144f – Annecy, 17.2.1620 324

An Herrn de Foras1635. XIX, 177f – Annecy, 8.4.1620 3251850. XX, 187f – Annecy, 11.11.1621 325

An Fräulein Lhuillier von Frouville1655. XIX, 213-215 – Annecy, 31.5.1620 3261695. XIX, 313-315 – Annecy, 9.8.1620 330

An eine Dame1704. XIX, 340-342 – Annecy, 29.9.1620 3321762. XX, 24-26 – Annecy, 27.2.1621 333

An Frau von Toulongeon1768. XX, 32-34 – Lyon, 24.3.1621 3351960. XX, 393f – Lyon, 17.12.1622 336

An die Gräfin von Dalet1778. XX, 51-55 – Annecy, 25.4.1621 3361790. XX, 77-80 – Annecy, 11.5.1621 3401893. XX, 267-269 – Annecy, 8.2.1622 3431928. XX, 333f – Turin, 6.7.1622 3461938. XX, 356-358 – Annecy, August/September 1622 347

An Frau Le Loup de Montfan1779. XX, 55-58 – Annecy, 25.4.1621 3391818. XX, 125f – Annecy, 4.8.1621 3421927. XX, 330-332 – Turin, 6.7.1622 344

An Frau Rivolat1802. XX, 98 – 11.6.(1615-1621) 348

An Frau von Chamousset1807. XX, 107f – Annecy, 24.7.1621 349

An eine unbekannte Person1812. XX, 116f – Annecy, Juni-August 1621 349

An eine unbekannte Dame1820. XX, 131-134 – Annecy, 21.8.1621 350

Inhaltsübersicht

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An Frau Amaury1827. XX, 143-145 – Annecy, August-September 1621 352

An eine unbekannte Dame in Paris1830. XX, 148f – Annecy, 20.9.1621 353

An Madame Baudeau1831. XX, 149f – 20.9.1621 354

An Frau von Pechpeirou1836. XX, 160 – Annecy, 12.10.1621 355

An eine Dame in Grenoble1861. XX, 207f – Annecy, 13.12.1621 355

An einen Freund1865. XX, 213f – Annecy, 1621 356

An Fräulein Jousse1868. XX, 217 – Annecy, 1620 oder 1621 356

An eine Dame1870. XX, 221 – 1616-1622 357

An eine unbekannte Dame1871. XX, 222f – 1618-1622 357

An Frau von Vaudan1879. XX, 234f – 1622 359

An die Gräfin von Miolans1881. XX, 241-243 – Annecy, 8.1.1622 359

An eine Kandidatin für die Heimsuchung1902. XX, 280f – 6.3.1622 360

An eine Dame1919. XX, 310f – Pignerol, 7.6.1622 3611961. XX, 395 – Lyon, 19.12.1622 362

VI. Briefe ohne Datum 363

1968. XXI, 3 – An Clériadus von Genève-Lullin 3631971. XXI, 6-8 – An einen Edelmann in Dijon 3631973. XXI, 10f – An einen Studenten 365

Inhaltsübersicht

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1974. XXI, 11-14 – An einen Adeligen 3651975. XXI, 14 – An einen Unbekannten 3681976. XXI, 15f – An eine Dame 3681977. XXI, 16f – An die gleiche Dame 3691978. XXI, 17f – An dieselbe Dame 3701979. XXI, 18f – An eine Dame 3701980. XXI, 19f – An eine Dame 3701981. XXI, 20 – An eine Dame 3711982. XXI, 20f – An eine Dame 3711983. XXI, 21f – An eine Dame 3721984. XXI, 23 – An eine Dame 3731985. XXI, 23f – An ein Fräulein 3731986. XXI, 25 – An ein Fräulein (um den 8.9.) 3741987. XXI, 25f – An ein Fräulein 3751988. XXI, 26-28 – An dasselbe Fräulein 3751989. XXI, 28f – An eine Unbekannte 3761990. XXI, 29f – An eine Unbekannte 3771991. XXI, 30f – An eine Dame 3781992. XXI, 31f – An eine Dame 3781993. XXI, 32f – An dieselbe Dame 3791994. XXI, 33f – An ein Fräulein 3801995. XXI, 34f – An eine Dame 3801996. XXI, 36f – An eine Dame 3811997. XXI, 37f – An ein Fräulein 3831998. XXI, 39f – An ein Fräulein 3841999. XXI, 40-42 – An das gleiche Fräulein 3852000. XXI, 42f – An ein Fräulein 3862001. XXI, 43-45 – An eine Unbekannte 3862002. XXI, 45f – An eine Dame 3882003. XXI, 47f – An eine Cousine 389

Anmerkungen 391Alphabetisches Verzeichnis der Briefempfänger 411Vergleichende Tafeln 413

Inhaltsübersicht

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I. Briefe aus den Jahren 1602-1610I. Briefe aus den Jahren 1602-1610I. Briefe aus den Jahren 1602-1610I. Briefe aus den Jahren 1602-1610I. Briefe aus den Jahren 1602-1610

Franz von Sales war nicht erst seit 1602 Seelenführer, obwohl die erstenBriefe der Seelenführung aus diesem Jahr überliefert sind. Sie gehen nachParis. Dort hatte der Heilige durch seine zahlreichen Predigten und Ausspra-chen Verbindungen angeknüpft, die sich im Briefwechsel fortsetzten: die Briefean das Kloster der „Filles-Dieu“ und an Fräulein von Soulfour sind davonnoch erhalten.

Als Bischof von Genf war Franz von Sales nicht nur der Leiter, sondern vorallem der eifrigste Seelsorger seiner Diözese. Sein Beichtstuhl, seine Kanzel undsein Sprechzimmer sind umlagert. Den meisten Anteil daran haben seine engstenMitbürger in Savoyen, angefangen von seinen Verwandten. So haben wir Briefean seine Mutter, an seine Schwägerin und seine Schwester, an die Frauen seinerCousins Charmoisy und de la Fléchère. Nach seinen Predigten in La Roche undChambéry kommen von dort Anfragen; er antwortet der Frau von Limojon in LaRoche, den Damen Clément und de Chastel in Chambéry, der Frau von Mieudryin Rumilly (wo auch Madame de la Fléchère wohnt); auch der Wohnsitz vielerunbekannter Briefempfänger ist in Savoyen zu suchen.

Sein Wirken bleibt nicht auf das Bistum beschränkt. 1604 hielt Franz vonSales die Fastenpredigten in Dijon, und damit öffnet sich Burgund seinemEifer. Hier beginnt der Briefwechsel mit der Baronin Johanna Franziska vonChantal; nach Burgund gehen auch viele Briefe an die Präsidentin Brulart undderen Schwester, die Äbtissin Rose Bourgeois de Crepy von Puits d’Orbe, fernerein langer Brief an den Präsidenten Frémyot, ebenso an dessen Sohn, denErzbischof André Frémyot von Bourges, und an die mit Frau von Chantalverwandten oder befreundeten Damen von Traves und Bréchard.

Hier folgen einige biographische Daten der Briefempfänger dieses erstenAbschnitts in der Reihenfolge, wie die Briefe eingeordnet sind.

FRAU VON BOISY, DIE MUTTER DES HEILIGEN.

Franz von Sales verband eine innige Liebe mit seiner Mutter, Françoise deSionaz, die sehr jung den 27 Jahre älteren François de Sales geheiratet hatte,der sich nach einem Gut seiner Gemahlin Herr von Boisy nannte. Franz wardas erste von 13 Kindern aus dieser Ehe. Die Mutter hatte ihrem kleinen Sohneine innige Liebe zu Gott eingepflanzt. Sie blieb ihr Leben lang seine Vertrauteund stellte sich später unter seine geistliche Leitung. Der Brief, den Franz vonSales nach ihrem Tod an Frau von Chantal schrieb, zeugt von der zarten Liebe,die ihn mit seiner Mutter verband. (Mehr über Frau von Boisy in dem schönen

Vorwort

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Buch von Francis Trochu, Die Mutter des hl. Franz von Sales, Eichstätt undWien, Franz-Sales-Verlag, 1962.)

Von den Briefen, die Franz von Sales an seine Mutter schrieb, sind nur zweierhalten, die anderen sind bei der von Richelieu befohlenen Zerstörung desSchlosses Sales vernichtet worden. Auch diese Briefe zeugen von der zärtlichenLiebe des Heiligen zu seiner Mutter wie von ihrem Vertrauen zu ihrem bischöf-lichen Sohn.

MADAME DE LA THUILLE,

geborene Baronin de Cusy, wurde im Jahr 1603 durch Franz von Sales sei-nem Bruder Louis angetraut, der nach einem seiner Güter den Titel Herr de laThuille annahm. Ihr einziger Sohn war Charles-Auguste de Sales, der spätereBiograph und dritte Nachfolger seines Onkels als Bischof von Genf.

Die Hochschätzung des Heiligen für seine Schwägerin geht aus dem hierveröffentlichten Brief hervor, ebenso aus dem Brief an seinen Bruder Louisnach ihrem frühen Tod (sie war erst 23 Jahre, als sie 1609 starb): „MeinBruder, hören Sie auf, sich zu grämen. Ich versichere Ihnen mit Bestimmtheit,daß Ihre teure Gattin zur Hochzeit des Lammes gelangt ist“ (nach Hauteville;s. Oeuvres XII, 95, Anm. 2).

FRÄULEIN VON SOULFOUR.

Der Vorname ist unbekannt. Franz von Sales hatte das Mädchen als Novizinim Kloster der „Filles-Dieu“ in Fragen ihres geistlichen Lebens beraten, dasziemlich verworren war, und ihr darüber einen langen Brief geschrieben. Kurzdarauf kehrte sie in ihr Elternhaus zurück; dort erhält sie noch zwei Briefe vomBischof.

Der erste Brief wird in diesem Band veröffentlicht, obwohl er an eine Novizingerichtet war; er berührt kaum Fragen des Ordenslebens, wohl ein Zeichen,daß Fräulein Soulfour bereits damals in ihrem Ordensberuf schwankend war.Die Briefe des Heiligen zeigen sie als einen Menschen guten Willens aber sehrunklaren Geistes, voller Wünsche nach einem vollkommenen Leben aber ohneOrdnung. Daher verweist sie Franz von Sales an die Priester ihres Ortes, da eraus der Entfernung ihre Schwierigkeiten kaum lösen konnte.

Diese drei Briefe sind sicher echt; sie stehen in den „Epitres spirituelles“, die1626 unter Aufsicht der hl. Johanna Franziska von Chantal herausgegebenwurden.

MADAME DE LIMOJON.

Jeanne Louise de Geblos hatte im Jahr 1598 Herrn Jean de Limojon gehei-ratet, einen Offizier im Dienst des Herzogs von Savoyen. Da er von La Rochestammte, wird seine Gattin dort Predigten des Heiligen gehört und den Wunschgeäußert haben, sich unter seine Führung zu stellen. – Von dem vielleichthäufigeren Briefverkehr des Heiligen mit dieser Dame sind uns zwei Briefeerhalten. – Vom ersten ist nur eine Kopie vorhanden, die sich im Heimsu-

I. Einführung

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chungskloster von Turin befindet und zum erstenmal in den Oeuvres veröffent-licht wurde. Form und Inhalt lassen ihn glaubhaft als authentischen Brief desHeiligen erscheinen. – Der zweite hier übersetzte Brief, zuerst von Migne veröf-fentlicht, dürfte auch Franz von Sales zum Verfasser haben.

AN UNBEKANNTE.

In den Bänden XII, XIII, XIV stehen einige Briefe, deren Adressaten von denHerausgebern der Oeuvres nicht ermittelt werden konnten. – Davon sind sicherecht, d. h. von Franz von Sales verfaßt, Nr. 179 „An eine Tante“, ferner Nr. 414an eine Dame, Nr. 441 an ein Fräulein, Nr. 585 an eine Dame.

Wahrscheinlich unecht sind Nr. 346 (Oeuvres XIII, 173-174) und Nr. 365(Oeuvres XIV, 237-238), der erste von Migne, der zweite von Blaise zuerstveröffentlicht. – Stil wie Inhalt sprechen gegen die Echtheit. – Nr 585 wurdewegen geringen Inhalts ausgelassen (Nachrichten).

Von den sicher echten Briefen ist Nr. 179 an eine Tante, in den Epitresspirituelles (1626) enthalten, also echt. – Es ist allerdings unbekannt, an wel-che Tante unter den vielen Verwandten des Heiligen er gerichtet war.

Nr. 414, von der Familie Blonay aufbewahrt und in den „Memoires“ dersalesianischen Akademie zuerst veröffentlicht, ist echt, wie sich aus dem Inhaltwie aus der Form ergibt. Der Name der Dame ist unbekannt. Die Herausgeberder Oeuvres meinen, daß sie in Chambéry gewohnt habe und wohl in denDienst der Donna Mathilde von Savoyen getreten sei, die seit dem 26. Februar1607 mit dem Stadthalter D’Albigny verheiratet war. – (Oeuvres XIII, 321,Anm.1). – Möglich sei auch Dijon.

Nr. 441, an ein Fräulein wurde auch in den Epitres spirituelles 1626 veröf-fentlicht, ist also sicher echt. Die Herausgeber der Oeuvres meinen, der Briefsei an Frl. von Soulfour gerichtet. Dagegen spricht Verschiedenes, wenngleiches nicht ganz ausgeschlossen ist.

DER PRÄSIDENT BÉNIGNE FRÉMYOT.

Der Magistrat von Dijon, der Hauptstadt von Burgund, lud Franz von Salesein, 1604 dort die Fastenpredigten zu halten. Dort lernte er Frau Brulart undderen Schwester, die Äbtissin von Puits d’Orbe, kennen und verkehrte vorallem im Haus Frémyot. Der Erzbischof von Bourges, André Frémyot, schloßsich in herzlicher Freundschaft seinem älteren Mitbruder im Bischofsamt anund erhielt von diesem später einen noch heute gültigen Brief über das Predi-gen und wertvolle Anregungen für seine Aufgaben als Bischof. Seine SchwesterJohanna Franziska von Chantal führte Franz von Sales von diesen Tagen an zuden Höhen christlicher Vollkommenheit. Große Verehrung verband ihn auchmit dem Vater der beiden, dem Präsidenten Bénigne Frémyot.

Der Präsident, einer der großen Männer seiner Zeit, hatte in den französi-schen Bürgerkriegen eine heroische Haltung als aufrechter Katholik bewiesen(vgl. H. Waach, Johanna Franziska von Chantal. Eichstätt und Wien, Franz-Sales-Verlag, 1957, bes. Seite 13-17). Er bat Franz von Sales um Ratschlägefür seinen Lebensabend, die ihm dieser in dem hier veröffentlichten Brief inaller Ehrfurcht und Offenheit erteilt. Der Präsident starb 1611.

I. Einführung

24

MADEMOISELLE CLÉMENT.

Aus den zwei überlieferten Briefen geht hervor, daß diese Dame in Chambérylebte, Franz von Sales kennen lernte, als er dort 1606 die Fastenpredigtenhielt, ebenso, daß sie den Wunsch hatte, in einen Orden einzutreten. Franz vonSales billigt diesen Wunsch, bereitet sie aber (besonders im zweiten Brief) aufdas Scheitern ihres Planes vor. In einem Brief an P. Pollien SJ. in Chambéryschreibt er: „Gott weiß, daß ich Fräulein Clément lieb habe. Ich glaube abernicht, daß ihre Konstitution stark genug ist, die Lebensweise der Clarissen zuertragen. Wohin aber könnte man sie in Savoyen sonst empfehlen? ... Gott wirdsie trösten, da sie auf ihn vertraut ...“ – Mehr wissen wir von ihr nicht.

Die beiden hier übersetzten Briefe sind sicher echt; der erste ist in den gesam-melten Werken des Heiligen (1656), der zweite in den „Epitres spirituelles“(1626) veröffentlicht.

MADAME DE CHARMOISY.

Louise de Chatel, geboren in der Normandie, kam sehr jung als Edelfräuleinder Herzogin von Guise nach Paris. Dort lernte sie Herrn von Charmoisy ken-nen, einen Verwandten des hl. Franz von Sales; im Jahr 1600 schlossen beideeine Liebesehe. Die durch Schönheit und Charakterfestigkeit ausgezeichnetejunge Frau folgte ihrem Mann in dessen Bergheimat nach Savoyen, wo ermehrere Schlösser besaß. Dort lernte sie den mit ihrem Mann eng befreundetenFranz von Sales kennen, als er 1602 die Bischofsweihe empfangen hatte.

Frau von Charmoisy hatte gewiß kein leichtes Leben. Ihr Mann war oftabwesend, so daß ihr die Verwaltung der alten, düsteren Schlösser oblag. Sieselbst war oft krank, ebenso ihr Mann, der beim Herzog in Ungnade fiel undlängere Zeit in einem seiner Schlösser interniert wurde, später allerdings wie-der zu Ehren und zu hohen militärischen Würden kam. Nach dem Tod ihresMannes im Jahr 1618 war ihr Sohn die Ursache schwersten Kummers. Er brachin ihr Zimmer ein und untersuchte aus Mißtrauen gegen sie ihre Papiere; sieforderte zwar Genugtuung, verzieh ihm aber so großherzig, daß sie ihm nachund nach ihren ganzen Besitz überließ. Am 1. Juni 1645 starb sie, umgebenvon ihrer Familie.

Eine ganz große Frau, in vielem der hl. Johanna Franziska von Chantalähnlich: von großem Mut, klar im Denken, gewissenhaft in der Pflichterfül-lung, und doch voll echt weiblicher Güte, verbunden mit Einfühlungsvermögenund Opferwilligkeit. (Mehr über sie bei Angela Hämel-Stier, Frauen um Franzvon Sales, Eichstätt und Wien, Franz-Sales-Verlag, 1954, Seite 29-75; vgl.Henry Bordeaux, St. François de Sales et notre coeur de chair, Paris 1924,Seite 196-208.)

Es steht nicht fest, ob Frau von Charmoisy sich bereits 1604 oder erst 1607unter die Leitung des hl. Franz von Sales gestellt hat. Seine Verbindung zurFamilie war sehr eng; er stand Frau von Charmoisy treu zur Seite, als ihr Mannin Ungnade gefallen, als er krank und nachdem er gestorben war. Er brachteFrau von Charmoisy auch in Verbindung mit Johanna Franziska von Chantal,Madame de la Fléchère und anderen.

I. Einführung

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In den „Oeuvres“ sind relativ wenige Briefe an Frau von Charmoisy überlie-fert. Gewiß dürfte er ihr die meisten Ratschläge mündlich erteilt haben, außer-dem fanden die grundsätzlichen Weisungen der ersten Zeit Eingang in die„Anleitung zum frommen Leben“, die unsterbliche „Philothea“. Von den 11überlieferten Briefen sind sechs sicher echt (Nr. 439, 440, 474, 863, 1485,1967). Der hier als erster übersetzte Brief (Nr. 350) wurde von Datta und dannvon Migne veröffentlicht; er dürfte echt sein, obwohl einige Zweifel bleiben. Nr.595 und 1521 sind nicht übersetzt, obwohl sie echt sein dürften; Nr. 1967 hatFrau von Charmoisy in ihrer Aussage beim Heiligsprechungsprozeß aus seinenBriefen an sie zitiert.

MADAME DE MIEUDRY.

Gasparde de Cerisier, seit 1602 mit Sébastian Porties, Herrn von Mieudryverheiratet, wohnte in Rumilly unweit Annecy. Sie hatte drei Kinder, bei ihrlebte auch ihr Vater (s. Brief vom 19.2.1616). Sie starb am 10. Oktober 1616.

Die beiden letzten Briefe des Heiligen an sie, die in den „Oeuvres“ enthaltensind, stehen nicht in den Sammlungen vor 1800; der erste wurde von Blaise,der zweite von Migne erstmals veröffentlicht; nach Inhalt und Form scheinensie echt zu sein.

JEANNE-CHARLOTTE DE BRÉCHARD

wurde 1580 geboren, verlor ihre Mutter bald nach ihrer Geburt und wurde vonihrem Vater schmählich im Stich gelassen. Sie hatte eine traurige Jugend – bissie auf die Baronin von Chantal traf, die ihr eine warme mütterliche Liebeschenkte. Durch sie wurde Franz von Sales ihr Seelenführer und nun begannfür das fromme Mädchen ein seelischer Frühling. Mit Hochherzigkeit folgte sieden Weisungen der beiden Heiligen. Sie war eine der ersten Schwestern, die dieheroischen Anfänge der „Heimsuchung“ im kleinen Kloster der „Galerie“ mit-erlebten, und wurde später eine der Säulen des Ordens der Heimsuchung.

Hier sind nur die Briefe, die ihr Franz von Sales vor Beginn ihres Ordensle-bens schrieb. Die spätere Schwester und Oberin der „Heimsuchung Mariä“wird noch viele Briefe des Heiligen empfangen, die wir im Band 7 der deut-schen Ausgabe der Werke des Heiligen veröffentlicht sind.

Die drei folgenden Briefe sind sicher echt; sie wurden bald nach dem Tod deshl. Franz von Sales in den Sammlungen seiner Briefe veröffentlicht.

FRÄULEIN CLAUDINE DE CHASTEL,

eine der vier Töchter der Familie Chastel, machte noch in der Welt das Gelüb-de der Keuschheit, nachdem sie Franz von Sales um Rat gefragt hatte. Der ersteBrief des Heiligen ist die Antwort auf ihre Frage. Ihre Schwester Peronne-Marie trat vor ihr in den Orden der Heimsuchung ein und zwar in den erstenAnfängen. Claudine folgte ihr im Jahr 1620. Sie starb im Kloster von Cham-béry 1668.

I. Einführung

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Die drei hier übersetzten Briefe sind sicher echt; die zwei ersten sind in dernach dem Tod des Heiligen bald herausgegebenen Sammlung seiner Briefeenthalten, der dritte wurde vom zuverlässigen Hérissant veröffentlicht.

FRAU VON TRAVES.

Claude du Plesseys hatte im Jahr 1598 Jean de Choiseul de Traves geheira-tet, der in die Ehe fünf Kinder seiner ersten Frau mitbrachte. Sie selbst brachtedrei Kinder zur Welt. Herr von Traves starb 1605. Sie hatte also jetzt für achtKinder allein zu sorgen. Man versteht, daß Franz von Sales ihr unter diesenUmständen abgeraten hat, wieder zu heiraten.

Die zwei uns erhaltenen Briefe an Frau von Traves sind sicher authentisch.Sie wurden beide bereits 1688 veröffentlicht. Da die Baronin von Chantal ihreCousine war, dürfte der Briefwechsel zwischen ihnen lebhafter gewesen sein. Esist bedauerlich, daß nur so wenig davon erhalten blieb.

MADAME DE CORNILLON, DIE SCHWESTER DES HEILIGEN.

Gasparde de Sales, Schwester des Heiligen, mindestens10 Jahre jünger alser, heiratete 1595 Melchior de Cornillon, dessen Vater, Raymond Charles,Hauptmann und Statthalter in La Roche war. Sie hatte viele Kinder. Ihr Mannwar ihr herzlich zugetan. Dagegen dürfte sie viele Schwierigkeiten mit ihremmürrischen Schwiegervater und dessen Familie gehabt haben. Franz von Sales,der ihr Seelenführer war und dessen innige Liebe zu seiner Schwester aus jederZeile seiner Briefe hervorgeht, muntert sie immer wieder auf und weist sie aufden Weg der Herzensverbundenheit mit Christus und das tapfere Kreuztragenin seiner Nachfolge. Sie überlebte ihren heiligen Bruder um sieben Jahre (†1629).

Die hier übersetzten Briefe sind alle in der von der hl. Johanna-Franziskavon Chantal überwachten ersten Auflage der Briefe des hl. Franz von Salesenthalten und daher sicher echt, mit Ausnahme des Briefes 928, der zuerst vonMigne veröffentlicht wurde, aber wahrscheinlich echt ist. – Die Oeuvres habenim 16. Band noch einen in Privatbesitz befindlichen Brief veröffentlicht (unterNr. 1062), der nur aus wenigen Zeilen besteht und wahrscheinlich unecht ist.

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AN SEINE MUTTER, FRAU VON BOISY

XII, 244 (206) 1602 oder 1603.1

Ich schreibe Ihnen dies, meine sehr liebe und gute Mutter, da ich zuPferde steige, um nach Chambéry zu reisen. Auf diesem Brieflein istkein Siegel und ich empfinde keine Unruhe darüber. Durch Gottes Gna-de sind wir nicht mehr in dieser schweren Zeit, da wir uns verbergenmußten,2 um uns freundschaftlich zu schreiben und uns Trostesworte zusagen. Es lebe Gott, meine gute Mutter! Es ist wohl wahr, daß die Erinne-rung an diese Zeit mir immer heilig-liebevolle Gedanken einflößt.

Seien Sie immer voll Freude im Herrn, meine gute Mutter.3 Sie sollenwissen, daß es Ihrem armen Sohn gut geht durch Gottes Barmherzigkeitund daß er sich vorbereitet, Sie baldigst zu besuchen und auf so lange, alses ihm möglich ist.

Ich gehöre Ihnen ganz an. Ich muß es sein und Sie wissen, daß ich binIhr Sohn Franz, Bischof.

XIV, 212-213 (556) Annecy, 29. November 1609.4

Liebste Frau Mutter!Die Nachricht über die Besserung Ihrer Gesundheit, die mir mein

jüngerer Bruder brachte, hat mich recht getröstet, und doch unterlasseich es nicht, dem Rat meines Cousins Chaudens zuzustimmen, daß HerrMarcofredo über Ihre Gesundheit befragt werde, ob Sie ihn jetzt nachSales kommen lassen oder, wenn Sie können, selbst auf drei bis vier Tagenach Genf gehen; in diesem Fall aber müßte die Reise recht bald unter-nommen werden, um ärgerer Kälte zuvorzukommen.

Wenn mein Bruder mir auch hätte sagen können, in welchem ZustandSie sich geistig befinden, wäre meine Freude noch viel größer gewesen;aber er hat mir nichts anderes sagen können, als daß Sie manchmal ziem-lich froh und manchmal traurig sind5 und daß Sie sich keine neuen Schu-he machen lassen wollten, weil Sie glauben, Sie würden nicht mehr langegenug leben, um sie abzunützen. Nun, all das ist nicht schlimm; ichwünsche aber doch sehr, daß Sie sich nach und nach freimachen undloslösen von diesen kleinlichen Ideen, die gänzlich unnütz und fruchtlossind und überdies den Platz anderer, besserer und Unserem Herrn wohl-gefälliger Gedanken einnehmen. Ihr Geist muß weiter und freier Unse-

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rem Herrn gegenüber werden. Sie dürfen ihn nicht mit solch kleinlichenGefühlen oder Gedanken belasten, Sie sollen in Freiheit leben; überlas-sen Sie es der Vorsehung Unseres Herrn, aus Ihnen zu machen, was ihmgefällt.

Mit Ihrer Erlaubnis aber will ich klar zu Ihnen sprechen. Sie dürfensich, meine liebe Mutter, nicht bei gewissen Erwägungen aufhalten, diezu nichts dienen und zu wenig Wert haben, um den Geist zu beschäfti-gen; und Sie sollen, wenn Sie in aller Ruhe in Ihren AngelegenheitenOrdnung gemacht haben, Gott dafür preisen, wenn sie gut gehen; wennsie aber nicht so gut gehen, wie Sie wünschen würden, von Ihrer Seiteaber nichts Besseres getan werden kann, dann sollen Sie alles in dieHände Gottes legen, der am Ende alle Dinge so führt, wie er es für unserWohl geeignet erachtet.

Das ist mein bescheidener Rat, Madame, meine gute Mutter. Seien Sieaus Liebe zu Gott ein wenig mutiger; sagen Sie hundertmal am Tag, abervon Herzen: „Gott wird uns helfen“, und Sie werden sehen, daß er es tunwird. Gebieten Sie nur über Ihre Kinder, denn Gott will es.

Ich sende Ihnen zwei Briefe aus Dijon und wünsche Ihnen alle Gna-den, die Unser Herr seinen treuen Dienerinnen verleiht.

Ich bleibe, meine liebe Frau Mutter, Ihr recht ergebener Sohn ...

AN SEINE SCHWÄGERIN, FRAU DE LA THUILLE

XIII, 1-2 (271) Januar-März 1605.Den Segen, den ich Ihnen wünsche, meine ganz liebe Schwester, meine

Tochter, müssen wir von der Hand unseres Herrn erlangen und ich glau-be, daß seine göttliche Majestät Ihnen diesen spenden wird, wenn Sie ihnmit der gebührlichen Unterwürfigkeit und Demut erbitten.

Was mich betrifft, meine sehr liebe Tochter, so bete ich von ganzemHerzen die göttliche Vorsehung an und bitte sie, in Ihr Herz die Fülleseiner Gnaden strömen zu lassen, damit Sie gesegnet seien in dieser Weltund in der anderen mit den Segnungen des Himmels und der Erde, mitden Segnungen der Gnade und der ewigen Herrlichkeit. Amen.

Mögen Sie gesegnet sein an Herz und Leib, in ihrer Person und inallen, die Ihnen am teuersten sind, in ihren Freuden und Mühen, in al-lem, was Sie für Gott tun und leiden werden. Im Namen des Vaters unddes Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Ihr ganz ergebener und stets unveränderter Bruder und Diener ...

I. de la Thuille Brief Nr. 271

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AN FRÄULEIN VON SOULFOUR

XII,163-170 (174) Annecy, 16. Januar 1603.Meine sehr liebe, teure Schwester und Tochter in Jesus Christus!

Gott allein sei Ihre Ruhe und Ihr Trost. Ich habe Ihre beiden Briefedurch den Herrn Präsidenten Favre etwas später erhalten, als Sie dachtenund ich gewünscht hätte, früh genug aber, um mir Freude zu bereiten, dasie in etwa Zeugnis ablegen von der Besserung Ihrer Seelenverfassung.Gott sei ewig dafür gepriesen!

In deren Beantwortung will ich Ihnen gleich zu Anfang sagen, daß Siemir gegenüber keinerlei zeremonielle oder entschuldigende Worte ge-brauchen sollen, da ich Ihnen doch durch Gottes Willen alle Zuneigungentgegenbringe, die Sie sich nur wünschen können, und auch gar nichtanders könnte. Ich liebe Ihren Geist ganz fest, weil ich denke, daß Gottes will, und zärtlich, weil ich ihn noch schwach und jung sehe. SchreibenSie mir also in Ihren Briefen voll Vertrauen und Offenheit und fragenSie, was Sie für Ihr Wohl erforderlich erachten. Das sei ein für allemalgesagt.

Ich finde in Ihrem Brief einen Widerspruch, den Sie, ohne daran zudenken, hineingelegt haben; denn Sie sagen mir, daß Sie von Ihrer Unru-he befreit seien, und doch sehe ich Sie noch voll Unruhe auf der Suchenach einer überstürzten Vollkommenheit. Haben Sie Geduld, ich werdeIhnen gleich sagen, was das ist.

Sie fragen mich, ob Sie Empfindungen annehmen und danach greifensollen. Sie sagen, daß Ihr Geist ohne diese darniederliegt, und doch kön-nen Sie diese nur mit Argwohn annehmen und es dünkt Ihnen, Sie soll-ten sie zurückweisen.

Wenn Sie mir ein andermal über etwas Ähnliches schreiben, sagen Siemir ein Beispiel für die Handlung, über die Sie mich um Rat fragen; z. B.nennen Sie mir eine dieser Empfindungen, die am meisten Ihren Arg-wohn erweckte, als sollten Sie sie nicht annehmen. Denn dann würde ichIhr Anliegen viel besser verstehen. Indessen hier meine Meinung zu Ih-ren Fragen:

Die Empfindungen und süßen Gefühle können vom Freund oder vomFeind kommen, d. h. vom Bösen oder vom ganz Guten. Nun kann manaber an gewissen Zeichen, die ich gar nicht alle aufzählen könnte, erken-nen, woher sie kommen. Hier nur einige Zeichen, die genügen werden:

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Erstens. Wenn wir uns nicht bei ihnen aufhalten, sondern uns nur ihrerbedienen, um uns aufzufrischen und nachher die uns von Gott auferleg-ten Aufgaben und Werke beharrlicher erfüllen zu können, dann ist es eingutes Zeichen. Denn Gott schenkt sie uns manchmal zu diesem Zweck;er nimmt Rücksicht auf unsere Schwäche; er sieht, wie schal unser Ge-schmack an geistigen Dingen geworden ist, und da schenkt er uns einwenig Würze, nicht, damit wir jetzt nur die Würze genießen, aber damitsie uns zum Essen der gewohnten Speisen anrege. Es ist also ein gutesZeichen, wenn wir uns nicht bei diesen Gefühlen aufhalten. Wenn unsdagegen der Böse die Gefühle eingibt, dann will er, daß wir an ihnenhängen bleiben und unser geistiger Magen, der nur die Würze zu sichnimmt, dadurch nach und nach geschwächt und verdorben werde.

Zweitens geben uns die guten Empfindungen keinerlei Gedanken desStolzes ein, sondern bestärken uns im Gegenteil darin, diese zurückzu-weisen, falls der Böse die Gelegenheit wahrnimmt, uns solche Gedan-ken einzugeben. Handeln wir so, dann ist es ein gutes Zeichen. Die Seelebleibt in ihrem höheren Bereich ganz demütig und ergeben. Sie erkennt,daß Kaleb und Josua niemals die Trauben vom Land der Verheißunggebracht hätten, um die Israeliten zu dessen Eroberung anzueifern (Lev13,21-28), hätten sie nicht gedacht, deren Mut sei schwach und bedürfedes Antriebes. So wird die Seele in ihrem höheren Bereich ihre Schwä-che anerkennen, und, statt sich für etwas Besonderes zu halten, sich lie-bevoll vor ihrem Bräutigam demütigen, der seinen Balsam und Duftausgießt, damit die Mädchen und zarten Seelen gleich ihr ihn erkennen,lieben und ihm folgen (Hld 1,2). Die schlechte Empfindung dagegenwird uns festhalten und, anstatt uns an unsere Schwäche denken zu las-sen, uns den Gedanken eingeben, sie sei uns als Entgelt und Belohnunggegeben.

Das gute Empfinden läßt uns nicht geschwächt zurück, sondern ge-stärkt, nicht betrübt, sondern getröstet; das schlechte hingegen schenktuns anfangs eine gewisse Freudigkeit, läßt uns aber am Ende vollerÄngste zurück. Das gute Empfinden legt uns bei seinem Scheiden nahe,daß wir die Tugend lieben, wenn es geschwunden ist, ihr dienen undfolgen, denn zu deren Gunsten wurde es uns ja gegeben; das schlechteaber läßt uns glauben, daß mit ihm auch die Tugend uns verläßt und daßwir sie daher nicht mehr gut pflegen können. Kurz, das gute Empfindenwünscht nicht geliebt zu werden, sondern will nur, daß man Ihn liebt,der es uns schenkt. Es könnte uns wohl Anlaß sein, daß wir es lieben,aber das sucht es nicht. Das schlechte dagegen will, daß man es vor

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allem liebe. Wenn das gute Gefühl uns verläßt, drängt es uns nicht, eswieder zu suchen oder zu hegen, sondern nur die Tugend, die es in unserweckt; das schlechte Gefühl aber bedrängt und beunruhigt uns, esunablässig wieder zu suchen.

An diesen vier bis fünf Zeichen können Sie erkennen, woher Ihre Ge-fühle kommen. Wenn sie von Gott kommen, dürfen Sie diese nicht zu-rückweisen, sondern Sie sollen erkennen, daß Sie noch ein armes kleinesKind sind und daher Milch von Ihrem Vater entgegennehmen sollen, deraus Mitleid mit Ihnen auch noch die Stelle der Mutter an Ihnen vertritt.„Deine Brüste“, sagt der Bräutigam zu seiner Braut (Hld 1,2), „sindköstlicher als Wein, frisch und duftend nach vorzüglichem Öl und Bal-sam“. Sie werden mit Wein verglichen, denn sie erfreuen den geistlichenMagen, regen ihn an und verleihen ihm eine gute Verdauung, während erohne diese kleinen Tröstungen zuweilen nicht die Leiden ertragen könn-te, die er auf sich nehmen muß. Nehmen Sie diese Empfindungen also imNamen Gottes an, unter der einzigen Bedingung, daß Sie auch bereitsind, sie nicht anzunehmen, sie nicht zu lieben und sie zurückzuweisen,wenn Sie auf den Rat Ihrer Oberen gewahr werden, daß sie nicht gut sindund nicht der Ehre Gottes dienen; ferner, daß Sie auch bereit sind, ohnesie zu leben, wenn Gott Sie dessen für würdig und fähig erachtet. Ich sagealso: nehmen Sie diese ruhig an, meine sehr liebe Schwester, im Bewußt-sein Ihres schwachen geistigen Magens, da der Arzt Ihnen Wein zu trin-ken gibt trotz der Fieberschauer der Unvollkommenheiten, die in Ihnensind. Wenn der hl. Paulus seinem Jünger Wein anrät wegen dessen kör-perlicher Schwäche (1 Tim 5,23), kann ich Ihnen wohl auch geistlichenWein gegen die geistliche Schwäche anraten.

Das ist, so scheint es mir, meine hinreichend klare Antwort, der ichnoch hinzufügen will, daß Sie niemals Schwierigkeiten machen sollen,das anzunehmen, was Gott Ihnen von rechts oder links schickt, wenn Siesich so vorbereiten und so ergeben sind, wie ich es soeben gesagt habe.Sollten Sie auch die Vollkommenste auf Erden sein, dürfen Sie nichtzurückweisen, was Gott Ihnen gibt, vorausgesetzt, daß Sie bereit seien, eszurückzuweisen, wenn dies seinem Wohlgefallen entspräche. Gleich-wohl müssen Sie glauben, wenn Gott Ihnen diese Empfindungen schickt,daß es Ihrer Unvollkommenheit wegen geschieht. Diese soll bekämpftwerden, nicht aber die Empfindungen, die ihr entgegenwirken.

Bei Ihnen habe ich bloß ein Bedenken deshalb, weil Sie mir sagen,diese Empfindungen stammten vom Geschöpf. Ich denke aber, daß Siesagen wollten, sie kämen Ihnen durch das Geschöpf zu und gleichwohl

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von Gott, denn mir scheint, daß Sie im übrigen Brief Beweise hierfürerbringen. Aber selbst wenn sie vom Geschöpf kämen, wären sie nichtzurückzuweisen, da sie doch zu Gott hinführen oder man sie zumindestdorthin führt. Man muß sich nur davor hüten, sich täuschen zu lassen,nach den allgemeinen Regeln vom Gebrauch der Geschöpfe.

Ich will Ihnen nun sagen, was ich Ihnen versprochen hatte. Mir scheint,ich sehe Ihre Seele mit großer Unruhe übereifrig auf der Suche nachVollkommenheit; denn das eben läßt Sie diese kleinen Tröstungen undGefühle fürchten. In Wahrheit sage ich Ihnen aber, wie im Buch derKönige geschrieben steht (1 Kön 19,11.12): „Gott ist nicht im Sturm,nicht in der Aufregung, nicht im Feuerqualm, sondern in eben diesemmilden und ruhigen, beinahe unmerklichen Windhauch.“ Lassen Siesich von Gott lenken, denken Sie nicht so viel an sich selbst. Wenn Siewünschen, daß ich Ihnen etwas befehle, da Ihre Frau Meisterin es will,werde ich es gern tun und befehle Ihnen als erstes, daß Sie bei Ihremallgemeinen und allumfassenden Entschluß, Gott auf die Ihnen best-mögliche Art zu dienen, jetzt nicht Ihre Zeit damit vertun, genau über-prüfen und herausklauben zu wollen, welches die beste Art sei. Denndies ist eine Ihrem spitzfindigen und scharfen Geist eigentümlicheUngehörigkeit, die Ihren Willen tyrannisieren und benörgeln will mitHinterlist und Schläue.

Sie wissen, Gott will im allgemeinen, daß wir ihm dienen, indem wirihn über alles lieben und unseren Nächsten wie uns selbst (Mt 22,37-40);im besonderen will er nur, daß Sie eine Regel einhalten. Das genügt; manmuß es schlicht tun ohne Tüftelei und Spitzfindigkeit, alles nach Artdieser Welt, in der nicht die Vollkommenheit herrscht; auf menschlicheArt und der Zeit entsprechend, in der Erwartung, es eines Tages aufgöttliche und engelhafte Art der Ewigkeit entsprechend tun zu können.Überhastung und aufgeregtes Hin und Her dienen zu nichts; die Sehn-sucht danach ist wohl gut, aber sie soll ohne Unruhe gehegt werden.Eben diese Überhastung verbiete ich Ihnen ausdrücklich, weil sie dieMutter aller anderen Unvollkommenheiten ist.

Prüfen Sie also nicht so sorgsam, ob Sie in der Vollkommenheit ste-hen oder nicht. Und dies aus zwei Gründen: 1. weil es sinnlos ist, unsdarüber zu prüfen. Selbst wenn wir die Vollkommensten auf der Weltwären, dürften wir es niemals wissen und erkennen, sondern uns immerfür unvollkommen erachten. Unsere Gewissenserforschung soll nie-mals darauf abzielen, erkennen zu wollen, ob wir unvollkommen sind,denn daran dürfen wir niemals zweifeln. Daher dürfen wir nicht er-

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staunt sein, uns unvollkommen zu sehen, da wir uns in diesem Lebenniemals anders sehen sollen; wir sollen darüber auch nicht betrübtsein, denn dafür können wir nichts. Wohl aber sollen wir uns deshalbdemütigen, denn damit machen wir wieder gut, was wir gefehlt haben;dann wollen wir uns in aller Ruhe bessern. Dazu wurden uns unsereUnvollkommenheiten belassen; wir sind nicht entschuldbar, wenn wiruns nicht zu bessern versuchten, aber auch nicht unentschuldbar, wennwir dies nicht zur Gänze tun. Die Unvollkommenheiten sind nicht zubeurteilen wie die Sünden.

Der zweite Grund ist der, daß diese Gewissenserforschung nur Zeit-verlust ist, wenn sie angstvoll und verwirrt angestellt wird. Die solchestun, gleichen Soldaten, die als Vorbereitung auf die Schlacht sich in Tur-nieren und Schlägereien ergehen, und dann, wenn es ernst wird, ganzermattet und erschöpft sind (Ps 78,9), oder wie Sänger, die sich beimEinproben einer Motette heiser schreien. Der Geist wird bei solch gro-ßen und ständigen Gewissenserforschungen müde und dann, wenn eszum Handeln kommt, kann er nicht mehr.

Das andere folgt aus diesem: „Wenn dein Auge einfach ist, wird deinganzer Leib es sein“, sagt der Heiland (Mt 6,22). Lassen Sie Ihren Ver-stand einfach werden, stellen Sie nicht soviel Überlegungen und Wider-reden an, sondern gehen Sie Ihren Weg einfach und voll Vertrauen. Esgibt für Sie in dieser Welt nur Gott und Sie; alles andere soll Sie nur indem Maße berühren, als und wie Gott es Ihnen befiehlt. Ich bitte Sie,schauen Sie nicht soviel da- und dorthin, richten Sie Ihren Blick gesam-melt auf Gott und auf sich. Sie werden Gott niemals ohne Güte und sichselbst nie ohne Armseligkeit sehen. Sie werden seine Güte gnädig mitIhrer Armseligkeit und Ihre Armseligkeit als Gegenstand seiner Güteund Barmherzigkeit sehen. Schauen Sie also auf nichts als auf dies, ichmeine mit einer beständigen, festen und ausdrücklichen Schau, und aufalles andere nur im Vorübergehen. Zerpflücken Sie daher nicht, was dieanderen tun, noch was aus ihnen wird, sondern schauen Sie auf die ande-ren mit guten, liebevollen und gütigen Augen. Erwarten Sie von ihnennicht mehr Vollkommenheit als von sich selbst und seien Sie nicht er-staunt über die Vielzahl der Unvollkommenheiten, denn die Unvoll-kommenheit ist nicht mehr unvollkommen, weil sie ausgefallen und selt-sam ist. Machen Sie es wie die Bienen, holen Sie sich aus allen Blumenund Gräsern den Honig heraus.

Mein drittes Gebot lautet, daß Sie handeln sollen wie die kleinen Kin-der: Solange diese spüren, daß ihre Mutter sie an der Hand hält, gehen sie

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tapfer darauf los, tollen herum und geraten über kleines Stolpern, dasvon der Schwäche ihrer Füßchen herrührt, nicht außer sich. So gehenauch Sie tapfer Ihren Weg; Sie wissen, daß Gott Sie hält durch den gutenWillen und Entschluß, den er Ihnen eingegeben hat, ihm zu dienen.Wundern Sie sich nicht über diese kleinen Erschütterungen und Stolpe-reien; Sie dürfen sich nicht darüber ärgern, vorausgesetzt, daß Sie sichvon Zeit zu Zeit in seine Arme werfen und ihn liebevoll umarmen (Hld1,1). Gehen Sie Ihren Weg fröhlich und mit möglichst aufgeschlossenemHerzen; und wenn Sie schon nicht immer fröhlich gehen, so tun Sie esdoch immer mutig und vertrauensvoll. Fliehen Sie nicht die Gesellschaftder Schwestern, auch wenn sie nicht nach Ihrem Geschmack sind; flie-hen Sie vielmehr Ihren Geschmack, wenn er dem Verhalten der Schwes-tern nicht entspricht. Lieben Sie die heilige Tugend der Duldsamkeit undheiligen Nachgiebigkeit, denn nur so, sagt der hl. Paulus (Gal 6,2), wer-det ihr das Gesetz Jesu Christi erfüllen.

Schließlich hat Gott Ihnen einen zeitlichen Vater gegeben,6 von demSie viel geistliche Freude empfangen können; nehmen Sie seine Rat-schläge entgegen, als ob sie von Gott kämen, denn Gott wird Ihnen vielSegen durch seine Vermittlung schenken. Er hat mir seine Übersetzungder „Institutio“ von Blosius geschickt; ich habe sie bei Tisch vorlesenlassen und über alle Maßen genossen; bitte, lesen und verkosten Sie die-ses Buch, das sehr wertvoll ist.

Wenn Ihnen im übrigen Zweifel an dem Leben kommen, das Sie zuführen auf sich genommen haben, möchte ich Ihnen raten, nicht derenLösung von mir zu erwarten, denn ich bin zu weit von Ihnen entfernt, umIhnen beistehen zu können. Es würde Sie auch verdrießen, warten zumüssen. Sie haben genug Priester, die Ihnen helfen können; wenden Siesich voll Vertrauen an diese. Das soll nicht heißen, daß ich von Ihnenkeine Briefe zu erhalten wünsche, im Gegenteil, sie erfreuen mich undich wünsche sie mir, und sogar mit allen Einzelheiten über alle Regun-gen Ihres Geistes. Die Länge dieses Briefes zeigt Ihnen deutlich, daß ichnicht müde werde, Ihnen zu schreiben. Aber ich will nur nicht, daß SieZeit verlieren und, während Sie Hilfe von so weither erwarten, inzwi-schen vom bösen Feind geschlagen und geschädigt werden.

Und zweifeln Sie nicht, daß Sie an meinen Meßopfern ständig teilha-ben. Alle Tage bringe ich Sie mit dem Gottessohn am Altar dar; ichhoffe, daß Gott es gütig entgegennehmen wird. Versichern Sie das glei-che der Schwester Anne Seguier, meiner sehr lieben Tochter in JesusChristus, und Ihrer Frau Novizenmeisterin; ich habe deren Grüße dem

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guten Herrn Nouvelet ausgerichtet, er freute sich sehr darüber. Wenn Siedie große Menge der Aufgaben kennten, die auf mir lasten, und den Wir-bel, in dem ich mich in diesem Amt befinde, hätten Sie Mitleid mit mirund würden manchmal zu Gott für mich beten, und Ihr Gebet würdeihm sicher genehm sein.

Ich bitte Sie darum und die Schwester Anne Seguier; sagen Sie oft zuGott wie der Psalmist (Ps 119,94): „Ich bin dein, errette mich“, und wieMagdalena zu seinen Füßen (Joh 20,16): „Rabbuni, o mein Meister!“,und dann lassen Sie ihn handeln. Er wird aus Ihnen, in Ihnen, ohne Sieund dennoch durch Sie und für Sie die Heiligung seines Namens bewir-ken, dem alle Ehre und aller Ruhm gebühren.

Ihr Ihnen liebevoll zugetaner und demütiger Diener in Jesus Christus.

XII, 180-184 (181) Annecy, (April-Mai) 1603.Gnädiges Fräulein, meine sehr liebe Tochter in Jesus Christus!

Ich habe Ihren Brief erhalten, in dem Sie versuchen, mir den ZustandIhres Geistes zu erklären. Ich kann nicht leugnen, daß ich recht erfreutwar, das Vertrauen zu sehen, das Sie auf meine Zuneigung zu Ihnen set-zen, die doch gewiß so groß und beständig ist, wie Sie es nur wünschenkönnen. Gott sei daher in allem und durch alles gepriesen.

Ich werde Ihnen nun einige Worte zu Ihrem Brief sagen.Erstens, glauben Sie bitte fest daran, daß Ihre Meinung, Sie könnten

Erleichterung von Gott nur durch mich erhalten, eine reine Versuchungdurch den ist, der die Gewohnheit hat, uns die entfernt liegenden Dingevor Augen zu führen, um uns den Gebrauch der uns gegenwärtigen Din-ge zu nehmen. Denn es zeugt von krankhaftem Geist, wenn ein körper-lich Erkrankter entfernt wohnende Ärzte herbeiwünscht und sie denanwesenden vorzieht. Man darf nicht unmögliche Dinge wünschen undauch nicht auf schwierigen und ungewissen aufbauen. Es genügt nicht, zuglauben, daß Gott uns durch alle Arten von Werkzeugen zu Hilfe kom-men kann; wir müssen auch glauben, daß er nicht jene dazu verwendenwill, die er von uns entfernt, wohl aber jene gebrauchen will, die uns nahesind. Solange ich dort war, hätte ich dies gern getan; aber jetzt ist es wohlnicht mehr angebracht.

Weiter scheint mir, daß Sie den Kern Ihres Übels getroffen haben,wenn Sie mir sagen, es sei Ihrer Meinung nach eine Menge von Wün-schen, die niemals erfüllt werden könnten. Das ist zweifellos eine Versu-

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chung, die der vorher besprochenen gleichzusetzen ist; sie ist sogar diealles umfassende, von der die andere nur ein Teil ist. Eine Vielfalt vonSpeisen belastet immer den Magen, wenn es sich um große Mengen han-delt; ist dieser aber schwach, richtet sie ihn zugrunde. Wenn eine Seeledie Begierlichkeit aufgegeben und sich freigemacht hat von schlechtenund weltlichen Zuneigungen und nun geistlichen und heiligen Dingenbegegnet, wird sie – weil völlig ausgehungert – von soviel Wünschenerfüllt und zwar mit solcher Heftigkeit, daß sie davon überwältigt wird.Bitten Sie Unseren Herrn und die geistlichen Väter Ihrer Umgebung umAbhilfe; denn jene, die Ihr Übel gleichsam mit den Händen greifen kön-nen, werden wohl wissen, welche Mittel man dagegen anwenden muß.Dennoch will ich Ihnen ganz offen sagen, was mir in dieser Hinsicht dasRichtige zu sein scheint.

Wenn Sie nicht beginnen, einige dieser Wünsche auszuführen, werdensie immer zahlreicher werden und sich mit Ihrem Geist derart verwickeln,daß Sie nicht mehr wissen werden, wie Sie davon herausfinden können. Esmuß zu Taten kommen. Aber in welcher Reihenfolge? Man muß mit greif-baren und äußerlichen Taten beginnen, die am meisten in unserer Machtliegen; z. B. dürfen Sie den Wunsch nicht zurückstellen, den Kranken ausLiebe zu unserem Heiland zu dienen oder aus Demut irgendwelche nied-rige und verachtete Dienste im Haus zu leisten; das sind grundlegendeWünsche und ohne diese sind alle anderen verdächtig und gering zu schät-zen. Bemühen Sie sich also sehr, diese Wünsche in die Tat umzusetzen,denn es wird Ihnen hierfür weder an Gelegenheit noch an entsprechendenGegenständen fehlen. Das liegt gänzlich in Ihrer Macht und daher müssenSie dies auch ausführen; denn Sie machen ganz vergeblich Pläne, Dingedurchzuführen, die nicht in Ihrer Macht liegen oder weit entfernt sind,wenn Sie jene nicht durchführen, die Ihnen zu Gebote stehen. Verwirkli-chen Sie daher gewissenhaft die kleinen und größeren Wünsche nach Näch-stenliebe, Demut und anderen Tugenden und Sie werden sehen, wie Ihnendas gut tut. Magdalena mußte zuerst die Füße Unseres Herrn waschen,küssen und abtrocknen (Lk 7,37.38), bevor sie dem Geheimnis seinerRede von Herz zu Herz lauschen konnte (Lk 10,39); und sie mußte erstSalböl über seinen Leib gießen, bevor sie den Balsam ihrer Betrachtungenüber seine Gottheit verbreiten durfte.

Es ist gut, viel zu wünschen; aber man muß Ordnung in seine Wünschehineinbringen und sie in die Tat umsetzen, jeden zu seiner Zeit und nachseinem Können. Man hindert Weinstöcke und Bäume daran, Blätter zutreiben, damit deren Feuchtigkeit und Saft nachher ausreiche, um Frucht

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hervorzubringen, und sich ihre natürliche Kraft nicht in einem zu reich-lichen Sprießen von Blättern erschöpfe. Es ist daher gut, eine solcheVielfalt von Wünschen zu verhindern. Es wäre ja zu fürchten, daß unsereSeele damit herumspielt und die Sorge um die Verwirklichung dieserWünsche fallen läßt, während doch gewöhnlich die geringste Ausfüh-rung derselben nützlicher ist als große Wünsche nach Dingen, für die wirnicht das Können besitzen. Gott wünscht doch von uns mehr Treue beiden kleinen Dingen, die er in unsere Macht legt, als Eifer für große Din-ge, die nicht von uns abhängen.

Unser Heiland vergleicht die nach Vollkommenheit strebende Seelemit einer gebärenden Frau (Joh 16,21,22). Wenn aber tatsächlich einegebärende Frau zwei oder mehrere Kinder gleichzeitig, und zwar beidegemeinsam zur Welt bringen wollte, könnte sie dies nicht tun, ohne zusterben; die Kinder müssen eines nach dem anderen zur Welt kommen.Lassen Sie daher auch die Kinder Ihrer Seele, das sind die Wünsche nachdem Dienst Gottes, einen nach dem anderen ans Licht treten und Siewerden eine große Erleichterung verspüren.

Schließlich aber, wenn Sie durch diese Mittel keine Ruhe finden, ha-ben Sie Geduld; warten Sie, bis die Sonne aufgegangen ist, dann wird siediese Nebel zerstreuen. Haben Sie guten Mut: „Diese Krankheit führtnicht zum Tod, sondern dient zur Verherrlichung Gottes“ (Joh 11,4).Tun Sie es jenen gleich, die auf dem Meer Übelkeit und Magenbeschwer-den spüren, denn nachdem sie ihren Geist und Körper durch das ganzeSchiff gejagt haben, um Erleichterung zu finden, klammern sie sichschließlich an den Schiffsbalken und Mast und halten ihn fest umschlun-gen, um sich gegen den Schwindel im Kopf zu sichern, unter dem sieleiden. Gewiß, ihre Erleichterung ist kurz und ungewiß; wenn Sie abermit Demut den Fuß des Kreuzes umfassen, werden Sie – wenn Sie schonkeine andere Hilfe daran finden – zumindest dort die Geduld annehm-barer finden als anderswo und die Unrast erträglicher.

Ich habe Ihnen einiges sagen wollen, mehr um Ihnen meinen Wunschnach Ihrem Wohl zu bezeugen, als im Gedanken, ich wäre imstande,Ihnen dabei zu dienen. Zweifeln Sie übrigens nie daran, daß ich Siediesem Vater des Lichtes (Jak 1,17) empfehle; ich tue es mit festemWillen und Bestreben, da ich zu meinem Trost auch glaube, Sie erweisenmir treu den gleichen Dienst, dessen ich in Wahrheit sehr bedarf, da ichan dem stürmischsten und bewegtesten Ort des ganzen Meeres der Kir-che ausgesetzt wurde.

Ich vergesse keineswegs auf die gute Schwester Anne Seguier,7 die ich

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in Jesus Christus von Herzen lieb habe. Gott möge ihr Beschützer seinbei ihrem Austritt. Ich lege sie Ihnen ans Herz, wenn sie bei ihrem Vatersein wird, denn sie wird nicht anderswo sein. Sie wird vielleicht bei ih-rem Vater nicht ein anderes Kloster finden, wie Sie es bei dem Ihrengefunden haben; dennoch hoffe ich, daß Gott sie seinen Weg führen undvollkommen werden läßt (Gen 17,1), denn ich habe Vertrauen auf dieBarmherzigkeit Gottes, die auch daraus alles zum Besseren werden läßt.

Ich schließe den Brief und bitte Sie, fortzufahren in dem Entschluß,den Sie in der Mitte Ihres Briefes gefaßt haben, als Sie sagten: „Ich be-teuere vor Gott und vor Ihnen, daß ich nur ihm gehören und nur ihmdienen will. Amen.“ Das ist würdig und gerecht, denn auch er will vonIhnen nur Sie selbst. Ich bin unbeirrbar und von ganzem Herzen, gnädi-ges Fräulein, meine sehr liebe Tochter in Jesus Christus, Ihr Ihnen sehrzugetaner Diener in eben diesem Heiland.

XII, 202-206 (190) Annecy, 22. Juli 1603.Gnädiges Fräulein!

Durch meinen Bruder erhielt ich einen Ihrer Briefe und ich preiseGott dafür, daß er Ihrem Geist einiges Licht zuteil werden ließ. Wenn ernoch nicht völlig gelöst ist, so darf uns dies nicht wundern. GeistigeFieber haben ebenso wie körperliche gewöhnlich mancherlei Nachwir-kungen zur Folge, die dem Genesenden aus mehrfachen Gründen zumNutzen gereichen. Besonders saugen sie die Rückstände der am Aus-bruch der Krankheit schuldtragenden Säfte auf, so daß gar nichts mehrdavon übrig bleibt. Außerdem ruft uns dies das überstandene Übel insGedächtnis zurück, sodaß wir einen Rückfall fürchten lernen. Wir wür-den zuviel Gehenlassen und Leichtfertigkeit an den Tag legen, wenn unsnicht die Nachwirkungen wie Drohungen am Zügel hielten, damit wiruns in acht nehmen, bis unsere Gesundheit wieder gut gefestigt ist.

Meine gute Tochter, da Sie nun diesen schrecklichen Prüfungen, durchdie Sie gehen mußten, halb entronnen sind, scheint es mir, daß Sie sichnun ein wenig Ruhe gönnen und sich damit beschäftigen sollen, die Ei-telkeit des menschlichen Geistes zu betrachten, wie sehr er Verwicklun-gen und Verwirrungen in sich selbst ausgesetzt ist. Denn ich bin sicher,daß Sie schnell bemerken werden, wie sehr die inneren Drangsale, dieSie erlitten haben, durch eine Vielzahl von Erwägungen und Wünschenhervorgerufen wurden, die mit Übereifer eine gewisse eingebildete Voll-kommenheit zu erlangen trachteten. Ich will damit sagen, daß Ihre Ein-

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bildungskraft Ihnen eine Idee absoluter Vollkommenheit vorgespiegelthatte, die Ihr Wille zu erringen strebte; entsetzt jedoch über die großeSchwierigkeit oder vielmehr Unmöglichkeit, dies zu erreichen, bliebIhre Einbildungskraft schwer erkrankt, da sie schwanger dieses Kindeswar, das sie nicht zur Welt bringen konnte (2 Kön 19,3). Dies veranlaßtSie wiederum, Ihre unnützen Wünsche zu vervielfachen, die gleich Hum-meln und Hornissen den Honig des Bienenstocks aufzehrten, währenddie wahren und guten Wünsche ausgehungert blieben, da alle Freudeihnen versagt war. Kommen Sie also jetzt erst einmal zu Atem, schöpfenSie frische Luft und lenken Sie durch die Betrachtung der Gefahren,denen Sie entronnen sind, jene Gefahren ab, die danach kommen könn-ten. Sehen Sie alle jene Wünsche für verdächtig an, die nach dem allge-meinen Empfinden gutmeinender Menschen nicht in die Tat umgesetztwerden können: so etwa die Wünsche nach einer gewissen christlichenVollkommenheit, die zwar der Einbildung vorschweben, aber nicht ver-wirklicht werden kann und über die viele zwar Vorlesungen halten, kei-ner aber ihre Taten vollbringt.

Sie müssen wissen, daß die Tugend der Geduld uns den höchsten Gradan Vollkommenheit gewährleistet (Jak 1,4), und wenn wir mit den ande-ren Geduld haben müssen, so müssen wir sie auch mit uns selbst haben.Die sich nach reiner Gottesliebe sehnen, bedürfen nicht so sehr der Ge-duld mit den anderen als mit sich selbst. Wir müssen unsere eigene Un-vollkommenheit erdulden, um vollkommen zu werden; ich sage, wirmüssen sie mit Geduld ertragen, nicht aber sie lieben und hegen; dieDemut wird an solchem Erdulden stark.

Wir müssen die Wahrheit bekennen, daß wir arme Menschen sind, diekaum etwas Gutes zustande bringen. Der unendlich gute Gott aber be-gnügt sich mit unseren kleinen Diensten und nimmt die Bereitschaftunseres Herzens gnädig an.

Was heißt das: Bereitschaft unseres Herzens? Nach der Heiligen Schrift(1 Joh 3,20) ist Gott größer als unser Herz und unser Herz größer als dieganze Welt. Wenn nun unser Herz in seiner Betrachtung sich für denDienst bereitet, den es Gott leisten soll, d. h. wenn es plant, Gott zudienen, ihn zu ehren, dem Nächsten zu dienen, die äußeren und innerenSinne abzutöten, und ähnliche gute Vorsätze faßt, wird es zu dieser ZeitWunderbares tun; es trifft seine Vorbereitungen und plant seine Hand-lungen in einem hervorragenden Grad an bewundernswerter Vollkom-menheit. Dennoch steht alle diese Vorbereitung in keinem Verhältniszur Größe Gottes, der unendlich größer ist als unser Herz; aber auch

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diese Vorbereitung ist gewöhnlich größer als die Welt, als unsere Kräfte,als unsere äußeren Handlungen.

Ein Geist, der die Größe Gottes, seine unermeßliche Güte und Würdebetrachtet, kann sich nicht an seinen eigenen großen und wunderbarenVorbereitungen berauschen. Er bereitet ihm ein ohne Auflehnung abge-tötetes Fleisch vor, Aufmerksamkeit im Gebet ohne Zerstreuung, Lie-benswürdigkeit im Umgang ohne Bitterkeit, Demut ohne Eitelkeitsre-gungen. All das ist recht gut, es sind gute Vorbereitungen; dennoch be-darf es mehr, um Gott entsprechend unserer Schuldigkeit zu dienen.Aber darüber hinaus müssen wir sehen, wer es tut; denn wenn es ansHandeln geht, bleiben wir stecken und sehen, daß diese Vollkommen-heiten in uns nicht so groß und absolut sein können. Man kann seinFleisch abtöten, aber nie so vollständig, daß sich nicht irgendetwas inuns dagegen auflehnen würde; unsere Andacht wird oft von Zerstreuun-gen abgelenkt werden, und noch manches andere.

Sollen wir deshalb nun in Unruhe oder Verwirrung geraten, hastig wer-den oder uns betrüben? Nein, gewiß nicht. Bedürfen wir als Ansporn, zudiesem Anzeichen der Vollkommenheit zu gelangen, einer Menge vonWünschen? Nein, wahrlich nicht. Wir können wohl einfache Wünschehegen, die unsere Dankbarkeit bezeugen; ich kann schon sagen: „Ach,warum bin ich nicht so eiferglühend wie die Serafim, um meinem Gottbesser zu dienen und ihn besser zu preisen!“ Aber ich darf mich auf solcheWünsche nicht versteifen, als ob ich in dieser Welt eine solch erleseneVollkommenheit erreichen sollte, indem ich sage: „Das wünsche ich, daswill ich versuchen, und wenn ich es nicht zustande bringe, werde ich michärgern.“ Ich will damit nicht sagen, daß wir uns nicht auf den Weg nachdiesem Ziel machen sollen; aber wir dürfen nicht trachten, eines Tages,d.h. an einem Tag unseres sterblichen Lebens dahin zu gelangen, denn einsolcher Wunsch würde uns quälen und für nichts und wieder nichts. Umgut weiterzukommen, müssen wir den Weg einschlagen, der uns am näch-sten liegt, und die erste Tagesreise einmal in Angriff nehmen, nicht uns mitWünschen aufhalten, die letzte Tagesreise hinter uns zu bringen, währendwir die erste zurücklegen und erledigen müssen.

Ich will Ihnen etwas sagen, aber behalten Sie es gut: Wir bemühen unsmanchmal so sehr, gute Engel zu werden, daß wir es unterlassen, guteMänner und Frauen zu sein. Unsere Unvollkommenheit muß uns biszum Grab begleiten. Wir können nicht gehen, ohne die Erde zu berüh-ren; wir dürfen uns nicht auf die Erde hinlegen oder uns dort wälzen,aber wir dürfen auch nicht ans Fliegen denken; denn wir sind erst kleine

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Kücken, die noch keine Flügel haben. Wir sterben kleinweise ab; wirmüssen auch unsere Unvollkommenheiten Tag für Tag mit uns sterbenlassen. Teure Unvollkommenheiten, die uns unser Elend erkennen las-sen, die uns in der Verachtung unser selbst, in der Demut, Geduld und imEifer üben, ungeachtet derer Gott die Bereitschaft unseres Herzens sieht,die vollkommen ist.

Ich weiß nicht, ob es Ihnen gelegen scheint; es ist mir aber in den Sinngekommen, Ihnen das zu sagen, da ich der Meinung bin, daß Ihr über-standenes Übel Ihnen zum Teil deshalb zugestoßen ist, weil Sie großeVorbereitungen getroffen haben; und da Sie sahen, daß die Auswirkun-gen recht klein und die Kräfte ungenügend waren, um diese Wünsche,Pläne und Ideen in die Tat umzusetzen, empfanden Sie solch herzbe-klemmende Gefühle, Ungeduld, Unruhe und Verwirrung; und diesenfolgten dann Mißtrauen, Erschlaffung, Erniedrigung oder Versagen desHerzens. Wenn dies nun so ist, seien Sie nun im nachhinein recht vor-sichtig.

Gehen wir hübsch auf dem Land, da die hohe See uns Schwindel imKopf und Übelkeit verursacht. Halten wir uns zu Füßen unseres Heilandsmit der hl. Magdalena (Lk 10,39), deren Fest wir heute feiern; üben wirgewisse, unserer eigenen Kleinheit entsprechende kleine Tugenden. Las-sen wir uns nicht in Dinge ein, die über unser Vermögen gehen. Diesekleinen Tugenden werden mehr im Herabsteigen als im Emporsteigengeübt und sind daher der Kraft unserer Beine angepaßt: Geduld haben,den Nächsten ertragen, Hilfsbereitschaft, Demut, ein freundlicher Mut,Liebenswürdigkeit, Duldsamkeit unserer eigenen Unvollkommenheit ge-genüber, solche kleine Tugenden also. Ich sage damit nicht, daß man imGebet nicht emporsteigen soll, aber Schritt für Schritt.

Ich empfehle Ihnen die heilige Einfachheit. Schauen Sie auf den Wegvor sich und nicht auf die in weiter Ferne drohenden Gefahren, wie Siemir geschrieben haben. Es scheinen Ihnen ganze Armeen zu sein; es sinddoch nur zugestutzte Weiden. Während Sie auf sie schauen, könnten Sieleicht einen Fehltritt tun. Wir wollen nur die feste und allgemeine Ab-sicht haben, Gott von ganzem Herzen und mit unserem ganzen Leben zudienen.

Haben Sie doch keine Sorge um das Morgen (Mt 6,34); denken wir nurdaran, das Heute gut zu machen; und wenn der morgige Tag kommt,heißt auch er wieder heute und dann werden wir an ihn denken. Auchdarin müssen wir großes Vertrauen und große Hingabe an die VorsehungGottes haben. Wir sollen Vorräte an Manna nur für einen Tag und nicht

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für länger anlegen (Ex 16,16-21); und zweifeln wir doch nicht daran,Gott wird morgen und übermorgen und alle Tage unserer irdischen Wan-derschaft neues Manna regnen lassen.

Ich billige durchaus den Rat des Pater N., daß Sie einen Seelenführerhaben sollen, in dessen Hände Sie in aller Ruhe Ihren Geist bergen kön-nen. Das wird Ihr Glück sein, wenn Sie nichts anderes haben als dengütigen Jesus, der nicht will, daß wir die Führung seiner Diener gering-achten, wenn wir sie haben können, der uns aber auch alles ersetzen wird,wenn sie uns fehlt. Aber nur in diesem äußersten Fall, wenn es für Sieeintreten sollte, werden Sie dies in Erfahrung bringen.

Was ich Ihnen schrieb, soll Sie nicht abhalten, sich mir brieflich mit-zuteilen und mir von Ihrer Seele zu schreiben, die mir teuer und lieb ist,wohl aber soll es den Überschwang Ihres Vertrauens zu mir dämpfen, daich doch durch mein Unvermögen und Ihr Fernsein Ihnen nur rechtwenig von Nutzen sein kann, wenn ich Ihnen auch in Jesus Christus sehrzugetan und zugeneigt bin. Schreiben Sie mir also voll Vertrauen undzweifeln Sie nie daran, daß ich Ihnen treu antworten werde. Das Ge-wünschte habe ich zuunterst in den Brief hineingelegt, damit es nur fürSie allein bestimmt sei.

Beten Sie bitte recht für mich; Sie können nicht glauben, wie sehrbedrängt und erdrückt ich bin unter diesem so großen und schwierigenAmt. Sie schulden mir diesen Liebesdienst entsprechend den Regelnunseres Bündnisses und weil ich meinerseits stets Ihrer vor dem Altarund in meinen schwachen Gebeten gedenke. Gepriesen sei Unser Herr.Ich flehe ihn an, daß er Ihr Herz, Ihre Seele, Ihr Leben sei, und bin IhrDiener.

AN FRAU VON LIMOJON.

XIII, 58-60 (291) Annecy, 28. Juni 1605.Gnädige Frau!

Ich hatte keine Veranlassung, die Bitte des Herrn Mondon abzuwei-sen, da sie nicht nur etwas Gutes, eine Wohltat zum Gegenstand hatte,sondern mir auch Gutes, nämlich Briefe von Ihnen, und zwar Briefe mitguten Nachrichten gebracht hat.

Ja wirklich, gnädige Frau, wir müssen ganz ruhig darangehen, Über-flüssiges und Weltliches aus unserem Leben zu streichen. Sehen Sie nicht,

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daß man die Weinstöcke nicht mit Beilen ausästet, sondern sie behut-sam, Rebe um Rebe, mit dem Gartenmesser zurückschneidet? Ich habeeinst ein Bildwerk gesehen, an dem der Meister zehn Jahre lang gearbei-tet hat, bevor es vollendet war, und er hat nie aufgehört, mit Meißel undStichel kleinweise alles von ihm wegzunehmen, was die richtige Propor-tion störte. Nein, es ist zweifellos nicht möglich, an einem Tag dahin zukommen, wonach Sie streben: Sie müssen erst einmal diesen Punkt er-reichen, morgen einen anderen. Nur Schritt für Schritt können wir Herrüber uns selbst werden, was keine kleine Eroberung ist.

Ich bitte Sie, fahren Sie mutig und ehrlich in diesem heiligen Bestrebenfort, von dem aller Trost in Ihrer Sterbestunde, alle wahre Schönheit desgegenwärtigen und alle Sicherheit des künftigen Lebens abhängt. Ich weiß,das Unterfangen ist groß, größer aber der Lohn. Es gibt nichts, das einehochherzige, entschlossene Seele nicht mit Hilfe des Beistandes ihresSchöpfers tun könnte (Phil 4,13). Und, mein Gott, wie glücklich werdenSie sein, wenn Sie sich mitten in der Welt Jesus Christus in Ihrem Herzenbewahren! Ich flehe ihn an, er möge darin auf ewig leben und herrschen.

Denken Sie an seine Hauptlehre, die er uns in drei Worten hinterlassenhat, damit wir sie niemals vergessen und hundertmal am Tag wiederho-len können: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig vonHerzen“ (Mt 11,29). Das ist eigentlich alles, ein sanftmütiges Herz sei-nem Nächsten gegenüber und ein demütiges Herz Gott gegenüber zuhaben. Schenken Sie jeden Augenblick dieses Herz unserem Heiland,lassen Sie dies das Herz Ihres Herzens sein. Dann werden Sie sehen, indem Maße, als dieser heilige und zartfühlende Liebende in Ihrem GeistRaum gewinnt, wird die Welt, ihre Eitelkeit und Überflüssigkeit darausverschwinden.

Ich habe es Ihnen schon gesagt, gnädige Frau, und ich schreibe es Ihnennun: ich will keine fantastische, mürrische, melancholische, verärgerteund kopfhängerische Frömmigkeit; wohl aber eine sanftmütige, freundli-che, angenehme, friedliche – mit einem Wort eine ganz aufrichtige Fröm-migkeit, die von Gott zuerst und dann von den Menschen geliebt wird.

Das ist schon zuviel für dieses Mal und bei der geringen Zeit, die ichhabe. Ich muß Ihnen nur noch eine Frage beantworten, nämlich, wie Siemir in Hinkunft schreiben sollen. Wissen Sie wie, gnädige Frau? Schrei-ben Sie mir ganz frei, aufrichtig und unbefangen. Ich brauche Ihnendarüber nichts anderes sagen, als daß Sie am Briefanfang kein Monsei-gneur setzen sollen, weder abgekürzt, noch anderswie; es genügt, Herr ...voranzusetzen. Das hat seinen Grund. Ich bin kein Mensch des Zeremo-

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niells und ich liebe und achte Sie von ganzem Herzen aus vielerlei Grün-den, vor allem aber, weil ich hoffe, daß der Herr Sie ganz für sich habenwill. Seien Sie die Seine, gnädige Frau, seien Sie es, bitte. Halten Sie festund erinnern Sie sich, was ich Ihnen gesagt habe: bringen Sie jeden Au-genblick Ihr Herz Gott dar, schenken Sie es ihm, sehnen Sie sich nachihm, machen Sie Ihre Frömmigkeit den anderen, vor allem aber IhremHerrn Gemahl anziehend und leben Sie freudig deshalb, weil Sie dieseLebensweise eingeschlagen haben.

Ich bitte Gott immerdar, er möge Sie mit seiner heiligen Hand halten;erweisen Sie mir den gleichen Liebesdienst und verrichten Sie einigekurze Gebete zu Füßen des Kreuzes für meine Seele, die ganz dem Dienstder Ihren und allem gewidmet ist, was ihnen am teuersten ist. Ich bin,gnädige Frau ...

XIII, 90-91 (307) Annecy, 7. September 1605.Gnädige Frau!

Ich habe Ihren Boten sehr rasch fortgeschickt. Weil ich mittags Predi-gen soll, will ich Ihnen nur sagen, daß es mir immer eine rechte Freudeist, Briefe von Ihnen zu erhalten; um so mehr einen solchen Brief, dermir so sicher die Gewißheit schenkt, daß Ihr Herz ganz fest zu seinemVorhaben steht, Gott im Streben nach echter Frömmigkeit zu dienen.

Fahren Sie damit fort, liebe gnädige Frau, fahren Sie damit fort, freudigin dieser Richtung vorwärts zu schreiten, wo Sie am Ende die glückhafteRuhe Ihrer Seele finden werden. Denken Sie daran, daß Gott nicht wiealles andere ist: er ist jederzeit und zu allen gut. Sie werden ihn überall zuIhrem Beistand und Trost finden; darum dürfen Sie die Suche nach ei-nem so großen Gut nie aufgeben. Trachten Sie ständig danach durchkurze, aber innige Erhebungen Ihres Geistes zu seiner heiligen Liebe,wovon ich Ihnen oft gesprochen habe.

Ich danke Ihnen, daß Sie meiner Armseligkeit vor Unserem Herrngedachten, um sie seiner Barmherzigkeit zu empfehlen. Tun Sie es bitteimmer; Sie sollen wissen, daß ich niemals am Altar den himmlischenSohn seinem Vater darbringe, ohne auch jedesmal Ihr Herz seiner göttli-chen Majestät darzubringen, damit sie es mit ihren teuersten Segnungenbedenke. Ich kann Sie in dieser Hinsicht nicht vergessen, ebensowenigwie mich selbst, der ich mit tausend Empfehlungen an Ihren Herrn Ge-mahl und Ihr eigenes Wohlwollen Ihr Ihnen in Unserem Herrn sehrzugeneigter Diener bin.

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AN UNBEKANNTE.

XII, 177 (179) Annecy, 13. März 1603.Verehrte Frau Tante!

Wenn ich nicht wüßte, daß Ihre Tugend Ihnen die nötigen Tröstungenund Entschlüsse verleihen kann, damit Sie den erlittenen Verlust mitchristlichem Mut ertragen, würde ich mit diesem Brief versuchen, Ihneneinige Gründe zu Ihrem Trost darzulegen; ja, wenn nötig, würde ich Ih-nen dieselben selbst überbringen.

Ich meine aber, daß Sie soviel Gottesliebe und Gottesfurcht haben,daß Sie sich – sein Wohlgefallen und seinen heiligen Willen erkennend– dareinfügen und Ihren Kummer dämpfen in Betrachtung des Bösendieser Welt. Diese ist doch so armselig, daß wir – wäre nicht unsereSchwachheit – Gott vielmehr dafür preisen sollten, wenn er unsere Freun-de von dieser Welt fortnimmt, als daß wir uns darob betrüben.

Schließlich müssen wir doch alle, die einen nach den anderen, entspre-chend der bestehenden Ordnung diese Welt verlassen. Die uns Vorausge-gangenen sind da nur besser daran, wenn sie in Sorge um ihr Heil und ihreSeele gelebt haben, wie dies mein Herr Onkel und Verwandter getan hat.Sein Verhalten war so liebevoll und wertvoll für alle seine Freunde, daßwir, die wir zu seinen nächststehenden Familienangehörigen und Freun-den gehörten, nicht verhindern können, über die nunmehr erfolgte Tren-nung tiefen Schmerz zu empfinden. Dieser Schmerz ist uns nicht verboten,wenn wir ihn mäßigen durch die Hoffnung, daß wir ja nicht getrennt blei-ben, sondern ihm in kurzer Zeit in den Himmel, dem Ort unserer Ruhe,folgen werden, wenn Gott uns die Gnade dazu schenkt. Dort werden wirdie guten und christlichen Freundschaften, die wir in dieser Welt ja nuranknüpfen konnten, vollenden und ständig weiter vervollkommnen. DieseGrundgesinnung verlangen unsere verstorbenen Freunde von uns und ichbitte Sie auch, diese aufrechtzuhalten und maßlose Traurigkeit jenen zuüberlassen, die keine solchen Hoffnungen hegen.

Indessen liegt mir, verehrte Frau Tante, die Erinnerung an unserenteuren Verstorbenen und der Dienst Ihnen gegenüber so sehr am Her-zen, daß Sie meine Verpflichtung hierzu überaus steigern würden, wennSie mir die Ehre erwiesen, mit allem Freimut über mich zu verfügen undsich vertrauensvoll meiner zu bedienen. Tun Sie das, ich bitte Sie vonHerzen, und ich bitte auch unseren Herrn, er möge seine heiligen Trö-

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stungen in Ihnen mehren und Sie mit den Gnaden überhäufen, die ichIhnen wünsche, verehrte Frau Tante, als Ihr demütiger Neffe und Ihnenliebevoll ergebener Diener.

XIII, 320-322 (414) Annecy, 27. September 1607.Gnädige Frau!

Sie brauchen niemals Entschuldigungen oder Förmlichkeiten vorbrin-gen, wenn Sie mir schreiben, denn Ihre Briefe sind mir eine rechte Freu-de in Unserem Herrn, um dessentwillen ich Sie aufrichtig liebe.

Ich sehe, daß Sie Befürchtungen für das Leben im Schloß haben, weilSie der Möglichkeiten beraubt sein werden, Gott zu dienen, die Sie durchden häufigen Besuch des Jesuitenkollegs hatten. Ich bin über diese Ge-sinnung gewiß erfreut, aber Sie dürfen deshalb nicht den Mut verlieren.Wenn Sie auch nicht mehr soviel äußere Hilfe haben, aber doch IhrenWunsch und Entschluß stets lebendig und fest in Ihrer Seele bewahren,Gott ganz zu gehören, dann wird Sie der Heilige Geist durch seinenhimmlischen Beistand trösten. Dieser wird Sie entschädigen für dieÜbungen, die Sie nun unterlassen, denn Sie unterlassen sie ja nur zurEhre und zum Ruhm eben dieser göttlichen Güte.

Ich denke, daß Ihnen Kommunionen erlaubt werden, denn ich sehenicht, daß Ihnen dies verwehrt werden könnte. Sie werden gewiß jedenTag eine halbe Stunde für Ihr innerliches Gebet haben können, nebenden offiziellen Gebeten mit der gnädigen Frau. Damit können Sie sichruhig zufriedengeben. Den Mangel an anderen Übungen können Sie aus-gleichen durch häufige und innige Stoßgebete oder Erhebungen des Geis-tes zu Gott; die Predigten können Sie ersetzen durch fromme und auf-merksame Lesung guter Bücher.

Im übrigen wird Ihnen das Leben als Untergebene und in Gesellschafttausenderlei Möglichkeiten geben, sich viel zu überwinden und IhrenEigenwillen zu brechen. Es ist kein geringes Mittel zur Vollkommen-heit, wenn Sie demütigen und sanftmütigen Herzens davon Gebrauchmachen. Das sollen Ihre beiden Lieblingstugenden sein, da Unser Herrsie so sehr empfohlen hat (Mt 11,29). Die dritte Tugend ist eine großeHerzensreinheit (Mt 5,8) und die vierte eine große Aufrichtigkeit inIhren Worten, vor allem bei Ihren Beichten. Keine Gesellschaften, keineVerpflichtungen können Sie daran hindern, oft mit Unserem Herrn, sei-nen Engeln und Heiligen zu sprechen, sich oft in den Straßen seineshimmlischen Jerusalems zu ergehen, den inneren Einsprechungen Jesu

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Christi und Ihres Schutzengels zu lauschen und alle Tage im Geist zukommunizieren. Tun Sie all dies freudigen Herzens; ich bitte in Über-einstimmung mit dem Vertrauen, das Sie in mich setzen, seine göttlicheMajestät, er möge Sie mit den Gnaden seines Heiligen Geistes erfüllenund Sie immer mehr einzig zu der Seinen machen.

Ihr in Unserem Herrn ergebener und sehr zugeneigter ...

XIII, 385-388 (441) (1605-1608)Gnädiges Fräulein!

Vor einiger Zeit erhielt ich einen Ihrer Briefe, der mich sehr freute, daer Zeugnis ablegt für Ihr Vertrauen auf meine Zuneigung, die Ihnen auchganz gehört, woran Sie niemals zweifeln dürfen.

Ich bedaure nur, recht wenig imstande zu sein, Antwort zu geben aufdas, was Sie von mir über die Vorkommnisse in Ihrem innerlichen Ge-bet wissen wollen. Ich weiß, daß Sie sich an einem Ort und in einerGesellschaft befinden, wo Ihnen in dieser Hinsicht nichts fehlen kann;die Liebe aber, die sich gern mitteilt, läßt Sie um meine Meinung fragen,indem Sie mir die Ihre mitteilen. Ich will Ihnen also einiges sagen.

Ihre Unruhe im Gebet, verbunden mit einer großen Hast, etwas zufinden, das Ihren Geist festhalten und befriedigen könnte, genügt allein,Sie daran zu hindern, das zu finden, was Sie suchen. Hand und Augengleiten oft hundertmal über einen Gegenstand, ohne ihn gewahr zu wer-den, wenn man ihn übereifrig sucht.

Aus solch eitler und unnützer Geschäftigkeit kann Ihnen nur Erschöp-fung und Starre Ihrer Seele erwachsen. Ich weiß nicht, welche Mittel Siedagegen anwenden sollen, aber ich denke wohl, daß Sie viel gewinnenwürden, wenn Sie diese Geschäftigkeit verhinderten; denn sie ist eineder größten Verräterinnen, der die Frömmigkeit und wahre Tugend be-gegnen können. Sie erweckt den Anschein, als wollte sie uns für das Guteerwärmen, aber um uns über uns erkalten zu lassen; sie treibt uns nurzum Laufen an, um uns stolpern zu lassen. Darum müssen wir uns über-all vor ihr hüten, besonders aber im Gebet.

Um Ihnen dabei zu helfen, denken Sie daran, daß die Gnaden undGüter des Gebetes nicht Wasser der Erde, sondern des Himmels sind,und daß demgemäß alle unsere Anstrengungen sie nicht erreichen kön-nen, obwohl es wahr ist, daß wir uns darauf mit großem, aber demütigemund ruhigem Eifer vorbereiten sollen. Wir müssen unser Herz dem Him-mel offen halten und den heiligen Tau abwarten.

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Vergessen Sie niemals, beim Gebet diese Erwägung anzustellen. Weilman sich damit Gott nähert und sich in seine Gegenwart aus zwei we-sentlichen Gründen versetzt:

Erstens um Gott Ehre und Huldigung zu erweisen, die wir ihm schul-den, und das kann geschehen, ohne daß er zu uns spricht, noch wir zuihm; denn diese Pflicht erfüllen wir, wenn wir erkennen, daß er unserGott ist und wir seine armseligen Geschöpfe (Ps 95,7), und wenn wir unsim Geist vor ihm niederwerfen und seine Befehle erwarten. WievieleHöflinge gibt es doch, die hunderte Mal in der Gegenwart des Königserscheinen, nicht um ihn zu sprechen oder um ihn zu hören, sonderneinfach deshalb, damit sie von ihm gesehen werden und durch dieseAufmerksamkeit bezeugen, daß sie seine Diener sind? Und diese Ab-sicht, zu Gott zu kommen, nur um unseren Willen und unser Bekenntniszu seinem Dienst zu bezeugen und zu beteuern, ist vorzüglich, ganz hei-lig und ganz rein und folglich von sehr großer Vollkommenheit.

Der zweite Grund, warum man zu Gott kommt, ist, um mit ihm zusprechen und ihn durch seine Eingebungen und inneren Regungen zuuns sprechen zu hören; gewöhnlich geschieht dies mit einer ganz innigenFreude, weil es ein großes Geschenk für uns ist, zu einem so großenHerrn sprechen zu dürfen, und weil er durch seine Antwort tausendfacheWohlgerüche köstlicher Salben verbreitet, die in der Seele ein großesWohlgefallen auslösen.

Eines dieser beiden Güter, gnädiges Fräulein, meine gute Tochter (daSie wollen, daß ich Sie so nenne), wird Ihnen also im Gebet niemalsfehlen. Wenn wir zu Unserem Herrn sprechen können, dann sprechenwir; preisen wir ihn, bitten wir ihn, hören wir ihn an. Wenn wir nichtsprechen können, weil wir heiser sind, dann sollen wir doch im Zimmerbleiben und ihm huldigen; er wird uns dabei sehen, unsere Geduld gut-heißen und unser Schweigen günstig aufnehmen. Ein anderes Mal wer-den wir dann ganz überrascht sein, wenn er uns an der Hand nimmt, mituns sprechen will und sich in den Wandelgängen seines Gebetsgartenshunderte Mal mit uns ergehen wird. Und würde er es niemals tun, begnü-gen wir uns damit, daß es unsere Pflicht ist, seinem Gefolge anzugehö-ren, und daß es eine große Gnade und zu große Ehre für uns ist, daß eruns in seiner Gegenwart duldet. So werden wir uns nicht überhasten, umihn zu sprechen, da uns doch die andere Möglichkeit, bei ihm zu sein,nicht weniger, sondern vielleicht noch viel mehr nützlich ist, mag esauch unserem Gefühl nach etwas weniger angenehm sein.

Wenn Sie also zu Unserem Herrn kommen, sprechen Sie zu ihm, wenn

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Sie können; können Sie dies nicht, dann bleiben Sie dort, lassen Sie sichsehen und bekümmern Sie sich nicht um etwas anderes. Das ist meinRat; ich weiß nicht, ob er gut sein wird, aber das macht mir keine Sorge,denn Sie befinden sich, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, an einem Ort,wo Ihnen viel bessere Ratschläge nicht fehlen können.

Was Ihre Befürchtung betrifft, Ihr Vater könnte Sie dadurch vomWunsch abbringen, Karmelitin zu werden, daß er die Erfüllung IhresWunsches zu weit hinausschiebt, so sagen Sie nur zu Gott: Herr, all meinSehnen liegt vor Dir! (Ps 38,10), und lassen Sie ihn handeln. Er wird dasHerz Ihres Vaters in seine Hände nehmen und zu seiner Ehre und IhremNutzen wenden. Hegen Sie indessen Ihren guten Wunsch weiter undlassen Sie ihn unter der Asche der Demut und Ergebenheit in GottesWillen weiter leben.

Meine Gebete, um die Sie mich bitten, fehlen Ihnen nicht, denn ichkönnte Sie gar nicht vergessen, vor allem nicht bei der heiligen Messe.Ich vertraue auf Ihre Liebe, daß auch Sie mich in Ihren Gebeten nichtvergessen ...

AN DEN PRÄSIDENTEN BÉNIGNE FRÉMYOT

XII, 326-332 (230) Sales, 7. Oktober 1604.Verehrter Herr!

Die Nächstenliebe gibt ebenso leicht gute Eindrücke vom Nächsten,als sie solche empfängt. Gesellt sich aber zu dieser allgemeinen Neigungnoch die einer besonderen Freundschaft, so wird diese Leichtigkeit überalle Maßen groß. Herr von Bourges und Frau von Chantal, Ihre teurenund würdigen Kinder, haben mich zweifellos viel zu gut dargestellt, umSie zu überreden, mir gewogen zu sein; denn aus dem Brief, den Sie,verehrter Herr, mir zu schreiben geruhten, ersehe ich wohl, daß sie michmit leuchtenden Farben geschildert haben, die meine armselige Seeleniemals aufwies. Und Sie, verehrter Herr, waren nicht weniger beherzt,noch, wie ich erkenne, weniger herzlich bereit, ihnen vollen und hochge-muten Glauben zu schenken. „Die Liebe“, sagt der Apostel (1 Kor 13,6.7),„glaubt alles und freut sich am Guten.“ In diesem Punkt haben beidenicht übertrieben, wenn sie sagten, daß ich ihnen alle meine Zuneigungzugewandt habe, die dadurch auch Sie gewonnen haben, da sie Ihnengehören mit allem, was sie haben.

I. Bénigne Frémyot 230

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Erlauben Sie mir, verehrter Herr, daß ich meiner Feder – meinen Ge-danken folgend – freien Lauf lasse, um Ihren Brief zu beantworten. Ichhabe wahrhaftig in Herrn von Bourges8 eine so unbefangene Güte desGeistes wie des Herzens erkannt, daß es mir leicht war, mit ihm diePflichten unseres gemeinsamen Berufes zu besprechen und zwar in allerOffenheit. Da ich nun darauf zurückblickte, wußte ich nicht, wer mehrEinfachheit gezeigt hatte, er im Zuhören oder ich im Sprechen.

Verehrter Herr, die auf Jesus Christus gegründeten Freundschaften sindnicht weniger ehrfurchtsvoll, wenn sie recht einfach und schlicht sind.

Wir haben, der eine mit dem anderen, viele Sachen erledigt; unserWunsch, Gott und seiner Kirche zu dienen, – denn ich bekenne mich zudiesem Wunsch und er könnte es nicht verheimlichen, daß er davon er-füllt ist – hat sich, so scheint es mir, durch diese Begegnung vertieft undbelebt.

Sie wollen aber, verehrter Herr, daß ich diese Unterredung über die-sen Gegenstand brieflich fortsetze. Ich versichere Ihnen, daß ich – selbstwenn ich wollte – mich dessen nicht enthalten könnte. In der Tat schickeich ihm einen Brief von vier Blättern ausschließlich über diese Fragen.Nein, verehrter Herr, ich will nicht mehr in Erwägung ziehen, was ichgeringer bin als er, noch was er mehr ist als ich, und in so vieler Weise.„Amor aequat amantes“, die Liebe macht jene gleich, die einander lie-ben. Ich spreche zu ihm in aller Treue und mit allem Vertrauen, dasmeine Seele zu einer anderen Seele haben kann, die ich zu den offensten,geradesten und stärksten in der Freundschaft zähle. Und was Frau vonChantal betrifft, würde ich lieber nichts als zu wenig über meinen Wunschnach deren ewigem Wohl sagen. Hat Ihnen der Herr Präsident der Fi-nanzkammer, Ihr guter Bruder, nicht auch gesagt, daß er mich recht liebhat? Zumindest sage ich Ihnen schon, daß ich mich dessen ganz sicherweiß. Sogar der kleine Celse-Bénigne und Ihre Aimée9 kennen mich undhaben mir in Ihrem Haus kleine Liebesbezeugungen erwiesen. SehenSie, mein Herr, wie sehr ich der Ihre bin und durch wieviele Bande! Ichmißbrauche Ihre Güte, wenn ich auf so unfeine Art meine Zuneigungoffenbare; wer aber, verehrter Herr, meine Freundschaft herausfordert,der muß wohl fest stehen, denn ich verschone ihn nicht.

Ich muß daher auch gehorchen, wenn Sie mir befehlen, Ihnen die wich-tigsten Ihrer Pflichten zu schreiben. Ich gehorche lieber auf Kosten derZurückhaltung, als daß ich zurückhaltend bin auf Kosten des Gehor-sams. Und dieser Gehorsam fällt mir wirklich ein wenig schwer; aberSie werden ganz richtig urteilen, daß er dafür um so mehr Wert hat. Sie

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überbieten sich an Demut, wenn Sie diese Bitte an mich richten. Warumsoll es mir da nicht erlaubt sein, mich an Einfachheit im Gehorsam zuüberbieten?

Verehrter Herr, ich weiß, daß Sie ein langes und höchst ehrbares Lebengeführt haben und immer treu zur heiligen katholischen Kirche gestandensind; aber schließlich war dies in der Welt und in der Handhabung weltli-cher Geschäfte. Erfahrung und Schriftsteller bezeugen aber etwas Seltsa-mes: ein Pferd, mag es noch so beherzt und stark sein, erstarrt, wenn es aufdie Fährte und Spur eines Wolfes trifft, und kommt aus dem Schritt. Sogeht es auch uns: wenn wir in der Welt leben, – auch wenn wir sie nur mitden Füßen berühren – ist es uns nicht möglich, von ihrem Staub nichtbeschmutzt zu werden. Unsere Vorväter, Abraham und die anderen botengewöhnlich ihren Gästen an, ihre Füße zu waschen (Gen 18,4); ich meine,verehrter Herr, daß wir als erstes viele Anhänglichkeiten von unserer See-le wegwaschen müssen, um den gastlichen Empfang unseres guten Gottesin seinem Paradies erlangen zu können.

Es scheint mir immer, man müßte den Sterblichen bittere Vorwürfemachen, wenn sie sterben, ohne daran gedacht zu haben; umso mehraber jenen, die unser Herr durch das „Geschenk des Alters“ begünstigthat. Jene, die sich rüsten, bevor Alarm gegeben wurde, sind immer bes-ser daran als die anderen, die vor Entsetzen durcheinanderlaufen undnach Panzer, Harnisch und Helm suchen. Wir müssen in aller RuheAbschied von der Welt nehmen und nach und nach unsere Anhänglich-keiten an Geschöpfe abgeben.

Vom Wind entwurzelte Bäume eignen sich nicht für das Versetztwer-den, weil sie ihre Wurzeln in der Erde ließen; wer sie in eine andere Erdeumsetzen will, muß geschickt nach und nach alle Wurzeln, eine nach deranderen, lösen. Und da wir von dieser armseligen Erde versetzt werdensollen in jene der Lebenden (Ps 27,13), müssen wir alle Anhänglichkei-ten, eine nach der anderen, von dieser Welt abziehen und lösen. Ich sagedamit nicht, daß wir alle Bindungen roh zerschlagen müssen, die wirdort eingegangen sind. Es bedürfte wohl großer Anstrengungen dazu;aber wir müssen sie lockern und lösen. Wer plötzlich abreisen muß, istentschuldbar, wenn er von seinen Freunden nicht Abschied genommenhat und in einem schlechten Fahrzeug reisen muß, nicht aber jene, dieden ungefähren Zeitpunkt ihrer Abreise gewußt haben. Wir müssen unsbereit halten (Mt 24,44), nicht, um vor der Zeit fortzugehen, sondern umdiese mit umso größerer Ruhe zu erwarten.

Zu diesem Zweck glaube ich, verehrter Herr, daß Sie außerordentli-

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chen Trost darin finden werden, jeden Tag eine Stunde zu wählen, um vorGott und Ihrem Schutzengel nachzudenken, was Sie für eine glückseligeHeimkehr notwendig haben. Was ist an Ihren Angelegenheiten zu ord-nen, falls dies bald der Fall sein müßte? Ich weiß, daß diese GedankenIhnen nicht neu sein werden; die Art aber, wie Sie diese fassen, soll neusein. Es soll in Gottes Gegenwart geschehen. Es soll eine ruhige Auf-merksamkeit sein, die mehr das Gemüt ergreift, als den Verstand auf-klärt.

Der hl. Hieronymus hat mehr als einmal die Geschichte von der Schu-nemitin Abischag auf die Weisheit alter Menschen bezogen: da sie an derSeite Davids schlief, nicht aus Wollust, sondern nur um ihn zu wärmen(1 Kön 1-4). Philosophische Weisheit und Denkkraft sind oft bei jungenLeuten zu finden, die damit ihren Geist beschäftigen, ohne in ihremGemüt irgendeine gute Regung hervorzurufen. In den Händen der Altenaber soll diese Weisheit nur dazu dienen, ihnen die wahre Wärme derFrömmigkeit zu schenken. – Ich habe Ihre schöne Bibliothek gesehenund genossen: für Ihre geistliche Lesung in dieser Hinsicht nenne ichIhnen den hl. Ambrosius, „De bono mortis“, den hl. Bernhard, „De in-teriori domo“, und einige Homilien des hl. Chrysostomus.

Ihr hl. Bernhard sagt, daß die Seele, die zu Gott gehen will, zuerst dieFüße des Kruzifixes küssen, ihre Affekte läutern und entschlossen seinsoll, sich bewußt nach und nach von der Welt und ihren Eitelkeiten zu-rückzuziehen; dann soll sie seine Hände küssen durch neue Taten alsFolge der Änderung ihrer Affekte und schließlich soll sie ihn auf denMund küssen, indem sie sich mit heißer Liebe mit dieser höchsten Gütevereint. Das ist echtes, allmähliches sich ehrlich Zurückziehen.

Man sagt, daß Alexander der Große, auf hoher See segelnd, als Ersterund Einziger das glückliche Arabien am Duft der aromatischen Hölzerentdeckte; daher sah auch er als Einziger damit sein Ziel. So haben auchjene, die auf das ewige Land hinstreben, wenn sie auch auf der hohen Seeweltlicher Geschäfte dahinkreuzen, eine gewisse Vorahnung des Him-mels, die sie wunderbar belebt und ermutigt; aber man muß vorne stehenund den Blick auf diese Richtung lenken.

Wir sind Gott, dem Vaterland, den Verwandten und Freunden ver-pflichtet. Gott zuerst, dann dem Vaterland; dem himmlischen Vaterlandaber zuerst, dann dem irdischen; danach unseren nahen Verwandten;aber „niemand ist dir so nahe wie du selbst“, sagt unser christlicher Sene-ca, der hl. Bernhard. Und schließlich unseren Freunden; aber sind Sienicht der Erste der Ihrigen? Ich bemerke, daß der hl. Paulus seinem

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Timotheus sagte (1 Tim 4,16; Apg. 20,28): „Achte nur auf dich und dieHerde.“ Er sagt zuerst „auf dich“ und dann „auf die Herde“.

Das ist nun wohl genug, verehrter Herr, wenn nicht zuviel für diesesJahr, das entflieht und vor uns entschwindet und uns in diesen nächstenzwei Monaten die Eitelkeit seiner Dauer sehen lassen wird, wie es allevorangegangenen taten, die nicht mehr da sind. Sie haben von mir ver-langt, daß ich Ihnen alle Jahre etwas Derartiges schreibe: für dieses Jahrnun habe ich Ihren Wunsch erfüllt und bitte Sie hiermit, möglichst vie-len Ihrer weltlichen Neigungen zu entsagen und sie in dem Maße, als siediese ausreißen, in den Himmel zu verpflanzen. Und verzeihen Sie mir,– ich beschwöre Sie bei Ihrer eigenen Demut – wenn meine Offenheit sozügellos war, um Ihnen zu gehorchen, daß ich so lang und freimütig aufein einfaches Gebot hin schrieb, wo ich mir doch Ihrer überaus großenTugendhaftigkeit voll bewußt bin, die mich entweder zum Schweigenoder zu einer stark begrenzten Mäßigung zwingen sollte. Hier sind dieWasser des Heils, verehrter Herr; mögen sie auch den Kinnbacken einesEsels entspringen, wird Simson doch davon trinken (Ri 15,19).

Ich bitte Gott, er möge Ihre Jahre mit seinem Segen überhäufen. Ichbin voll kindlicher Zuneigung, verehrter Herr, Ihr recht demütiger undgehorsamer Diener.

AN FRÄULEIN CLÉMENT

XIII, 244-245 (376) Annecy, 14. Dezember 1606.Gnädiges Fräulein!

Es ist mir immer ein rechter Trost zu wissen, daß Ihr Herz in der Liebezu Unserem Herrn Fortschritte macht, wie Herr von Blussy mir versi-chert hat, obwohl er nur im allgemeinen zu mir davon gesprochen undmir nur Ihren einen Wunsch näher ausgeführt hat, Ordensschwester zuwerden. Der Wunsch ist zweifellos gut, aber Sie dürfen ihm nicht erlau-ben, Sie zu beunruhigen, da Sie ihn im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht indie Tat umsetzen können. Wenn Unser Herr seine Verwirklichung will,wird er ihn durch geeignete Mittel ermöglichen, die er wohl weiß, wiraber noch nicht kennen.

Inzwischen erfüllen Sie die Aufgaben gut, die Sie derzeit vor sich ha-ben, d. h. fahren Sie fort, Ihre geistlichen Übungen ganz ruhig zu verrich-ten, legen Sie Ihren Geist und Ihr Herz hundertmal am Tag in die Hände

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Gottes und empfehlen Sie es ihm in aller Aufrichtigkeit. Achten Siedarauf, welche Gelegenheit Sie doch jeden Tag haben, seiner göttlichenMajestät zu dienen, sowohl zu Ihrem Fortschritt, als auch für den IhresNächsten, und benutzen Sie diese gewissenhaft; denn sehen Sie, meineTochter, Sie können großen Vorteil daraus ziehen, wenn Sie Gott undseine Ehre recht lieben.

Ich weiß, es betrübt Sie, daß Ihr Vater Sie verlassen hat; aber wieder-holen Sie oft mit Herz und Mund das Wort des Propheten (Ps 27,10):„Mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen, der Herr aber hatmich zu sich erhoben.“ Es ist zweifellos für eine Tochter ein Kreuz,derart der Hilfe der Menschen beraubt zu sein; aber es ist ein hochhei-liges Kreuz und das geeignetste, die Liebe Gottes vollständig zu gewin-nen. Wir müssen in dieser seligen göttlichen Liebe großen Mut und eingroßes Vertrauen auf die Sicherheit haben, die wir besitzen, daß derhimmlische Bräutigam niemals den Seelen fehlt, die sich nach ihmsehnen.

Ich schicke Ihnen in diesem Zusammenhang ein kleines Kreuz, indessen Mitte sich eine Reliquie der heiligen Märtyrerin Thekla befindet,deren Anblick Ihnen Kraft schenken wird, für Unseren Herrn viel zuleiden. Das soll keine Gegengabe für Ihr schönes Geschenk darstellen,sondern Sie nur daran erinnern, welch reine Liebe ich für Ihre Seele inUnserem Herrn hege, dem Sie mich bitte oft empfehlen mögen als IhrenIhnen ganz sicher und ganz demütig im heiligen Kreuz ergebenen ...

XIV, 75 (483) (Oktober 1608)Gnädiges Fräulein!

Sie müssen sich gänzlich in die Hände unseres guten Gottes ergeben.Wenn Sie alles geleistet haben, was Sie tun mußten, um Ihre Vorhaben zuverwirklichen, wird unserem guten Gott alles genehm sein, was Sie tunwerden, auch wenn es viel weniger ist, als Sie wollten.

Mit einem Wort, Sie müssen wohl den Mut haben, den Ordensstandanzustreben, da Gott Ihnen eine solche Sehnsucht danach eingibt.

Wenn Sie aber nach all Ihren Bemühungen keinen Erfolg haben, könn-ten Sie Unserem Herrn nicht mehr gefallen, als wenn Sie ihm Ihren Wil-len aufopfern und in Ruhe, Demut und Frömmigkeit verbleiben, ganzseinem göttlichen Willen und Wohlgefallen hingegeben und untergeord-net. Sie werden diesen genügend erkennen, wenn Sie Ihr Möglichstes getanhaben und doch das Ziel Ihrer Wünsche nicht erreichen können.

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Gott prüft manchmal unseren Mut und unsere Liebe, indem er uns derDinge beraubt, die uns für die Seele recht gut zu sein scheinen und esauch sind. Wenn er uns im Streben nach diesen eifrig sieht und dennochdemütig, ruhig und ergeben, falls wir das angestrebte Ziel nicht errei-chen und darauf verzichten müssen, wird er uns dann seinen Segen reich-licher schenken bei diesem Verzicht, als er ihn uns gäbe durch den Besitzdes angestrebten Standes. Gott liebt in allem und überall jene, die gernund einfach bei allen Gelegenheiten und Gegebenheiten ihm sagen kön-nen: „Dein Wille geschehe“ (Mt 6,10).

AN FRAU VON CHARMOISY

XIII, 179-181 (350) Annecy, 20. Mai 1606.Verehrte Frau Cousine!

Ich muß meinen Brief mit der Bitte um Entschuldigung für einen Feh-ler beginnen, den ich – das versichere ich Ihnen – ohne irgendwelcheBöswilligkeit, nur aus bloßer Unachtsamkeit begangen habe. Man hatmir beiliegenden Brief als von Ihnen kommend gebracht und ich, der ichwirklich danach brenne, von Ihnen zu hören, habe ihn sofort geöffnet,ohne die Anschrift zu beachten. Und obwohl ich darin die Handschriftmeines Cousins, des Herrn von Charmoisy erkannte, hätte ich dennochweitergelesen, wäre mir nicht der Ton inniger Vertrautheit aufgefallen.Nehmen Sie den Brief daher bitte, wenn er auch geöffnet wurde, so entge-gen, als ob dies nicht geschehen wäre, und verzeihen Sie meiner Voreilig-keit, die meine Achtung dem Schreiber des Briefes und Ihnen gegenüberverletzt hat. Ich hätte leicht meinen Irrtum verbergen und von Ihnenunbemerkt halten können; aber ich vertraue mich lieber Ihrem Wohl-wollen an als meiner Geschicklichkeit. Halten Sie mich, meine liebeFrau Cousine, auch weiterhin für stets ganz treu in allem, was IhrenDienst betrifft, denn das werde ich mein ganzes Leben lang sein, mehr alsirgendein anderer Mensch auf der Welt.

Ich werde also, wie Sie anordnen, die 100 Taler behalten und den Rest,den meine gute Mutter Ihnen schuldet, dazulegen lassen; fühlt diese sichdoch mit allen ihren Kindern nicht nur verpflichtet, Ihnen Ihr Eigentumzu Ihrem Bedarf zurückzugeben, sondern auch dazu, all Ihren Besitz fürIhren Dienst zu Geld zu machen.

Meine liebe Frau Cousine, Sie können sicher Ihre kleinen oder großen

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Kümmernisse ebenso wie Ihre Freuden keiner Seele mitteilen, die Ihnengegenüber aufrichtiger und mehr Ihnen zugeneigt wäre als die meine;und zweifeln Sie nie daran, daß ich ganz treu das Geheimnis wahre, andas mich, über das allgemeine Gesetz hinaus, unlösbar das Vertrauenbindet, das Sie in mich setzen. Ich will die Sache Unserem Herrn emp-fehlen und zwar sogleich, da ich mich zum Altar begebe.

Es hat mich gefreut, zu sehen, daß Sie sich der Vorsehung Gottes an-heimgeben. So ist es recht, meine liebe Cousine, das müssen wir immerund bei allen Gelegenheiten tun. Glauben Sie mir, wenn Sie sich darangewöhnen, diese Hingabe nicht nur mit dem Mund, sondern auch mitdem Herzen ganz tief und aufrichtig zu vollziehen, werden Sie wunder-bare Auswirkungen daraus verspüren. Es ist eigenartig, daß ich nichtumhin kann, zu Ihnen über diese Übungen des Herzens und der Seele zusprechen. Ich muß es tun, weil ich nicht nur Ihre Seele liebe, sondern siemit zärtlicher Liebe vor Gott umhege, der, so scheint es mir, von ihrwünscht, daß Sie sehr fromm werden.

Gehen Sie indessen ganz ruhig den äußerlichen Übungen nach undnehmen Sie es nicht auf sich, zu Fuß nach St. Claude zu gehen, ebensowe-nig wie meine gute Tante, Frau du Foug, die nicht mehr in dem Alter ist,als sie in meiner Begleitung dorthin ging. Bringen Sie nur ein eifrigesHerz mit, dann zweifeln Sie nicht daran, daß, ob Sie nun zu Fuß oder zuPferd kommen, Gott es ansehen und der hl. Claudius ihm seine Gunstschenken wird.

Unser Heiland sei immerdar Ihr Beschützer und ich bin, meine FrauCousine, Ihr ergebener Cousin und Diener.

Ihrer ganzen kleinen Schar geht es gut und Bonaventura erholt sichallmählich.

XIII, 381-383 (439) Rumilly, um den 20. März 1608.Meine sehr liebe Frau Cousine!

Wie gut tun Sie doch daran, Gott gut und gütig zu finden und seineväterliche Fürsorge Ihnen gegenüber freudig zu verkosten! Sie befin-den sich jetzt an einem Ort, wo Sie keine Zeit zur Übung der Betrach-tung aufbringen können; dafür kommt Gott häufiger zu Ihrem Herzen,um es mit seiner heiligen Gegenwart zu stärken. Seien Sie diesem himm-lischen Bräutigam Ihrer Seele treu, und Sie werden mehr und mehrsehen, daß er Ihnen durch tausenderlei Mittel seine teure Liebe zeigenwird.

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Es überrascht mich daher nicht, meine liebe Cousine, da Gott Sie sei-ne Gegenwart genießen läßt, daß Sie allmählich der Welt überdrüssigwerden. Zweifellos, meine Tochter, läßt nichts Aloesaft so bitter empfin-den, wie der Genuß von Honig. Wenn wir von den göttlichen Dingenverkostet haben, werden die weltlichen Dinge uns kaum wieder Anreizgeben können. Denn wie könnten wir auch, da wir die Güte, Beständig-keit und Ewigkeit Gottes betrachtet haben, jemals wieder diese armseli-ge Eitelkeit der Welt richtig lieben? Wir müssen wohl diese Eitelkeit derWelt erdulden und ertragen; Liebe und Neigung empfinden aber sollenwir nur zur Wahrheit. Gott sei immerdar dafür gepriesen, daß er Sie zudieser heiligen Mißachtung irdischer Torheiten geführt hat.

Ach, es ist wahr, meine liebe Frau Cousine, daß die arme Frau vonMoyron verschieden ist; wir hätten uns das wirklich in der vergangenenFastnacht nicht gedacht. So werden auch wir eines kommenden Tages,den wir nicht wissen, dahingehen. Mein Gott, meine liebe Tochter, wer-den wir nicht recht glücklich sein, wenn wir mit unserem gütigen Hei-land inmitten unseres Herzens sterben? Wir müssen ihn also immerdarin festhalten, indem wir unsere Übungen, Wünsche, Entschlüsse undBeteuerungen fortsetzen. Es ist tausendmal mehr wert, mit UnseremHerrn zu sterben, als ohne ihn zu leben. Leben wir also froh und tapfer inihm und für ihn, und entsetzen wir uns nicht über den Tod. Ich sage nicht:fürchten wir den Tod gar nicht, sondern ich meine: lassen wir uns nichtdadurch beunruhigen. Wenn der Tod unseres Herrn uns gnädig ist, wirdunser Tod uns gut sein; darum wollen wir oft seines Todes gedenken, seinKreuz und sein Leiden innig lieben.

So ist es recht, meine geliebte Tochter: wenn wir unsere Freunde ster-ben sehen, beweinen wir sie ein wenig, trauern wir ein wenig über sie ausMitleid und Mitgefühl, aber ruhig und ohne Ungeduld; und lassen wirihr Hinscheiden uns wertvoll sein, indem wir uns ganz gelassen und freu-dig auf das unsere vorbereiten.

Ich habe Gott dafür gepriesen, daß diese arme Verstorbene sich indiesem letzten Jahr ein wenig mehr der Frömmigkeit ergeben hat; denndas ist ein großes Zeichen von Gottes Barmherzigkeit an ihr. Es ist gera-de ein Jahr her, daß sie in unsere Bruderschaft eintrat, die ihr auch ihreletzte Pflicht erfüllt hat.

Ihr Ihnen sehr zugeneigter und recht ergebener Cousin und Diener ...

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XIII, 383-384 (440) Rumilly, Ende März 1608.

Meine liebe Frau Cousine!Ich kann und will mich nicht enthalten, Ihnen zu schreiben, da ich

einen so sicheren Überbringer habe. Ich will Ihnen nur sagen, daß ich beider heiligen Messe ständig viele Gnaden für Ihre Seele erbitte, vor allemaber und um alles willen die göttliche Liebe, denn sie ist auch unserAlles. Das ist unser Honig, meine liebe Cousine, in dem und durch denalle unsere Neigungen und alle unsere Herzenserhebungen durchdrun-gen und angenehm gemacht werden sollen.

Mein Gott, wie glücklich ist doch das Reich der Seele, wenn dieseheilige Liebe dort herrscht! Wie glückselig sind die Kräfte unserer Seele,die einer so heiligen und weisen Königin gehorchen! Nein, meine liebeCousine, sie läßt unter ihrem Gehorsam und in diesem Zustand nicht zu,daß schwere Sünden darin hausen, nicht einmal eine Anhänglichkeit anmindere Sünden. Es ist wohl wahr, daß sie diese nahe an die Grenzeherankommen läßt, um die innerlichen Tugenden im Kampf zu übenund sie wachsam zu halten; sie erlaubt auch, daß die Spione, d. h. dieläßlichen Sünden und Unvollkommenheiten, hie und da in ihrem Kö-nigreich herumlaufen; das geschieht aber nur, um uns erkennen zu las-sen, daß wir ohne sie all unseren Feinden als Beute ausgeliefert wären.

Demütigen wir uns stark, meine liebe Cousine, meine Tochter; gebenwir zu, daß wir sofort verwundet und durchbohrt wären von allen mögli-chen Sünden, wäre Gott uns nicht Panzer und Rüstung. Halten wir unsdarum fest an Gott, indem wir unsere Übungen fortsetzen; das sei unsereHauptsorge und alles andere sei nur nebensächlich. Im übrigen müssenwir immer Mut haben; und wenn uns eine Erschlaffung oder Schwä-chung des Geistes zustößt, dann eilen wir zum Fuß des Kreuzes, stellenwir uns in seine heilige Ausstrahlung und wir werden zweifellos dadurchgestärkt und wieder aufgerichtet werden.

Ich bringe alle Tage dem ewigen Vater Ihr Herz mit dem seines Sohnes,unseres Heilands, in der heiligen Messe dar. Er könnte es wegen dieserVerbindung, kraft derer ich es darbringe, gar nicht zurückweisen; aberich setze voraus, daß Sie Ihrerseits das gleiche tun. Mögen wir, Geist,Herz und Leib, ihm immerdar Opfer und Dankopfer sein (Ps 116,17).Leben Sie immer freudig und mutig mit Jesus auf Ihrem Herzen! Ich binder, meine sehr liebe Frau Cousine, den er zu Ihrem ganz demütigen undganz ergebenen Diener und Cousin gemacht hat.

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XIV, 58-59 (474) Saint-Rambert, 21. August 1608.

Meine sehr liebe Frau Cousine!In dem Maße, als ich mich nach außen hin von Ihnen entferne, wendet

sich mein Geist umso häufiger dem Ihren zu, von dem er unzertrennlichist. Ich verfehle nicht, alle Tage die Güte unseres Heilands über Sie undden sorglichen Beistand Ihres Schutzengels um die Bewahrung Ihres Her-zens zu erflehen. Ich wünsche ihm mit unvergleichlichem Eifer alle erstre-benswerten Gnaden des Himmels und vor allem diese unverletzbare Treuezur heiligen Liebe, die Sie dem gütigen Herzen dieses milden und teurenJesus durch so viele Entschlüsse geweiht haben. Leben Sie, meine liebeCousine, meine Tochter, immer mit diesem Mut, ständig in der LiebeGottes zu wachsen. Halten Sie Gott an Ihrer Brust und in den Armen Ihrerheiligen Entschlüsse fest, Gott, der Ihnen doch durch so viele sichtbareZeichen bezeugt, daß er Ihren Namen und Ihr Herz auf ewig in seinen vonWohlwollen gegen Sie erfüllten Willen eingegraben hat.

Ich bin auf dem Weg zu dieser teuren Schwester,10 die Sie so sehr lie-ben; Sie können sich denken, daß ich mich mit ihr über Ihre Seele unter-halten werde, die ich in meiner Seele aus Liebe immer gegenwärtig halte.Ich bitte Sie, der guten früheren Äbtissin11 zu schreiben, der Ihre Ermu-tigungen von Nutzen sein werden; denn für den Augenblick habe ichgerade nur soviel Zeit, um Ihnen diese paar Worte zu schreiben undIhnen den heiligen Segen Gottes zu erteilen, meine liebe Frau Cousine,der mich alle Tage lebendiger und einzigartiger zu Ihrem sehr treuen undsehr geneigten Diener macht.

Ich beende heute mein 41. Jahr; bitten Sie Unseren Herrn, er mögeden Rest meines Lebens zu seiner Ehre und meinem Heil nützlich seinlassen. Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens!

XV, 365-366 (863) Annecy, 28. März 1613.Meine sehr liebe Tochter!

Jetzt, da Sie Kummer haben,12 sollen Sie Unserem Herrn die Liebebezeugen, die Sie ihm so oft in meine Hände versprochen und beteuerthaben. Es wäre mir ein überaus großer Trost, zu wissen, daß Ihr Herz indieser Hinsicht in Ordnung ist.

Empfehlen Sie mich den Gebeten des hl. Ludwig. Nachdem dieser diein seinem Heer von ansteckenden Krankheiten Befallenen lange gepflegtund bedient hatte, erachtete er sich glücklich, daran zu sterben, indem er

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folgendes Gebet als seine letzten Worte sprach: „Ich werde Dein Hausbetreten, o mein Gott, in Deinem Tempel beten und Deinen Namenbekennen“ (Ps 5,8; 138,2). Fügen Sie sich in den göttlichen Willen, derdie Internierung Ihres Gatten zu Ihrem Besten führen wird.

Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit gerne irgendeinen guten Trostschenken, aber ich weiß keinen. Ich bitte also Unseren Herrn, er mögeIhr Trost sein und Sie so recht begreifen lassen, daß man nur durch vieleMühen und Heimsuchungen Eintritt ins Himmelreich findet (Apg 14,21)und daß Kreuz und Leid liebenswerter sind als Befriedigungen und Freu-den, da Unser Herr sie für sich (Hebr 12,2) und für alle seine wahrhaftenDiener erwählt hat.

Haben Sie guten Mut, meine liebe Tochter, setzen Sie Ihr Vertrauenfest auf Ihn, dessen Dienst Sie sich geweiht und hingegeben haben, denner wird Sie nicht verlassen. Inzwischen werde ich mich von ganzem Her-zen bei allen dafür verwenden, Ihrem Gatten zu helfen, von denen ichmeine, daß sie Einfluß haben und die etwas mir zu Gefallen tun wollen,um ihn freizubekommen. Ich habe schon vorgestern begonnen, michdarum zu bemühen, da ich Sie doch liebe als meine erste Tochter undalles, was zu Ihnen gehört, aus Liebe zu Unserem Herrn, dem Sie gehö-ren und dessen Wille geschehe von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

XVIII, 311f (1485) Paris, November 1618.

Mein Geist kann nicht aufhören, an Sie zu denken, meine sehr liebeCousine, meine Tochter, und möchte nichts anderes tun, als mit Ihnenauf die ihm mögliche Art und Weise zu sprechen, und weiß Ihnen den-noch nichts zu sagen, ist er doch wie der Ihre noch recht entsetzt.13 Meinesehr liebe Tochter, der göttliche Bräutigam unserer Seelen will, daß wiralle unsere Geschehnisse im Schoß seiner himmlischen Vorsehung be-trachten, und daß wir unsere Liebesgefühle in die Ewigkeit werfen, wowir alle uns vereinigen werden, ohne jemals mehr getrennt zu werden. Omeine Tochter, warum haben wir je unsere Sicherheit und unser Vertrau-en auf das Nichts dieses vergänglichen Lebens gesetzt? Unser Ziel ist imJenseits, wohin wir also unsere Liebesgefühle richten müssen.

Da stehen Sie also, meine sehr liebe Tochter, in der echten Bewährungder Treue, die Sie Gott schulden, dem Sie so oft alles, was Ihnen zustoßensollte, anheimgegeben haben. Meine sehr liebe Cousine, heben Sie IhrHerz empor und legen Sie das heilige Kruzifix auf Ihre Brust, damit es

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Ihre Seufzer und Tränen beruhige. Seien Sie wahrhaft ganz die Seine under wird, glauben Sie mir, ganz der Ihre sein.

Ich meinerseits kann nicht mehr sagen als sonst, aber wenn ich es sagendürfte, würde ich sagen, daß ich unwandelbar mehr denn je, bedingungs-und rückhaltlos, ganz der Ihre bin.

XX, 172f (1846) Annecy, 10. November 1621.

Meine liebe Cousine, meine Tochter, ich schrieb Ihnen vorgestern.Aber jetzt muß ich Sie schon ein wenig rügen, weil mein Neffe wederseinem Rang noch seinem Dienst entsprechend gekleidet ist. Nicht nurihn ärgert das, alle seine Gefährten besser gekleidet zu sehen, als er es ist,sondern es wird dies auch von seinen Freunden getadelt, von denen eini-ge mit mir heftig darüber gesprochen haben. Es hilft nichts, meine liebeTochter, da wir nun einmal in der Welt leben, müssen wir ihren Gesetzenin allem folgen, was nicht dem Gesetz Gottes widerspricht.

Ich schreibe Ihnen dies in aller Eile und aus einem Herzen heraus, das– wie Sie wissen – ganz Ihnen gehört, meine liebe Tochter, da ich dochIhr sehr ergebener Cousin und Diener bin.

Der Prinz findet den Aufenthalt hier viel angenehmer als in Chambéryund denkt daran, öfters zur Abwechslung herzukommen. Ich weiß nochnicht, wann er abreisen wird.

XX, 273 (1898) Annecy, 28. Februar 1622.Ich hatte gedacht, Ihnen als Antwort auf den Brief, den ich von Ihnen

erhalten habe, einen ziemlich langen Brief zu schreiben; da mir aber derHerr Baron von Vallen sagte, daß allem abgeholfen wurde, was Sie be-fürchteten, bleibt mir nur übrig, Ihnen zu sagen, daß ich immer alles tunwerde, was ich zum Wohl dieses teuren Sohnes vermag und zur Befriedi-gung meiner sehr lieben Tochter, seiner Mutter, die ich jedoch ermahnenmuß, Sorge um ihre Gesundheit zu tragen; denn man hat mir – gewiß vonausgezeichneter Seite und aus wohlmeinendem Herzen – gesagt, daß Siekeine Erleichterung nähmen, um sie zu wahren, und daß Sie nicht in demMaße, als es notwendig wäre, Ihre Kraft und Verfassung schonen, wohlaber Ihre Geldmittel mehr, als sein müßte. Aber wichtig ist, daß man mirsagt, man wage nicht, es Ihnen zu sagen. Ich aber bin fest entschlossen, esIhnen zu sagen und noch anderes auch und alles, da Sie doch meine

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Cousine und meine sehr teure Tochter sind und ich Ihr Ihnen unwandel-bar ergebener Cousin und Diener ...

XXI, 3 (1967) Ohne Datum.

Mein Gott, was wünschen Sie mir am Ende Ihres Briefes, meine liebeCousine? Größe14 und Wohlergehen, sagen Sie. O, man soll nicht davonreden, sie zu besitzen, und durch die Gnade Gottes erwarte und wünscheich mir auf dieser armseligen Welt nichts anderes als die Größe, die derSohn Gottes in der Krippe von Betlehem verwirklichen wollte.

AN FRAU VON MIEUDRY

XIV, 85 (490) Annecy, 6. November 1608.Gnädige Frau!

Wegen der plötzlichen Abreise ... Ihres Briefüberbringers will ich Ih-nen kurz antworten. Schreiben Sie mir immer, wann Sie es wünschen,mit vollem Vertrauen und ohne Förmlichkeit; bei dieser Art von Freund-schaft muß man es so halten.

Machen Sie sich bitte über all diese kleinlichen eitlen Gedanken lu-stig, die bei Ihren guten Handlungen in der Seele auftauchen. Das sind jaeigentlich nur Fliegen, die Ihnen nichts anderes antun können, als Sie zubelästigen. Halten Sie sich also nicht damit auf, zu überprüfen, ob Siezugestimmt haben oder nicht; sondern fahren Sie ganz einfach in IhrenWerken fort, als ob Sie das gar nichts anginge.

Stoßen Sie während der Betrachtung des Leidens des Erlösers Ihr Herznicht gewaltsam zum Mitleid oder Mitgefühl, denn es genügt bei allenBetrachtungen, daraus gute Entschlüsse zu ziehen, um in der Liebe Got-tes zu wachsen und zu erstarken, auch wenn das ohne Tränen, ohne Seuf-zer und ohne Herzensempfindungen vor sich geht; denn es ist ein großerUnterschied zwischen der Rührung des Herzens, die wir herbeiwün-schen, weil sie tröstlich ist, und der Festigkeit des Herzens, die wir an-streben müssen, weil sie uns zu wahren Dienern Gottes macht.

Antworten Sie auch mit keinem Wort auf den unsauberen Gedanken,der Ihnen kommt; sagen Sie in Ihrem Herzen nur zu Unserem Herrn: O

I. Charmoisy 1967 – Mieudry 490

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Herr, Du weißt, daß ich Dich ehren will; ich gehöre ganz Dir (Ps 119,94). Gehen Sie darüber hinweg, ohne mit dieser Versuchung zu streiten.

Beunruhigen Sie sich auch nicht über Ihre mangelhafte Gewissenser-forschung; es kann nicht so schlimm sein, weil Sie doch den Wunschhaben, sich ordentlich zu läutern. Man braucht sich seiner Seele wegennicht zu quälen, wenn man sieht, daß sie voll Sehnsucht ist, Gott treu zusein. Wenn Sie Ihren gewöhnlichen Beichtvater nicht haben, dürfen Sienicht unterlassen, zu einem anderen zu gehen. Schauen Sie auf Gott undnicht auf den Menschen, der Beichte hört oder losspricht, selbst wennSie so oft beichten, wie Sie es tun.

Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens. Ich bin in ihm, gnädigeFrau, Ihr ...

XVII, 147-149 (1166) Annecy, 19. Februar 1616.Ich vergaß gewiß,15 meine liebe Tochter, Ihnen zu sagen, daß Sie ohne

irgendwelche Bedenken mit Ihrem Vater16 und Ihren Kindern Fleischessen dürfen; auch ohne sonstige Enthaltsamkeit ist Ihre körperlicheBeschaffenheit schon schwach genug. Wir müssen nun einmal das sein,was wir nach Gottes Willen sind: schwach, niedrig, verächtlich, aberdoch die Seinen dem Herzen, der Absicht und dem Entschluß nach.Hinsichtlich Ihres Gatten und der übrigen halten Sie es, wie es Ihnengeeignet erscheint; ich glaube nicht, daß es zuviel ist, ihm Ratschläge zugeben, da er Gott fürchtet und wir uns bemühen sollen, denen gute Nah-rung zu geben, die diese heilige Furcht, wenn auch unvollkommen, insich nähren.

Die Kaplanstelle von Rumilly17 hängt vom Pfarrer ab; ich habe aufäußerstes Drängen, dem ich ausgesetzt war, nachgegeben und ihm er-laubt, Herrn Nacot dafür zu verwenden, wenn es ihm so recht schien,ohne deshalb zu verhindern, daß man Herrn Charvet mit dieser Aufgabebetraute für jene, die den anderen nicht gewollt hätten. Es mag schonsein, daß ich dabei falsch gehandelt habe, und das wäre wohl kein großesWunder; aber ich halte es doch nicht für falsch angesichts der Erwägung,aus der heraus ich es getan habe, und der Freiheit, mit der jeder sichandere Priester zunutze machen kann; außerdem wird dies, so Gott will,nicht immer so bleiben. Machen Sie sich keineswegs Mühe, jenen zuantworten, die mich dafür tadeln; denn vielleicht – wenn ich es auchnicht glaube – haben sie doch recht. Was Sie betrifft, genügt es, wenn ich

I. Mieudry 1166

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Ihnen zur Seite stehe und Sie nicht täusche, sondern den rechten Weg derFrömmigkeit führe mit Liebe und unveränderlichem Eifer.

Ich staune über die Launenhaftigkeit der Menschen hinsichtlich desguten Herrn von Valence;18 wir hören ihn hier recht gern und ich, der ichdoch mehr Theologie studiert habe als alle von Rumilly zusammen, fin-de, daß er wahrhaftig gut und nutzbringend predigt; man wäre in größe-ren Städten froh, ihn zu haben. Wir müssen Geduld haben und Gottbitten, er möge uns alle demütig machen, damit wir wie Schiffe mit rechtgroßem Tiefgang imstande sind, seine Gnaden in Fülle aufzunehmen.

Ich bin wahrlich ganz der Ihre, meine liebe Tochter, und Gott sei dasLeben Ihrer Seele!

AN FRÄULEIN VON BRÉCHARD

XIV, 86-87 (491) 16. November 1608.Gnädiges Fräulein!

Der Wunsch allein, Sie mögen wissen, daß mein Herz das Ihre liebt,läßt mich diese paar Worte schreiben. Wahren Sie es gut, dieses Herz,um dessentwillen das Herz Gottes „betrübt war bis zum Tod“ (Mt 26,38)und nach dem Tod von der Lanze durchbohrt (Joh 19,34), damit IhrHerz nach dem Tod lebe und sein ganzes Leben lang freudig sei. TötenSie es nur ab in seinen Freuden und erfreuen Sie es in seinen Abtötungen.

Bringen Sie mich Ihren kleinen Mädchen19 in Erinnerung und haupt-sächlich meiner Marie Aimée, die ich ganz als mein eigen ansehe.

Gnädiges Fräulein, ich bin Ihr in Unserem Herrn Ihnen sehr ergebe-ner Diener ...

XIV, 160-161 (531) Annecy, Mitte Mai 1609.So sind Sie also bei Ihrem Herrn Vater, meine liebe Nichte,20 meine

Tochter, den Sie als ein lebendiges Bild des ewigen Vaters ansehen;21

denn in dieser Eigenschaft sollen wir jenen Ehre und Dienste erweisen,derer er sich bedient hat, um uns zu erschaffen.

Halten Sie Ihre Seele fest in Ihren Händen, damit sie Ihnen nicht nachlinks oder rechts entgleite; ich will sagen, daß sie weder verweichlichtwerde durch Zärtlichkeiten von Verwandten, noch traurig werde bei de-

I. Bréchard 491, 531

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ren Leidenschaften und verschiedenen Launen, unter denen Sie lebenmüssen.

Ich glaube Ihnen wahrhaftig recht gern, daß die Trennung von Ihrerteuren Mutter22 Sie sehr lebhaft getroffen hat, denn sie schreibt mir, daßdie Trennung auch ihr nahe gegangen ist. Eines Tages aber wird dieseGemeinschaft auf ewig bestehen, wenn es dem Ewigen gefällt, und inzwi-schen bleiben wir alle recht in seiner heiligen Liebe vereint.

Ich wundere mich, daß Herr N. sich diese Meinung eingeredet hat, daßman nicht kommunizieren könne, ohne die Messe zu hören; denn dieseMeinung ist nicht nur unbegründet, sondern hat auch keinen Anscheineiner Begründung. Da Sie jedoch das hinnehmen müssen, machen Sierecht oft die geistliche Kommunion, die Ihnen niemand verweigern kann.Gott will Sie auch entwöhnen, meine liebe Nichte, und läßt Sie feste, d.h.harte Speisen zu sich nehmen. Im Himmel und auf Erden gibt es keineausgiebigere Nahrung als die heilige Kommunion; ihre Verweigerungaber, die Ihrer Seele härter fällt, da sie nach seiner heiligen Liebe trach-tet, erfordert denn auch ein innigeres Begehren.

Ich schreibe Ihnen in Eile, meine liebe Nichte, meine Tochter, undbitte Unseren Herrn, er möge immerdar Ihr Herz sein. Ich bin in ihmgänzlich Ihr sehr ergebener Diener ...

XIV, 164-165 (534) Annecy (Ende Mai 1609).Meine liebe Nichte!

Ich schrieb Ihnen erst neulich, aber mein Herz, das Sie zärtlich liebt,kann sich nicht zufriedengeben, wenn es Ihnen nicht zumindest diesengeringen Beweis dafür liefert, Ihnen sooft als möglich zu schreiben.

Leben Sie ganz in Unserem Herrn, meine liebe Tochter, er soll die Seesein, auf der Ihr Herz sich bewegt. Und so wie die Seiltänzer in ihrenHänden immer die Balancestange halten, um ihren Körper richtig imGleichgewicht zu halten in den vielfachen Bewegungen, die sie auf ei-nem so gefährlichen Stand auszuführen haben, so sollen auch Sie dasheilige Kreuz Unseres Herrn festhalten, damit Sie sicher gehen in denGefahren,23 welche die verschiedenartigen Begegnungen und Unterhal-tungen für Ihre Gefühle bedeuten könnten; auf diese Weise werden allIhre Regungen ausgeglichen sein durch das Gegengewicht des einzigenund so liebenswerten Willens dessen, dem Sie Ihren ganzen Leib und Ihrganzes Herz geweiht haben ...

Schreiten Sie so voran, meine liebe Nichte, ich will sagen, schreiten Sie

I. Bréchard 534

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immer mutig „von Tugend zu Tugend“ (Ps 84,8), bis Sie den höchstenGrad der göttlichen Liebe erreicht haben. Diesen werden Sie aber nie-mals erreichen, da diese heilige Liebe ebensowenig begrenzt ist wie ihrGegenstand, die allerhöchste Güte.

Gott befohlen, sehr liebe Nichte, lieben Sie mich immer beständig alsden Menschen dieser Welt, der Ihnen das meiste an wahrhaften und ech-ten Tröstungen wünscht. Ja, meine Tochter, ich wünsche Ihnen die Fülleder göttlichen Liebe, die das einzige Gut unserer Herzen ist und auf ewigsein wird; sie sind uns ja nur gegeben worden für ihn, der uns sein ganzesHerz gegeben hat.

Ich bin ganz aufrichtig der Ihre, meine liebe Nichte, meine Tochter.

AN FRÄULEIN CLAUDINE DE CHASTEL

XIV, 18-20 (454) Annecy, 18. Mai 1608.Gnädiges Fräulein!

Ich glaube, daß Ihr Wunsch, Ihre Keuschheit Gott zu weihen, in IhrerSeele nicht aufgetaucht ist, bevor Sie seine Bedeutung lange genug erwo-gen haben; darum billige ich, daß Sie es tun, und zwar am Pfingstfestselbst. Um das aber gut zu tun, machen Sie sich die drei vorhergehendenTage frei, um Ihr Gelübde gut durch innerliches Gebet vorzubereiten,das Sie aus folgenden Erwägungen schöpfen könnten:

Erwägen Sie, wie sehr die heilige Keuschheit eine Gott und den En-geln wohlgefällige Tugend ist; ist sie doch ausersehen, im Himmel aufewig geübt zu werden, wo es keine Art fleischlicher Lust und kein Heira-ten geben wird (Mt 22,30). Sind Sie da nicht recht glücklich, in dieserWelt ein Leben zu beginnen, das Sie in der anderen auf ewig fortsetzenwerden? Preisen Sie also Gott, der Ihnen diese heilige Eingebung ge-schenkt hat.

Betrachten Sie, wie edel diese Tugend ist, die unsere Seelen weiß wieLilien und rein wie die Sonne erhält; die unseren Leib weiht und uns dieMöglichkeit schenkt, ganz mit Herz, Leib, Geist und Empfindungen sei-ner göttlichen Majestät zu eigen zu sein. Ist es nicht eine große Befriedi-gung, zu Unserem Herrn sagen zu können: „Mein Herz und mein Fleischerzittern vor Freude in Deiner Güte“ (Ps 84,3); aus Liebe zu ihr gebe ichjede andere Liebe auf und für ihre Freude verzichte ich auf alle anderen

I. Chastel 454

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Freuden. Welches Glück, nichts von weltlichen Vergnügungen für die-sen Leib zurückbehalten zu haben, damit man vollständig das Herz sei-nem Gott schenken kann!

Betrachten Sie, daß die heilige Jungfrau als erste ihre JungfräulichkeitGott weihte und nach ihr soviele jungfräuliche Männer und Frauen. Mitwelcher Glut, welcher Liebe und welcher Innigkeit haben sie ihre Jung-fräulichkeit, ihre Keuschheit geweiht! O Gott, das läßt sich gar nichtsagen. Demütigen Sie sich also ganz stark vor der himmlischen Schar derJungfrauen und bitten Sie diese durch ein demütiges Gebet, sie mögenSie bei sich aufnehmen. Sie wollen sich ja nicht anmaßen, ihnen gleich anReinheit zu sein, wohl aber anstreben, als deren unwürdige Dienerinzugelassen zu werden, als die Sie ihnen nach besten Kräften nacheifern.Bitten Sie, sie mögen mit Ihnen Ihr Gelübde Jesus Christus, dem Königder Jungfrauen, darbringen und Ihre Keuschheit durch das Verdienst derihrigen wohlgefällig machen. Empfehlen Sie vor allem Ihr VorhabenUnserer lieben Frau und dann Ihrem Schutzengel, damit es ihm von nunab gefalle, mit besonderer Sorgfalt Ihr Herz und Ihren Leib vor jederIhrem Gelübde entgegenstehenden Befleckung zu bewahren.

Am Pfingstfest dann, wenn der Priester die heilige Hostie erhebt, op-fern Sie Gott, dem ewigen Vater, mit dem Priester den kostbaren Leibseines geliebten Sohnes Jesus auf und zugleich auch Ihren Leib, den Siealle Tage Ihres Lebens in Keuschheit zu bewahren geloben. Dieses Ge-lübde könnte etwa so abgefaßt werden:

„O ewiger Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, Ich N... Dein unwür-diges Geschöpf, verspreche in Deiner göttlichen Gegenwart und derDeines ganzen himmlischen Hofes Deiner göttlichen Majestät und legedas Gelübde ab, mit dem Beistand und der Gnade Deines Heiligen Geis-tes alle Tage meines sterblichen Lebens, die Du mir schenken willst,vollkommene Keuschheit und Enthaltsamkeit zu bewahren und zu be-obachten. Mögest Du dieses mein unwiderrufliches Gelübde als wohlge-fälliges Opfer annehmen. Da es Dir gefallen hat, mich zur Ablegungdieses Gelübdes zu bewegen, gib mir die Kraft, es zu Deiner Ehre zuerfüllen von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Einige schreiben dieses Gelübde nieder oder lassen es schreiben undunterzeichnen es; dann übergeben sie es einem geistlichen Vater, damiter gleichsam Schirmherr und Pate desselben sei. Aber wenn dies auchnützlich ist, so ist es doch nicht notwendig. Empfangen Sie die heiligeKommunion, dann können Sie Unserem Herrn sagen, daß er wahrhaftIhr Bräutigam ist.

I. Chastel 454

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Aber sprechen Sie darüber mit Ihrem Beichtvater; denn wenn er Ihnenbefiehlt, es nicht zu tun, müßten Sie ihm Glauben schenken; da er dengegenwärtigen Zustand Ihrer Seele kennt, kann er besser als ich beurtei-len, was ratsam ist.

Wenn Sie aber dieses Gelübde abgelegt haben, meine gute Tochter,dürfen Sie niemals zulassen, daß irgendjemand Ihrem Herzen durch ir-gendeinen Liebes- oder Heiratsantrag schmeichle; sondern Sie müssenIhrem Leib große Ehrfurcht entgegenbringen, nicht mehr als Ihrem Leib,sondern wie einem geweihten Leib und wie einer sehr heiligen Reliquie.Und so wie man einen Kelch, nachdem der Bischof ihn geweiht hat,nicht mehr zu berühren oder zu profanieren wagt, so müssen Sie IhremHerzen und Ihrem Leib eine tiefe Ehrfurcht entgegenbringen, nachdemder Heilige Geist es durch dieses Gelübde geweiht hat.

Inzwischen will ich all dies Gott empfehlen, der wohl weiß, daß ich Sierecht innig in ihm liebe; und an eben diesem Pfingstfest will ich ihm IhrHerz aufopfern und alles, was daraus zu seiner Ehre hervorgehen wird.Möge Jesus immerdar Ihre Liebe und seine heilige Mutter Ihre Führerinsein. Amen. Ihr Diener in Jesus Christus ...

XIV, 28-30 (459) Annecy, (Ende Mai oder Anfang Juni) 1608.Gnädiges Fräulein!

Ich werde die Niederschrift Ihres Gelübdes sorgsam aufbewahren undGott wird seine Beständigkeit behüten; er war sein Urheber und er wirdauch sein Bewahrer sein. In diesem Sinn sage ich oft das Gebet des hl.Augustinus (Confess. XII,24): „Ach Herr, da ist ein kleines Kücken ein-geschlossen unter die Flügel Deiner Gnade; wenn es dem Schatten sei-ner Mutter entläuft, wird der Falke es rauben; laß es also leben mit Hilfeund im Schutz Deiner Gnade, die es hervorgebracht hat.“ Aber sehenSie, meine Schwester, man soll sich nicht einmal fragen, ob dieser Ent-schluß auch von Dauer sein wird; sondern man muß es für so sicher undentschieden halten, daß es darüber niemals Zweifel geben darf.

Sie verpflichten mich sehr durch die paar Worte, die Sie mir über ihreNeigungen schreiben; darüber will ich Ihnen sagen, daß unsere Erregun-gen, so klein sie sind, unsere Seele zerreißen, wenn sie in ungegelegenerWeise ausbrechen. Halten Sie diese in der Hand und halten Sie diesenicht für unwichtig, denn am Maße des Heiligtums gemessen, gelten sieviel.

Ihr Wunsch, sich von deren Ursachen zurückzuziehen, ist in der Lage,

I. Chastel 459

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in der wir sind, nicht ratsam, denn dadurch gibt man das rechte Bemühenzu kämpfen auf. Dies ist uns aber notwendig, während das andere un-möglich ist. Und dann, wo keine Gefahr zur Todsünde besteht, dürfenwir nicht fliehen, sondern müssen alle unsere Feinde besiegen und dabeihartnäckig beharren, ohne den Mut zu verlieren, wenn wir auch manch-mal besiegt werden.

Ja wirklich, meine liebe Tochter, erwarten Sie von mir alles, was Sievon einem wahren Vater erwarten können, denn dieses Gefühl hege ichgewiß für Sie; das werden Sie in der weiteren Entwicklung erfahren,wenn Gott mir beisteht.

Sie sind also bekümmert, meine gute Tochter, wie man sein muß, umGott recht zu dienen. Betrübnisse ohne Selbsterniedrigung lassen manch-mal das Herz anschwellen, anstatt es zu demütigen; wenn man aber Leidohne Ehre ertragen muß, ja sogar Schande, Entwürdigung und Erniedri-gung unser Leid sind, wieviel Gelegenheiten, Geduld zu üben, Demut,Bescheidenheit und Herzensgüte! Der glorreiche hl. Paulus freut sich,und zwar mit einer heilig-glorreichen Demut darüber, daß er mit seinenGefährten für Abschaum und Auswurf der Welt angesehen wird (1 Kor4,13).

Sie haben, sagen Sie mir, auch noch sehr heftige Empfindungen beiBeleidigungen. Aber meine liebe Tochter, worauf bezieht sich dieses„auch noch“? Haben Sie denn schon viele dieser Feinde vernichtet? Ichwill damit sagen, daß wir Mut und die gute Absicht haben müssen, es vonnun ab besser zu machen, da wir doch erst beginnen und doch den Wunschhaben, es gut zu machen.

Um im Gebet eifriger zu werden, sollen Sie es inniger wünschen. Le-sen Sie gern die Lobgebete, die in vielen Büchern verstreut sind: imGranada, am Anfang des Bellintani und anderswo; denn wenn man Ap-petit auf eine Speise hat, wird man sie auch gern essen.

Sie sind recht glücklich, meine Tochter, sich Gott geweiht zu haben.Erinnern Sie sich, was der hl. Franziskus tat, als sein Vater ihn nackt vorden Bischof von Assisi stellte: „Jetzt also“, sagt er, „kann ich wohl sagen:Vater unser, der Du bist im Himmel.“ „Mein Vater und meine Mutter“,sagt David, „haben mich verlassen“ (Ps 27,10), und der Herr hat mich zusich genommen.

Machen Sie keine Einleitungen, um mir zu schreiben, es ist wirklichnicht notwendig; ich bin doch Ihrer Seele mit ganzem Willen hingege-ben! Möge Gott Sie segnen mit seinem großen Segen und Sie ganz zuseinem Eigen machen. Amen.

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XV, 9-10 (656) Annecy, 4. Januar 1611.Mit Freude ersehe ich aus Ihrem Brief, meine liebe Tochter, daß Sie

trotz Ihres Widerwillens und all Ihrer Traurigkeit Ihre Übungen fortge-setzt und nur ganz wenig darauf vergessen haben. Vorausgesetzt, man tutim Hinblick auf die Liebe Gottes, was man zu tun hat, wenn auch ohneGefühl und Lust, zieht die Seele doch weiterhin daraus Kraft und Stärkeim Innern und in ihrem oberen und geistlichen Bereich.

Gehen Sie also Ihren Weg weiter voll Mut und vollkommenem Ver-trauen zu Unserem Herrn, denn er wird Sie an seiner Hand halten. Erwird Sie durch die Vielfalt der Empfindungen hindurch, denen wir indieser armseligen Welt unterworfen sind, in den Himmel führen, wo wirnur das einzige und unwandelbare Empfinden liebevoller Freude überseine göttliche Güte haben werden, der mich ständig zu empfehlen ichSie beschwöre.

Die gute Schwester, die Sie hier haben,24 ist wahrhaft ein gutes Mäd-chen; und falls es der heiligen Vorsehung Unseres Herrn gefällt, unsFrau von Chantal einige Zeit zu belassen,25 was wir hoffen, vertraue ichauf eben diesen Erlöser, daß diese liebe Schwester viel Freude erfahrenwird an der Lebensweise, die sie auf sich genommen hat. Ich bitte Sie, inIhren Gebeten dessen zu gedenken.

Ihr sehr zugeneigter Diener in Unserem Herrn.

AN FRAU VON TRAVES

XIV, 91-92 (495) Annecy, 18. Dezember 1608.Gnädige Frau!

Mein Bruder, der zu Ihnen kommt, wird Ihnen vielleicht sagen, daßich Sie sehr lieb habe und hochschätze. Vielleicht glaubten Sie dannauch, er würde dies aus Nächstenliebe tun; ich wünsche aber, Sie sollenwissen, daß mein Herz wahrhaftig dieses Gefühl hegt; darum schreibeich es eigenhändig und mit meinem Herzen.

Aber sagen Sie mir doch, gnädige Frau, ich bitte Sie, herrscht doch dieLiebe zu Gott immer in Ihrer Seele? Hält doch er die Zügel aller Nei-gungen in Händen und zähmt er alle Leidenschaften Ihres Herzens? Oich zweifle keineswegs daran. Gnädige Frau, Sie müssen aber einemMenschen, der Sie sehr lieb hat, erlauben zu fragen, was er ohnehin weiß,um der Freude willen, die er daran findet, Sie immer wieder sagen zu

I. Chastel 656 – Traves 495

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hören, daß Sie glücklich sind. Man fragt so häufig: Geht es Ihnen gut?,auch wenn man die Befragten in recht guter Gesundheit sieht. Mögen Siees für gut befinden, wenn ich Sie, ohne an Ihrer Tugend und Beharrlich-keit zu zweifeln, aus Liebe frage: Lieben Sie Gott sehr, gnädige Frau?Wenn Sie ihn sehr lieben, wird es Ihnen eine Freude sein, ihn oft zubetrachten, oft mit ihm und über ihn zu sprechen und sich oft mit ihm imhochheiligen Sakrament zu vereinigen. Möge er immerdar unser eigent-liches Herz sein, gnädige Frau!

Ich bin in ihm Ihr recht ergebener Diener.

XIV, 150-151 (524) Annecy, 18. April 1609.Da ich Sie mein ganzes Leben lang ehren, lieben und Ihnen dienen

will, habe ich mich bei Ihrer lieben Frau Cousine,26 meiner Schwester,über den Zustand Ihres Herzens erkundigt, worüber sie mir recht Tröst-liches gesagt hat. Wie glücklich werden Sie sein, meine liebe Tochter,wenn Sie fortfahren, die Versprechungen zu mißachten, welche die WeltIhnen machen wird, denn sie ist wahrhaftig eine große Lügnerin. Be-trachten wir niemals so sehr das, was sie uns vorlegt, ohne auch zu erwä-gen, was sie verbirgt.

Ein guter Mann ist zweifellos in Wahrheit eine große Hilfe; aber esgibt so wenige davon, und so gut der sein mag, den man hat, so legt erdoch mehr Unterwürfigkeit auf, als er Hilfe gibt. Sie haben große Sorgeum die auf Ihnen lastende Familie, aber sie wird nicht geringer, wennSie die Last einer anderen, vielleicht ebenso großen, auf sich nehmen.Bleiben Sie so, ich bitte Sie, und glauben Sie mir, seien Sie dazu sostark und so offenkundig entschlossen, daß niemand mehr daran zwei-feln kann.

Die Aufgabe, die Ihnen jetzt obliegt, wird für Sie ein kleines Martyri-um sein, wenn Sie weiterhin Ihre Mühen dabei mit denen des Erlösers,der Gottesmutter und der männlichen und weiblichen Heiligen verbin-den, die inmitten der verschiedenen und vielfachen Nöte ihrer Mühenunverletzlich die Liebe und wahre Andacht zur hochheiligen Einheitmit Gott bewahrt haben, in dem, für den und durch den sie ihr Leben zueinem glückseligen Ende geführt haben. Mögen Sie doch wie diese fürGott Ihr Herz, Ihren Leib, Ihre Liebe und Ihr ganzes Leben bewahrenund sie ihm weihen.

Ich bin in aller Aufrichtigkeit, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Dienerin eben diesem Heiland.

I. Traves 524

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AN SEINE SCHWESTER, FRAU VON CORNILLON

XIV, 158-159 (530) Annecy, 15. Mai 1609.Mein Gott, meine liebe Tochter, meine Schwester, seien Sie freudig

fromm. Wie glücklich werden Sie sein, wenn Sie sich ständig diesemVorhaben hingeben! Die arme kleine Schwester (de la Thuille),27 derenSterben zwar plötzlich aber christlich war, hat in mir wieder kraftvolldie Liebe zum allerhöchsten Gut entfacht, auf das dieses ganze kurzeLeben ausgerichtet sein soll. Haben wir uns recht lieb, teure Schwester,und halten wir uns gemeinsam recht innig an den Erlöser unserer Seelen,in dem allein wir unsere Seligkeit finden können. Ich bin voll der Hoff-nung, daß Sie Unserem Herrn immer treuer dienen, gehorchen und Ehreerweisen werden; das ist das größte Gut, das ich Ihnen wünschen kann.

Die vielen Ärgerlichkeiten28 in Ihren häuslichen Angelegenheiten (überdie mir mein lieber Bruder neulich berichtete), werden Ihnen eine wert-volle Hilfe sein, Ihre Seele zur Tugend zu formen, wenn Sie sich bemühen,das alles im Geist der Sanftmut, Geduld und Güte zu ertragen. Halten SieIhr Herz immer sehr dazu an und erwägen Sie oft, daß Gott Sie liebevollenAuges betrachtet inmitten all dieser kleinen Unannehmlichkeiten undZwistigkeiten, um zu sehen, wie Sie sich darin seinem Willen gemäß ver-halten. Bewahren Sie doch bei diesen Anlässen in recht feiner Weise IhreLiebe zu Gott, und wenn es Ihnen manchmal zustößt, ungeduldig zu wer-den, dann lassen Sie sich deshalb nicht verwirren, sondern trachten Sie,recht schnell wieder innerlich ruhig zu werden. Segnen Sie jene, die Sieärgern (Lk 6,28), und Gott wird Sie segnen, meine liebe Schwester. Umdieses Gut flehe ich ihn an von ganzem Herzen für meine geliebte Schwe-ster und sehr liebe Tochter, der ich ganz ergeben bin.

XIV, 171-172 (537) Annecy, 30. Juni 1609.Meine liebe Schwester, meine Tochter!

Es tut mir leid, daß ich den Gruß, den Meister Constantin mir vonIhnen überbracht hatte, nicht früher erhalten habe; damals hätte ich mehrZeit gehabt, Ihnen nach dem Zug meines Herzens zu schreiben, das sovon Zuneigung für Sie erfüllt ist und Sie so sehr liebt, daß es sich nichtdamit begnügen kann, sich nur ein bißchen mit Ihnen zu unterhalten.

Es ist mir eine große Freude, zu wissen, daß Ihre Seele ganz der LiebeGottes hingegeben ist, in der Sie nach und nach durch alle Arten heiliger

I. Cornillon 530, 537

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Übungen Fortschritte zu machen bestrebt sind. Mehr als alles aber emp-fehle ich Ihnen, immer die heilige Sanftmut und Liebenswürdigkeit beiallen Anlässen zu üben, die dieses Leben Ihnen zweifellos oft bietet.Bleiben Sie ruhig und ganz liebenswürdig mit Unserem Herrn auf IhremHerzen. Wie glücklich werden Sie sein, sehr liebe Schwester, meine Toch-ter, wenn Sie fortfahren, sich an der Hand seiner göttlichen Majestät zuhalten, während Sie sich um Ihre Aufgaben bemühen und die Dingeihren Lauf nehmen. Was Sie unternehmen, wird mehr nach Wunsch ge-lingen, wenn Gott Ihnen hilft. Die geringste Freude, die Ihnen darauserwächst, wird wertvoller sein als die größten Freuden, die Sie auf dieserWelt haben könnten.

Ja, meine liebe Tochter, meine Schwester, wie sehr liebe ich Sie doch,und mehr als Sie glauben würden; hauptsächlich aber, seit ich in IhrerSeele diesen hohen und ehrenvollen Wunsch gesehen habe, UnserenHerrn mit aller Treue und Aufrichtigkeit lieben zu wollen. Ich beschwö-re Sie, beständig daran festzuhalten und mich immer ganz lieb zu haben,da ich mit ganzem und treuem Herzen Ihr geringer Bruder und liebevollergebener Diener bin.

XIV, 243-244 (570) Annecy, Ende Januar 1610.Der erste Monat des Jahres soll nicht vorübergehen, ohne daß ich Sie

grüße, meine sehr liebe Tochter, meine Schwester, wobei ich Sie immerder vollkommenen Liebe versichere, die mein Herz dem Ihren entge-genbringt, dem ich alle Arten von Segen zu wünschen nicht aufhörenwerde. Aber ich empfehle Ihnen auch Ihr armes Herz, meine liebe Schwe-ster; tragen Sie recht Sorge, es immer mehr seinem Erlöser wohlgefälligzu machen und zu bewirken, daß dieses Jahr in jeder Art heiliger Tätig-keit fruchtbarer werde als das vorhergegangene. Denn in dem Maße, alsdie Jahre vergehen und die Ewigkeit herannaht, müssen wir auch unse-ren Mut verdoppeln und unseren Geist zu Gott erheben und ihm inallem, was Beruf und Stand auferlegen, aufmerksamer dienen.

Ich möchte Ihnen gern die Bücher29 schicken, die ich Ihnen und mei-ner Tante, Frau von Cornillon, versprochen habe; aber ich habe keineinziges mehr gefunden. Sie müssen also ein wenig Geduld mit mir ha-ben wie mit einem schlechten Zahler.

Meine liebe Schwester, seien Sie indes guten Mutes, Ihr Kind zur Weltzu bringen; ich sage dies vom Kind Ihres Leibes und von dem IhresHerzens, vor allem aber von dem Ihres Herzens. Ich meine Unseren

I. Cornillon 570

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Herrn, den Sie, ich bin dessen sicher, in Ihrem Leben und in sich selbstvon nun an viel besser hervorbringen wollen. Das ist aber ein Kind, dasim Gegensatz zu den anderen die Mutter erleichtert, nährt und aufrechthält. So müssen auch Sie, meine Tochter, all Ihre Hoffnung, Ihre Liebeund Ihr Vertrauen in Ihn legen, denn so werden Sie immer froh undzufrieden leben.

XIV, 254-255 (577) Sales, 4. März 1610.Meine sehr liebe Schwester, meine Tochter!

Trösten wir uns, so gut wir können, über das Hinscheiden unserer gu-ten Mutter,30 denn die Gnaden, die Gott ihr erwiesen hat, um ihr einseliges Ende zu schenken, sind recht sichere Zeichen dafür, daß ihreSeele liebevoll in die Arme seiner göttlichen Barmherzigkeit aufgenom-men wurde, so daß sie wohl glücklich ist, den Mühen dieser Welt entzo-gen und enthoben zu sein. Auch wir, liebe Schwester, werden glücklichsein, wenn wir wie sie den Rest unserer Tage in der Furcht und LiebeUnseres Herrn verbringen, wie wir es einander vor kurzem in Annecyversprochen haben. Seine göttliche Majestät lockt uns auf diese Weisezur Sehnsucht nach dem Himmel, indem sie uns nach und nach allesdorthin entführt, was uns hier unten am teuersten war.

Seien Sie also recht getröstet, meine liebe Tochter, und wenn Ihr Herznicht verhindern kann, Trauer über diese Trennung zu empfinden, sotrachten Sie doch, sie durch die Ergebung, die wir dem Wohlgefallenunseres Erlösers schulden, zumindest so zu mäßigen, daß seine Gütenicht verletzt werde, noch die Frucht Schaden erleide, die er in IhrenSchoß gelegt hat.

Zu Ihrer Befriedigung muß ich Ihnen noch sagen: Bevor diese arme,gute Mutter von Annecy abreiste, erforschte sie den ganzen Zustand ih-res Gewissens und erneuerte alle ihre guten Entschlüsse, Gott zu dienen.Sie ging zufriedener von mir fort als je sonst; denn Gott wollte nicht, daßsie im Zustand der Schwermut wäre, wenn er sie zu sich nähme.

Also, meine liebe Schwester, meine Tochter, lieben Sie mich immersehr, denn ich bin mehr denn je der Ihre. Möge es Gott gefallen, daß Siedie Karwoche mit uns feiern können; ich wäre darüber sehr getröstet.Leben Sie wohl, meine Tochter, ich bin Ihr sehr liebender Bruder undDiener ...

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XIV, 338-339 (614) Annecy, 6. August 1610.Meine sehr liebe Schwester!

Ich schreibe Ihnen gerade nur, um Ihnen guten Abend zu wünschenund Ihnen zu versichern, daß ich nie aufhöre, Ihnen tausend und abertau-send Segnungen des Himmels zu wünschen, auch meinem Herrn Bru-der. Vor allem aber wünsche ich Ihnen den Segen, immer mehr umgebil-det zu werden in Unseren verklärten Herrn. Wie schön ist doch seinAntlitz und wie gütig und erstaunlich liebevoll sind seine Augen, undwie gut ist es doch, auf dem Berg der Verklärung bei ihm zu sein (Mt17,4). Dorthin, meine liebe Schwester, meine Tochter, müssen wir unse-re Sehnsucht und unsere Liebesaffekte richten, nicht auf diese Erde, woes nur nichtige Schönheit und schöne Nichtigkeiten gibt.

Nun, dank diesem Heiland sind wir im Aufstieg zum Berg Tabor be-griffen, da wir feste Entschlüsse gefaßt haben, seiner göttlichen Güte gutzu dienen und sie zu lieben; wir müssen uns also zu einer heiligen Hoff-nung ermutigen. Steigen wir immer aufwärts, meine liebe Schwester,steigen wir, ohne müde zu werden, hinauf zu diesem himmlischen An-blick des Heilands. Entfernen wir uns allmählich von den irdischen undniederen Affekten und streben wir nach der Seligkeit, die uns bereitet ist.

Ich beschwöre Sie, meine liebe Tochter, Unseren Herrn eifrig für michzu bitten, er möge mich künftig auf den Wegen seines Willens halten,damit ich ihm in Aufrichtigkeit und Treue diene. Sehen Sie, meine sehrliebe Tochter, ich wünsche, entweder zu sterben oder Gott zu lieben,entweder Tod oder Liebe, denn Leben ohne diese Liebe ist sehr vielschlimmer als der Tod. Mein Gott, meine liebe Tochter, wie glücklichwerden wir sein, wenn wir diese allerhöchste Güte lieben, die uns soviele Gnaden und Segnungen bereitet! Gehören wir alle ihr doch ganzan, meine Tochter, inmitten so vieler Schwierigkeiten, die die Mannig-faltigkeit weltlicher Angelegenheiten uns bringen. Wie wollen wir unse-re Treue besser beweisen können als unter den Widerwärtigkeiten? Ach,meine sehr liebe Tochter, meine Schwester, die Einsamkeit hat ihre Stür-me und die Welt ihre Plagen; überall müssen wir guten Mutes sein, dennüberall steht der Beistand des Himmels bereit für jene, die auf Gott ihrVertrauen setzen, die demütig und gelassen seinen väterlichen Beistanderflehen.

Ich bin sicher, daß Sie immer innerhalb unserer heiligen EntschlüsseIhren Weg gehen; regen Sie sich also nicht auf über diese kleinen Angrif-fe von Unruhe und Ärger, welche die Vielfalt häuslicher Angelegenhei-ten Ihnen bereiten. Nein, meine liebe Tochter, denn das dient Ihnen als

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Übung der teuersten und liebenswertesten Tugenden, die Unser Herruns empfohlen hat (Mt 11,29). Glauben Sie mir, die wahre Tugend findetnicht in der äußerlichen Ruhe Nahrung, nicht mehr als die guten Fischein den faulenden Gewässern der Sümpfe ...

XIV, 364 (629) Sales, 23. oder 24. November 1610.... Ich habe erfahren, daß mein Bruder31 und Sie immer mehr von den

Launen Ihres Vaters32 geplagt werden. Meine Tochter, wenn Sie diesesKreuz gut zu tragen wissen, werden Sie sehr glücklich sein, denn Gottwird Ihnen tausend Segnungen dafür schenken, nicht nur im anderen,sondern sogar in diesem Leben; aber Sie müssen mutig und beharrlichsein in der Sanftmut und Geduld.

Frau von Chantal empfiehlt sich Ihnen tausendmal sehr liebevoll undwünscht Ihnen ein ständiges Wachsen in der Liebe Gottes. Leben Siewohl, meine liebe Tochter, meine Schwester; ich bin Ihr Bruder, ganzder Ihre ...

In Sales, wo ich Freitags abreise, um in diesem Advent meine Pflichtzu erfüllen.33

XVI, 92-93 (928) Annecy, 12. November 1613.Meine sehr liebe Schwester!

Meine Hoffnung, nach Sales zu kommen, ließ mich ein Wiedersehenmit Ihnen erwarten. Ich habe diese Hoffnung noch nicht ganz aufgege-ben, aber das Wetter, das so kalt geworden ist, schiebt diese Erwartungein wenig hinaus. Meine Brüder34 werden Ihnen jedoch diese paar Zeilenbringen, durch die ich Sie mit der ganzen Liebe und Achtung grüße, dieein ganz innig liebender Bruder seiner liebsten Schwester entgegenbringt.Ich schicke Ihnen einen Rosenkranz, der an den Reliquien des hl. Karlberührt ist, denn ich konnte Ihnen nichts Wertvolleres aus diesem Landmitbringen. Hätte ich nicht geglaubt, Ihnen diesen selbst in die Handdrücken zu können, hätte ich Ihnen diesen schon längst geschickt.

Ich vergesse nicht, meinen Brüdern von Ihrem Wunsch zu sprechen,aber mein Bruder Villaroget,35 der die Angelegenheit beilegen soll,braucht immer lang zu allen Dingen; ich werde ihn aber drängen, damitIhr Herz zufrieden sei. Aber das ist es schon jetzt, meine sehr liebe Schwe-ster, meine Tochter, da Sie Unseren Herrn fürchten und lieben. Tun Siedas immer und behalten Sie mich in Ihrem Wohlwollen mit meinemBruder,36 denn ich bin Ihr recht ergebener Bruder und Diener, der Sieganz lieb hat ...

I. Cornillon 629, 928

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XVIII, 16-18 (1316) Annecy, 30. Mai 1617.O Gott, meine arme, recht liebe Schwester, wie sehr bekümmert mich

der Schmerz, den Ihr Herz erleiden wird wegen des Hinscheidens desarmen Bruders,37 der uns allen so teuer war! Aber es hilft nichts: wirmüssen unseren Willen auf den Willen Gottes ausrichten, der – wennman alles wohl überlegt – diesem armen Verschiedenen sehr viel Gnadedadurch erwiesen hat, daß er ihn aus einer Zeit und einem Beruf nahm,wo es so viele Gefahren gibt, die ewige Seligkeit zu verlieren.

Ich meinerseits, meine liebe Tochter, habe mehr als einmal aus diesemAnlaß geweint, denn ich liebte diesen Bruder zärtlich und konnte nichtverhindern, den Schmerz zu fühlen, den die Natur mir verursacht hat;dennoch aber bin ich jetzt ganz entschlossen und getröstet, da ich erfah-ren habe, wie fromm er in den Armen der Barnabiten-Patres und unseresRitters38 verschieden ist, nachdem er seine Generalbeichte abgelegt, drei-mal sich mit Gott wieder ausgesöhnt und recht andächtig die Kommuni-on und die Letzte Ölung empfangen hatte. Was kann man ihm für dieSeele Besseres wünschen?

Und für den Leib fand er so viel Beistand, daß ihm nichts gefehlt hat.Der Fürst-Kardinal39 und die Prinzessin40 ließen ihn besuchen und dieDamen des Hofes schickten ihm Geschenke und schließlich sandte derFürst-Kardinal nach seinem Hinscheiden zwölf Leuchter mit dem Wap-pen Seiner Hoheit, um seine Beerdigung ehrenvoll zu gestalten.

Gott sei also immerdar gepriesen für die Sorge, die er getragen hat, umdiese Seele unter seine Auserwählten aufzunehmen! Was sollten wirschließlich anderes anstreben?

Es läßt sich gar nicht schildern, wie überaus tugendhaft seine arme,kleine Witwe41 sich bei diesem Anlaß erwiesen hat. Wir werden sie nocheinige Tage hierbehalten, bis sie sich wieder ganz gefaßt hat. Kein Mannwurde allgemeiner betrauert als er.

Trösten wir denn, meine sehr liebe Tochter, unsere Herzen, so gut wires vermögen, und halten wir alles für gut, was Gott zu tun gefallen hat;denn auch alles, was er getan hat, ist recht gut (Sir 29,21). Ich richtediesen Brief gleichzeitig an meinen sehr lieben Bruder und auch an Siemit der Hoffnung, uns recht bald zu sehen Ich bin ohne Ende völlig ganzder Ihre und Ihr sehr ergebener Bruder und Diener ...

I. Cornillon 1316

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II. Briefe an FII. Briefe an FII. Briefe an FII. Briefe an FII. Briefe an Frau Brrau Brrau Brrau Brrau Brularularularularularttttt

(1604 – 1613)(1604 – 1613)(1604 – 1613)(1604 – 1613)(1604 – 1613)

Marie Brulart, Tochter von Claude Bourgeois, Herrn von Crépy, und vonFrançoise de Monthelon, hatte Nicolas Brulart, Baron de la Borde, geheiratet,der bald (1602) Präsident des Parlamentes von Bourgogne wurde. Sie war eineSchwester der Äbtissin von Puits d’Orbe, Rose Bourgeois de Crépy, mit derFranz von Sales, wie mit der Präsidentin Brulart viel korrespondierte.

Mit Präsidentin Brulart führte Franz von Sales in den Jahren 1604-1613einen regen Briefwechsel. Gestorben ist Präsidentin Brulart im Jahr 1622,wohl nicht sehr alt, da sie 1613 noch gesegneten Leibes war. Franz von Saleshat bei der Nachricht ihres Hinscheidens in einem Brief an die hl. Johanna-Franziska von Chantal recht liebe Worte über sie geschrieben (Brief vom 30.August 1622, DASal 5,368).

Warum sind von 1614-1622 keine Briefe des hl. Franz von Sales an FrauBrulart vorhanden? Hatte sie keine Fragen mehr zu stellen? Es ist auch mög-lich, daß die Briefe des Heiligen aus den letzten Jahren verlorengingen. Oderist zwischen ihrer Familie und Franz von Sales eine gewisse Entfremdung ent-standen, vielleicht wegen der Widerstände dieser Familie gegen eine Reformvon Puits d’Orbe, wie auch gegen eine Klostergründung der Heimsuchung inDijon? Es ist nicht anzunehmen, daß zwischen ihm und Frau Brulart eineDifferenz bestand. Sie war wohl eine etwas willensschwache, aber doch demHeiligen sehr ergebene Frau, von der er nach ihrem Tod sehr lieb geschriebenhat.

Die Briefe an Frau von Brulart zeigen ganz charakteristische Seiten der Seelen-führung des hl. Franz von Sales:

1) sein ständiges Mahnen, sich mit den Mitteln zu heiligen, die Gott uns indem Stand bietet, in den sein heiliger Wille uns gestellt hat – und nicht nachdem Klosterleben zu schielen, wenn man verheiratet ist.

2) Diese Mittel sind Gebet, Betrachtung und das ganze Leben zu durchträn-ken vom Gebetsleben, – ferner all die Ärgerlichkeiten gut zu tragen, die dasLeben uns aufgibt.

3) Die Frömmigkeit anziehend zu machen durch Nachgiebigkeit, Herzlich-keit, treue Erfüllung der Standespflichten, auch der ehelichen Verpflichtungen,Freundlichkeit auch gegen Untergebene.

4) In Schwierigkeiten mit Beichtvätern vorsichtig, aber nicht überempfind-lich zu sein, nicht zu schwierig in der Wahl von Beichtvätern zu sein, sie nichtleicht aufzugeben, aber doch seine Freiheit wahren.

5) Durch Frömmigkeitsübungen nicht lästig zu werden, lieber auf nicht Not-

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wendiges verzichten, als üble Laune beim Mann oder Vater (der damals sehrmännlich geführten Familie) hervorzurufen.

In der Form sind diese Briefe, wie überhaupt alle seine Seelenführungsbriefeüberaus herzlich und zugleich sehr vornehm, mehr empfehlend als befehlend. –Sie sind Anwendungen der Lehren der „Anleitung zum frommen Leben“ füreinen besonderen Fall, d. h. für das Leben einer bestimmten Dame in der Weltunter bestimmten Voraussetzungen. Die Grundsätze werden für alle die glei-chen sein, die Anwendung paßt sich den gegebenen Umständen an, wie Franzvon Sales in der Anleitung schreibt, daß die Frömmigkeit wohl in der eifrigenErfüllung des göttlichen Willens aus Liebe besteht, aber den Umständen ent-sprechend anders beim Adeligen, beim Bauern, beim Handwerker usw. In die-sen Briefen an Frau Brulart sehen wir konkret vor uns, wie das Leben einerfrommen, vornehmen Dame nach den Anweisungen des hl. Franz von Salessein sollte.

XII, 267-271 (217) Annecy, 3. Mai 1604.Gnädige Frau!

Ich kann Ihnen das Versprochene nicht sogleich senden, da mir nichtgenügend Zeit zur Verfügung steht, um alles zusammenzustellen, wasich Ihnen über das zu sagen habe, was Sie von mir erläutert haben wollen.So will ich es Ihnen auf mehrere Male verteilt schreiben. Es wird so fürmich leichter sein und Sie werden Zeit haben, meine Ratschläge gut zuüberdenken.

Sie haben den heißen Wunsch nach christlicher Vollkommenheit; dasist der hochherzigste Wunsch, den Sie haben können; hegen Sie ihn gutund lassen Sie ihn alle Tage größer werden. Die Mittel, zu dieser Voll-kommenheit zu gelangen, sind verschieden, entsprechend der Verschie-denheit der Berufe; denn Ordensleute, Witwen und Verheiratete sollenalle nach Vollkommenheit streben, aber diese nicht mit den gleichenMitteln zu erreichen suchen. Ihre Mittel als verheiratete Frau liegendarin, sich gut mit Gott und Ihrem Nächsten und mit dem zu vereinigen,was von diesen abhängt.

Das Mittel aber, sich mit Gott zu vereinigen, muß in der Hauptsacheder Gebrauch der Sakramente und das Gebet sein.

Was den Sakramentenempfang betrifft, sollen Sie niemals einen Mo-nat verstreichen lassen, ohne zu kommunizieren, und nach einiger Zeitwerden Sie entsprechend Ihrem Fortschritt im Dienst Gottes und nachdem Rat Ihrer geistlichen Väter sogar noch häufiger kommunizierenkönnen. Was aber die Beichte betrifft, will ich Ihnen anraten, noch öftervon ihr Gebrauch zu machen, vor allem wenn Ihnen irgendeine Unvoll-

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kommenheit unterkommt, die Ihrem Gewissen Kummer bereitet, wiedies oft zu Beginn des geistlichen Lebens der Fall ist. Sollten Sie jedochdie erforderlichen Gelegenheiten zur Beichte nicht haben, werden Be-dauern und Reue sie ersetzen.

Das Gebet sollen Sie recht häufig pflegen, besonders die Betrachtung,für die Sie sich, so scheint es mir, gut eignen. Verrichten Sie diese alsoalle Tage für die Dauer einer kleinen Stunde am Morgen vor dem Fortge-hen oder auch vor dem Abendessen; hüten Sie sich aber davor, sie nachdem Mittag- und Abendessen zu verrichten, denn das würde Ihrer Ge-sundheit abträglich sein. Eine Hilfe für die gute Verrichtung dieser Be-trachtung ist es, schon vorher den Betrachtungsgegenstand zu wissen,damit Sie ihn sogleich bereit haben, wenn Sie mit dem Gebet beginnen.Zu diesem Zweck sollen Sie die Bücher haben, in denen Betrachtungs-punkte über das Leben und Sterben Unseres Herrn niedergelegt sind,wie die von Granada, Bellintani, Capillia und Bruno. Aus diesen werdenSie die gewünschte Betrachtung auswählen, sie aufmerksam durchlesen,damit Sie sich diese dann während des innerlichen Gebetes gut vor Au-gen halten können. Dann haben Sie nichts anderes zu tun, als sie gut zuüberdenken, immer gemäß der Methode, die ich in der Ihnen am Grün-donnerstag überreichten Betrachtung schriftlich niedergelegt habe.

Außerdem richten Sie oft Stoßgebete an Unseren Herrn und zwar zujeder Ihnen möglichen Stunde und in jeder Gesellschaft, wobei Sie im-mer Gott in Ihrem Herzen und Ihr Herz in Gott anschauen. Lesen Siegern in den Büchern von Granada über das Gebet und die Betrachtung,denn nichts könnte Sie besser und ergreifender unterrichten. Ich möch-te, daß kein Tag vergehen soll, ohne daß Sie der Lektüre irgendeinesgeistlichen Buches eine halbe oder eine Stunde schenken, denn diesewird Ihnen als Predigt dienen. Das sind die Hauptmittel, um sich gut mitGott zu vereinigen.

Es gibt eine große Anzahl von Mitteln, um sich mit dem Nächsten zuvereinigen, aber ich will Ihnen nur einige nennen. Wir müssen den Näch-sten in Gott betrachten, denn Er will ja, daß wir ihn lieben und gut zuihm seien. Dazu mahnt auch der hl. Paulus (Eph 6,5-7), wenn er denKnechten aufträgt, Gott in ihren Herren und ihren Herren in Gott zudienen. Wir müssen uns in dieser Liebe zum Nächsten üben, indem wirihn äußerlich umsorgen; und wenn uns dies zu Beginn auch zu widerstre-ben scheint, dürfen wir doch nicht davon ablassen, denn dieses Wider-streben des niederen Seelenbereiches wird schließlich überwunden vonder durch wiederholte Handlungen erlangten Gewohnheit und Geneigt-

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heit dafür. Darauf müssen wir auch unsere Gebete und Betrachtungenbeziehen, denn nachdem wir um die Liebe zu Gott gebetet haben, müs-sen wir auch immer um die Liebe zum Nächsten beten und besonders zujenen, zu denen unser Wille keinerlei Neigung verspürt.

Ich rate Ihnen auch, sich manchmal der Mühe zu unterziehen, Spitälerzu besuchen, Kranke zu trösten, ihre Leiden zu betrachten, in IhremHerzen Mitgefühl mit ihnen zu erwecken und für sie zu beten, wenn Sieihnen kleine Hilfeleistungen erweisen. Bei all dem aber achten Sie sorg-sam darauf, daß Ihr Herr Gemahl, Ihre Dienerschaft und Verwandtennicht Anstoß daran nehmen, wenn Sie zu lange in der Kirche verweilen,sich zu lange zurückziehen und es an Sorge um Ihren Haushalt fehlenlassen, wie dies manchmal geschieht. Vermeiden Sie es auch, sich zumRichter über die Handlungen anderer aufzuspielen, oder sich abfälligüber Gespräche zu äußern, bei denen die Regeln eines frommen Lebensnicht so genau eingehalten werden. Überall soll doch die Nächstenliebevorherrschen und uns erleuchten, daß wir den Wünschen des Nächstenwillfahren in allem, was nicht den Geboten Gottes entgegen ist.

Sie sollen nicht nur fromm sein und die Frömmigkeit lieben, sondernsie auch jedermann liebenswert machen. Das tun Sie aber, wenn sie ande-ren nützlich und angenehm wird. Die Kranken werden Ihre Frömmig-keit lieben, wenn sie dadurch liebevollen Trost empfangen; Ihre Familie,wenn sie erkennt, daß Sie dadurch viel mehr auf ihr Wohl bedacht sind,milder in geschäftlichen Dingen, gütiger im Tadel usw.; Ihr Herr Ge-mahl, wenn er sieht, daß Sie mit wachsender Frömmigkeit umso herzli-cher ihm gegenüber und zärtlicher in der Zuneigung zu ihm sind; IhreVerwandten und Freunde schließlich, wenn sie erkennen, daß Sie ihrenWünschen, die jenen Gottes nicht zuwiderlaufen, mehr Offenheit, Un-terstützung und Nachgiebigkeit entgegenbringen. Kurz, wir müssen un-sere Frömmigkeit möglichst anziehend gestalten.

lch habe eine kurze Abhandlung über die Vollkommenheit des christ-lichen Lebens verfaßt, von der ich Ihnen eine Abschrift schicke, die ichauch Frau von Puits d’Orbe übermittelt haben möchte. Nehmen Sie siegut auf wie auch diesen Brief eines Menschen, der von Liebe erfüllt istfür Ihr geistliches Wohl und nichts mehr wünscht, als das Werk Gottes inIhrem Geist vollendet zu sehen.

Ich bitte Sie, mich Anteil haben zu lassen an Ihren Gebeten und Kom-munionen, wie auch ich Ihnen versichere, daß ich Sie mein ganzes Lebenlang teilhaben lasse an den meinen und immerdar sein werde,

Gnädige Frau, Ihr Ihnen in Jesus Christus zugeneigter Diener.

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XII, 345-352 (233) Sales, (13. Oktober) 1604.

Gnädige Frau!Es war mir eine ganz große Freude, Ihren Brief zu erhalten und zu

lesen. Wie gern möchte ich, daß meine Briefe ein ebensolches Echohervorzubringen vermögen, besonders um den Beunruhigungen abzu-helfen, die in Ihrem Geist entstanden sind, seitdem wir uns nicht mehrgesehen haben. Möge Gott mir die rechten Worte eingeben.

Ich habe Ihnen einmal gesagt und ich erinnere mich gut daran, daß ichin Ihrer Generalbeichte alle Merkmale einer wahrhaftigen, guten undechten Beichte gefunden und keine andere gehört habe, die mich mehrzufriedengestellt hätte. Das ist die reinste Wahrheit, meine liebe FrauSchwester; und glauben Sie mir, daß ich bei solchen Gelegenheiten ganzoffen spreche. Wenn Sie etwas zu sagen unterlassen haben, erwägen Sie,ob es wissentlich und freiwillig geschehen ist; denn in einem solchen Fallmüßten Sie zweifellos die Beichte wiederholen, wenn das, was Sie zusagen unterließen, eine Todsünde war oder wenn Sie es zu jener Zeit ebenfür eine solche hielten. Wenn es sich aber um eine läßliche Sünde han-delte oder wenn Sie es aus Vergeßlichkeit oder mangelndem Erinne-rungsvermögen ausgelassen haben, dann hegen Sie keine Zweifel, meineliebe Schwester; dann sind Sie keineswegs verpflichtet, die Beichte zuwiederholen, sondern es genügt, wenn Sie Ihrem gewöhnlichen Beicht-vater den ausgelassenen Punkt sagen. Dafür verbürge ich mich. HabenSie auch keine Sorge darüber, daß Sie Ihrer Generalbeichte vielleichtnicht die nötige Sorgfalt angedeihen ließen; ich wiederhole ganz deut-lich und bestimmt: wenn Sie keine freiwillige Unterlassung begangenhaben, brauchen Sie keineswegs die Beichte wiederholen, die wirklichrecht gut war. Bleiben Sie darüber in Frieden. Wenn Sie mit dem PaterRektor darüber sprechen, wird er Ihnen das gleiche sagen, denn es ist dieAnsicht unserer Mutter, der Kirche.

Alle Regeln des Rosenkranzes und des Dritten Ordens verpflichten inkeiner Weise, weder unter schwerer noch unter läßlicher Sünde, wederdirekt noch indirekt; und Sie sündigen bei Nichtbeobachtung derselbennicht mehr, als wenn Sie irgendein anderes gutes Werk zu tun unterlas-sen. Machen Sie sich also keine Sorgen darüber, sondern dienen Sie Gottfrohen und freien Herzens.

Sie fragen mich, woran Sie sich halten sollen, um Frömmigkeit undGeistesfrieden zu erlangen. Meine liebe Schwester, Sie fragen mich danicht wenig; aber ich will versuchen, Ihnen einiges darüber zu sagen,

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denn das bin ich Ihnen schuldig. Beachten Sie aber wohl, was ich Ihnensagen werde. Die Tugend der Frömmigkeit ist nichts anderes als eineallgemeine Neigung und Bereitschaft des Geistes, das zu tun, was er alsGott wohlgefällig erkennt; über diese Herzensbereitschaft sagt David(Ps 18,32): „Gelaufen bin ich die Wege Deiner Gebote, als Du meinHerz weit aufgetan hast.“ Solche, die einfach gute Menschen sind, gehenauf dem Weg Gottes; die Frommen aber laufen, und wenn sie sehr frommsind, dann fliegen sie.

Nun will ich Ihnen einige Regeln sagen, die beobachtet werden müs-sen, wenn man wahrhaft fromm sein will.

Vor allen Dingen muß man die allgemeinen Gebote Gottes und derKirche befolgen, die für jeden echten Christen Geltung haben; ohnediese kann es keine Frömmigkeit in der Welt geben, das weiß jeder.Außer diesen allgemeinen Geboten aber muß man sorgsam die persön-lichen Verpflichtungen beobachten, die jedem durch seinen Beruf auf-erlegt sind; wer das nicht tut, der verbliebe – selbst wenn er Tote aufer-wecken würde – trotzdem in der Sünde und verdammt, wenn er darinstürbe. So ist z. B. den Bischöfen befohlen, ihre Schäflein zu besuchen,sie zu lehren, aufzurichten und zu trösten. Sollte ich die ganze Wocheim Gebet verharren und mein ganzes Leben fasten – wenn ich dies abernicht tue, gehe ich verloren. Wenn ein verheirateter Mensch Wunderwirkt, seine ehelichen Pflichten aber nicht erfüllt oder sich nicht umseine Kinder kümmert, ist er schlechter als ein Heide, sagt der hl. Pau-lus (1 Tim 5,8), und so fort.

Zweierlei Arten von Geboten also müssen als Grundlage jeder Fröm-migkeit beobachtet werden; und dennoch besteht die Tugend der Fröm-migkeit nicht darin, daß man diese Gebote beobachtet, sondern daß mandies bereitwillig und gern tut. Um nun diese Bereitschaft zu erwerben,muß man mehrere Erwägungen in Betracht ziehen.

Erstens, weil Gott es so will. Es ist nur recht und billig, daß wir seinenWillen tun, denn dazu sind wir ja auf dieser Welt (1 Petr 4,2). Ach, wirbitten ihn doch alle Tage, daß sein Wille geschehe (Mt 6,10), und wenn esdann dazu kommt, macht es uns soviel Mühe! Wir opfern uns Gott so oftauf, wir sagen ihm alle Augenblicke: Herr, ich bin Dein (Ps 19,94), da istmein Herz. Wenn er sich aber unser bedienen will, sind wir so feig! Wiekönnen wir sagen, daß wir ihm gehören, wenn wir unseren Willen nichtdem seinen anpassen wollen?

Die zweite Erwägung ist, daß wir an die Beschaffenheit der GeboteGottes denken, von denen nicht nur die allgemeinen, sondern auch die

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besonderen des Berufes liebevoll, gnädig und gütig sind. Was läßt Siediese dann so ärgerlich empfinden? Nichts in Wahrheit als nur Ihr Ei-genwille, der um jeden Preis in Ihnen herrschen will. Die Dinge, die er –wenn sie ihm nicht anbefohlen wären – vielleicht anstreben würde, ver-wirft er, weil sie ihm eben anbefohlen werden. Von hunderttausend köst-lichen Früchten wählte Eva die einzige, die ihr verboten worden war(Gen 3,1-6), und sie hätte zweifellos nicht davon gegessen, wenn sie ihrerlaubt gewesen wäre. Mit einem Wort, wir wollen Gott dienen, abernach unserem Willen und nicht nach dem seinen. Saul war befohlenworden, alles, was er in Amalek antreffen würde, zu vernichten und zuzerstören: er zerstörte auch alles bis auf die Wertgegenstände, die erzurückbehielt und aufopferte; aber Gott gab ihm kund, er wolle keinOpfer wider den Gehorsam (1 Sam 15,3-23). – Gott befiehlt mir, denSeelen zu dienen, und ich will in der Betrachtung verharren; das betrach-tende Leben ist gut, aber nicht auf Kosten des Gehorsams. Wir habennicht nach unserem Willen zu wählen; wir müssen sehen, was Gott will,– und wenn Gott will, daß ich ihm in etwas Bestimmten diene, darf ichihm nicht in etwas anderem dienen wollen. Gott wollte, daß Saul ihmdiene als König und Feldherr, Saul aber wollte ihm als Priester dienen (1Sam 13,9-13); kein Zweifel, daß diese Eigenschaft jene an Wert über-ragt; dennoch gab Gott sich nicht damit zufrieden. Er will, daß man ihmgehorche.

Es ist doch merkwürdig! Gott hatte den Kindern Israels das Mannageschenkt, diese köstliche Speise (Ex 16,14-31; Lev 11,7-9; Weish 16,20);sie aber wollen nichts davon, sondern sehnen sich in ihren Wünschennach dem Knoblauch und den Zwiebeln Ägyptens (Lev 11,4-5). Unserearmselige Natur will immer, daß ihr Wille geschehe und nicht der WilleGottes. In dem Maße aber, als wir weniger Eigenwillen haben, werdenwir leichter den Willen Gottes beobachten.

Drittens muß bedacht werden, daß es keinen Beruf gibt, der nicht Un-angenehmes, Bitteres und Ekelhaftes mit sich bringt. Dazu kommt noch,daß – bis auf jene, die völlig dem Willen Gottes hingegeben sind – jederseinen Stand gern gegen den anderer austauschen möchte. Jene, die Bi-schöfe sind, möchten es nicht sein; die verheiratet sind, möchten unver-heiratet sein und die Unverheirateten möchten verheiratet sein. Woherstammt diese allgemeine Unruhe der Seelen, wenn nicht aus einem ge-wissen Unbehagen, das wir gegen den Zwang hegen, und einer verkehr-ten Geisteshaltung, die uns vorspiegelt, jedem anderen ginge es besser alsuns?

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Aber es ist immer dasselbe: Wer sich nicht ganz Gott hingibt, wird –mag er sich auch da- und dorthin wenden – niemals Ruhe finden. DieFieber haben, liegen nirgends gut; kaum sind sie eine Viertelstunde ineinem Bett, möchten sie schon wieder in einem anderen sein: nicht dasBett kann etwas dafür, sondern das Fieber treibt sie immer herum. EinMensch, der kein Fieber des Eigenwillens kennt, gibt sich mit allemzufrieden. Wenn nur Gott damit gedient ist, kümmert es ihn nicht, inwelcher Weise Gott sich seiner bedient. Wenn nur sein göttlicher Willegeschieht, ist ihm alles eins.

Aber das ist nicht alles. Man muß nicht nur den Willen Gottes tunwollen, sondern – um fromm zu sein – muß man ihn freudig erfüllen.Wenn ich nicht Bischof wäre, würde ich vielleicht, wenn ich wüßte, wasich jetzt weiß, es nicht sein wollen; da ich es aber bin, bin ich nicht nurverpflichtet, das zu tun, was dieser mühevolle Beruf erfordert, sondernich muß es auch freudig tun, es gern tun und damit einverstanden sein.Das sagt ja auch der hl. Paulus (1 Kor 7,24): „Jeder bleibe vor Gott inseinem Beruf.“ Wir sollen nicht das Kreuz der anderen tragen, sondernunser eigenes. Damit aber jeder sein Kreuz trage, will Unser Herr, daßjeder sich selbst verleugne (Mt 16,24), d. h. seinen Eigenwillen verleug-ne. „Ich möchte gern das und jenes“, oder „ich wäre gern hier und dort“,das sind eben Versuchungen. Unser Herr weiß wohl, was er tut; tun wir,was er will, bleiben wir doch, wohin er uns gestellt hat.

Sie möchten aber, meine gute Tochter (erlauben Sie, daß ich nachmeinem Herzen zu Ihnen spreche, denn ich habe Sie als solche lieb),gern eine kleine Anleitung zu Ihrer Führung haben.

Außer dem, was ich Ihnen zu überlegen gegeben habe:1. Halten Sie alle Tage die Betrachtung, entweder am Vormittag oder

eine bis zwei Stunden vor dem Nachtessen, und zwar über das Leben undSterben Unseres Herrn; und bedienen Sie sich hierzu des KapuzinersBellintani oder des Jesuiten Bruno. Ihre Betrachtung soll nur eine gutehalbe Stunde dauern und nicht länger, und an deren Schluß fügen Sieimmer eine Erwägung des Gehorsams Unseres Herrn Gott Vater gegen-über hinzu; denn Sie werden finden, daß er alles, was er getan hat, nur tat,um den Willen seines Vaters zu erfüllen (Joh 5,30; 6,38), und bemühenSie sich mit allen Kräften, eine tiefe Liebe zum Willen Gottes zu gewin-nen.

2. Bevor Sie eine Ihnen unangenehme Aufgabe Ihres Berufes erfüllenoder sich darauf vorbereiten, denken Sie daran, daß die Heiligen andere,viel größere und schwierigere Dinge freudig getan haben. Die einen ha-

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ben das Martyrium, die anderen die Verachtung der Welt erlitten. Der hl.Franziskus und so viele Ordensleute unseres Zeitalters haben tausende-male Aussätzige und mit Geschwüren Behaftete geküßt; andere habensich in die Wüste zurückgezogen; andere wieder auf die Galeeren mitden Soldaten; und dies alles, um etwas Gott Wohlgefälliges zu tun. Wasaber tun wir schon, was diesem an Schwierigkeit ähnlich wäre?

3. Denken Sie oft und oft, daß alles, was wir tun, seinen wahren Wertgewinnt, wenn es aus unserer Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottesheraus geschieht. Wenn ich also esse und trinke, weil es der Wille Gottesist, daß ich dies tue, bin ich Gott wohlgefälliger, als wenn ich ohne dieseAbsicht den Tod erleiden würde.

4. Ich möchte, daß Sie während des Tages oft Gott anrufen, er mögeIhnen die Liebe zu Ihrem Beruf schenken, und daß Sie wie der hl. Paulusbei seiner Bekehrung sagen (Apg 9,6): „Herr, was willst Du, daß ichtue?“ Willst Du, daß ich Dir im niedrigsten Dienst Deines Hauses diene?Ach, dann würde ich mich noch für mehr als glücklich ansehen. Wennich Dir nur dienen kann, kümmert es mich nicht, worin dieser Dienstbesteht. Und wenn Sie dann im Besonderen zu dem kommen, was Ihnenärgerlich ist, sagen Sie: Willst Du, daß ich dies oder jenes tue? Ach Herr,noch bin ich dafür nicht würdig; ich will es aber sehr gerne tun. So wer-den Sie sich tief demütigen. O mein Gott, welchen Schatz werden Siedadurch erwerben, einen zweifellos viel größeren, als Sie vermeinen.

5. Ich möchte, daß Sie erwägen, wieviele männliche und weiblicheHeilige, sowohl des Neuen wie des Alten Testamentes, in Ihrem Berufund Stand waren und daß sie sich alle mit großer Liebe und Ergebunghineingefunden haben: Sara, Rebekka, die hl. Anna, die hl. Elisabet, diehl. Monika, die hl. Paula und hunderttausend andere; das wird Sie auf-muntern, wenn Sie sich ihren Gebeten empfehlen.

Wir müssen lieben, was Gott liebt; nun liebt er unseren Beruf; liebenwir ihn auch und halten wir uns nicht damit auf, an den Beruf der ande-ren zu denken. Tun wir unsere Pflicht; für keinen ist sein Kreuz zu schwer.Bringen Sie behutsam das Amt der Marta mit dem der Magdalena inVerbindung (Lk 10,38-43); verrichten Sie eifrig Ihre Berufsarbeit, keh-ren Sie aber oft zu sich selbst zurück, im Geist zu Füßen Unseres Herrn,und sagen Sie: Mein Herr, ob ich nun laufe oder stillstehe, ich gehöreganz Dir und Du gehörst mir (Hld 2,16; 6,2); Du bist mein erster Bräu-tigam und alles, was ich tun werde, geschieht aus Liebe zu Dir, ob es diesoder das sei.

Sie werden die Anleitung zur Betrachtung sehen, die ich der Frau von

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Puits d’Orbe schicke. Ich wünsche, daß Sie sich davon eine Abschriftmachen und sich ihrer bedienen. Es scheint mir, daß Sie sich, wenn Sieam Morgen eine halbe Stunde das innerliche Gebet pflegen, damit be-gnügen sollen, alle Tage eine Messe zu hören und untertags eine halbeStunde ein geistliches Buch zu lesen wie Granada oder einen anderenguten Schriftsteller. Machen Sie die Gewissenserforschung am Abendund Stoßgebete während des Tages. Ich empfehle Ihnen sehr, den „Geist-lichen Kampf“ zu lesen. An Sonn- und Feiertagen können Sie außer derMesse auch die Vesper (aber dies ohne Verpflichtung) und die Predigthören.

Vergessen Sie nicht, alle acht Tage zu beichten und außerdem, wennSie irgendwelche große Gewissensnöte haben. Hinsichtlich der Kom-munion überschreiten Sie, wenn es nicht dem Wunsch Ihres Gemahlsentspricht, gegenwärtig nicht die Grenzen dessen, was wir in St. Claude1

sagten: bleiben Sie stark und kommunizieren Sie im Geist; Gott wirddafür die Bereitschaft unseres Herzens annehmen.

Denken Sie daran, was ich Ihnen so oft gesagt habe: Machen Sie unse-rer Frömmigkeit Ehre; lassen Sie sie allen Menschen Ihrer Umgebung,vor allem aber Ihrer Familie sehr liebenswert erscheinen; bewirken Sie,daß jeder gut von ihr spricht. Mein Gott, wie glücklich sind Sie, einen sovernünftigen und willigen Gatten zu haben! Sie sollten Gott recht dafürpreisen. – Wenn Sie auf irgendwelchen Widerspruch stoßen, so ergebenSie sich ganz Unserem Herrn und trösten Sie sich in dem Bewußtsein,daß seine Gunsterweise nur für die Guten sind oder für jene, die sichanschicken, es zu werden (2 Tim 3,12).

Im übrigen wissen Sie, daß mein Geist ganz Ihnen gehört. Gott weiß,daß ich weder Sie noch Ihre ganze Familie jemals in meinen schwachenGebeten vergesse; Sie stehen zutiefst eingegraben in meiner Seele. Gottsei Ihr Herz und Ihr Leben!

XII, 395-396 (242) Annecy, um den 22. November 1604.Gnädige Frau!

Ich preise Gott von ganzem Herzen, weil ich in Ihrem Brief den gro-ßen Mut erkenne, mit dem Sie alle Schwierigkeiten überwinden wollen,um wahrhaft und heiligmäßig fromm in Ihrem Beruf zu sein. Tun Sie dasund erwarten Sie von Gott große Segnungen, mehr zweifellos in einerStunde solch guter und richtig geregelter Frömmigkeit als in hundertTagen einer ausgefallenen, melancholischen und von Ihrem eigenen Geist

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abhängigen Frömmigkeit. Bleiben Sie fest dabei und lassen Sie sich indiesem Entschluß durch nichts erschüttern.

Sie haben, sagen Sie, auf dem Land ein wenig in Ihren Übungen nach-gelassen. Nun müssen Sie den Bogen wieder spannen und mit umso grö-ßerer Sorgfalt wieder beginnen. Ein anderes Mal aber soll Ihnen derLandaufenthalt nicht solche Ungelegenheiten bereiten. Nein, denn Gottist dort ebenso wie in der Stadt. Sie haben nun die kleine Schrift über dieBetrachtung; benützen Sie diese in Ruhe und Frieden.

Verzeihen Sie mir, liebe gnädige Frau, wenn ich meinen Brief kürzerabfasse, als Sie es wünschen; aber der gute Rose drängt mich so sehr, ihnabzufertigen, daß er mir nicht genug Zeit läßt, schreiben zu können. Ichbitte Unseren Herrn, er möge Ihnen in seinem Heiligen Geist einenbesonderen Beistand verleihen, damit Sie ihm mit Herz und Geist nachseinem Wohlgefallen dienen. Erbitten Sie dies auch für mich, denn ichhabe es nötig; ich selbst vergesse Sie niemals in meinen schwachen Ge-beten.

Ihr Herr Gemahl hat unrecht, mich nicht für seinen Diener anzusehen,denn ich bin es sicherlich, ebenso allem, was Ihnen angehört.

Gott sei immerdar mit Ihnen und in Ihrem Herzen. Amen.

XIII, 14-16 (275) Annecy, (um den 18. Februar) 1605.Und da Sie in der von Ihnen vorgenommenen Änderung2 Fortschritte

und Trost finden, kann ich sie wohl nur gutheißen, da ich sicher bin, daßSie so taktvoll vorgegangen sind, daß Ihr früherer Beichtvater dadurchnicht gekränkt wurde.

Noch sehe ich keine Möglichkeit,3 die mir das Glück versprechen könn-te, Sie in diesem Jahr zu sehen. Sie deuten mir an, daß Sie mich hieraufsuchen wollen; dies scheint mir kein leichtes Unterfangen, noch auchfür längere Zeit ratsam zu sein im Hinblick auf die Bande, mit denenGott Sie dort gebunden hat.4 Wenn die Vorsehung Gottes es aber zuseiner Ehre und zu Ihrem Heil verlangen würde, so könnte sie wohlGelegenheit dazu schaffen, auch wenn wir sie noch nicht sehen, und aneinem Ort, an den wir nicht denken. Dazu braucht es eine völlige Erge-benheit in das Wohlgefallen Gottes. Ich meinerseits, glauben Sie mir dasbitte, habe nicht weniger den Wunsch, Sie wiederzusehen; und zwar aus-giebig, wie Sie selbst es haben möchten; aber wir müssen wissen, was amzuträglichsten und geeignetsten ist. Herr Viardot wird leicht ersetzenkönnen, was ich nur von ferne tun könnte, er ist dazu sehr befähigt.

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Die Ärzte haben mir nun zu Ende dieser Krankheit streng verboten,eigenhändig zu schreiben; darum habe ich die Hand eines anderen dazugebraucht, füge nun nur eigenhändig hinzu, daß Sie sich daran erinnernsollen, was ich Ihnen so sehr empfohlen habe. Wenn Sie sich daran hal-ten, werden Sie tun, was Gott wohlgefälliger ist, als wenn Sie, ohne es zutun, Ihr Leben im Martyrium hingeben würden. Gott will ja mehr denGehorsam als das Opfer (1 Sam 15,22). Unser gütiger Herr wird Ihnen,wenn es ihm gefällt, die Erleuchtung geben, um diesen guten Weg fortzu-setzen, auf dem Sie sich befinden: haben Sie nur guten Mut.

Es freut mich sehr zu sehen, wie hoch Sie das Gut schätzen, Gott die-nen zu dürfen, denn es ist dies ein Zeichen, daß Sie es mit aller Kraft inAngriff nehmen. Ebenso freue ich mich, daß Sie die Ihrigen zufrieden-stellen und daß Sie freudig leben, denn Gott ist der Gott der Freude. TunSie nur so weiter und zwar beharrlich, denn die Krone ist denen be-stimmt, die ausharren (Mt 10,22; Offb 2,10).

O meine sehr liebe gnädige Frau, meine gute Schwester, dieses Lebenist kurz, der Lohn aber für das, was darin geschieht, ist ewig (2 Kor 4,17).Handeln wir gut, stimmen wir dem Willen Gottes bei; er sei der Stern,auf den sich unsere Augen während dieser Seereise heften; dann könnenwir nur gut ankommen. Ich bitte Gott, unseren Heiland, er möge inIhnen und Sie in ihm leben und herrschen.

Ich habe gerade Ihren letzten Brief erhalten, auf den ich nicht mehrantworten kann. Ich will Ihnen nur sagen, daß der Verkehr mit Hugenot-ten nicht absolut verboten ist für jene, die unter ihnen wohnen. Aber mansoll wirklich soviel als möglich davon Abstand nehmen; denn für ge-wöhnlich verursacht er eine gewisse Abkühlung der Frömmigkeit. Esbesteht keine Gefahr darin, bei ihnen einzukaufen, wenn ihre Warenbesser sind als die der anderen.

Ich wünsche Ihnen tausend und abertausend Segnungen und bin, gnädi-ge Frau, unabänderlich Ihr Ihnen in Unserem Herrn ergebener Diener.

XIII, 18-22 (277) (La Roche, März) 1605.Gnädige Frau!

Ihr Brief vom 20. Januar hat mir eine überaus große Befriedigunggewährt, denn inmitten Ihrer Nöte, die Sie mir beschreiben, glaube icheinigen Fortschritt und Gewinn zu erkennen, den Sie im geistlichen Le-ben machten. Ich werde mich kürzer fassen, als ich möchte, weil ichweniger Zeit und mehr Behinderung habe, als ich dachte. Dennoch will

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ich Ihnen genug für den Augenblick sagen und auf eine andere Gelegen-heit warten, Ihnen ausführlich zu schreiben.

Sie sagen mir also, daß Sie betrübt sind, weil Sie sich – wie es Ihnenscheint – mir gegenüber nicht vollkommen genug aufschließen. Ich abersage Ihnen, obwohl ich keine Kenntnis habe über die Handlungen, dieSie in meiner Abwesenheit begehen, denn ich bin kein Prophet: Ich den-ke dennoch, daß trotz der kurzen Zeit, die ich Sie gesehen und gehörthabe, es nicht möglich ist, Ihre Neigungen und deren Triebfedern besserzu kennen, als ich es tue. Ich meine, es gibt da wenig Falten in IhremWesen, in die ich nicht leicht eindringe; und wenn Sie mir auch nur einwenig die Pforte Ihres Geistes aufschließen, scheint es mir doch, daß ichdahinter alles offen daliegen sehe. Das ist ein großer Vorteil für Sie, daSie mich doch zu Ihrem Heil gebrauchen wollen.

Sie beklagen sich, daß entgegen Ihrer Sehnsucht nach Vollkommen-heit und Reinheit der Liebe zu unserem Gott vielerlei Unvollkommen-heiten und Fehler mit Ihrem Leben vermengt sind. Ich antworte Ihnen,daß es uns nicht möglich ist, uns gänzlich unser selbst zu begeben. Solan-ge wir hienieden sind, müssen wir uns selbst ertragen, bis Gott uns in denHimmel trägt, und während wir uns ertragen, tragen wir nichts von Wert.Wir müssen also Geduld haben und dürfen nicht denken, wir könnten aneinem Tag soviel üble Gewohnheiten ablegen, die wir durch unsere ge-ringe Sorge um unsere geistige Gesundheit angenommen haben. Gotthat wohl einige plötzlich geheilt, ohne ihnen eine Spur ihrer vorherge-gangenen Krankheit zurückgelassen zu haben, wie er es an Maria Magda-lena tat, die in einem Augenblick von einer Kloake von Verworfenheitverwandelt wurde in einen reinen Quell von Vollkommenheit, der vondiesem Augenblick an niemals mehr getrübt wurde. Der gleiche Gott hataber auch an vielen seiner ihm teuren Jünger vielerlei Spuren ihrerschlechten Neigungen noch einige Zeit nach ihrer Bekehrung belassen,und das alles zu ihrem größeren Gewinn. Beweis hierfür ist der hl. Pe-trus, der seit der ersten Berufung mehrere Male in Unvollkommenhei-ten fiel und durch seine Verleugnung einmal völlig zusammenbrach undganz elend handelte (Mt 26,69-74).

Salomo sagt (Spr 30,21,23), eine Magd, die plötzlich Herrin wird,werde leicht ein überhebliches Wesen. Es bestünde daher auch für dieSeele, die lange Zeit ihren eigenen Leidenschaften und Neigungen ge-dient hat, große Gefahr, stolz und eitel zu werden, wenn sie in einemAugenblick völlig Herrin über sich würde. Wir müssen uns daher nachund nach und Schritt für Schritt die Beherrschung derselben erwerben,

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auf deren Erreichung manche heilige Frauen und Männer Dutzende Jah-re angewandt haben. Daher heißt es, ich bitte Sie, Geduld haben mitallem, in erster Linie aber mit sich selbst.

Sie tun nichts im Gebet, sagen Sie mir. Aber was möchten Sie denndabei anderes tun, als Sie bereits tun, nämlich Ihre Nichtigkeit und IhrElend Gott vorzustellen und darzustellen? Die schönste Ansprache hal-ten uns die Bettler, wenn sie ihre Geschwüre und Nöte unserem Augeenthüllen. Manchmal aber, sagen Sie, tun Sie nichts von alledem, son-dern verharren nur da wie ein Luftgebilde und eine Statue. Nun, das istgar nicht wenig. In den Palästen der Fürsten und Könige stellt man Statu-en auf, die nur dazu dienen, das Auge des Fürsten zu erfreuen. BegnügenSie sich also damit, als eine solche Statue in der Gegenwart Gottes zudienen, er wird sie beleben, wenn es ihm gefällt.

Die Bäume tragen nur unter der Einwirkung der Sonne Früchte, dieeinen früher, die anderen später, die einen alle Jahre, die anderen alledrei Jahre und nicht immer in der gleichen Weise. Wir sind doch rechtglücklich, in der Gegenwart Gottes bleiben zu dürfen, und sollen unsdamit begnügen, daß diese uns früher oder später, alle Tage oder manch-mal Frucht tragen läßt, ganz nach seinem Wohlgefallen, in das wir unsgänzlich fügen sollen.

Sie sagen mir da ein wunderbares Wort: es ist mir völlig eins, in welcheSauce Gott mich nach seinem Willen legt, wenn ich ihm nur dienenkann. Aber achten Sie darauf, dies so recht und gründlich in Ihrem Geistzu überdenken; verkosten Sie langsam seine Bedeutung und schluckenSie es nicht als ganzes hinunter. Die Mutter Theresia, die Sie so sehrlieben, worüber ich mich freue, sagt an irgendeiner Stelle, daß wir rechtoft solche Worte aus Gewohnheit und einer gewissen Gedankenlosigkeitheraus sagen und meinen, es käme uns aus tiefstem Herzen, obwohl demnicht so ist, wie wir nachher in unserem Handeln sehen. Gut, Sie sagenmir, es sei Ihnen völlig eins, in welche Sauce Gott Sie legt. Nun, Siewissen wohl, in welche Sauce, in welchen Stand und in welche Lebens-weise er Sie gestellt hat; sagen Sie mir doch, ist Ihnen das völlig eins? Siewissen doch ebenso gut, daß er diese tägliche Schuld, von der Sie mirschreiben, von Ihnen bezahlt sehen will, und doch ist Ihnen das nichtvöllig eins. Mein Gott, wie geschickt schleicht sich doch die Eigenliebein unsere Empfindungen ein, so fromm sie auch scheinen und aussehenmögen!

Das ist die Hauptsache: Wir müssen schauen, was Gott will, und wennwir das erkennen, müssen wir versuchen, es froh oder zumindest mutig

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zu tun; und nicht nur das, wir müssen auch diesen Willen Gottes und dieVerpflichtung lieben, die sich uns daraus ergibt, und müßten wir unserganzes Leben lang Schweine hüten und die niedrigsten Arbeiten von derWelt tun; denn es soll uns völlig eins sein, in welche Sauce Gott unsversetzt. Das ist die Mitte der Vollkommenheit, auf die wir immer zielensollen, und wer ihr am nächsten kommt, trägt den Preis davon. Mut, ichbitte Sie: gewöhnen Sie Ihren Willen nach und nach daran, dem WillenGottes zu folgen, wohin er uns auch führt. Bringen Sie ihn dazu, daß ersich sehr betroffen fühlt, wenn Ihr Gewissen Ihnen sagt, Gott will es, undallmählich werden diese Widerstände, die Sie jetzt so stark verspüren,schwächer werden und bald darauf gänzlich aufhören. Im besonderenaber sollen Sie kämpfen, daß das innere Widerstreben nicht nach außenzutage trete, oder es zumindest abschwächen. Unter den Zornigen undUnzufriedenen gibt es solche, die ihr Mißfallen nur mit den Wortenausdrücken: Mein Gott, was soll dies? Die anderen aber sagen viel schär-fere Worte und bezeugen nicht bloß eine einfache Unzufriedenheit, son-dern auch einen gewissen Stolz und Ärger. Ich will sagen, daß wir nachund nach diese Äußerungen abstellen sollen, indem wir sie alle Tageabschwächen.

Ihren Wunsch, die Ihren im Dienst Gottes und im Wunsch nach christ-licher Vollkommenheit Fortschritte machen zu sehen, lobe ich überausund will, wie Sie wünschen, meine schwachen Gebete Ihren Bitten zuGott dafür hinzufügen. Ich muß aber, gnädige Frau, die Wahrheit beken-nen: Ich fürchte ständig, daß in diese Wünsche, die nicht das Wesentli-che unseres Heiles und unserer Vollkommenheit ausmachen, sich Ge-danken von Eigenliebe und Eigenwillen hineinmengen. Wir könntenz.B. uns so sehr bei diesen Wünschen aufhalten, die uns nicht notwendigsind, daß wir in unserem Geist nicht genug Raum lassen für die Wün-sche, die uns notwendiger und nützlicher sind, die nach unserer eigenenDemut, Ergebung, Herzensgüte und ähnlichem. Wir könnten auch soheiße Wünsche hegen, daß sie uns in Unruhe und Geschäftigkeit stürzenund wir sie schließlich dem Willen Gottes nicht so völlig unterwerfen,wie es unerläßlich wäre.

Ähnliches befürchte ich bei solchen Wünschen; darum bitte ich Sie,sich recht in acht zu nehmen, um nicht solchen Unannehmlichkeiten zuverfallen. Ich bitte Sie, auch diesen Wunsch ganz gelassen und liebevollzu verfolgen, d. h. ohne deshalb jenen lästig zu fallen, die Sie zu dieserVollkommenheit überreden wollten, ja ihnen nicht einmal Ihren Wunschaufzudecken, denn das würde, glauben Sie mir, der Sache eher Hinder-

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nisse bereiten als sie fördern. Sie müssen also, durch Beispiel und Worte,in aller Ruhe den Samen von Dingen in sie hineinlegen, die sie zu IhremVorhaben hinführen können, ohne daß Sie sich den Anschein geben, siebelehren oder gewinnen zu wollen, und so nach und nach heilige Einge-bungen und Erkenntnisse in ihren Geist senken. So werden Sie viel mehrgewinnen als auf jede andere Weise, vor allem, wenn Ihr Gebet nochdazukommt ...

XIII, 37-39 (282) um den 20. April 1605.Meine sehr liebe Frau Schwester!

Dadurch, daß Sie mir so oft geschrieben haben, schenkten Sie mirüberaus große Freude. Ich meinerseits habe niemals verfehlt, Ihnen beiallen sich bietenden Gelegenheiten zu schreiben. Ich habe Ihnen bis jetztPunkt für Punkt auf alles geantwortet, worum Sie mich gefragt haben,und weiß, daß Sie bereits meine Briefe in Händen haben.

Es bleibt mir noch zu sagen, daß ich Ihrer guten Schwester, der FrauÄbtissin so ausführlich geschrieben habe, daß ich sie dadurch getröstethoffe. Ich weiß, daß ihr körperliches Wohlbefinden zum guten Teil vonihrer geistlichen Tröstung abhängt. Sie scheint mir ein wenig zu sehrAngst davor zu haben, ich könnte gekränkt sein, wenn sie ihr Inneresirgendjemand anderem aufschließe. In der Tat ist es so, wer einen Nutzenhaben will, darf nicht einmal da, einmal dort unterschiedslos sein Herzausschütten oder bei jeder Gelegenheit seine Lebensmethode und -weiseändern. Doch muß man mit einer gewissen Freiheit leben und, wenn esnotwendig ist, keine Bedenken haben, von jedem zu lernen und sich dieGaben, die Gott in viele hineinlegt, zunutze zu machen. Ich wünschenichts so sehr, als sie weiten Herzens und ohne irgendwelchen Zwang imDienst Gottes zu sehen. Ich sage das auch Ihnen, damit Sie mich rechtverstehen und in aller Freiheit, so gut es geht, auf dem Weg der heiligenVollkommenheit vorwärts streben.

Ich habe ziemlich ausführlich Herrn Viardot geschrieben, dem ich, alsich dort war, sehr Freund geworden bin. Ich bitte ihn, er möge möglichstoft nach dem Kloster von Puits d’Orbe sehen; ich bin sicher, daß er ihmvon Nutzen sein wird. Gott hat ihn zweifellos dafür vorbereitet, wofürich seine göttliche Majestät von ganzem Herzen preise. Was Sie betrifft,meine liebe Schwester, so habe ich Ihnen bereits in einem anderen Briefgesagt, daß ich nicht bloß Ihre Wahl billige, ihn zu Ihrem Beichtvater zunehmen, sondern daß es mich auch freut. Ich sagte Ihnen, Sie könnten

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von ihm erfahren, welche Almosen und andere Akte der Nächstenliebe,die Sie tun wollen und sollen, angemessen sind. Sie werden auch gutdaran tun, ihm in allem übrigen Ihres inneren und geistlichen Verhaltenszu gehorchen. Damit will ich mich aber nicht meiner Pflicht entziehen,alles beizutragen, was Gott mir an Erleuchtung und Kraft schenken wird,denn es wäre mir nicht möglich, das heilige Band zu lösen, mit dem Gottuns verbunden hat.

Festigen Sie alle Tage immer mehr Ihren mit soviel Liebe gefaßtenEntschluß, Gott nach seinem Wohlgefallen zu dienen und ihm ganz zugehören, ohne irgendetwas für Sie oder für die Welt zurückzubehalten.Nehmen Sie seinen heiligen Willen, wie immer er sein mag, in allerAufrichtigkeit auf sich und denken Sie nie, Sie hätten die Reinheit desHerzens erreicht, die Sie ihm schenken sollen, bevor Ihr Wille nicht nurzur Gänze, sondern in allem, und sogar in den Ihnen am meisten wider-strebenden Dingen, freiwillig und freudig sich seinem hochheiligen Wil-len unterworfen hat. Betrachten Sie zu diesem Zweck nicht das Ausse-hen der Dinge, die Sie tun, sondern Ihn, der sie Ihnen befiehlt, der –wenn es ihm gefällt – seinen Ruhm und unsere Vollkommenheit aus denunvollkommensten und schwächsten Dingen zieht (1 Kor 1,27-29).

Nein, keine Höflichkeitsfloskeln zwischen uns; unsere Bande sind nichtaus solchen Stricken gemacht. Sie sind unveränderlich, unzerstörbar undewig, da wir uns im Himmel um der gleichen Liebe zu Jesus Christuswillen lieben werden, die hier unten unsere Herzen und Seelen vereintund mich zu Ihrem sehr ergebenen und wohlgeneigten Diener macht.

XIII, 53-54 (289) Annecy, 10. Juni 1605.Meine sehr liebe Frau Schwester!

Da bin ich daran, Ihnen zu schreiben, und weiß nichts, was ich sagensoll, als daß Sie immer freudig auf diesem himmlischen Weg weiterge-hen sollen, auf den Gott Sie gestellt hat. Ich will ihm mein ganzes Lebenlang für die Gnaden danken, die er Ihnen bereitet hat. Bereiten auch Sieihm Ihrerseits als Gegengabe Ihre ganze Ergebung und leiten Sie IhrHerz tapfer zur Ausführung der Dinge an, von denen Sie wissen, daß ersie von Ihnen will, trotz aller Arten von Widersprüchen, die sich dementgegenstellen könnten.

Schauen Sie nie auf die Beschaffenheit der Dinge, die Sie tun, sondernauf die Ehre, die sie, mögen sie noch so gering sein, haben, von Gottesheiligem Willen gewollt zu sein, von seiner Vorsehung befohlen und

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durch seine Weisheit angeordnet zu werden. Mit einem Wort, wem soll-ten sie unangenehm sein, da sie doch Gott wohlgefällig und als solcheanerkannt sind? Achten Sie darauf, meine sehr liebe Tochter, daß Sie alleTage reineren Herzens werden. Diese Reinheit aber besteht darin, alleDinge nach dem Gewicht des Allerheiligsten abzuschätzen und abzuwä-gen, das nichts anderes ist als der Wille Gottes.

Lieben Sie bitte nichts allzusehr, nicht einmal die Tugenden, die manmanchmal einbüßt, wenn man sie übertreibt. Ich weiß nicht, ob Sie michverstehen, aber ich denke schon; habe ich doch Ihre Wünsche und IhrenEifer vor Augen. Es scheint mir für die Rosen nicht charakteristisch zusein, daß sie weiß sind, denn die purpurfarbenen sind schöner und duftenmehr; weiß zu sein, zeichnet vielmehr die Lilie aus. Seien wir doch, waswir sind, und seien wir es gut, um dem Meister Ehre zu machen, dessenWerk wir sind (Eph 2,10). Man machte sich über den Maler lustig, derein Pferd malen wollte, statt dessen aber einen Stier ausgezeichnet dar-stellte. Das Werk an sich war schön, machte aber dem Künstler wenigEhre, der doch etwas anderes darstellen wollte und nur durch Zufalletwas Gutes zustandebrachte. Seien wir das, was Gott will, vorausge-setzt, daß wir ihm gehören, und seien wir nicht das, was wir gegen seineAbsicht sein wollen; denn wozu würde es dienen, wenn wir die vortreff-lichsten Geschöpfe des Himmels wären, aber nicht in Übereinstimmungmit dem Willen Gottes? Ich spreche vielleicht zuviel davon, will es abernicht mehr so häufig sagen, da doch Unser Herr selbst Sie in dieserHinsicht bereits sehr gestärkt hat.

Tun Sie mir die Liebe, mich über den Gegenstand Ihrer Betrachtungenfür das gegenwärtige Jahr zu unterrichten; es wird mich freuen, ihn zukennen und die Früchte, die sie in Ihnen hervorbringen. Seien Sie fröh-lich in Unserem Herrn, meine liebe Schwester, und bewahren Sie IhrHerz in Frieden. Ich grüße Ihren Herren Gemahl und bin ohne Ende,gnädige Frau, Ihr Ihnen sehr zugeneigter und treuer Diener und Bruder.

XIII, 86-87 (305) Annecy, 28. August 1605.

Gnädige Frau, meine sehr liebe Schwester!Ich schreibe Ihnen gern durch diesen Boten, weil er mir sicher scheint

und mir bald Nachrichten von Ihnen zurückbringen wird, wenn Sie mirwelche durch ihn zukommen lassen wollen. Wie sehr wünsche ich doch,meine liebe gnädige Frau, diese Nachrichten möchten heilig und den

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Gnaden entsprechend sein, die Gott Ihnen erwiesen hat. Aber ich zweif-le in keiner Weise, daß sie immer so sind und daß Sie mir Gewißheitgeben über einigen geistlichen Fortschritt in der Liebe zu Gott und zuIhrer Berufung. Verharren wir daher, meine Schwester, nirgendwo alsnur in Gott; außerhalb können wir ja auch keine Ruhe finden. Haben Sieein großes und nach oben gerichtetes Herz, das seine Ruhe und seinenFrieden inmitten aller Ungewitter zu wahren weiß.

Seit langer Zeit habe ich keine Nachrichten von unserer guten Schwe-ster, der Frau von Puits d’Orbe. Das bekümmert mich, denn sie ist mir soteuer und ich kann mich einer gewissen leichten Unruhe nicht erwehren,wenn ich nicht oft über den Zustand ihrer Seele und ihrer guten Absich-ten unterrichtet bin, sogar im gegenwärtigen Zeitpunkt, da doch Ihr HerrVater selbst mir geschrieben hat, man verhandle ganz offen über dieReform ihres Hauses. Erweisen Sie mir die Liebe, mir bei der Rückreisedieses Boten etwas darüber zu berichten. Der Bote wird ja vielleichtnicht so plötzlich abreisen, daß sie Ihnen nicht selbst Briefe schickenkann, damit ich sie durch seine Vermittlung bekomme.

Ich schreibe nicht an Herrn Viardot; es genügt mir, wenn Sie sich dieMühe nehmen, ihn in meinem Namen zu grüßen und mich ihm für dieZeit, wann er seine Gebete verrichtet, in Erinnerung zu rufen, denen ichmich empfehle, wie auch den Ihren.

Der Heiland der Welt lebe und herrsche in alle Ewigkeit in unserenHerzen, meine liebe Frau Schwester, und ich bin Ihr sehr geringer Bru-der und Diener. Ich bitte Sie, lhrem Gemahl meine besten Empfehlun-gen auszurichten, dessen ergebener Diener ich bin, wie auch der vonHerrn und Frau von Jacot.5

XIII, 148-151 (331) Chambéry (Februar-März) 1606.Gnädige Frau, meine sehr liebe Schwester!

Ich sehe Sie immer leiden unter dem Wunsch nach größerer Vollkom-menheit; ich lobe dieses Leiden, denn es lähmt Sie nicht, das weiß ichwohl; es belebt Sie im Gegenteil und stachelt Sie zu deren Eroberung an.Sie leben, wie Sie sagen, mit tausenderlei Unvollkommenheiten. Dasstimmt, meine gute Schwester; aber versuchen Sie nicht von einer Stun-de auf die andere, sie in Ihnen absterben zu lassen? Solange uns hierdieser so schwerfällige und dem Verderben ausgesetzte Leib umschließt,wird in uns immer irgendetwas fehlen. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen dasschon einmal gesagt habe: Wir müssen Geduld haben mit aller Welt, und

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in erster Linie mit uns selbst, da wir uns selbst lästiger fallen als irgend-ein anderer, seitdem wir zu unterscheiden wissen zwischen dem altenund dem neuen Adam, dem inneren und dem äußeren Menschen.

Sie haben also bei der Betrachtung immer das Buch in Händen, sonsttun Sie nichts. Warum soll Sie das bekümmern? Ob mit dem Buch inHänden und mehrmals wieder anfangend, oder ohne Buch – was liegtdaran? Als ich Ihnen sagte, Sie sollten nur eine halbe Stunde daraufverwenden, geschah dies zu Beginn, da ich fürchtete, lhre Vorstellungs-kraft zu überfordern; jetzt aber besteht keine Gefahr mehr, eine Stundedarauf zu verwenden.

An dem Tag, an dem man kommuninziert hat, kann man ohne jedeGefahr allen Arten von Geschäften nachgehen und Arbeiten leisten;nichts zu tun, wäre gefährlicher. Denken Sie, daß die Christen in derUrkirche, wo alle jeden Tag kommunizierten, deshalb die Arme ver-schränkt hielten? Und der hl. Paulus, der alltäglich die heilige Messefeierte, verdiente dennoch seinen Lebensunterhalt mit der Arbeit seinerHände (Apg 20,34; 1 Thess 2,9).

Von zwei Dingen allein soll man sich am Tag der Kommunion enthal-ten: von Sünde und von Genüssen und Vergnügungen, die man selbstaufsucht; denn jene, zu denen man verpflichtet oder genötigt ist, oder andenen man aus ehrbarer Nachgiebigkeit teilnimmt, sind keineswegs andiesem Tag verboten. Im Gegenteil, sie sind angeraten, sofern man dabeieine freundliche und heilige Mäßigkeit bewahrt. Nein, ich würde nichtdavon Abstand nehmen, an diesem Tag zu einem ehrbaren Festmahloder zu einer anständigen Gesellschaft zu gehen, wenn ich dazu eingela-den wäre, obwohl ich sie von mir aus nicht aufsuchen würde. Ein anderesBeispiel: Verheiratete Leute können an diesem Tag wohl ihre ehelichenPflichten erfüllen, ja sie sollen es; sie zu fordern allerdings wäre einegewisse Ungebührlichkeit, jedoch keine schwere Sünde. Ich bringe ab-sichtlich dieses Beispiel.6

Sie fragen mich, ob jene, die sich um Vollkommenheit bemühen, so-viel von der Welt sehen können. Die Vollkommenheit, meine liebe Dame,besteht nicht darin, die Welt nicht zu sehen, wohl aber darin, nicht Ge-schmack an ihr zu finden und sie nicht zu genießen. Gefahr ist alles, wasunser Blick uns zeigt, denn wer die Welt sieht, ist irgendwie in Gefahr,sie zu lieben; wer aber fest, bestimmt und entschlossen ist, dem schadetein solcher Blick nicht. Mit einem Wort, meine Schwester, die Vollkom-menheit der Liebe ist die Vollkommenheit des Lebens, denn das Lebenunserer Seele ist die Liebe. Unsere ersten Christen waren dem Leib nach

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in der Welt, nicht aber mit dem Herzen, und das hinderte sie nicht, rechtvollkommen zu sein.

Meine liebe Schwester, ich möchte keine Verstellung in uns sehen;keine richtige Verstellung nämlich. Geradheit und Einfachheit sind dieuns eigenen Tugenden. Mich ärgern aber, sagen Sie, falsche Beurteilun-gen meiner Person, die doch nichts Wertvolles tut, man glaubt es aber;und Sie fragen mich nach Abhilfe. Nun, meine liebe Tochter, die Heili-gen haben mich dazu folgendes gelehrt: wenn die Welt uns verachtet,dann freuen wir uns darüber, denn das geschieht mit Recht, denn wirerkennen recht wohl, wie verachtenswert wir sind; wenn die Welt unsaber hochschätzt, dann schätzen wir diese Hochschätzung und diesesUrteil gering ein, denn die Welt ist blind. Fragen Sie wenig danach, wasdie Welt denkt, machen Sie sich keinerlei Sorgen darüber, schätzen Siederen Achtung oder Verachtung nur gering ein und lassen Sie sie reden,was sie will, ob Gutes oder Schlechtes.

Ich billige also nicht, daß man Fehler begehe, um eine schlechte Mei-nung von sich zu verursachen, das heißt doch immerhin Fehler begehenund Ursache sein, daß auch der Nächste Fehler begehe. Ich möchte imGegenteil, daß wir, die Augen auf Unseren Herrn geheftet, unsere Pflich-ten erfüllen, ohne darauf zu achten, was die Welt davon denkt oder wel-che Miene sie dazu macht. Man kann es wohl meiden, eine gute Meinungüber sich zu verursachen; man darf aber nicht trachten, eine schlechte zuverursachen, vor allem nicht durch eigens zu diesem Zweck begangeneFehler. Mit einem Wort, mißachten Sie fast in gleicher Weise die Mei-nung der Welt über Sie und machen Sie sich darüber keine Sorgen. Es istgut zu sagen, daß man nicht das ist, was die Welt denkt, wenn sie Gutesüber Sie denkt; denn die Welt ist ein Scharlatan, sie sagt immer zuviel,im Guten wie im Bösen.

Aber was sagen Sie mir da? Daß Sie die anderen beneiden, die ichIhnen vorziehe? Und das Schlimmste ist: Sie sagen, das wüßten Sie si-cher. Wieso wissen Sie das wohl, meine liebe Schwester? Worin bevor-zuge ich die anderen? Nein, glauben Sie mir, Sie sind mir lieb, sehr lieb;und ich weiß, daß Sie die anderen nicht mir vorziehen, obwohl Sie esmüßten. Aber ich will zu Ihnen im Vertrauen sprechen. Unsere beidenSchwestern auf dem Land7 bedürfen mehr des Beistandes als Sie, die Siein der Stadt sind, wo Sie überreichlich Übungen, Ratschläge und allesNötige finden, während jene niemand haben, der ihnen hilft.

Und was unsere Schwester von Puits d’Orbe betrifft, sehen Sie nicht,daß sie allein ist, da sie nicht geneigt ist, zu jenen Vertrauen zu haben und

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sich ihnen unterzuordnen, die Ihr Herr Vater ihr vorschlägt, Ihr HerrVater aber wiederum jene nicht billigt, die wir ihm vorschlagen? Dennnach dem, was sie mir schreibt, kann Ihr Herr Vater die Wahl des HerrnViardot nicht billigen.8 Muß ich da nicht mehr Mitgefühl haben mitdiesem armen geprüften Wesen als mit Ihnen, die Sie, Gott sei Dank,soviele Möglichkeiten haben? ...

XIII, 160-161 (338) Annecy, 3. April 1606.Meine sehr liebe Frau Schwester!

Ich habe Ihnen bereits meine Meinung über Ihren letzten Brief ge-schrieben. Ich sehe aber, daß Sie diese so sehr wünschen, und ich mußfürchten, daß meine Pakete verlorengegangen sind und Sie deswegen inSorge bleiben. Daher will ich Ihnen nochmals sagen, daß Sie ohne weite-res das Kloster unserer Schwester9 betreten können, bis die Klausur dortrichtig eingeführt wird. Die Leute, die Sie darüber in Ängste versetzen,sind gut und fromm; das bezeugt diese Angst, die aber ganz unbegründetist; darum kehren Sie sich nicht daran. Wolle Gott, daß die Menschen,die dieses Haus nur neugierig und taktlos betreten, Angst hätten, denndie hätten dazu guten Grund; nicht aber Sie bis zu dem Zeitpunkt, wo,wie ich sagte, die Klausur dort eingeführt wird, was jedoch nicht so baldgeschehen wird, wie ich es wünsche.

Ich habe bereits gewußt, was Sie mir über die Unruhe unter allen Or-densschwestern sagen, und ich bin darüber betrübt. Ursache davon ist,daß diese Seelen nicht gut geführt und geregelt sind. Das ist eben dasÜbel aller Übel bei den Menschen guten Willens, daß sie immer das seinwollen, was sie nicht sein können, und das nicht sein wollen, was sie seinkönnten. Man sagt mir, daß diese guten Töchter ganz begeistert sind vomGeruch der Heiligkeit, den die heiligen Karmelitinnen verbreiten, unddaß sie alle dazu gehören möchten. Ich denke aber nicht, daß sich diesleicht machen ließe. Daher muß ich ihnen sagen, daß sie keinen rechtenGebrauch von diesem guten Beispiel machen. Es sollte ihnen dazu die-nen, sie anzueifern, daß sie mutig die Vollkommenheit ihres Standesanstreben, nicht aber sie verwirren und sich einen Stand wünschen las-sen, zu dem sie nicht gelangen können. Die Natur hat unter den Bienenein Gesetz festgelegt, daß jede von ihnen in ihrem Bienenstock und ausden Blumen ihrer Umgebung Honig mache.

Gott befohlen, meine sehr liebe Frau Tochter, drücken Sie das heiligeKruzifix kräftig an Ihr Herz. Ich bin Ihr Ihnen sehr ergebener Diener.

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XIII, 166-167 (341) Annecy, 7. April 1606.10

Meine sehr liebe Frau Schwester!Ich habe auf alle Ihre vorhergehenden Briefe geantwortet; doch wie-

derhole ich, daß Sie ohne weiteres in das Kloster Ihrer Frau Schwestergehen können, solange die Klausur noch nicht eingeführt ist; Ihre Be-denken darüber sind unbegründet, darüber besteht kein Zweifel. Ich habeunsere Schwester zur Klausur dieses Klosters gedrängt und tue es weiter,jetzt auch, Ihrem Rat folgend, bei Ihrem Herrn Vater11 und ich werdenicht aufhören, diese Klausur zu betreiben; denn das ist, wie ich IhremHerrn Vater sagte, das Entscheidende in dieser Angelegenheit.

Meine liebe Schwester, wenn Ihr Beichtvater es für ratsam hält, daß Siehäufiger als alle acht Tage kommunizieren, können Sie es ruhig tun;denn ich denke, daß er die Verfassung Ihrer Seele sieht und sorgfältigbeobachtet, um Sie in dieser Hinsicht gut zu führen. Wenn ich Ihnen sonahe wäre, um diese besondere Angelegenheit beurteilen zu können,würde ich Ihnen meine Meinung darüber sagen; aber Sie können nichtfehlgehen, wenn Sie der Meinung jener folgen, die Ihre gegenwärtigeVerfassung sehen und beurteilen können, was Ihnen notwendig ist; dar-um sollen Sie sich vertrauensvoll auf ihr Urteil verlassen.

Sie möchten sich lieber ohne Fehler als inmitten von Unvollkommen-heiten sehen; das täte ich auch gern, denn dann wären wir im Paradies.Diese Unruhe aber, die in Ihnen entsteht, weil Sie im Laufe dieses Le-bens keine Anzeichen der Vollkommenheit erreichen können, weckt inIhnen einen Anflug von Mißfallen, das zweifellos nicht rein ist, da es Siebeunruhigt. Hassen Sie also Ihre Unvollkommenheiten, weil sie Unvoll-kommenheiten sind, aber lieben sie sie, weil Sie dadurch Ihr Nichts undIhre Nichtigkeit erkennen; außerdem, weil sie zur Übung und Vervoll-kommnung der Tugenden verpflichten und uns der Barmherzigkeit Got-tes ausliefern. Dieser empfehle ich Sie ständig und ich hoffe, daß Sie dasGleiche für mich tun, der ich immerdar bin und sein werde Ihr sehrergebener Diener und Bruder.

Ich grüße Ihren Herrn Gemahl; ich wünsche ihm den Himmel gnädigwie allem, was zu Ihnen gehört. Sie entschuldigen sich immer; um Got-tes willen, tun Sie das nicht mehr, denn es scheint, Sie wissen nicht,welche Einstellung seine göttliche Güte mir für Sie gegeben hat.

Gott sei Ihr Alles, meine liebe Schwester.

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XIII, 174-176 (347) Annecy, 29. April 1606.

Meine sehr liebe Schwester und Tochter in Unserem Herrn!Jetzt endlich habe ich den Brief erhalten, den Sie mir am 28. Dezem-

ber des vergangenen Jahres schrieben; der arme La Pause, dem er über-geben worden war, hat ihn nicht früher bringen können, da er sich beiMacon ein Bein gebrochen hat. Mit diesem Brief erhielt ich den Bericht,den mir die gute Tochter, die Sie kennen, über den kleinen Zwischenfallgeschickt hat, der ihr in der geistlichen Freundschaft mit der Personzugestoßen ist, zu der sie Vertrauen gefaßt hatte.12 Weil Sie ihr besser zusagen vermögen, als ich ihr schreiben kann, was ich darüber mitteilenmöchte, will ich es Ihnen sagen.

Sie soll doch über diese Schwierigkeit nicht erstaunt sein; denn das istnur Schmutz und Rost, der sich gewöhnlich im menschlichen Herzenauf die reinsten und aufrichtigsten Neigungen legt, wenn man nicht auf-paßt. Sieht man nicht, daß die Weinstöcke, die den besten Wein hervor-bringen, am meisten Wucherungen ausgesetzt sind und mehr ausgeputztund zurückgeschnitten werden müssen? So auch die Freundschaft, selbstdie geistliche. Aber das muß noch beachtet werden: Die Hand des Win-zers, der die Rebe ausputzt, muß sehr feinfühlig sein, weil ja die auftre-tenden Wucherungen so winzig und fein sind, daß man sie zu Beginn fastnicht sieht, wenn man nicht recht geübte und offene Augen hat. Es nimmtdaher nicht wunder, wenn man sich dabei oft täuscht.

Diese Tochter aber soll Gott loben, daß dieser Übelstand sich ihr amAnfang ihres frommen Lebens geoffenbart hat, denn das ist ein augenfäl-liges Zeichen, daß seine göttliche Majestät sie bei der Hand führen undsie durch die Erfahrung dieser überwundenen Gefahr klug und vorsich-tig machen will, um weitere zu vermeiden.

O Gott, wie selten sieht man doch Feuer ohne Rauch! So weist auchdas Feuer der himmlischen Liebe keinen Rauch auf, solange sie reinbleibt; wenn sie sich aber zu vermischen beginnt, erzeugt sie sogleichden Rauch der Unruhe, Unordnung und ungeregelter Herzensstimmun-gen. So aber sei Gott gepriesen, daß alles wieder in Ordnung und in gutenStand gebracht ist.

Im übrigen war es kein Übel, sich derart zu erklären, daß man diePerson erkennen könnte, von der die Rede war, da es sich eben nichtanders machen ließ. Ein taktvoller Seelenberater findet nichts seltsamdaran, sondern nimmt alles voll Nächstenliebe auf, fühlt in allem mitund weiß wohl, daß der Geist des Menschen „der Eitelkeit unterworfen

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ist“ (Röm 8,20) und in Unordnung, wenn ihm nicht ein besonderer Bei-stand der Wahrheit zuteil wird.

Auf alles übrige, was sie mir schrieb, habe ich in den vorhergehendenBriefen geantwortet, die Sie ihr sicher übergeben haben. Es bleibt mirnur noch zu sagen, meine sehr liebe Schwester, daß der sicherste Weg zurFrömmigkeit der ist, der zu Füßen des Kreuzes verläuft: Demut, Ein-fachheit und Herzensgüte.

Gott sei immerdar in ihrem Herzen; ich bin in ihm und durch ihn,gnädige Frau, Ihr Ihnen ergebener Diener und Bruder.

XIII, 194 (353) (Juni-August) 1606.13

Dienen Sie Gott mit großem Mut, und so sehr Sie können, durch dieÜbungen Ihres Standes. Lieben Sie alle Ihre Nächsten, vor allem aberjene, die Sie nach Gottes Willen am meisten lieben sollen. ErniedrigenSie sich zu Handlungen, die nach außenhin weniger würdig erscheinen,wenn Sie wissen, daß Gott es will; denn es ist unwichtig, auf welcheWeise der heilige Wille Gottes geschieht, ob durch angesehene oder nied-rige Tätigkeiten. Streben Sie oft nach der Vereinigung Ihres Willens mitdem Unseres Herrn; haben Sie Geduld mit sich selbst in Ihren Unvoll-kommenheiten; überhasten Sie sich nicht und hegen Sie nicht vieleWünsche nach Handlungen, die Ihnen unmöglich sind.

Meine liebe Schwester, gehen Sie beständig und ganz ruhig Ihren Wegweiter. Wenn der liebe Gott will, daß Sie laufen, wird er auch Ihr Herzerweitern (Ps 119,32); wir unsererseits bleiben bei dieser einzigen Leh-re: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen“(Mt, 11,29) ...

XIII, 213-217 (361) Mitte September 1606.Meine sehr liebe gnädige Frau und sehr geliebte Schwester!

Bei der Ankunft des Herrn von Sauzéa habe ich tausendfachen Trostempfangen durch den Bericht, den er mir von allem lieferte, was sichdort begab, besonders aber von dem, was Sie betrifft. Gehen Sie immervoran, meine liebe Tochter, und weichen Sie weder nach rechts nochnach links ab.

Ich stecke in einer Arbeit, die mich so kurz am Zügel hält, daß ich ihrkaum entrinnen kann, um Ihnen meinem Wunsch entsprechend zu

II. Brulart 353, 361

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schreiben, noch auch an unsere Frau Äbtissin. Ich will also kurz auf IhreFragen Antwort geben.

Kommunizieren Sie ganz ruhig nach dem Rat der Herren de Bérulle14

und Gallemand, da Sie sich dazu hingezogen und darin getröstet fühlen,und sorgen Sie sich keineswegs, daß Sie bei Ausübung Ihrer Standes-pflichten etwas Ungebührliches begehren; denn es gibt da, meine liebeTochter, keine Ungebührlichkeit, sondern nur einen Schein davon. Die-se Pflichtleistung ist vor den Augen Gottes keineswegs unanständig; sieist ihm im Gegenteil recht, heilig, verdienstvoll, zumindest für den Teil,15

der seine Pflichten erfüllt und nicht den Verkehr sucht, sondern nurnachgibt, um dem zu gehorchen, dem Gott die Autorität verliehen hat, indieser Hinsicht Gehorsam zu verlangen.

Meine liebe Tochter, wir dürfen die Dinge nicht nach unserer Auffas-sung, sondern nach der Gottes beurteilen. Das ist das große Wort: wennwir nach unserem Willen heilig sind, werden wir es niemals richtig sein,sondern wir müssen es nach dem Willen Gottes sein. Der Wille Gottesaber ist es, daß Sie aus Liebe zu ihm ganz frei so handeln: daß Sie aufrich-tig die Erfüllung Ihrer Standespflichten lieben. Ich sage: Sie sollen sielieben und gern tun, nicht wegen des äußerlichen Aktes, der an sichWollust sein kann, sondern wegen seines inneren Wesens, weil Gott ihnangeordnet hat, weil sich unter dieser niedrigen äußeren Schale der Wil-le Gottes vollzieht. Mein Gott, wie oft täuschen wir uns doch!

Ich sage Ihnen nochmals, daß wir nicht auf die äußere Beschaffenheitder Handlungen schauen sollen, sondern auf die innere, d. h. ob Gott eswill oder nicht.

Die weltlichen Anschauungen vermischen und vermengen sich immerwieder mit unseren Gedanken. Im Haus eines Fürsten gilt es nicht so-viel, ein Küchenjunge zu sein als ein Kammerherr; im Haus Gottes abersind die Küchenjungen und -mägde oft viel würdiger; wenn sie sich auchschmutzig machen, tun sie dies doch aus Liebe zu Gott, d. h. seinemWillen und seiner Liebe zuliebe. Und dieser Wille verleiht unseren Hand-lungen ihren Wert, nicht das Äußere.

Ich bin oft genug beschämt, wenn ich dies erwäge, da ich doch einen sohohen Rang im Dienst Gottes habe. O Gott, sollen also Handlungen, dienach außenhin niedrig sind, doch reich an Verdienst sein – und meinePredigten, Firmungen, nach außenhin so hoch erhaben, doch so niedrigan Verdienst für mich, wegen des Mangels an Liebe und Hingabe?

Ich habe dies so gesagt, damit Sie wissen sollen, daß die Kommunion

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in keiner Weise unvereinbar ist mit dem Gehorsam, in welcher Art vonHandlung man ihn auch übt. In der Urkirche kommunizierte man alleTage16 und doch verlangte der hl. Paulus von den Verheirateten, daß sieeinander nicht der ehelichen Pflicht entziehen dürften (1 Kor 7,25). Dassei ein für allemal gesagt und es mag Ihnen genügen, daß dies die reineWahrheit ist.

Aber sündigt nicht der begehrende Teil, wenn er weiß, daß der anderekommuniziert hat? Wieder sage ich nein, keineswegs, vor allem, wenndie Kommunionen häufig sind. Was ich von der Urkirche gesagt habe,legt Zeugnis dafür ab und der Grund hierfür ist ganz klar. Ja mehr noch:selbst wenn der kommunizierende Teil am Tag der Kommunion denVerkehr suchte, wäre es nur eine sehr läßliche und leichte Sünde17 wegenein wenig Unehrerbietigkeit, die da hineinspielen könnte. Aber nicht zubegehren, sondern nur nachzugeben, ist ein großes Verdienst und dieGnade der Kommunion wird dadurch nur wachsen, anstatt sich zu ver-mindern. Doch genug davon.

Was die Almosen betrifft, müssen Sie wissen, ob es in der AbsichtIhres Gatten liegt, wenn Sie solche spenden im Verhältnis zu Ihrem Ver-mögen und den Mitteln Ihres Hauses. Und da Sie das, scheint mir, bejahthaben, gibt es keine Schwierigkeit, nicht nur, daß Sie es tun können,sondern es sogar tun sollen. Die Größe der Almosen kann niemand bes-ser beurteilen als Sie selbst. Sie müssen Ihre Mittel und Verpflichtungenerwägen und daraufhin Ihre Almosen nach der Bedürftigkeit der Armenabstimmen; denn in Zeiten von Hungersnot soll man bei knapper Ver-sorgung des Hauses freizügiger schenken; in Zeiten des Überflusses istes weniger erforderlich und mehr erlaubt, Vorräte anzulegen.

Es ist gleichgültig, ob die Beichte schriftlich niedergelegt wird; was Sieanlangt, so versichere ich Ihnen, daß Sie dies nicht tun brauchen, dennich erinnere mich, wie genau Sie die Generalbeichte abgelegt haben,auch ohne sie niederzuschreiben. Ja, viele billigen es nicht, daß man sieniederschreibt, das heißt, sie wollen lieber, daß man sich mit freien Wor-ten anklagt. Jahresbeichten sind gut, denn sie bringen uns zur Erwägungunserer Armseligkeit, lassen uns erkennen, ob wir Fortschritte machenoder zurückfallen, lassen uns lebhafter unsere guten Vorsätze erneuern.Man muß sie aber ohne Unruhe und Skrupel ablegen, nicht so sehr, umlosgesprochen, als um ermutigt zu werden, und die Gewissenserforschungbraucht dabei nicht so genau, sondern nur im großen gemacht werden.Wenn Sie die Jahresbeichten so ablegen können, rate ich Ihnen dazu;wenn nicht, dann wünsche ich nicht, daß Sie dies tun.

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Meine liebe Schwester, Sie baten mich noch um eine kleine Zusam-menstellung der einer verheirateten Frau eigenen Tugenden; dazu habeich jedoch jetzt nicht die nötige Zeit. Eines Tages will ich Ihnen darüberetwas schriftlich niederlegen, denn ich wünsche Ihnen von ganzem Her-zen zu dienen; und obgleich ich weiß, daß es Ihnen bei Ihrer Verbindungmit so vielen heiligen und gelehrten Seelen an guten Ratschlägen nichtmangelt, will ich Ihnen doch auch meinen Ratschlag geben, da Sie ihnwünschen.

Meine Schwester wird nicht so bald zu Ihnen zurückgebracht werdenkönnen, da meine Mutter sie unserer Frau Äbtissin noch für dieses Jahrüberläßt.18 Sie erweisen diesem jungen und schlichten Geschöpf zuvielEhre, daß Sie es bei sich wünschen, aber meine Mutter hält das Leben aufdem Land für die Mädchen dieses Landes für günstiger als das Leben inder Stadt; das ließ sie auch den Entschluß fassen, eher Frau von Chantaldamit zu belästigen als Sie. Ich meinerseits halte Sie beide für so sehrmiteinander verbunden, daß ich – bei welcher sie auch sein mag – glau-ben werde, sie sei auch bei der anderen.

Welcher Trost, zu wissen, daß Ihr Gemahl mehr und mehr aus demZusammensein mit Ihnen Sanftmut und Güte gewinnt. Das ist gleicheine der Tugenden einer verheirateten Frau und die einzige, auf die derhl. Paulus hinweist (Tit 2,3-5).

Ich bitte Sie, meine liebe Tochter, behandeln Sie mich nicht so förm-lich, denn ich bin aufrichtig der Ihre. Unser Herr sei immerdar Herz,Seele und Leben unserer Herzen. Amen.

XIII, 225-230 (367) Annecy (Ende Oktober) 1606.Meine Frau Schwester!

Ich schrieb Ihnen vor sechs Wochen, um Ihnen auf alle Ihre Fragen zuantworten, und ich zweifle nicht daran, daß Sie meinen Brief erhaltenhaben; das macht es mir möglich, mich in diesem Brief hier kürzer zufassen. Nach dem, was Sie mir in Ihrem Brief vom 26. September vor-bringen, bin ich einverstanden, daß unsere gute Äbtissin jene kleinenRegeln, die unser Vater aufgestellt hat, gut einzuführen beginnt, nicht umdabei stehen zu bleiben, sondern um leichter zu größerer Vollkommen-heit übergehen zu können. Nichts schadet so sehr diesem Unterfangen,als die Verschiedenheit der gemachten Vorschläge, vor allem des Vor-schlags einer so genauen Regel, denn das erschreckt den Geist unsererSchwester und auch der anderen. Man soll ihnen nicht sagen, scheint es

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mir, welch weiten Weg sie noch für die ganze Reise zurückzulegen ha-ben, sondern nur den Weg von einem Tag zum andern; und so sehr auchunsere Schwester nach der Vollendung der Reform dürstet, darf man siedarauf doch nicht drängen, denn das würde sie schwindelig machen. Manmuß ihr im Gegenteil Geduld und einen langen Atem anraten; andern-falls wird sie wollen, daß alles auf einmal geschehe, und würde, wennirgendwelche Verzögerung dabei eintritt, ungeduldig werden und allesaufgeben. Es besteht natürlich Grund genug, sich damit zufriedenzuge-ben, was Unser Herr bis jetzt eingegeben hat; man muß ihm dafür Danksagen und um mehr bitten.

Meine kleine Schwester überlasse ich Ihnen und mache mir ihretwe-gen keinerlei Sorge. Ich möchte aber nicht, daß unser Vater Angst hätte,sie werde zu fromm, welche Angst er ja immer ihretwegen hegte, dennich bin sicher, daß sie in dieser Beziehung nicht durch Maßlosigkeitsündigen wird.

Mein Gott, welch guten Vater19 haben wir doch und welch vorzügli-chen Gatten haben Sie! Ach, sie wachen beide ein wenig eifersüchtigüber ihren Machtbereich und ihre Herrschaft, die ihnen irgendwie ver-letzt dünkt,20 wenn man etwas ohne ihr Machtwort und ihren Befehl tut.Was wollen Sie, man muß diese kleine Menschlichkeit verstehen. Siewollen die Herren sein, und haben sie nicht recht? Ja gewiß in dem, wasden Dienst betrifft, den Sie ihnen schulden; die guten Herren aber be-denken nicht, daß man für das Wohl der Seele den geistlichen Leiternund Ärzten Glauben schenken muß und daß Sie, ungeachtet der Rechte,die sie auf Sie haben, Ihr inneres Wohl durch Mittel sichern sollen, dievon den zur Seelenführung eingesetzten Personen als geeignet angesehenwerden. Trotz alledem aber muß man ihren Wünschen oft nachgeben,ihre kleinen Gemütsstimmungen ertragen und, so gut man kann, nachge-ben, ohne unsere guten Vorsätze aufzugeben. Diese Willfährigkeit wirdUnserem Herrn wohlgefallen. Ich habe Ihnen schon anderswo einmalgesagt: Je weniger wir nach unserem Geschmack leben und je wenigereigene Wahl in unseren Handlungen steckt, desto besser und gefestigterist unsere Frömmigkeit. Es ist manchmal notwendig, Unseren Herrn zulassen aus Liebe zu ihm und um den anderen angenehm zu sein.

Nein, ich kann mich nicht zurückhalten, meine liebe Tochter, Ihnenmeine Gedanken zu sagen; ich weiß, daß Sie alles gut finden werden, wasmeiner Aufrichtigkeit entspringt. Vielleicht haben Sie diesem guten Va-ter und diesem guten Gatten Veranlassung gegeben, sich um Ihre Fröm-migkeit zu sorgen und sich dagegen aufzulehnen? Was weiß ich, etwa

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dadurch, daß Sie ein wenig zu geschäftig und übereifrig waren und sieselbst drängen und zu etwas zwingen wollten. Wenn dem so ist, so ist dieszweifellos der Grund, warum sie sich jetzt dagegen auflehnen. Wennmöglich, sollen wir vermeiden, daß unsere Frömmigkeit unangenehmwird.

Ich will Ihnen also jetzt sagen, was Sie tun sollen. Wenn Sie können,kommunizieren Sie, ohne Ihre beiden Vorgesetzten zu beunruhigen; tunSie das auf den Rat Ihrer Beichtväter hin. Wenn Sie aber fürchten, diesedadurch aufzuregen, dann begnügen Sie sich mit der geistlichen Kom-munion. Glauben Sie mir, diese geistliche Abtötung, dieses EntbehrenGottes wird Gott überaus wohlgefällig sein und ihn in Ihr Herz weiteindringen lassen. Man muß manchmal ein paar Schritte zurück ma-chen, um dann besser vorwärts springen zu können. Ich habe oft dieäußerste Ergebenheit des hl. Johannes des Täufers bewundert, der solange in der Wüste, ganz nahe Unserem Herrn blieb, ohne sich zu beei-len, ihn zu sehen, ihn anzuhören und ihm nachzufolgen. Und wie kann erihn dann, nachdem er ihn gesehen und getauft hatte, gehen lassen, ohnesich an seine körperliche Gegenwart zu klammern, da er mit ihm dochim Herzen so innig verbunden war? Aber er wußte, daß dem Herrn ebendurch diese Entbehrung der tatsächlichen Gegenwart von ihm gedientwar. Ich will sagen, daß Sie für ein Weilchen Gott dadurch dienen, daßSie, um das Herz dieser beiden ihnen von ihm gegebenen Vorgesetztenzu gewinnen, Verzicht auf die wirkliche Kommunion leisten. Es wäremir ein großer Trost, zu wissen, daß dieser Rat Ihr Herz nicht in Unruheversetzte. Glauben Sie mir, dieser Verzicht, diese Selbstverleugnung wirdIhnen überaus nützlich sein.

Doch werden Sie heimlich Gelegenheit zur Kommunion finden kön-nen; denn vorausgesetzt, daß Sie dem Willen dieser beiden Personennachgeben und willfahren und daß Sie diese nicht ungeduldig machen,gebe ich Ihnen keine andere Regel für Ihre Kommunion als die, welcheIhre Beichtväter Ihnen geben. Diese sehen den augenblicklichen Zu-stand Ihres Inneren und können erkennen, was für Ihr Wohl erforderlichist. Das gleiche antworte ich für Ihre Tochter: Lassen Sie diese die hoch-heilige Kommunion bis Ostern ersehnen, da sie vor diesem Zeitpunktdiese nicht empfangen kann, ohne ihren guten Vater aufzuregen; Gottwird ihr dieses Warten lohnen.

Wie ich sehe, sind Sie jetzt richtig auf die Probe gestellt, Ergebung undGleichmut zu üben, da Sie Gott nicht nach Ihrem Willen dienen kön-nen. Ich kannte eine Dame,21 eine der größten Seelen, die mir je begegnet

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sind, die lange Zeit in einer solchen Unterwerfung unter die Launenihres Gatten verharrte, daß sie auf der Höhe ihrer Hingabe an Gott undihrer Andachtsgluten dekolletierte Kleider tragen mußte, außenhin mitSchmuck überladen wurde und außer zu Ostern stets nur heimlich undverborgen kommunizieren konnte; andernfalls hätte sie tausendfachenSturm in ihrem Haus heraufbeschworen. Und auf diesem Weg ist siesehr hoch hinaufgestiegen, wie ich weiß, der ich recht oft ihr Beichtvatergewesen bin. Töten Sie sich daher freudig ab und tun Sie in dem Maße,als Sie verhindert sind, das Gute zu tun, das Sie wünschen, um so eifrigerdas Gute, das Sie nicht wünschen (Röm 7,15.19). Sie wünschen nichtdiese Verzichte, sondern andere; aber leisten Sie die, die Sie nicht wün-schen, denn diese sind umso wertvoller.

Die von des Portes übersetzten oder nachgedichteten Psalmen Davidssind Ihnen in keiner Weise verboten oder schädlich, sondern im Gegen-teil von Nutzen. Lesen Sie diese getrost und ohne Bedenken, denn es gibtkeine hierbei. Ich widerspreche nicht gern anderen, aber ich weiß gut,daß diese Psalmen Ihnen keineswegs verboten sind und daß Sie sich nieSkrupel deswegen machen sollen. Es kann geschehen, daß irgendein gu-ter Pater nicht damit einverstanden ist, daß seine geistlichen Kinder sielesen, und vielleicht tut er das aus guten Erwägungen heraus. Aber dashindert nicht, daß andere nicht auch gute, ja sogar bessere Gründe habenkönnen, sie ihren geistlichen Kindern anzuraten. Eines ist sicher, daß Siediese mit gutem Gewissen lesen können, wie Sie ja auch in das Klostervon Puits d’Orbe ohne Skrupel eintreten können. Es liegt aber keinGrund vor, Ihnen eine Strafe für diese Skrupel aufzugeben, denn dieSkrupel selbst sind schon Strafe genug für jene, die sie haben und darun-ter leiden, so daß man keine weitere aufgeben muß. – Alcantara ist fürdas äußerliche Gebet sehr gut.

Halten Sie Ihr Herz recht weit offen, um darin alle Arten von Kreuz,Verzicht und Abtötung aus Liebe zu Ihm aufzunehmen, der so viele fürSie auf sich genommen hat. Möge sein heiliger Name immerdar geprie-sen sein und sein Reich feststehen in alle Ewigkeit.

Ich bin in ihm und durch ihn Ihr (und mehr noch als Ihr) Bruder undDiener.

Ich denke, daß es mir möglich ist, so viele Steine aus dem Weg zuräumen, daß ich mich nächstes Jahr freimachen kann, um unser Puitsd’Orbe zu sehen; deswegen aber braucht unsere Schwester nicht damitzu warten, das ganz behutsam zu tun, was für das Wohl ihres Klostersgetan werden kann. Herr Viardot hat mir, und zwar ziemlich herzlich

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geschrieben; es scheint mir aber, daß er zu wissen wünscht, warum Sieseine Ratschläge nicht mehr befolgen. Es ist nicht vernünftig, daß er dasweiß, wohl aber, daß Sie ihm immer Ehre erweisen; aber lassen Sie sichnicht anmerken, daß ich Ihnen ein Wort darüber gesagt habe.22

XIII, 258-260 (384) Annecy, 30. Januar 1607.

Meine sehr liebe Frau Schwester und vielgeliebte Tochter!Ich will alles, was ich Ihnen sagen kann, möglichst schnell und kurz

schreiben, denn ich habe keine Zeit; der Bote des Herrn von St. Claire istgerade gekommen, als mir nur dieser Abend zur Verfügung steht, um –ich denke – zwanzig Briefe zu schreiben. Sie haben also schon langenichts von mir gehört; ich kann mir aber nicht denken, woran das liegt,daß Sie nicht öfter von mir gehört haben, denn ich schrieb bei jederGelegenheit und meine Zuneigung zu Ihnen läßt nicht eine einzige ver-streichen, ohne mich zu zwingen, sie zu nützen.

Die arme Madame de Sainte Claire und ihr Gatte schreiben mir, wieliebevoll Sie ihnen beistehen. Ich freue mich in Gott darüber; aus Liebezu ihm habe ich sie Ihnen ja empfohlen und aus Liebe zu ihm dienen Sieihnen. Ihr guter Herr Vater schreibt, daß Sie und Fräulein Villers meinekleine Schwester die Andachtsübungen wiederholen lassen und sie füh-ren, damit sie nicht darauf vergißt; darüber sagte ich ihm ein paar froheWorte, damit er es gern erlaube. Wenn er sie Ihnen zurückgibt, damit siebei ihnen sei, wird es mich noch mehr freuen, weil sie dann weniger beiihm und mehr bei Ihnen und Ihrem Fräulein Tochter sein wird, die, soscheint es mir, kaum älter ist als sie. Sie sehen, daß ich keine Zeremoni-en Ihnen gegenüber mache, sondern einfach annehme.

Ob ich Ihre Tochter jemals gesehen habe? Ich glaube nein; währendich in Dijon war, hielt sie sich mit der Schwester Ihres Gatten in einemKloster auf. Aber wenn ich sie auch noch nicht gesehen habe, sehe ich siedoch im Geiste vor mir und schätze und liebe sie ganz als meine Tochterin Ihm, der mich Ihnen und ihr ganz gehören ließ. Ihr Brief erinnert anIhr Herz und hat mich sehr getröstet. Wenn sie es ist, der ich nach ihremWunsch die heilige Kommunion spenden sollte, so kann ich dazu nursagen, daß sie dessen wohl fähig ist.

Sie fragen mich, ob Sie an zwei Tagen hintereinander kommunizierensollen, wenn hohe Festtage auf Ihre gewöhnlichen Kommuniontage fol-gen. Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollten darin nach dem Rat Ihrer Beicht-

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väter handeln, aber da diese nicht der gleichen Meinung sind, will ichIhnen sagen, was ich unserer Frau von Chantal sagte: Bei hohen Festta-gen soll man ungeachtet der gewöhnlichen Kommunion nicht verabsäu-men, diese durch eine außergewöhnliche Kommunion zu feiern; dennwie könnten wir ein hohes Fest ohne dieses Festmahl recht feiern? Ichverwies Sie deshalb an Ihre Beichtväter, weil ich die besonderen Um-stände Ihres Wunsches nicht klar erkenne. Ich weiß wohl, daß Sie bei denKarmelitern, bei den Jesuiten und in Ihrer Pfarre recht fähige Beichtvä-ter haben.

In keiner Weise dürfen Sie diese vielen Gedanken bekämpfen, die Ih-ren Geist plagen, denn wann wären Sie damit fertig, sich ihrer, eines nachdem anderen, zu entledigen? Sie müssen sie nur von Zeit zu Zeit, ich willsagen, mehrere Male am Tag, alle gemeinsam verleugnen und im großenund ganzen zurückweisen; dann lassen Sie den bösen Feind nur an IhrerHerzenstür Lärm schlagen, soviel er will; das macht nichts aus, sofern ernicht Einlaß findet. Bleiben Sie also inmitten der Kämpfe in Friedenund beunruhigen Sie sich nicht, denn Gott ist für Sie. Ich flehe ihn an, ermöge Sie ganz ihm zugehörig machen und für ihn da sein lassen. Amen.Ich bin unablässig und immerdar Ihr recht ergebener Bruder und Die-ner.

Sie haben recht, sich des Luxus und des Prunkes anzuklagen, den Siebei allen Gesellschaften zur Schau tragen. Suchen Sie Maß zu halten undbemühen Sie sich, folgende Regel zu beobachten: Sie sollen derart han-deln, daß Sie im Hinblick auf Ihren Rang und den Ihrer Gesellschaftweder wie die am wenigsten liberalen und großzügigen Personen IhresStandes handeln, noch auch wie die großzügigsten und liberalsten. Ichselbst neige zu diesem Laster, aber ich hüte mich streng davor. Freilichdienen mir dabei die kirchlichen Vorschriften als Gesetz und Sicherung.

XIII, 289-292 (400) Annecy (Juni) 1607.

Meine sehr liebe Frau Schwester!Ihr Vertrauen zu mir tröstet mich immer, doch bin ich betrübt, dem

nicht so sehr durch Briefe entsprechen zu können, wie ich möchte; Un-ser Herr aber, der Sie liebt, ersetzt das ja durch den reichlichen Beistand,der Ihnen dort zuteil wird.

Ich würde es gutheißen, wenn Sie im betrachtenden Gebet noch sachtevorangehen. Bereiten Sie Ihren Geist durch Lesung und Anordnung von

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Punkten vor, jedoch ohne eine andere Vorstellung, als erforderlich ist,um Ihren Geist zu sammeln. Ich weiß wohl, daß man gut tut, wenn mandurch eine glückliche Fügung Gott findet, dabei zu bleiben, daß man aufihn schaut und bei ihm verweilt. Ich denke aber nicht, meine liebe Toch-ter, daß es für uns Anfänger gut ist, zu denken, daß wir immer so uner-wartet und unvorbereitet Gott begegnen. Ich denke, wir haben es mehrnötig, die Tugenden des Kreuzes eine nach der anderen und im einzelnenzu erwägen, als sie im großen und ganzen und gemeinsam zu bewundern.Wenn Gott, nachdem wir unseren Geist dieser demütigen Vorbereitungunterzogen haben, uns dennoch keine süßen und liebeerfüllten Gefühleschenkt, dann müssen wir eben in Geduld weiterhin unser Brot ganztrocken essen und unsere Pflicht erfüllen, ohne momentane Belohnung.

Ich bin erfreut, zu wissen, daß Sie sich wegen Ihrer Beichten an denguten Pater Gentil wenden können. Ich kenne seinen guten Ruf undweiß, welch guter und sorgsamer Diener Unseres Herrn er ist. Sie tunalso gut daran, Ihre Beichten bei ihm fortzusetzen und die guten Rat-schläge anzunehmen, die er Ihnen geben wird, je nachdem Sie derer be-dürfen.

Ich möchte nicht, daß Sie Ihr Fräulein Tochter zu einer so häufigenKommunion aufmuntern,23 da sie nicht recht abzuwägen weiß, was einesolch häufige Kommunion bedeutet. Es ist ein Unterschied, ob man dieKommunion von anderen Übungen, oder die häufige Kommunion vonder seltenen unterscheiden kann. Wenn diese junge Seele richtig zu beur-teilen vermag, daß man viel Reinheit und Eifer haben muß, um häufigdie heilige Kommunion empfangen zu können, und wenn sie danachverlangt und bestrebt ist, sich mit diesen Tugenden zu schmücken, dannbin ich schon der Meinung, daß man sie oft, das heißt alle vierzehn Tage,daran teilnehmen läßt. Aber wenn sie nur Eifer für die Kommunion,nicht aber für die Abtötung der kleinen Unvollkommenheiten der Ju-gend an den Tag legt, wird es, denke ich, genügen, sie alle acht Tagebeichten und einmal im Monat kommunizieren zu lassen. Meine liebeTochter, ich denke schon, daß die Kommunion das große Mittel ist, umdie Vollkommenheit zu erlangen; aber man muß sie mit dem Wunschund Bestreben empfangen, aus dem Herzen alles zu tilgen, was dem miß-fällt, den wir beherbergen wollen.

Bleiben Sie beharrlich dabei, sich tapfer zu überwinden bei diesenkleinen täglichen Ärgerlichkeiten, die Ihnen zustoßen; richten Sie IhreBestrebungen hauptsächlich darauf. Sie müssen wissen, daß Gott für denAugenblick nichts von uns will als das; bemühen Sie sich also gar nicht,

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anderes zu tun. Säen Sie Ihre Bestrebungen nicht in den Garten des Näch-sten, sondern bepflanzen Sie nur recht Ihren eigenen. Wünschen Sie nicht,das nicht zu sein, was Sie sind, sondern wünschen Sie, recht gut das zusein, was Sie sind; richten Sie Ihre Gedanken darauf, sich darin zu ver-vollkommnen und die kleinen oder großen Kreuze zu tragen, auf die Siedabei stoßen. Glauben Sie mir, das ist das wichtigste und doch am wenig-sten verstandene Wort der geistlichen Führung. Jeder lebt nach seinemGeschmack; wenige Menschen aber leben ihrer Pflicht und dem SinnUnseres Herrn entsprechend. Wozu dient es, Schlösser in Spanien zubauen, da wir in Frankreich wohnen müssen? Das ist meine alte Lehrewieder, und Sie verstehen sie wohl; sagen Sie mir, meine liebe Tochter,ob Sie diese gut in die Tat umsetzen.

Ich bitte Sie, regeln Sie Ihre Übungen und beachten Sie dabei gut dieWünsche Ihres Oberhauptes. Machen Sie sich über die leichtfertigenAngriffe lustig, durch die Ihnen der böse Feind die Welt so vorstellt, alsob Sie darin zurückkehren sollten; ja, machen Sie sich darüber wie übereine Unverschämtheit lustig. Auf solche Versuchungen bedarf es keineranderen Antwort als die Unseres Herrn: „Weiche von mir, Satan; dusollst den Herrn deinen Gott nicht versuchen“ (Mt 4,7.10). Meine liebeTochter, wir sind auf dem Weg der Heiligen; gehen wir ihn mutig, trotzder Schwierigkeiten, die es da gibt.

Mir scheint, ich habe nun allem, was Sie von mir wissen wollten, ent-sprochen. Ich habe ja keinen größeren Wunsch, als Ihnen in dieser Hin-sicht treu zu dienen. Ich wünschte sehr, Sie zu sehen, aber es wäre nichtrecht, es zu wollen; Gott wird vielleicht ein geeigneteres Mittel dazufinden. Ja, ich bitte ihn darum, wenn es seiner Ehre dient, für die ich alleseinsetzen will. Möge er immerdar in unseren Seelen leben und herr-schen! Ich bin dafür, meine sehr liebe Frau Schwester, Ihr recht ergebe-ner und Ihnen ganz zugeneigter Diener und Bruder.

XIII, 298-299 (404) Viuz-en-Sallaz, 20. Juli 1607.Meine sehr liebe Frau Schwester!

Ich kann mich nicht zurückhalten, Ihnen bei allen sich bietenden Gele-genheiten zu schreiben. Überhasten Sie sich nicht, nein, glauben Sie mir;üben Sie sich darin, Unserem Herrn mit starker und sorgsamer Ruhe zudienen: das ist die richtige Methode für diesen Dienst. Wünschen Sie nicht,alles zu tun, sondern nur etwas, dann werden Sie zweifellos Vieles tun. ÜbenSie die Abtötungen, für die sich Ihnen öfters Gelegenheit bietet, denn dieser

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Aufgabe müssen wir uns zuerst entledigen; nach ihr werden wir andere voll-bringen. Umarmen Sie oft von Herzen die Kreuze, die Unser Herr selbstIhnen auferlegt hat. Schauen Sie nicht darauf, ob sie aus wertvollem oderwohlriechendem Holz sind; sie sind mehr Kreuz, wenn sie aus gemeinem,verachtetem, übelriechendem Holz sind. Es ist eigenartig, daß mir dies im-mer wieder in den Sinn kommt und daß ich nur dieses Lied weiß. Meineliebe Schwester, es ist zweifellos das Lied des Lammes (Offb 5); ein wenigtraurig, aber harmonisch und schön: Mein Vater, es soll geschehen, nicht wieich will, sondern wie Du willst.

Magdalena sucht ihren Herrn, während sie ihn festhält; sie bittet ihnselbst um ihn. Sie sah ihn nicht in der Gestalt, die sie wollte; daherbegnügte sie sich nicht damit, ihn so zu sehen, und sucht ihn, um ihn aufandere Weise zu sehen. Sie wollte ihn im Gewand seiner Herrlichkeitsehen und nicht im gewöhnlichen Kleid eines Gärtners; schließlich er-kennt sie aber doch, daß er es ist, als er zu ihr sagt: „Maria“.

Sehen Sie, meine liebe Schwester, meine Tochter, Unserem Herrn imGewand eines Gärtners begegnen Sie alle Tage da und dort bei Gelegen-heiten zu gewöhnlichen Abtötungen, die sich Ihnen bieten. Sie möchtengern, daß er Ihnen andere, schönere Abtötungen anbiete. O Gott, dieschönsten sind nicht die besten. Glauben Sie nicht, daß er auch zu Ihnensagt: Maria, Maria? Nein, bevor Sie ihn in seiner Herrlichkeit schauen,will er in Ihrem Garten noch viele kleine und bescheidene Blumen pflan-zen, aber nach seinem Belieben; darum ist er so gekleidet. Mögen im-merdar unsere Herzen mit dem seinen und unser Wille mit seinem Wohl-gefallen eins sein.

Ich bin ohne Ende und Einschränkung, meine Frau Schwester, Ihrrecht ergebener Bruder und Diener.

Haben Sie guten Mut und wundern Sie sich nicht; seien Sie nur GottesEigentum, denn Gott ist unser. Amen.

XIII, 333-335 (419) Sales, um den 2. November 1607.Gnädige Frau, meine sehr liebe Schwester!

Ich wundere mich, daß Sie so wenig Briefe von mir erhalten, ich meinedoch wohl keinen Ihrer Briefe unbeantwortet zu lassen. Nun, Gott seigepriesen.

Ich habe Anteil genommen an allen Verlusten,24 die Ihr Haus betrof-fen haben, dem ich doch zumindest dem Gefühl nach auch wie eines derKinder zugehöre. Ach, die arme Frau Jacot ist wohl recht heimgesucht

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durch den Verlust ihres Sohnes, ihres Vaters und ihres Gatten; ich habeinniges Mitgefühl mit ihr und bitte Gott, er möge ihr all das sein. Ichhabe bereits unserer Frau Mutter25 geschrieben; nun will ich auch dieserSchwester schreiben, aber ich weiß nicht, ob ihr das Trost bringen wird,denn ich weiß keine schönen Worte zu machen, und da ich ihr noch nieüber Frömmigkeit geschrieben oder gesprochen habe, wird sie vielleichtmeine Ausdrucksweise sonderbar finden; bei diesem Anlaß aber wirdsie wohl alles recht auffassen. Ich werde nicht nach Salins26 reisen, dochwill ich es mir schon so einteilen, daß das folgende Jahr nicht vorüber-geht, ohne daß wir uns alle wiedersehen; doch möchte ich nicht, daßhierüber Gerüchte verbreitet werden.

Machen Sie sich keine Sorgen wegen Ihres innerlichen Betens, dasohne Worte vor sich geht, wie Sie sagen, denn es ist gut so, sofern es einegute Wirkung in Ihrem Herzen zurückläßt. Zwingen Sie sich nicht zumSprechen, in dieser göttlichen Liebe spricht der genug, der anschaut undsich anschauen läßt. Folgen Sie also dem Weg, auf den der Heilige GeistSie zieht, wobei ich jedoch nicht will, daß Sie von der Vorbereitung aufdie Betrachtung ablassen, wie Sie es zu Beginn taten; denn das müssenSie Ihrerseits tun und dürfen von sich aus keinen anderen Weg einschla-gen. Wenn Sie aber damit beginnen wollen und Gott Sie auf einen ande-ren Weg zieht, dann gehen Sie mit ihm darauf. Wir müssen uns unserer-seits unserem Fassungsvermögen entsprechend vorbereiten; wenn Gottuns höher trägt, sei ihm allein dafür die Ehre.

Mit Nutzen können Sie die Bücher der Mutter Theresia und der hl.Katharina von Siena lesen, die „Methode Gott zu dienen“, den „Auszugüber die christliche Vollkommenheit“, die „Evangelische Perle“; aberstürzen Sie sich nicht gleich darauf, all das in die Tat umzusetzen, was Siedarin an Schönem finden, sondern nehmen Sie ganz behutsam diese gu-ten Belehrungen auf und bewundern Sie sie in aller Ruhe. Denken Siedaran, daß es nicht angängig wäre, wenn ein einziger ein für mehrerevorbereitetes Festmahl verschlingt: „Hast du Honig gefunden, iß davon,bis du genug hast“, sagt der Weise (Spr 25,16). Die „Methode“, die „Voll-kommenheit“ und die „Perle“ sind reichlich dunkle Bücher, die auf demGebirgsgrat dahingehen; man soll kaum bei ihnen verweilen. Lesen Sieimmer wieder den „Geistlichen Kampf“; das soll Ihr Lieblingsbuch sein,es ist klar und ganz durchführbar.

Nein, meine liebe Tochter, haben Sie keine Zweifel, da Sie doch beiguten Beichtvätem beichten; wenn diese nicht die Vollmacht hätten, Sieanzuhören, würden sie Sie fortschicken. Es ist auch in keiner Weise er-

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forderlich, solche Generalbeichten in der Pfarre zu machen, von denenSie mir schreiben; es genügt, dort seine Osterpflicht zu erfüllen durcheine Beichte oder zumindest durch die heilige Kommunion. Wenn Sieauf dem Land sind, können Sie ja auch bei den Priestern in der Pfarrkir-che beichten.

Lassen Sie sich nicht von Skrupeln oder zu vielen Wünschen bedrän-gen; gehen Sie gelassen und mutig Ihren Weg. Gott sei immerdar unserHerz, meine liebe Schwester, und ich bin in ihm Ihr recht ergebenerBruder und Diener.

Meine gute Mutter hat wunderbar den Tod meiner kleinen Schwester27

getragen; sie grüßt Sie ergebenst und dankt Ihnen für die Liebesdienste,die Sie ihr erwiesen haben.

XIV, 39-41 (462). Annecy, 25. Juni 1608.Meine sehr liebe Frau Schwester!

Ich habe Ihren Brief vom 16. Mai erhalten. Wie sehr wird es mir leidsein, wenn die guten Pläne zur Reform von Puits d’Orbe sich so in Nichtsauflösen! Wenn jedoch meine Hoffnung, nach Burgund zu gehen, nichtvergeblich ist, bin ich entschlossen, dorthin zu gehen, um zu sehen, wasdas ist. Ich bin kein Mensch, der etwas auf die Spitze treibt, und lassemich gern zur Mäßigung bewegen, wenn etwas sich nicht vollständigmachen läßt.

Ich schreibe der Frau Äbtissin nicht, obwohl ich es wünsche, weil mireinfach die Zeit fehlt, und ich muß ihr doch in aller Ruhe schreibenkönnen. Ich denke immer, wenn ich sie mit ihrer ganzen Schar entspre-chend lang sehe und wir auch nicht alles erreichen, wird es uns dochgelingen, einiges zu tun; denn ich setze einiges Vertrauen in ihr Vertrau-en zu mir, der ihr auch mit einer ganz besonderen Liebe in UnseremHerrn zugetan ist.

Sie reden zu mir von Ihrer Ungeduld. Ist das nun wirklich Ungeduldoder ist es nicht nur natürliches Widerstreben? Da Sie es aber Ungeduldnennen, will ich es als solche ansehen. Bis ich mit Ihnen darüber noch indiesem Herbst ausführlicher mündlich davon sprechen kann, will ichIhnen in aller Freiheit sagen, meine liebe Schwester, was ich aus IhrenBriefen über Sie entnommen, mehr als aus den wenigen Gesprächen, dieich mit Ihnen geführt habe: Sie haben ein Herz, das mit aller Kraft an denMitteln hängt, Ihr Vorhaben zu verwirklichen. Ich weiß wohl, daß Sienur die Liebe zu unserem Gott anstreben; um dahin zu gelangen, brauchtes gewisse Mittel, Übungen und Verrichtungen. Ich sage nun, daß Sie mit

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aller Kraft an den Mitteln hängen, die Sie lieben, und daß Sie alles daraufzurückführen möchten. Darum empfinden Sie Unruhe, wenn man Siedaran hindert oder davon ablenkt.

Das Heilmittel dagegen wäre, daß Sie Ihren Geist zu überzeugen undmit folgendem Bewußtsein ganz zu durchtränken suchen: Gott will, daßSie ihm so dienen, wie Sie sind, durch Übungen, die diesem Stand gemäßsind und durch die daraus entspringenden Handlungen. Als Folge dieserÜberzeugung sollen Sie dann eine innige Liebe zu Ihrem Stand und sei-nen Übungen aus Liebe zu Ihm fassen, der es so haben will. Aber sehenSie, meine liebe Schwester, Sie sollen nicht bloß flüchtig an das denken;Sie müssen diese Erkenntnis in Ihr Herz tief eindringen lassen und durchinnerliche Einkehr und besondere Überlegungen dahin kommen, daßdiese Wahrheit Ihrem Geist schmackhaft und willkommen erscheint.Glauben Sie mir, alles, was dieser Ansicht entgegenwirkt, ist nichts an-deres als Eigenliebe.

Hinsichtlich der heiligen Kommunion billige ich, daß Sie diese wei-terhin recht häufig wünschen, vorausgesetzt, es geschieht in Unterord-nung unter Ihren Beichtvater, der den gegenwärtigen Zustand Ihrer See-le sieht und eine so ausgezeichnete Persönlichkeit ist.

Die unterschiedliche Verfassung, in der sich Ihr Geist im Gebet undaußerhalb desselben befindet, manchmal stark, manchmal schwach,manchmal die Welt mit Lust, manchmal mit Unlust betrachtend, ist nichtsanderes als ein Grund, den uns Gott läßt, recht demütig und sanftmütigzu leben. Sie sehen dann, was Sie aus sich selbst und was Sie mit Gottsind. Daher sollen Sie sich dadurch keinesfalls entmutigen lassen.

Es ist nicht notwendig, daß unsere teure Schwester, die Äbtissin, mireinen Mann schickt, um mir Nachricht über sie zukommen zu lassenoder um zu erfahren, wie sie mich sehen könnten; denn wenn ich meineReise unternehme, wie ich hoffe, will ich Sie früh genug vor meinerAbreise von all dem verständigen.

Ich empfehle Sie ständig Unserem Herrn; meine Liebe zu Ihnen istrecht tief in meinem Herzen. Ich werde die Mutter Priorin der Karmeli-tinnen teilhaben lassen an meinen heiligen Meßopfern. Ich habe einegroße Hochachtung vor diesem ganzen Orden im allgemeinen und dan-ke ihr für die Liebe, die sie mir dadurch erweist, daß sie für mich betet,der zu den Ärmsten der heiligen Kirche gehört.

Möge immerdar die heilige Liebe zu Gott in unserem Geist leben undherrschen. Amen. Ihr Ihnen sehr zugeneigter und ergebener Bruder undDiener.

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XIV, 132-135 (516) Annecy, Ende Februar 1609.Meine liebe Schwester, meine Tochter!

Ich antworte nur auf die zwei Briefe, die mir dieser Bote von Ihnenüberbracht hat; denn der dritte Brief, den Sie mir über Frau von Chantalschickten, hat mich noch nicht erreicht.

Ich bin sehr zufrieden, daß Sie keine Skrupel haben und die heiligeKommunion Ihnen von Nutzen ist; das sollen Sie denn auch in Hinkunfttun. Darum, meine liebe Tochter, versteifen Sie sich in keiner Weisedarauf, zu N. zu gehen, da Ihr Herr Gemahl sich deshalb beunruhigt. Siebrauchen nicht viele große Ratschläge, dazu werden für Sie alle Beicht-väter genügen, selbst der Ihrer Pfarre, d. h. Herr N. und auch der Beicht-vater der guten Karmelitinnen, wenn sich noch eine Gelegenheit dazuergibt. Sie wissen alles Nötige, um sich von jedem Beichtvater gut führenzu lassen; darum können Sie in dieser Beziehung in Freiheit vorgehen.Meine liebe Tochter, bleiben Sie Ihrem Gatten gegenüber recht sanftmü-tig und demütig.

Sie haben recht, sich wegen der schlechten Gedanken nicht zu beunru-higen, solange Sie rechte Absichten und guten Willen haben, denn aufdiese schaut Gott. Ja, meine Tochter, tun Sie nur, wie ich Ihnen gesagthabe, denn wenn auch tausend kleine Vorspiegelungen scheinbarer Grün-de sich dagegen erheben, sind doch meine Entscheidungen auf grundle-gende Beweise aufgebaut und entsprechen den Kirchenlehrern und derKirche. Ja, ich sage Ihnen noch: diese Entscheidungen sind so wahr, daßgegenteiliges Handeln ein großes Vergehen wäre. Dienen Sie also Gottin dieser Weise, und er wird Sie dafür segnen; hören Sie aber niemals aufdas Gegenteil und glauben Sie mir, daß ich dessen wohl ganz sicher seinmuß, wenn ich so entschieden spreche.

Ich sage der guten Mutter Priorin Dank und hege für sie und alle ihreSchwestern große Hochachtung und Liebe in meiner Seele. Meine Toch-ter, ich muß aber noch einige andere Dinge von Ihnen verlangen für ebendiese Andacht zur seligen Mutter Theresia. Ich möchte nämlich, daß Siemir ihr naturgetreues Brustbild nach dem anfertigen lassen, das dieseguten Schwestern haben, wie man sagt. Einer unserer Pfarrer, der insieben bis acht Tagen dorthin reisen soll, könnte es mir bei seiner Rück-kehr mitbringen. Ich würde so nicht mit allen Töchtern verfahren, aberIhnen gegenüber handle ich meinem Herzen folgend.

Ich werde die liebe verwitwete Schwester dem Heiligen Geist empfeh-len, damit er sie bei der Wahl eines Gatten berate, der ihr immer zurFreude gereichen möge. Ich meine den heiligen Bräutigam der Seele.

II. Brulart 516

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Wenn jedoch Gott verfügt, sich ihrer noch einmal in der Plage eines voll-ständigen Haushaltes zu bedienen, und sie in der Unterwerfung üben will,dann müssen wir seine Majestät dafür preisen, die zweifellos alles zumHeil der Ihren tut (Röm 8,28). Ach mein Gott, meine Tochter, wie sehrsind doch die Tugenden einer verheirateten Frau Gott wohlgefällig! Dennsie müssen stark und vortrefflich sein, um in diesem Stand auszuhalten.Aber, o mein Gott, wie gut ist es doch auch für eine Witwe, nur ein Herzbefriedigen zu müssen! Nun, diese oberste Güte wird die Sonne sein, diediese gute teure Schwester erleuchten wird, damit sie weiß, welchen Wegsie einschlagen soll. Sie ist eine Seele, die ich zärtlich liebe. Wohin sieauch gehen mag, hoffe ich doch, daß sie Gott gut dienen wird, und ichwerde ihr durch meine ständigen Gebete für sie überallhin folgen.

Ich empfehle mich den Gebeten unserer kleinen Tochter ... Madeleineist in Wahrheit ein wenig mehr meine Tochter als die anderen; und esscheint mir, meine Tochter, als wäre alles mein in Ihm, der sich ganz zudem Unsrigen gemacht hat.

Ich bin in ihm, meine sehr liebe Tochter, Ihr recht ergebener Bruderund Diener.

Verwenden Sie Ihre größtmögliche Sorge darauf, daß Sie inmitten derIhren, ich meine in Ihrem Haushalt, recht milde werden. Ich sage nicht,daß man weich und nachsichtig sein soll, wohl aber sanft und gütig. Dar-an sollen Sie denken, wenn Sie das Haus betreten, wenn Sie es verlassen,am Morgen, zu Mittag, ja zu jeder Stunde; das soll für einige Zeit IhreHauptsorge sein und das übrige sollen Sie gleichsam ein wenig verges-sen.

XIV, 137-138 (518) Annecy, Mitte März 1609.

Meine sehr liebe Tochter!Wann immer ich schreiben kann, werden Sie Briefe von mir erhalten;

jetzt aber schreibe ich Ihnen besonders gern, weil der gegenwärtige Über-bringer des Briefes, Herr de Moyron, mein nächster Nachbar in dieserStadt, mein guter Freund und Verbündeter ist, über den Sie mir bei sei-ner Rückreise mit völliger Sicherheit schreiben können. Wenn das Bildder Mutter Theresia schon fertig ist, wird er es holen, zahlen und mit-bringen, so wie ich ihn darum gebeten habe.

Meine Tochter, ich bin aber der Meinung, daß ich Ihnen in meinemletzten Brief nicht gut genug gesagt habe, was ich über Ihre geringen,

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aber häufigen Äußerungen der Ungeduld bei den Vorfällen Ihres Haus-haltes zu schreiben wünschte. Ich sage Ihnen also, daß Sie Ihre besondereAufmerksamkeit darauf lenken sollen, sich recht sanftmütig zu verhalten,nach dem Aufstehen am Morgen, wenn Sie vom Gebet, von der Messeoder Kommunion kommen. Wann immer Sie wieder zu den häuslichenGeschäften zurückkommen, müssen Sie aufmerksam bedacht sein, sanft-mütig zu beginnen, und von Mal zu Mal Ihr Herz beobachten und schauen,ob es sanftmütig ist. Wenn es dies nicht ist, sollen Sie es vor allen anderenDingen beruhigen; ist es aber sanftmütig, dann sollen Sie Gott dafür prei-sen, in dieser Gesinnung alles tun, was sich an Geschäften ergibt, undgroße Sorge darauf verwenden, daß sie sich nicht verflüchtige.

Sehen Sie, meine Tochter, wer oft Honig zu sich nimmt, empfindet diesauren Dinge noch saurer, die bitteren noch bitterer und es ekeln ihnscharfe Speisen leicht an. So findet Ihre Seele, die sich oft geistlichenÜbungen hingibt, die dem Geist süß und angenehm sind, körperliche,äußerliche und materielle Tätigkeiten sehr hart und lästig, wenn sie zuihnen zurückkehrt, und wird darüber leicht ungeduldig. Darum sollenSie auch in diesen Handlungen den Willen Gottes sehen, meine liebeTochter, der darin liegt, und nicht die Sache selbst, die getan wird. RufenSie oft diese einzige und schöne Taube (Hld 2,10; 6,9) des himmlischenBräutigams an, damit sie für Sie das wahre Herz einer Taube erflehe undSie nicht nur Taube seien, wenn Sie durch das Gebet fliegen, sondernauch in Ihrem Nest und mit all jenen, die um Sie herum sind.

Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, meine gute und liebe Toch-ter, und mache uns eines Geistes mit ihm (1 Kor 6,17). Ich grüße durchIhre Vermittlung unsere gute Mutter und alle Karmelitinnen und bitteum die Hilfe ihres Gebetes. Wenn ich wüßte, daß unsere liebe Schwester,Frau Jacot, dort wäre, würde ich auch sie grüßen und ihre kleine Fran-çon, wie ich dies mit Ihrer kleinen Magdalena mache, die auch mir zueigen ist. Es lebe Jesus!

XIV, 141-143 (520) Annecy, Ende März oder Anfang April 1609.Erwarten Sie jetzt nicht von mir, daß ich Ihnen ausführlich schreibe,

denn wenn es auch durch meinen Bruder geschieht, habe ich doch nichtviel Zeit und ich weiß nicht, ob er durch Dijon reisen wird; dennoch weißich wohl, daß er meinen Brief sicher überbringen lassen wird.

Ja, meine Tochter, Sie dürfen diese Ostertage sicher nicht vorüberge-hen lassen, ohne Ihren Sohn28 zur Kommunion zu führen. Mein Gott, das

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ist ja schon ein Gelehrter! Es scheint mir ein großer Irrtum zu sein, diesesGut in einer solchen Zeit so lang hinauszuschieben, in der die Kinder mitzehn Jahren mehr Verstand haben als wir mit fünfzehn. Ich hätte es wahr-lich sehr gewünscht, ihm die erste heilige Kommunion zu reichen; daswäre für ihn ein Grund gewesen, sich sein Leben lang meiner zu erinnernund mich lieb zu haben. Nun für ihn ist das nicht so wichtig.

Ich habe das Bild der seligen Mutter Theresia erhalten, das mir einegroße Freude ist, und ich danke Ihnen dafür.

Es freut mich zu hören, daß diese Tochter mit Herrn Chevrier in Frie-den ist. Ich habe ihr durch Herrn de Moyron geschrieben, was sie nunPunkt für Punkt durchgeführt hat. Ich schrieb es ihr auf einen Brief hin,in dem sie mich um Rat bat.

Nun, meine liebe Tochter, Gott sei gepriesen. Wenn unsere Seele nurdie rote Farbe der Liebe zeigt, darf es uns nicht bekümmern, daß unsereGesichtsfarbe blaß ist. Das ist ein Übel, das Sinne und Gefühle zu schwä-chen geeignet ist. Es gibt keine Regung, die es nicht erschlafft, ausge-nommen die des Herzens, das es für gewöhnlich anregt und beschleu-nigt. Machen Sie es Ihrem geistlichen Fortschritt zunutze durch wirkli-chen Verzicht auf Lust und süße Empfindungen, die es Ihnen wegnimmtnicht nur am Leib, sondern auch am Geist. Sie tun gut, meine Ratschlägezu befolgen, denn sie sind nach dem Willen Gottes; und wenn dieseKrankheit Ihnen mehr Widerwillen dagegen einflößt, dann werden Sieumso mehr in ihrer Befolgung gewinnen.

Ich wollte Ihnen mehrere Bücher29 schicken; aber der Drucker hatsein Versprechen nicht gehalten, sie mir zu schicken; ich fürchte, daß Siedort früher welche haben werden als ich hier. Dennoch schicke ich Ihnendieses hier, das ich von einer Dame entlieh, die es hatte, damit Sie wo-möglich das erste von mir bekommen. Man muß die anderen nach die-sem hier korrigieren, denn ich habe es überall korrigiert, so sehr ichkonnte.

Gott sei immerdar unsere Liebe, meine liebe Tochter. Und glaubenSie mir, daß ich in ihm ganz besonders der Ihre bin. Es lebe Jesus!

Erzählen Sie nicht, daß ich Ihnen dieses Buch geschickt habe, bevorich noch mehr davon schicken kann.

XIV, 166-168 (535) Annecy, 30. Mai 1609.Ihren Brief, den mir der Pfarrer von Seyssel überbrachte, beantworte

ich kurz, aber genau. Ich sehe im Geist unsere liebe Schwester, die hier-her reisen möchte30 und sich davon große Erleichterung verspricht. Man

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muß wohl dieser Armen ein wenig nachgeben; sie ist ja wirklich gut,wenn auch schwach. Darum würde ich ihr gern sagen, sie möge kommen,wenn ich nicht befürchtete, daß deshalb ihre Verwandten beunruhigt wür-den und anderer Ansicht wären. Es ist aber auch möglich, daß es ihnenrecht ist. Wenn Sie nun sehen, daß sie ganz ehrlich und einfach damiteinverstanden sind, können Sie ihr in aller Freiheit Mut machen, zu kom-men, und Sie können selbst auch kommen, unter den gleichen Bedingun-gen. Ich verhalte mich diesem Plan gegenüber so zurückhaltend, weil ichmich frage, ob diese Einwilligungen, die sie geben, gern erteilt werden,und ich fürchte, daß dann tausenderlei Dinge gesagt werden.

Wenn sie sich aber entschließen könnte, zu kommen, soll dies ohneLärm und ganz einfach vor sich gehen, als ob sie nach St. Trivier und nachSt. Claude ginge; ebenso auch Sie und das gute Fräulein de Puligny, wennsie zu der Schar zählt; damit man so der Neugier jener aus dem Weg gehe,die alles erfragen möchten. Es sollte auch nicht zu bald geschehen, da beiuns einige Kriegsgerüchte umgehen, die wieder verstummen werden, undaußerdem der Herzog von Nemours hier für einige Tage vorbeikommensoll, während derer ich die Stadt nicht verlassen könnte. Wenn Sie alsoden Entschluß fassen, muß es in der Zeit ein wenig vor diesem Zeitpunktsein, Ende August oder Anfang September; denn im Monat Juli bin ichvon hier fort. Ich werde einen guten Bischof für Belley weihen; wenndiese Handlung auch kurz ist, hält sie mich doch in Schwebe, weil ichnicht den genauen Zeitpunkt weiß.

Im übrigen glauben Sie mir, daß es mir ein recht großer Trost seinwird, Sie innerhalb unserer Berge sehen zu können, die alle in eine sehrgute Luft getaucht sind. Wir werden auch mit Gottes Hilfe genügendZeit haben, um Sie alle gut zu versorgen. Mit einem Wort, achten Siedarauf, daß Ihnen die Erlaubnisse gern erteilt werden, und wenn dies derFall ist, wird es mir eine große Befriedigung sein, Sie ein wenig unter unszu sehen, wenn Sie auch dabei keineswegs gut behandelt werden ... auchwenn wir es wollten; Sie werden aber mit einer Herzlichkeit empfangenwerden, die nicht alltäglich ist.

Was die Betrachtung anbelangt, so haben die Ärzte recht; solange Siekrank sind, müssen Sie davon Abstand nehmen. Um dieses Versäumnisauszugleichen, müssen Sie Ihre Stoßgebete verdoppeln und alles auf Gottbeziehen durch völlige Hingabe an sein Wohlgefallen. Das wird Sie inkeiner Weise von ihm trennen. Wenn Gott Ihnen dieses Hindernis schickt,so geschieht es, um Sie durch die Übung der heiligen und stillen Erge-bung viel fester an ihn zu ketten. Was liegt schon daran, ob wir auf die

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eine oder andere Art mit Gott vereint sind? Da wir in Wahrheit nur ihnsuchen und ihn in der Abtötung nicht weniger als im Gebet finden, vorallem, wenn er uns mit Krankheit schlägt, wird er uns ebenso gut sein indem einen wie in dem anderen. Darüber hinaus sind die Stoßgebete, dieErhebungen unseres Geistes echte ständige Gebete und das Ertragenvon Leid ist die würdigste Opfergabe, die wir dem darbringen können,der uns durch sein Leiden erlöst hat. Lassen Sie sich manchmal aus ei-nem guten Buch vorlesen, denn auch das kann Ersatz bieten.

Mit der Kommunion halten Sie es weiter so wie bisher. Es ist wahr, daßich Ihnen gesagt habe, es wäre keineswegs nötig, die Messe zu hören, uman Werktagen zu kommunizieren, nicht einmal an den Festtagen; wennman eine Messe vorher gehört hat oder eine nachher hören kann, ob-gleich man zwischen beiden schon viele andere Dinge tun kann.

Was Ihr Testament in Befürchtung Ihres Todes betrifft, so können Siedies ruhig tun. Es soll aber in aller Ruhe geschehen und so, daß Sie denIhrigen nicht sehr zur Last fallen, Sie würden ihnen sonst Anlaß zu Ab-lehnung, Murren oder Ärger geben. Ich sage Ihnen wie der hl. Paulus(Gal 6,10): „Tun wir Gutes, solange wir Zeit dafür haben“, aber immermaßvoll. Geraten Sie nicht in Unruhe, wenn Sie Gott nicht so dienenkönnen, wie Sie es gern möchten. Wenn Sie sich gut in Ihre Schwierigkei-ten fügen, dienen Sie ihm nach seinem Willen, der viel besser ist als derIhre. Möge er immerdar gelobt und gepriesen werden.

Es lebe Jesus! Und ich bin in ihm sehr treuen Herzens und ganz völligder Ihre. Ich grüße recht ergeben den guten Pater Gentil.

XIV, 277-280 (588) Sales, 20. April 1610 oder 1612.31

Es war mir eine äußerst große Freude, diesmal von Ihnen etwas aus-führlichere Nachricht zu erhalten als gewöhnlich, meine sehr liebe Schwe-ster, meine Tochter. Ich habe noch nicht so viel Zeit gehabt, um mit Frauvon Chantal zu sprechen und mich so ganz genau, wie ich wünschte, nachallen Ihren Angelegenheiten zu erkundigen, über die Sie, wie ich denke,ihr als echter Freundin Mitteilung gemacht haben. Zumindest aber hatsie mir gesagt, daß Sie Ihren Weg treu in der Furcht Unseres Herrngehen, was meine tiefste Freude ist, da meine Seele Ihrer sehr liebenSeele soviel Gutes wünscht.

Im übrigen, um kurz auf Ihren Brief zu antworten, so hatte N. gewißgut getan, bei den Karmelitinnen einzutreten, denn es hatte den An-schein, als ob es zur Verherrlichung Gottes wäre. Da sie aber auf Befehl

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der Oberen wieder austritt, soll sie denken, daß Gott sich mit ihremVersuch zufriedengibt und nun will, daß sie ihm anderswo diene. Siewürde schlecht handeln, wenn sie nach den ersten schmerzlichen Emp-findungen über ihre Entlassung ihren Geist nicht beruhigen würde undnicht fest entschlossen wäre, auf andere Weise ganz in Gott zu leben.Man gelangt ja auf vielerlei Wegen in den Himmel. Wenn man nur dieGottesfurcht als Führerin hat, ist es gleich, welchen Weg man einschlägt;obgleich an sich der eine Weg wünschenswerter erscheint als die ande-ren, wenn man die Freiheit zu wählen hat.

Warum aber, meine liebe Tochter, machen Sie sich darüber Sorgen?Sie haben ein Werk der Nächstenliebe getan, daß Sie diesem armen Mäd-chen einen so heiligen Ort der Einkehr ermöglichten. Wenn es Gottnicht gefällt, daß sie darin verbleibt, dafür können Sie nichts. Wir müs-sen uns dieser höchsten Vorsehung fügen, die nicht verpflichtet ist, unse-rer Wahl und Überzeugung zu folgen, sondern ihrer unendlichen Weis-heit.

Wenn N. klug ist und demütig, wird für sie Gott wohl einen Platzfinden, an dem sie seiner göttlichen Majestät durch Freud oder Leid gutdienen kann. Indessen tun die guten Karmelitinnen gut daran, ihre Sat-zungen genau zu beobachten und jene zu entlassen, die für ihre Lebens-weise nicht geeignet sind.

Meine liebe Tochter, diese kleine Erschütterung Ihres Herzens bei die-ser Angelegenheit soll Ihnen zur Warnung dienen, daß die Eigenliebe inIhrem Herzen noch groß und mächtig ist und daß Sie genau aufpassenmüssen, daß sie nicht Herrin in Ihrem Herzen werde. Ach, möge Gott inseiner Güte dies niemals zulassen, sondern in uns, über uns, gegen uns undfür uns seine hochheilige himmlische Liebe auf ewig herrschen lassen.

Was die Heirat dieser teuren Tochter betrifft, die ich sehr liebe, vermagich Ihnen nicht so ohne weiteres einen Rat zu geben, da ich nicht weiß,wie ihr Bewerber beschaffen ist. Denn es ist richtig, was Ihr Herr Ge-mahl sagt, er könnte vielleicht all seine üblen Angewohnheiten ändern,die Sie mir aufzeigen. Aber das wohl nur dann, wenn er an sich ein gutesNaturell besitzt und nur Jugend und eine schlechte Gesellschaft es sind,die ihn verleiten. Wenn er aber von Natur aus schlecht geartet ist, wieman es gewiß nur zu oft sieht, dann hieße es Gott versuchen, unter derungewissen und zweifelhaften Annahme einer Besserung ein Mädchenin seinen Händen aufs Spiel zu setzen, vor allem, wenn das Mädchen jungist und selbst einer Führung bedarf. In diesem Fall, da sie zur Besserungdes jungen Mannes nichts beitragen kann, ist vielmehr zu befürchten,

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daß einer dem anderen Anlaß zum Fall gibt. Liegt darin nicht eine offen-sichtliche Gefahr? Ihr Herr Gemahl ist ja überaus klug und versichertmir, daß er alles mit guter Überlegung tue, wobei Sie ihm behilflich seinwerden; und ich bitte auf Ihren Wunsch hin Gott, er möge dieses liebeMädchen richtig führen, damit es in seiner Furcht lebe und alt werde.

Ob Sie diese Tochter nun recht oft oder selten auf Bälle führen, istnicht wichtig, da sie ja mit Ihnen gehen wird; Ihre Klugheit soll diesgenau und den Umständen gemäß beurteilen. Da Sie diese aber verheira-ten wollen und sie Neigung dazu verspürt, ist nichts Böses daran, sie sooft dorthin zu führen, daß es genügend oft, aber nicht zu oft ist. Wenn ichmich nicht täusche, ist dieses Mädchen lebhaft, kräftig und tempera-mentvoll. Da sich jetzt ihr Verstand zu entfalten beginnt, muß man be-hutsam und sachte die Anfänge und ersten Keime echten Ehrgefühls undTugendstrebens in sie hineinlegen, nicht aber, indem man sie mit schar-fen Worten ausschimpft, sondern indem man nicht aufhört, sie bei jederGelegenheit mit klugen, freundlichen Worten dazu anzuspornen, diesauch von anderen zulassen und ihr wertvolle Freundschaften mit gutge-arteten und vernünftigen Mädchen verschaffen.

Frau von Chantal hat mir gesagt, daß Sie für Ihr Äußeres und für dasWohlergehen Ihres Hauses recht klug sorgen; und sowohl sie als meinBruder von Thorens haben mir etwas erzählt, das mich sehr gefreut hat:daß nämlich Ihr Herr Gemahl immer mehr einen ganz großen guten Ruferwirbt, ein guter Richter zu sein: fest, gerecht, eifrig in den Pflichtenseines Amtes, und daß er in allem sich als ausgezeichneter Mann undguter Christ verhält. Ich versichere Ihnen, meine liebe Tochter, daß ichbei diesem Bericht vor Freude ganz erregt war, weil das ein großer undschöner Segen ist. Unter anderem haben sie mir gesagt, daß er seinen Tagimmer damit beginnt, der heiligen Messe beizuwohnen, und daß er beiallen Gelegenheiten einen starken und seiner Stellung würdigen Eiferfür die heilige katholische Religion bezeugt. Gott sei immerdar zu sei-ner Rechten, damit er sich niemals ändere (Ps 16,8), außer stets zumBesseren. Sie sind also sehr glücklich, meine liebe Tochter, bei Ihnenzuhause solche zeitliche und geistliche Segnungen zu haben.

Die Reise nach Loreto ist eine große Reise für Frauen; ich rate Ihnen,sie oft im Geist zurückzulegen, wobei Sie Ihre Gebete mit Absicht mitden Gebeten dieser großen Menge frommer Personen vereinigen, diedahin kommen, die Mutter Gottes zu ehren an einem Ort, wo ihr erstma-lig die unvergleichliche Ehre dieser Mutterschaft zuteil wurde. Aber dakein Gelöbnis Sie zwingt, dorthin persönlich zu gehen, rate ich Ihnen

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nicht dazu, diese Reise zu unternehmen. Wohl aber rate ich Ihnen, im-mer eifriger die Verehrung dieser heiligen Jungfrau zu pflegen, derenFürsprache so stark und den Seelen so wertvoll ist. Ich halte sie für unse-re größte Stütze in unserem Streben nach Fortschritt in der wahren Fröm-migkeit. Ich kann davon sprechen, da ich mehrere bemerkenswerte Ein-zelheiten darüber weiß. Der Name dieser hochheiligen Jungfrau sei im-merdar gepriesen und gelobt! Amen.

Meine liebe Tochter, schenken Sie Ihre Almosen immer etwas großzü-gig und reichlich bemessen, wenn auch taktvoll, worüber ich Ihnen frü-her gesprochen oder geschrieben habe. Was Sie in den Schoß der Erdehineinwerfen, wird Ihnen mit Zinseszinsen durch deren Fruchtbarkeitzurückerstattet. So wissen Sie auch, daß das, was Sie in Gottes Schoßhineinwerfen, Ihnen unendlich fruchtbarer auf die eine oder andere Weisesein wird; das heißt, Gott wird Sie in dieser Welt dafür belohnen, indemer Ihnen mehr Reichtümer, mehr Gesundheit oder mehr Zufriedenheitschenkt.

XV, 23-26 (665) Annecy, 1. März 1611.Meine sehr liebe Schwester, meine Tochter!

Ich bin im Besitz zweier Briefe von Ihnen, von denen der erste vom 11.vergangenen Monats und der zweite vom 11. dieses Monats ist; und ichmuß auf den ersten ebenso eingehen wie auf den zweiten, weil ich ihn erstvor kurzem und kaum früher als den zweiten erhalten habe.

Sie sollen dem Beichtvater von N. Glauben schenken, was deren Or-denseintritt betrifft, denn besser könnten Sie nicht die Absichten Unse-res Herrn erkennen als durch die Meinung jenes, den er der betreffendenTochter als Seelenführer gegeben hat. Wenn nun seine göttliche Majestätdieses Opfer nicht in der Endwirkung, sondern nur in der Bereitschaftund begonnenen Durchführung wollte, wie er es bei Isaak tat (Gen 22,10-12), d. h. wenn dieses liebe Mädchen nun in den Orden eintritt, sichaber nicht kräftig genug fühlt, um darin zu verbleiben, mein Gott, waswäre Schlimmes daran? Nichts, zweifellos; und in diesem Fall müßtenwir eben auf das, was uns lieb und im Geheimsten ganz teuer ist, verzich-ten und uns in den heiligen Willen Gottes fügen.

Da sie also jetzt nach Beurteilung Ihres geistlichen Vaters und derguten Karmelitinnen dafür geeignet ist und ihr Vater seine Zustimmungerteilt, können Sie, so scheint es, sie mit aller Sicherheit Gott aufopfernund Unser Herr wird es gütig entgegennehmen. Freilich bleibt es seinem

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Wohlgefallen vorbehalten, über ihr Verbleiben in diesem heiligen Standoder über ihr Ausscheiden daraus zu verfügen, wie es seine Vorsehungfür besser erachtet. Dieser wollen wir uns immer und widerspruchslosfügen, denn es wäre nicht vernünftig, dieser unendlichen Weisheit dieArt und Weise vorzuschreiben, auf die er uns zu den Seinen machen will.Dies zum ersten.

Zum zweiten bedaure ich es unendlich, daß diese Persönlichkeit32 sichso lange täuschen läßt und sich selbst in diesem taktlosen und überflüssi-gen Umgang täuscht, vor allem, weil es Ärgernis erregt. O Gott, wie gutwäre es doch für alle beide, wenn sie auf diese unnötigen und unüberleg-ten Vertraulichkeiten verzichten; es wäre ein großes Werk der Nächsten-liebe, sie davon abzubringen. Was nun die mir bekannte Person betrifft,finde ich nichts Anstößiges daran, wenn sie je nach den Umständenmanchmal in aller Öffentlichkeit bei dieser Persönlichkeit beichtet, auchwenn sie früher irgendwie an dieser üblen Sache Gefallen zu haben schien,die mindestens gefährlich, wenn schon nicht lasterhaft war. In ihr Herzwird sich durch die Beichte wohl kaum Unreinheit einschleichen, fallssie Neigung dazu hätte, wohl aber durch andere Gespräche, Ausspra-chen, Vertraulichkeiten und näheren Umgang. Sie möge also gelegent-lich ohne weiteres bei ihm beichten; darüber hinaus aber soll sie nurkurz und flüchtig mit ihm reden.

Zum dritten: Glauben Sie fest, daß Sie bewußt nichts lieben, was demWillen Gottes entgegengesetzt ist, daß Sie also keine läßliche Sündehaben oder hegen, wenn auch viele Unvollkommenheiten und schlechteStimmungen Sie von Zeit zu Zeit überfallen. Lassen Sie nicht davon ab,am Donnerstag, an Festtagen während der Woche und am Dienstag inder Fastenzeit zu kommunizieren. Hegen Sie darüber keine Zweifel mehr,es soll aber das Anliegen Ihres Herzens sein, ganz treu Armut inmittendes Reichtums zu üben, Sanftmut und Ruhe inmitten der Widrigkeiten,und Ergebung des Herzens in die Vorsehung Gottes bei allem, was Ihnengeschehen mag. Was kann uns fehlen, da wir doch Gott haben?

Zum vierten ist es in jeder Weise besser, wenn Sie alle Tage die heiligeMesse hören und mitfeiern, als sie nicht hören unter dem Vorwand, dasbetrachtende Gebet zu Hause fortzusetzen. Ich halte es für besser, nichtnur deshalb, weil diese wirkliche Gegenwart der Menschheit UnseresHerrn in der Messe nicht durch seine Gegenwart im Geist ersetzt wer-den kann (auch wenn man ihr aus achtenswerter Ehrfurcht fernbleibt),sondern auch, weil die Kirche sehr wünscht, daß man der Messe beiwoh-ne. Und dieser Wunsch gilt als Rat, den zu befolgen eine Art Gehorsam

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ist, wenn es sich machen läßt, und weil Ihr Beispiel bei Ihrem Ansehendem einfachen Volk von Nutzen ist. Was Sie aber in Oratorium tun, gibtanderen kein Beispiel. Bleiben Sie also dabei, meine sehr liebe Tochter.Ich werde in dieser Fastenzeit nur in den Klöstern dieser Stadt predigenund fünf- bis sechsmal in der großen Kirche. Ich bin meiner Meinungnach in voller Gesundheit; wäre ich nur erfüllt von Heiligkeit, wie meinRang und mein Amt es erfordern!

Die gute Frau von Chantal hat anläßlich des Hinscheidens Ihres HerrnVaters sich vorbildlich verhalten und tut es weiterhin. Sie erfuhr erst vordrei Tagen davon; da ich sie so geschwächt durch ihre Krankheit sah, habeich ihr diese böse Nachricht verheimlicht, solange ich konnte, da ich wohlwußte, daß dies die Genesung verzögern würde. „Eitelkeit der Eitelkeiten,und alles ist eitel“ (Koh 1,2), meine sehr liebe Tochter, außer Gott zulieben und ihm zu dienen. Diese gute Schwester war ganz getröstet, als sieerfuhr, daß ihr Vater in bußfertiger Gesinnung gestorben sei.

Bleiben Sie ganz in Gott, meine sehr liebe Tochter, leben Sie heilig,froh, lieb und friedlich. Ich bin ganz uneingeschränkt, meine sehr liebeTochter, Ihr ganz ergebener Diener.

XV, 53-54 (685) Annecy, April 1611.Meine sehr liebe Schwester!

Da ich Ihrem Herrn Gemahl schreibe, um ihm einen meiner Freunde,einen Domherrn von Lyon zu empfehlen, schicke ich dieses kurzeBrieflein an Sie mit, um Sie ganz einfach von Herzen zu grüßen, nichtnur in meinem Namen, sondern auch von der lieben und guten Schwe-ster, Frau von Chantal, der es immer besser geht, sowohl was ihre Ge-sundheit, wie auch, unter uns beiden gesagt, was ihre Heiligkeit betrifft.Heimsuchungen und Krankheiten tragen ja sehr zum geistlichen Fort-schritt bei wegen der kraftvollen Ergebung in die Hände Unseres Herrn,die man dabei immer wieder erneuern muß.

Leben Sie ganz für Gott, meine liebe Tochter, und da Sie viel in Gesell-schaft sein müssen, erweisen Sie sich darin dem Nächsten von Nutzendurch die Ihnen von mir oft aufgezeigten Möglichkeiten. Und denkenSie nicht, daß Unser Herr weiter von Ihnen entfernt ist, wenn Sie in derUnruhe leben, die Ihr Stand Ihnen auferlegt, als er es wäre, wenn Sie dieWohltat eines ruhigen Lebens genössen. Nein, meine sehr liebe Tochter,nicht die Ruhe bringt ihn unseren Herzen nahe, sondern die Treue unse-rer Liebe; nicht unser Gefühl von seiner Güte, sondern unsere Zustim-

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mung zu seinem heiligen Willen, denn es ist wünschenswerter, daß dieserWille in uns erfüllt werde, als wenn wir unseren Willen in ihm erfüllten.

Leben Sie wohl, meine sehr liebe Schwester, meine Tochter. Ich bittediese höchste Güte, sie möge uns die Gnade erweisen, sie so recht ausLiebe zu suchen, und ich bin in ihr ganz und gar, gnädige Frau, Ihr sehrergebener Diener.

XV, 164-165 (751) Annecy, 11. Februar 1612.Nun haben Sie, meine sehr liebe Tochter, bereits meine Antwort auf

den Brief, den mir Frau von Chantal brachte; und dieser Brief hier beant-wortet Ihr Schreiben vom 14. Januar.

Sie haben recht daran getan, Ihrem Beichtvater zu gehorchen, da erIhnen den Trost der häufigen Kommunion eingeschränkt hat, sei es, umSie zu prüfen, oder sei es, weil Sie nicht genug Sorge dafür trugen, IhreUngeduld zu beherrschen. Ich glaube, daß er es aus beiden Gründengetan hat und daß Sie in dieser Buße beharren müssen, solange er sieIhnen auferlegt, da Sie allen Grund haben zu glauben, daß er nichts ohneberechtigte Überlegung tut. Und wenn Sie demütig gehorchen, wird sicheine Kommunion wertvoller für Sie erweisen als zwei oder drei sonstempfangene; denn nie kräftigt uns Nahrung mehr, als wenn wir sie mitAppetit und nach einer Anstrengung zu uns nehmen. Das Hinausschie-ben wird Ihnen größeren Appetit machen und Ihre Anstrengungen, umIhre Ungeduld zu zügeln, werden Ihren geistlichen Magen stärken.

Demütigen Sie sich indessen in aller Ruhe und erwecken Sie oft einenAkt der Liebe zu Ihrer Selbsterniedrigung. Bleiben Sie ein wenig in derHaltung der kanaanäischen Frau: „Ja Herr, ich bin nicht würdig“ (Mt8,8), das Brot der Kinder zu essen; ich bin wirklich wie ein Hündlein,das den Nächsten durch ungeduldige Worte sinnlos anbellt und beißt;„aber wenn die Hündlein schon nicht das Brot essen dürfen, so haben siedoch die Brosamen vom Tisch ihrer Herren“ (Mt 15,26.27). So bitte ichDich, o mein gütiger Meister, wenn schon nicht um Deinen erhabenenLeib, so doch um die Segnungen, die er über jene ergießt, die sich ihm inLiebe nähern. Diese Empfindung sollten Sie, meine sehr liebe Tochter,an den Tagen erwecken, an denen Sie zu kommunizieren pflegten undnun nicht kommunizieren werden.

Ihr Empfinden, daß Sie Gott ganz angehören, ist nicht trügerisch; aberes verlangt von Ihnen, daß Sie sich mehr mit der Übung der Tugendenbeschäftigen und besonders Sorge dafür tragen, jene Tugenden zu er-

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werben, in denen Sie sich am schwächsten finden. Lesen Sie wieder den„Geistlichen Kampf“ und richten Sie Ihr besonderes Augenmerk auf diedarin enthaltenen Dokumente; er wird Ihnen sehr von Nutzen sein. Ge-fühle beim Gebet sind gut, doch darf man sich darin nicht so viel gefal-len, daß uns dies hindert, uns eifrig um die Tugenden und die Abtötungder Leidenschaften zu bemühen.

Ich bete immer um einen guten Ausgang der Angelegenheiten Ihrerlieben Töchter. Da Sie im innerlichen Gebet auf dem guten Weg sindund die gute Karmelitin Ihnen beisteht, genügt dies. Ich empfehle michderen und Ihren Gebeten und bin unablässig und rückhaltlos völlig derIhre. Es lebe Jesus! Amen.

XV, 191-194 (761) Chambéry (März 1612).33

Gern will ich, meine sehr liebe Tochter, Ihrer Bitte am Ende IhresBriefes entsprechen; seien Sie es aber zufrieden, wenn ich zu Ihnen spre-che wie der große hl. Gregor zu einer tugendhaften, gleich ihm Gregoriagenannten Dame, die Kammerfrau der Kaiserin war. Sie hatte ihn gebe-ten, von Gott Kenntnis darüber zu erlangen, was sie werden sollte, und ersagte zu ihr: „Was das betrifft, was Ihre Güte von mir verlangt und wozuSie sagen, Sie würden nicht aufhören, mich damit zu belästigen, bis ich esIhnen zugestehe, so verlangen Sie von mir etwas in gleicher Weise Schwie-riges und Unnützes.“

Dasselbe sage ich Ihnen, meine liebe Tochter. Wenn Sie mich fragen,welche Autorität der Papst über das Zeitliche der Königreiche und Für-stentümer hat, so wünschen Sie von mir eine „in gleicher Weise schwie-rige und unnütze“ Entscheidung.

Schwierig gewiß nicht an sich, denn eine solche Entscheidung ist imGegenteil leicht zu treffen bei Menschen, die sie auf dem Weg der Näch-stenliebe suchen; schwierig aber, weil es in dieser Zeit, die von heftigenund streitsüchtigen Hitzköpfen überquillt, schwer ist, etwas zu sagen,das nicht jene beleidigt, die sich als gute Diener des Papstes oder derFürsten ausgeben und nicht zugeben wollen, daß man anderen als denextremen Ansichten huldigt. Sie bedenken dabei nicht, daß man einemVater nichts Schlimmeres antun kann, als ihm die Liebe seiner Kinder zunehmen, den Kindern aber nichts Ärgeres, als ihnen die Achtung zunehmen, die sie ihrem Vater schulden.

Unnütz sage ich deshalb, weil der Papst ja von den Königen und Für-sten in dieser Hinsicht nichts verlangt. Er liebt sie alle, er wünscht ihren

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Kronen Beständigkeit und Dauerhaftigkeit, er lebt sanftmütig und freund-schaftlich mit ihnen, und ohne ihre Zustimmung und ihren Willen machter fast nichts in ihren Staaten, nicht einmal hinsichtlich der rein kirchli-chen Angelegenheiten. Ist es daher nötig, sich jetzt bei der Untersuchungseiner Autorität über die zeitlichen Angelegenheiten zu ereifern unddadurch dem Zwist und der Zwietracht die Tore zu öffnen?

Ich lebe gewiß im Staat eines Fürsten, der sich immer zur besonderenPflicht gemacht hat, den heiligen apostolischen Stuhl zu ehren und zuverehren; und doch hören wir niemals davon reden, daß sich der Papst imgroßen oder kleinen in die zeitlichen Verwaltungen der Angelegenheitendes Landes mische oder daß er eine zeitliche Autorität über den Fürsten,über seine Beamten oder seine Untergebenen in irgendeiner Form ausübtoder anstrebt. Wir sind in dieser Hinsicht ganz ruhig und haben keinerleiAnlaß zur Beunruhigung. Wozu sollen wir uns Ansprüche einbilden, dieuns in Streit bringen würden mit dem, den wir als unseren wahren Vaterund geistlichen Hirten kindlich lieben, ehren und achten sollen?

Ich sage Ihnen aufrichtig, meine sehr liebe Tochter: Es schmerzt michüberaus, zu wissen, daß dieser Streit über die Autorität des Papstes Spiel-ball und Gegenstand des Geredes unter so vielen Menschen ist, die we-nig befähigt sind, eine Entscheidung darüber zu treffen, sondern diesenur trüben, anstatt sie zu klären, sie unmöglich machen, anstatt sie zutreffen. Was das Schlimmste ist: Indem sie diese Entscheidung trüben,trüben sie auch den Frieden vieler Seelen, und indem sie eine Entschei-dung unmöglich machen, zerstören sie auch die hochheilige Einigkeitder Katholiken und lenken sie immer mehr davon ab, an die Bekehrungder Häretiker zu denken.

Das alles habe ich Ihnen gesagt, um daraus den Schluß zu ziehen: wasSie betrifft, sollen Sie Ihren Geist in keiner Weise mit solch sinnlosenDiskussionen beschäftigen, von welcher Seite auch immer sie über dieseAutorität geführt werden. Überlassen Sie diese ungebührliche Wißbe-gierde den Leuten, die davon leben wie das Chamäleon von der Luft.

Zugunsten Ihrer Ruhe möchte ich Ihnen kleine Schanzen angeben,hinter die Sie Ihren Geist unter Schutz und Dach zurückziehen können:

Der Papst ist oberster Hirte und geistlicher Vater der Christen, weil erder oberste Stellvertreter Jesu Christi auf Erden ist; daher hat er ständigdie oberste geistliche Autorität über alle Christen, Kaiser, Könige, Für-sten und alle anderen, die ihm in dieser Eigenschaft nicht nur Liebe,Verehrung, Hochschätzung und Achtung schulden, sondern auch Hilfe,Beistand und Unterstützung allen gegenüber und gegen alle jene, die ihn

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oder die Kirche in dieser geistlichen Autorität und ihrer Verwaltungangreifen. Jeder kann kraft natürlichen, göttlichen und menschlichenRechtes seine Kräfte und die seiner Verbündeten zu seiner gerechtenVerteidigung gegen einen gewalttätigen und ungerechten Angreifer undGegner gebrauchen. So kann auch die Kirche oder der Papst (denn dasist ein- und dasselbe) seine Kräfte und die der Kirche sowie der christli-chen Fürsten, seiner geistlichen Kinder, einsetzen zur gerechten Vertei-digung und Wahrung der Rechte der Kirche gegen alle jene, die sie verge-waltigen und zerstören möchten. Dies umso mehr, als die Christen, Für-sten und andere, dem Papst und der Kirche nicht nur durch irgendeineinfaches Band verbündet sind, sondern durch das mächtigste Bündnisan Verpflichtung und das vortrefflichste an Wertschätzung, das sich den-ken läßt. Der Papst und die anderen Kirchenfürsten sind verpflichtet, ihrLeben hinzugeben und den Tod zu erleiden, um den Königen und christ-lichen Königreichen geistliche Nahrung und Bildung zu geben. So sindauch die Könige und Königreiche ihrerseits gehalten und verpflichtet,bei Einsatz ihres Lebens und ihres Staates den Papst und die Kirche,ihren Hirten und geistlichen Vater zu unterstützen. Das ist eine große,aber gegenseitige Verpflichtung zwischen Papst und Königen; eine un-abänderliche Verpflichtung, die sich bis zum Tod einschließlich erstreckt;und eine natürliche, göttliche und menschliche Verpflichtung, durch dieder Papst und die Kirche ihre geistlichen Kräfte den Königen und Kö-nigreichen schulden und die Könige wieder ihre zeitlichen Kräfte demPapst und der Kirche. Papst und Kirche gehören den Königen, um sie ingeistlicher Beziehung zu nähren, zu wahren und gegen alle und allengegenüber zu verteidigen. Könige und Königreiche wieder gehören derKirche und dem Papst, um sie in zeitlicher Hinsicht zu nähren, zu wah-ren und gegen alle und allen gegenüber zu verteidigen: denn die Vätergehören den Kindern und die Kinder den Vätern.

Dennoch besitzen die Könige und alle regierenden Fürsten eine zeitli-che Oberhoheit, von der Papst und Kirche nichts beanspruchen, nochirgendeine Art zeitlicher Anerkennung davon verlangen; sodaß, kurzgesagt, der Papst der oberste Hirte und geistliche Vater, der König aberregierender Fürst und zeitlicher Herrscher ist. Die Autorität des einenwiderspricht nicht der des anderen, sondern sie unterstützen sich gegen-seitig. Denn der Papst und die Kirche exkommunizieren und erklärenjene für Häretiker, die die oberste Autorität der Könige und Fürstenleugnen, und die Könige wieder treffen mit dem Schwert jene, die dieAutorität des Papstes und der Kirche verneinen, oder wenn sie diese

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nicht treffen, so in der Erwartung, daß sie sich bessern und demütigen.Bleiben Sie dabei, seien Sie eine demütige geistliche Tochter der Kircheund des Papstes, Untertan und ergebene Dienerin des Königs. Beten Siefür den einen wie für den anderen und glauben Sie fest, daß Sie bei sol-chem Vorgehen Gott zum Vater und König haben werden.

XVI, 62-65 (910) Annecy, Anfang September 1613.Vor einem Monat wurde ich von einem Fieber gepackt, meine sehr

liebe Schwester, das mir bis jetzt beinahe ständig zu schaffen machte,und inzwischen habe ich von Ihnen drei Briefe auf verschiedenen Wegenerhalten. Der eine vor allem gereichte mir sehr zum Trost, da ich aus derMitteilung der Gegebenheiten und Schwierigkeiten Ihrer teuren SeeleAnzeichen Ihres vollkommenen Vertrauens zu mir erkenne. In Wahr-heit verstehe ich sicher nicht so genau, was Sie mir sagen, daß ich nichtirgendwelchen Zweifel hätte, mich zu täuschen; dennoch meine ich, Siegenügend zu verstehen, um Ihnen antworten zu können.

Sehen Sie, meine sehr liebe Schwester, es geschieht oft, daß wir den-ken, unserer alten Feinde gänzlich ledig zu sein, über die wir früher denSieg davongetragen haben, und dann sehen wir sie von einer anderenSeite wieder herankommen, von der wir sie am wenigsten erwarteten.Der einzigartige Weltweise Salomo hatte in seiner Jugend soviel Wun-derbares vollbracht; daher fühlte er sich im Vertrauen auf die vergange-nen Jahre sicher, daß seine Tugend andauern würde, aber gerade als eraller Anfechtungen ledig zu sein schien, wurde er vom Feind überrascht,den er dem gewöhnlichen Ablauf der Dinge nach am wenigsten zu fürch-ten hatte (1 Kön 11). Das soll uns zwei ausdrückliche Lehren erteilen:1. daß wir uns selbst immer mißtrauen sollen, unseren Weg in heiligerFurcht gehen, ständig die Hilfe des Himmels erbitten und in demütigerFrömmigkeit leben sollen; 2. daß unsere Feinde zurückgeschlagen, nichtaber getötet werden können. Sie lassen uns manchmal in Frieden, abernur, um uns dann noch viel heftiger zu bekämpfen.

Dadurch aber, meine sehr liebe Schwester, sollen Sie in keiner Weiseentmutigt werden, sondern Sie sollen mit friedvoller Wachsamkeit sichZeit und Mühe nehmen, Ihre Seele von dem Übel zu heilen, das ihrdurch diese Angriffe zugefügt sein könnte. Demütigen Sie sich tief vorUnserem Herrn und seien Sie keineswegs erstaunt über Ihr Elend. Eswäre wohl gewiß staunenswert, wenn wir Angriffen und Elend nicht un-terworfen wären.

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Diese kleinen Erschütterungen lassen uns, meine liebe Schwester, aufuns besinnen, unsere Schwachheit erwägen und umso stürmischer Zu-flucht suchen bei unserem Schirmherrn. Der hl. Petrus wandelte ganzsicher auf den Wellen; als aber der Wind sich erhob und die Wogen ihnzu verschlingen schienen, da rief er: „Ach, Herr, rette mich!“, und derHerr fragte ihn: „Du Kleingläubiger, warum zweifelst du?“ (Mt 14,29-31). Auch wir rufen zum Heiland inmitten der Wirren unserer Leiden-schaften, der Stürme und Gewitter der Versuchungen, denn er läßt unsnur aufgewühlt werden, um uns dahin zu bringen, daß wir ihn umsoinniger anflehen.

Alles in allem: ärgern Sie sich nicht, seien Sie nicht verwirrt über ihreVerwirrung, seien Sie nicht erschüttert darüber, daß Sie erschüttert sind,und seien Sie nicht beunruhigt darüber, daß Sie durch diese ärgerlichenLeidenschaften beunruhigt werden. Fassen Sie vielmehr Ihr Herz undlegen Sie es behutsam in die Hände Unseres Herrn mit der Bitte umHeilung. Und Ihrerseits tun Sie auch alles, was Sie vermögen, durchErneuerung Ihrer Entschlüsse, durch Lesen von Büchern, die für dieseHeilung geeignet sind, und gebrauchen Sie auch andere geeignete Mittel.Wenn Sie so handeln, werden Sie bei Ihrem Verlust gewinnen und durchIhre Krankheit gesünder bleiben.

Meine sehr liebe Tochter, da Ihre Schwangerschaft Sie sehr behindert,Ihr gewöhnlich langes innerliches Gebet zu verrichten, machen Sie eskurz und innig. Machen Sie diesen Mangel durch häufige Herzenserhe-bungen zu Gott wieder wett, lesen Sie oft und nicht viel auf einmal ineinem guten geistlichen Buch, fassen Sie gute Gedanken beim Spazie-rengehen, beten Sie kurz und oft, bringen Sie Ihre Erschöpfung und ihreSchwäche Unserem gekreuzigten Heiland dar; und wenn Sie entbundenhaben, nehmen Sie ganz behutsam wieder Ihre Lebensweise auf und zwin-gen Sie sich, dem Inhalt eines dazu geeigneten Buches zu folgen, damitSie, wenn die Stunde der Betrachtung gekommen ist, nicht gedankenlosdastehen, wie einer, der zur Stunde des Mahles nichts bereit hat. Undwenn es Ihnen manchmal an einem Buch mangelt, dann verrichten SieIhr Gebet über irgendein fruchtbares Geheimnis, wie z. B über Tod undLeiden Jesu, das sich Ihrem Geist als erstes darbietet ...

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III. Briefe an Madame de la FléchèreIII. Briefe an Madame de la FléchèreIII. Briefe an Madame de la FléchèreIII. Briefe an Madame de la FléchèreIII. Briefe an Madame de la Fléchère(1608 – 1622)(1608 – 1622)(1608 – 1622)(1608 – 1622)(1608 – 1622)

Madeleine de la Forest, 1565 geboren, 1612 verheiratet mit François de laFléchère, 1616 verwitwet, starb 1632. Rumilly, wo sie ihr „Hotel“ hatte (sonannte man damals die großen Häuser von Adeligen), liegt nahe bei Annecy.Franz von Sales hatte dort öfter zu tun und hielt 1608 die Fastenpredigten;wenn er nach Rumilly kam, war er stets Gast im Hotel Fléchère. Madame de laFléchère schenkte später ihr Haus dem Orden von der Heimsuchung, legte aufdem Totenbett die Ordensgelübde ab und wurde bei den Schwestern begraben.Die Sekretärin der hl. Johanna Franziska von Chantal hat über sie eine kurzeBiographie verfaßt (vgl. auch Henri Bordeaux, Saint François de Sales et notrecoeur de chair, Paris 1924, Seite 209-219).

Madame de la Fléchère war eine der bedeutendsten geistlichen Töchter deshl. Franz von Sales. Sie hatte sich in der Fastenzeit 1608 unter seine geistlicheLeitung gestellt und wurde bald eng befreundet mit der Baronin von Chantal,der sie in vielem ähnlich war. Franz von Sales schätzte sie sehr und schrieb1616 über sie: „Nach unserer Frau von Chantal weiß ich keine kraftvollereSeele, keinen vernünftigeren Geist und keine aufrichtigere Demut.“

Sie ist ein ganz anderer Charakter als Frau von Brulart. Franz von Salesbraucht sie nicht zum Eifer anzuspornen, sondern muß diesen eher dämpfen.Er hilft ihr, sich in den Alltäglichkeiten zu heiligen, mitten in ihrem großenHaushalt mit vielen Unannehmlichkeiten, die sie in Vereinigung mit Christustragen soll. Ihre Schwierigkeiten kamen nicht zuletzt von ihrem Mann, worübersich in den Briefen des hl. Franz von Sales nur ganz diskrete Andeutungenfinden (bei zwei Anlässen wird er allerdings ziemlich deutlich). Sie neigt zuGrübeleien über ihre Fehler, über die Ursache ihrer Trockenheit; Franz vonSales sagt ihr, sie soll ihre Fehler bereuen, aber nicht darüber grübeln, sonderndie Demütigung willig annehmen, daß sie so schwach ist. – Nach dem Tod ihresMannes, der viele Schulden hinterließ, hilft ihr Franz von Sales durch Rat undTat. Seine erste Sorge bleibt aber der stete Aufstieg zu einem von Liebe zu Gottund zu den Menschen erfüllten Leben.

Wenn man von Frau von Chantal absieht, hat Franz von Sales wohl diemeisten Briefe an Madame de la Fléchère geschrieben. Einige der überliefertenmögen unecht sein, andere enthalten nur Nachrichten über gemeinsame Freundeoder nach dem Tod ihres Mannes wirtschaftliche Ratschläge, wir haben hier 58aufgenommen, die man als Seelenführungs-Briefe ansprechen kann: auch indiesen wurden bloße Nachrichten, Grüße und wirtschaftliche Ratschläge aus-

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gelassen. Diese Briefe sind ein Musterbeispiel für die konkrete, gütige undkonsequente geistliche Führung eines edlen, hochherzigen Menschen.

In dieser Sammlung wurden aus den oben genannten Gründen folgende Briefean Madame de la Fléchère aus den „Oeuvres“ nicht aufgenommen: Band XIV,Nr. 485, 532; XV, 710, 794, 815, 827; XVI, 898, 929, 932, 933, 1013, 1034,1035, 1067; XVII, 1116, 1120, 1127, 1128, 1144, 1151, 1160, 1215, 1218,1228, 1241, 1252, 1259, 1304; XVIII, 1311, 1357, 1429, 1443, 1444, 1489;XIX, 1574; XX, 1749, 1750, 1770, 1845, 1941.

XIV, 1-3 (444) Annecy, 8. April 1608

Gnädige Frau!Ich habe Ihren ersten Brief1 mit besonderer Freude empfangen, als

einen guten Beginn der geistlichen Verbindung, die wir eingehen, um inunseren Herzen das Reich Gottes zu fördern. Möge mir derselbe Gotteingeben, was für Ihre Führung am geeignetsten ist.

Es ist nicht möglich, daß Sie so bald Herrin über Ihre Seele werdenund daß Sie vom ersten Versuch an sie so absolut in der Hand haben.Begnügen Sie sich damit, von Zeit zu Zeit irgendeinen kleinen Sieg überIhre feindliche Leidenschaft zu erringen. Man muß die anderen, in ersterLinie aber sich selbst ertragen, und es geduldig annehmen, daß man un-vollkommen ist. Mein Gott, meine liebe Tochter, möchten wir denn indie innerliche Ruhe eintreten, ohne durch die gewöhnlichen Widrigkei-ten und Anfechtungen hindurchzugehen?

Beachten Sie genau die Punkte, die ich Ihnen gesagt habe.2 BereitenSie Ihre Seele gleich am Morgen zur Stille vor; und tragen Sie währenddes Tages Sorge, sie oft zu dieser Stille zu rufen und sie wieder in IhreHand zu bekommen. Sollten Sie sich über etwas ärgern, entsetzen Siesich nicht und machen Sie sich deshalb keinerlei Sorge. – Wenn Siedessen bewußt werden, demütigen Sie sich liebevoll vor Gott und versu-chen Sie, Ihren Geist wieder zu einer gelassenen Haltung zurückzufüh-ren. Sagen Sie Ihrer Seele: Wir haben also etwas Verkehrtes getan; gehenwir nun ganz sachte weiter und geben wir auf uns acht! – Und alle Male,sooft Sie zurückfallen, tun Sie das Gleiche.

Wenn Ihre Seele in Ruhe ist, machen Sie lebendigen Gebrauch davon,indem Sie möglichst viele Akte der Sanftmut verrichten, so häufig SieGelegenheit dazu haben, mögen diese auch noch so gering sein. UnserHerr sagt doch: „Wer treu ist im Kleinen, dem wird man Großes anver-trauen“ (Lk 16,10; Mt 25,21,23). Vor allem, meine Tochter, verlieren

III. Fléchère 444

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Sie nicht den Mut, haben Sie Geduld, lernen Sie warten! Bemühen Siesich um diesen Geist des Mitfühlens.

Ich zweifle nicht daran, daß Gott Sie in seiner Hand hält. Wenn er Siestraucheln läßt, so geschieht das nur, damit er Sie erkennen lasse, daß Siegänzlich fallen würden, wenn er Sie nicht hielte, und damit Sie immerstärker seine Hand festhalten.

Gott befohlen, gnädige Frau, gehören Sie Gott an, gänzlich, absolutund unwiderruflich. Ich bin in ihm Ihr Ihnen ganz ergebener Diener.

XIV, 7-8 (448) Annecy, (Ende April oder Anfang Mai) 1608.

Gnädige Frau!3

Die Briefe, die Sie mir geschrieben haben, haben mich sehr erfreut, daich sehe, daß Unser Herr Ihnen die Anfänge der innerlichen Stille verko-sten läßt. Mit dieser müssen wir von nun ab mit Hilfe seiner Gnade ihmweiterhin dienen inmitten all der Hetzjagd und Vielfalt der Angelegen-heiten, zu denen unser Stand uns verpflichtet. Ich setze eine überausgroße Hoffnung auf Sie, weil ich – so scheint es mir – in Ihrem Herzendiesen festen Entschluß gesehen habe, seiner göttlichen Majestät dienenzu wollen. Daraus entnehme ich die Sicherheit, daß Sie in den Übungender heiligen Frömmigkeit treu sein werden. – Wenn es dabei auch zuvielen Fehlern aus Schwäche kommt, darf uns dies in keiner Weise wun-dern; sondern wir müssen einerseits wohl die Gott zugefügte Beleidi-gung verabscheuen, andererseits aber in einer gewissen freudigen Demutleben, die uns unsere Armseligkeit gern sehen und erkennen läßt.

Ich will Ihnen nun kurz die Übungen nennen, zu denen ich Ihnen rate;Sie werden sie klarer noch in dieser Schrift lesen, die ich soeben abfasse:die Vorbereitung auf den ganzen Tag, die am Morgen kurz erfolgen soll;vormittags das innerliche Gebet ungefähr eine Stunde lang, je nachdemSie Zeit haben; am Abend vor dem Nachtmahl eine kleine Einkehr, inder Sie – in einer Art Wiederholung – eine Anzahl kräftiger Stoßgebetezu Gott verrichten entsprechend der Betrachtung am Morgen oder überirgendeinen anderen Gegenstand.

Prüfen Sie sich tagsüber und während Ihrer Arbeiten, sooft Sie kön-nen, ob Ihre Liebe sich nicht zu weit vorgewagt hat, ob sie nicht aus denFugen geraten ist und ob Sie sich immer mit einer Hand an UnserenHerrn halten. Wenn Sie sich übermäßig verwirrt finden, besänftigen SieIhre Seele und bringen Sie sie wieder zur Ruhe. Stellen Sie sich vor, wie

III. Fléchère 448

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die Gottesmutter behutsam eine ihrer Hände gebrauchte, während sieUnseren Herrn an der anderen hielt oder in seiner Kindheit auf ihremanderen Arm trug; denn dies geschah mit großer Ehrfurcht.

Zu Zeiten des Friedens und der Stille vervielfachen Sie die Akte derGelassenheit; denn dadurch zähmen Sie Ihr Herz zur Milde. Geben Siesich nicht damit ab, die kleinsten Versuchungen, die Ihnen zustoßen,durch Entgegnungen oder durch Streit mit ihnen zu bekämpfen. Son-dern wenden Sie einfach Ihr Herz dem gekreuzigten Jesus zu, als ob Sieseine Seite oder seine Füße aus Liebe küssen wollten.

Sorgen Sie sich nicht ab, viele mündliche Gebete zu verrichten. Wannimmer Sie beten und Ihr Herz zum innerlichen Gebet hingezogen füh-len, lassen Sie ihm freien Lauf; und wenn Sie mit dem innerlichen Gebetnur das Vaterunser, das Ave Maria und das Glaubensbekentnis verrich-ten, können Sie sich zufriedengeben.

Ich stelle mich mit ganzem Herzen dem Dienst an Ihrer Seele zurVerfügung, Ihrer Seele, die mir von nun ab teurer sein wird wie meineeigene. Unser Herr sei immerdar der Herr unserer Herzen, wie ich inIhm bin, Ihr Diener ...

XIV, 21-23 (455) Annecy, 19. Mai 1608.4

Ich erinnere mich, daß Sie mir sagten, wie sehr Ihre vielseitige Tätig-keit Sie belaste; und ich sagte Ihnen, daß dies eine gute Möglichkeit sei,echte und solide Tugenden zu üben. Diese umfangreichen Obliegenhei-ten sind ein ständiges Martyrium. So wie die Fliegen den Reisenden imSommer mehr Plage und Ärger bereiten als die Reise selbst, so machtuns die Vielfalt und Verschiedenheit der Obliegenheiten mehr zu schaf-fen als selbst ihre Schwere.

Sie haben Geduld nötig und ich hoffe, daß Gott sie Ihnen geben wird,wenn Sie ihn innig darum bitten und wenn Sie sich recht willig bemühen,sie zu üben. Bereiten Sie sich jeden Morgen darauf vor, indem Sie einenPunkt Ihrer Betrachtung darauf besonders beziehen. Bleiben Sie hart-näckig dabei, sich im Laufe des Tages ebensooft wieder zur Geduld zu-rückzurufen, als Sie sich davon entfernt fühlen.

Versäumen Sie keine Gelegenheit, so klein sie auch sein mag, Her-zenssanftmut gegen jedermann zu üben. Verlassen Sie sich nicht darauf,in Ihren Angelegenheiten durch Ihre Geschicklichkeit Erfolg zu haben,sondern nur durch den Beistand Gottes; vertrauen Sie sich daher ganzseiner Sorge an und glauben Sie, daß er das tun wird, was das Beste für

III. Fléchère 455

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Sie ist, vorausgesetzt, daß Sie sich Ihrerseits eines ruhigen Eifers bedie-nen. Ich sage, ruhigen Eifers, denn ein gewalttätiger Eifer verdirbt dasHerz und die Dinge und ist kein Eifer mehr, sondern Ungestüm undVerwirrung.

Mein Gott, gnädige Frau, so bald werden wir in der Ewigkeit sein unddann erkennen, wie wenig alle Dinge dieser Welt bedeuten und wie we-nig daran liegt, ob sie erledigt werden oder nicht; aber jetzt hetzen wiruns ab, als ob es sich um ganz große Dinge handelte.

Mit welchem Eifer sammelten wir doch, als wir kleine Kinder waren,Steinchen, Hölzchen und Erdklümpchen, um daraus Häuser und kleineBurgen zu bauen! Und wenn jemand sie uns zerstörte, waren wir rechtunglücklich darüber und weinten; heute aber erkennen wir wohl, wiewenig an all dem lag. So wird es uns auch eines Tages im Himmel erge-hen, wenn wir sehen werden, daß all das, an dem wir in der Welt hingen,doch nur rechte Kindereien waren.

Ich will uns damit nicht die Sorge abnehmen, die wir für solche Klei-nigkeiten und Nichtigkeiten hegen sollen, denn Gott hat sie uns in dieserWelt zur Aufgabe gestellt; wohl aber möchte ich dieser Sorge den Über-eifer und die Hitze nehmen. Tun wir unsere Kindereien, da wir ebenKinder sind; aber zerreißen wir uns nicht, sie zu tun. Und wenn irgendjemand unsere Häuschen und kleinen Pläne zerstört, dann soll es unsnicht viel quälen; denn wenn der Abend kommt, an dem man ein Ob-dach suchen muß, ich meine der Tod, dann sind alle diese Häuschennichts mehr wert; wir müssen uns dann in das Haus unseres Vaters zu-rückziehen (Ps 122,1). Sorgen Sie sich gewissenhaft um Ihre Angelegen-heiten, aber Sie sollen wissen, daß es für Sie keine wichtigeren Geschäftegibt als das Ihres Heiles und das heilbringende Vorwärtsschreiten IhrerSeele zur echten Frömmigkeit.

Haben Sie Geduld mit allen, in erster Linie aber mit sich selbst; damitwill ich sagen, daß Sie nicht verstört werden sollen ob Ihrer Unvollkom-menheiten und daß Sie immer den Mut haben sollen, sich wieder zuerheben. Ich freue mich, daß Sie alle Tage wieder neu beginnen; es gibtkein besseres Mittel, das geistliche Leben gut zu vollenden, als immerwieder zu beginnen und niemals zu denken, genug getan zu haben. Emp-fehlen Sie mich der Barmherzigkeit Gottes, die ich bitte, Sie überströ-men zu lassen in seiner heiligen Liebe. Amen.

Ich bin Ihr recht ergebener Diener.

III. Fléchère 455

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XIV, 26-27 (458) Annecy, 28. Mai 1608.5

Gnädige Frau!Ich wünsche gewiß sehr, daß Sie mir voll Vertrauen schreiben, wenn

Sie daraus Trost zu empfangen meinen.Folgende zwei Dinge müssen wir miteinander vereinen: einerseits eine

äußerst große Liebe zum Guten und Genauigkeit in unseren Gebets-und Tugendübungen, andererseits aber uns in keiner Weise verwirrenund beunruhigen zu lassen oder uns zu entsetzen, wenn uns dabei Fehlerunterlaufen. Das Erste fordert von uns die Treue, die immer unvermin-dert bleiben und von Stunde zu Stunde wachsen soll; das Zweite aber isteine Folge unserer Schwäche, die wir während dieses sterblichen Lebensniemals ablegen können.

Meine sehr liebe Tochter, wenn uns Fehler unterlaufen, prüfen wirsogleich unser Herz und fragen wir es, ob sein Entschluß, Gott zu die-nen, immer lebendig und unvermindert ist. Ich hoffe, daß es uns „ja“antworten wird und lieber tausend Tode erleiden würde, als von diesemEntschluß abzugehen. Fragen wir es dann noch: Warum also strauchelstdu jetzt? Warum bist du so lässig? Es wird antworten: Ich bin überraschtworden, ich weiß nicht wie, aber ich bin jetzt so schwerfällig.

Ach, meine liebe Tochter, wir müssen ihm verzeihen; nicht aus Un-treue fehlt es, sondern aus Schwäche. Wir müssen es also behutsam undruhig bessern und nicht noch mehr in Aufregung und Verwirrung brin-gen. Wir wollen ihm also sagen: mein Herz, mein Freund, fasse im Na-men Gottes Mut; gehen wir vorwärts, achten wir auf uns, erheben wir unszu unserer Hilfe und zu unserem Gott. Ach, meine liebe Tochter, wirmüssen zu unserer Seele liebevoll sein und sie nicht hart anfassen, solan-ge wir sehen, daß sie nicht absichtlich schlecht handelt. Sehen Sie, indieser Weise üben wir die heilige Demut.

Was wir für unser Heil tun, wird zum Dienst an Gott, denn Unser Herrselbst hat in dieser Welt nur für unser Heil gewirkt. Wünschen Sie nichtden Krieg, aber erwarten Sie ihn stehenden Fußes. Unser Herr sei IhreStärke. Ich bin in ihm, Ihr Ihnen sehr zugeneigter Diener.

XIV, 51-52 (468) Annecy, 13. Juli 1608.6

Gnädige Frau!Auf Ihren letzten Brief habe ich bisher nicht geantwortet, weil ich

keinen verläßlichen Überbringer gefunden habe und jetzt wieder habeich nicht die erforderliche Zeit, um Sie ganz zu befriedigen. Dennoch

III. Fléchère 458, 468

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habe ich Ihnen schreiben wollen, um Ihnen einfach zu bezeugen, daß ichzu Unserem Herrn alle Tage für Sie bete; dies aber mit besonderer Liebe,indem ich ihn anflehe, er möge Ihnen in all Ihren Nöten, die Ihnen dieSchwangerschaft bereitet, mit seinen heiligen Tröstungen beistehen.

Sehen Sie, gnädige Frau, ich stelle mir vor, daß Ihr melancholischesWesen sich Ihrer Schwangerschaft bemächtigt, um Sie sehr traurig zumachen, und daß Sie wiederum, da Sie sich traurig finden, darüber inUnruhe geraten. Tun Sie das aber nicht, ich bitte Sie. Wenn Sie sichschwerfällig, traurig und düster finden, unterlassen Sie es trotzdem nicht,in Frieden zu bleiben. Und wenn Sie auch alles ohne Lust, ohne Gefühlund ohne Kraft zu tun scheinen, lassen Sie doch nicht davon ab, Unserengekreuzigten Herrn zu umfassen, ihm Ihr Herz zu schenken und IhrenGeist zu weihen mit all Ihren Affekten, so wie sie sind, und mögen sieauch noch so schwächlich sein. Die selige Angela de Foligno sagt, UnserHerr habe ihr enthüllt, keine Art von Gutem sei ihm so wohlgefällig, wiedas, was man mit Anstrengung machen müsse; das heißt also, wie das,was ein fest entschlossener Wille ihm leistet, entgegen den Erschöpfun-gen des Fleisches, entgegen den Widerständen des unteren Bereichesund inmitten innerlicher Trockenheit, Traurigkeit und Verlassenheit.Mein Gott, meine liebe Tochter, wie glücklich werden Sie bei jedemKreuz sein, das sich Ihnen darbietet, wenn Sie in Ihren Entschlüssen Ihmtreu bleiben, der Sie so treu liebte bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz(Phil 2,8) ...

Bleiben Sie mit Jesus, leben Sie in ihm und durch ihn, der mich zuIhrem Ihnen ganz ergebenen Diener gemacht hat.

XIV, 53-54 (469) Annecy, 16. Juli 1608.7

Vor allen Dingen, meine liebe Tochter, müssen Sie zu dieser Ruhegelangen, nicht weil sie die Mutter der Zufriedenheit, sondern weil siedie Tochter der Gottesliebe und des Verzichtes auf unseren Eigenwillenist. Gelegenheiten, sie zu üben, gibt es täglich, denn es fehlt uns nie anÄrger, wo immer wir sein mögen; und wenn keiner uns solchen bereitet,dann tun wir ihn uns selbst an. Mein Gott, meine liebe Tochter, wie heiligund Gott wohlgefällig wären wir, wenn wir die Anlässe, uns zu überwin-den, die unser Stand uns verschafft, recht zu nützen verstünden, denn siesind zweifellos viel größer als bei den Ordensleuten; das Schlimme ist,daß wir sie nicht nützen wie jene.

Geben Sie nur recht acht auf sich in dieser Schwangerschaft; zwingen

III. Fléchère 469

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Sie sich zu keiner Übung und wenn, dann ganz sachte. Wenn das Knie Sieermüdet, setzen Sie sich nieder; wenn Sie nicht genug aufmerksam seinkönnen, eine halbe Stunde zu beten, dann beten Sie eine Viertelstundeoder eine halbe Viertelstunde.

Ich bitte Sie, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen und IhreSchmerzen vor ihm zu erleiden. Unterdrücken Sie Ihre Klagen nicht,aber ich möchte, daß Sie es ihm gegenüber mit einem kindlichen Geisttun, wie ein kleines Kind sich bei seiner Mutter ausweinen würde. Ge-schieht dies mit Liebe, dann macht es nichts aus, wenn Sie sich auswei-nen, wenn Sie um Heilung bitten, wenn Sie Ihren Platz wechseln odersich Erleichterung verschaffen. Tun Sie das nur mit Liebe und Ergebungin die Hände des gütigen Willens Gottes.

Sorgen Sie sich auch nicht, ob Sie die Tugendübungen recht verrich-ten; denn, wie ich Ihnen gesagt habe, sind sie trotzdem gut, auch wenn sieermattet, schwerfällig und gleichsam erzwungen geleistet werden. Siekönnen Gott nur das geben, was Sie haben, und in dieser Zeit des Leidenskönnen Sie sonst nichts zustandebringen. Ihr Geliebter ist Ihnen jetzt,meine liebe Tochter, wie ein Myrrhenbüschel; drücken Sie ihn dennochweiterhin an Ihre Brust (Hld 1,12). „Mein Geliebter ist mein und ich binsein“ (Hld 2,16); immer wird er in meinem Herzen sein. Jesaja nenntihn den Schmerzensmann (Kap. 53,3); er liebt die Leiden und die Lei-denden. Quälen Sie sich nicht ab, viel zu tun, sondern seien Sie bereit,das, was Sie zu leiden haben, mit Liebe zu leiden.

Gott wird Ihnen hilfreich sein, gnädige Frau, und Ihnen die Gnadeerweisen, daß Sie dieses mehr zurückgezogene Leben, von dem Sie mirsprechen, in Erwägung ziehen können. Darniederliegend, lebend odersterbend, gehören wir Gott an (Röm 14,8) und nichts soll uns, dankseiner Gnade, von seiner heiligen Liebe trennen (Röm 8,31). Niemalswird unser Herz Leben haben als in ihm und für ihn, er wird auf immerder Gott unseres Herzens sein (Ps 73,26).

Ich werde niemals aufhören, ihn darum zu bitten, noch gänzlich in ihmzu sein Ihr Diener, der Sie sehr lieb hat.

XIV, 55 (470) Annecy, um den 21. Juli 1608.Ja, meine sehr liebe Tochter, gern gebe ich dem Haus de la Fléchère

den Namen „Franz“ wieder, der mir in der heiligen Taufe durch IhrenOnkel und meinen guten Paten, Herrn Prior de la Fléchère, verliehenwurde; wenn es aber eine Tochter ist, werden wir eine gute Ordensschwe-ster daraus machen.8

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XIV, 57 (472) Annecy, (August) 1608.9

Gnädige Frau, meine sehr liebe Tochter (denn ich glaube, Sie wollen,daß ich Sie so nenne), nähren Sie Ihre Seele, indem Sie ihr den Geistherzlichen Vertrauens auf Gott einflößen. In dem Maße, als Sie sich vonUnvollkommenheiten und Armseligkeiten umgeben finden, frischen SieIhren Mut wieder auf, um fest zu hoffen. Haben Sie viel Demut, dieTugend der Tugenden, aber eine hochherzige und von Frieden erfüllteDemut.

Seien Sie treu, unserem Meister gut zu dienen, aber bewahren Sie inseinem Dienst kindliche und liebevolle Freiheit; ohne in Ihrem Herzenentmutigende Bitterkeit aufkommen zu lassen. Bewahren Sie einen Geistheiliger Freude, die maßvoll Ihre Handlungen und Worte durchdringeund den guten Menschen, die Sie sehen, Trost schenke, damit sie dafürGott verherrlichen (Mt 5,16; 1 Petr 2,12), was unser einziges Bestrebenist. Sie dürfen jetzt Ihrem Leib keine Abtötung und Kasteiung zumuten,und es ist auch keineswegs zuträglich, daß Sie auch nur daran denken,worin wir ja übereingekommen sind. Halten Sie ihr Herz gut in Ordnungvor seinem Heiland. Was Sie tun, tun Sie es so viel als möglich, um Gottwohlzugefallen. Und was Sie entsprechend der Beschaffenheit diesesLebens zu leiden haben, das leiden Sie in der gleichen Absicht. So wirdGott Sie ganz in Besitz nehmen und Ihnen die Gnade erweisen, daß Sieihn eines Tages auf ewig besitzen werden, wofür ich ihn mein ganzesLeben lang anflehen werde, meine sehr liebe Tochter, und von ganzemHerzen sein werde Ihr recht ergebener und Ihnen zugeneigter Diener.

XIV, 81-82 (488) Annecy, 28. Oktober 1608.Gnädige Frau, meine sehr liebe Tochter und Gevatterin!

Sie werden den Brief sehen, den ich Herrn von Citeaux10 und Ihrerguten Frau Schwester schrieb.11 Bei der geringen mir zur Verfügung ste-henden Zeit bleibt mir nur noch, Ihnen zu sagen, daß ich den Gleichmutüberaus billige, den Sie sowohl in der Angelegenheit von Bons12 als auchin allen anderen beweisen, da dies ja im Hinblick auf den Willen Gottesgeschieht.

Ich mag keineswegs jene gewissen Seelen,13 die nichts lieben und beiallen Ereignissen unbewegt bleiben und das tun aus Mangel an Kraft undHerz oder aus Geringschätzung des Guten und des Bösen. Jene aber, dieaus völliger Ergebung in den Willen Gottes gleichmütig bleiben, die – o

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mein Gott – sollen dafür seiner göttlichen Majestät danken, denn das istwohl ein großes Geschenk. Ich würde Ihnen das mündlich besser sagen;aber Sie werden es, denke ich, auch so, wie ich es sage, genügend verste-hen.

Das ist wirklich eine Versuchung, im Gebet sich mit dem Gedankenabzugeben, was Sie mir von Ihrer Seele aufzudecken haben; denn das istnicht die Zeit dafür. Kämpfen Sie jedoch nicht gegen diese Gedanken an,sondern lenken Sie ganz sachte Ihren Geist davon ab durch ein einfachesZurückkehren zum Gegenstand Ihres Gebetes.14

Ich werde Ihnen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit schreiben,wenn ich mehr Zeit habe, denn jetzt muß ich abreisen, um in einer Pfarredie Visitation vorzunehmen, und ich habe viele Leute um mich.

Gott sei inmitten Ihres Herzens, meine liebe Tochter, und möge es mitseiner heiligen Liebe entflammen. Er hat mich für immer gemacht zuIhrem Ihnen sehr zugeneigten und treuen Diener.

XIV, 119-121 (512) Annecy, 20. Januar 1609.15

Gnädige Frau!Zweifellos würden Sie sich mündlich besser und viel freier ausdrük-

ken als schriftlich; indessen müssen wir, bis Gott es so will, uns derMittel bedienen, die uns zur Verfügung stehen. Sehen Sie, Erschöpfung,Erschlaffung und Erstarrung der Sinne können nicht ohne eine Art fühl-barer Traurigkeit sein; solange aber Ihr Wille und der Geist in seinemGrund fest entschlossen sind, ganz Gott zu gehören, ist nichts dabei zubefürchten, denn das sind natürliche Unvollkommenheiten und mehrKindertorheiten als Sünden oder geistige Mängel. Dennoch müssen Siesich, so sehr es Ihnen möglich sein wird, zu Mut und Regsamkeit desGeistes aufmuntern und aufrufen.

O wie häßlich ist wohl dieser Tod, meine liebe Tochter, aber dasjenseitige Leben, das die Barmherzigkeit Gottes uns schenken wird, istdoch auch sehr sehenswert. Und wir dürfen uns darüber nie in miß-trauische Gedanken einlassen. Wenn wir auch armselig sind, wissenwir denn nicht, daß Gott barmherzig ist jenen gegenüber, die den Wil-len haben, ihn zu lieben, und die auf ihn ihre Hoffnung gesetzt haben?(Ps 33,18; 37,40). Als der selige Kardinal Borromäus im Sterben lag,ließ er sich ein Bild unseres toten Heilands bringen, um seinen eigenenTod durch den des Erlösers zu erleichtern. Das beste Mittel gegen dieAngst vor dem Tod ist der Gedanke an den, der unser Leben ist (Kol

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3,4), und niemals an den einen Tod zu denken, ohne den Gedanken anden anderen beizufügen.

Mein Gott, meine liebe Tochter, prüfen Sie nicht, ob Sie viel oderwenig tun und ob es gut oder schlecht ist, wenn es nur nicht Sünde ist undwenn Sie ganz schlicht den Willen haben, es für Gott zu tun. Soweit Siees können, tun Sie vollkommen, was Sie tun, aber wenn es getan ist,denken Sie nicht mehr daran, sondern an das, was noch zu tun ist. GehenSie recht einfach auf dem Weg Unseres Herrn und quälen Sie sich nicht!Wir müssen unsere Fehler hassen, aber mit einem ruhigen und gelasse-nen Haß, nicht aber mit einem verärgerten und verwirrten; ja, wir müs-sen es ertragen, sie zu sehen und daraus eine heilige Selbsterniedrigunggewinnen. Wenn das fehlt, meine Tochter, werden die Unvollkommen-heiten, die Sie bis ins Kleinste hinein sehen, Sie noch mehr bis ins Klein-ste hinein verwirren und sie werden dauernd haften bleiben; denn nichtsläßt unsere Schandflecken mehr anhalten als die Unruhe und der Über-eifer, sie auszulöschen ...

Es ist eine schwere Versuchung, wenn man an der Welt Mißfallen fin-det und traurig ist, in ihr zu leben, aber doch notwendigerweise in ihrsein muß. Die Vorsehung Gottes ist weiser als wir. Wir sind der Mei-nung, daß unser Befinden besser werde, wenn wir ein anderes Schiff be-steigen. Ja, aber es wird nur dann sein, wenn wir selbst anders werden.Mein Gott, ich bin ein geschworener Feind dieser unnützen, gefährli-chen und schlechten Wünsche; denn wenn auch das, was wir wünschen,gut ist, ist dennoch der Wunsch schlecht, denn Gott will eben diese Artdes Guten nicht für uns, sondern eine andere, in der wir uns nach seinemWillen üben sollen. Gott will zu uns in den Dornen und im Busch spre-chen, wie er es zu Mose tat (Ex 3,2), wir aber wollen, daß er zu uns imsanften und frischen Lüftlein spreche, wie er es zu Elija tat (1 Kön 19,12).

Seine Güte bewahre Sie, meine Tochter; aber seien Sie beständig, mu-tig und freuen Sie sich, daß diese Güte Ihnen den Willen schenkt, ganzihm gehören zu wollen. In ihm bin ich zur Gänze der Ihre.

XIV, 121-123 (513) Annecy (Februar) 1609.Ich schicke Ihnen, meine sehr liebe Tochter, Ihr Buch16 korrigiert zu-

rück; möge es Ihnen so von Nutzen sein, wie ich es wünsche!Die Entschlüsse, uns mit Gott zu vereinen, müssen wir gewiß oft fassen

und erneuern, damit wir in ihnen verhaftet bleiben. Aber ich wünsche,

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daß Sie sich in Ihrem Eifer nicht Versuchungen oder Gelegenheiten zurAbtötung wünschen. Da es Ihnen durch die Gnade Gottes daran nichtfehlen wird, brauchen Sie Ihr Herz nicht damit beschäftigen, sie herbei-zuwünschen. Beschäftigen Sie es vielmehr damit, daß es sich vorbereiteund die erforderliche Haltung einnehme, um sie entgegenzunehmen, nichtwann Sie wollen, sondern wann Gott sie zuläßt.

Daß wir uns über die göttliche Gnade ein wenig freuen, falls wir Erfol-ge haben, ist nichts Böses, wenn wir daraus demütig hervorgehen. Ereig-nissen, die nicht Sie im Besonderen, sondern Ihr Haus betreffen, sollenSie abhelfen, jedoch dabei ergeben gleichmütigen Herzens das abwarten,was Gott zum Besten für uns verfügen wird. Solche Klagen, Sie seienarmselig und unglücklich, müssen Sie, meine liebe Tochter, ganz bleibenlassen; denn abgesehen davon, daß solche Worte sich nicht für eine Die-nerin Gottes schicken, entspringen sie einem zu niedergeschlagenenHerzen und sind weniger Äußerungen der Ungeduld als des Ärgers.

Sehen Sie, meine liebe Tochter, üben Sie Sanftmut und Ergebung inden Willen Gottes, nicht bloß bei außergewöhnlichen Dingen, sondernbesonders bei diesen täglichen kleinen Unannehmlichkeiten. BereitenSie sich darauf am Morgen vor, nach dem Mittagessen, bei der Danksa-gung, vor und nach dem Abendessen und am Abend setzen Sie sich diesfür eine Zeit zum Ziel. Aber tun Sie das, das heißt diese Übungen, ruhi-gen und freudvollen Geistes; und wenn Ihnen dabei Fehler unterlaufen,demütigen Sie sich und beginnen Sie wieder von neuem.

Es ist sicher gut, eine große allgemeine Sehnsucht nach der äußerstenVollkommenheit christlichen Lebens zu haben. Man sollte aber nicht imBesonderen darüber philosophieren, sondern nur über unsere Besse-rung und unseren Fortschritt von Tag zu Tag bei den täglichen Gescheh-nissen. Das Gelingen unseres Hauptanliegens aber sollen wir der Vorse-hung Gottes überlassen und uns dafür in seine Arme werfen wie einkleines Kind, das – um größer zu werden – Tag für Tag ißt, was sein Vaterihm vorsetzt, und hofft, er werde ihm das für seinen Appetit und BedarfErforderliche verschaffen.

Gegen die Versuchungen zum Neid wenden Sie das an, was ich imBuch von den gleichen Versuchungen sage.17 Da die Kommunion Ihnensoviel gibt, machen Sie oft von ihr Gebrauch mit großem Eifer und rei-nem Gewissen. Leben Sie immer frohgemut trotz all Ihrer Versuchun-gen. Tun Sie jetzt kein anderes Bußwerk und überwinden Sie sich, indemSie im Geist der Sanftmut liebevoll den Nächsten ertragen und Krankebesuchen, und haben Sie guten Mut.

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Ich habe unserer guten Schwester18 seither wenig geschrieben; ich habesie sehr lieb. Die Arme war wegen einer Kleinigkeit ganz verwirrt; das istaber ein gutes Zeichen, denn dies hat in ihr die Gottesfurcht vertieft. Siewar ganz entmutigt, weil sie glaubte, Gott beleidigt zu haben. O Gott, wirsollen viel lieber sterben, als wissentlich und freiwillig Gott zu beleidi-gen. Wenn wir aber fallen, sollen wir alles eher verlieren als Mut, Hoff-nung und unser Vorhaben. Nun, Gott wird dies alles zu seiner Ehre wen-den.

Ihre Nachbarin wird recht gut handeln, wenn sie lieber bezahlt, was sienicht schuldig ist, um das Übel eines Prozesses oder einer Uneinigkeitmit ihrem Mann zu vermeiden, wenn die Summe nicht recht bedeutendist. Denn wenn sie, um ihn vor einem körperlichen Fieber zu bewahren,auch ohne sein Wissen Geld verwenden kann, warum nicht, um ein geist-liches Fieber zu verhüten?

Gute Nacht, gnädige Frau, meine sehr liebe Gevatterin, meine Toch-ter; Ihr Herz gehört Gott, leben Sie glücklich, so gut untergebracht zusein. Ich bin von ganzem Herzen Ihr recht treuer Diener und Gevatter.

Ich werde für mein Patenkind beten.

XIV, 135-137 (517) Annecy (März) 1609.19

Ich habe Ihre beiden Briefe erhalten, meine liebe Tochter, und seherecht deutlich, daß Ihr ganzes Übel nichts anderes war als eine richtigeVerwirrung Ihres Geistes, die aus zwei nicht befriedigten Wünschen ent-standen ist: der eine war der Wunsch, Gott zu dienen bei jeder sich bie-tenden Gelegenheit; der andere war der Wunsch, zu erfahren, ob Sie IhrePflicht treu erfüllt haben. Beide Wünsche hegten Sie voll Übereifer, derSie verwirrt, beunruhigt und schließlich gehemmt hat. Nun haben Siegewiß Ihre Pflicht gut erfüllt. Ihre Seele aber, die immer ein wenig zumSchwarzsehen neigt, machte Ihnen weis, Sie hätten eigentlich wenig ge-tan. Da Sie heftig danach verlangen, Ihre Pflichten genau zu erfüllen,sich aber nicht mit Sicherheit überzeugen können, sie getan zu haben,haben Sie sich der Traurigkeit, Entmutigung und Verärgerung hingege-ben.

Nun, meine liebe Tochter, seien Sie wieder recht froh, vergessen Siedas alles, demütigen Sie sich recht kräftig vor Unserem Herrn und erin-nern Sie sich daran, daß Ihr Geschlecht und Ihr Stand es Ihnen nichtgestattet, das Böse außerhalb Ihres Heimes anders zu verhindern alsdurch Anregungen, durch Schilderung des Guten, durch einfache, de-

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mütige und liebevolle Mahnungen denen gegenüber, die Fehler began-gen haben, und durch Meldung an die Vorgesetzten, wenn sich dies ma-chen läßt; das sage ich für ein anderes Mal.

Dann rate ich noch im allgemeinen: Wenn wir nicht zu unterscheidenvermögen, ob wir unsere Pflicht in einer Angelegenheit gut erfüllt, undin Zweifel sind, ob wir Gott beleidigt haben, dann demütigen wir uns,bitten Gott um Verzeihung und um mehr Erkenntnis für ein anderesMal. Dann sollen wir das Geschehene vollkommen vergessen und unswieder an die gewohnte Arbeit machen. Denn eine neugierige und über-eifrige Untersuchung, um zu wissen, ob wir recht getan haben, stammtunzweifelhaft von der Eigenliebe, die uns wünschen läßt, zu erfahren, obwir tüchtig sind. Die reine Gottesliebe sagt uns dagegen: Elender oderFeigling, der ich war, demütige dich, stütze dich auf die BarmherzigkeitGottes, bitte um Verzeihung, beteuere erneut, daß du treu sein willst,und bemühe dich weiter um deinen Fortschritt.

Ich bin einverstanden, daß die Schlafenszeit gekürzt werden kann, aus-genommen wenn ein großes Ruhebedürfnis vorliegt. Damit dies abernicht schade, braucht man dann mehr Bewegung, um die Säfte zu lösen,die wegen Mangels an Schlaf nicht ausgeschieden werden. Auf diese Weisekönnen Sie von Ihrem Morgenschlaf, nicht aber vom Abendschlaf eineStunde wegnehmen und ich bin sicher, daß Ihnen dies gut bekommenwird. Was die übrigen Kasteiungen betrifft, so nehmen Sie keine außer-gewöhnlichen auf sich, denn Ihre Veranlagung und Ihr Stand erfordern,daß Sie es nicht tun.

Auch bin ich nicht dafür, daß man sich jetzt ganz zurückzieht; denn fürdie Erwerbung der Tugenden ist es besser, sie inmitten der Widerwärtig-keiten zu üben. Dabei dürfen Sie sich nicht entmutigen lassen, sondernsollen häufig die Vorbereitungen gebrauchen, um sich dabei richtig zuverhalten.

Gott sei immerdar unsere einzige Liebe und Sehnsucht, meine liebeTochter, und ich bin in ihm ganz der Ihre.

XIV, 156-157 (528) Annecy (Mai 1609).20

Ich habe, meine sehr liebe Tochter, die kleine Schwäche gesehen, vonder Sie in den letzten Tagen wegen der verschiedenen Regungen IhresHerzens befallen wurden. Es war einerseits das Empfinden, Sie solltenauf Ihre eigene Neigung verzichten, und andererseits die Neigung, Ihrerpersönlichen Vorliebe zu folgen. Nun, meine liebe Tochter, Sie werden

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sehen, das Schlimmste, das Sie getan haben, lag darin, daß Sie über IhreSchwäche in Verwirrung geraten sind. Denn wenn Sie sich nach demersten Stolpern nicht beunruhigt, sondern ganz sachte Ihr Herz wieder inIhre Hände genommen hätten (Ps 119,109), wären Sie nicht das zweite-mal gestolpert. Nun aber, nach all dem, müssen Sie wieder Mut fassenund sich immer mehr in unseren heiligen Entschlüssen bestärken, vorallem in diesem, uns nicht zu beunruhigen oder jedenfalls wieder ruhigzu werden, so oft wir diese Unruhe sehen und uns ihrer bewußt werden.

Dieses Wort: „Ich bin wirklich ganz zerrissen“, paßt nicht gut zumGegenstand, weswegen es gesagt wurde. Meine liebe Tochter, wir müssenuns wohl um Mitgefühl mit dem Nächsten und Demut für uns selbstbemühen. Wir dürfen nicht leichtfertig denken, daß es dem Nächsten zugut geht und uns zu schlecht. Ach, wir werden immer etwas zu tun, im-mer einen Feind zu bekämpfen haben. Seien Sie darüber nicht erstaunt,sondern werfen Sie, wenn diese schlechten Neigungen Sie beunruhigenmöchten, Ihr inneres Auge auf den gekreuzigten Heiland. Ach, Herr, wiegut bist du zu mir; mache dies mein Herz gütig durch die Güte desdeinen! Lenken Sie sich ein wenig ab und dann bereiten Sie sich für denKampf vor; stellen Sie sich Ihre früheren Kämpfe vor Augen und wennSie die zweite Erregung fühlen, tun Sie das gleiche. Gott wird Ihnenbeistehen.

Ich bin recht froh über die Ankunft der guten Schwester,21 der ich einelange Antwort schulde; mit Gottes Hilfe und etwas Zeit werde ich die-selbe abfassen. Die gute Frau Baronin von Chantal grüßte Sie neulich ineinem Brief. Es lebe Jesus, in dem ich ganz der Ihre bin.

XIV, 193-194 (545)22 Annecy, 20. August 1609.

Zufolge der heiligen und vollkommenen Freundschaft, die Gott mirzu Ihnen geschenkt hat, meine sehr liebe Tochter, tut es mir leid, Siekrank zu wissen. Und doch müssen wir bereit sein, das Leid nicht bloß zuwollen, sondern es zu lieben, zu schätzen und zu liebkosen, kommt esdoch aus der Hand der allerhöchsten Güte, der wir angehören und dieunser Ziel ist. Mögen Sie recht bald genesen, wenn dies zur größerenEhre Gottes gereicht, meine sehr liebe Tochter. Wenn aber nicht, mögenSie denn voll Liebe leiden, solange die himmlische Vorsehung das erfor-dern wird, sodaß dies im Genesen oder Leiden dem himmlischen Wohl-gefallen geleistet werde.

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Was kann ich Ihnen mehr sagen, meine liebe Tochter, als was ich Ihnenschon sooft gesagt habe, daß Sie, soviel Sie nur können, Ihr gewöhnlichesLeben aus Liebe zu Gott weiterführen, indem Sie mehr innere Akte die-ser Liebe hervorbringen und auch äußere, vor allem aber, indem Sie – soviel Sie es vermögen – Ihr Herz der heiligen Milde und Stille zuwenden;der Milde dem Nächsten gegenüber, auch wenn er ärgerlich und ver-drießlich ist; der Stille Ihnen selbst gegenüber, wenngleich Sie Versu-chungen ausgesetzt, betrübt und armselig sind. Ich hoffe auf UnserenHerrn, daß Sie sich immer an seiner Hand festhalten und folglich nie-mals straucheln. Wenn Sie aber doch auf einen Stein stoßen und stol-pern, so soll das nur dazu dienen, daß Sie besser auf sich achtgeben undimmer mehr um die Hilfe und den Beistand des gütigen himmlischenVaters bitten, den ich anflehe, er möge Sie immerdar in seiner heiligenHut halten. Amen.

Ich bin in ihm recht fest ganz der Ihre.

XIV, 202-204 (550) Annecy, 2. Oktober 1609.23

Meine liebe Tochter!Ich habe recht wenig Schmerzen aus meinem Sturz, der nur eine Ner-

venquetschung und eine Knochenverrenkung zur Folge hatte; er bringtaber die Unannehmlichkeit mit sich, im Bett bleiben zu müssen undfolglich nicht zelebrieren zu dürfen. Doch hoffe ich, am nächsten Sonn-tag, dem Tag meines hl. Franziskus, wieder meine Alltagsarbeit aufneh-men und am nächsten Dienstag abreisen zu können, um die Trauungmeines Bruders bei unserer guten Frau von Chantal vornehmen zu kön-nen.

Unsere Schwester24 hat gut daran getan, mich vor den kleinen Wortver-drehungen zu warnen, welche diese arme Ordensfrau ausstreut; denn daskann mir dienen und niemandem schaden. Ich bin nicht ärgerlich darü-ber und werde nicht aufhören, an Mittel zu denken, womit man dieserschwachen Seele helfen kann, die meiner Meinung nach mehr leichtfer-tig und unbeständig als boshaft ist. Ich antworte auf den anderen Rat, denunsere Schwester von mir wünschte.

Was Sie betrifft, meine liebe Tochter, so preise ich Gott für die Gefüh-le der Liebe, die Sie zu ihm hegen. Sie sollen nicht diese sonderbarenGedanken anstellen, seine göttliche Majestät werde Ihnen die Liebe zuihm wegnehmen, weil Sie unnütz seien. Nein, Sie dürfen keine solcheAngst haben. Sie sollen wohl sich demütigen und erkennen, daß Sie ganz

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unnütz sind (Lk 17,10), aber doch auf die Größe des göttlichen Erbar-mens hoffen, daß es Ihnen mehr und mehr gnädig sein wird. Gewiß darfman sich nicht vordrängen. Aber die Gnaden empfangen, die Gott unsschenkt, heißt nicht, sich vordrängen, vorausgesetzt, man verbleibt in derDemut und in den Aufgaben, zu denen unser Beruf uns verpflichtet.

Ihre Handlungsweise beim Gebet, bei den Zerstreuungen und den klei-nen Regungen geistlichen Neides ist richtig. Halten Sie sich nicht dabeiauf, sondern arbeiten Sie hochherzig vor Gott mit Ihrem höheren Wil-len, und muntern Sie sich zur heiligen Liebe auf. Die Übung, die Sie mirgeschickt haben, ist gut, aber geben Sie acht, daß Sie in deren Durchfüh-rung nicht den Entschluß aufgeben, sich in allem zu überwinden, wasIhnen durch Ihren Beruf begegnet.

Ich schicke das beiliegende Buch25 an unsere Schwester und behaltemir vor, Ihnen eines bei meiner Rückkehr zu schicken, da ich für denAugenblick nur das habe, das ich mitnehmen muß, wohin ich gehe. Ichempfehle Ihnen Frau von Charmoisy, die recht krank ist, nach dem, wasmir Herr von Charmoisy sagte, und ein gutes Werk, das wir für das Wohlvieler Seelen unternehmen werden.

Ich bin völlig ganz der Ihre in Unserem Herrn, der leben und herr-schen möge von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Annecy, am 2. Oktober, in Eile.

XIV, 232-234 (562) Annecy, Mitte Dezember 1609.26

Es ist wahr, meine sehr liebe Tochter, daß nichts auf dieser Welt unseine tiefere Ruhe geben kann, als wenn wir oft Unseren Herrn in all denLeiden betrachten, die ihm von seiner Geburt an bis zu seinem Tod zu-stießen. Wir sehen da soviel Verachtung, Verleumdung, Armut und Dürf-tigkeit, Erniedrigungen, Mühen, Qualen, Entblößungen, Beleidigungenund jede Art von Bitterkeit, daß damit verglichen die kleinen Unbilden,die uns zustoßen, zu Unrecht von uns Heimsuchungen, Plagen und Wi-derwärtigkeiten genannt werden. Wir werden erkennen, wie unrecht wirhaben, uns Geduld zu wünschen für etwas so Geringes, da doch ein ein-ziger kleiner Tropfen Bescheidenheit genügt, um all das gut zu ertragen,was uns zustößt.

Ich kenne den Zustand Ihrer Seele recht gut und ich meine, daß ich sieimmer vor mir sehe mit all diesen kleinen Erregungen von Traurigkeit,Entsetzen und Unruhe, die sie verwirren, da sie die Fundamente der

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Liebe zum Kreuz und zur Selbsterniedrigung noch nicht tief genug inihren Willen hineingelegt hat. Meine sehr liebe Tochter, ein Herz, dasden gekreuzigten Jesus Christus ganz stark hochschätzt und liebt, dasliebt seinen Tod, seine Leiden, seine Qualen, sein Angespienwerden,sein Beschimpftwerden, seine Entbehrungen, seinen Hunger, seinen Durst,seine Schande; und wenn es irgendwie ein wenig daran teilhaben kann,dann jubelt es darüber voll Freude und nimmt es liebevoll auf sich.

Sie sollen daher alle Tage, nicht während des Gebetes, sondern sonst,wenn Sie auf- und abgehen, auf Unseren Herrn in den Mühen schauen,die er für unsere Erlösung erlitt, und erwägen, welches Glück es für Sieist, daran teilhaben zu können. Überlegen Sie, bei welcher GelegenheitIhnen dieses hohe Gut widerfahren kann, das heißt, bei den Widerstän-den, auf die Sie mit all Ihren Wünschen stoßen und vor allem bei denWünschen, die Ihnen die gerechtfertigtsten und berechtigtsten scheinen.– Dann sollen Sie mit einer großen Liebe zum Kreuz und Leiden Unse-res Herrn mit dem hl. Andreas ausrufen: „O gutes Kreuz, das mein Erlö-ser so sehr geliebt, wann wirst du mich in deine Arme aufnehmen?“

Sehen Sie, meine sehr liebe Tochter, wir sind zu verweichlicht, wennwir einen Zustand Armut nennen, bei dem wir weder Hunger noch Käl-te, noch Schande, sondern bloß einige kleine Unannehmlichkeiten beidem haben, was wir uns vornehmen. Erinnern Sie mich, wenn wir unswiedersehen, daß ich ein wenig über diese Verzärtelung und Verweichli-chung Ihres mir lieben Herzens zu Ihnen spreche, denn Sie benötigenbesonders um Ihres Friedens und Ihrer Ruhe willen vor allen Dingen,davon geheilt zu werden und in sich die richtige Auffassung von derEwigkeit zu formen. Wer oft daran denkt, sorgt sich sehr wenig um das,was ihm in diesen zwei, drei Augenblicken des sterblichen Lebens zu-stößt.

Da Sie nun den halben Advent gefastet haben, können Sie bis zumEnde weitermachen. Ich will schon, daß Sie auch an zwei aufeinander-folgenden Tagen kommunizieren, wenn es Feiertage gibt. Gehen Sie nurrecht andächtig zur Messe nach dem Essen: handeln Sie so nach altemBrauch der Christen. Unser Herr achtet nicht so kleiner Dinge; die Ehr-erbietung liegt im Herzen, Sie sollen Ihren Geist nicht mit solch kleinli-chen Erwägungen beschäftigen.

Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter, sehen Sie mich immer ganzals den Ihren an, denn das bin ich in Wahrheit. Gott segne Sie. Amen.

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XIV, 235-236 (564) (1609 oder 1610).

Wenn ich Ihnen nicht schreibe, meine liebe Tochter, so ist es gewißnicht deshalb, weil ich kein ganz liebendes Herz für Sie habe, sondernweil ich andauernd so viel gestört werde, daß ich nicht schreiben kann,wann ich will. Außerdem kann Ihr Übel, das nichts anderes ist als Trok-kenheit und Dürre, nicht durch Briefe geheilt werden. Ihre kleinen Schwie-rigkeiten müßte man persönlich anhören können, aber schließlich sinddoch Geduld und Ergebenheit die einzigen Heilmittel dafür. Nach demWinter dieser Kälte wird der heilige Sommer kommen und wir werdengetröstet werden.

Ach, meine Tochter, wir lieben immer so sehr alles Liebliche, Ange-nehme und lieb Tröstliche; aber doch ist die Härte der Trockenheit frucht-bringender. Obgleich der hl. Petrus den Berg Tabor liebte (Mt 17,4) undden Kalvarienberg floh, ist dieser doch viel mehr von Nutzen als jener,und das auf Kalvaria vergossene Blut wünschenswerter als der auf Taborausgebreitete Glanz. Unser Herr behandelt Sie schon als tapfere Toch-ter; leben Sie auch ein wenig als solche. Es ist besser, Brot ohne Zuckerzu essen, als Zucker ohne Brot.

Unruhe und Ärger, die aus der Erkenntnis Ihrer Nichtigkeit aufstei-gen, sind nicht liebenswert. Ist auch die Unruhe gut, so doch nicht ihreAuswirkung. Nein, meine Tochter, denn die Erkenntnis unserer Nichtig-keit soll uns nicht verwirren, sondern uns milder machen, uns demütigenund erniedrigen; die Eigenliebe ist es, die bewirkt, daß wir verärgertsind, uns armselig und niedrig zu sehen. Ich beschwöre Sie bei unserergemeinsamen Liebe, die Jesus Christus ist, möchten Sie doch ganz getrö-stet und ganz ruhig bei all Ihren Schwächen leben. „Ich rühme michinmitten meiner Schwachheiten“ (2 Kor 12,9), sagt unser großer hl. Pau-lus, „damit die Kraft meines Heilands in mir fruchtbar werde.“ Ja, dennunser Elend dient als Thron, um die allerhöchste Güte Unseres Herrnzur Anerkennung zu bringen.

Ich wünsche Ihnen tausend Segnungen. O Herr, segne das Herz meinersehr lieben Tochter, laß es brennen wie ein liebenswertes Brandopfer zurEhre deiner göttlichen Liebe; möge sie keine andere Befriedigung su-chen als die deine, keine andere Freude anstreben als die, gänzlich dei-ner Verherrlichung geweiht zu sein. Jesus sei immerdar inmitten diesesHerzens und dieses Herz sei immerdar inmitten Jesu; Jesus lebe in die-sem Herzen und dieses Herz in Jesus. In ihm bin ich mehr der Ihre,meine liebe Tochter, als Sie glauben könnten ...

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XIV, 269-271 (584) Annecy, 27. März 1610.

Meine sehr liebe Tochter!Hier meine Antwort. Sie haben keine Sünde darin begangen, daß Sie

Vorzeichen einer Gefahr für Ihren Sohn zu sehen glaubten. Man sollallerdings nicht so weich sein, solchen Ängsten Glauben zu schenken;vielmehr soll man alles, was uns berührt, ruhig in die Hände der göttli-chen Vorsehung legen. Und selbst, wenn uns eine heftige Versuchungüberfällt, wie die, von der Sie schreiben, müssen wir, soweit es uns mög-lich ist, die Befürchtungen unterdrücken, die daraus entstehen. UnserFeind möchte nichts sonst, als, da er uns solchen Empfindungen gegen-über nachgiebiger findet, unsere Leichtgläubigkeit mißbrauchen. InWahrheit aber wird er niemals irgendetwas bei Ihnen erreichen, solangeSie – wie Sie es tun – Ihr Herz unbefangen und demütig Ihrem Seelen-führer aufgeschlossen halten.

Bei allem, was uns trifft, müssen Sie immer so handeln, wie Sie es jetztbei Ihrem verlorenen Prozeß tun; das heißt, Sie müssen sich immer dar-einschicken, solche Dinge ruhig zu ertragen.

Tun Sie, was Pater Franz27 Ihnen für das Fasten sagt, und nehmen Sienur getrost ein etwas reichlicheres Frühstück. Was das Beten betrifft, tunSie recht, sich dem innerlichen Gebet zu überlassen, wenn Unser HerrSie während des mündlichen Gebetes dazu ruft.

Beten Sie also für den Rest der Fastenzeit fünf Vaterunser und fünfGegrüßet-seist-du auf bloßen Knien und mit bloßen Händen aus Gehor-sam und um gleichförmig zu werden mit Ihm, der auf dem Kreuz für unsbloß hing und dessen Todes wir gedenken wollen ...

XIV, 285-286 (590) Annecy, 21. April 1610.28

Schon seit langem habe ich beiliegenden Brief für Sie, meine sehr liebeTochter, fand aber keine Gelegenheit, ihn abzuschicken. Die Absende-rin gab ihn mir mit dem Ausdruck aufrichtiger Zuneigung für Sie.

Ich wünsche nicht, daß Sie ein Gelübde ablegen, sondern daß Sie nureinige besondere Andachtsübungen in dieser Meinung verrichten.

Halten Sie sich aufrecht und hüten Sie sich, zu straucheln, denn es istgefährlich, auf dem Prozeßweg zu gehen. Erneuern Sie täglich die guteAbsicht, die Sie in dieser Sache haben, und beten Sie besonders dafür.

O Gott, meine liebe Tochter, wie glücklich ist doch diese teure Nich-te,29 die aus der Welt gegangen ist, bevor sie da ihr Herz befleckt hat

III. Fléchère 584, 590

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(Weish 4,14). Ich bitte den Heiligen Geist, er möge dem Vater seinenheiligen Trost schenken. Ich grüße die teure Schwester; der Verkehr mitihr wird Ihnen gut tun.

Halten Sie Ihre Seele fest in Ihren Händen (Ps 19,109); Sie begebensich in eine gute Gelegenheit, Unserem Herrn Ihre Treue zu bezeugendurch Übung der Sanftmut, Güte, Demut, Ergebung und Liebe.

Ich bin mehr der Ihre, als Sie nur glauben können. Es lebe Jesus! Amen.

XIV, 346-347 (620) Annecy, 19. September 1610.30

Meine sehr liebe Tochter!Ich habe von Ihren vielen Unannehmlichkeiten gehört und sie Unse-

rem Herrn anbefohlen. Möge es ihm gefallen, diese mit seinem heiligenSegen zu segnen, mit denen er die seiner liebsten Diener gesegnet hat,damit sie der Heiligung seines heiligen Namens in Ihrer Seele dienen.

Ich muß bekennen, obwohl meiner Meinung nach die Plagen, die dieeigenen Personen und die der Nächststehenden betreffen, leidvoller sind,flößen mir dennoch die Plagen der Prozesse mehr Mitleid ein, weil sieder Seele viel gefährlicher sind. Bei wievielen Leuten, die in den Dornender Krankheit oder des Verlustes von Freunden im Frieden blieben, ha-ben wir doch gesehen, daß sie ihren inneren Frieden in den Verdrießlich-keiten äußerlicher Prozesse einbüßten? Der Grund, oder vielmehr dieUrsache ohne Grund ist, daß wir schwerlich glauben können, das Übelder Prozesse sei von Gott zu unserer Prüfung geschickt. Wir sehen doch,daß die Menschen diese Verhandlungen betreiben. Wir wagen nicht, unsgegen diese ganz gute und ganz weise Vorsehung aufzulehnen, lehnenuns aber gegen die Personen auf, die uns Ärger bereiten, und nehmen esihnen übel, nicht ohne große Gefahr, die Liebe zu verlieren, den einzigenVerlust, den wir in diesem Leben fürchten müssen.

Wann aber, meine sehr liebe Tochter, wollen wir unsere Treue zu unse-rem Heiland beweisen, wenn nicht bei solchen Gelegenheiten? Wannwollen wir unser Herz, unseren Verstand und unsere Zunge im Zaumhalten, wenn nicht auf so holprigen Pfaden nahe dem Abgrund? LassenSie, meine sehr liebe Tochter, um Gotteswillen nicht eine so günstigeZeit für Ihren geistigen Fortschritt verstreichen, ohne die Früchte derGeduld, der Demut, der Sanftmut und der Liebe zur Erniedrigung zuPflücken. Erinnern Sie sich, daß Unser Herr niemals ein einziges Wortgegen diejenigen sagte, die ihn verurteilten, er richtete sie nicht; er wurdezu Unrecht gerichtet und verurteilt, und doch blieb er in Frieden und

III. Fléchère 620

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starb in Frieden und rächte sich nur dadurch, daß er für sie betete (Lk23,34). Wir aber, meine sehr liebe Tochter, wir richten unsere Richterund unsere Prozeßgegner, wir bewaffnen uns mit Klagen und Vorwürfen.Glauben Sie mir, meine sehr liebe Tochter, wir müssen stark und bestän-dig sein in der Liebe zum Nächsten; und ich sage dies von ganzem Her-zen und ohne Bedachtnahme auf Ihre Prozeßgegner oder auf das, wasdiese mir sind, und ich meine, daß in diesen Angelegenheiten nichtsmich berührt als der Eifer und Ihre Vollkommenheit.

Aber ich muß schließen; ich dachte nicht daran, so viel zu schreiben.Sie werden Gott immer haben, wann Sie es wollen; und heißt das nicht,reich genug sein? Ich flehe ihn an, daß sein Wille Ihre Ruhe und seinKreuz Ihre Ehre sei (Gal 6,14). Ich bin ohne Aufhören Ihr recht ergebe-ner und unveränderlicher Diener in ihm.

XIV, 365-366 (630) Sales, 24. November 1610.31

Sie müssen also immer fest dabei bleiben, ein lebendiges Vertrauenauf Unseren Herrn zu setzen, meine sehr liebe Tochter, inmitten diesergroßen Häufung von Geschäften, die auf Ihnen lasten. Das wird Ihnenein rechter Anlaß sein, sich in der Ergebung und Ruhe zu vertiefen, denneine Ruhe, die nicht durch den Sturm erprobt wurde, ist eine faule undtrügerische Ruhe.

Warum aber sagen Sie, meine liebe Tochter, Sie befürchten, wenn Sienach Chambéry32 gehen, Ihre Übungen unterbrechen zu müssen, beson-ders die der heiligen Kommunion? O Gott, meine Tochter, ein wenigzusätzlicher Eifer wird Sie Ihre Übungen inmitten all dieser Schwierig-keiten sicher und heil bewahren lassen. Man muß sich wohl davor hüten,über der Arbeit das Essen zu vergessen; man muß dann im Gegenteilreichlicheres Essen zu sich nehmen. Haben Sie guten Mut, meine liebeTochter, wir müssen unser Herz für die Bewährung bei allen Gegeben-heiten bereithalten.

Ich wünsche wirklich sehr, Sie aufzusuchen, aber ich möchte, dies mögewomöglich geschehen, ohne daß ich mich in Förmlichkeiten, Kompli-mente und sonstige Zeitvergeudung einlassen müßte, wie die teure Schwe-ster Ihnen gesagt haben dürfte; denn wenn ich nicht diese Vorstellunggehabt hätte, wäre ich, da ich schon den Fuß im Steigbügel hatte, vonChambéry über Sie zurückgekehrt. Nun, wie dem auch sei, wir werdenmit Gottes Hilfe immer vereint bleiben in dem Wunsch, Unserem Herrnzu dienen und ihn vollkommen zu lieben.

III. Fléchère 630

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Ich schreibe Ihnen in Eile. Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter,mögen wir immerdar Gott gehören. Amen.

Ich bin in ihm gänzlich stets der Ihre und Ihr recht ergebener Gevatterund Diener.

XV, 11-13 (658) Annecy, 7. Januar 1611.33

Meine sehr liebe Tochter!Auf drei Ihrer Briefe habe ich nicht geantwortet und auch jetzt habe

ich noch nicht genügend Zeit dazu. Ich möchte Ihnen nur sagen, daß derFehler, den Sie gegenüber der Frau Gräfin und dem Herrn du Coudreybegangen haben, mir durch die Art, wie Sie ihn wiedergutmachten, Freu-de bereitete, denn Sie haben das überaus gut gemacht, so wie ich es wünsch-te. Solcher Fehler wegen brauchen Sie sich auch nicht der hochheiligenKommunion enthalten, sondern sollen sie im Gegenteil als Heilmittelgegen solche kleine Fehler benützen, die weniger vom schlechten Willenherrühren, als Überraschungs- und Schwächefehler sind.

Ich freue mich, daß Ihr Fieber wieder aufgehört hat, bevor ich nochdavon erfuhr. So müssen wir eben durch das Vielerlei kleiner, geistigerund zeitlicher Widrigkeiten hindurchgehen, jedoch uns immer an Unse-ren Herrn halten, der uns auf diese Weise durch seine Gnade in denunveränderlichen Stand der heiligen Ewigkeit führen wird.

Unsere Frau von Chantal war sehr krank, es geht ihr aber jetzt schonviel besser und sie gewinnt immer mehr ihre Gesundheit zurück, wobeisie ständig Ihrer gedenkt, die sie von ganzem Herzen liebt und schätzt.Gestern empfing sie eine neue Tochter, die siebente, und erwartet inKürze die achte. Sie empfiehlt sich Ihrer Liebe.

Ich habe kürzlich bei einer guten Gelegenheit nach Bons geschrieben.Gott segne Sie, meine liebe Tochter, Ich bin auf ewig ganz der Ihre.

XV, 36-37 (674) Annecy, 22. März 1611.34

Meine sehr liebe Tochter!Sie können sich denken, daß ich zu dieser Zeit hier festgenagelt bin

und meinen Wunsch und Plan, Sie aufzusuchen, nicht durchführen kann,es sei denn, ein zwingender Grund riefe mich zu Ihrem Dienst; denndann würde nichts mich zurückhalten, da ich so völlig und gänzlich derIhre bin.

Aus Ihren Briefen habe ich Ihre kleinen Verfehlungen und Unvoll-

III. Fléchère 658, 674

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kommenheiten gesehen, über die weder Sie noch ich erstaunt sein sollen,denn das sind nur kleine Mahnungen, sich vor unseren eigenen Augengering und niedrig zu halten und wach zu sein auf dem Wachtposten, aufdem wir stehen. Sie müssen also mutig leben, meine sehr liebe Tochter,denn schließlich gehören wir Gott vorbehaltlos und ausnahmslos an.Bleiben Sie also im Frieden, mit der Gnade und dem Trost des HeiligenGeistes.

Ich schreibe Ihnen in aller Eile, nicht aber ohne den ständigen innigenWunsch nach Ihrem geistlichen Wachstum; gehöre ich doch Ihnen sowie ich bin, gänzlich und vollkommen.

XV, 84-86 (704) Annecy, 5. August 1611.... Gewiß dürfen Sie, meine sehr liebe Tochter, ein anderes Mal von den

allgemeinen Gebräuchen, mit denen wir unsere heilige Religion beken-nen, wegen der Anwesenheit von Hugenotten in keiner Weise abgehen.Unser guter Glaube darf die Vergleiche mit ihrem Getue nicht fürchten.Man muß darin „einfach und vertrauensvoll“ seinen Weg gehen (Spr10,9).

Die von Ihnen begangene Sünde ist aber nicht so groß, daß Sie überdie Reue hinaus noch darüber bekümmert sein müssen, denn sie ging janicht gegen ein besonderes Gebot; Sie verleugneten auch in keinerWeise die Wahrheit; es war nur eine unangebrachte Rücksichtnahme.Um es noch klarer zu sagen: es war weder eine schwere, noch wie ichdenke, eine läßliche Sünde. Verwirrtheit und Unentschlossenheit ver-ursachten nur Mangel an Eifer. Bleiben Sie also in dieser Hinsicht inFrieden.

Meine sehr liebe Tochter, Sie grübeln und erforschen sich immer zu-viel, um herauszubekommen, woher Ihre Trockenheiten kommen. Auchwenn sie Ihren Fehlern entspringen, sollten Sie sich darüber nicht beun-ruhigen, sondern mit einfacher und schlichter Demut diese entfernenund sich dann ganz in die Hände Unseres Herrn übergeben, damit er Siedieses Leid ertragen lasse oder sie Ihnen verzeihe, wie es ihm gefällt. Siedürfen nicht so neugierig sein, wissen zu wollen, woher die verschiede-nen Zustände Ihres Lebens stammen; wir müssen uns allem unterord-nen, was Gott anordnet, und uns damit begnügen.

So reist also Ihr geliebter Gatte ab,35 meine liebe Tochter. Da seinStand und seine Einstellung selbst ihn dazu treiben, in der Öffentlichkeiterscheinen zu wollen, wenn sich die Gelegenheit dafür ergibt, müssen

III. Fléchère 704

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Sie seine Abreise und seine Rückkehr Unserem Herrn demütig ans Herzlegen, voll Vertrauen auf seine Barmherzigkeit, daß er alles zu seinergrößeren Ehre gereichen lassen wird.

Leben Sie sanftmütig, demütig und ruhig, meine sehr liebe Tochter,und gehören Sie immer ganz Unserem Herrn an, dessen hochheiligenSegen ich Ihnen und Ihren Kleinen von ganzem Herzen wünsche, beson-ders aber meinem lieben, guten, kleinen Patenkind, das ganz süß seinsoll. Die liebe Cousine befindet sich bei der Weinlese und berichtet mir,daß sie sich wohlbefindet, wie auch Frau von Chantal, die, so scheint esmir, mit allen ihren Schwestern große Fortschritte in der Liebe zu Gottmacht.

Ihr sehr ergebener Gevatter und Diener.

XV, 89-90 (707) Annecy, 17. August (1611).

Was soll ich denn, meine sehr liebe Tochter, Ihnen über die Wieder-kehr Ihrer Armseligkeiten sagen, als daß Sie bei der Wiederkehr desbösen Feindes eben auch wieder die Waffen ergreifen und den Mut er-neuern müssen, kräftiger denn je zu kämpfen. Ich sehe nichts Wichtigesin Ihrem Schreiben. Aber mein Gott, hüten Sie sich recht davor, in ir-gendeine Art von Mißtrauen zu geraten, denn diese himmlische Güteläßt Sie nicht fallen, um Sie liegen zu lassen, sondern um Sie zu demüti-gen und um zu erreichen, daß Sie fester und inniger die Hand seinerBarmherzigkeit ergreifen.

Sie handeln ganz in meinem Sinn, wenn Sie inmitten der Trockenhei-ten und inneren Schwächezustände, die Sie wieder befallen haben, IhreÜbungen fortsetzen. Wir wollen doch Gott nur aus Liebe zu ihm die-nen; der Dienst aber, den wir ihm leisten, wenn wir unter Trockenhei-ten leiden, ist ihm wohlgefälliger als jener, den wir ihm inmitten ange-nehmer Gefühle darbieten. Daher müssen wir auch, zumindest mitunserem höheren Willen, ihn dann lieber auf uns nehmen. Und obwohlunserem Empfinden und unserer Eigenliebe nach die tröstlichen undzärtlichen Gefühle uns lieber sind, gereichen doch die Trockenheitennach dem Empfinden Gottes und seiner Liebe uns mehr zum Nutzen;wie trockene Speisen für Wassersüchtige besser sind als solche, die vielFlüssigkeit enthalten, wenngleich die Wassersüchtigen letztere immermehr lieben.

In die zeitlichen Dinge haben Sie versucht, Ordnung zu bringen, was

III. Fléchère 707

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Ihnen aber nicht gelungen ist. Sie müssen sich daher jetzt in Geduld undErgebung fassen. Nehmen Sie gern das Kreuz auf sich, das Ihnen zuteilwurde, und machen Sie entsprechend den sich ergebenden Gelegenhei-ten von dem Rat Gebrauch, den ich Ihnen dafür gegeben habe.

Bleiben Sie in Frieden, meine liebe Tochter; sagen Sie Unserem Herrnoft, daß Sie das sein wollen, was Sie nach seinem Willen sein sollen unddaß Sie das leiden wollen, was Sie nach seinem Willen leiden sollen.Bekämpfen Sie Ihre Ungeduld, indem Sie nicht nur bei jedem Anlaß,sondern auch ohne Anlaß heilige Güte und Sanftmut jenen gegenüberüben, die Ihnen am lästigsten fallen. Und Gott wird Ihr Vorhaben seg-nen.

Guten Abend, meine sehr liebe Tochter; Gott sei einzig und allein IhreLiebe. Ich bin in ihm von ganzem Herzen der Ihre.

XV, 136-137 (734) Annecy, 28. Dezember 1611.36

Ich zweifle nicht, meine sehr liebe Tochter, daß Sie durch verschiede-ne unerfreuliche Ereignisse viel zu tragen haben; ich weiß ja von einemTeil der Gegenstände, die Ihnen Schwierigkeiten bereiten können. Wo-rin aber, wann und wie können wir die wahre Treue bezeugen, die wirUnserem Herrn schulden, als in den Heimsuchungen, bei Widersprü-chen und bei Ärgerlichkeiten? In diesem Leben müssen wir nun einmalmehr Bitteres schlucken als Honig. Er aber, um dessentwillen wir unsentschlossen haben, inmitten aller Widerstände die heilige Geduld zuüben, wird uns zur rechten Zeit den Trost seines Heiligen Geistes schen-ken. „Hütet euch sehr davor“, sagt der Apostel (Hebr 10,35), „je dasVertrauen zu verlieren, durch das gestärkt Ihr tapfer den Ansturm derTrübsale erleiden und ertragen werdet, so heftig er auch sein mag.“

Ich war sehr betrübt, als ich von diesem kleinen, zwischen den zweilieben Cousins entstandenen Streit37 erfuhr, wegen dieses von der armenFrau von N. hinterlassenen „Stückchen Brot“; so etwas kommt eben beiden Menschenkindern vor.

Ich bin in Eile. Gott schenke uns die Gnade, dieses neue kommendeJahr gut und heilig zu beginnen und zu verbringen; mögen wir in ihm denheiligen Namen Jesu heiligen und die heilige Sorge um unser Heil nutz-bringend hegen.

Ich bin auf ewig ganz der Ihre.Am Tag der Unschuldigen Kinder.

III. Fléchère 734

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XV, 214-215 (776) Annecy, 15. Mai 1612.Meine sehr liebe Tochter!

Ihr letzter Brief hat mir tausendfachen Trost geschenkt und auch Frauvon Chantal, der ich ihn mitgeteilt habe, weil ich nichts darin fand, daseiner Seele von solcher Beschaffenheit, die Sie so heilig liebt, nicht hättegezeigt werden können. Ich muß Ihnen in aller Eile schreiben, da ichnoch einen dringenden Brief nach Burgund schicken muß.

Was sollen wir aber, meine sehr liebe Tochter, über diese Menschensagen, die so sehr die Ehre dieser armseligen Welt und so wenig dieSeligkeit der anderen anstreben? Ich versichere Ihnen, daß mein Herzschwer bedrückt war, wenn ich mir vorstellte, in welcher Gefahr ewigerVerdammnis sich dieser liebe Cousin38 gebracht hat und daß Ihr Gatteihm den Anstoß dazu gab. Ach, was für eine Art von Freundschaft ist esdoch, sich gegenseitig an den Rand der Hölle zu bringen! Wir müssenGott bitten, er möge sie sein heiliges Licht sehen lassen; wir aber müssengroßes Mitleid mit ihnen haben. Sie tun mir leid; ich denke, sie wissendoch, daß Gott allem vorgezogen zu werden verdient, und trotzdem ha-ben sie nicht den Mut dazu, wenn es der Augenblick fordert, weil sie denSpott unvernünftiger Menschen fürchten.

Damit aber Ihr Gatte nicht in seiner Sünde und in der Exkommunika-tion verkomme, sende ich ihm anbei ein Brieflein, damit er beichten undsich lossprechen lassen könne. Ich bitte Gott, er möge ihm die dazuerforderliche Reue schicken.

Bleiben Sie nur in Frieden, werfen Sie Ihr Herz und Ihre Wünsche indie Arme der himmlischen Vorsehung. Der göttliche Segen sei immer-dar auf Ihnen. Amen.

XV, 319-320 (837) (1610-1612).39

Es ist gewiß wahr, meine liebe Tochter, daß Ihre Freuden mich über-aus erfreuen, vor allem aber, weil sie auf einem so festen Grund fußen,wie es die Übung der Vergegenwärtigung Gottes ist. Gehen Sie also Ih-ren Weg immer nahe bei Gott, denn sein Schatten ist heilsamer als dieSonne.

Es ist gar nicht schlecht, manchmal vor dem zu zittern, in dessen Ge-genwart die Engel selbst erzittern, wenn sie ihn in seiner ganzen Majestäterblicken; vorausgesetzt jedoch, daß die heilige Liebe, die in all seinenWerken vorherrscht, auch immer darüberstehe und den Anfang und dasEnde Ihrer Betrachtungen bilde.

III. Fléchère 776, 837

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Es geht also recht gut; da diese kleinen Blitze nicht mehr so plötzlichaus Ihrem Geist hervorbrechen und Ihr Herz ein wenig sanftmütiger ist.Seien Sie immer Gott und Ihrer Seele treu. Bessern Sie sich immer inirgendetwas, leisten Sie sich aber diese guten Dienste nicht gewalttätig,sondern trachten Sie, das mit Vergnügen zu tun, so wie Gärtner handeln,die es aus Liebhaberei sind, wenn sie die Bäume ihrer Obstgärten aus-schneiden.

Unser Herr wird zweifellos alles das ergänzen, was Ihnen sonst fehlt,damit Sie sich vollkommener zu ihm zurückziehen können, wenn nur eres ist, den Sie lieben, den Sie suchen und dem Sie folgen. Das tun Sie,meine Tochter, ich weiß es; aber tun Sie es immer und empfehlen Siemich seiner Barmherzigkeit, denn ich bin von ganzem Herzen Ihr Die-ner, der Sie sehr lieb hat.

XV, 325-326 (841) Annecy (1611 – März 1613).40

Soeben berichtete man mir, meine sehr liebe Tochter, daß unsere Schwe-ster41 von uns gegangen ist und uns hier unten mit den Gefühlen derTraurigkeit zurückgelassen hat, die die Zurückbleibenden gewöhnlichbei solchen Trennungen zu befallen pflegen. O Gott! Ich werde michhüten, meine sehr liebe Tochter, Ihnen zu sagen: Weinen Sie nicht! Nein,denn es ist nur recht und vernünftig, wenn Sie ein wenig weinen, um dieaufrichtige Liebe zu bezeugen, die Sie für sie hegten, wie unser Meister,der wohl auch ein wenig seinen Freund Lazarus beweinte (Joh 11,35).Weinen Sie aber nicht so viel wie jene, die mit all ihren Gedanken an denflüchtigen Augenblicken dieses armseligen Lebens hängen und nicht darandenken, daß auch wir in die Ewigkeit eingehen werden. – Wenn wir aufdieser Welt ein gutes Leben geführt haben, werden wir uns dort mit unse-ren teuren Verstorbenen vereinen, um sie niemals mehr zu verlassen.Wir können unser armes Herz nicht daran hindern, die Beschaffenheitdieses Lebens und den Verlust derer schmerzlich zu empfinden, die unsgeliebte Gefährten in diesem Leben waren; aber wir dürfen deshalb nichtdas feierliche Gelöbnis verleugnen, das wir abgelegt haben, unserenWillen untrennbar mit dem unseres Gottes zu vereinen.

Wie glücklich ist doch diese teure Schwester, daß sie allmählich undschon von weitem diese Stunde ihres Dahinscheidens nahen sah; denn sohat sie sich darauf vorbereitet, dies heilig zu tun. Beten wir doch diesegöttliche Vorsehung an und sagen wir: Ja, du sollst gepriesen werden,denn alles, was dir wohlgefällt, ist gut. Mein Gott, meine sehr liebe Toch-

III. Fléchère 841

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ter, mit welch liebevollem Herzen sollen wir doch diese kleinen Ge-schehnisse aufnehmen! Sollen doch unsere Herzen mehr am Himmelhängen als an der Erde. Ich werde zu Gott beten für diese Seele und umTrost für die Ihren.

Machen Sie sich doch keine Sorgen um Ihre Gebetsweise, noch um dieVielfalt der Wünsche, die Sie überfallen, denn weder die vielfältigenEmpfindungen sind schlecht, noch der Wunsch nach mehreren bestimm-ten Tugenden. Ihre Entschlüsse können Sie wohl auf folgende Weise ge-nauer darlegen: ich will also die Tugenden treuer üben, die mir notwen-dig sind; wie z. B. bei dieser bestimmten Gelegenheit bereite ich michdarauf vor, diese bestimmte Tugend zu üben; und so auch die anderen.Sie brauchen gar nicht einmal innerliche Worte formen; es genügt, wennSie Ihr Herz erheben oder es in Unserem Herrn ruhen lassen. Es genügt,diesen göttlichen Liebenden unserer Seelen liebevoll zu betrachten, dennunter Liebenden sprechen die Augen mehr als die Zunge.

Ich schreibe Ihnen in Eile und in Gegenwart des Dieners. Guten Abenddenn, meine sehr liebe Tochter; vertiefen und versenken Sie den TodIhrer Schwester nur im Sterben des Erlösers. Sein Wille werde immer-dar verherrlicht. Amen.

Es lebe Jesus! Ihr ergebener Diener und Cousin.

XVI, 27-28 (887) Annecy, 11. Juni 1613.42

Meine sehr liebe Tochter!Sie können absolut über alles verfügen, was in meiner Macht liegt;

alles, was Sie mir schicken werden, wird sorgsam aufbewahrt und behü-tet werden.43 In Wirklichkeit glaube ich nicht, daß der französische Feld-herr daran denkt, uns augenblicklich anzugreifen, da Seine Hoheit imWaffenstillstand und in einem geplanten Abkommen steht, wozu nochkommt, daß das ganze Ufer der Rhône bis jetzt von Soldaten frei ist.Wenn Gott uns behütet, werden wir wohlbehütet sein. Ich flehe ihn beiseiner Güte an, er möge unser Schutz sein.

Wir sind in freudiger Erwartung, Sie bei dieser Hochzeit zu sehen,44

bei der die Anwesenheit Ihres Gemahls, unserer Schwester45 und Ihreeigene meine größten Freuden sein werden.

Ich bin sehr enttäuscht, daß mir noch kein Befehl zur Freilassung desteuren Cousins46 zugekommen ist, denn Sie können sich denken, wieärgerlich ihm diese Verzögerung ist und welche Vorstellungen sie bei

III. Fléchère 887

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ihm hervorrufen kann. Dennoch bleibe ich fest und halte für sicher, wasman mir versprochen hat, und ich hoffe, daß bei Eintreffen des Befehlsdiese ärgerliche Wartezeit beendigt sein wir.

Gott sei auf immerdar der größte und erhabenste Gegenstand unsererLiebe. Ich bin ihm, auf immer und rückhaltlos Ihr ganz ergebener undunveränderlicher Diener und Cousin.

XVI, 67-68 (912) Annecy, 12. September 1913.Ich bin wirklich krank gewesen, meine sehr liebe Tochter, und schwer

krank, aber nicht gefährlich. Was hätten Sie denn tun können, wenn Sievon meiner Krankheit gewußt hätten? Wie ich sehe, beten Sie doch zuUnserem Herrn immer für mich, der ich auch nie verfehle, Sie teilhabenzu lassen an meinen schwachen Gebeten und an der hochheiligen Messe,die ich feiere. Ich schleppe mich noch ein wenig dahin und bin nochnicht so völlig wiederhergestellt, daß ich nicht Spuren der überstande-nen Krankheit trüge; doch bin ich jedenfalls wieder so weit, meine ge-wöhnlichen Übungen verrichten zu können.

Bleiben Sie fest, meine liebe Tochter und bemühen Sie sich, so voll-kommen, als Sie vermögen, Gott zu dienen nach den Ratschlägen desBuches (Anleitung zum frommen Leben); das wird Sie mehr zur Voll-kommenheit führen können, als ich Sie zu lehren vermöchte. Seien Sieauf die Sanftmut bedacht. Ich sage Ihnen nicht, das zu lieben, was Sielieben sollen, denn ich weiß, daß Sie dies tun; aber ich sage Ihnen, daßSie gleichmütig, geduldig und sanftmütig sein sollen. Unterdrücken Siedie Ausbrüche Ihres ein wenig allzu lebhaften und feurigen Tempera-mentes.

Ich weiß nicht, warum Sie mit Ihren Beichten unzufrieden sein kön-nen, denn Sie verrichten sie sehr gut. Bleiben Sie doch in Frieden vorUnserem Herrn, der Sie schon so lange liebt, hat er Ihnen doch die hoch-heilige Gottesfurcht und Sehnsucht nach seiner Liebe eingeflößt. WennSie dem bis jetzt nicht gut entsprochen haben, gibt es eine gute Abhilfedagegen: dann müssen Sie eben von nun an gut entsprechen. Ihre Armse-ligkeit und Schwachheit soll Sie nicht entsetzen: Gott hat ganz anderegesehen und seine Barmherzigkeit stößt die Armseligen nicht zurück,sondern betätigt sich eben darin, daß sie ihnen Gutes tut und seine Herr-lichkeit auf ihrer Erniedrigung aufbaut.

Ich möchte einen guten Hammer haben, um die Spitze Ihres Geistesetwas abzustumpfen, der ein wenig zu spitzfindig im Gedanken an Ihren

III. Fléchère 912

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Fortschritt ist. Ich habe Ihnen so oft gesagt, daß man in der Frömmigkeitganz einfach und, wie man sagt, grosso modo vorangehen soll. Wenn Siegut handeln, dann preisen Sie Gott dafür; handeln Sie aber schlecht,dann demütigen Sie sich. Ich weiß wohl, daß Sie nicht vorsätzlich schlechthandeln wollen; die anderen Übel dienen nur dazu, Sie zu demütigen.Fürchten Sie sich also nicht mehr und tüfteln Sie nicht mehr in Ihremlieben Gewissen herum; denn Sie wissen nur zu gut, daß nach all IhremEifer Ihnen bei Gott nichts zu tun bleibt, als um seine Liebe zu bitten,die von Ihnen nichts verlangt als Ihre Liebe.

Tun Sie das, meine sehr liebe Tochter, und hegen Sie sorgsam die Sanft-mut und innere Demut. Ich wünsche unaufhörlich tausendfachen Segenüber Sie; vor allem, daß Sie demütig, sanftmütig und ganz milde seienund Nutzen ziehen aus Ihren Mühen, indem Sie alles liebevoll aus Liebezu ihm auf sich nehmen, der aus Liebe zu Ihnen soviele Mühen gelittenhat. Ich bin, meine sehr liebe Tochter, in ihm Ihnen herzlich zugeneigt,ganz der Ihre.

XVI, 80-81 (920) Annecy, 29. September 1613.Meine Gesundheit festigt sich alle Tage mehr, meine sehr liebe Toch-

ter, aber ich fühle mich sehr geschwächt in den Beinen und mehr als ichdachte. Ich bin wirklich sehr erfreut, zu erfahren, wie tugendhaft sichdiese arme junge Witwe47 verhält; denn sehen Sie, weil ich sie getrauthabe,48 scheint es mir, daß ihre Witwenschaft mir mehr am Herzen liegtund daß ich mehr verpflichtet bin, ihr zu dienen und ihr Gutes zu wün-schen. Ach, wie seltsam ist doch diese Welt! Auf der einen Seite heiratetman,49 auf der anderen beklagt man den Verlust eines Gatten!

Sie gehen also nun aufs Land und zur Weinlese; Gott sei immerdar mitIhnen und überhäufe Sie mit dem frischen Wein seiner glühendsten Lie-be. Wir werden doch weiterhin gelegentlich Nachricht von Ihnen hören... Meine sehr liebe Tochter, ich bin unvergleichlich mehr als Sie glaubenkönnten, völlig ganz der Ihre.

XVI, 91-92 (927) Annecy, um den 8. November 1613.Meine sehr liebe Tochter!

Wir sind momentan etwas im Gedränge, darum will ich Ihnen nurkurz sagen, daß es günstig wäre, das zu unternehmen, was Sie mir schrei-ben, wenn der gute Herr Prior von Blonay50 sich führen lassen könnte.

III. Fléchère 920, 927

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Aber, um aufrichtig unter vier Augen zu sprechen, haftet sein Geist all-zusehr an seinen Einbildungen; diese aber sind zu groß und stehen inkeinem Verhältnis zu seinen Kräften und seiner Fähigkeit, die nicht imLeiten, sondern im Geleitetwerden besteht. Seine schwache Seite ist seinan Einfällen und Plänen so fruchtbarer Geist, daß er sich nicht zufrie-dengeben kann. Dennoch halte ich es nicht für schlecht, sondern für gut,wenn Sie mit ihm sprechen, wie es Gott Ihnen eingeben wird.

Die gute Frau von Chantal weiß nicht, daß ich Ihnen schreibe, dennsonst würde sie Ihnen zweifellos auch schreiben, da sie Ihnen doch be-sonders zugetan ist. Ich habe sie heute früh gesehen, als ich die heiligeMesse bei ihnen zelebrierte; aber wegen der vielfältigen Geschäfte konn-te ich sie acht Tage lang nicht sprechen. Alles geht sehr gut in dieserkleinen Kongregation. Man hat die Satzungen in Lyon haben wollen, woeine Gründung in Aussicht ist, und auch in Paris, um zu sehen, ob mandort eine Niederlassung planen könnte. Ich muß Ihnen darüber Bescheidgeben, ebenso daß ich zweimal in Bons gewesen bin, wo sich einigesGute tut, aber ich weiß nicht, was seither zustandegekommen ist. Dieliebe Schwester war recht zufrieden, unsere kleine Antonie auch undalle.

Halten Sie Ihr Herz recht rein, gütig und arm, denn „selig sind dieArmen, die Guten und die reinen Herzens sind“ (Mt 5,3.4.8).

Ich bin immer mehr ganz treu der Ihre.

XVI, 179-180 (972) Annecy, 5. Mai 1614.Ich schreibe Ihnen nur ein kurzes Brieflein; ich habe wenig Zeit, weil

ich an soviele Stellen schreiben muß. Ich will Sie auch nur herzlichgrüßen, meine sehr liebe Tochter, die mein Herz ganz heilig wünscht unddaher ganz ruhig, ganz gerecht und ganz milde bei Ihrem jetzigen Pro-zeß.51 Sie wissen doch, daß eine Unze Milde und Nächstenliebe währendder Prozeßsorgen zehntausendmal mehr gilt als die gewöhnlichen Tätig-keiten.

Die teure Nichte52 ist glücklich eines starken, kräftigen und aufgeweck-ten Knabens entbunden worden und frei von Fieber und ihren anderenBeschwerden. Unsere Schwester, die Ordensfrau, soll sie besuchen; siewird recht froh sein, alles überstanden zu wissen.

Meine sehr liebe Tochter, ich bin vollständig ganz der Ihre. Ich werdenicht vergessen, die Empfehlung, die Ihr teurer Gatte wünscht, wiederaufzufrischen.

III. Fléchère 972

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XVI, 184-185 (975) Annecy, 13. Juni 1614Dieses unvorhergesehene Brieflein soll Sie, meine sehr liebe Tochter,

von meiner Seele grüßen, die die Ihre in Unserem Herrn vollkommenlieb hat. Ich habe bis jetzt keinerlei Möglichkeit gehabt, auf Ihre Briefezu antworten.

Am Mittwoch werden wir die Taufe des kleinen Neffen53 vornehmen;die große Nichte befindet sich viel besser. Wir denken, Herrn und Frauvon Charmoisy dabei zu treffen ...

Bewegen Sie sich indessen recht milde auf dem Pflaster von Chambèryzur Betreibung Ihrer Angelegenheiten;54 aber – ich wiederhole – rechtmilde, denn das ist die Hauptsache ... Ich bin auf immer ganz der Ihre inUnserem Herrn.

XVI, 185-187 (976) Annecy, 22. Juni 1614.Meine sehr liebe Tochter!

Aus Ihrem Brief sehe ich den Seelenzustand Ihres Gatten auf Grunddes geplanten, aber nicht durchgeführten Duells,55 zu dem er sich ent-schlossen hatte. Ich glaube nicht, daß darauf Exkommunikation steht,denn es ist zu keiner vom Kirchenrecht verurteilten Handlung gekom-men. Ich muß aber bekennen, meine sehr liebe Tochter, daß ich Anstoßdaran nehme, zu sehen, wie gute katholische Menschen, die an sich Gottlieben, so wenig auf ihr ewiges Heil bedacht sind, daß sie sich der Gefahraussetzen, niemals das Antlitz Gottes zu schauen und auf immer dieSchrecken der Hölle zu sehen und zu fühlen. Ich kann wahrhaftig nichtbegreifen, wie man einen solchen sinnlosen Mut haben kann, sogar Klei-nigkeiten und nichtiger Dinge wegen.

Die Liebe, die ich meinen Freunden, besonders aber Ihrem teurenGatten entgegenbringe, läßt mir die Haare am Kopf sich sträuben, wennich sie in solcher Gefahr weiß, und was mich am meisten bedrückt, ist,daß es wenig den Anschein hat, als empfänden sie echte Reue über dieBeleidigung Gottes, da sie keine Vorsorge treffen, sich dessen in Zukunftzu enthalten. Was täte ich nicht, um zu erreichen, daß solche Dinge nichtmehr geschehen!

Das sage ich nicht, um Sie zu beunruhigen. Wir müssen hoffen, daßGott einmal uns alle zusammen besser werden läßt, wenn wir ihn darumbitten, wie wir es tun sollen. Sorgen Sie also dafür, daß Ihr Gatte beich-tet, denn wenn ich auch nicht denke, daß er unter Exkommunikationsteht, so ist er doch in eine schreckliche Todsünde gefallen, aus der er

III. Fléchère 975, 976

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schnellstens herauskommen muß. Die Exkommunikation trifft nur Hand-lungen, die Sünde aber gilt schon, wenn man nur den Willen dazu hat.

Ich denke, daß ich bald das Armband56 haben werde, das Sie an dieGegenwart Gottes erinnern soll. Ich bitte ihn, er möge Sie mit allenwünschenswerten Segnungen überhäufen, die Sie, meine sehr liebe Toch-ter, sich nur wünschen können. Ihr recht ergebener und Ihnen sehr zuge-neigter Diener und Cousin.

XVI, 191-192 (980) Annecy, 11. Juli 1614.Wie war es mir leid, meine sehr liebe Tochter, als ich beim Erwachen

erfuhr, daß Ihr Gatte mich verlangt hatte,57 denn ich hätte gern ein wenigmit ihm gesprochen. Ich hatte aber in der Nacht nicht schlafen könnenwegen der noch andauernden körperlichen Zustände ...

Meine sehr liebe Tochter, bitten Sie Gott immer recht für mein Herz, dasSie mit einer mehr als väterlichen Liebe liebt, damit es sich läutere und diegöttliche Liebe darin herrsche, ausnahmslos, rückhaltlos und ohne Ende.Ich höre auch nicht auf, Ihnen vollkommene Heiligkeit zu wünschen.

Ich gehe unsere arme Mutter besuchen und die gute Frau d’Escrilles,die mich erwarten; ich werde sie von Ihnen grüßen, wie auch ich Siebitte, die liebe Schwester zu grüßen.

Ich bin mit unvergleichlicher Hingabe ganz der Ihre.

XVI, 211-212 (991) Annecy, 19. August 1614.Was werden Sie, meine sehr liebe Tochter, von einem solchen Vater

sagen, der so spät antwortet? Das ist gewiß nicht wegen mangelndenGedenkens und noch weniger guten Willens, aber ich habe nicht gewußt,wo Sie sich befinden; erst seit drei Tagen weiß ich, daß Sie dort sind.

Ich habe also dem Herrn Präsidenten58 nach Ihrem Wunsch geschrie-ben, obgleich ich weiß, wie wenig Sie einer Vermittlung bei ihm bedür-fen, der Sie so sehr hochschätzt.

Sie werden beiliegenden Brief mit einem etwas lang zurückliegendenDatum finden, aber es ist nichts zu machen; unsere gute Mutter, die ihnschreibt, sieht mich niemals, ohne daß wir von Ihnen sprächen wie vonjemand, die uns sehr lieb hat.

Der arme Herr von Charmoisy ist immer noch in den Händen derÄrzte, ohne im geringsten sehen zu können, aber doch in der guten Hoff-nung, mit Gottes Hilfe wieder das Augenlicht zu erhalten. Er ergibt sich

III. Fléchère 980, 991

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ganz wunderbar in den Willen Gottes, wie die kleine Cousine59 mirschreibt.

Meine sehr liebe Tochter, am Ende werden wir, nach welcher Seite wiruns auch immer drehen, nichts der Hochschätzung würdig finden als dieGnade Unseres Herrn, der ich Sie unaufhörlich empfehle, da ich ganzvollkommen der Ihre bin und Ihr recht ergebener Diener und Cousin ...

XVI, 222-223 (996) Annecy, August-September 1614.60

Ich habe, meine sehr liebe Tochter, Ihre Zornesaufwallung und IhrenWiderwillen jenen gegenüber gesehen, die Sie so rauh behandelt haben.Sie müssen aber doch Ihren Geist wieder beruhigen, denn das ist nichts,was wir nicht schon wüßten. Wir wissen doch, daß unser Naturell intausendfachem Ärger überschäumt, wenn man uns befeindet. UnsereEigenliebe wird uns immer wieder genug häßliche Gefühle jenen gegen-über eingeben, die uns angreifen. Gott sei Dank aber widerstehen wirletzten Endes doch, wir lassen uns nicht zum Bösen mitreißen. Wenn wirauch erschüttert sind, fallen wir doch nicht ganz. Da haben wir also einegute Gelegenheit, uns zu demütigen, uns in aller Ruhe zu schämen undzu erniedrigen.

Bleiben Sie also in einem heiligen Frieden und hören Sie nicht auf,diese Leute zu besuchen, wenn Ihr Gatte es für gut befindet, um dieNächstenliebe zu bezeugen; Sie können aber Ihren Besuch kurz fassen.

Mein Gott, ich denke, wenn Sie im Winter hierher kämen, hätten Siehier viel mehr Ruhe als dort; ich werde aber nicht mehr davon reden, dasoviele andere Erwägungen, die ich nicht kenne, Ihren früheren Plangeändert haben können.

Guten Abend, meine sehr liebe Tochter, ich schreibe Ihnen immer inEile und bin immerdar sehr ...

XVI, 270-271 (1018) Annecy, Ende November 1614.Meine sehr liebe Tochter!

Ich will Sie jetzt brieflich nicht zu lange unterhalten, denn ein lebenderBrief61 wird zu Ihnen kommen, an dem Sie wohl mehr Gutes lesen wer-den, als ich Ihnen schreiben könnte.

Ich freue mich, daß Ihre Leidenschaften ein wenig beruhigt sind; siewerden es mit Gottes Hilfe immer mehr sein. Wir müssen nur fröhlich imStreben nach der heiligen Liebe seiner göttlichen Majestät fortfahren ...

III. Fléchère 996, 1018

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Ach, ich habe nicht einmal gedacht an das, was Sie mir von Tarentaiseschreiben;62 ich schätze zu sehr die Witwenschaft, als daß ich mich je-mals wieder verehelichen würde. Nein gewiß, wenn ich jemals meineFreiheit hätte, würde ich sie niemals aufgeben. Und wenn, dann würdeich sie von ganzem Herzen in die Hände Unseres Herrn aufgeben, damiter mit mir nach seinem Wohlgefallen verfahre.

Möge er immerdar in unseren Herzen leben und herrschen. Amen.

XVII, 1-4 (1086) Annecy, 1. Juni 1615.Meine liebe Tochter!

Die Überbringer Ihrer vorhergehenden Briefe haben mich zu einerZeit erreicht, in der ich so überlaufen war von Menschen und Geschäf-ten, daß ich nicht wußte, wo mir der Kopf stand, und ich konnte michnicht freimachen, um Ihnen Antwort zu geben. Ich wußte übrigens nicht,wie Ihnen antworten; Sie setzen voraus, daß Herr von Charmoisy, meinCousin, mich beauftragt hätte, für einen Wechsel des Lehrers Ihrer Kin-der63 zu sorgen, während er mir doch niemals auch nur ein Wort davongesagt hat, obgleich er mir erst am vorhergehenden Tag geschrieben hat.Daher war ich sehr überrascht, als dieser gute Mann, den Sie mir schick-ten, davon sprach und ich den Brief des Herrn von Charmoisy sah. Ichsagte ihm, daß ich keinerlei Auftrag dazu hatte und daß ich selbst, nach-dem ich mich bei den Barnabiten und vielen anderen erkundigt hatte, obirgend etwas an Herrn Rosset nicht stimme, um dessentwillen man ihnentlassen müßte, nichts hatte finden können, das dies verdient hätte. Daaber Herr von Charmoisy und Herr von Vallon hier waren, d. h. sich amfolgenden Tag treffen sollten, wäre es ihre Sache gewesen, ihn zu entlas-sen, wenn es ihnen gut erschiene. Deshalb nahm es Herr von Vallonneuerlich auf sich, sich über das Verhalten des Herrn Rosset zu erkundi-gen, und sprach darüber mit den Barnabiten und anderen, die es, wie ermir nachher sagte, sehr sonderbar fanden, daß man von einem solchenWechsel sprach. Er suchte dann Herrn von Charmoisy auf, der mir dar-aufhin einen Brief schrieb, in dem er mich in allgemeinen Ausdrückenbeauftragte, ich hätte alle Vollmacht, mir aber keinerlei Entschluß mit-teilte.

Darauf wußte ich nicht mehr, was ich sagen könnte, denn Sie habenmir keine bestimmten Fehler des Herrn Rosset genannt. Kurz, ich sagtezum Schluß Herrn von Vallon, der mir den Brief überbrachte, daß ich inderen und Ihrer Abwesenheit für die Kinder sorgen würde, wenn ich

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bemerken sollte, aus meiner Verantwortung allen dreien gegenüber, esgäbe da etwas, das verdiente, in die Hand genommen zu werden. Wennaber die Väter und Mütter anwesend sind, läge es an ihnen, sich darüberins Einvernehmen zu setzen und es zu tun. Und ich stellte es ihnen an-heim, da hauptsächlich Herr von Charmoisy in dem Brief, den Sie mirschickten, Voraussetzungen von einem Lehrer forderte, die man nichteinmal bei Lehrern und Erziehern von Königen findet: einem Lehrer,der nichts zu tun hat außer den Kindern, weder Messe zu lesen, noch einbesonderes Studium zu betreiben. Kurz, es schien mir nicht vernünftig,wenn ich in Anwesenheit ihrer Väter etwas unternehmen würde, da nichtsdrängte (soweit ich wußte) und so viele glaubwürdige Leute die Sachedes Herrn Rosset verteidigten.

Das ist alles, meine liebe Tochter; ich muß Ihnen nur noch sagen, daßbereits der Austausch des Herrn Romain gegen Herrn Rosset für schlechtbefunden wurde. Dieselben, die schlecht über Herrn Rosset sprachen,haben seither gestanden, sie hätten unrecht gehabt, und Herr von Char-moisy tat es nur aus Nachgiebigkeit, um ihnen nicht zu mißfallen. Manbraucht gewiß nicht zu fürchten, daß die Kinder in diesem Kollegiumihre Zeit verlieren, wo der Pater Präfekt selbst für einige Wiederholun-gen gibt, besonders für Ihre Kinder, um die er sich sehr sorgt und mitHerrn Rosset recht zufrieden ist. Man darf auch die Kinder nicht immerzu neuen Arbeiten antreiben. Sie haben zwei große Unterrichtszeitenam Tag, Aufsätze zu schreiben, häufige Wiederholungen; sie haben, mei-ner Meinung nach alles, was sie brauchen, und vieles mehr, als wir zumeiner Zeit hatten. Ich sehe, daß Ihre Kinder sehr artig werden, und ichglaube nicht, daß Sie sich ihretwegen Sorgen machen sollen. Außerdemwird Herr Rosset, der sich schon in der Gefahr sah, seine Stellung mitSchande zu verlieren, alle seine Kräfte aufbieten, um immer Besseres zuleisten. Es hat mir gefallen, daß er das Vorkommnis nicht geleugnet hat,das ihm zustieß, als er außerhalb seiner Wohnung speiste.

Im übrigen ist unsere Mutter genesen und freut sich sehr, eine großeAnzahl vortrefflicher Mädchen und verwitweter Damen kommen zu se-hen, die Aufnahme in die Kongregation erbitten. Sie schrieb Ihnen undich schicke Ihnen ihren Brief, scheint es mir, in dem Paket, in das ich dieTestamentsklausel des verstorbenen Herrn Gavent gesteckt hatte. Ichmöchte schon wissen, ob Sie ihn erhalten haben.

Sie dürfen sich nicht wundern, wenn Ihr Körper von Krankheiten ge-quält wird, daß auch Ihr Geist in seinem niederen Bereich ein wenigerschöpft ist. Es genügt, wenn Ihr Wille aufrecht steht und entschlossen

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ist, immer treu zu sein. Gott, dem wir gehören, wird uns bewahren undmehr und mehr vorwärtshelfen in seiner heiligen Liebe und in der echtenVerachtung unser selbst.

Auch mich verlangt es sehr, Sie zu sehen, aber erst, wenn Sie wieder-hergestellt sind. Indessen bin ich, meine liebe Tochter, recht vollkom-men ganz der Ihre, wie Sie wissen.

XVII, 9-10 (1090) Annecy, 20 Juni 1615.Ich war wohl überaus erfreut, meine liebe Tochter, Nachricht von Ih-

nen zu bekommen, noch dazu recht gute. Denn es ist an dem liebenMädchen64 ein erfreuliches Zeichen für ihre künftige Frömmigkeit, daßihr Leib von den Herzensempfindungen mitgenommen und sie davonmüde wird. So erging es ja Unserem Herrn selbst und vielen seiner größ-ten Heiligen. Sie haben ihr recht geraten, sich niederzusetzen, und siesoll das tun, bevor Herzbeschwerden sie überkommen. Sie soll also ihrganzes innerliches Gebet sitzend verrichten, nachdem sie vorher einenAkt der Anbetung kniend gemacht hat. Was ihre Zerstreuungen betrifft,so werden diese nach und nach aufhören, wenn sie sich danach sehnt,innig zu beten. Hören sie nicht auf, dann wird das Gebet umso bessersein,wenn es lustlos und selbstlos, aus reiner Liebe verrichtet wird, umdem Bräutigam zu gefallen.

Dieser Wunsch, der ihr im Gebet kommt, und dieser Wille, der alleTage immer von neuem aufscheint, sind auch gute Zeichen. Die Zeitwird aber klarer sehen lassen, wozu sie sich entschließen soll. Inzwi-schen wird unsere gute Mutter kommen, mit der sie sich besprechen undvon der sie viel Licht empfangen wird ...

Ich preise Gott für Ihren Gatten und bin sein Diener. Wir werdenschon sehen, was aus dem Lehrer65 wird.

Meine liebe Tochter, leben Sie ganz für Gott, ist doch außerhalb vonihm das Leben nur Tod. Sie tun recht, das Mädchen nicht zu drängen, esliegt doch am Heiligen Geist, ihr nach seinem Wohlgefallen Eingebun-gen zu schenken; Ich habe aber einige Hoffnung, daß er sie vollkommenzu der Seinen machen wird, und zweifle nicht, daß sie zumindest so weitdie Seine ist, um die Wahrheit zu erlangen, denn diese Seele gibt guteAnzeichen.

III. Fléchère 1090

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XVII, 97-100 (1138) Annecy, 5. Dezember 1615.66

... Ich will nicht unterlassen, Ihnen zu sagen, daß es um unsere Heimsu-chung wieder viel Lärm geben wird wegen dieser beiden guten Töchter,67

die dort aufgenommen zu werden wünschen, darum bitten und daraufdrängen, und denen man zweifellos nicht die Tür weisen wird, wenn siekommen, wie man es ihnen ganz heilig versprochen hat. Man wird michsicher dessen beschuldigen und doch kann ich nichts dafür; denn wennich es auch als große Ehre auffaßte, Gott darin gedient zu haben, so hat esdoch seine Güte selbst machen wollen. Seine Vorsehung hat es ja diesenSeelen eingegeben, als meine eigene Seele noch gar nicht daran dachte.Sobald ich davon Kenntnis erhielt, forderte ich, daß sie sich Zeit ließenund es hinausschieben möchten, um zu sehen, ob es richtige Eingebun-gen wären. Und da sie es nun wirklich sind, warum sollte man denn nichtrecht froh sein über das Wohl dieser lieben Seelen und über die Vermeh-rung der Ehre Gottes.

Ja, ich muß meiner lieben Tochter bekennen, daß ich in meinem Her-zen ein wenig Bosheit fühle; denn ich bin noch dazu froh, daß die Weltgetäuscht worden ist und daß diese Töchter, die bei ihr in hoher Gunst zustehen schienen, sich über sie lustig machen, sie verlassen und mißach-ten. Das verdient die Welt wahrhaftig, da sie doch nichts wert ist undGott geringschätzt.

Ich habe ihr sicherlich keine Kriegserklärung abgegeben, doch höreich in meiner Seele nicht auf, sie bis auf den Tod zu hassen, weil sie denGeist Gottes und die Kinder des Kruzifixes bis auf den Tod haßt. Wieglücklich sind doch diese lieben Töchter, welche die kurzen Augenblik-ke des sterblichen Lebens der Ehre und Liebe dessen weihen, der ihnenin der Überfülle seiner Güte liebeerfüllte Ewigkeiten schenken wird. Siegehen ganz tapfer und mutig; Gott sei immerdar inmitten ihrer Herzenund Ihres Herzens, meine liebe, geliebte Tochter, die ich von meinerganzen Seele grüße ...

XVII, 144-147 (1165) Annecy, 17. Februar 1616.

Meine sehr liebe Tochter!Gestern abend erst erhielt ich Ihren Brief und beantworte ihn heute

am Aschermittwoch. Ich meine, daß solche Vormundsformalitäten fürIhre Kinder überflüssig sind, da alles Ihnen gehört und auch Ihr neuerBräutigam68 keine Mitgift von Ihnen verlangen wird.

III. Fléchère 1138, 1165

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Sie wissen jedoch, welch ein Geschäftsmann ich bin; von weltlichenAngelegenheiten verstehe ich sicherlich gar nichts. Darum rate ich Ih-nen, dem Neffen69 zu glauben, der von Beruf aus und bei seiner für Siegehegten Zuneigung Sie dabei nur gut führen wird. Dennoch sollen Sieschon die Welt Ihre guten Vorhaben für Ihre Kinder wissen lassen, an-dernfalls wird die Welt auf die Philothea losschimpfen und froh sein,dies zum Anlaß nehmen zu können; dem wird Ihre Erklärung genügendvorbauen.

Wenn die Welt sich aber damit nicht zufriedengibt, dann lassen Sie sieschreien und Lärm schlagen, soviel sie will, denn der neue Bräutigamkümmert sich nicht um das Zeugnis der Welt.

Wir müssen sicher Herrn Guydeboys70 helfen, so sehr wir können,damit er seine Pension bekommt, denn der arme Mann wäre ohne dieseschlecht daran und hätte allen Grund, sich zu beklagen. Ich werde ihmbeistehen, soviel ich nur kann, damit er nicht seines berechtigten An-spruches beraubt wird.

Ihre Gefühle, den Verewigten nicht mehr im Leben zu haben,71 kön-nen nicht so schnell vergehen; es genügt, wenn wir auf der obersten Spit-ze des Geistes uns ganz in das Wohlgefallen Gottes ergeben und versu-chen, immer vollkommener eins zu werden mit dem zweiten Bräutigam.Bleiben Sie nur ganz in ihm und leben Sie ganz für ihn.

Ich bin vollkommen der Ihre ...Gott sei immerdar inmitten unserer Herzen. Ich grüße die teure Ge-

fährtin und die liebe Nichte, wenn Sie ihr schreiben.

XVII, 151f (1169) Annecy, 24. Februar 1616.72

Nach dem, was Sie mir schreiben, meine sehr liebe Tochter, sehe ichSie ganz auf Dornen gebettet. O fassen Sie Mut, ich beschwöre Sie; gera-de dort wachsen die Ihrem Bräutigam so wohlgefälligen Lilien (Hld 2,2)und finden bessere Nahrung; auch das Lamm, das nach Gottes Willenihm an Stelle von Isaak geopfert werden sollte, war festgehalten inmittenvon Dornen (Gen 22,13). Arbeiten Sie, meine sehr liebe Tochter, mit derobersten Spitze Ihres Willens treu weiter inmitten dieser Dunkelheitenund Trockenheiten; eine Unze so geleisteter Arbeit zählt mehr als 100Pfund eines in Tröstungen und Gefühlen vollbrachten Werkes; dieses istwohl angenehmer, jenes ist aber besser ...73

Ich bin unablässig ganz vollkommen der Ihre, meine sehr liebe Toch-ter, in deren Herzen Jesus immerdar leben und herrschen möge. Amen.

III. Fléchère 1169

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XVII, 163-165 (1175) Annecy, 1. März 1616.74

Gerade als ich Ihnen, meine liebe Tochter, Ihre Papiere durch meinenBediensteten zurückschicken wollte, kamen diese beiden Cousins, dienun die Überbringer sein werden. Ich habe Ihre Angelegenheit über-prüft und gefunden, daß der Rat Ihres Herrn Neffen äußerst gut ist unddaß Sie ihn befolgen sollen ...75

Im übrigen, meine liebe arme Tochter, werfen Sie inmitten der Ängst-lichkeiten, die Ihnen von Ihrer Einbildungskraft kommen, oft Ihr Herzin die Arme des teuren neuen Bräutigams; verharren Sie wie eine Skla-vin aus Liebe am Fuß seines heiligen Kreuzes und denken Sie daran, daßjene glücklich sind, die nichts haben, sofern sie eben dieses große Allesbesitzen, außerhalb dessen alles nichts ist für uns ...

Meine liebe Tochter, ich bin überaus ganz der Ihre. Unsere Mutter undich sprechen oft von Ihnen; sie hat eine unvergleichliche Liebe zu Ihnen.Ich grüße Sie, meine liebe Tochter, neuerlich von ganzem Herzen, dieich ganz heilig wünsche in Unserem Herrn.

XVII, 169-171 (1177) Annecy, um den 6. oder 7. März 1616.Ich dachte Ihnen morgen meinen Bediensteten zu schicken, meine

liebe Tochter, um Ihnen ausführlich auf Ihre drei letzten Briefe zu ant-worten; da sich aber dieser Junge dazu angeboten hat, will ich Ihnensogleich auf alle Punkte antworten, die Sie berührt haben.

Hinsichtlich der Art und Weise, mit der Sie in der Verwaltung der vonIhrem verstorbenen Herrn Gemahl (den Gott befreien möge) hinterlas-senen Güter vorgehen sollen, hat mir Herr von Charmoisy gesagt, daßSie hierfür alle entsprechenden Beschlüsse getroffen haben und daß Sieein nicht öffentliches Verzeichnis zur besseren Klarlegung Ihrer Rechteanlegen lassen, damit Ihnen in Hinkunft nichts zur Last gelegt wird, demweiß ich nichts hinzuzufügen ...76

Es hat keine Spur von Gift in Ihrem lieben Gatten gegeben, denn HerrFaber, der überaus viel davon versteht und ein Mann von großer Erfah-rung ist, hat mich dessen versichert, sodaß Sie in dieser Hinsicht jede Artvon Verdacht und Einbildung lassen müssen, meine liebe Tochter. Unse-re Reise ist doch nur kurz und dann werden wir ewiglich im Himmelsein und Gott preisen.

III. Fléchère 1175, 1177

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XVII, 194-196 (1193) Annecy, 21. April 1616.Meine liebe Tochter!

Ich schreibe Ihnen inmitten der Synode, d.h. ganz rasch. Ich habeMontag die Frau Gräfin aufgesucht; es hat mir leid getan, dort nieman-den zu finden als mein liebes Patenkind, Ihre Tochter. Ich werde heuteabend Herrn Bonfils77 durch Herrn Roch über das von Ihnen Gewünsch-te schreiben ...

Meine liebe Tochter, es hilft nichts, dieser Anfang wird eben überhäuftsein mit Forderungen und Sie müssen es leiden, daß man sich bitter überSie beklagt.78 Aber hüten Sie sich, so sehr Sie können, jemanden durchIhre Antworten zu betrüben; Sie müssen vielmehr versuchen, jedem dieAblehnungen oder Verzögerungen zu rechtfertigen, die Sie vorzuneh-men gezwungen sind. Was nun die Vermögenswerte betrifft, so müssenSie zuerst die vordringlichsten Schulden zahlen, so meine ich, wie dieder Ärzte, soweit es Ihnen gebührt, die ihre Bezahlung fordern. GlaubenSie mir, meine Tochter, daß ich mit Ihnen mitleide, und es scheint mir,wenn Sie ein Leid tragen, daß ich es mit Ihnen teile. Ein wenig Geduldwird alles überwinden.

Herr von Charmoisy ist der Meinung, Sie sollten Ihren Aufenthalt indieser Stadt nehmen. Er sagte, er hätte es Ihnen zu verstehen gegeben, alser Sie sah, sowohl um Ihrem Sohn näher sein zu können, wie auch umbessere und raschere Ratschläge für Ihre verschiedenen Angelegenhei-ten haben zu können. Sie können sich denken, wie sehr dies meiner Nei-gung entspräche; wir wollen aber mit aller Ruhe darüber beschließen.

Einstweilen segne Sie Gott, meine liebe Tochter. Es lebe Jesus! Amen.

XVII, 196-197 (1194) Annecy, 22. April 1616.

Heute morgen ist Herr Roch aus dieser Stadt abgereist, meine liebeTochter, und ich habe durch ihn Herrn Bonfils, der in Lagnieu ist, überIhre Angelegenheit geschrieben, da es nicht den Anschein hat, als ob wirihn bald wiedersehen, und besagter Herr Roch mir doch gesagt hat, daßer seinen Einfluß geltend machen würde.

Sie müssen denen gegenüber, die Forderungen stellen, mit Güte undherzlicher Höflichkeit fest bleiben; Gott wird Ihnen beistehen und IhreAngelegenheiten werden sich gerecht abwickeln und früher, als Sie er-hoffen könnten. Wenn Herr Guydeboys seine Bullen haben wird, wer-den Sie das Restliche ordnen, nicht leicht zwar, aber doch in aller Ruhe,

III. Fléchère 1193, 1194

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Ihrem Versprechen gemäß, und man wird es möglich machen. Ich den-ke, daß Sie recht daran getan haben, das Pferd zu verkaufen, denn es istgefährlich, es zu behalten.

Leben Sie immer ganz Unserem Herrn, meine Tochter, und erachtenSie mich ganz als den Ihren in ihm, denn das bin ich mehr, als Sie essagen könnten. Es lebe Jesus! Amen.

XVIlI, 211 (1200) Annecy, 15. Mai 1616.Ich schreibe Ihnen in Eile, nur um Ihnen zu sagen, meine liebe Toch-

ter, daß ich Ihre Briefe erhalten habe. Wenn Sie über die ganze Wochekommen oder zumindest während der Festtage, denke ich, daß Sie HerrnBonfils treffen werden; man müßte mir wenigstens die Aufstellung schik-ken, dann würde ich trachten, die von Ihnen gewünschte Zahlung errei-chen zu können.

Wenn Sie kommen, werden wir von dem lieben Mädchen Gasparded’Avise sprechen. Ach, ich bedaure sie, wenn sie sich von diesem An-sturm von Versuchungen fortreißen läßt. Aber man darf nichts überei-len,79 sondern sie muß, wenn es möglich ist, ebenso die Versuchung inihrer Seele toben lassen, bevor sie dies zugesteht, wie man sie die Einge-bung hin und her überlegen ließ, bevor sie ihr zustimmte. Man mußdabei liebevoll und taktvoll vorgehen, um ihr nicht den Anschein zugeben, man mißtraue ihrer Beharrlichkeit. Viel größerer Mut als derihre ist schon erschüttert worden bei ähnlichen Anlässen. Ich finde diesekleine Anfechtung in keiner Weise sonderbar. Gott wird sein Werk voll-bringen und schließlich werden wir alle ihm mit seiner Gnade einesTages treu dienen. Ich bin, meine liebe Tochter, Ihr sehr zugetaner, erge-bener, treuer Diener und Cousin ...

XVII, 225f (1210) Annecy, 11. Juni 1616.Über das liebe Mädchen80 mache ich mir nicht zuviel Sorgen, wenn ich

ihr auch sehr das Glück wünsche, zu dem sie berufen wurde. Einerseitshoffe ich, daß Gott ihr wieder den nötigen Mut zur Durchführung seinerEingebung schenken wird; es ist ja kein Wunder, wenn ihre Seele einwenig müde wurde bei dem Wirbel, in den weltliche Menschen sie hin-eingezerrt haben. Kein Wunder auch, daß sie etwas von der normalenBeschaffenheit menschlichen Geistes verspürt, der Versuchungen unter-worfen ist, sich zu ändern und zu schwanken, wenn er dem Feind die

III. Fléchère 1200, 1210

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Möglichkeit gibt, ihn anzugreifen. Andererseits hoffe ich, wenn es ge-schehen sollte, daß die Versuchung den Sieg davonträgt, daß sie ihn dochniemals ganz davonträgt, auch vom Entschluß weg, Gott mit viel Liebezu dienen. Und wenn es mir in diesem Fall auch sehr leid tun würde, sievon ihrem hochherzigen Vorhaben ein wenig herabgestiegen zu sehen,würde ich doch nicht aufhören, sie recht innig zu lieben; es wird mirmein Leben lang unmöglich sein, mich daran zu hindern, sie in UnseremHerrn ganz lieb zu haben.

Wenn aber, wie ich Ihnen sagte, die stärksten Seelen, wenn sie dieDurchführung ihrer guten Entschlüsse so sehr hinausschieben, versuchtsind, sie aufzugeben, dürfen wir uns nicht wundern, wenn dieses liebeMädchen von diesem Angriff bewegt wurde. Dennoch hege ich gute Hoff-nung, daß sie am Ende nicht erliegen wird, sondern daß sie – wieder einwenig zu Atem gekommen – stärker, entschlossener und eifriger denn jesein wird. Grüßen Sie sie von mir, wenn Sie es für gut erachten, falls Siesie sehen oder ihr schreiben. Leben Sie indessen ganz für Gott, um ihn inalle Ewigkeit zu preisen, meine sehr liebe Tochter. Amen.

XVII, 268-270 (1229) Annecy, 14. August 1616.

Meine sehr liebe Tochter!Beiliegenden Brief schrieb ich Ihnen schon vor Kurzem, aber der Be-

gleiter des Herrn von Monthoux, welcher mir Ihren Brief überbrachthatte, kam – soviel ich weiß – nicht, um meinen Brief abzuholen. Unter-dessen kam, wie Sie erfahren haben, der Prinz hierher,81 dessen Güte ichunendlich verpflichtet bin, und ich bin mit dem ganzen übrigen Land dergöttlichen Vorsehung tausendfachen Dank schuldig, daß sie uns einen anTugend und Gnaden so reichen Mann gegeben hat, um eines Tages beiuns zu herrschen. Mein Herz mußte dieses Zeugnis dem Herzen meinersehr lieben Tochter gegenüber ablegen, welche Freude es für mich ist,diesen Prinzen so von heiliger Gottesfurcht erfüllt zu sehen.

Sie können zu uns kommen, wenn es Ihnen beliebt, denn unsere Mut-ter sieht Ihnen mit allergrößter Freude entgegen und ich glaube nicht,daß unterwegs irgendwelche Gefahr besteht; auch hinsichtlich Frl. vonBeaufort brauchen keine Schwierigkeiten mehr gemacht werden. Abersehen Sie, meine liebe Tochter, Sie wissen ja wohl, daß die Heimsuchungganz die Ihre ist, ebenso unsere Mutter und alle Schwestern, und auchdem Frl. von Beaufort, wie Sie es für geeignet erachten.

III. Fléchère 1229

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Die liebe Nichte82 ist so voll Freude, daß ihre Seele wie ein kleinesKind an der Brust der himmlischen Güte geborgen ist. Ich habe nureinmal vor drei Wochen mit ihr gesprochen, aber ich erkenne unabläs-sig, mit welcher Güte Gott in sie einwirkt. Ja, Gott ist gut, und selig dasHerz, das ihn liebt.

Herr Bonfils ist vergangenen Abend, ungefähr um 11 Uhr, verhaftetund als Gefangener nach Chambéry oder Miolans gebracht worden überAuftrag des Prinzen. Man hat alle seine Kästen und seine Wohnung ver-siegelt. Das wird Ihre Bezahlung schwieriger machen. Ich werde mit denHerren vom Gericht sprechen, um zu sehen, was sich für Ihre Bezahlungmachen läßt. Dieser gute Mann sah mich schon seit einiger Zeit nichtund hatte in Seyssel behauptet, mich niemals lieben zu wollen, ohne daßer irgendwelchen Grund oder Anlaß gehabt hätte, eine solche Erklärungabzugeben; darum hatte ich, obgleich er verschiedene Mal hierher ge-kommen war, keine Möglichkeit gehabt, mit ihm über Ihre Angelegen-heit zu sprechen. Nur gestern grüßte er mich im Vorübergehen und ichihn. Ach, meine liebe Tochter, Gott weiß, wie sehr ich ihm die unendli-chen Güter des Friedens, der Tröstung und Gnade des Heiligen Geisteswünsche (Apg 9,31; Gal 5,2). Ihnen aber, meine sehr liebe Tochter, ver-mag ich nicht zu sagen, wieviel davon meine Seele Ihnen und unsererlieben Schwester von Mieudry wünscht ...

XVIII, 228f (1433) Annecy, 22. Mai 1618.Was tun Sie denn, meine sehr liebe Tochter! Ich bin doch in Sorge

wegen Ihres Aussehens neulich, obgleich mir der Briefbote gesagt hat,daß Sie sich – Gott sei Dank – wohlbefinden. O, dieser große Gott, derden Herzen guten Willens (Lk 2,14) gnädig ist, sei immerdar das LebenIhres Herzens, meine sehr liebe Tochter, und des meinen, das Ihnengehört und niemals aufhört, Ihnen dieses heilige Leben der himmlischenLiebe zu wünschen.

Wir sind hier voll Freude, die diese gute Gesellschaft83 uns schenkt,und erwarten, um unser Glück voll zu machen, die Ankunft unsererlieben Mutter.84 Meine sehr liebe Tochter, seien Sie ganz Gott zu eigen,der mich ganz zu dem Ihren gemacht hat und als solchen leben läßt.

III. Fléchère 1433

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XVIII, 319 (1491) Paris, 29. Dezember 1618.Meine sehr liebe Tochter!

Ich habe Ihnen bereits geschrieben, daß Sie zu unseren Schwesternkommen könnten, da Sie ja nach Herz, Neigung und Streben dazu gehö-ren. Sie dürfen nur das Haus nicht verlassen, um in die Stadt zu gehen.Ich sehe die Schmerzen und die Verwunderung Ihres Herzens, doch Gotthört nicht auf, auch in Ihnen zu herrschen. Darum sollen Sie sich darü-ber nicht beunruhigen.

Ich bin hier bis Ostern; glauben Sie mir, meine sehr liebe Tochter, daes sein muß, bin ich gern hier, aber mit einem Herzen, dem es rechtgefallen würde, inmitten unserer kleinen Verhältnisse und in meinemLand zu sein. Es läßt sich gar nicht sagen, wieviele Vorbilder an Fröm-migkeit es hier gibt, selbst inmitten des Hofes. Im Grunde ist aber meinPflichtenkreis nicht hier und hier habe ich auch nicht meine Schäflein.

Gott sei gepriesen; haben Sie guten Mut! Wir müssen eben durch dieDornen und Stacheln dieser Wüste hindurchgehen, um zum Land derVerheißung zu kommen.

Ich bin der Ihre, meine sehr liebe Tochter.

XIX, 93-94 (1586) (1618 oder 1619).Ich grüße mein Patenkind85 und bitte Gott, er möge es segnen; und Sie,

meine liebe Tochter, bitte ich, sie recht demütig, sanftmütig, fromm undbescheiden zu erziehen, denn so muß sie sein oder werden, um einerechte Tochter unserer kleinen Heimsuchung sein zu können.

XIX, 121-122 (1603) Annecy, (Januar oder Februar 1616 oder 1620).Meine sehr liebe Tochter!

Ich wünsche, daß Sie mein Patenkind auf die Erstkommunion vorbe-reiten, die ich ihm eigenhändig in den kommenden Ostertagen spendenmöchte. Ich bitte Sie, ihr kleines Herz vorzubereiten als Wohnung fürIhn, der sie ganz besitzen will. Lehren Sie sie frühzeitig, daß man – umeinen solchen Gast aufzunehmen – seine Seele gründlich reinigen mußvon allen Arten von Fehlern und Unvollkommenheiten und es aus-schmücken mit allen Tugenden, besonders mit Frömmigkeit, Liebe undDemut.

III. Fléchère 1491, 1586, 1603

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XIX, 207-208 (1651) Annecy, 26. Mai 1620.Sie sind also jetzt recht froh, meine sehr liebe Tochter, im angenehmen

Gespräch mit dieser lieben Cousine.86 Ich hüte mich, zu wünschen, ichwäre bei Ihnen, denn ich stecke immer derart im Arbeitswirbel, daß ichbei einem Besuch weder Freude daraus gewinnen, noch solche gebenkönnte ...

Wenn die Frau Gräfin noch nicht abgereist ist, bitte ich Sie, sie meinerergebensten Dienste zu versichern und auch Frau de La Croix, die – sodenke ich – nicht ohne Unruhe so allein zurückbleiben wird in der Un-gewißheit ihrer Vorhaben. Gott möge in seiner Güte nicht zulassen, daßwir je etwas anderes anstreben, als ihm zu dienen und ihn ewig zu lieben.

Ich würde gern ein wenig klarer die Hintergründe Ihres Prozesses ken-nenlernen, um zu sehen, ob eine Möglichkeit besteht, ihn zu beenden,damit Sie von dieser Seite mehr Ruhe hätten. Ich bin unablässig, meinesehr liebe Tochter, Ihr sehr ergebener Diener.

XX, 268f (1894) Annecy, 13. Februar 1622.Ich habe Ihnen, meine liebe Tochter, diesen Brief aus einem Skrupel

heraus geschrieben; es schien mir nämlich, ich täte schlecht daran, Ihnendiese wenigen Zeilen nicht zu schreiben, um Ihr Herz von meinem Her-zen zu begrüßen, da ich Herrn Billet einen Eilbrief geschickt hatte.

Ich erwarte morgen oder übermorgen Nachricht von Herrn von Sau-naz; falls er nicht kommt, bitte ich Herrn Billet,87 die Pfarre zu überneh-men, um sie solange zu behalten, bis der Papst oder ich anders darüberverfügen. Im übrigen will der Fürst auf jeden Fall, daß unsere Patres vomOratorium kommen, und man versichert mir, daß es sich, um die Aus-sendung der Schreiben Seiner Hoheit zu erhalten, nicht ums Geld han-delt, wohl aber um Geduld, die ich bis jetzt habe.

Schwester Jeanne Bonaventura befindet sich wohl.Ich bin von Herzen ganz der Ihre. Gott überhäufe Sie mit Segnungen.

XX, 272 (1897) Annecy, 19. Februar 1622.Dieser Briefbote wird Ihnen sagen, meine liebe Tochter, wie weit wir

in den Angelegenheiten Ihrer Kirche sind. Wie kann denn die Pfarrseel-sorge, die seit Beginn Widersprüchen ausgesetzt war, es jetzt aufhören zusein, in einer so armseligen Zeit? Aber ich zweifle nicht daran, daß dieGegner in ihren Bestrebungen erfolglos bleiben, ohne andere Genugtu-

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ung als die, ihre Rolle gespielt und ihre Streitsucht befriedigt zu haben.Bleiben wir indessen immer in Gott und leben wir nur für ihn allein,meine liebe Tochter.

Der gute Pater von Saunaz, der wie ein Schäflein aus Gehorsam ge-kommen ist, geht wie ein Lamm aus Gehorsam fort, bereit, wiederzu-kommen, um der Ehre Gottes sein Leben, sein Prioramt zu opfern undauch seine Pfarre zum Wohl von Rumilly und dieses ganzen Landes. Ichglaube, daß Leute von Ehre ihm dafür Dank wissen werden. Und ichgehe mit neuem Mut daran, die für diese Angelegenheit erforderlichenSchritte zu unternehmen, wozu mich die Sanftmut und die Güte derPatres vom Oratorium aufmuntern,88 sehe ich doch voraus, daß ihr Kom-men sich diesem Volk sehr heilsam erweisen wird.

Ich bin, meine liebe Tochter, ganz der Ihre in Unserem Herrn.

XX, 307f (1917) Annecy, um den 18. Mai 1622.Diese Tochter gibt mir sehr erwünscht Gelegenheit, Ihre teure Seele

von ganzem Herzen zu grüßen, meine liebe Tochter; und ich wünschtedies herzlich, weil ich doch in wenigen Tagen nach Piemont abreisenmuß auf Anordnung des Papstes, der mich verpflichtet, mich am 30. d.Mts. beim Generalkapitel der Feuillanten einzufinden, um dort im Na-men des Heiligen Stuhles den Vorsitz zu führen. Bevor ich aber abreise,werde ich alles Nötige für die Kirche von Rumilly unternehmen, wie esmir Prinz Thomas aufgetragen hat, und bei meiner Rückkehr alles be-reitfinden, was spätestens in sechs Wochen der Fall sein wird.

Bewahren Sie mir indessen Ihre heilige Zuneigung und bitten Sie Gott,er möge mir die Gnade schenken, ihm recht zu dienen.

Ich bin vollkommen und ganz der Ihre, meine liebe Tochter. Amen.

III. Fléchère 1917

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IVIVIVIVIV. Briefe aus den Jahren 1610 – 1616. Briefe aus den Jahren 1610 – 1616. Briefe aus den Jahren 1610 – 1616. Briefe aus den Jahren 1610 – 1616. Briefe aus den Jahren 1610 – 1616

Diese sieben Jahre bilden einen neuen, bedeutsamen Abschnitt in der Kor-respondenz des Heiligen. Vor diesem Zeitpunkt stammen die meisten Korre-spondenten aus Savoyen, einige aus benachbarten Provinzen Frankreichs. Nunschiebt sich die Gründung der Heimsuchung 1610 in den Vordergrund. Dieseist Gegenstand zahlreicher Briefe. Weitaus die meisten sind Seelenführungs-briefe im vollen Sinn des Wortes.

Die Korrespondenz mit den Briefempfängern aus früheren Jahren geht natür-lich weiter: soweit sie in diesem Zeitabschnitt Briefe erhielten, sind diese denvorausgehenden Abschnitten zugeordnet. Es treten aber viele neue Korrespon-denten auf. Eine Anzahl von ihnen wird in der folgenden Einführung (E) vor-gestellt, andere in den Anmerkungen (A) am Schluß des Bandes.

Nach verschiedenen Orten in Savoyen gehen Briefe an die Baronin von Cusy(E) und ihre Nichte, Fräulein von Chapot (A 4), Frau von Travernay (E), aneine Frau von Fléchère (geb. d’Avully, A 15), an Fräulein von Blonay (A 18),die Präsidentin Favre (E), Frau d’Aiguebelette (E), die Konvertitin Saint-Cergues (A 30), Frau de la Valbonne (E), Frau de la Croix d’Autherin (E),Frau de Murat de la Croix (E), an den Baron de Rochefort (A 58), Herrn vonChabod (A 59), an Frau von Ruans (A 1), Frau von Monthoux (A 65).

Aus den benachbarten französischen Provinzen stammt der junge Mann, deran den Hof gehen will (A 17), Frau Grandmaison (E), und der Herzog vonBellegarde (E). Auch von den unbekannten Empfängern der Seelenführungs-briefe dürften die meisten aus Savoyen stammen. Im nächsten Abschnitt wirdsich das Bild ändern, wenn die vielen Korrespondenten aus Grenoble und ausParis aufscheinen.

DIE BARONIN VON CUSY.

Charlotte de Vautravers de Charrin hatte im April 1585 den Baron de Cusygeheiratet. Aus der Ehe stammten zwei Kinder, Claudine-Philiberte, die durchihre Heirat mit Louis de Sales, Herr von La Thuille, Schwägerin des hl. Franzvon Sales wurde, aber sehr jung starb, ferner Amé.

Herr und Frau Cusy hatten den Entschluß gefaßt, sich von der Welt zurück-zuziehen. Die Baronin dachte zuerst an die Karmelitinnen und ihr Mannhatte dafür bereits ein Haus gekauft. Als er aber hörte, daß Franz von Saleseine religiöse Gemeinschaft gründen wollte, bestimmte er das Haus für dieseGemeinschaft. Die Baronin sollte sich dorthin zurückziehen und war auchzunächst dazu entschlossen. Als es aber so weit war, trat sie von ihrem Ent-schluß zurück und brachte damit Franz von Sales und die beginnende Kon-

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gregation in die größte Verlegenheit. Der Erwerb des Hauses „der Galerie“gelang schließlich doch unter großen Schwierigkeiten und die ersten Novizin-nen konnten ihr großes Werk beginnen (s. Oeuvres XIV, 286, Anm. 1; 287,Anm. 2; 312, Anm. 2).

MADAME DE TRAVERNAY,

geborene Péronne de Montfalcon, heiratete 1598 Balthazar de Mouxy, Herrvon Travernay, der 1617 starb. Ihr eigener Todestag ist unbekannt, jedenfallsnach 1628. – Wie Frau von Fléchère, hatte sie eine Menge von Obliegenheiten,war dabei auch oft von Krankheiten heimgesucht. Franz von Sales lehrt sieinmitten all dieser Schwierigkeiten den schlichten Weg der Hingabe an Gott zugehen. Seine Ratschläge, besonders im ersten Brief und im Brief vom 29. Sep-tember 1612 bezeugen wieder seine Großzügigkeit und sein Bestreben, auf dasWesentliche zu gehen. Von den Briefen an diese geistliche Tochter, die zu seinentreuesten zählt, sind nur sieben erhalten, die sich auf den Zeitraum von 1610-1622 erstrecken. Der Brief in Oeuvres XVII, S. 29, Nr. 1102 ist zweifelhafterEchtheit und enthält nur Nachrichten. Er wurde hier ausgelassen.

DIE PRÄSIDENTIN FAVRE.

Die Witwe Philiberte Martin de la Perouse heiratete 1606 den mit Franz vonSales innig befreundeten Präsidenten Favre, der selber auch Witwer war. Siestarb im Januar 1624 und zwei Monate später folgte ihr Gatte ihr in den Tod.– Franz von Sales hatte eine hohe Achtung vor der Präsidentin, was sowohl ausseinen Briefen an sie, wie auch aus Bemerkungen über sie in Briefen an anderePersonen hervorgeht. Von Franz von Sales sind nur drei Briefe an sie erhalten.

MADAME D’AIGUEBELETTE.

Françoise du Foret, in zweiter Ehe mit Herrn von Aiguebelette verheiratet,lernte Franz von Sales wahrscheinlich bei dessen Fastenpredigten 1606 ken-nen. Dem ersten Brief des Heiligen sind sicher eine Anzahl von Besprechungenund Briefen vorausgegangen. Die damals wohl schon 50jährige Frau (ihre ersteEhe datiert vor 1581) würde er sonst erst nach einigen Briefen als seine „Toch-ter“ angesprochen haben.

Von Franz von Sales sind fünf Briefe an sie erhalten. Wahrscheinlich sindsolche auch in den anonym angeführten Briefen. – Frau Aiguebelette war vielkrank. Franz von Sales tröstet sie und hilft ihr, diese recht beschwerliche Krank-heit für ihr religiöses Leben gut zu verwenden.

MADAME DE LA VALBONNE.

Andrée de Nicole de Crescheret hatte in zweiter Ehe 1611 Herrn René Favrede la Valbonne geheiratet und war so die Schwägerin der Mutter Favre gewor-den. In einem Brief an diese (XV, 180) nennt Franz von Sales Frau de laValbonne eine „Perle“. Er war ihr ein liebevoller Seelenführer. Sieben Briefean sie sind erhalten. – Franz von Sales nennt sie seine Nichte. Er gab gernVerwandtschaftsbezeichnungen.

IV. Einführung

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MADAME DE PEYZIEU.

Françoise de Dizimieu heiratete Françon Philibert de Longecombe, Herrnvon Thoys und Peyzieu. Sie hatte sechs Kinder, davon vier Söhne (s. OeuvresXIII, 130, Anm. 1). Schon 1605 schrieb Franz von Sales an einen dieser vierSöhne in sehr herzlicher Weise.

Mit Frau von Peyzieu entwickelte sich von 1612-1617 (ihr Todesjahr) einBriefwechsel, der zu den reizvollsten des Heiligen gehörte. Franz von Sales hattevon Frau von Peyzieu Briefe empfangen, in denen die alte Dame ihn sozusagen inihre Familie aufnahm und ihn – wohl auf sein Ersuchen – ihren Sohn nannte.Franz von Sales antwortete mit einem Dankbrief vom 12. März 1612 (OeuvresXV, 181-182; Nr. 759). Die schon alte Verbindung mit der Familie Peyzieu-Longecombe wird nun enger geknüpft und wird nicht mehr abbrechen. Franzvon Sales nennt die alte Dame Mutter und verlangt von ihr, daß sie ihn Sohnnenne und nicht sparsam, wie er liebevoll scherzend schreibt. Er tröstet sie überdie Beschwerden des Alters und lehrt sie, diese mutig zu tragen und für denFortschritt ihrer Seele zu verwerten, gibt ihr auch liebe Mahnungen, nachdem sieihre Fehler bekannt hatte. Beim gewaltsamen Tod eines ihrer Söhne im fernenAmerika schreibt er ihr einen ergreifenden Trostbrief.

MADAME D’ESCRILLES.

Als Tochter des Herrn von Mouxy-Travernay und der Frau von Saint-Jeoire(Schwester des Barons d’Hermence) wurde Marie de Mouxy um 1582 geboren,heiratete 1591 Herrn d’Escrilles und war mit 18 Jahren Witwe. – Im Jahr 1614trat sie in die Heimsuchung ein, wurde in verschiedenen Klöstern Oberin undstarb 1645. – Ihr Name im Kloster war Marie Madeleine de Mouxy.

MADAME DE LA CROIX D’AUTHERIN.

Jeanne Antoine de Chapot, Tochter von Frau Philiberte de Castel und vonHerrn Claude Chapot, Herrn von Césareh bei Conflans, verheiratete sich imJahr 1613 mit Herrn Autherin, Seigneur de la Croix. – Die Familie de Chapotstammte aus Chambéry. Franz von Sales hatte mit der jungen Frau und ihrerFamilie schon lange seelsorgliche Beziehungen (s. Oeuvres XIV, 325 und XV,92). Bei Jeanne Antoine deutet darauf hin die Anrede „meine sehr teure Toch-ter“, die Franz von Sales immer erst nach einiger Zeit gab, und der ganzeInhalt seiner Briefe an die Dame, besonders der erste, wo er sagt, daß dieStandesänderung der Dame nichts an der väterlichen Liebe ändert, die er fürsie hegt.

In den Oeuvres sind vier Briefe an die Dame enthalten, wohl nur ein Bruch-teil von dem, was er ihr geschrieben hat. Der vierte Brief (Oeuvres XX, 169) istzweifelhafter Echtheit und enthält nur einige Nachrichten. Er ist hier nichtübersetzt.

MADAME DE GRANDMAISON.

Helene Longecombe, Tochter der Frau von Peyzieu, heiratete am 25. Juli1598 François de Bessac, Herrn von Grandmaison, Statthalter zu Mâcon (Bur-

IV. Einführung

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gund). Sie lebte 1662 noch (Oeuvres XV, 283, Anm. und 284, Anm.).Sie kamnach Annecy für die „grands Pardons Unserer Lieben Frau von der Freude“September 1612. Dabei mag sie Franz von Sales kennen gelernt und sich späterunter seine Leitung gestellt haben, wenn das nicht schon früher gechah, da jadie Familie Longecombe mit der Familie des Heiligen enge Beziehungen hat-ten.

Die Oeuvres enthalten einen angeblichen Brief des Heiligen an Frau vonGrandmaison, datiert vom 25. Oktober 1612. Er scheint kaum echt zu sein. Anechten Briefen des Heiligen an diese Dame sind uns drei erhalten, die wir hierbringen.

MADAME DE MURAT DE LA CROIX.

Claude-Françoise de Maillond-Tournion, geboren 1597 zu Chambéry, inihren Mädchenjahren Ehrendame der Infantin von Savoyen, heiratete mit demSegen des hl. Franz von Sales Salomo de Murat de la Croix im Februar 1613und verlor sieben Monate später, am 21. September 1613 ihren Mann durchdessen plötzlichen Tod. So war sie mit 18 Jahren Witwe. Im Brief des Heiligen,den wir hier wiedergeben, spürt man nicht nur das Mitleid, sondern auch denpersönlichen Schmerz des Heiligen über das tragische Geschick seiner Cousi-ne. Sie blieb Witwe ihr Leben lang, war oft bei der hl. Johanna-Franziska vonChantal und legte auch im Namen der Herzogin von Mantua den Grundsteinzum zweiten Kloster der Heimsuchung zu Annecy im Iahre 1614.

DER HERZOG ROGER DE BELLEGARDE.

Mit den Briefen an Herzog de Bellegarde, die sich von 1613 bis 1622 hinzie-hen, soll dieser Abschnitt der Korrespondenz des Heiligen geschlossen werden.Roger de Bellegarde war eine der mächtigsten und zuerst berüchtigten Persön-lichkeiten Frankreichs zur Zeit Heinrichs III., Heinrichs IV., und Ludwigs XIII.Geboren 1563, wurde er bald Pair und „grand écuyer“ Frankreichs, Statthalterund Oberbefehlshaber der französischen Truppen von Burgund. Sein Lebenwar bis zur Wende, die ihm Franz von Sales brachte, alles eher als erbaulich.1603 traf er zum ersten Mal mit Franz von Sales in Belley zusammen. SeineBekehrung datiert aber erst von 1613, als er mit Franz von Sales an der Wie-dergewinnung von Gex für den katholischen Glauben als Inhaber der weltli-chen Macht zusammenarbeitete. Am 31. Juli 1613 legte er eine Generalbeichtebei Franz von Sales ab und stellte sich unter seine geistliche Führung (s. OeuvresXVI, 283, Anm. 1).

Von den eigentlichen Seelenführungsbriefen des Heiligen an den Herzog vonBellegarde sind uns sieben erhalten, deren Übersetzung nun folgt.

Nicht als Seelenführungsbriefe können angesehen werden die Nr. 821, 1417,1528, 1600, 1878, die Empfehlungen oder Geschäftliches enthalten und daherhier nicht übersetzt wurden.

Der Stil des Heiligen mutet uns in diesen Briefen etwas eigen an. Es ist diehöfische Sprache der Zeit, die auch in anderen Briefen an hohe Persönlichkei-ten zum Ausdruck kommt. Sie enthalten aber viele wertvolle Gedanken undzeugen bei aller damals nötigen Steifheit der Form von der Herzenswärme desHeiligen.

IV. Einführung

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AN DIE BARONIN VON CUSY

XIV, 286-288 (591) Annecy, 23. April 1610.Gnädige Frau!

Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, die Sie mir gegeben haben, Ihnendurch diesen Überbringer über den von Ihnen gewünschten Gegenstandzu schreiben. Bei unserem kleinen neuen Bau sind noch einige Verände-rungen zu treffen, doch ist das nichts, was den Beginn unseres Vorhabensverzögern könnte. Ich schlage vor, daß es mit Gottes Hilfe an den näch-sten Pfingstfeiertagen1 statthaben solle.

Sie werden hier bereits eine gute Gemeinschaft vorfinden, die nur aufden glücklichen Tag wartet, an dem sie sich endgültig dem einzigen Zielihres Herzens weihen wird. Ich bin also der Meinung, Sie sollten es sichso einteilen, daß Sie um diese Zeit kommen können. Wir werden inzwi-schen von hier aus die Dinge so ordnen, daß Sie in dieser neuen Lebens-weise die Freude und den Trost finden werden, nach dem Sie sich sehnen.

Für das erste Jahr werden wir Sie im schwarzen Kleid mit dem Schlei-er aus dünnem schwarzem Tuch und mit der größtmöglichen Einfach-heit belassen. Es wird genügen, wenn man für diese Einzelheit nach IhrerAnkunft sorgt, damit alles übereinstimme.

Lassen Sie sich keineswegs von all dem beunruhigen, was die Welt sagt,denn sie ist ein Feind der Ehre Gottes und des Wohles der Seelen. DerPapst will nicht, daß man neue Orden ohne Erlaubnis gründe, und dasmit Recht, aber er ist nicht gegen das, was wir mit Gottes Hilfe tunwerden, sondern er ist damit einverstanden.

Ich freue mich mit Ihnen über die Standhaftigkeit, mit der Sie IhrenIsaak2 geopfert und geweiht haben, und bitte Unseren Herrn, er möge Siemit dem Segen überhäufen, den er Abraham für ein gleiches Opfer gege-ben hat (Gen 22,1-18). – Ich bin, gnädige Frau, Ihr Ihnen sehr zugeneig-ter und sehr ergebener Diener ...

XIV, 293-295 (594) Annecy, 2. Mai 1610.

Gnädige Frau!Bei diesem Besuch Ihres Gatten, des Herrn Barons, habe ich erfahren,

mit wieviel Ränken die Welt versucht hatte, Ihren Entschluß zu erschüt-tern;3 und ich habe Unseren Herrn gepriesen, daß Sie bis jetzt Ihre Stand-

IV. Cusy 591, 594

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haftigkeit bewahrt haben. Dennoch muß ich jetzt, da wir – wie mir scheint– am Vorabend der Durchführung eines so heiligen Vorhabens stehen,ein wenig offen mit Ihnen sprechen und Sie beschwören, Ihr Herz rechtzu prüfen, um zu erkennen, ob Sie genügend Liebe, Kraft und Mut haben,so bedingungslos den gekreuzigten Jesus Christus zu umfangen und vondieser armseligen Welt Abschied zu nehmen. Denn sehen Sie, gnädigeFrau, Sie müssen eine tapfere und hochherzige Seele sein, um diesesVorhaben durchführen und den Vorstellungen der närrischen Weisheitdieser Welt (1 Kor 1,20) widerstehen zu können.

Sie werden zwar, wenn Sie dieses Werk einfach Gottes und Ihres Hei-les wegen unternehmen, sicherlich soviel Freude daraus gewinnen, daßnichts Sie davon wird abhalten können, und die gute Gemeinschaft, inder Sie sich befinden werden, wird Ihnen nicht wenig dabei helfen, sichdort gut einzugewöhnen. Doch dürfen Sie deshalb nicht unterlassen, Ih-ren Mut gut zu prüfen, bevor Sie kommen. Wenn Sie ihn aber recht undfest finden, dann kommen Sie nur kühn im Namen Gottes, der – alsUrheber und Beschützer dieses Planes – ihn immer mehr durch seinenSegen fördern und Ihnen darin tausend Freuden schenken wird, von de-nen die Welt nichts wissen kann.

Wenn Sie aber im Gegenteil – was Gott verhüte – sich nicht starkgenug fühlen, diesen Weg zu beschreiten, dann wäre es gut, uns zu be-nachrichtigen, damit die anderen ihrem unerschütterlichen Wunsch ent-sprechend beginnen und Sie, gnädige Frau, daran denken können, ir-gendeine andere, Ihnen mehr entsprechende Lebensweise zu ergreifen.

Mir persönlich liegt diese heilige Aufgabe so sehr am Herzen, daß ichmich glücklich fühlen würde, mich für ihre Erfüllung verwenden zu dür-fen, und ich werde ihr beständig, froh und mit Gottes Hilfe in nützlicherWeise dienen; mit solcher Liebe aber, daß nur der Wille Gottes alleinmich davon abhalten könnte, der mich vielleicht meiner Sünden wegennicht würdig genug finden wird, diesen Dienst zu seiner Ehre zu leisten.

Ich hoffe auf ihn, daß Ihre Seele immer mehr wachse, vom Guten zumBesseren, und flehe ihn an, er möge Sie trösten und bereiten.

Indessen verbleibe ich, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Diener ...

IV. Cusy 594

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AN FRÄULEIN VON CHAPOT

XIV, 325-328 (609)4 Annecy, 3. Juli 1610.Gnädiges Fräulein!

Sie sind der Meinung, daß Ihr Wunsch, sich von der Welt zurückzuzie-hen, nicht dem Willen Gottes entspreche, da er nicht übereinstimmt mitdem Willen jener, die von ihm die Macht haben, Ihnen zu befehlen, unddie Pflicht, Sie zu führen. Sie haben da sicher recht, wenn es sich um jenePersonen handelt, denen Gott die Macht gegeben und die Pflicht aufer-legt hat, Ihre Seele zu führen und Ihnen in geistlichen Dingen zu befeh-len; denn indem Sie diesen gehorchen, können Sie nicht irregehen, wennauch jene sich täuschen und Sie schlecht beraten können. Das würden sietun, wenn sie etwas anderes im Auge hätten als Ihr Heil allein und Ihrengeistigen Fortschritt. Wenn es aber jene Personen sind, die Gott Ihnenzur Führung in häuslichen und zeitlichen Angelegenheiten gegeben hat,so täuschen Sie sich, wenn Sie ihnen in Dingen Glauben schenken, indenen diese keine Autorität über Sie haben. Wenn man die Meinung vonEltern, von Fleisch und Blut über solche Dinge anhören müßte, gäbe esnur wenig Leute, welche die Vollkommenheit des christlichen Lebenserwählen würden. Dies der erste Punkt.

Der zweite ist, daß Sie nicht nur gewünscht haben, sich zurückzuzie-hen, sondern es auch noch wünschten, wenn es Ihnen von jenen erlaubtwürde, die Sie zurückgehalten haben. Das ist ein deutliches Zeichen, daßGott will, Sie sollen sich zurückziehen, da er doch in seiner Eingebungbeharrt inmitten so vieler Widersprüche und da Ihr vom Magnet angezo-genes Herz sich immer wieder auf den schönen Stern hinbewegt, wenn esauch durch die irdischen Versuchungen schnell abgelenkt wird. Dennwas würde schließlich Ihr Herz sagen, wenn es nicht verhindert wäre?Würde es Ihnen nicht sagen: Ziehen wir uns von der Welt zurück? Es hatalso noch diese Eingebung; da es aber verhindert wird, kann oder wagt esdas nicht zu sagen. Geben Sie ihm seine Freiheit zurück, damit es diessage, denn Besseres könnte es Ihnen nicht sagen, dieses heimliche Wort,das es ganz sachte in sich selbst hineinsagt: „Ich möchte und wünschtewohl, von der Welt fortzugehen“, das ist der wahre Wille Gottes. WorinSie unrecht haben (verzeihen Sie mir die unbefangene Freiheit meinerSprache), ist, daß Sie die Hindernisse, die Ihnen bei der Durchführungdieser Eingebung entgegenstehen, Gottes Willen, und die Macht jener,die Sie hindern, Gottes Macht nennen.

Der dritte Punkt ist, daß Sie keineswegs in neutraler Haltung vor Gott

IV. Chapot 609

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stehen, da der Wunsch nach Zurückgezogenheit, den er Ihnen gegebenhat, immer in Ihrem Herzen ist, mag er auch gehemmt sein; denn dieWaage Ihres Geistes neigt auf diese Seite, obgleich man auf die andereSeite drückt, um das Gleichgewicht zu stören.

Der vierte Punkt: Wenn Ihr erster Wunsch in irgendeiner Sache über-trieben war, sollen Sie ihn auf das rechte Maß bringen, aber nicht schei-tern lassen. Ich habe mir sagen lassen, daß Sie die Hälfte Ihrer Güteroder aber die Bezahlung dieses Hauses,5 das jetzt Gott geweiht ist, ange-boten hatten. Vielleicht war das zu viel in Anbetracht dessen, daß Sieeine Schwester mit großer Familie haben, der Sie nach dem Gebot derNächstenliebe eher Ihre Güter hätten zuwenden müssen. Nun, Sie müs-sen diese Übertreibung richtigstellen und in dieses Haus kommen miteinem Teil ihrer Einkünfte, soviel erforderlich ist, um bescheiden zuleben, wobei Sie alles Übrige überlassen, wem Sie wollen, und selbst dengenannten Teil nach Ihrem Tod jenen vorbehalten, denen Sie damit Gu-tes tun wollen. Auf diese Weise werden Sie die Übertreibung richtigstel-len und doch Ihr Ziel weiterhin vor Augen haben und es wird nichts dasein, das sich nicht frohgemut, ruhig und heilig machen ließe.

Fassen Sie schließlich Mut, einen guten, festen Entschluß zu treffen;wenn es auch keine Sünde ist, in diesen Schwächen zu verbleiben, soverliert man doch zweifellos viele Möglichkeiten, recht vorwärtszukom-men und überaus erstrebenswerte Tröstungen zu empfangen.

Ich habe Sie vertraulich über meine Meinung aufklären wollen in demGlauben, daß Sie mir die Güte erweisen werden, es nicht übel zu neh-men. Gott schenke Ihnen die heiligen Segnungen, die ich Ihnen wün-sche, und die liebevolle Übereinstimmung, die er von Ihrem Herzenwünscht.

Ich bin in ihm mit aller Aufrichtigkeit, gnädiges Fräulein, Ihr Ihnensehr wohlgeneigter Diener ...

AN FRAU VON TRAVERNAY

XIV, 332-334 (611) Annecy, 21. Juli 1610.Gnädige Frau, meine sehr liebe Tochter!

Ich schrieb Ihnen erst vorgestern im Anschluß an einen Brief, den die guteFrau d’Escrilles6 Ihrem Herrn Gemahl, deren Bruder, geschickt hat. Jetztwill ich Ihnen aber lieber über den Gegenstand Ihres Briefes schreiben.

Wenn unser Leib Schmerzen hat, fällt es uns schwer, unser Herz zurvollkommenen Betrachtung der Güte Unseres Herrn zu erheben; das

IV. Travernay 611

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gelingt nur jenen, die durch lange Gewohnheit ihren Geist ganz demHimmel zugewandt haben. Unsere Seelen aber, die noch ganz schwachsind, lassen sich beim Empfinden körperlicher Plagen und Leiden leichtablenken. Darum ist es kein Wunder, wenn Sie während Ihrer Krankhei-ten keine Betrachtung halten konnten. Zu solchen Zeiten genügt es, Stoß-gebete und heilige Herzenserhebungen zu verrichten. Da wir doch oft imSchmerz seufzen, kostet es uns nicht mehr, in Gott, zu Gott und Gotteswegen zu seufzen, als zu seufzen, um unnützerweise zu klagen.

Nun aber, da Gott Ihnen die Gesundheit wieder verliehen hat, müssenSie, meine liebe Tochter, wieder ihre Betrachtung7 aufnehmen, zumin-dest für eine halbe Stunde am Morgen und eine Viertelstunde am Abendvor dem Abendessen; denn da Sie nun einmal Unser Herr von diesemhimmlischen Honig verkosten ließ, würde es Ihnen einen schweren Vor-wurf eintragen, wenn Sie dessen überdrüssig würden, zumal er Sie dabeisoviel Leichtigkeit und Freude verkosten ließ, wie Sie mir – ich erinneremich gut daran – gestanden haben. Sie müssen also Mut fassen und dür-fen nicht zulassen, daß Geschwätz und sinnlose Unterwürfigkeit unterunsere Umgebung Sie eines so seltenen Gutes berauben, von Herz zuHerz mit seinem Gott sprechen zu können.

Ich bin Ihnen gewiß sehr verbunden, wenn Sie mir ein wenig über IhreSeele berichten, denn die meine liebt sie innig und kann nicht umhin,erfahren zu wollen, in welchem Zustand sie sich befindet. Die verschie-denen Pläne Ihres Herrn Gemahls aber, Sie hierher zu bringen und aufdem Land bleiben zu lassen, haben mich zurückgehalten, Sie darüber zubefragen. Erweisen Sie mir also, ich bitte Sie, die Güte, mir manchmalzu schreiben, und seien Sie gewiß, daß ich Ihnen immer Antwort gebenwerde, wie ich auch der Ehre, die Sie mir durch Ihr Wohlwollen erwei-sen, durch die aufrichtige Neigung treu entsprechen werde, Ihnen zudienen.

Gott sei immerdar inmitten ihres Herzens, um es zu erfüllen und inseiner heiligen Liebe überreich werden zu lassen; das sind die täglichenWünsche, meine liebe Frau Tochter, Ihres sehr ergebenen Cousins undDieners ...

XIV, 345-346 (619) Annecy, 11. September 1610.Gnädige Frau!

Es ist mir eine große Freude zu sehen, wie willig Sie meine Versucheaufnehmen, Ihrer treuen Seele zu dienen; denn ich kann sie, die ich mitmanchen himmlischen Gnaden ausgezeichnet sehe, nur zärtlich und in-

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nig lieben. Darum wünsche ich ihr immer größeren Fortschritt in derheiligen Liebe Gottes, die der Segen aller Segnungen ist.

Sie wissen, meine sehr liebe Tochter, daß das Feuer, das Mose auf demBerg sah (Ex 3,1f), diese heilige Liebe darstellte, und, wie diese Flam-men an den Dornen Nahrung fanden, auch die Übung der heiligen Liebenoch glücklicher bewahrt bleibt in den Heimsuchungen als in der Be-friedigung. Sie haben also Gelegenheit, zu erkennen, daß Unser Herrwünscht, Sie sollten in der Liebe zu ihm daraus Nutzen ziehen, da erIhnen fast immer eine unbeständige Gesundheit und viele andere Prü-fungen auferlegt.

Mein Gott, meine sehr liebe Tochter, wie tröstlich ist es doch, UnserenHerrn am Kreuz mit Dornen, im Himmel aber mit Glorie gekrönt zusehen! Denn das ermutigt uns, Widrigkeiten liebevoll aufzunehmen, dawir wohl wissen, daß wir durch die Dornenkrone die Krone der Seligkeiterreichen werden. Halten Sie sich nur immer recht innig an UnserenHerrn geschmiegt und mit ihm vereint, dann wird Ihnen kein Leid wi-derfahren, das sich nicht zum Guten wandelt.

Gnädige Frau, Ihr ergebener und sehr zugeneigter Diener und Cousin ...

XV, 246-247 (796) Gex, 20. Juli 1612.Gnädige Frau!

Sie sollen wissen, daß ich beim Lesen Ihrer Briefe sehr erfreut bin, zusehen, wie Sie inmitten vieler Hemmnisse und Widrigkeiten am Willenfesthalten, Unserem Herrn zu dienen. Wenn Sie inmitten dieser Schwie-rigkeiten sich recht treu erweisen, wird Ihnen gewiß umso größere Freu-de zuteil werden, je größer Ihre Schwierigkeiten waren. Ich denke an Sie,wenn Sie es am wenigsten vermuten, und sehe Sie mit einem mitfühlen-den Herzen, da ich wohl weiß, wieviele Ärgerlichkeiten Sie bei demWirrwarr haben, in dem Sie leben, der Sie von der erwünschten heiligenAufmerksamkeit auf Gott ablenken kann. Darum will ich niemals auf-hören, Ihre Not seiner göttlichen Güte zu empfehlen; ich will aber auchnicht aufhören, Sie zu beschwören, diese Not für Ihren geistigen Fort-schritt nutzbringend zu machen.

Wir haben keinen Lohn ohne Sieg und keinen Sieg ohne Kampf. Fas-sen Sie also Mut und wandeln Sie Ihre Mühen, gegen die es keine Abhilfegibt, in Tugendwerke um. Schauen Sie oft auf Unseren Herrn, der Sie –armes kleines Geschöpf, das Sie sind – anschaut und Sie inmitten IhrerMühen und Ablenkungen sieht; er schickt Ihnen Beistand und segnet

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Ihre Drangsale. In dieser Erwägung sollen Sie die Ihnen zustoßendenÄrgerlichkeiten geduldig und sanftmütig ertragen aus Liebe zu Ihm, derdiese Prüfung um Ihres Wohles willen zuläßt.

Erheben Sie also oft Ihr Herz zu Gott, bitten Sie um seine Hilfe. Diebeglückende Tatsache, daß Sie Gott ganz angehören, soll ihnen immerwieder Trost schenken. Alle Anlässe zum Ärger werden Ihnen wenigbedeuten, wenn Sie wissen, daß Sie einen solchen Freund, einen so gro-ßen Beistand und eine so wunderbare Zufluchtsstätte besitzen.

Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, gnädige Frau, meine sehrliebe Tochter, und ich bin ganz der Ihre. Ihr ergebener Cousin und Die-ner, der Sie sehr lieb hat ...

XV, 268-270 (808) Annecy, 29. September 1612.Gnädige Frau, meine sehr liebe Tochter!

Von der ausgezeichneten Überbringerin dieses Briefes werden Sie er-fahren, unter welch vielfältigen Widrigkeiten ich Ihnen schreibe; dassoll mir als Entschuldigung dienen, wenn ich nicht so ausführlich zuIhnen spreche, wie ich möchte.

Sie sollen die Länge Ihrer Gebete an der Vielfalt Ihrer Angelegenheitenmessen; und da es Unserem Herrn gefallen hat, Sie in eine Lebensweisehineinzustellen, in der Sie ständig gestört werden, müssen Sie sich darangewöhnen, Ihre Gebete kurz zu fassen, sie aber auch so regelmäßig zuverrichten, daß Sie davon nicht ohne wirkliche Notwendigkeit ablassen.

Ich möchte, daß Sie am Morgen beim Aufstehen das Knie vor Gottbeugen, um ihn anzubeten, das Kreuzzeichen machen und seinen Segenfür den ganzen Tag erbitten; dazu benötigt man vielleicht die Zeit von 1-2 Vaterunser. Wenn Sie eine Messe haben, genügt es, wenn Sie sie auf-merksam und ehrfürchtig hören, wie in der „Anleitung“ ausgeführt wird,und dabei Ihren Rosenkranz beten. Vor dem Abendessen oder um dieseZeit könnten Sie leicht einige innige Gebete verrichten, wobei Sie sichvor Unserem Herrn niederwerfen so lange, als man ein Vaterunser betenwürde; denn es kann wohl nichts Sie dermaßen in Anspruch nehmen,daß Sie sich nicht diesen kleinen Zipfel Zeit abstehlen könnten. AmAbend vor dem Schlafengehen könnten Sie, auch wenn Sie andere Ar-beiten verrichten, an welchem Ort immer, im Großen Rückschau haltenüber das, was Sie untertags getan haben, und sich kurz auf die Knie wer-fen, bevor Sie sich niederlegen, Gott um Verzeihung bitten für die began-genen Fehler und zu ihm beten, daß er über Sie wache und Ihnen seinen

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Segen gebe. Das könnten Sie in der kurzen Zeit eines Ave Maria tun. Vorallem aber wünsche ich, daß Sie bei jeder Gelegenheit untertags Ihr Herzzu Gott zurückziehen und ihn mit wenigen Worten Ihrer Treue und Lie-be versichern.

Was die Kümmernisse Ihres Herzens betrifft, meine liebe Tochter,werden Sie leicht solche unterscheiden, gegen die es Abhilfe gibt, undandere, gegen die es keine gibt. Gibt es Hilfe dagegen, dann muß mantrachten, diese sachte und friedvoll herbeizuführen; gibt es aber solchenicht, dann müssen Sie diese als eine Abtötung ertragen, die Unser HerrIhnen schickt, um Sie zu prüfen und ganz zu der Seinen zu machen.

Hüten Sie sich davor, etwa in Klagen Erleichterung zu suchen, son-dern zwingen Sie Ihr Herz, ruhig zu leiden. Befällt es irgendeine An-wandlung von Ungeduld, dann bringen Sie – sobald Sie ihrer gewahrwerden – Ihr Herz wieder zum Frieden und zur Liebe zurück. GlaubenSie mir, meine liebe Tochter, Gott liebt die von den Wogen und Stürmendieser Welt hin- und hergeschüttelten Seelen, sofern sie das Leid nur ausseiner Hand entgegennehmen und sich wie tapfere Krieger bemühen,inmitten der Angriffe und Kämpfe die Treue zu wahren. Wenn ich kann,werde ich etwas über dieses Thema Ihrer lieben und liebenswürdigenSchwester8 sagen, damit sie es Ihnen weitersage. Ich gehe jetzt fort, umeinen heißen Streit beizulegen, der verhindert werden muß.

Ich bin aber ganz starken Herzens, gnädige Frau, Ihr ergebener Cousinund Diener, der Sie sehr lieb hat ...

XV, 331-333 (845) Annecy, 3. Januar 1613.Ich versichere Ihnen, meine sehr liebe Tochter, daß Ihr Leid9 mich

sehr tief betrübt hat. Ich zweifle nicht daran, daß es sehr hart für Sie war,umso mehr, als Sie wie die übrigen Menschen nicht den Zweck und dieAbsicht sehen, deretwegen solche Dinge geschehen, und sie daher nichtin der Weise aufnehmen, wie sie sind, sondern wie Sie diese empfinden.

Nun, meine liebe Tochter, Ihr Sohn ist in Sicherheit, er besitzt dasewige Heil; so ist er also der Gefahr entronnen, verloren zu gehen, undsicher davor, während wir so viele Menschen in dieser Gefahr sehen.Sagen Sie mir bitte, hätte er nicht mit den Jahren ausschweifend werdenkönnen? Hätten Sie nicht in der Zukunft viel Kummer von ihm erduldenmüssen, wie so viele andere Mütter von ihren Söhnen? Denn, meineliebe Tochter, Kummer wird einem oft von jenen bereitet, von denenman es am wenigsten erwartet. Und nun hat ihn Gott all diesen Gefahren

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entzogen, läßt ihn den Sieg ohne Kampf gewinnen und die Früchte desRuhmes ohne Mühsal ernten. Meinen Sie nicht, meine liebe Tochter, daßIhre Gelübde und Andachten doch reichlich vergolten wurden? Sie ver-richteten diese seinetwegen, aber damit er mit Ihnen in diesem Jammertalverbleibe; Unser Herr, der besser als wir versteht, was für uns gut ist, hatIhre Bitten erhört zugunsten des Kindes, für das Sie sie verrichteten, aufKosten aber der zeitlichen Befriedigung, die Sie von ihm erwarteten.

Ich billige wahrhaft Ihr Bekenntnis, daß dieses Kind Ihrer Sündenwillen von hinnen gegangen ist, denn es entspricht der Demut; dennochglaube ich nicht, daß es auf Wahrheit beruht. Nein, meine liebe Tochter,nicht um Sie zu strafen, hat Gott dieses Kind frühzeitig gerettet, sondernum ihm eine Gnade zu erweisen. Sie haben Schmerz über seinen Tod,das Kind aber hat großen Gewinn davon; Ihnen brachte es zeitlichenKummer, dem Kind aber ewige Freude. Am Ende unserer Tage, wennunsere Augen geöffnet sein werden, werden wir erst erkennen, wie wenigdieses Leben ist und daß wir jene nicht zu bedauern brauchen, die es sobald verloren; das kürzeste Leben ist das beste, sofern es zum ewigenhinführt.

Ihr kleines Kind ist also nun im Himmel mit den Engeln und denheiligen unschuldigen Kindern; es weiß Ihnen Dank für die Sorge, dieSie in der kurzen Zeit, da es Ihnen anvertraut war, für dieses Kind getra-gen haben, und vor allem für die um seinetwillen verrichteten Gebete.Als Gegengeschenk bittet es Gott für Sie und hegt tausend Wünsche fürIhr Leben, damit dieses immer mehr dem göttlichen Willen entsprecheund Sie dadurch jenes Leben gewinnen können, dessen es sich erfreut.Bleiben Sie in Frieden, meine liebe Tochter, und erheben Sie Ihr Herzzum Himmel, wo Sie diesen guten kleinen Heiligen haben; und wün-schen Sie auch weiterhin, immer treuer die höchste Güte des Erlösers zulieben, den ich bitte, er möge immerdar Ihr Trost sein.

Ich grüße von meinem ganzen Herzen mein teures, geliebtes kleinesPatentöchterchen;10 meine Seele wünscht ihm tausend Segnungen. Frauvon Chantal geht es besser. Ich zweifle nicht, daß sie Ihnen geschriebenhätte, wenn sie davon erfahren hätte. Ich bin ohne Aufhören Ihr rechtergebener und treuer Cousin und Diener, der Sie sehr lieb hat.

XVI, 33-34 (891) Annecy, 15. Juni 1613.Meine sehr liebe Tochter!

Nur um Ihnen ganz einfach Dank zu sagen, schreibe ich Ihnen diesesBrieflein. Ich fühle mich Ihnen ja überaus verpflichtet, da Sie meine

IV. Travernay 891

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Briefe so freundlich aufnehmen. Die Liebe zu Ihrer Seele, der ich wahr-haft jede heilige Freude und Vollkommenheit wünsche, treibt mich eben-falls dazu an.

Der guten Frau d’Escrilles11 schreibe ich einige Antwortzeilen, da Sieihr diese freundlicher Weise zukommen lassen.

Das kleine liebe Patenkind12 fühlt wohl, denke ich, heimlich meineLiebe zu ihm, da es mich so sehr lieb hat. Gott möge sie so brav und gutmachen, daß Ihnen die Genugtuung über sie zuteil wird, die sie von ihrerhoffen dürfen.

Ich bin von ganzem Herzen und immerdar, meine sehr liebe Tochter,Ihr sehr ergebener und herzlich zugeneigter Diener und Cousin ...

XX, 269f (1895) Annecy, 17. Februar 1622.Meine sehr liebe Tochter!

Ich habe Gott gepriesen dafür, daß Sie gesund sind, und für die Freude,die die Frau Gräfin von St. Mauriac13 Ihnen und allen jenen, die sieschätzen, dadurch geschenkt hat, daß sie guter Hoffnung ist. Wenn meineWünsche erhört werden, wird sie große Freude über das ersehnte Kindhaben.

Hinsichtlich der Dokumente, die Sie von meinen Brüdern gewünschthaben über die Geschäfte, die sie mit dem verstorbenen Herrn von Tra-vernay hatten, bitte ich Sie, da sie solche nicht finden, eine Erklärung fürden Erwerb aufstellen zu lassen, wie es Ihr Rat für richtig erachtet, undsie werden sie gelten lassen. Ich bitte Sie, zu glauben, daß dieser Irrtumohne Arglist und Absicht, sondern aus reiner Unachtsamkeit entstandenist. Und die dem Herrn Rolland übergebene Zinsengutschrift werde ichvon ihm suchen lassen, wenn er von Paris zurückgekommen ist, wo erFrau von Chantal abholt, um sie bei ihrer Rückreise zu begleiten.

Ich werde in allem versuchen, Ihnen zu bezeugen, daß ich ganz liebe-voll immerdar bin, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener und getreuer Cousinund Diener ...

Ich grüße innig mein liebes Patenkind und Fräulein von Mont SaintJean.14

IV. Travernay 1895

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AN MADAME MADELEINE DE LA FLÉCHÈRE

XIV, 351-352 (622)15 September-Oktober 1610.Gnädige Frau!

Ich bedaure mit Ihnen, daß wir der Gegenwart Ihres Herrn Vatersberaubt sind, und doch preise ich mit Ihnen wieder Unseren Herrn fürden Gewinn, der ihm dadurch zuteil wurde, daß er gegen dieses armseli-ge sterbliche Leben das ganz selige himmlische eingetauscht hat, zu demer berufen worden ist. Diese große Gnade, durch die er aus den Armendes Irrtums geholt wurde und in den Schoß der heiligen streitenden Kir-che zurückgekehrt ist, läßt mich glauben, daß seine göttliche Majestätihn dem Schoß der streitenden Kirche nur darum entrissen hat, um ihnder triumphierenden einzuverleiben; denn obgleich er inmitten vonHäretikern gestorben ist, verschied er doch im Glauben und in der Ver-bundenheit mit der heiligen streitenden Kirche, seiner Mutter und derMutter aller Kinder Gottes.16

Seien Sie also ganz getröstet in diesem wahrhaften Vertrauen, meineliebe Schwester, und dienen Sie weiterhin mit aller Festigkeit seinergöttlichen Majestät in Reinheit und Aufrichtitgkeit. Ich flehe ihn an, ermöge durch seine heilige Liebe inmitten unserer Herzen herrschen, undbin gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Diener und Bruder in UnseremHerrn ...

AN EINEN UNBEKANNTEN JUNGEN MANN

XIV, 376-381 (637)17 Annecy, 8. Dezember 1610.Geehrter Herr!Sie setzen also jetzt die Segel und nehmen Kurs auf die hohe See des

Hofes. Möge Gott Ihnen gnädig sein und seine heilige Hand immer aufIhnen ruhen!

Ich bin nicht so ängstlich wie viele andere und rechne diesen Beruf nichtzu den gefährlichsten für wohlgestaltete Seelen und einen tapferen männ-lichen Sinn, denn in diesem Abgrund ragen nur zwei große Klippen auf:die Eitelkeit, die den weichen, faulen, weibischen und schwachen Seelenzum Verderben wird, und der Ehrgeiz, der die tollkühnen und eingebilde-ten Herzen zugrunde richtet. Wie die Eitelkeit ein Mangel an Mut ist, dernicht die Kraft hat, sich echtes und gediegenes Lob zu erwerben, es aber

IV. Fléchère 622 – Junger Mann 637

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begehrt und sich mit falschem, nichtigem Lob zufriedengibt, so ist derEhrgeiz eine Ausschreitung des Mutes, die dazu antreibt, ohne und gegendie Regeln der Vernunft Ruhm und Ehren anzustreben. Die Eitelkeit be-wirkt, daß man sich mit solch lächerlichen Tändeleien abgibt, die beimanchen weibischen und kleinen Geistern Gefallen finden, aber kraftvol-le, mutige und große Seelen abstoßen. Der Ehrgeiz wieder strebt nachEhrungen, bevor man sie verdient hat. Er läßt uns – und um allzu hohenPreis – das Gute unserer Vorfahren auf unsere Rechnung setzen und wirmöchten gern aus deren Wertschätzung unsere eigene ziehen.

Geehrter Herr, möchten Sie entgegen diesen Auswüchsen – da Sie wün-schen, daß ich so zu Ihnen spreche – weiterhin Ihren Geist mit geistlicherund göttlicher Speise nähren, denn diese wird ihn stark machen gegen dieEitelkeit und gerecht gegen den Ehrgeiz. Halten Sie an der häufigen Kom-munion fest und glauben Sie mir, nichts anderes könnte Sie so sehr in derTugend bestärken. Und damit Sie in dieser Übung sichergehen, ordnen Siesich dem Rat eines guten Beichtvaters unter und bitten Sie ihn, daß er mitAutorität von Ihnen in der Beichte Rechenschaft verlange über Ihre Ver-säumnisse in dieser Übung, falls Sie sich solcher anklagen müßten. Beich-ten Sie immer demütig und in der ausdrücklichen Absicht, sich zu bes-sern. Vergessen Sie niemals, ich beschwöre Sie, kniefällig um den Bei-stand Unseres Herrn zu bitten, bevor Sie aus dem Haus gehen, und umVerzeihung für Ihre Fehler, bevor Sie schlafengehen.

Hüten Sie sich vor allem vor schlechten Büchern und lassen Sie IhrenGeist um nichts in der Welt nach Schriften greifen, die manche schwacheKöpfe bewundern wegen gewisser kitzliger Dinge, die sie gierig in sich auf-nehmen, wie etwa bei diesem unverschämten Rabelais und gewissen ande-ren unserer Zeit, die darauf ausgehen, alles zu bezweifeln, alles zu verachtenund sich über alle Grundsätze der Alten lustig zu machen. Greifen Sie imGegenteil zu Büchern solider Lehre, vor allem zu christlichen und geistli-chen Büchern, um sich daran von Zeit zu Zeit wieder zu erneuern.

Ich empfehle Ihnen freundliche und aufrichtige Höflichkeit, die keinenbeleidigt und alle verpflichtet, die mehr Liebe als Ehre sucht, die niemalsauf Kosten anderer Spott treibt oder verletzend wirkt, die niemanden zu-rückstößt und auch niemals zurückgestoßen wird, und wenn schon, dannganz selten; wogegen sie sehr oft in ehrenvoller Weise gefördert wird.

Hüten Sie sich davor, sich in Liebschaften zu verstricken, ich bitte Sie,und gestatten Sie sich nicht, daß Liebesgefühle Ihr Urteil und Ihre Ver-nunft bei der Bewerbung um liebenswürdige Wesen überrumpeln; dennwenn einmal das Gefühl seinen Lauf genommen hat, schleift es die Ur-

IV. Junger Mann 637

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teilskraft wie einen Sklaven zu einer nicht ratsamen Bewerbung nach,der bald die Reue auf dem Fuß folgt.

Ich möchte, daß Sie von Anfang an im vertrauten Gespräch, im Beneh-men und in der Unterhaltung offen und ausdrücklich Ihren Willen kund-tun, immer tugendhaft, vernünftig, beständig und echt christlich leben zuwollen: tugendhaft, damit keiner es wagt, Sie zu Ausschweifungen zuverführen; vernünftig, damit Sie Ihre Absicht nach außenhin nicht inübertriebener Weise äußern, sondern so, daß sie entsprechend IhremStand von verständigen Menschen nicht getadelt werden kann; bestän-dig, denn wenn Sie nicht beharrlich einen gleichbleibenden und unver-letzlichen Willen bezeugen, werden Sie Ihre Entschlüsse Anschlägenund Angriffen mancher schlechter Menschen aussetzen, die andere an-fallen, um sie auf ihre eigene Lebensweise herabzudrücken; christlichschließlich, denn viele geben vor, tugendhaft auf philosophische Weisesein zu wollen; sie sind es aber nicht und können es auf keine Weise sein.Sie sind nur Trugbilder von Tugend, wodurch sie jenen gegenüber, die sienicht näher kennen, ihre Schlechtigkeiten und Launen durch formvoll-endetes Benehmen und Reden verdecken. Uns aber, die wir wohl wissen,daß wir kein einziges Körnchen Tugend haben könnten ohne die GnadeUnseres Herrn (Joh 15,5), uns müssen Frömmigkeit und heilige Gott-verbundenheit die Mittel sein, um tugendhaft zu leben; andernfalls wer-den wir Tugenden nur in der Phantasie und schattenhaft haben. Es istalso überaus wichtig, sich rechtzeitig als der zu erkennen zu geben, derman immer sein will; und dabei darf nicht gefeilscht werden.

Es wird für Sie auch sehr wichtig sein, einige gleichgesinnte Freunde zufinden, damit Ihr Euch gegenseitig stützen und stärken könnt; denn es istsicher, daß der Umgang mit gutgestalteten Seelen uns überaus hilft, unsereeigene Seele gut zu gestalten oder sie in einer guten Gestalt zu bewahren.Ich denke, daß Sie bei den Jesuiten oder Kapuzinern, bei den Feuillantenoder auch außerhalb der Klöster einen entgegenkommenden Menschenfinden werden, der sich freuen wird, wenn Sie ihn manchmal aufsuchen,um sich zu entspannen und wieder geistig Atem zu schöpfen.

Sie müssen mir aber erlauben, daß ich Ihnen etwas im Besonderensage. Ich fürchte, daß Sie wieder beginnen, sich dem Glücksspiel zuergeben; ich fürchte es, weil es für Sie von Übel wäre; das würde nämlichin wenigen Tagen Ihr Herz zerfahren machen und alle Blüten Ihrer gutenAbsichten verwelken lassen; andererseits ist es eine Beschäftigung fürFaulenzer. Es gibt Leute, die gern Lärm schlagen und in hohen KreisenAufnahme finden wollen, indem sie mit „Großen“ spielen. Sie meinen,

IV. Junger Mann 637

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dies sei der kürzeste Weg, sich bekannt zu machen, und zeigen damit,daß sie keinerlei eigene Verdienste aufweisen können, sondern zu glei-chen Mitteln greifen müssen wie jene, die Geld haben und es aufs Spielsetzen wollen. Nun ist es aber kein großer Ruhm für sie, als Spielerbekannt zu sein; verlieren sie aber viel Geld beim Spiel, dann nennt mansie Narren. Dabei will ich gar nicht von den Folgen reden: Verzweiflungund Wut, vor denen kein Spieler verschont bleibt.

Ich wünsche Ihnen auch ein kraftvolles Herz, damit Sie Ihren Leibnicht zu sehr verwöhnen durch Üppigkeit im Essen, durch Langschläfe-rei und ähnliche Verweichlichungen. Schließlich empfindet ein hochge-sinntes Herz immer ein wenig Verachtung für solche Verzärtelungenund leibliche Genüsse. Unser Herr sagt (Mt 11,8), daß jene, die weichli-che Kleider tragen, in den Häusern der Könige sind; darum spreche ichdavon. Der Herr will damit nicht sagen, daß alle bei Hof sich weichlichkleiden; er sagt nur, daß jene, die weichliche Kleider tragen, sich ge-wöhnlich dort befinden. Ich spreche da nicht vom Äußeren sondern vomInneren; denn für das Äußere wissen Sie nur allzu gut Bescheid, was dieSchicklichkeit erfordert, und es steht mir nicht an, davon zu sprechen.

Ich will also sagen, Sie möchten Ihren Leib zügeln dadurch, daß Sieihn einige Strengheiten und Härten spüren lassen durch die Verachtungvon Verzärtelung und häufigen Verzicht auf Dinge, die den Sinnen ange-nehm sind; denn manchmal muß doch die Vernunft ihre Überlegenheitund Macht erkennen lassen, sich die sinnlichen Genüsse unterzuordnen.

Mein Gott, ich bin zu ausführlich, ja ich weiß gar nicht, was ich schrei-be, denn ich habe wenig Zeit und muß wiederholt unterbrechen. AberSie kennen mein Herz und werden alles recht aufnehmen.

Dennoch muß ich Ihnen folgendes sagen: Stellen Sie sich vor, Sie wä-ren Höfling des hl. Ludwig; dieser heilige König liebte es, wenn mantapfer, mutig hochherzig, fröhlich, höflich, gesittet, aufrichtig und zu-vorkommend war; aber er liebte es vor allem, daß man ein guter Christwar. Wenn Sie bei ihm gewesen wären, hätten Sie gesehen, daß er beirechter Gelegenheit herzhaft lachte, zur rechten Zeit mutig redete undSorge trug, daß alles um ihn herum glanzvoll sei, um wie ein zweiterSalomo die königliche Würde zu wahren. Einen Augenblick später wie-der hätten Sie gesehen, wie er Armen in den Krankenhäusern diente undso die staatsmännische Tüchtigkeit mit der christlichen Tugend verband,die Majestät mit der Demut. Das heißt mit einem Wort, daß man anstre-ben muß, weder weniger tapfer zu sein, um Christ zu sein, noch wenigerChrist, um tapfer zu sein. Und um das tun zu können, muß man ein sehr

IV. Junger Mann 637

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guter Christ sein, d. h. Gott echt hingegeben, fromm und ein Geistes-mann; denn wie der hl. Paulus sagt (1 Kor 2,15), vermag der Geistes-mensch alles richtig zu unterscheiden; er weiß, zu welcher Zeit, in wel-cher Rangordnung und auf welche Weise man jede Tugend einsetzenmuß.

Erwägen Sie oft diesen guten Gedanken, daß wir auf dieser Welt unse-ren Weg gehen zwischen Paradies und Hölle, daß unser letzter Schrittuns in die ewigen Wohnstätten bringen wird, daß wir nicht wissen, wel-ches unser letzter Schritt ist und – um diesen letzten recht zu tun –versuchen müssen, alle anderen gut zu tun. O heilige Ewigkeit ohne Ende,glückselig, der an dich denkt! Ja, denn was bedeutet schon dieses Schau-spiel kleiner Kinder, das wir auf dieser Welt für, ich weiß nicht wie vieleTage, darbieten? Nicht das Geringste, wenn es nicht der Übergang zurEwigkeit wäre. Darum also müssen wir Sorge tragen für die Zeit, die wirhier unten weilen müssen, und für alle unsere Handlungen, damit wir siezur Gewinnung des ewigen Gutes gebrauchen.

Lieben Sie mich immer als einen, der zu Ihnen gehört, denn das bin ichin Unserem Herrn und wünsche Ihnen für diese Welt und vor allem fürdie andere alles Glück. Gott segne Sie und halte Sie an seiner heiligenHand. Um dort zu enden, wo ich begonnen habe: Sie erreichen nun diehohe See der Welt; wechseln Sie deshalb weder den Herrn, noch Mast,Segel, Anker oder den Wind. Jesus Christus sei immer Ihr Herr, seinKreuz Ihr Mastbaum, auf dem Sie Ihre Entschlüsse statt eines Segelsaufziehen; Ihr Anker sei ein tiefes Vertrauen auf ihn; und stechen Siefroh in die See. Möge der günstige Wind himmlischer Eingebungen im-merdar mehr und mehr die Segel Ihres Schiffleins blähen und Sie glück-lich landen lassen im Hafen der heiligen Ewigkeit.

Dies wünscht Ihnen, geehrter Herr, aufrichtig unablässig Ihr recht er-gebener Diener ...

AN FRÄULEIN VON BLONAY

XIV, 401-402 (652)18 (1610-1611).... Meine liebe Tochter, ich weiß ihnen echten Dank für diese Bemer-

kung; aber sehen Sie, nicht jedermann hat von Gott die Gnade erhalten,wie sein Sohn, der gütige Jesus, mit Honig und Milch auf der Zunge (Hld4,11) das Evangelium zu predigen. Ihr lieber Vater müßte aber doch aufdiesen Fehler ganz behutsam aufmerksam gemacht werden; Gott mögeuns Gelegenheiten hierzu geben ...

IV. Frl. von Blonay 652

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AN DIE PRÄSIDENTIN FAVRE

XIV, 372-374 (635) Annecy, 5. Dezember 1610.Denken Sie nicht, meine sehr liebe Schwester, daß es mir nicht schwer

fällt, Ihnen so lange nicht geschrieben zu haben. Und hauptsächlich jetzt,wo Sie nach dem Bericht der guten Patres noch etwas schwacher Ge-sundheit sind. Ich möchte Ihnen sicherlich gern jeden Tag ein kleinesZeichen meines Gedenkens an Ihre Liebe schicken; aber es fehlt mirmanchmal die Zeit und andere Male wieder die Gelegenheit dazu. Ichschreibe Ihnen auch jetzt nach 10 Uhr abends nur ein Begleitwort zubeiligendem Buch.19 Diese Auflage scheint mir ein wenig genauer zusein als die anderen, obgleich ich das Buch nur flüchtig durchgesehenhabe. Außerdem hat es noch die drei Kapitel: „Über die Kleidung“,„Über die Wünsche“ und „Man muß einen gerechten Sinn haben“. – Sowie es ist, kommt es von einem, der mehr als alle Welt Ihnen himmlischeSegnungen wünscht.

Als ich in Chambéry war, vergaß ich, Ihnen zu sagen, daß ich Ihneneine Kopie der wichtigsten Statuten der Heimsuchung geschickt habe.Ich erinnere mich auch nicht, durch wen ich sie sandte.

Darf ich Sie bitten, den beiliegenden Brief der kleinen Chastel20 zu-kommen zu lassen? Ihre gute Schwester21 hat ihn mir geschickt; und ichkann wohl sagen, ihre gute Schwester, denn das ist sie wahrhaftig. Aberauch unsere Tochter,22 unser Alles, ist eine wahrhaftig gute Tochter. Ihrganzes Haus grüßt Sie, vor allem Frau von Chantal, die Sie hoch ehrt undherzlich liebt.

Hüten Sie sich davor, Ihre Sorge in Verwirrung und Unruhe ausartenzu lassen. So sehr Sie auf den Wellen und durch die Stürme vielfacherVerdrießlichkeiten dahinsegeln, richten Sie doch immer den Blick zumHimmel und sagen Sie zu Unserem Gott: O Gott, um Deinetwillen trei-be und segle ich so dahin, sei Du mein Führer und Fährmann! Und danntrösten Sie sich: Wenn wir im Hafen sein werden, werden die uns dortzuteil werdenden Freuden alle Mühen auslöschen, die wir auf uns ge-nommen haben, um dahin zu gelangen. Und wir kommen dorthin durchalle Ungewitter, sofern wir nur ein Herz haben, das aufrecht ist, eineAbsicht, die gut, einen Mut, der fest ist, und wenn wir die Augen auf Gottgerichtet halten und auf ihn all unser Vertrauen setzen. Wenn auch dieGewalt des Sturmes uns manchmal den Magen ein wenig erregt und denKopf ein wenig schwindelig macht, wundern wir uns nicht darüber, son-

IV. Favre 635

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dern schöpfen wir – sobald wir können – wieder Atem und muntern wiruns auf, besser zu handeln.

Leben Sie wohl, meine sehr liebe Schwester, meine Tochter. Fürchtenwir Gott, und wir werden nichts anderes fürchten; lieben wir Gott, undwir werden alles andere lieben. Ich bin in ihm ganz der Ihre und Ihrergebener Bruder und Diener ...

XV, 18-19 (661) Annecy, 25. Januar 1611.Meine sehr liebe Schwester, meine Tochter!

Ich schreibe Ihnen nur ganz schnell. Heute Abend werde ich Frau vonChantal aufsuchen, deren Genesung nur langsam vor sich geht.

Meine sehr liebe Tochter, ich sehe Sie, so scheint es mir, in eine Mengevon Aufregungen verstrickt, welche die Größe Ihres Haushaltes Ihnenauferlegt. Umso mehr aber müssen Sie, meine liebe Tochter, UnserenHerrn zu Hilfe rufen und um seinen heiligen Beistand bitten, damit alldieser Ärger, den Sie ertragen müssen, ihm wohlgefällig sei und Sie esum seiner Ehre und Verherrlichung willen auf sich nehmen. Sehen Sie,meine liebe Schwester, „unsere Tage sind kurz“ (Ijob 14,5), folglich kannauch die Plage dieser Tage nicht lang sein. Wir werden mit ein wenigGeduld ehrenvoll und zufrieden daraus hervorgehen, denn am Ende desTages werden wir keinen größeren Trost haben als den, uns viel geplagtund viele Mühen ertragen zu haben.

Guten Abend, meine sehr teure Schwester. Lieben Sie treu diesen Bru-der und Diener, der ganz der Ihre ist ...

XV, 54 (686)23 Annecy, 2. Mai 1611.In der nahen Fastenzeit werde ich mir gewiß äußerste Mühe geben,

recht viele Seelen für Ihn zu gewinnen,24 der sein hochheiliges Leben amKreuz verlieren wollte, um sie alle zu gewinnen. Aber wollen Sie, meineliebe Schwester, daß ich Ihnen meine Meinung darüber sage? Ich habesehr Angst, zu großer Gescheitheit zu begegnen. Es ist gewiß erstaun-lich, wie das Kreuz die einfachen und demütigen Herzen liebt. Und dochist es der Heiland, den ich predige (1 Kor 1,23), der die Täler ausfülltund die Berge gleichmacht oder abträgt (Jes 40,4; Lk 3,5).

Gott segne Sie, meine sehr liebe Schwester, meine Tochter. Ich bin inihm ganz Ihr recht ergebener Bruder und Diener ...

IV. Favre 661, 686

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XV, 301-304 (824) Annecy, 18. November 1612.

Meine sehr liebe Schwester!Ich habe Ihre beiden ganz lieben Briefe voll guter Nachrichten erhal-

ten, denn Ihrer teuren Seele geht es gut, da sie in der heiligen Liebe zuUnserem Herrn Fortschritte machen will. Tun wir das nur sorgfältig,meine sehr liebe Tochter, denn schließlich ist alles andere nur eitel (Koh1,2.14; 12,8). Und da die Liebe nur im Frieden daheim ist, seien Sieimmer sehr darauf bedacht, die heilige Herzensruhe, die ich Ihnen so oftempfehle, gut zu bewahren. Wie glücklich sind wir doch, meine liebeSchwester, Mühen, Leiden und Widrigkeiten zu haben; denn das sindWege des Himmels, vorausgesetzt, daß wir sie Gott aufopfern.

Es wäre ein großer Gewinn für Chambéry, Ursulinen dort zu haben,und ich möchte gern etwas dazu beitragen können; denn schließlich,selig jene, die die Kinder erziehen zur Gottesliebe, zur Gottesfurcht undzum Dienst Gottes. Es bedarf nur drei mutiger Mädchen oder Frauen fürden Anfang; Gott wird schon für ihre Vermehrung sorgen. Unsere Heim-suchungsschwestern sollen jene aufmuntern, die geneigt sind, dieses zuunternehmen. Meiner Meinung nach ist es nicht tollkühn, wenn mansich in etwas außergewöhnlicher Weise Unserem Herrn im Vorhaben zuseinem Dienst anvertraut.

Meine sehr liebe Schwester, meine Tochter, lieben Sie immer mehrmeine Seele, die so sehr die Ihre liebt. Ich bin in Unserem Herrn ganzder Ihre. Ihr sehr ergebener und sehr gehorsamer Bruder und Diener ...

Die gute Thiollier wird meiner Meinung nach in dieser Kongregationviel Freude finden. Nächsten Mittwoch will sie sich zusammensetzenaus 16 guten Schwestern, abgesehen noch von jenen, die aufgenommenwurden, aber noch nicht kommen können ...

Was die Mittel betrifft, so ist nichts im Überfluß vorhanden, es fehltaber auch an nichts; Gott sorgt für seine Dienerinnen und die Gottes-mutter versorgt sie. Ich muß Ihnen wohl wieder Nachricht geben überdiese kleine Gemeinschaft, die – wie ich glaube – Ihnen teuer ist ...

IV. Favre 824

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AN MADAME D’AIGUEBELETTE

XIV, 393-394 (646) Annecy, 30. Dezember 1610.Nun beeenden wir also, meine sehr liebe Tochter, morgen dieses Jahr.

In der Nachfolge der guten verstorbenen Dame werden wir einst unsereJahre beenden, um unsere Ewigkeit zu beginnen. Ach meine Tochter,diese Ewigkeit wünsche ich Ihnen vor allem recht glücklich. Ihretwegenleben Sie immer gegenwärtig in meinem Herzen, das sich freut, zu sehen,daß Sie weiterhin seiner göttlichen Majestät in Heiligkeit und Reinheit(Lk 1,74.75) mit Ihrem ganzen Herzen dienen wollen. Tun Sie das nur,meine liebe Tochter, und festigen Sie sich inmitten der Unwetter lästigerGeschäfte dieser Zeit beim Heiland, der gekommen ist, Frieden, Sanft-mut und Ruhe den Menschen guten Willens zu bringen (Lk 2,14) ...

XV, 131-133 (731) Annecy, 15. Dezember 1611.Meine sehr liebe Tochter!

Da bin ich also wieder zurück. Kaum war ich von der Visitationsreisezurückgekommen, mußte ich wieder für eine im Dienst Gottes wichtigeSache in das Gebiet jenseits der Rhône reisen. Ach, wie glücklich wer-den wir sein, wenn wir uns ganz diesem heiligen Dienst widmen, ob wirnun gehn oder bleiben, Gutes tun oder Übles erleiden; vor allem aber imLeiden, denn unsere Treue bewährt sich stärker im Leiden als im Han-deln; daher werden die Märtyrer den Bekennern vorgezogen. Das Leidenunseres Erlösers war ja auch das große Werk für unser Heil.

Meine sehr liebe Tochter, Sie können also kaum mehr liegend schla-fen; Sie müssen wegen Atemnot sitzend ruhen. Das ist wohl eine guteÜbung der Abtötung, die Gott Ihnen da schickt, die so viele Heiligedurch freie Wahl auf sich genommen haben. Doch ist es nicht wenigerwertvoll, sondern sogar mehr, wenn man es willig annimmt. – NehmenSie es also mit inniger Danksagung aus der Hand des gütigen Vaters aufsich, der es Ihnen auferlegt hat; und wenn unser Leib unter Atemnotleidet, dann soll unsere Seele umso mehr in Gott Atem schöpfen und aufGott hin atmen durch ständige Sehnsucht, in der heiligen Liebe vorwärtszu schreiten. Mein Gott, sehr liebe Tochter, wieviel Gutes wünscht dochmein Herz dem Ihren inmitten Ihrer körperlichen Leiden! Die Zeitschmerzhafter Qualen ist wahrhaft Erntezeit echter geistlicher Liebesaf-fekte.

Unsere arme Schwester von Chastel machte uns gestern abend sovielSorgen, daß wir ihr auf Anraten des Arztes die heilige Ölung erteilten, die

IV. d’Aiguebelette 646, 731

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sie mit großem Glauben und tiefer Andacht empfing. Doch hat sie sichnach dieser Nacht wieder recht gut erholt ...25 Wenn das schon kein Wun-der ist, so zumindest eine besondere Gnade, die Gott den Gebeten ihrerlieben Mitschwestern gewährt hat, welche bereits alle in Tränen ausgebro-chen waren. Nach meinem Dafürhalten ist für den Augenblick nichts mehrzu befürchten. Glauben Sie mir, sie ist eine gute Schwester und Gott hatsie uns erhalten, um sich ihrer mit Vorbedacht zu bedienen. Bitte, meineliebe Tochter, geben Sie diese Nachricht unserer kleinen Schwester Clau-dine weiter, damit sie Gott dafür preise und sich keinerlei Sorgen mache,denn die Kranke wird liebevoll, eifrig und gewissenhaft betreut nach denBestimmungen der Gemeinschaft, der sie angehört ...

Leben Sie wohl, meine sehr liebe Tochter. Lieben Sie Gott weiterhinund mich aus Liebe zu Gott, denn in der gleichen Liebe bin ich völligganz der Ihre. Es lebe Jesus!

XVI, 36-37 (894) Annecy, 24. Juni 1613.Sie haben mir einen sehr lieben Brief geschickt, um mir Ihre Freude

über meine Rückkehr zu bezeugen. Denn wenn ich auch an Ihrer heili-gen Freundschaft niemals zweifeln kann, so tun mir doch diese kleinenZeichen sehr wohl.

Ich habe immer Ihrer gedacht, vor allem an den heiligen Orten, die ichbesucht habe. Jetzt, da Sie nach Ihren Worten in der Einsamkeit sind,bitte ich Sie, in gleicher Weise meiner zu gedenken, damit es UnseremHerrn gefallen möge, mir jene Tugenden tatsächlich zu verleihen, nachdenen er mir den Wunsch eingegeben hat.

Vor drei Tagen erhielt ich einen Brief der kleinen Cousine, die dort aufebensoviel Entgegenkommen gestoßen ist,26 wie ihr Mann hier auf Här-te.27 Sie bittet mich ganz besonders, Sie von ihr zu grüßen, und das tue ichhiermit, indem ich selbst Sie von meinem Herzen grüße, das Ihnen tau-send und abertausend Segnungen wünscht, wie auch Frau von Chantal.

Ich bin immer ganz der Ihre, Gnädige Frau, Ihr sehr ergebener undsehr zugeneigter Diener ...

XX, 157f (1834) Annecy, 25. September 1621.Ich habe Sie immer vor Augen, meine liebe Tochter, auf Ihrem Bett

und inmitten Ihrer vielen Leiden. Wenn mein Herz irgendeine Erleich-terung für das Ihre wüßte, wie gern würde es dazu beitragen! Alles aber,meine Tochter, was ich darüber weiß, wissen Sie selbst. Der stete Um-

IV. d’Aiguebelette 894, 1834

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gang mit den Schmerzen hat Sie nur noch weiser gemacht in der Kunst,gut zu leiden. Wer die Schicksalsschläge dieses sterblichen Lebens rechtertragen will, muß seinen Geist in den hochheiligen Willen Gottes undseine Hoffnungen auf die glückselige Ewigkeit setzen. All dieses Gewirran Mühen und Ärgerlichkeiten wird bald vorüber sein, das sind nur Au-genblicke (2 Kor 4,17); und dann haben wir doch noch nicht unser Blutvergossen (Hebr 12,4) für Ihn, der all sein Blut für uns am Kreuz vergoß.Ich bin erfreut über den Trost, den Sie beim Empfang des göttlichenSakramentes erhalten, aber ich habe noch nicht Zeit gehabt, mit demguten Pater Rektor über Ihren Wunsch zu sprechen, öfter zu kommuni-zieren; außerdem hätte ich es nicht gewagt, da doch kein Grund vorliegt,diesen tüchtigen Lehrern eine Lektion zu erteilen. Wenn nur er die Zahlder Kommunionen einschränkte, hätte ich schon dazu Mut genug ge-habt; wenn es aber auf Grund der Ansicht in der ganzen Gesellschaft ist,genügt es mir, wenn ich von meiner entgegengesetzten Meinung Gebrauchmache, ohne daß ich gegen die ihre auftrete. Ich glaube wohl, daß die vonder Gesellschaft darüber gefaßte Entschließung zum Teil begründet istdurch die äußerste Unannehmlichkeit, so oft im Beichtstuhl verbleibenzu müssen, wo sie doch so viele andere heilige Aufgaben haben; aberman muß sich darein fügen und umso mehr die Sonntagskommunion dieganze folgende Woche hindurch immer wieder geistig empfangen. Mei-ne liebe Tochter, Gott wird Ihren Gehorsam segnen und den Trost, derIhnen durch die häufige Kommunion zuteil würde, durch jenen Trostersetzen, Ihrem Beichtvater gehorcht zu haben. – Ich bin immer mehrganz der Ihre.

AN EINE UNBEKANNTE DAME

XV, 35-36 (673)28 Annecy, 22. März 1611.Ach, meine sehr liebe Tochter, wie mächtig vermag doch diese elende

Welt uns in ihre Nichtigkeiten und Vergnügungen hineinzuziehen! – Dochbin ich wohl recht froh, daß Ihr Herr Gemahl und ich uns ein wenignähergekommen sind. Zu diesem Zweck erzählte ich ihm recht ausführ-lich von meinen Angelegenheiten und von mich betreffenden Ereignis-sen, wußte aber nicht so ohne weiteres, wie ich es anstellen sollte, umihm die mir von Gott geschenkte äußerste Geringschätzung all dessen zuverbergen, was man Reichtum und Karriere nennt; denn eine solcheGeringschätzung, wie ich sie dank Unserem Herrn in meiner Seele ver-spüre, gefällt ihm wohl nicht. O Gott, meine liebe Tochter, wie sonder-

IV. Unbekannte Dame 673

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bar ist doch diese Welt in ihren Anschauungen und welchen Preis zahltsie dafür! Wenn der Schöpfer so schwierige Dinge befehlen würde wiedie Welt, fände er wohl wenige Diener.

Bleiben Sie nur im Frieden beim hochheiligen Kreuz, das in diesenTagen aufgerichtet wird zum Heilszeichen für unsere Seelen.

XV, 140-142 (738)29 (1610-1611)Lassen wir die Betrachtung für eine Weile; treten wir erst ein wenig

zurück, um besser springen zu können, und üben wir diese heilige Erge-bung und reine Liebe zu Unserem Herrn, die nie so vollständig geübtwerden kann, als inmitten von Leiden. Gott in Süßigkeiten zu lieben, daskönnen auch die kleinen Kinder, ihn aber in der Bitterkeit zu lieben, dasbringt nur liebeerfüllte Treue zustande. Auf dem Berg Tabor „Es lebeJesus!“ zu sagen, dazu hatte der noch ungeschliffene Petrus wohl denMut (Mt 17,4); aber auf dem Kalvarienberg „Es lebe Jesus!“ zu sagen,das stand nur der Mutter und dem liebenden Getreuen zu, den er ihr alsSohn hinterließ (Joh 19,26).

Sehen Sie, meine Tochter, ich empfehle Sie Gott, um für Sie dieseheilige Geduld zu erlangen. Es liegt nicht in meiner Macht, ihm für Sieetwas anderes vorzuschlagen, als daß er ganz nach seinem WohlgefallenIhr Herz forme, um darin zu wohnen und darin ewig zu herrschen. Ermöge es formen – ob mit dem Hammer, dem Meißel oder dem Pinsel: Essteht wohl bei ihm, nach seinem Wohlgefallen dabei vorzugehen, nichtwahr, meine liebe Tochter? Soll das nicht so geschehen?

Ich weiß, daß Ihre Schmerzen seit kurzem zunahmen und so auchmeine Betrübnis darüber; und doch lobe und preise ich Unseren Herrnfür sein Wohlgefallen, Sie teilhaben zu lassen an seinem heiligen Kreuzund Sie mit seiner Dornenkrone zu krönen.

Aber Sie sagen, Sie können sich doch auf die Leiden, die Unser Herrauf sich genommen, kaum konzentrieren, solange die Schmerzen Ihnenso zusetzen. Nun, meine liebe Tochter, es ist auch gar nicht erforderlich,daß Sie das tun, sondern erheben Sie nur ganz einfach, und sooft Siekönnen, Ihr Herz zum Heiland und verrichten Sie dabei folgende Akte:Erstens nehmen Sie den Schmerz aus seiner Hand entgegen, als ob Sieihn sehen könnten, wie er selbst Ihnen Ihr Leiden auflädt und in IhrenKopf hineinlegt; zweitens, bieten Sie sich an, noch mehr davon leiden zuwollen; drittens, beschwören Sie ihn bei den Verdiensten seiner Leiden,daß Sie diese kleinen Beschwerden in Vereinigung mit den Qualen an-

IV. Unbekannte Dame 738

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nehmen möchten, die er am Kreuz erlitt; viertens, daß Sie dieses Übelnicht nur erleiden, sondern auch lieben und hegen wollen, da es eine sogute und liebreiche Hand Ihnen sandte; fünftens, rufen Sie die Märtyrerund die vielen Diener und Dienerinnen Gottes an, die sich des Himmelserfreuen, weil sie in dieser Welt viel gelitten haben.

Es ist nicht schlimm, wenn Sie wünschen, geheilt zu werden; ja Siemüssen sorgsam darauf bedacht sein, denn Gott, der Ihnen die Krank-heit geschickt hat, ist auch der Urheber der Heilmittel gegen diese Krank-heit. Sie sollen sie also anwenden, doch bereit sein, sich ergeben dareinzu fügen, wenn seine göttliche Majestät das Obsiegen der Krankheit will.Wenn aber nach seinem Willen das Heilmittel den Sieg davonträgt, dannpreisen Sie ihn dafür. Ebenso macht es nichts aus, die geistlichen Übun-gen sitzend zu verrichten, meine Tochter; ja sogar schon bei viel geringe-ren Beschwernissen als denen, die Sie erleiden.

Mein Gott, meine Tochter, wie glücklich sind Sie doch, wenn Sie sichweiterhin so demütig, ergeben und folgsam in Gottes Hände geben! Ach,ich hoffe, daß diese Kopfschmerzen Ihrem Herzen mehr zum Nutzengereichen werden, Ihrem Herzen, das mein Herz mit ganz besondererLiebe liebt. Denn jetzt, meine Tochter, können Sie mehr denn je und mitRecht unserem gütigen Heiland bezeugen, daß Sie aus tiefer Liebe her-aus gesagt haben und sagen werden: Es lebe Jesus!

Es lebe Jesus, meine Tochter, und er herrsche inmitten Ihrer Schmer-zen, da wir doch nur durch seinen Todesschmerz herrschen und lebenkönnen. In ihm bin ich ganz völlig der Ihre ...

AN FRAU VON SAINT-CERGUES

XV, 171-172 (756)30 Annecy, (26.) Februar 1612.Wann werde ich denn einmal die Freude haben, Sie wiederzusehen,

meine liebe Schwester? Meine Abreise nach Chambéry steht beinaheunmittelbar bevor und nach Ostern verläßt man nicht gern seinen Bi-schofssitz. Ich sehe also schon, daß wir kaum zusammensein können,außer im Geist. So kann auch der Geist Gottes, der Urheber der heiligenFreundschaft, die Sie mir entgegenbringen, durch die räumliche Entfer-nung nicht daran gehindert werden, sein heiliges Wirken in unserenHerzen auszuüben.

Was wollen Ihnen indessen diese paar Neuigkeiten von uns besagen?Die Königin von Frankreich schrieb mir, daß sie uns alle unsere Kirchen

IV. Saint-Cergues 756

209

und Pfründen von Gex zurückgeben wird, die von den Häretikern be-setzt sind. Daraus ersehe ich, daß ich in diesem Sommer überaus be-schäftigt sein werde, dieser Aufgabe zu dienen, aber das ist eine angeneh-me und wertvolle Beschäftigung. Und wer weiß, ob Gottes heilige Barm-herzigkeit, wenn wir uns vor ihm demütigen, uns nicht eines Tages diePforte zu unserem Genf aufmacht, damit wir das Licht wieder dahin brin-gen, das soviele Dunkelheiten daraus verbannt hatten? Ich hoffe gewiß aufdie allerhöchste Güte Unseres Herrn, daß er uns am Ende diese Gnadeschenken wird; beten und wachen wir dafür! (Mt 26,41; 1 Petr 4,7).

Meine sehr liebe Schwester, bleiben Sie mir weiterhin herzlich gewo-gen, denn ich bin immerdar und rückhaltlos Ihr recht ergebener treuerBruder und Diener ...

AN FRAU DE LA VALBONNE

XV, 216-217 (777) Annecy, 22. Mai 1612.... Ich zweifle keineswegs daran, meine sehr liebe Tochter, daß eben

dieser Heiland, der Sie bei der Hand genommen hat, Sie auch zur Voll-kommenheit seiner heiligen Liebe führen wird; denn ich hoffe, daß Sieniemals eine so liebevolle und milde Führung abschütteln und niemalsIhn verlassen werden, der in seiner unendlichen Güte niemals jene ver-läßt, die ihn nicht verlassen wollen. Wahrhaftiger Gott, wie glücklichwerden wir sein, wenn wir dieser unendlichen Güte treu sind, die uns soan sich zieht.

Frau von Limojon bat mich vor sieben Monaten, die Patenschaft überihr jüngstes Kind zu übernehmen, und ich empfand es als große Ehre;nun empfinde ich es aber als noch größere und angenehmere Ehre, da Siebei diesem glückhaften Anlaß mit mir die Patenschaft übernehmen sol-len; das nehme ich als gutes Vorzeichen hin, daß ich eines Tages dieFreude haben könnte, eines Ihrer Kinder als Patenkind zu nehmen. Beijeder Gelegenheit aber werden wir uns gegenseitig halten durch die hei-lige Liebe, die mich immerdar sein läßt, meine sehr liebe Nichte, meineTochter, Ihr recht ergebener Onkel und Diener ...

XVI, 21-23 (884) Annecy (7. oder 8. Juni 1613).Die Frau,31 von der Sie schreiben, hat mir einen überaus empfindli-

chen Ärger dadurch bereitet, daß sie einen Ort betreten hat, wo sie nichtsein konnte, ohne sehr großes Ärgernis zu erregen. Während der Fasten-

IV. De la Valbonne 777, 884

210

zeit hat sie sich recht gut aufgeführt und ich begann mich an ihrem Glückzu freuen. Seither habe ich sie nicht gesehen, außer bei ihrer Abreisenach Belley. Sie kam herein, aber bei einer Gelegenheit, die mich ver-hinderte, ausführlich mit ihr sprechen zu können, weil soviele Leute beimir waren.

Die Welt hat Unrecht, das Werk der Nächstenliebe, das die Damen derHeimsuchung ihr erweisen wollten, übel aufzunehmen. Gott hat dasGeheimnis der kommenden Dinge den Menschen verborgen, und wennwir nur den Seelen dienen sollten, die ausharren, wären wir bald in Not,wie wir sie von den anderen unterscheiden sollten. Wir müssen – undwäre es nur für eine Stunde – das Schlechte beim Nächsten verhindern.Bei Gott, wäre doch diese arme Frau bei den in der Heimsuchung gefaß-ten Beschlüssen geblieben! Sie wäre glücklich gewesen und allen Gutenein Wohlgefallen. Ich sage dies, damit Sie Murrenden gegenüber ruhigzu antworten wissen ... Leben Sie ganz für Gott, meine Tochter, dem Sieso zu Dank verpflichtet sind durch die Gnaden und Unterweisungen, dieer Ihnen zukommen ließ; und ich bin aufrichtigen Herzens Ihr rechtergebener Onkel und Diener ...

XVI, 155-156 (958) Annecy, 5. Februar 1614.Ich schreibe Ihnen, meine liebe Nichte, schnell über den neulich von

Ihnen angeschnittenen Gegenstand; da ich bisher keinen sicheren Über-bringer hatte, habe ich Ihnen darüber nicht Antwort geben wollen.

Diese arme unselige Bellot will nicht durch Zurechtweisungen gebes-sert werden, denn es hat ihr daran zu Beginn ihrer Eitelkeiten, der Ursa-che ihres Scheiterns, nicht gefehlt. Die gute Mutter von Chantal hat es ankeiner Mühe fehlen lassen, die sie für geeignet hielt, sie davon abzubrin-gen, da sie wohl voraussah, daß dieser eitle Sinn sie weiter führen würde,als sie sich damals vorstellte.

Jedoch, wir kennen die Pläne Gottes nicht und dürfen niemals aufhö-ren, am Heil des Nächsten in der bestmöglichen Weise mitzuwirken.Wenn Sie also mit diesem schwachen Geschöpf sprechen könnten,32 be-mühen Sie sich sanftmütig und liebevoll. Zeigen Sie ihr, wie glücklichsie wäre, in der Gnade Gottes zu leben. Fragen Sie, ob sie – als sie hier-her kam und in dieser Stadt lebte – nicht viel froher war als jetzt. GehenSie dann allmählich dazu über, ihr ihr Unglück vor Augen zu halten. Ichdenke, daß sie dies rühren könnte. Aber Sie müssen ihr zeigen, daß sievon Liebe zu ihr dazu bewogen werden und daß Sie keinen Abscheu vorihrem unseligen Leben haben. Und wenn Sie nichts anderes täten, als ihr

IV. De la Valbonne 958

211

einen tiefen Seufzer zu entlocken, wird Gott dadurch verherrlicht. Ichglaube aber schon, daß Sie Mühe haben werden, diese Aufgabe, die vielZeit erfordert, erfüllen zu können. Man berichtet uns, daß sie sehr sorg-fältig bewacht wird. Welche Barmherzigkeit erweist doch Gott den See-len, die er in der hochheiligen Furcht vor ihm und in seiner göttlichenLiebe bewahrt. Das kleinste Körnchen dieses Schatzes gilt mehr als allesauf der Welt.

Leben Sie immer ganz diesem allerhöchsten Gut, meine Tochter; dasist das tägliche Gebet Ihres sehr ergebenen Onkels und Dieners ...

XVI, 170 (964) Annecy, (2. April) 1614.... Ich habe mich oft gefragt, warum die Gläubigen diesen bewunde-

rungswürdigen, jungfräulichen und strengen Einsiedler33 anrufen, umKinder zu bekommen. Ich glaube nun, weil jener so sehr die Einfachheit,das Kleinsein und die Kleinen geliebt hat, daß Gott deswegen seinenVerehrern gewöhnlich Kinder gewährt, wenn sie diese im Geist des Hei-ligen, zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen und zum Frieden derFamilien erbitten ...

XVI, 209-210 (990) Annecy, 19. August 1614.Lieber schreibe ich Ihnen ohne viel Zeit und Bequemlichkeit, meine

sehr liebe Nichte, meine Tochter, als noch länger zuzuwarten. Ihr Briefhat mir sehr gefallen, weil ich darin die Anzeichen Ihres Entschlussesersehe, beharrlich für immer Unserem Herrn dienen zu wollen mit allerLauterkeit und Treue, soviel Sie nur können. Wie selig ist doch Ihr Herz,meine liebe Tochter, das sich einer so echten und heiligen Liebe weiht!Je weiter wir vorwärtskommen, desto mehr werden wir die Größe derGnade erkennen, die der Heilige Geist uns dadurch erweist, daß er unsdiesen Mut schenkt. Und wenn Sie auch manchmal Erschütterungen derEigenliebe und Schwäche erleiden, beunruhigen Sie sich deshalb nicht,denn Gott läßt dies zu, damit Sie ihn fest an der Hand halten, sich demü-tigen und seine väterliche Hilfe erflehen.

Die Hoffnung, Sie mit der Frau Präsidentin zu sehen, entschuldigtmich, Ihnen noch mehr zu schreiben, besonders da ich so gehetzt bin.Grüßen Sie bitte Frau de la Fléchère von mir und beide gemeinsam Fraud’Aiguebelette, wenn sie dort ist. Ich bin rückhaltlos, ganz treuen Her-zens Ihr recht ergebener Onkel und Diener ...

Ich grüße Ihren Mann, den Sie so lieb haben, von ganzem Herzen.

IV. De la Valbonne 964, 990

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XVIII, 3-4 (1309) Annecy, 15. Mai 1617.

Es hilft nichts, meine liebe Tochter, wir haben auf weltliche Freudenverzichtet, und nicht genug damit, müssen wir auch noch auf die geistli-chen verzichten, denn das ist der Wille dessen, für den wir leben undsterben sollen.

Sie können sich denken, daß es für unsere Mutter ein großes Fest gewe-sen wäre, Sie bei einem Besuch in der Heimsuchung zu sehen, und daßihre Freude mich ebenfalls sehr erfreut hätte. Da aber weder Ihr Gattenoch der Beichtvater es für gut befunden haben, müssen Sie in Friedenbleiben, wie auch wegen der Einschränkungen im Kommunionempfang.Ich kenne deren Beweggründe nicht, und da ich sie nicht kenne, kann ichauch nichts dazu sagen. Sie kennen vielleicht auch meine Beweggründenicht und erachten sie deshalb nicht für wert, befolgt zu werden. Darinhat jeder seine eigene Auffassung. Was aber Sie betrifft, so versichere ichIhnen, daß Sie dabei nichts verlieren, denn was Sie nicht im Gnadenge-schenk der Kommunion gewinnen, werden Sie in der Demut Ihrer Un-terwerfung finden, wenn Sie sich einfach deren Willen fügen.

Ich denke aber nicht, daß diese Furcht, die man Ihnen einflößt, Ihrehäufigen Kommunionen könnten Ihnen zum Übel gereichen, Ihnen Sor-ge machen sollte. Man wird das nicht gesagt haben in Beurteilung desZustandes Ihrer Seele, sondern um Sie abzutöten, oder vielleicht einfachaus einem Kurzschluß heraus, wie es manchmal recht klugen Leutengeschieht, daß sie nicht alles richtig abzuwägen verstehen.

Wenn die Frau Präsidentin kommt, werden wir uns sicher wiederse-hen; indessen leben Sie ganz demütig, ganz sanftmütig, ganz leidenschaft-lich erfüllt von der heiligen Liebe zum himmlischen Bräutigam. Ich binin ihm, meine sehr liebe Tochter, ganz vollkommen der Ihre.

XVIII, 135f (1382) (1615-1617).

Gott segne Sie, meine sehr liebe Nichte, meine Tochter, dafür, daß Sieimmer beharrlich bleiben in der Sorge, ihm die kostbarsten Liebesaffek-te Ihres Herzens zu bewahren. Wie glücklich werden Sie sein, wenn die-se Beharrlichkeit bis zum Ende dieses armseligen Lebens anhält! Dennso wird dieses Ende der heilige Anfang einer schönen und hochheiligenEwigkeit sein.

Wir müssen immer recht festhalten an unseren zwei teuren Tugenden,

IV. De la Valbonne 1309, 1382

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der Sanftmut dem Nächsten gegenüber und der sehr liebenswerten De-mut vor Gott; ich hoffe, daß es so sein wird, denn dieser große Gott, derSie bei der Hand genommen hat (Jes 41,13; Ps 73,24), um Sie an sich zuziehen, wird Sie nicht verlassen, bis er Sie in seinem ewigen Zelt gebor-gen hat (Ps 27,5; 43,3). Wir müssen also die Sorge um unseren Vorrangvollkommen ausschalten, besitzt man doch selbst niemals mehr Ehre,als wenn man sie verachtet, und das verwirrt das Herz und bringt uns zuFehlern gegen die Sanftmut und Demut.

Seien Sie nie erstaunt über Ihre Zerstreuungen, Herzenskälte und Trok-kenheit, denn das alles geht in Ihnen im Bereich der Sinne und in demBereich des Herzens vor, der nicht ganz in Ihrer Macht steht; aber nachdem, was ich sehe, ist Ihr Mut unerschütterlich und unwandelbar in denEntschlüssen, die Gott uns gegeben hat. Meine liebe Tochter, wegen die-ser Art von Übel darf man wirklich nicht von der hochheiligen Kommu-nion lassen; denn nichts wird Ihren Geist besser sammeln als sein König,nichts ihn so sehr erwärmen als seine Sonne, und nichts ihn so köstlichdurchtränken wie sein Balsam.

Seien Sie nicht beunruhigt darüber, daß Sie nicht all Ihrer kleinenFehler gewahr werden, um diese zu beichten; nein, meine Tochter, dennwie Sie manchmal niederfallen, ohne es gewahr zu werden, so erhebenSie sich auch wieder, ohne es zu bemerken. Es steht auch nicht in derStelle, die Sie mir angeführt haben (Spr 24,16), daß der Gerechte sichsiebenmal am Tag fehlen sieht oder fällt, sondern daß er siebenmal fälltund wieder aufsteht, ohne auf sein Wiederaufstehen zu achten. Beunru-higen Sie sich also deswegen nicht, sondern sagen Sie demütig und auf-richtig, was Ihnen aufgefallen ist. Was Ihrer Aufmerksamkeit entgangenist, das stellen Sie der milden Barmherzigkeit dessen anheim, der dieHände unter diejenigen hält, die ohne Bosheit fehlen, damit sie sichnicht wund scheuern (Ps 37,24), und sie wieder so schnell und sachteerhebt, daß sie es gar nicht gewahr werden, weder, daß sie gefallen sind,weil die Hand Gottes sie aufgefangen hat in ihrem Fall, noch, daß siewieder aufgerichtet wurden, weil seine Hand sie so plötzlich wieder auf-gehoben hat, daß es ihnen gar nicht zum Bewußtsein kam.

Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter, meine Nichte; bewahren Sieimmer recht Ihre geliebte Seele und überschätzen Sie diese vergängli-chen Jahre nicht, sondern beachten Sie diese nur, um die hochheiligeEwigkeit zu gewinnen.

IV. De la Valbonne 1382

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AN EINE DAME

XV, 318 (836)34 (1612).... Ja, wir müssen sein, wie Gott es fügt, daß wir seien, und wie der hl.

Paulus „Kraft schöpfen aus der Schwachheit“ (2 Kor 12,9). Ach, es istnicht wahr, daß Ihre Frömmigkeit krank ist, wenn Sie es sind. Nein,gewiß nicht, meine sehr liebe Tochter, aber Sie fühlen nicht so oft Freudedaran und können keine äußerlichen Akte vollbringen. Darin bestehtaber nicht die göttliche Liebe, sondern im Entschluß des Herzens, dasimmerdar und untrennbar in jeder Hinsicht eins bleiben will mit demgöttlichen Willen.

Diese kleinen Zwischenfälle ...35 bedeuten nichts und man darf sichdarüber keineswegs wundern ...

AN FRAU VON PEYZIEU

XV, 286-289 (817) Annecy, 26. Oktober 1612.Meine sehr liebe Frau Mutter!

Ihr so von ehrenden Worten, von Liebe und Vertrauen erfüllter Briefhätte mich ganz für Sie gewonnen, wenn ich nicht schon seit langer ZeitIhnen gehörte. Sie gehen aber, meine sehr liebe Mutter, ein wenig spar-sam mit dem Namen „Sohn“ um, der ein Herzensname ist, und gebenmir statt dessen einen ehrenvollen Namen, der wohl ein Herzensnameist, aber nicht des mich so beglückenden mütterlichen Herzens.

Meine liebe Mutter, wir hatten hier zu unserem Jubiläum36 wirklicheine große Gemeinde versammelt und – was die Hauptsache ist – es trugFrüchte. Ich empfand tausendfachen Trost darüber und keine Mühe,scheint es mir; nur hätte ich gern gewollt, daß meine liebe Schwester,Frau von Grandmaison,37 Ihre mir so liebe und liebenswerte Tochter,entweder drei bis vier Tage früher gekommen oder vier bis fünf Tagelänger geblieben wäre. So hätte ich mehr Gelegenheit gehabt, meineVerpflichtung ihr gegenüber und meine heilige Zuneigung zu ihremHerzen zu bezeugen. Ich finde ihr Herz nach meinem Dafürhalten sobeschaffen, daß es Unserem Herrn gut dienen will. Wenn wir die Genug-tuung und die Ehre gehabt hätten, Sie selbst, meine sehr liebe Frau Mut-ter, zu sehen, wäre unser Glück gewiß vollkommen gewesen und es wäreIhnen zuteil geworden, die sieben oder acht meiner Brüder und Schwes-tern Ihnen als Ihre ergebenen Kinder und Diener noch nicht erwiesen

IV. Eine Dame 836 – Peyzieu 817

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haben. Da es aber nicht anders sein kann, komme ich oft im Geiste zuIhnen, um mit Ihnen zusammen Unseren Herrn zu bitten, er möge IhrerSeele den Trost seiner Segnungen schenken, Sie von seiner heiligen Lie-be überströmen zu lassen und von der heiligen Sanftmut und Demut desHerzens, die niemals ohne diese Liebe da sind, wie auch die heiligeLiebe niemals ohne sie ist.

Um ganz aufrichtig mit Ihnen zu sprechen, meine sehr liebe Mutter,seien Sie weder verärgert noch erstaunt darüber, wenn Sie in Ihrer Seelenoch all die Unvollkommenheiten38 vorhanden sehen, die Sie mir anver-traut haben. Nein, ich bitte Sie, meine liebe Mutter, tun Sie das nicht;denn wenn man sie auch ablegen und verabscheuen muß, um sich darinzu bessern, so darf unser Kummer darüber nicht verärgert, sondern ersoll mutig und ruhig sein und so einen überlegten und festen Entschlußzur Besserung hervorbringen. Dieser in Ruhe und mit reiflicher Überle-gung gefaßte Entschluß wird uns dann die rechten Mittel zu seiner Durch-führung ergreifen lassen. Ferner wäre es sehr nützlich, wenn Sie sich inIhrer Neigung zu häuslicher Beschäftigung mäßigen würden. Ich sagenicht, daß Sie diese ganz aufgeben, wohl aber, daß Sie darin Maß haltensollen. Dadurch werden Sie freie Stunden für das Gebet finden, für einwenig fromme Lesung und für Erhebungen Ihres Herzens zu Gott beiden verschiedensten Anlässen. Sie werden dadurch auch von Zeit zu Zeitwieder die innerliche Festigung und die friedliche, sanftmütige und de-mütige Herzenshaltung erneuern.

Das große Geheimnis dabei aber ist, sich dafür aller Dinge zu bedie-nen. Lassen Sie Ihrer Seele sieben bis acht Tage Zeit, um sich recht zusammeln und diese Entschlüsse gründlichst zu fassen. Vor allem, meinesehr liebe Mutter, müssen Sie den Haß gegen den Nächsten und IhreUnzufriedenheit über den Nächsten kräftig bekämpfen und sich einerunmerklichen, aber überaus schädlichen Unvollkommenheit enthalten,von der sich wenige Menschen frei machen können. Wenn es uns näm-lich zustößt, daß wir den Nächsten kritisieren oder uns über ihn bekla-gen (was nur selten vorkommen sollte), dann finden wir niemals einEnde, sondern beginnen immer wieder von neuem und ohne Aufhörenunsere Klagen und Beschwerden; Zeichen eines gereizten Herzens, dasnoch nicht richtig gesund ist. Die starken und kraftvollen Herzen klagennur bei großen Dingen, und selbst bei so großen Anlässen bleibt keinNachtragen in ihnen, jedenfalls kein unruhiges und aufgeregtes.

Der gute Pfarrer,39 der mir recht gefällt, hat mir von Ihrem Wunschgesprochen und ich habe ihm meine Meinung gesagt. Fassen Sie Mut,

IV. Peyzieu 817

216

meine sehr liebe Mutter, damit diese kurzen Jahre, die wir hier unten zuverbringen haben, für uns mit Gottes Hilfe die besten und für die Ewig-keit nützlichsten sein werden.

Indessen bleibe ich unveränderlich, meine sehr liebe Frau Mutter, Ihrrecht ergebener Sohn und recht treuer Diener ...

Ich habe Angst, diesen Überbringer hier zu lange zurückzuhalten; dar-um schrieb ich Ihnen ohne viel Überlegung außer der, die mir die auf-richtige kindliche Liebe eingegeben hat.

XV, 315 (833) Annecy, 31. Dezember (1612).Meine sehr liebe Mutter!

Da stehen wir also am Ende dieses Jahres und morgen am Beginn desneuen. Müssen wir da nicht Gott preisen für die vielen Gnaden, die wirempfangen haben, und ihn anflehen, das Blut seiner Beschneidung aufdie Türschwelle des nächsten Jahres zu streichen, damit der Würgengel(Ex 12,7) keinen Zutritt darüber zu uns findet? So geschehe es, meineliebe Mutter, daß wir durch diese flüchtigen Jahre glücklich zum dau-ernden Jahr der hochheiligen Ewigkeit gelangen können.

Verwenden wir also diese kleinen vergänglichen Augenblicke gut, umuns in der heiligen Sanftmut und Demut zu üben, die das Kind uns beiseiner Beschneidung lehren will, damit wir teilhaben an den Segnungenseines heiligen Namens. Diesen rufe ich unablässig über Ihre teure Seeleherab, meine sehr liebe und gute Mutter, damit er sie mit seinem Wohl-geruch erfülle (Hld 1,2) und mit ihr auch die Seelen all der Ihrigen.

Ich bin, alle Jahre meines Lebens, Ihr recht ergebener ...

XVI, 11-12 (877) 21. Mai 1613.Meine liebe Frau Mutter!

Die Hände eines so würdigen Überbringers werden Ihnen, dessen binich gewiß, dieses Brieflein wohlgefällig machen über die mütterlicheGunst hinaus, mit der Sie alles aufnehmen, was Ihnen von mir gebotenwird. Es soll Ihnen, meine Frau Mutter, nur die ergebene und wahrhaftkindliche Liebe in Erinnerung rufen, die ich Ihrem Dienst gewidmethabe und die Sie in mir dazu erworben haben. Erweisen Sie mir bitte dieEhre, mir auch weiterhin den Rang einzuräumen, den Sie mir in IhrerGüte geschenkt haben und über den ich eifersüchtig und ehrgeizig wachewie über ein Gut, das ich nicht verdiene und das mir dennoch zugeteiltwurde.

Inzwischen muß ich mich, meine liebe Frau Mutter, wohl mit Ihnen

IV. Peyzieu 833, 877

217

über den Trost freuen, der Ihnen nun zuteil geworden, sich von einerneuen guten Schwiegertochter40 unterstützt und begleitet zu sehen; ichbitte Sie herzlich, ihr aufzutragen, sie möge mich gnädig aufnehmen alseines Ihrer ergebensten Kinder, der ich außerdem bin Ihr getreuer Die-ner, der Sie sehr lieb hat.

XVI, 65-66 (911) Annecy, 6. September 1613.Meine sehr liebe Frau Mutter!

Das ist ein zu treuer Bote, als daß ich ihn gehen lassen könnte, ohneihm diese paar Worte mitzugeben; sollen sie Sie doch vergewissern, wiebeständig ich meiner kindlichen Pflicht einer so guten Mutter gegenübergedenke, wie Sie es sind. Könnte ich zu Ihrem Dienst ebenso nützlichsein, wie ich Sie hoch in Ehren halte! Zumindest vergesse ich nicht,Ihnen oft den Frieden und himmlischen Trost für ein glückliches Lebenzu wünschen, das Gott lange währen lassen möge inmitten Ihrer liebenKinder und der Kindeskinder, die er Sie schauen läßt.

Darunter verstehe ich auch unseren Herrn von Sillignieu,41 den wir, jeweiter er leiblich von uns entfernt ist, desto öfter im Geiste sehen. Wieglücklich ist doch dieser teure Bruder, diese Welt hier verlassen zu ha-ben, in die er hineingeboren wurde, um eine neue Welt zu erobern42 unddort viele Seelen Gott zu gebären. Darüber freue ich mich, meine sehrliebe Frau Mutter, mit Ihnen und bin immerdar Ihr sehr ergebener Sohnund Diener.

XVI, 284-285 (1029)43 Ende 1612-1614.Meine sehr liebe Mutter!

Was soll ich Ihnen jetzt sagen? Zweifellos vieles, wenn ich meinenEmpfindungen folgen wollte, die Ihnen immer ganz gehören werden,wie ich wünsche, daß Ihre Empfindungen auch ganz mir gehören mögen;vor allem, wenn Sie in dem kleinen Oratorium sind, wo ich Sie bitte, mitLiebe für meine Besserung zu Gott zu beten. Ich meinerseits ergießemeine Empfindungen nicht vor dem ewigen Vater für Sie, da sie wegendes Herzens, aus dem sie kommen, nichts wert sind, wohl aber das kost-bare Blut des unbefleckten Lammes zugunsten Ihres guten Willens, ganzGott gehören zu wollen.

Welches Glück, meine liebe Mutter, ganz ihm zu gehören, der sich unszu eigen gegeben hat, um uns zu den Seinen zu machen. Dazu aber müs-

IV. Peyzieu 911, 1029

218

sen wir alle unsere Neigungen in uns kreuzigen, besonders die leiden-schaftlichsten und bewegendsten, durch ständiges Verlangsamen undZügeln der ihnen entspringenden Handlungen, damit sie nicht aus Un-getüm, ja selbst nicht aus unserem Willen heraus getan werden, sondernaus dem Willen des Heiligen Geistes heraus.

Vor allem müssen wir, meine liebe Mutter, ein gutes, sanftmütiges unddem Nächsten gegenüber liebevolles Herz haben, besonders wenn er unszur Last und zum Ekel geworden ist; denn dann haben wir nichts an ihm,um ihn zu lieben, sondern nur Ehrfurcht für den Heiland, welche dieLiebe zweifellos umso wertvoller und würdiger macht, je reiner und frei-er sie von hinfälligen Beweggründen ist.

Ich bitte Unseren Herrn, er möge seine heilige Liebe in Ihnen wachsenlassen. Ich bin in ihm Ihr recht ergebener Diener ...

XVI, 300-301 (1043) Annecy, (etwa Februar) 1615.Ach mein Gott, meine sehr liebe Mutter, wie beunruhigt war ich, als

ich plötzlich durch Ihren Brief von der langen Dauer und GefährlichkeitIhrer Erkrankung erfuhr! Denn glauben Sie mir bitte, daß mein Herz Siekindlich liebt. Gott sei aber gepriesen, daß Sie dieser Gefahr nun beina-he ganz entronnen sind.

Gewiß, ich sehe wohl, daß Sie sich nun in dem Greisenalter, in dem Siestehen, mit Krankheiten und Schwächen vertraut machen müssen. HerrJesus, welch wahres Glück für eine Gott hingegebene Seele, durch Heim-suchungen recht erprobt zu werden, bevor sie dieses Leben verläßt! Meinesehr liebe Mutter, wie kann man die echte und lebendige Liebe recht er-kennen, wenn nicht inmitten von Dornen, Kreuz und Siechtum, vor allem,wenn dieses lange anhält? Daher hat auch unser teurer Heiland seine maß-lose Liebe durch das Übermaß seiner Qualen und Leiden bezeugt.

Erweisen Sie, meine liebe Mutter, Ihre Liebe zu dem Bräutigam IhresHerzens so recht auf dem Schmerzenslager; denn auf eben diesem Lagerhat er Ihr Herz geschaffen, noch ehe es in der Welt war, da er es erst inseinem göttlichen Plan sah. Ach, dieser Heiland hat alle Ihre Schmer-zen, all Ihre Leiden gezählt und mit dem Preis seines Blutes all die Ge-duld und Liebe bezahlt, derer Sie bedürfen, um alle Ihre Plagen heilig zuseiner Verherrlichung und zu Ihrem Heil zu verwenden. Seien Sie zu-frieden, ganz ruhig alles zu wollen, was Gott will, daß Sie seien. Ichwerde nie aufhören, die göttliche Majestät um die Vollkommenheit Ih-res Herzens zu bitten, das mein Herz liebt, umhegt und zärtlich ehrt.

IV. Peyzieu 1043

219

Gott befohlen, meine sehr liebe Mutter und auch meine ganz liebeTochter; Gott mögen wir für ewig angehören, wir, unsere Empfindun-gen, unsere kleinen und großen Nöte und alles, was die göttliche Güteuns zugedacht hat. Und in diesem Sinn bin ich in ihm, meine sehr liebeMutter, ganz und gar Ihr echter Sohn und herzlich zugeneigter Diener ...

XVI, 310-311 (1048) Annecy, 28. Februar 1615.Meine sehr liebe Frau Mutter!

Mein Herz will das Ihre in der Schwachheit seines armen Leibes aufsu-chen und möchte Ihnen gern irgendwelche Dienste anbieten, die würdigwären meiner ergebenen und innigen Kindesliebe gegen Sie. Zumindestschenke ich Ihnen, da ich nicht mehr zu tun vermag, all die besten Wün-sche, die meine Seele hegen kann, und bringe sie der Majestät UnseresHerrn vor, damit er Ihnen mit der Geduld, die er Ihnen seit langer Zeitzugeteilt hat, die sanftmütige und sehr demütige Ergebung in all IhrenLeiden schenke, wie sie die größten Heiligen bei ihren Leiden hatten.Mögen Sie so viele Verdienste in diesem Herbst Ihres Alters ernten undso reich vor seinem göttlichen Antlitz erscheinen, wenn Sie es schauenwerden.

Glauben Sie mir bitte, meine sehr liebe Mutter, daß meine Seele Siekindlich liebt und ehrt und daß meine schwachen Gebete, die ich zuIhrer Tröstung beitragen könnte, Ihnen nicht versagt sein sollen. Liebenauch Sie mich indessen, halten Sie sich während Ihrer Krankheiten imSchatten des heiligen Kreuzes auf und schauen Sie oft darauf den armenleidenden Heiland. Da sind alle Krankheiten und Leiden heilsam undliebenswert, wo Gott selbst uns erlöst hat durch sein Leiden. Ich bin,meine sehr liebe Frau Mutter, Ihr recht ergebener Sohn und Diener ...

Wenn Sie meiner lieben Schwester, Frau von Grandmaison,44 schrei-ben oder Nachricht geben über sich, dann lassen Sie, meine liebe Mutter,sie auch wissen, daß ich ihr tausend Himmelsgnaden wünsche und siewie meine Schwester und sehr teure Tochter liebe. Da ich inzwischenZeit gefunden habe, ihr zu schreiben, habe ich es getan.

XVI, 328-329 (1059) Annecy, März 1615.Mit wenig Worten, aber übergroßer Liebe grüßt mein Herz das Ihre,

meine sehr liebe Mutter. Ach, Gott, dem es gefällt, seine Tugend undKraft in unseren Schwächen zu bezeugen (2 Kor 12,9), sei auf immer

IV. Peyzieu 1048, 1059

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inmitten Ihrer Seele, um diese heilige himmlische Liebe in ihr brennenzu lassen. Möge sie brennen inmitten der Dornen und lodern, ohne sie zuverzehren (Ex 3,2), damit die Glut dieses Fiebers aus Liebe zum Hei-land Ihnen das Fieber oder die Nachwirkungen des schmerzhaften Fie-bers mildere, unter dem Sie so sehr gelitten haben. Niemals, wenn ich amAltar stehe, vergesse ich, meine Gebete dafür zu verrichten; bin ich dochder heiligen Freundschaft, die Sie mir so gütig entgegenbringen, so sehrverpflichtet, daß ich niemals auf diese Pflicht vergessen könnte.

Die Gnade, der Friede und der Trost des Heiligen Geistes sei immermit Ihnen (Röm 1,7; 1 Kor 1,3 etc.), meine sehr liebe Mutter, und inmit-ten Ihrer Familie. Ich bin Ihr recht ergebener Diener ...

XVI, 350-351 (1069) Annecy, gegen Ende April 1615.Obgleich dieser Bedienstete direkt zu Ihnen geht, meine liebe Mutter,

reist er doch zu einer Zeit ab, in der ich sehr beschäftigt bin. Diese guteDame hat mir von Ihnen berichtet, was Sie ihr anvertraut haben, und ichpreise Gott, daß er Ihnen mit dieser neuen Gesundheit neue Gefühle derLiebe geschenkt hat. Aber Sie müssen darauf achten, meine sehr liebeTochter, meine Mutter, daß Leib und Geist oft einen entgegengesetztenWeg gehen, daß in dem Maße, als der eine schwächer wird, der andere anStärke gewinnt, oder wenn der eine stärker wird, der andere nachläßt. Daaber der Geist herrschen soll, müssen wir ihn, wenn wir ihn zu Kräftengekommen sehen, soweit unterstützen und festigen, daß er immer derStärkere bleibt. Meine sehr liebe Mutter, da Krankheiten zweifellos wieeine Feuerprobe sind, muß unser Herz daraus geläutert hervorgehen undmuß in den Schwachheiten stärker werden (2 Kor 12,9).

Was Sie betrifft, stelle ich mir vor, daß Ihr Alter und Ihr zarter KörperSie oft erschöpft und schwach machen werden; darum rate ich Ihnen,sich mehr zu üben in der Liebe zu dem so liebenswerten Willen Gottes,im Verzicht auf äußere Befriedigungen, in der Sanftmut inmitten derBitterkeiten. Das wird das vortrefflichste Opfer sein, das Sie bringenkönnen. Bleiben Sie fest und üben Sie nicht bloß die standhafte Liebe,sondern auch die zärtliche, sanfte und milde Liebe den Menschen gegen-über, die um Sie herum sind. Das sage ich aus meiner Erfahrung heraus,daß Krankheiten uns zwar nicht die Nächstenliebe, wohl aber die Mildedem Nächsten gegenüber nehmen, wenn wir nicht sehr auf der Hut sind.

Meine sehr liebe Mutter, ich wünsche Ihnen die Fülle der heiligenVollkommenheit im Herzen Jesu Christi. Ich gehöre Ihnen für immer.

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XVI, 370-372 (1080) Annecy, 21. Mai 1615.

O wie sehr ist doch meine Seele in Sorge um Ihr Herz, meine sehr liebeMutter; sehe ich es doch, scheint es mir, dieses arme mütterliche Herz,von übergroßem Leid erfüllt;45 ein Leid jedoch, das man weder tadelnnoch seltsam finden kann, wenn man erwägt, wie liebenswert dieser IhrSohn war, dessen zweiter Abschied von uns Ursache unseres Leides ist.

Meine sehr liebe Mutter, dieser teure Sohn war wirklich einer der lie-benswertesten, die es je gab. Alle, die ihn kannten, anerkennen ihn alssolchen und kennen ihn so. Aber liegt darin nicht zum großen Teil derTrost, den wir jetzt fassen sollen, meine sehr liebe Mutter? Denn es scheintwirklich, daß diejenigen, deren Leben so würdig der Erinnerung und derAchtung wert ist, auch nach ihrem Hinscheiden weiterleben, da die Zu-rückbleibenden ihrer so gern gedenken und sie im Geiste vor sich sehen.

Dieser Sohn, meine sehr liebe Mutter, hatte bereits seinen großen Ab-schied von uns genommen, als er sich freiwillig der Atmosphäre seinerUmwelt entzog, in die er hineingeboren war, um seinem Gott, seinemKönig und seinem Vaterland in einer neuen Welt zu dienen. Seine Hoch-herzigkeit hatte ihn dazu bewogen und Ihre eigene hat Sie einem so ver-ehrungswürdigen Entschluß zustimmen lassen, um dessentwillen Sie aufdie Genugtuung verzichtet hatten, ihn jemals in diesem Leben wiederzu-sehen, so daß Ihnen nur die Hoffnung verblieb, von Zeit zu Zeit Briefevon ihm zu erhalten. Und nun ist er, meine sehr liebe Mutter, nach demWohlgefallen der göttlichen Vorsehung aus dieser anderen Welt gegan-gen in die älteste und wünschenswerteste aller Welten, in die wir allegehen müssen, jeder zu seiner Zeit, und wo Sie ihn früher wiedersehenwerden, als wenn er in dieser neuen Welt geblieben wäre inmitten dermühevollen Eroberungen, die er willens war, für seinen König und dieKirche zu vollbringen. Jedenfalls hat er seine sterblichen Tage in Pflicht-erfüllung und Einlösung seines Eides beendet. Ein solches Ende ist dochsehr schön, und wir dürfen nicht daran zweifeln, daß der große Gott esihm glückselig gestaltet hat, da er ihn doch von der Wiege an ständig mitseiner Gnade ausgezeichnet hat, um ihn recht christlich leben zu lassen.

Trösten Sie sich also, meine sehr liebe Mutter, und beruhigen Sie IhrenGeist, indem Sie die göttliche Vorsehung verehren, die alles liebevollmacht (Weish 8,1); und wenn uns auch die Beweggründe ihrer Beschlüs-se verborgen sind, so ist uns doch ihre wahrhafte Milde kund und ver-pflichtet uns zu glauben, daß sie alles mit vollkommener Güte tut.

Sie stehen gleichsam im Begriff, dahin zu gehen, wo dieses liebenswer-

IV. Peyzieu 1080

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te Kind nun ist; wenn Sie dort sein werden, werden Sie nicht wünschen,daß er noch in Indien wäre, denn dann werden Sie sehen, daß er es beiden Engeln und Heiligen schöner hat als bei Tigern und Wilden. Aberbis zur Stunde Ihres eigenen Heimgangs beruhigen Sie Ihr mütterlichesHerz durch die Betrachtung der hochheiligen Ewigkeit, in der er ist undder Sie nahe sind. Statt ihm wie früher zu schreiben, beten Sie zu Gott fürihn, und er wird sogleich alles erfahren, was Sie ihm sagen möchten, undjedes Beistandes teilhaftig werden, den Sie ihm durch Ihre Wünsche undGebete zuteil werden lassen, sobald Sie diese nur ausgesprochen und indie Hände seiner göttlichen Majestät gelegt haben.

Die Christen tun sehr unrecht daran, so wenig christlich zu sein, wie siesind, und so grausam gegen die Gesetze der Nächstenliebe zu verstoßen,um denen der Furcht zu gehorchen; wir müssen aber, meine sehr liebeMutter, Gott für jene bitten, die dieses große Unrecht begehen, und die-ses Gebet der Seele Ihres Verstorbenen zuwenden. Das ist das wohlgefäl-ligste Gebet, das wir zu Ihm verrichten können, der ein ähnliches aufdem Kreuz verrichtete (Lk 23,34), auf das seine hochheilige Mutter ausganzem Herzen antwortete, liebte sie ihn doch mit einer glühenden Lie-be.

Sie können nicht glauben, wie sehr dieser Schlag mein Herz getroffenhat; denn schließlich war er mein lieber Bruder, der mich überaus ge-liebt hat. Ich habe für ihn gebetet und werde es immer tun, und auch fürSie, meine sehr liebe Mutter, der ich mein ganzes Leben lang besondereEhre und Liebe erweisen will, auch für diesen verstorbenen Bruder, des-sen unsterbliche Freundschaft mich immer mehr dazu antreibt, meinesehr liebe Frau Mutter, Ihr ganz ergebener, ganz getreuer und ganz ge-horsamer Sohn und Diener zu sein.

XVII, 7-8 (1089) Annecy, (etwa Mitte Juni) 1615.Meine sehr liebe Mutter!

Nachdem ich Ihren Brief und die Botschaft erhalten habe, die man mirvon Ihnen zukommen ließ, will ich Ihnen sagen, daß ich recht genau dieVorzüge Ihres Herzens kenne, vor allem seinen Eifer und seine Kraft, zulieben und das Geliebte zu umhegen. Das bringt Sie dazu, so viel zuUnserem Herrn über diesen teuren Verstorbenen zu sprechen, und führtSie dazu, wissen zu wollen, wo er ist.

O meine liebe Mutter, Sie müssen solche Ausbrüche unterdrücken,

IV. Peyzieu 1089

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die dem Übermaß einer leidenschaftlichen Liebe entspringen; und wennSie Ihren Geist bei solchem Tun überraschen, müssen Sie ihn sofort undselbst mit mündlichen Worten zu Unserem Herrn zurückholen und ihmFolgendes oder Ähnliches sagen: O Herr, wie milde ist doch Deine Vor-sehung; wie gut Deine Barmherzigkeit! Wie glücklich ist doch diesesKind, in Deine väterlichen Hände gefallen zu sein, in denen es nur Guteshaben kann, wo immer es sei.

Ja, meine liebe Mutter, denn Sie müssen sich schon hüten, anderswo-hin als ans Paradies oder ans Fegefeuer zu denken, da Gott sei Dankkeine Veranlassung besteht, anders zu denken. Ziehen Sie also IhrenGeist von solchen Gedanken zurück und lenken Sie ihn dann zu Aktender Liebe gegen unseren gekreuzigten Herrn.

Wenn Sie dieses Kind der göttlichen Majestät anbefehlen, sagen Sieihm einfach: „Herr, ich empfehle Dir das Kind meines Schoßes, mehrnoch das Kind des Schoßes Deiner Barmherzigkeit, geschaffen aus mei-nem Blut, aber neu geschaffen aus dem Deinen.“ Und gehen Sie zu ande-rem über: denn wenn Sie Ihrer Seele erlauben, bei diesen Ihren Gefüh-len und bei dem Ihren inneren und natürlichen Leidenschaften entspre-chenden und geliebten Gegenstand zu verweilen, wird sie sich niemalsdavon lösen wollen und sich unter dem Vorwand von Gebeten und An-dachten auf ein gewisses Wohlgefallen daran und auf natürliche Befrie-digung erstrecken, die Ihnen die Möglichkeit rauben werden, sich mitdem übernatürlichen und obersten Gegenstand Ihrer Liebe zu beschäfti-gen. Man muß gewiß die Hitzen dieser natürlichen Neigungen mäßigen,die zu nichts führen, als daß sie unseren Geist verwirren und unser Herzablenken.

Meine sehr liebe Mutter, die ich mit wahrhaft kindlicher Hingabe lie-be, raffen wir doch unseren Geist in unseren Herzen zusammen undordnen wir ihn seiner Pflicht unter, Gott einzig und allein zu lieben.Erlauben wir ihm keinerlei leichtfertiges Spielen mit Gedanken, wederüber das, was auf dieser Welt geschieht, noch über das, was in der ande-ren vor sich geht; sondern lenken wir, nachdem wir den Geschöpfenzukommen ließen, was wir ihnen an Liebe und Hingabe schulden, allesauf diese erste gebotene Liebe, die wir dem Schöpfer schulden, und rich-ten wir uns nach seinem göttlichen Willen.

Ich bin, meine liebe Mutter, sehr liebevoll Ihr recht treues und liebe-voll zugetanes Kind.

IV. Peyzieu 1089

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XVII, 44 (1109) (August-September) 1615.Meine sehr liebe Mutter!

Ich muß Sie doch so oft grüßen, als ich kann. Ich sorge mich um Siewegen dieser umlaufenden und weitverbreiteten Krankheiten.

Mein Gott, meine gute Mutter, wie trügerisch ist doch dieses Lebenund wie wünschenswert die Ewigkeit! Selig jene, die sie ersehnen! Hal-ten wir uns recht an die barmherzige Hand unseres guten Gottes, denn erwill uns an sich ziehen. Seien wir allen gegenüber recht gütig und demü-tig von Herzen (Mt 11,29), vor allem aber den Unseren gegenüber. Über-stürzen wir uns nicht, gehen wir ganz ruhig unseren Weg, einander ertra-gend. Achten wir wohl darauf, daß unser Herz uns nicht entgleite. Ach,sagte David (Ps 40,13), mein Herz hat mich verlassen. Niemals aber läßtuns das Herz im Stich, wenn wir es nicht im Stich lassen: halten wir esimmer in unseren Händen (Ps 119,109), wie die hl. Katharina von Siena,und der hl. Dionysius sein Haupt.

Jesus Christus sei immerdar in unserem Herzen, meine liebe Mutter.Ich bin in ihm Ihr Sohn Franz.

XVII, 87 (1131) Annecy, 15. November 1615.Meine sehr liebe Frau Mutter!

Es war mir eine große Befriedigung, eine sichere Nachricht von Ihremguten Gesundheitszustand zu erhalten, und ich schreibe Ihnen diesesBrieflein nur, um mich Ihrem Wohlwollen ins Gedächtnis zurückzuru-fen und Ihre liebe Seele anzuflehen, mich immer auf dem Platz zu behal-ten, den es Ihnen gefallen hat, mir einzuräumen unter jenen, die dasGlück haben, von Ihnen geliebt zu werden. Ja gewiß, meine liebe Mutter,mein Herz ist ganz das eines Kindes für Sie und läßt nicht ab, alle dieguten Wünsche zu verrichten, die es zu Ihrem Trost schuldig ist.

Schon ziemlich lange habe ich keine Nachrichten von meiner Schwe-ster, Frau von Grandmaison, erhalten, aber mit Gottes Hilfe werde ichan einem dieser Tage solche erfahren, da ich ihr durch eine günstigeGelegenheit schreibe. Da ich nicht Zeit habe, mich mehr auszulassen,will ich Ihnen mit einem Wort sagen, daß ich Sie mit ganz vollkommenerAchtung und Hochschätzung liebe und mit Ihnen alle meine Brüder undmeine Schwestern, von den ich jene ergeben grüße, die bei Ihnen sind.

Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, meine liebe Mutter. Ichbin von ganzem Herzen Ihr recht ergebener, getreuer Sohn und Diener ...

IV. Peyzieu 1109, 1131

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AN MADAME D’ESCRILLES

XV, 278-280 (814) Annecy, 13. Oktober 1612.Es drängte mich, eine sichere Gelegenheit zu finden, um Ihnen, meine

sehr liebe Tochter, schreiben zu können, da ich nicht daran zweifle, daßmeine Briefe Ihnen Freude bereiten, entsprechend der heiligen Liebe,die Gott zwischen uns geschaffen hat.

Der guten Frau von Chantal geht es erfreulicherweise sehr gut, wie ichheute morgen sah, als ich die heilige Messe in der Heimsuchung feierte.Dort hat mich auch der Überbringer dieses Briefes getroffen, als ichgerade aus dem Sprechzimmer kam, wohin ich mich begeben hatte, umsie zu begrüßen und Geschäftliches mit ihr zu besprechen. Ich bin si-cher, daß sie antworten wird, wie Sie es wünschen; der Gedanke, derIhnen dagegen gekommen ist, ist nichtig, denn die Herzen dieser gutenSchwestern sind von heiliger und starker Liebe zu Ihnen eingenommen.Die Art, wie Sie Ihre Bitte stellten, bereitete ihnen eine große Freude.

Bleiben Sie übrigens in diesem Frieden und dieser Stille, die UnserHerr Ihnen geschenkt hat. „Der Friede Gottes“, sagt der hl. Paulus (Phil4,7), „der alles Empfinden übersteigt, bewahre Ihr Herz und Ihren Geistin Jesus Christus, Unserem Herrn.“ Sehen Sie nicht, meine liebe Toch-ter, daß er sagt, der Friede Gottes übersteige alles Empfinden? Daraussollen Sie lernen, daß Sie sich in keiner Weise beunruhigen sollen, wennSie kein anderes Empfinden als das des Friedens Gottes haben. Der Frie-de Gottes aber ist der Friede, der aus den Entschlüssen hervorgeht, diewir für Gott gefaßt haben und wofür wir die Mittel anwenden wollen, dieGott uns anordnet.

Gehen Sie entschlossen auf diesem Weg weiter, auf den die VorsehungGottes Sie gestellt hat, ohne nach rechts oder links zu blicken; das ist fürSie der Weg zur Vollkommenheit. Diese geistliche Befriedigung ist, wennauch ohne Gefühl, mehr wert als tausend wohltuende Tröstungen.

Wenn nun Gott will, daß Sie in der Abwicklung Ihrer Angelegenheitenauf einige Schwierigkeiten stoßen, dann müssen Sie das aus seiner Handentgegennehmen. Sie hat Sie ergriffen und wird Sie nicht mehr loslassen,bis sie Sie auf den Höhepunkt Ihrer Vollkommenheit gebracht hat.

Wir wollen den Sinn Ihrer Brüder46 recht behutsam lenken und icherwarte, daß Sie mich wissen lassen, was Sie mit der guten Mutter47 ge-macht haben. Sie werden sehen, meine sehr liebe Tochter, daß die Vorse-hung Gottes überall Ihrer Absicht Raum schaffen wird, da sie mit der

IV. d’Escrilles 814

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Gottes übereinstimmt. Man muß nur einen etwas kräftigen und entschlos-senen Mut haben. Ich billige es, daß Sie vor der Fastenzeit zurückkom-men, damit Sie sich schnellstens von jedem Hemmnis freimachen undden gesegneten Tag erleben können, an dem Sie ihm bezeugen werden,daß Sie nur ihn suchen.

Ich habe mit dem Pater Rektor von Chambéry hinsichtlich der Unter-bringung Ihres lieben Kindes48 gesprochen und zweifle nicht daran, daßSie jede mögliche Unterstützung finden werden. Und was mich betrifft,meine liebe Tochter, könnte ich niemals beim Opfer oder im Gebetnoch bei irgendetwas, was Anlaß zum Fortschritt Ihrer Seele wäre, aufSie vergessen, da ihr Schöpfer eine vollkommene Liebe zu Ihnen so tiefin meine Seele gesenkt hat. Ich flehe unseren Erlöser und seine Mutteran, sie mögen immerdar inmitten ihres Herzens leben und herrschen.Amen.

Ich bin, meine sehr liebe Tochter, unwandelbar Ihr recht ergebenerVerwandter und ständiger Diener ...

XV, 347-348 (853) Annecy, Anfang Februar 1613.

Hier sind Briefe, die einen aus Chambéry und die anderen aus Bur-gund, die mir heute ausgehändigt wurden. Sie werden es mir bitte verzei-hen, meine sehr liebe Tochter, daß der Brief von Herrn de Genesia geöff-net ist; ich habe es ohne irgendwelche böse Absicht getan.

Inzwischen sprach ich mit Herrn von Travernay ziemlich lange und inaller Ruhe über Ihre Angelegenheiten; er sagte mir, daß Sie sich in derEinschätzung des Besitzes Ihres verstorbenen Herrn Vaters stark täu-schen. Es werde sich herausstellen, daß Sie hinreichend bedacht wordensind. Dennoch kamen wir überein, daß er sich dem Rat von Schätzmei-stern und Freunden unterwerfen werde, die für geeignet angesehen wer-den, seine und Ihre Ansprüche freundschaftlich zu erledigen, was eigent-lich das Richtige ist. Überdies zeigte er, daß er Ihr Bestreben wirklichnicht mißbilligt. Bei Ihrem Kommen, das vielleicht recht bald sein wird,werden wir ausführlicher darüber sprechen.

Denken Sie indessen immer an die heilige Ruhe und Sanftmut desHerzens und an die vollkommene Hingabe alles dessen, was wir lieben,an die heilige Vorsehung Gottes, der Sie mich als Ihren ergebenen Cou-sin und Diener empfehlen wollen ...

IV. d’Escrilles 853

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XVI, 133-134 (949) Annecy, 7. Januar 1614.

Meine liebe und immer mehr ganz liebe Schwester!Soeben erhielt ich die beiden Briefe, die Sie Frau von Travernay anver-

traut hatten, und einen anderen, in dem Sie mir erklären, worüber SieÄrger empfinden.49 Ich sehe, wie unangenehm dies ist, besonders wegender vielen Vorfälle, die mit den Personen verbunden zu sein scheinen,von denen Ihnen dieser Ärger zugefügt wurde.

Meine sehr liebe Schwester, diese Nebel sind nicht so dicht, daß dieSonne sie nicht verscheuchen könnte. Schließlich wird Gott, durch denSie bis jetzt geführt wurden, Sie an seiner hochheiligen Hand halten.Dazu aber müssen Sie sich mit völliger Hingabe Ihrer selbst in die Armeseiner Vorsehung werfen, denn das ist die erwünschte Zeit dafür. SichGott anvertrauen in den Annehmlichkeiten und im Frieden des Wohlbe-findens, das kann beinahe ein jeder tun; sich ihm aber hinzugeben inmit-ten von Stürmen und Gewittern, das ist nur denen eigen, die seine Kindersind. Ich wiederhole also, Sie müssen sich ihm mit einer gänzlichenHingabe überlassen. Wenn Sie das tun, glauben Sie mir, meine liebeSchwester, werden Sie überaus erstaunt sein, eines Tages all diese Schreck-gespenster vor ihren Augen entschwinden zu sehen, die Sie jetzt beunru-higen. Seine göttliche Majestät erwartet das von Ihnen, da sie Sie an sichgezogen hat, um Sie in ganz besonderer Weise ihr zu eigen zu machen.

Sprechen Sie nur wenig und gewissenhaft von diesem Mann, dem Sieeinen Teil dieser Ärgerlichkeiten zuschreiben zu müssen glauben, d. h.ergehen Sie sich kaum und nicht oft in Klagen. Wenn Sie es tun, behaup-ten Sie nichts, außer in dem Maße, als Sie Kenntnis oder eine Mutma-ßung über seine Verfehlung haben. Nennen Sie zweifelhaft, was zweifel-haft ist, mehr oder weniger, je nachdem, wie es ist.

Ich schreibe Ihnen in Eile an einem der beschwerlichsten Tage, die ichseit langem hatte. Wenn es Gott gefällt, werde ich die Kürze meinesSchreibens ersetzen, indem ich mehr und mehr für Ihre innere Ruhe undTröstung bete. Besänftigen Sie Ihre Verwandten, so ruhig und klug Siekönnen. Ach, bei solchen Gelegenheiten überwindet einfaches Überge-hen in einer Stunde mehr an Übel, als Verärgerung in einem Jahr. Gottmuß alles machen; daher müssen wir ihn darum bitten.

Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, meine sehr liebe Schwe-ster, meine Tochter. Ich bin ganz vollkommen Ihr recht ergebener Bru-der und Diener ...

IV. d’Escrilles 949

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XVI, 175 (969) Annecy, 30. April 1614.Neulich, als die gute Frau von Travernay hier war, erfuhr ich Genaue-

res über die vielfachen Schwierigkeiten, unter denen Sie leben, meinesehr liebe Schwester, meine Tochter. Ich empfand gewiß Mitleid darü-ber, mehr Trost aber noch wegen meiner Hoffnung, daß Gott Sie anseiner Hand führen und Sie auf diesem Weg, den er gebahnt hat, zu gro-ßer Vollkommenheit führen wird; denn ich will glauben, meine liebeSchwester, daß Sie auf ewig verbunden bleiben wollen mit dem hochhei-ligen Willen dieser göttlichen Majestät und daß Sie ihm Ihr ganzes Le-ben geweiht haben. Und da das so ist, welche Gnade bedeutet es doch,nicht nur unter dem Kreuz zu stehen, sondern auf ihm und zumindest einwenig gekreuzigt zu sein mit Unserem Herrn! Haben Sie rechten Mut,meine liebe Schwester, und verwandeln Sie die Notwendigkeit in Tu-gend; versäumen Sie nicht die Gelegenheit, inmitten der Leiden IhreLiebe zu Gott so zu bezeugen, wie er uns seine Liebe bezeugte inmittender Dornen.

Meine Seele wünscht der Ihren das volle Maß aller Heiligkeit und ichbin mit unwandelbarer Liebe Ihr ergebener, Ihnen von Herzen zugeta-ner Bruder und Diener ...

AN FRAU DE LA CROIX D’AUTHERIN

XV, 357-359 (860) Annecy, 12. März 1613.Gott sei gelobt und verherrlicht in dieser Änderung Ihres Standes,50

die Sie zu Ehren seines heiligen Namens vollzogen haben, meine sehrliebe Tochter. Ich nenne Sie weiterhin sehr liebe Tochter, denn dieseÄnderung wird nichts an dieser wahrhaft väterlichen Liebe ändern, dieich für Sie hege. Sie werden sehen, daß Sie in dieser Berufung viel Freudefinden und schließlich sehr heilig werden, wenn sich Ihre Seele ganz derVorsehung und dem Willen Unseres Herrn hingibt. Das war das Richti-ge für Sie, da Sie diesen so gut veranlagten Edelmann kennenlernten.

Unterlassen Sie unbesorgt das Fasten auf Anordnung des Arztes. Fol-gen Sie Ihrem Beichtvater, was die heilige Kommunion betrifft. Sie müs-sen ihn darin zufriedenstellen und werden dabei nichts verlieren; dennwas Sie durch den Empfang des Sakramentes nicht haben können, wer-den Sie in der Unterordnung und im Gehorsam erlangen.

Als Lebensregel gebe ich Ihnen keine andere, als die in diesem Buch(Anleitung zum frommen Leben) enthaltene. Wenn aber Gott es fügt,

IV. d’Escrilles 969 – D’Autherin 860

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daß ich Sie sehen kann und es irgendwelche Schwierigkeiten gibt, werdeich Ihnen antworten. Sie brauchen mir Ihre Beichte nicht niederschrei-ben; wenn Sie aber irgendeinen besonderen Punkt haben, über den Siemein Herz, das ganz Ihnen gehört, befragen möchten, dann können Siees tun.

Seien Sie recht sanftmütig; leben Sie nicht nach Ihren Stimmungenund Neigungen, sondern entsprechend der Vernunft und Frömmigkeit.Lieben Sie Ihren Mann zärtlich, hat ihn doch Unser Herr Ihnen eigen-händig geschenkt. Seien Sie recht demütig gegen alle.

Besondere Sorge sollen Sie dafür tragen, Ihren Geist in Frieden undRuhe zu halten und Ihre schlechten Neigungen durch aufmerksameÜbung der entgegengesetzten Tugenden zu entkräften, indem Sie sichentschließen, eifriger, aufmerksamer und tätiger in der Übung der Tu-genden zu sein. Halten Sie folgendes fest: Ihr Übel kommt daher, daßSie mehr die Laster fürchten als die Tugenden lieben. Meine liebe Toch-ter, wenn Sie Ihre Seele ein wenig gründlicher dahinbringen könnten, dieÜbung der Sanftmut und der wahren Demut zu lieben, wären Sie tüchtig;aber Sie müssen oft daran denken. Machen Sie die Vorbereitung amMorgen und nehmen Sie diese Aufgabe als gegeben hin, wofür Gott Sietausendfach trösten wird; vergessen Sie daher nicht, oft Ihr Herz zu Gottund Ihre Gedanken zur Ewigkeit zu erheben. Lesen Sie, ich bitte Sie, imNamen Gottes alle Tage ein wenig.

Tun Sie das für mich, der ich Sie alle Tage Gott empfehle und seineunendliche Güte bitte, Sie immerdar zu segnen.

XVII, 12-14 (1092) Annecy, 23. Juni 1615.Ich antworte auf Ihre beiden Briefe, meine liebe Tochter, und beschwö-

re Sie, Ihre Briefe nicht länger als eine Belästigung für mich anzusehen,die mir doch in Wahrheit immer eine große Freude sind.

Aus Ihrem ersten Brief ersehe ich, daß Ihr Herz immer voll guter undtugendhafter Wünsche ist, denn es ist von einem sehr guten Naturell; Siesagen mir aber, daß Sie sich nicht kräftig genug von Ihren Unvollkom-menheiten freimachen. Sie wissen, daß ich Ihnen oft gesagt habe, Siesollen in gleicher Weise die Übung der Treue Gott gegenüber und die derDemut liebevoll pflegen: der Treue, um Ihren Entschluß, der göttlichenGüte dienen zu wollen, ebenso oft zu erneuern, als Sie ihn brechen wer-den, und auf der Hut zu sein, ihn überhaupt nicht zu brechen; der Demut,um, wenn es geschieht, daß Sie ihn verletzen, Ihre Schwachheit und Nied-rigkeit anzuerkennen. Gewiß aber müssen Sie immer recht auf Ihr Herz

IV. D’Autherin 1092

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achten, um es entsprechend der Vielzahl und Größe der Eingebungen,die Sie dafür haben, zu reinigen und zu stärken.

Ich finde es nicht schlecht, daß Sie ein wenig auf die hochheilige Kom-munion verzichten müssen, da dies der Rat Ihres Beichtvaters ist; dieserwill wohl sehen, ob der Wunsch, zu deren häufigem Empfang zurückzu-kehren, Sie ein wenig mehr auf Ihre Besserung achten läßt. Sie werdenimmer gut daran tun, sich recht demütig den Ratschlägen Ihres Beicht-vaters zu unterwerfen, der den gegenwärtigen Stand Ihrer Seele sieht.Obgleich ich mir diesen gut vorstellen kann nach dem, was Sie mir inIhren Briefen sagen, so kann er doch von mir nicht so genau erkanntwerden wie von ihm, dem Sie Rechenschaft darüber ablegen. ObgleichSie nun ein wenig Ihre Kommunionen hinausschieben, meine ich, daßSie deswegen nicht in der Häufigkeit Ihrer Beichten nachlassen dürfen,denn diese zu unterlassen, kann es keinerlei Grund geben; sie werdenIhnen im Gegenteil von Nutzen sein, um Ihren Geist zu unterwerfen, dervon sich aus nicht die Unterwerfung liebt, um ihn zu demütigen und ihnbesser seine Fehler erkennen zu lassen.

Ich reise nach Lyon, um den dortigen Erzbischof zufriedenzustellen,der jedenfalls zu mir kommen wollte, wenn ich mich nicht entschlossenhätte, zu ihm zu reisen. Es ist doch nur recht, daß ich ihm darin zuvor-komme. Das wird eine ungefähr 14tägige Reise werden, nach der icheine andere nach dem Chablais unternehmen will, um im September vonbeiden zurück zu sein; ich werde aber hier wieder durchreisen und im-mer recht froh sein, Ihnen, wenn es mir möglich ist, zu schreiben.

Halten Sie Ihren Geist fest in Gott; lesen Sie, sooft Sie können, aberwenig auf einmal und mit Andacht. Lieben Sie immer meine Seele, dieder Ihren recht innig zugetan ist. Grüßen Sie Ihren Gemahl auch vonmeiner Seite und versichern Sie ihm, daß ich sein Diener bin.

Gesondert antworte ich Ihnen auf beiliegendem Blatt auf Ihre Bitte fürdie Witwe, damit Sie – wenn Sie wollen – ihr meine Antwort zeigenkönnen; ich bin, meine liebe Tochter, unveränderlich ganz der Ihre undIhr recht ergebener Diener ...

XVII, 14-15 (1093) 23. Juni 1615.Gnädige Frau!

Auf Ihre letzte Frage antworte ich kurz, daß ich meine Meinung nichtgeändert habe, seit ich die Anleitung zum frommen Leben schrieb; ichsehe mich im Gegenteil immer mehr in meinem Empfinden hinsichtlich

IV. D’Autherin 1093

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des Ertragens von Beleidigungen bestärkt. Die Leidenschaft läßt uns zu-nächst immer wünschen, uns zu rächen; aber wenn wir ein wenig gottes-fürchtig sind, wagen wir nicht, es Rache zu nennen, sondern nennen esWiedergutmachung.

Diese gute Dame möge mir glauben und dieser Spottlieder wegen kei-nen Prozeß anfangen, denn das hieße das Übel nur vermehren, statt es zuersticken. Niemals kann eine Frau, die eine wirklich begründete Ehrebesitzt, diese verlieren; keiner glaubt diesen unverschämten Verleum-dungen, noch diesen Spöttern; man hält sie für Bösewichte. Das besteMittel, die von ihnen bewirkten Schäden gutzumachen, ist, ihre Zungen,die deren Werkzeuge sind, zu mißachten und ihnen durch Bescheiden-heit und Mitleid zu antworten.

Vor allem aber hat es gewiß nicht den Anschein, da der armseligeVerleumder sich dem Urteil der Verwandten unterwirft, die Beleidigungwieder gutzumachen, soviel an ihm liegt, daß man dann diesen anderenWeg der Klageführung beschreiten soll, d. h. sich Labyrinthen und Ab-gründen für Gewissen und Mittel aussetzt. Ich mißbillige nicht, daß erseinen Fehler bekennen, seine Feindseligkeit bedauern und Vergessenerbitten soll. Denn wenn er auch von geringem Ansehen ist, so bedeutetes doch, da er diese Handlung begangen hat, immer ein Licht für dieUnschuld, zu sehen, daß ihre Feinde ihr Ehre erweisen. Viel eher, alsdurch einen Prozeß vorzugehen, sollte sie etwas ganz anderes tun. Erstkürzlich machte ich eine Erfahrung mit der Sinnlosigkeit oder vielmehrmit dem Schaden von Prozessen bei solchen Gelegenheiten, und zwarbei einer der tugendhaftesten Damen der Gegend von Macon, der esüberaus schlecht bekam,51 daß sie meinen Rat nicht befolgt hatte, son-dern dem leidenschaftlichen Drängen ihrer Verwandten nachgab. Glau-ben Sie mir, meine liebe Tochter, die Ehre der Guten steht unter demSchutz Gottes, der wohl manchmal zuläßt, daß sie erschüttert wird, umuns Geduld üben zu lassen, aber sie nie zugrunderichten läßt und siebald wieder aufrichtet.

Gnädige Frau, leben Sie ganz für Gott, um dessentwillen ich Ihr erge-bener Diener bin.

XX, 169 (1843) Annecy, 3. November 1621.Ich schreibe Ihnen diese paar Worte ohne einen einzigen Augenblick

an freier Zeit, meine liebe Tochter, nur um Ihr geliebtes Herz innig undrecht herzlich zu grüßen, dem ich unablässig ein ständiges Wachsen inder hochheiligen Gottesliebe wünsche. Ich möchte gewiß gern Erwäh-

IV. D’Autherin 1843

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nung tun dessen, was Sie mir letztes Mal schrieben, als Sie sich die Mühemachten, mir Nachricht von sich zu geben; aber es geht leider nicht.

Gott, der in Ihnen das gute Werk Ihres Heiles begonnen hat, wird esnach seinem gütigen und liebenswerten Willen zu Ende führen und ver-vollkommnen (Phil 1,6; 2,13). Halten Sie Ihre Seele zu seiner höchstenGüte erhoben; das ist der unwandelbare Wunsch Ihres sehr ergebenenVaters und Dieners ... Bei der ersten sicheren Gelegenheit werde ichIhnen neuerlich schreiben.

AN FRAU VON GRANDMAISON

XVI, 95-98 (930) Annecy, gegen Mitte November 1613.Meine sehr liebe Schwester!

Ich hatte nicht die Freude, Herrn von Rogemont52 zu sehen, aber ichweiß wohl, daß Sie durch eine drüben verbreitete Schmähschrift gekränktworden sind. Ich möchte gern immer Ihre Nöte und Plagen tragen oderzumindest Ihnen helfen, sie zu ertragen. Da es mir aber die räumlicheEntfernung nicht erlaubt, Ihnen anders zu Hilfe zu kommen, bitte ichUnseren Herrn, er möge der Schützer Ihres Herzens sein und alle unge-ordnete Traurigkeit daraus verbannen.

Gewiß bestehen, meine sehr liebe Schwester, die meisten unserer Übelmehr in der Einbildung als in Wirklichkeit. Glauben Sie denn, daß dieWelt diese Schmähungen glaubt? Es kann sein, daß einige daran Gefal-len finden und in anderen irgendein Verdacht aufsteigt; aber Sie wissendoch, wenn unsere Seele gut und in die Hände Unseres Herrn ganz erge-ben ist, verwehen alle Arten solcher Angriffe im Wind wie Rauch undentschwinden um so eher, je stärker der Wind ist. Das Übel der Verleum-dung wird niemals so gut behoben, als wenn wir uns darüber hinwegset-zen, die Verachtung verachten und durch unsere Festigkeit bezeugen,daß wir keine Angriffsflächen geben, auch nicht für Spottlieder; denn dieVerleumdung, die nicht Vater noch Mutter hat, die sich zu ihr bekennenwollen, zeigt, daß sie illegitim ist.

Meine sehr liebe Schwester, ich will Ihnen ein Wort des hl. Gregor aneinen Bischof sagen, der niedergeschlagen war: „Ach“, sagte er, „wennIhr Herz im Himmel wäre, würden die Stürme der Erde es in keinerWeise erschüttern. Und wer der Welt entsagt hat, dem kann nichts, wasihm von seiten der Welt zustößt, schaden.“ Werfen Sie sich dem Kruzifixzu Füßen und sehen Sie, wie sehr Jesus geschmäht wurde; flehen Sie ihn

IV. Grandmaison 930

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an bei der Sanftmut, mit der er die Schmähungen getragen hat, er mögeIhnen die Kraft verleihen, diese kleinen Nadelstiche zu ertragen, dieIhnen als seiner verschworenen Dienerin zuteil wurden. Selig die Ar-men, denn sie werden reich im Himmel sein und ihnen wird das Reichgehören (Mt 5,3); und selig die Beschimpften und Verleumdeten, dennsie werden von Gott geehrt werden. Im übrigen geschieht die jährlicheÜberprüfung unserer Seelen wegen der mangelhaften Beichten, die mandadurch ergänzt, dann, um sich zu einer tieferen Demut anzuregen undsie zu üben, vor allem aber, um zwar nicht die guten Vorsätze, wohl aberdie guten Entschlüsse zu erneuern, die uns dazu dienen sollen, die Nei-gungen, Gewohnheiten und anderen Ursachen unserer Verfehlungen zuheilen, denen wir mehr unterworfen sind. Es ist wohl wahr, daß es zutref-fender wäre, diese Überprüfung mit jemand zu machen, der bereits dieGeneralbeichte abgenommen hat, damit man durch Beobachtung undVergleich des vorhergehenden Lebens mit dem darauffolgenden besserdie erforderlichen Entschlüsse fassen kann; das wäre in jeder Weise wün-schenswerter. Die Seelen aber, die wie Sie nicht diese Gelegenheit ha-ben, können zu einem anderen Beichtvater gehen, zum taktvollsten undklügsten, den sie finden können.

Zu Ihrer zweiten Schwierigkeit sage ich Ihnen, meine sehr liebe Toch-ter, daß Sie in Ihrer Gewissenserforschung weder die Zahl noch die ge-naueren Umstände Ihrer Fehler besonders anzuführen brauchen. Es ge-nügt, im großen zu sagen, welches Ihre Hauptverfehlungen und welchesIhre besonderen seelischen Fehlanlagen sind; nicht, wie oft Sie gefallen,wohl aber, ob Sie dem Übel stark unterworfen und hingegeben sind.Zum Beispiel: Sie sollen nicht nachforschen, wie oft Sie in Zorn geratensind, denn da hätten Sie vielleicht zuviel zu tun; sondern Sie sollen ein-fach sagen, ob Sie leicht in diesen Fehler fallen, und wenn Ihnen dieszustößt, ob Sie lange darin bleiben, ob mit viel Bitterkeit und Heftigkeit,und schließlich, welche Anlässe Sie am meisten dazu verleiten; ob Spiel,Hochmut oder Stolz, Melancholie oder Halsstarrigkeit. Dies soll nur einBeispiel sein. So werden Sie in kurzer Zeit Ihren kleinen Überblickabgeschlossen haben, ohne weder Ihr Gedächtnis, noch Ihre Zeit allzu-sehr zu beanspruchen.

Was Ihre dritte Schwierigkeit betrifft, so wären einige schwere Sünden,sofern sie nicht in der Absicht geschahen, darin zu verharren, und auchnicht zu einem Einschlafen im Übel führten, kein Hindernis für einenFortschritt in der Hingabe an Gott. – Wenn man diese auch bei schwererSünde verliert, so gewinnt man sie doch wieder beim ersten wahrhaften

IV. Grandmaison 930

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Bereuen seiner Sünde, vorausgesetzt, daß man nicht lange in diesem Übelverharrte.

Deshalb sind diese jährlichen Überblicke überaus heilsam für Seelen,die noch ein wenig schwach sind. Denn wenn auch die ersten Entschlüssesie noch nicht völlig gefestigt haben, werden die zweiten und dritten esmehr tun, und zuletzt bleibt man – wenn man seine Entschlüsse oft er-neuert – dann ganz entschlossen. Sie dürfen keineswegs den Mut verlie-ren, sondern müssen Ihre Schwäche mit heiliger Demut betrachten, sichihrer anklagen, um Verzeihung bitten und die Hilfe des Himmels anfle-hen ...

XVII, 358 (1289) Grenoble, Ende März 1617.Ich stehe im Begriff abzureisen, meine sehr liebe Tochter, und bin

deshalb in Eile; nehmen Sie bitte in Anbetracht dessen meine paar Zei-len hin, als ob es viele wären. Glauben Sie mir bitte, daß Ihre liebe Seeleniemals mehr geliebt werden kann, als sie es von der meinen wird.

Aber was erzählt man mir von Ihnen? Daß Sie trotz Ihrer Schwanger-schaft fasten und Ihrer Leibesfrucht die Nahrung vorenthalten, die Sieals Mutter brauchen, um ihr das geben zu können, dessen sie bedarf. TunSie das bitte nicht mehr und unterwerfen Sie sich den Anordnungen derÄrzte, nähren Sie unbedenklich Ihren Leib im Hinblick auf das Kind,das Sie tragen. Es wird Ihnen nicht an Abtötung für das Herz mangeln;das ist das einzige Opfer, das Gott von Ihnen wünscht.

O mein Gott, meine liebe Tochter, wieviele große Seelen habe ich hierim Dienst Gottes gefunden!53 Seine Güte sei dafür gepriesen! Und Siesind mit ihnen verbunden, da Sie doch die gleichen Wünsche hegen.

Leben Sie ganz in Gott, meine liebe Tochter, und beten Sie auch wei-terhin für Ihren recht ergebenen Bruder und Diener ...

XVIII, 103f (1365)54 Belley, 5. Oktober 1617.Ich kann Ihnen sagen, gnädige Frau, meine sehr liebe Schwester, daß

ich dieses ganze Jahr unter den Toten gelebt habe; denn außer einerAnzahl von Freunden und Verwandten, die ich für diese Welt verlorenhabe, sah ich innerhalb von drei Monaten meinen Bruder, seinen einzi-gen Sohn und seine Frau dahinscheiden, die ich über alles liebte. Gott seiDank aber ist das alles zu ihrem Heil geschehen; denn mein Bruder, derin den Dienst Seiner Hoheit als Soldat gezogen ist, starb dort wie einOrdensmann; sein Sohn ist in Unschuld dahingegangen und seine Frau

IV. Grandmaison 1289, 1365

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als Heilige, nachdem sie das Ordenskleid der Heimsuchung erbeten underhalten und auf dem Totenbett ihre Gelübde abgelegt hatte. Alles inallem, meine sehr liebe Schwester, meine Tochter, war dies eben derWille Gottes, dem sich unser Wille ganz unterwerfen soll.

Und da sehe ich nun, daß binnen weniger Tage Ihr gutes Gemüt einenähnlichen Schlag erleiden wird; denn ich sah gestern unsere gute Mut-ter55 und fand sie an der Grenze dieses sterblichen Lebens, wohin ihreKrankheit und hauptsächlich ihr Alter sie gebracht haben. Meiner Mei-nung nach kann sie – so langsam sie auch dahinsiechen mag – nicht mehrlange brauchen, es zu beendigen. Sie müssen also, meine sehr liebe Schwe-ster, Ihr Herz recht fest halten, damit es unter diesem Schlag nicht schwan-ke, sondern, mit der göttlichen Vorsehung verhaftet, nach den erstenunvermeidlichen Schmerzensausbrüchen ergeben in Frieden bleibe undmit heiliger Hoffnung die Zeit erwarte, in der wir, in gleicher Weisedahingehend, jene wiedersehen werden, die uns vorausgehen. Meine sehrliebe Schwester, wir müssen Gott danken, der uns diese Mutter so langebelassen hat, und es wäre unvernünftig, wenn wir schlecht fänden, daß ersie uns nimmt, geschieht es doch, um ihr ein besseres Leben zu schenken.

Ich weiß, daß Sie diesen Kummer zu Füßen des Kreuzes Unseres Herrnausweinen werden, wo alle unsere Bitterkeiten sich mildern. Darum habeich Ihnen nichts mehr zu sagen, als daß ich niemals aufhören werde,tausend und abertausend Segnungen zu wünschen Ihrer lieben Seele, dieich von ganzem Herzen liebe, bin ich doch immerdar, meine sehr liebeFrau Schwester, Ihr recht ergebener Bruder und Diener ...

AN EINE DAME

XV, 346-347 (852)56 Annecy, (Ende Januar oder Februar 1613).Ich wußte wirklich nicht, meine sehr liebe Tochter, daß die Trauer so

heftig Ihr Herz bedrückt hatte; als ich es aber erfuhr, hätte ich gern denEntschluß gefaßt, Ihnen mein Herz zu bringen und mit ihm alle Tröstun-gen, mit denen es zu beschenken Gott gefallen hätte. Gott sei gelobt, daßSie sich nun in die Fügungen der göttlichen Vorsehung hineinfinden.

Meine sehr liebe Tochter, erweitern Sie oft Ihr Blickfeld bis zum Him-mel und sehen Sie doch, daß dieses Leben nur ein Übergang zu dem daoben ist; vier oder fünf Monate Abwesenheit werden bald vorüber sein.Unsere Gepflogenheit und unsere Sinne, die damit beschäftigt sind, die-se Welt und ihr Leben zu sehen und hochzuschätzen, lassen uns zu stark

IV. Eine Dame 852

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empfinden, was uns hier zuwider ist. Das Licht unseres Glaubens solluns aber helfen, dieses Fehlerhafte immer wieder zu meistern. Es wirduns dann jene sehr glücklich schätzen lassen, die in Kürze ihre Reisevollendet haben. Bei solch großen Gelegenheiten müssen wir, meinesehr liebe Tochter, die Größe unserer Treue sehen lassen. Selig jene, dieniemals etwas von dem verloren zu haben meinen, was Gott in seinerGnade aufgenommen hat.

Ich werde tun, was Sie mir sagen. Leben Sie ganz für Gott, meine sehrliebe Tochter, und glauben Sie, daß ich Ihr sehr ergebener und sehr zuge-neigter Diener bin.

AN EINE UNBEKANNTE PERSON

XVI, 34-35 (892) Annecy, 18.-20. Juni 1613.... Frau von Chantal übergab am Samstag den Leib der armen lieben

kleinen Schwester Roget57 der Erde, dieser so lieben, so tugendhaftenund in ihrer Kongregation so sehr geliebten Schwester, deren Geist – wieich glaube – an ihrem Todestage bereits in den Himmel aufgenommenwurde, denn sie war eine kleine, ganz reine Seele. Ich spendete ihr dieSterbesakramente, hatte aber nicht den Trost, sie ihren Geist aufgeben zusehen; denn gewiß hätte ich voll Liebe die letzten Seufzer dieser erstenmeiner Töchter entgegengenommen, die in den Himmel vorangegangenist, um zu sehen, was Gott den anderen vorbereitet. Ich bitte Sie, für siezu beten, obgleich ich glaube, daß sie für uns betet ...

AN FRAU DE MURAT DE LA CROIX

XVI, 78-80 (919) Annecy, 28. September 1613.Mein Gott, wie trügerisch ist doch dieses Leben, meine sehr liebe Cou-

sine, und wie kurz sind seine Freuden! In einem Augenblick tauchen sieauf, der nächste raubt sie uns wieder, und wäre nicht die heilige Ewig-keit, in die alle unsere Tage münden, dann hätten wir wohl recht, unsüber unser menschliches Los zu beklagen.

Sie sollen wissen, meine liebe Cousine, daß ich Ihnen mit einem vonTrauer über den erlittenen Verlust erfüllten Herzen schreibe, mehr abernoch, weil ich mir lebhaft den Schlag vorstellen kann, den Ihr Herzerhält, wenn es die traurige Nachricht von Ihrer so plötzlichen, unerwar-

IV. Unbekannt 892 – De Murat 919

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teten und beklagenswerten Witwenschaft erfährt! Wenn die große Zahlder an Ihrem Leid Teilnehmenden dessen Bitterkeit mildern könnte,bliebe Ihnen bald kaum etwas davon. Denn es gibt wohl keinen, derdiesen tapferen Edelmann kannte, ohne dessen Tod beim Wissen umseine Verdienste schmerzlich zu empfinden.

Aber all dies, meine liebe Cousine, kann Sie erst nach Abklingen Ihresheftigsten Schmerzes erleichtern, während dessen Dauer Gott Ihrem Geistbeistehen, ihm Zuflucht und Halt sein muß. Diese allerhöchste Gütewird sich Ihnen zweifellos zuneigen, meine liebe Cousine, und in IhrHerz kommen, um ihm zu helfen und ihm in diesem Leid beizustehen,wenn Sie sich in seine Arme werfen und sich in seine väterlichen Händeergeben. Gott hat Ihnen diesen Gatten gegeben, meine sehr liebe Cousi-ne, und er hat ihn wieder weg- und zu sich genommen (Ijob 1,21). Er istalso verpflichtet, Ihnen gnädig zu sein in dem Leid, verursacht durch dieLiebe zu Ihrem Mann, die er Ihnen für die Ehe geschenkt hat, so daß Siees jetzt so schwer empfinden, seiner beraubt zu sein.

Das ist eigentlich alles, was ich Ihnen sagen kann. Unsere Natur ist sobeschaffen, daß wir zur unvorhergesehenen Stunde sterben und dieserTatsache nicht entrinnen können. Darum müssen wir uns darin in Ge-duld fassen und unseren Verstand gebrauchen, um das Übel zu mildern,das wir nicht verhindern können, und dann Gott und seine Ewigkeitbetrachten, in der uns alles Verlorene wiedergegeben und unsere Ge-meinschaft wiederhergestellt wird, die der Tod trennte.

Gott und Ihr Schutzengel mögen Ihnen jeden heiligen Trost eingeben,meine sehr liebe Cousine. Darum will ich seine göttliche Majestät anfle-hen und mehrere heilige Messen zum Seelenfrieden des teuren Verstor-benen beitragen. Gern biete ich ihnen an, alles zu tun, womit ich Ihnendienen kann, soweit es in meiner Macht steht, ohne irgendetwas auszu-nehmen, denn ich bin und will kräftiger denn je meine Entschlossenheitausdrücken, meine sehr liebe Cousine, Ihr recht ergebener und von Her-zen Ihnen zugetaner Cousin und Diener zu sein ...

AN EINE DAME

XVI, 119-120 (939) Annecy, 24. oder 25. Dezember 1613.Was liegt denn Ihrer Seele daran, meine sehr liebe Tochter, ob ich ihr

so oder so schreibe, da sie doch nichts verlangt als eine Auskunft übermeine schwache Gesundheit. Ich verdiene zwar nicht, daß man auch nurim geringsten daran denkt. Ich will Ihnen aber doch sagen, daß sie – dank

IV. Eine Dame 939

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Unserem Herrn – gut ist und daß ich hoffe, sie werde mir an diesenschönen Festtagen helfen, predigen zu können, wie es ja im ganzen Ad-vent geschehen ist, und daß wir das Jahr in dieser Weise beenden, um einneues zu beginnen.

O Gott, meine liebe Tochter, die Jahre gehen dahin, sie reihen sich sounmerklich eines nach dem anderen zu einer Kette, und indem sie ihreDauer ablaufen, wickeln sie auch unser sterbliches Leben ab und been-den unsere Tage, da sie selbst zu Ende gehen. O wie unvergleichlichliebenswerter ist doch die Ewigkeit, da ihre Dauer kein Ende nimmt undihre Tage ohne Nacht sind (Offb 21,25; 22,5)! Meine sehr liebe Tochter,möchten Sie doch dieses wunderbare Gut der heiligen Ewigkeit einst ineinem so hohen Grad besitzen, wie ich es Ihnen wünsche. Welche Selig-keit wäre das für meine Seele, wenn Gott ihr diese Barmherzigkeit er-wiese und sie dieses Glück schauen ließe! Aber in der Erwartung, Unse-ren Herrn verherrlicht zu sehen, sehen wir ihn doch jetzt ganz erniedrigtin seiner kleinen Wiege mit den Augen des Glaubens.

Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, meine sehr liebe Tochter.Amen. Es lebe Jesus!

AN DEN BARON PROSPER DE ROCHEFORT

XXI, 111-113 (2034)58 Annecy, 20. Januar 1614.Vergleiche ich die Gefühle, die Sie über den Tod Ihres Sohnes hatten,

mit meinem Mitfühlen, so stelle ich mir vor, daß Ihr Schmerz übergroßwar. Ich denke an die Freude, mit der Sie neulich über dieses Kind zumir sprachen; damals erfaßte mich ein großes Mitgefühl, wenn ich mirvorstellte, wie schmerzlich Sie die Nachricht von seinem Hinscheidenberühren würde; dennoch wagte ich nicht, Ihnen mein Beileid auszudrü-cken, wußte ich doch nicht, ob die Todesnachricht sicher, noch ob sieIhnen mitgeteilt wurde. Nun komme ich zu spät, um etwas zum TrostIhres Herzens beizutragen. Ich bin dessen gewiß, daß es bereits Erleich-terung in seinem Schmerz gefunden hat, in den dieses große Leid esgedrängt hat. Sie haben gewiß erwogen, daß dieses teure Kind Gott mehrgehört als Ihnen, daß Sie es von seiner allerhöchsten Hochherzigkeit nurals Leihgabe empfangen haben. Wenn seine Vorsehung es für recht ge-funden hat, es wieder zu sich zurückzuholen, so muß man glauben, daßsie es seinem Wohl zuliebe getan hat, dem ein so liebender Vater wie Siesich demütig beugen soll. Unsere Zeit ist nicht so angenehm, daß die,

IV. Rochefort 2034

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welche ihr entrinnen, viel beklagt werden sollen; darum scheint es mir,daß dieser Sohn an sich so viel gewonnen hat, da er daraus schied, beina-he bevor er so recht darin angekommen war.

Das Wort „Tod“ ist erschreckend, wie man es vorbringt, man sagt: Ihrteurer Vater ist gestorben, und: Ihr Sohn ist tot. Das ist aber keine richti-ge Rede unter uns Christen, denn man müßte doch sagen: Ihr Sohn oderIhr Vater ist heimgegangen in seine und Ihre Heimat; und weil es so seinmußte, ist er durch den Tod durchgegangen, in ihm aber nicht verblie-ben. Ich weiß wirklich nicht, wie wir diese Welt guten Gewissens alsunsere Heimat ansehen können, in der wir doch nur so kurz weilen imVergleich zum Himmel, in dem wir ewig sein sollen. Auch wir gehendahin und sind der Gegenwart unserer treuen Freunde dort oben mehrsicher als unserer Freunde hier unten; denn jene erwarten uns und wirgehen zu ihnen; diese hier aber lassen uns gehen und verzögern ihr Blei-ben nach uns möglichst lange, und wenn sie wie wir gehen, geschieht esgegen ihren Willen.

Wenn wegen des Fortgehens dieser lieben Seele noch irgendein Restvon Traurigkeit Ihren Geist bedrängt, dann werfen Sie Ihr Herz Unse-rem gekreuzigten Herrn zu Füßen und bitten ihn um seinen Beistand. Erwird Ihnen diesen zuteil werden lassen und Ihnen den Gedanken undden festen Entschluß eingeben, sich selbst gut vorzubereiten, damit Sieselbst zur festgesetzten Stunde diesen erschreckenden Durchgang so voll-ziehen, daß Sie glücklich an dem Ort anlangen, wo, wie wir hoffen sollen,unser armer, aber glückselig Verstorbener bereits weilt.

Wenn meine ständigen Wünsche erhört werden, wird Ihnen alles hei-lige Wohlergehen zuteil werden; denn ich liebe und schätze Ihr Herzvon meinem ganzen Herzen und nenne und weihe mich Ihnen bei die-ser, wie bei jeder anderen Gelegenheit als Ihr ergebener, sehr gehorsa-mer Diener ...

AN WILHELM-FRANZ VON CHABOD, HERRN VON JACOB

XVI, 214-215 (993)59 Annecy, um den 20. August 1614.Ich freue mich über Ihre glückliche Heimkehr, doch wäre die Freude

vollkommen gewesen für Sie, für alle Guten und auch für mich, wenn Ihrheiliger Eifer den Erfolg gehabt hätte, den Ihre Leistungen verdienten.Aber so ist diese Zeit eben beschaffen, daß Gutes und Wünschenswertesnur unter vielfachen Leiden jener zustandekommt, die es unternehmen,

IV. Chabod 993

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und daß im Gegenteil das Böse ohne Pflege durch die diesem Zeitaltereigene Bosheit Fortschritte macht.

Wie glücklich werden Sie sein, mein Herr, wenn Sie für den Rest IhrerTage, deren Zahl ich Ihnen groß und gut wünsche, Ihre Seele näher aufihren Ursprung ausrichten in der Ruhe eines hier im Vergleich zu Parisund zum Hof beinahe einsamen Lebens. Ich hoffe, daß der Sommer nichtvorbeigehen wird, ohne daß ich die Freude haben werde, einige Zeit beiIhnen zu sein, wo wir uns ausführlicher über dieses ernste Thema unter-halten können. Wenn die vielfachen Aufgaben meines Amtes und meinebesonderen, wenn auch nicht häuslichen Angelegenheiten mir erlaub-ten, nach meinem Belieben dort zu sein, wo ich sein möchte, würde ichmich oft von Zeit zu Zeit bei Ihnen einfinden. Wo ich aber auch seinmag, haben Sie, geehrter Herr, an mir Ihren ergebenen, Ihnen sehr vonHerzen zugetanen Diener ...

AN EINE DAME

XVI, 349-350 (1068)60 Annecy, 26. April 1615.Gnädige Frau!

Ich habe von Ihrer Krankheit gewußt und nicht vergessen, meine Pflichteiner so teuren Tochter gegenüber zu erfüllen. Wenn Gott meine Gebeteerhört hat, werden Sie sich mit einer viel kräftigeren Gesundheit, vorallem aber mit größerer Heiligkeit wieder erheben. Denn oft geht manaus solchen Vorkommnissen mit einem doppelten Gewinn hervor, dadas Fieber als eine aus der Hand Gottes stammende Heimsuchung demKörper die schlechten Säfte entzieht und die des Herzens läutert.

Ich nenne Sie jetzt sicher nicht heilig, wenn ich von einem Gewinn anHeiligkeit bei Ihnen spreche; nein gewiß nicht, meine sehr liebe Tochter,denn es ziemt meinem Herzen nicht, dem Ihren zu schmeicheln. Aberwenn Sie auch nicht heilig sind, sind doch Ihre guten Wünsche heilig, dasweiß ich wohl und ich wünsche, sie möchten so groß werden, daß sie sichschließlich zur vollkommenen Frömmigkeit, Sanftmut, Geduld undDemut wandeln. Erfüllen Sie Ihr ganzes Herz mit Mut und Ihren Mutmit Vertrauen auf Gott; denn Er, der Ihnen die ersten Lockungen zuseiner heiligen Liebe gegeben hat, wird Sie niemals verlassen, wenn Sieihn niemals verlassen. Um dies bitte ich ihn von ganzem Herzen und binimmer Ihr sehr ergebener Diener, meine sehr liebe Tochter, wie auch derihres Herrn Gemahls, den ich soeben sehen durfte.

IV. Eine Dame 1068

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AN FRAU VON RUANS

XVII, 11 (1091) Annecy, 21. Juni 1615.Gnädige Frau!61

Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie in mich setzen, der ich Sieumgekehrt mit einer ganz besonderen Zuneigung lieb habe und nichtaufhöre, Ihnen die wahren Tröstungen des Heiligen Geistes inmitten derDrangsale zu wünschen, mit denen seine Güte Sie heimsucht, um Sie inder Demut und Geduld zu üben. Ich schreibe Ihnen in Eile, aber nichtohne den starken Wunsch, Ihnen dienlich sein zu können.

Wenn das Buch, von dem Sie mir schreiben,62 gedruckt ist, was nichtvor zwei Monaten der Fall sein wird, werden Sie ein Exemplar davonerhalten, so Gott will, den ich indessen bitte, selbst das Buch Ihres Her-zens sein zu wollen, aus dem Sie lesen und lernen sollen, ganz sein hoch-heiliges Kreuz zu lieben, an dem er Sie teilhaben läßt.

Ich bin nach all meinem Vermögen, meine liebe Tochter, Ihr sehr erge-bener Diener ...

XX, 14-15 (1753) Annecy, Januar 1621.Meine liebe Tochter, ich halte Sie für wirklich bedauernswert, da ich

Sie von so vielen Leiden heimgesucht sehe. Sie wären aber noch mehrbemitleidenswert, wenn Gott Sie nicht mit seiner hochheiligen Hand indem Entschluß festhielte, den er Ihnen eingegeben hat, nämlich immerganz die Seine zu sein. Denn ohne ihn wäre Ihre Seele nicht nur erschüt-tert, meine liebe Tochter, sondern unter dem Ansturm so vieler Widrig-keiten ganz untergegangen und die Wogen der Heimsuchung hätten Siebereits unter ihren Wellen begraben.

Sie leben aber, meine liebe Tochter, Sie bestehen weiterhin, haltendurch und nehmen beständig all diese Unglücksfälle auf sich. Durchdiese Erprobung erkennt Gott Sie als seine rechtmäßige Tochter an. Sei-ne göttliche Majestät wohnt gern im Dornenstrauch (Ex 3,2) Ihres vonÄgypten umgebenen Herzens und besonders jetzt, da das Feuer, das IhrHaus verzehrt hat, doch nicht Ihre Geduld aufgebraucht oder in Aschegelegt hat. Bleiben Sie so, meine liebe Tochter; legen Sie Ihre Sorge aufdie Vorsehung Ihres Erlösers, er wird Sie wieder aufheben und durchseine Macht tragen.

Indessen danke ich Ihnen für Ihre Mitteilung über Ihren Kummer;denn, obgleich dieser Kummer mich bekümmert, da er ein Herz betrifft,

IV. Ruans 1091, 1753

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das ich sehr liebe, so tröstet er mich doch auch wieder, weil er ein Herzvollkommen macht, dem ich jede heilige Vollkommenheit wünsche unddem ich wahrhaftig bin, meine liebe Tochter, Ihr sehr ergebener undwohlgeneigter Diener ...

XX, 23f (1761) Annecy, 8. Februar 1621.Da haben wir also viele Feuer, meine liebe Tochter: das Fieber, das wie

ein Feuer Ihren Leib in Flammen setzt; das Feuer, das wie ein Fieber IhrHaus verbrennt; aber ich hoffe, daß das Feuer der himmlischen Liebe sosehr von Ihrem Herzen Besitz ergriffen hat, daß Sie in all diesen Ereig-nissen sagen: „Der Herr hat mir meine Gesundheit und mein Haus ge-nommen; wie es dem Herrn gefallen hat, hat er getan, sein heiliger Namesei gelobt“ (Ijob 1,21). Es ist wohl wahr, das macht uns arm und setzt unssehr zu. Es ist gewiß wahr, meine liebe Tochter, aber selig die Armen,denn ihrer ist das Himmelreich (Mt 5,3). Sie sollen das Leiden und dieGeduld Ijobs vor Augen haben und diesen großen Fürsten auf dem Dün-gerhaufen betrachten (Ijob 2,8); er hatte Geduld und am Ende verdop-pelte Gott seine zeitlichen Güter und vergalt ihm hundertfach mit denewigen.

Sie sind Tochter des gekeuzigten Jesus Christus; ist es da zu verwun-dern, wenn Sie an seinem Kreuz teilhaben? „Ich habe geschwiegen“,sagte David (Ps 39,10), „und habe nicht meinen Mund aufgetan, dennDu, o Herr, hast dies getan.“ O durch wieviel beschwerliche Vorkomm-nisse hindurch gehen wir doch in diese heilige Ewigkeit! Werfen Sie sorecht Ihr Vertrauen und Ihre Gedanken auf Gott; er wird Sorge um Sietragen (Ps 55,23; 1 Petr 5,7) und Ihnen seine gnädige Hand entgegen-strecken (Ijob 14,15).

Darum bitte ich ihn von ganzem Herzen, und daß er Sie in dem Maße,als er Ihnen Heimsuchungen schickt, auch stärke, diese in seiner heili-gen Hut auch recht zu ertragen.

AN EINE DAME

XVII, 166-169 (1176) Annecy, 5. März 1616.Denken Sie bitte nicht, meine liebe Nichte,63 meine Tochter, daß ich

aus Mangel an Gedanken oder an Zuneigung so lange gesäumt habe,Ihnen zu schreiben. Denn in Wahrheit hat der gute Wille, den ich in Ihrer

IV. Ruans 1761 – Eine Dame 1176

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Seele gesehen habe, Gott recht treu dienen zu wollen, in meiner Seeleden übermächtigen Wunsch geweckt, Ihnen nach all meinem Vermögenbeistehen und helfen zu wollen, ganz abgesehen von meiner Verpflich-tung Ihnen gegenüber und der Neigung, die ich immer für Ihr Herz ge-hegt habe, auf Grund der guten Meinung, die ich seit Ihrer zartestenJugend von ihm habe.

Doch muß man dieses geliebte Herz sorgsamst pflegen, meine liebeNichte, und nichts unterlassen, was seinem Glück nützlich sein könnte;und wenn sich dies auch jederzeit machen läßt, so ist doch die Zeit, in derSie jetzt stehen, die geeignetste dafür. Welch seltene Gnade ist es doch,meine liebe Tochter, damit anzufangen, diesem großen Gott zu dienen,solange das jugendliche Alter uns aufnahmefähig für alle Arten von Ein-drücken macht, und wie wohlgefällig ist die Opfergabe, bei der man dieBlüten mit den ersten Früchten des Baumes schenkt.

Halten Sie immer die Entschlüsse inmitten Ihres Herzens fest auf-recht, die Gott Ihnen schenkte, als Sie mit mir vor ihm standen;64 dennwenn Sie diese im ganzen sterblichen Leben bewahren, werden diese Siewiederum im ewigen bewahren. Um sie aber nicht bloß zu bewahren,sondern auch noch glücklich zunehmen zu lassen, bedürfen Sie keineranderen Ratschläge als derer, die ich der „Philothea“ im Buch der „An-leitung“ gegeben habe, das Sie besitzen; trotzdem will ich aber, um Ih-nen diesen Gefallen zu tun, mit wenigen Worten klarlegen, was ich haupt-sächlich von Ihnen wünsche.

1. Beichten Sie alle vierzehn Tage, um das göttliche Sakrament derKommunion zu empfangen, und gehen Sie niemals weder zu dem einennoch dem anderen dieser himmlischen Geheimnisse ohne den neuenund festen Entschluß, sich immer mehr von Ihren Unvollkommenheitenbessern zu wollen und mit einer immer größeren Reinheit und Vollkom-menheit des Herzens zu leben. Ich sage damit nicht, daß Sie nicht alleacht Tage kommunizieren könnten, wenn Sie dies aus heiligem Eifer tunwollen, vor allem, wenn Sie bemerken, daß durch dieses heilige Geheim-nis bedauerliche Neigungen und Unvollkommenheiten Ihres Lebensabnehmen; ich habe Ihnen aber diese vierzehntägige Frist angegeben,damit Sie es nicht länger hinausschieben.

2. Verrichten Sie Ihre geistlichen Übungen kurz und innig, damit IhrNaturell Ihnen nicht aus Angst vor ihrer Länge Schwierigkeiten bereiteund damit es sich nach und nach mit diesen Akten der Frömmigkeitvertraut mache. So sollen Sie z. B. ausnahmslos jeden Morgen die Mor-genübung verrichten, die in der „Anleitung“ angegeben ist. Damit Sie

IV. Eine Dame 1176

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dies kurz machen können, dürfen Sie, während Sie sich ankleiden, Gottdurch Stoßgebete danken, daß er Sie diese Nacht bewahrt hat, und auchden zweiten und dritten Punkt durchnehmen, nicht nur während desAnkleidens, sondern auch im Bett oder sonstwo, ohne Unterschied desOrtes oder irgendwelcher Handlungen. Dann, sobald Sie es können, knienSie nieder und nehmen Sie den vierten Punkt auf, wobei Sie mit folgen-dem Herzensruf beginnen: „O Herr, sieh dieses arme und elende Herz.“Dasselbe sage ich von der Gewissenserforschung, die Sie am Abend ver-richten können, wenn Sie sich zurückziehen, wo immer Sie sich befin-den mögen, sofern Sie nur den dritten und vierten Punkt kniend verrich-ten, wenn nicht eine Krankheit Sie daran hindert.

In der Kirche hören Sie die Messe in der Haltung einer wahren TochterGottes und gehen Sie lieber aus der Kirche und ziehen Sie sich zurück,als daß Sie in dieser Ehrfurcht nachlassen.

3. Lernen Sie oft Stoßgebete und Herzenserhebungen verrichten.4. Bemühen Sie sich, zu jedermann gütig und freundlich zu sein, vor

allem aber im eigenen Haus.5. Die bei Ihnen verteilten Almosen sollen auch – wenn möglich – stets

von Ihnen selbst ausgegeben werden; denn es ist tugendhafter, Almoseneigenhändig zu spenden, wenn es sich leicht machen läßt.

6. Besuchen Sie gern die Kranken Ihres Ortes; ist dies doch eines derWerke, auf die Unser Herr am Tag des Gerichtes besonders schauenwird (Mt 25,36).

7. Lesen Sie alle Tage ein bis zwei Seiten eines geistlichen Buches, umsich in der Freude daran und für die Frömmigkeit wachzuhalten; anFesttagen etwas mehr, was Ihnen die Predigt ersetzen wird.

8. Ehren Sie weiterhin sehr Ihren Schwiegervater, weil Gott es so will,hat er Ihnen diesen doch als zweiten Vater gegeben; und lieben Sie IhrenGatten herzlich, schenken Sie ihm mit liebevoller und einfacher Hinga-be jede Freude, die Sie ihm bereiten können. Ertragen Sie ruhig dieUnvollkommenheiten von wem immer, vor allem von den in IhremHaushalt lebenden Personen.

Ich sehe nichts, was ich Ihnen für den Augenblick noch sagen könnte,außer daß Sie mir, wenn wir uns wiedersehen, berichten werden, wie Siesich auf diesem Weg der Frömmigkeit verhalten haben. Wenn dann et-was zusätzlich gesagt werden muß, werde ich es tun. Leben Sie also,meine liebe Tochter, meine Nichte, ganz freudig in Gott und für Gottund glauben Sie mir, daß ich Sie recht innig liebe und immerdar bin,gnädige Frau, Ihr recht ergebener Onkel und Diener ...

IV. Eine Dame 1176

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AN FRAU GUILLET DE MONTHOUX

XVII, 305 (1254)65 Annecy, 10. November 1616.Wenngleich ich so spät auf Ihren Brief antworte, meine sehr liebe Toch-

ter, schreibe ich Ihnen noch immer nicht so viel, wie ich möchte. Dastehen Sie also jetzt mitten im Haushalt, das ist nun Ihre Aufgabe. Siemüssen das sein, was Sie sind: Familienmutter, da Sie Mann und Kinderhaben, und das sollen Sie gern sein und mit Liebe zu Gott, ja aus Liebe zuGott, wie ich klar genug der Philothea66 sage, und ohne Hast und Unru-he, soweit es möglich ist.

Ich weiß wohl, liebe Tochter, daß so etwas schwierig ist: Sorge füreinen Haushalt in einem Haus zu tragen, wo noch Vater und Mutterleben. Ich habe noch nirgends gesehen, daß Väter – und vor allem Mütter– die ganze Leitung des Haushalts den Töchtern überlassen, auch wennes manchmal so richtig wäre. Ich rate Ihnen, so sanftmütig und klug, alsSie nur können, das zu tun, was man Ihnen empfiehlt, ohne jemals denFrieden mit Vater67 und Mutter68 zu brechen. Es ist besser, wenn dieDinge nicht so gut geraten, die Menschen aber zufrieden sind, gegen dieman so viele Pflichten hat. Und wenn ich mich nicht täusche, ist doch IhrGemüt gar nicht auf Streit eingestellt. Der Friede ist mehr wert als Reich-tum. Was Ihrer Ansicht nach mit Liebe getan werden kann, das muß mantun; was aber nur mit Streitigkeiten erreicht werden kann, soll man blei-ben lassen, wenn man mit so achtbaren Personen zu tun hat.

Ich zweifle nicht, daß Abneigungen und Widerstreben in Ihrem Geistauftauchen. Das sind aber ebensoviele Gelegenheiten, meine liebe Toch-ter, die wahre Tugend der Sanftmut zu üben. Denn was wir jedem schul-den, soll gut, heilig und liebevoll getan sein, auch wenn es uns gegen denStrich geht und wir keine Lust dazu haben.

Das ist alles, meine liebe Tochter, was ich Ihnen gegenwärtig sagenkann. Ich will nur noch hinzufügen, daß ich Sie bitte, fest zu glauben, daßich Ihnen mit vollkommener und wahrhaft väterlicher Liebe zugetanbin, da es Gott so gefallen hat, Ihnen ein so großes und kindliches Ver-trauen zu mir einzugeben. Fahren Sie also fort, meine liebe Tochter,mich auch weiterhin herzlich zu lieben.

Verrichten Sie gut Ihre heilige Betrachtung. Werfen Sie oft Ihr Herz indie Hände Gottes hinein, lassen Sie Ihre Seele in seiner Güte ruhen undstellen Sie Ihre Sorgen, sowohl um die Reise Ihres lieben Gatten als auchum die übrigen Angelegenheiten, unter seinen Schutz.69 Tun Sie alles gut,

IV. Guillet de Monthoux 1254

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soviel Sie können, und überlassen Sie das übrige Gott, der es früher oderspäter je nach der Bestimmung seiner Vorsehung tun wird.

Ich möchte gern wissen, wer diese Pfarrer sind, deretwegen man übermich und meinen Bruder70 klagt; denn soweit es uns möglich ist, werdenwir aller Unordnung abzuhelfen suchen, wenn eine solche vorliegt. Ichbin aber recht froh, daß Ihr Pfarrherr ein ehrenhafter und kluger Mannist.

Gehören Sie immer ganz Gott an, meine liebe Tochter, und ich bin inihm ganz Ihr sehr ergebener Cousin und sehr zugeneigter Diener ...

AN DEN HERZOG ROGER DE BELLEGARDE

XVI, 55-58 (906) Annecy, 24. August 1613.Sehr geehrter Herr!

Ich habe inmitten all der Müdigkeit und anderer Folgeerscheinungen,die diese Krankheit hinterlassen hat, dieses Memorandum71 aufgesetzt,das Sie von mir zu verlangen beliebt haben. Ich habe einen Auszug beifü-gen wollen, damit Sie ihn bei Ihren Beichten leichter mit sich tragen unddurchsehen können, während die ausführliche Schrift Ihnen als Reserveverbleibt, damit Sie in Ihren Schwierigkeiten danach greifen und darinAufklärung finden können über das, was im Auszug unklar wäre. Dasganze ist ganz einfach, kunst- und farblos; denn solche Themen brau-chen das nicht, Einfachheit dient ihnen als Zierde, wie auch bei Gott, derihr Urheber ist. Sie werden, geehrter Herr, Spuren meiner Krankheitdarin finden; denn wenn ich dieses kleine Werk bei voller Gesundheitabgefaßt hätte, hätte ich zweifellos größere Sorgfalt darauf verwendet, esIhrer Aufnahme weniger unwürdig zu machen. Ich habe es nicht einmalselbst niederschreiben können, diejenigen aber, die es schrieben, habenkeinerlei Kenntnis von der ihm zugedachten Verwendung.

Gott sei auf ewig gepriesen für die Güte, deren er sich Ihrer Seelegegenüber befleißigt, indem er sie so stark zum Entschluß anregt, denRest Ihres sterblichen Lebens dem Dienst am ewigen Leben zu weihen;am ewigen Leben, das nichts anderes ist, als die Gottheit selbst in demMaße, als sie unseren Geist mit ihrer Herrlichkeit und Glückseligkeitbeleben wird. Es ist das einzig wahre Leben, um dessentwillen wir alleinin dieser Welt leben sollen, da alles Leben, das nicht in diese lebensvolleEwigkeit ausmündet, mehr Tod als Leben ist. Wenn aber Gott Sie so

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liebevoll angeregt hat, nach der ewigen Herrlichkeit zu streben, hat erSie ebensoviel verpflichtet, seine Eingebungen demütig aufzunehmenund sorgsam in die Tat umzusetzen, um nicht dieser Gnade und Herr-lichkeit beraubt zu werden. Dies nur nennen zu hören, erfüllt das Herzmit Entsetzen, sofern dieses nur den geringsten Mut besitzt.

Darum beschwöre ich Sie in der Einfalt meiner Seele, recht achtsamzu sein, das zu bewahren, was Sie haben, damit Sie „nicht Ihrer Kroneberaubt werden“ (Apg 3,11). Sie sind zweifellos berufen zu einer männ-lichen, tapferen, mutigen und beständigen Frömmigkeit, um vielen alsSpiegel für die Wahrheit der himmlischen Liebe zu dienen und damitIhre früheren Verfehlungen wieder gutzumachen, sofern Sie sich derEitelkeit irdischer Liebe hingegeben haben.72

Bitte sehen Sie, wie sehr ich meinen Geist in aller Freiheit um denIhren kreisen lasse und wie sehr dieser Vatername mich fortreißt, mitdem mich zu ehren Ihnen gefallen hat. Ist er doch in mein Herz einge-drungen und meine Empfindungen sind den Gesetzen der Liebe gefolgt,die dieser Name verkörpert, der größten, lebendigsten und stärksten Lie-be, die es gibt.

Kraft dieser Liebe muß ich Sie bitten, eifrig die Übungen zu betreiben,die ich in den Kapiteln 10, 11, 12 und 13 des zweiten Teiles der Anlei-tung für den Morgen und Abend, für die geistliche Einkehr und die Stoß-gebete angebe. Die gute Veranlagung Ihres Geistes und der Ihnen vonGott verliehene Edelmut werden Ihnen bei dieser Übung sehr zustattenkommen. Sie wird Ihnen umso leichter fallen, als Sie darauf nur einigeflüchtige Augenblicke zu verwenden brauchen, die Sie bei verschiede-nen Gelegenheiten hie und da anderen Tätigkeiten entziehen können.Der zehnte Teil einer Stunde, sogar weniger, wird für den Morgen genü-gen und ebensoviel für den Abend.73

Wenn Sie doch Ihre Seele liebevoll dazu bringen könnten, mein Herr,daß sie anstatt des Vorsatzes, ein Jahr hindurch (und ein Jahr hat dochzwölf Monate) jeden Monat zu kommunizieren, nach Beendigung des12. Monates einen 13., dann einen 14. und einen 15. anschließen würdenund so von Monat zu Monat weitermachen würden; welches Glück wäredies doch für Ihr Herz, das in dem Maße, als es öfter seinen Heilandempfängt, sich umso vollkommener in ihn umwandeln würde. Und dasließe sich gut ohne Aufsehen, ohne Beeinträchtigung Ihrer Aufgabenmachen, und ohne daß die Welt irgendetwas dazu zu sagen hätte. MeineErfahrung in 25 Jahren, die ich den Seelen diene, hat mich die allmäch-tige Kraft dieses Sakramentes spüren lassen, das die Herzen im Guten

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stärkt, vom Bösen befreit, sie tröstet und sie mit einem Wort in dieserWelt vergöttlicht, sofern es mit entsprechendem Glauben, mit Reinheitund Hingabe empfangen wird.

Doch damit ist nun genug gesagt. Der göttliche Heiland, Ihr Schutzen-gel und Ihre Hochherzigkeit werden vollenden, was mein Unvermögenmir nicht erlaubt, Ihnen vorzuschlagen. So bitte ich Unseren Herrn, ermöge Sie mehr und mehr überströmen lassen von seiner Güte. Ich binauf immer, mein Herr, Ihr sehr ergebener und treuer Diener.

XVI, 193-195 (982) Annecy, 31. Juli 1614.Sehr geehrter Herr!

Ich habe den Brief erhalten, mit dem sich Eure Hoheit herablassen,mich zu bitten, ich möge Sie von nun ab meinen Sohn nennen.

Obwohl ich so gering bin, will ich es doch tun, und ich denke, daß iches tun kann, ohne mich ins Unrecht zu setzen dem gegenüber, was Siesind, wenn man in Wahrheit selten ein solches Mißverständnis zwischeneinem so geringen Vater und einem so hochgestellten Sohn sieht. Aberdie Natur selbst, die so weise ist, hat einen gleichen Einzelfall in einerPflanze vorgebildet, die die Gärtner gewöhnlich „Sohn vor dem Vater“nennen, da sie Frucht trägt vor der Blüte. Und dann haben Sie ja, wie ichdenke, nicht meine Person vor Augen, sondern den heiligen Orden, demsie angehört, der ja der erste aller Orden74 in der Kirche ist, der Kirche,der anzugehören Sie die unvergleichliche Ehre und das Glück haben alslebendes Glied (Eph 5,30), und nicht bloß lebend, sondern, wie Ihreguten Bestrebungen es zeigen, belebt von der heiligen Liebe, die alleindas Leben unseres Lebens ist.

Ich werde Sie also von nun ab meinen Sohn nennen; da Sie aber meineständigen Beteuerungen der Achtung langweilen würden, mit denen ichdiesen Ausdruck der Liebe gebrauchen werde, will ich Ihnen ein fürallemal sagen, daß ich Sie meinen Sohn nennen werde mit zwei verschie-denen aber übereinstimmenden Gefühlen, mit denen Jakob zwei seinerKinder „Kind“ und „Sohn“ nannte. Denn sehen Sie, er nannte seinenlieben Benjamin seinen Sohn mit einem so von Liebe erfüllten Herzen,daß man deshalb seither alle von ihren Vätern geliebten Kinder so nann-te. Seinen teuren Sohn Josef aber, der Vizekönig in Ägypten gewordenwar, nannte er seinen Sohn mit einer so von Achtung erfüllten Liebe, daßdieser großen Ehrerbietung wegen sogar gesagt wird, daß er ihm huldigte(Gen 47,9). Denn wenn dies auch im Traum geschah, so hatte doch die-

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ser große Herr Ägyptens, als er noch Kind war, nicht eine Lüge, sonderndie Wahrheit gesehen, daß sein Vater unter dem Zeichen der Sonne ihmeine solch tiefe Ehrerbietung erwies, welches die Heilige Schrift alsHuldigung bezeichnet.

In dieser Weise also beteuere ich, Sie meinen Sohn nennen zu wollen:als meinen Benjamin der Liebe und als meinen Josef der Ehrerbietung.So wird der Name „Sohn“ von mehr Ehrerbietung, Achtung und Hoch-schätzung erfüllt sein als die Anrede „mein Herr“, einer Ehrerbietungaber, die ganz von Liebe durchtränkt ist; eine Mischung, die in meinerSeele eine angenehme Empfindung verbreitet, die ihresgleichen nichthat. Darum werde ich dem Namen „Sohn“ nicht „Herr“ voransetzen,außer manchmal, weil es dessen nicht bedarf, ist doch der eine Namevollkommener in dem anderen inbegriffen, als wenn es ausdrücklichgesagt würde.

Welche Freude ist es mir doch, mein lieber Sohn, wenn ich höre, daßSie der Herr mit dem großen Herzen sind, der inmitten dieser nichtigenEitelkeiten des Hofes fest im Entschluß seines Herzens verharrt, dasHerz Gottes zufriedenstellen zu wollen! Ach, tun Sie das, mein lieberSohn: fahren Sie damit fort, oft zu kommunizieren und die anderenÜbungen zu verrichten, zu denen Gott Sie so oft angeregt hat. Die Weltglaubt Sie bereits verloren zu haben und zählt Sie nicht mehr zu denIhrigen. Sie müssen sich recht davor hüten, daß diese Sie nicht zurückge-winnt, denn das hieße, daß Sie sich völlig verlieren, wenn Sie sich vondieser unseligen Welt gewinnen ließen, die Gott verurteilt hat und aufewig verurteilen wird. Die Welt wird Sie bewundern und trotz ihres Är-gers darüber Sie mit Achtung anschauen, wenn Sie inmitten ihrer Palä-ste, Galerien und Kabinette sorgsam die Regeln der Frömmigkeit be-wahren, aber einer Frömmigkeit, die ganz weise, ernst, stark, beständig,edel und ganz liebevoll ist. Mein lieber Sohn, Gott sei immerdar IhreGröße und die Welt Ihre Verachtung und ich bin eben der Vater, der Siewie seinen Benjamin liebt und wie seinen Josef ehrt.

XXI, 115 (2036) August 1614.Gewiß, ich will Eure Hoheit von nun an so innig, treulich und ach-

tungsvoll lieben, daß die Verbindung von Kraft, Treue und Achtung dieabsoluteste Liebe und Hochschätzung bilden, die Ihnen jemals von ir-gendeinem Menschen, dem Sie Anlaß dazu gegeben haben, entgegenge-bracht worden ist; so kann der Titel eines Vaters, mit dem Sie michauszeichnen, nicht hoch, mächtig und zärtlich genug sein, um den Eifer

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auszudrücken, mit dem ich darauf antworte. Gott, in Anbetracht dessendiese so innige Verbindung ins Leben gerufen wurde, wird sie mit seinerheiligen Gnade segnen, damit sie fruchtbar sei in der gegenseitigen Freu-de der Herzen, die gemeinsam, eines durch das andere und eines imanderen, inmitten dieses sterblichen Lebens nur bestrebt seien, die Ewig-keit des unsterblichen Lebens zu lieben und zu preisen, in dem allein dasLeben lebt und herrscht, außerhalb dessen alles tot ist. Was will ich imHimmel und auf Erden (Ps 73,25) für meinen hochgeschätzten Sohnund für mich, als immerdar von diesem Leben der Kinder Gottes zuleben? ...

XVI, 212-213 (992) Annecy (August) 1614.Sehr geehrter Herr!Es läßt sich gar nicht sagen, mit welchem Eifer meine Seele der Ihren

die Vollkommenheit der Liebe Gottes wünscht. Den besten Beweis da-für, um diese Leidenschaft zum Ausdruck zu bringen, schenken Sie mir,sofern man darin etwas Wunderbares versteht, das ich „Wunder“ nennenwürde, wenn ich nicht Gott und Ihrem Gebot zufolge daran mitgewirkthätte. Gewöhnlich ist die väterliche Liebe daher so mächtig, weil sieherabströmt wie ein Fluß, dessen Quelle am Berghang entspringt; inunserem Fall aber steigt meine Liebe, die meiner Kleinheit entspringt,zu Ihrer Größe empor, gewinnt im Ansteigen an Kraft und beschleunigtim Emporstreben ihre Geschwindigkeit. Daher ist die väterliche Liebebei anderen mit dem Wasser vergleichbar, diese aber mit dem Feuer. Ichschreibe gewiß ohne Überlegung und sehe, daß ich Ihr Wohlwollen miß-brauche, wenn ich so meine Einfälle erzähle.

Gott halte Sie mit seiner heiligen Hand und festige mehr und mehrdieses hochherzige und himmlische Streben, das er in Sie hineingelegt hat,ihm Ihr ganzes Leben zu schenken. Es ist nur gerecht und billig, „daß dieLebenden nicht für sich selbst, sondern für Ihn leben, der für sie gestorbenist“ (2 Kor 5,15). Eine große Seele stößt mit der Fülle ihrer besten Gedan-ken, Neigungen und Bestrebungen bis ins Unendliche der Ewigkeit vor;und da sie ewig ist, achtet sie für zu gering, was nicht ewig ist, für zu klein,was nicht unendlich ist; sie gleitet über diese kleinen Genüsse oder besserdiese billigen Verlockungen hinweg und hält ihre Augen auf die Unend-lichkeit der ewigen Güter und ewigen Jahre geheftet.

In dem Maße, als Sie gewahr werden, daß die Luft bei Hof verpestet ist,müssen Sie sorgsam Vorbeugungsmittel gebrauchen. Gehen Sie am Mor-

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gen nicht aus, ohne daß Sie im Herzen den Gedanken an Ihre in derGegenwart Gottes erneuerten Entschlüsse tragen. Und am Abend sollenSie nach Verrichtung Ihres kleinen Gebetes zwölf Zeilen in irgendeinemAndachtsbüchlein lesen, denn das würde die Ansteckungsgefahr min-dern, welche die Begegnungen des Tages an Ihr Herz herangebracht ha-ben könnten. Und wenn Sie sich oft im milden und gnadenvollen Arz-neimittel der Beichte reinigen, könnte ich hoffen, daß Sie wie der be-rühmte Feuervogel in den Flammen verbleiben, ohne Ihre Flügel zuversengen. Glückselig die Mühe, so groß sie auch sei, die uns von derewigen Pein freimacht! Wie liebenswert ist doch die Plage, deren Beloh-nung unendlich ist.

Ich bin mit einem mehr als väterlichen Herzen ...

XVI, 223-224 (997) Annecy, 12. September 1614.Ich habe keine größere Ehre in dieser Welt, mein Sohn, als der Vater

eines solchen Sohnes genannt zu werden, und keine angenehmere Freu-de, als zu sehen, wie sehr Ihnen dies gefällt. Aber ich will darüber nichtsmehr sagen, da es auch für mich nicht in Worten ausdrückbar ist; esgenügt mir, daß Gott mir diese Gnade erwiesen hat, die mir alle Tageköstlicher dünkt, wenn man mir von allen Seiten berichtet, daß Sie fürGott leben, wenngleich Sie in dieser Welt sind.

O Jesus, mein Gott, welches Glück, einen Sohn zu haben, der so wun-dervoll die Gesänge Zions auf Babylons Boden zu singen weiß! Die Is-raeliten redeten sich damals darauf hinaus, daß sie nicht nur unter denBabyloniern, sondern auch noch Gefangene und Sklaven der Babylonierwaren (Ps 137,1-4); wer aber nicht ein Sklave des Hofes ist, kann auchbei Hof den Herrn anbeten und ihm heilig dienen. Nein gewiß, meinlieber Sohn, mögen Sie auch Ort, Beschäftigung und Gespräche wech-seln, so werden Sie doch niemals, wie ich hoffe, Ihr Herz ändern, wederIhr Herz dessen Liebe, noch Ihre Liebe deren Gegenstand, da Sie keinewürdigere Liebe für Ihr Herz, noch einen würdigeren Gegenstand fürIhre Liebe wählen könnten als Ihn, der Sie auf ewig glücklich machensoll. So wird auch die Vielfalt der Gesichter bei Hof und in der Welt IhrGesicht nicht ändern, dessen Augen immer auf den Himmel gerichtetsind, nach dem Sie streben und dessen Mund immer das allerhöchsteGut anruft, auf das Sie hoffen.

Denken Sie doch bitte, mein lieber Sohn, ob es nicht eine unvergleich-liche Freude für mich gewesen wäre, bei Gelegenheit dieser „Stände“75

selbst zu Ihnen gehen zu können, um zu Ihnen mit diesem neuen Ver-

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trauen zu sprechen, das der Name Vater und Sohn mir verliehen hatte.Da Gott es aber nicht wollte, da er zuließ, daß ich hier festgehalten bin,dürfen weder Sie noch ich es wollen. Sie werden also mein Josua sein,der selbst für die Sache Gottes streiten wird; und ich werde hier wieMose meine Hände zum Himmel ausstrecken (Ex 17,10-12) und überSie die göttliche Barmherzigkeit herabflehen, damit Sie die Schwierig-keiten überwinden können, auf die Ihre gute Absicht stoßen wird.

Ich will Sie nicht mehr bitten, mich zu lieben, da ich Ihnen kürzer undausdrücklicher sagen kann: seien Sie also mein echter Sohn von ganzemHerzen, denn ich bin auch von meinem ganzen Herzen nicht nur Ihr sehrergebener und gehorsamer Diener, sondern auch Ihr Ihnen unendlichliebevoll zugetaner Vater ...

XVII, 129-131 (1156) Annecy, 6. Januar 1616.Verehrter Herr!

Zu Beginn dieses neuen Jahres bringe ich Ihnen meine Wünsche undmeinen Gehorsam dar, verschieden gewiß von den Jahren, die alle inihrer Unbeständigkeit und ihren Umwälzungen vergehen, während dieunbegrenzte Zuneigung, die ich zu Ihrer Ehre habe, fest, beständig undjedem anderen Wechsel fremd bleibt als dem, daß diese Zuneigung stetsgrößer wird. Sie wurde ja von der ewigen Hand Gottes geformt; ebensowurde das Wohlwollen, das Sie für mich hegen, in Ihrem Geist von Gottgeschaffen und daher für ewig. Diese so ganz wunderbare Leidenschafthat mich über die Gesetze der Natur hinaus damit beschenkt, Sie alsSohn haben zu dürfen, während sie Ihnen, mein Herr, den Mut und dieDemut verlieh, mich als Ihren Vater anzuerkennen.

Wieviele Male doch, mein lieber Herr Sohn, drängt mich dieser Nameund dieses Herz eines Vaters, das ich Ihnen gegenüber hege, mit Liebeund Eifer die göttliche Güte anzuflehen, die es so gewollt hat, sie mögeIhre Seele mit seiner heiligen Liebe erfüllen und ihr himmlisches Reichin Ihnen errichten! Ich weiß wohl, daß gute Kinder oft an ihren Vaterdenken; aber nicht nur oft, sondern immer haben die Väter ihren Geistbei ihren Kindern.

Bewahren Sie, mein sehr lieber Herr Sohn, diese Hochherzigkeit, dieSie über die zeitlichen Angelegenheiten hinaushebt, über die Sie hin-weggehen wie eine glückliche Seeschwalbe, und halten sich inmitten derWellen über den Wassern, die diese Welt überfluten. Halten Sie IhreAugen auf die heilige Ewigkeit geheftet, auf die wir durch den Ablauf der

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Jahre hinschreiten. Die Jahre gehen dahin; es ist wie eine Ablöse vonPost zu Post, bis wir zu diesem Ziel gelangen.

In diesen Augenblicken jedoch ist wie in einem kleinen Kern der Sameeiner ganzen Ewigkeit eingeschlossen und in diesen kleinen Werken derFrömmigkeit, die wir ausüben sollen, liegt der Preis der unendlichenFülle der Herrlichkeit (2 Kor 4,1); diese kleine Mühe, Gott zu dienen,schafft die Ruhe einer dauerhaften Freude. Gesegnet sei immerdar dasBlut des Heilands, das uns das Heil so leicht gemacht hat!

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, mein Sohn, wie sehr es mich freut, zuerfahren, daß Ihr Bruder, dieser würdige und tapfere Edelmann, den Siean Kindesstatt halten, sich nun verheiratet hat.76 Ich zweifle nicht, daßihm das eine große Möglichkeit geben wird, Gott gut zu dienen. Seinhochherziger Mut wird ihn gewiß dazu genügend antreiben. Ich denkemir auch, mein Herr, daß Ihre Befriedigung darüber groß ist. Und wennGott meine Wünsche erhört, wird dieser Ehe jede Art von Segen erblü-hen und sie wird zur gegebenen Zeit die Frucht (Ps 1,3) einer wünschens-werten und schönen Nachkommenschaft tragen.

Ich verfüge nicht über die Kunst, mich redselig über dieses Gefühlauszulassen, um dessen Größe zu bezeugen; ich schreibe hauptsächlichganz aufrichtigen Herzens an Eure Hoheit, die sich mit der Tatsachemeiner Zuneigung zufriedengibt. Aber mein Brief wird nun zu lange.

Leben Sie immerdar in Gott und für Gott, mein Herr, und seien Siebeständig zugetan ihrem sehr ergebenen und gehorsamen Diener ...

XVII, 271-273 (1231) Annecy, 15. August 1616.Sie brauchen sich doch niemals entschuldigen, mein Herr, wenn Sie

mir nicht schreiben, da ich doch die Ehre habe, daß Sie mein lieber Sohnsind. Ich vermag ebensowenig an Ihrer Kindesliebe mir gegenüber zuzweifeln, wie ich nicht leben kann, ohne ständige Gefühle väterlicherLiebe für Sie in meinem Herzen zu empfinden. Wo die Liebe vollkom-men ist, findet Mißtrauen keinen Platz. Dennoch ist es wahr, mein Sohn,daß Ihre Briefe mir immer äußerste Freude bereiten, da ich doch indiesen Briefen die Züge Ihrer natürlichen Güte und der heiligen LiebeIhrer Seele sehe oder wenigstens errate. Ihre Seele schafft und nährt dieInnigkeit Ihrer Kindesliebe, mit der Sie mich überschütten und die michmit Freude erfüllt. Erweisen Sie also, ich bitte Sie, meinem Geist oftdiese Gnade, mein Sohn, aber nur dann, wenn Sie es gut tun können,

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ohne daß es Ihnen schwer fällt. Denn wenn Ihre Briefe mir auch teurersind, als ich sagen kann, würden sie mich schmerzen, wären sie Ihnenbeschwerlich. Liebe ich doch nach der Art der Väter mehr Ihre Befriedi-gung als die meine.

Da ich aber Ihnen, mein lieber Sohn, nicht oft schreiben kann, weil ichwenig Möglichkeiten dafür habe, will ich diese Unterlassungen gutma-chen, indem ich Ihnen das Buch über die „Gottesliebe“ schicke, das ichder Welt noch kaum vor Augen geführt habe, und bitte Sie, wenn IhreZuneigung zu mir in Ihnen manchmal den Wunsch wachruft, Briefe vonmir zu bekommen, dann diese Abhandlung zu nehmen und ein Kapiteldaraus zu lesen; Sie sollen sich vorstellen, wenn es je einen Theotimusauf dieser Welt gibt, an den sich meine Worte richten, daß Sie unter allenMenschen mein teuerster Theotimus sind.

Der Verleger hat mehrere Fehler in dieses Werk einschleichen lassen,aber auch ich viele Unvollkommenheiten; aber wenn es vollkommeneArbeiten auf dieser Welt gibt, dürfen sie nicht in meinem Laden gesuchtwerden. Wenn Sie dieses Werk fortlaufend lesen, wird es Ihnen schließ-lich mehr gefallen.

Seit drei Tagen haben wir hier den Prinzen von Piemont, der mir dieEhre erwies, ganz unerwartet bei mir abzusteigen ... seither wohnt er imSchloß. Er ist der freundlichste, liebenswürdigste und frömmste Prinz,77

den man finden könnte; ein Herz voll Mut und Gerechtigkeit, ein ur-teilsfähiger und geistvoller Kopf und eine Seele, die nur nach dem Gutenund der Wahrheit trachtet, nach der Liebe seines Volkes und vor allemnach der Gottesfurcht. Ich bin sicher, daß Sie noch vor Erhalt vorliegen-den Schreibens die Ursache seines Kommens wissen.

Schließlich will ich Ihnen noch, mein lieber, hochgeachteter Sohn,alle himmlischen Segnungen wünschen; doch das tue ich mit jedem Atem-zug, da ich doch die Gunst und das Glück habe, als Ihr Vater zu geltenund immerdar sein soll und auch bin Ihr sehr ergebener und gehorsamerDiener ...

Ich schreibe Ihnen in aller Eile und bin sicher, daß Sie auf Grundmeines Auftrages ein zweites Buch noch aus Lyon erhalten werden. Omein Gott, wie freue ich mich, daß Ihre Frau Schwester ein Kind erwar-tet, wie man mir versichert.78

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XVIII, 245f (1446) Annecy, 9. Juli 1618.

Mein sehr lieber Herr Sohn!Ich kann Ihnen gar nicht sagen, von wievielen Sorgen mein Herz ge-

quält war ob der Ungewißheit über Ihre Gesundheit. Wie unterschiedli-che Auskünfte habe ich doch vor ungefähr zwei Monaten erhalten! AberGott sei gepriesen, nachdem ich schon Ihr Hinscheiden beweint undbitter beklagt hatte, das mir angezeigt wurde, preise ich seine göttlicheMajestät und flehe sie mit unvergleichlicher Freude um Ihr Leben an,das Sie von nun ab sicherlich lieben sollen, mein sehr lieber Herr Sohn,da Sie sehen, wieviel guten Menschen dieses Leben als sehr nützlich fürsie erwünscht ist; denn man schrieb mir von Gex, daß man in Ihremganzen Regierungsbereich öffentliche Danksagungen an die göttlicheGüte für Ihre Gesundheit verrichtet hat. Und selbst in diesem Land hierhat man solche, wenn schon nicht öffentlich, so doch allgemein verrich-tet, und ich habe ganz besonders innig Dank gesagt, habe ich doch durchIhre Genesung eine der größten Wohltaten seit langer Zeit empfangen.

Lieben Sie also Ihr teures Leben, mein lieber Herr Sohn, und tun Siesodann zwei Dinge für sein Wohl: nämlich es sorgsam bewahren durchdie entsprechenden Mittel, indem Sie die Schwäche und Abnützung, dieAlter und Krankheiten ihm verursacht haben, durch Ruhe und geeigneteNahrung stützen und aufrichten.

Das andere und erste Mittel wird sein, wenn Sie schon bis jetzt dieAbsicht gehabt haben, alle Augenblicke Ihres gegenwärtigen Lebens derUnsterblichkeit und Ewigkeit des künftigen Lebens zu widmen, nun denEntschluß dazu und die Vorsätze zu verdoppeln, die Tage und Stundenzu zählen und sie liebevoll für Ihren Fortschritt in der göttlichen Liebezu verwenden, für die Verbreitung der Frömmigkeit unter den Weltmen-schen und schließlich für die Ausübung der heiligen Tugenden, welchedie Gnade Gottes und Ihre gute Veranlagung Sie schon seit langem lie-ben und ersehnen ließ. Ich meinerseits höre gewiß nicht auf, dafür zubeten. Ich sehe ja bereits, so scheint es mir, durch eine sichere Vorah-nung, daß alles schon durchgeführt ist. Außerdem ist es eine unsagbareBefriedigung zu wissen, wie sehr Ihr Herr Bruder darin glücklich sich alsBruder erweist ...79

Leben Sie lange, glücklich und heiligmäßig; dies ist der persönlicheWunsch, mein Herr Sohn, Ihres sehr ergebenen und gehorsamen Die-ners ...

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VVVVV. Briefe aus den Jahren 1617-1622. Briefe aus den Jahren 1617-1622. Briefe aus den Jahren 1617-1622. Briefe aus den Jahren 1617-1622. Briefe aus den Jahren 1617-1622

Zwei Städte sind es vor allem, die in diesem Abschnitt aus den letzten Le-bensjahren des hl. Franz von Sales sehr stark hervortreten: Grenoble und Pa-ris. Daneben nimmt seine Korrespondenz mit den Oberinnen und Schwesternder Heimsuchung immer mehr zu; diese und die Briefe an die damals so eifrigeAngelique Arnauld sind aber dem nächsten Band vorbehalten.

Die Fastentpredigten 1617 in Grenoble haben Franz von Sales eine Anzahlvon geistlichen Töchtern zugeführt: die Damen Blanieu (A 1), Le Blanc vonMions (E), Veyssilieu (E), Granieu (E), Sautereau (A 13), Bouquéron (A 50),de la Baume (A 52), du Faure (A 53) und andere.

Sein Aufenthalt in Paris 1618/1619 bringt ihn in Beziehung zur religiösenElite unter den Laien von Paris: mit den Schwestern Villeneuve und Lhuillierde Frouville (E), mit den Damen Villesavin (E), Le Maitre (E), Frau Le Loupde Montfan und ihrer Tochter, der Gräfin Dalet (E), mit der Familie Arnauld,mit den Damen Rossillon (A 54), Lamoignon (A 61), Anne Le Beau (A 62), LeNaint de Cravant (A 63), Amelot (A 68), Jomaron (A 73), Amaury (A 87),Baudeau (A 90), Pechpeirou (A 93).

Wenn Franz von Sales von Savoyen fern ist, gehen viele seiner Briefe in diegeliebte Heimat. Auch in diesem Abschnitt seines Lebens sind neue Korrespon-denten in Savoyen hinzugekommen, Verwandte, Freunde, geistliche Töchter,die in den Anmerkungen jeweils genannt werden. Die Briefe werden allerdingsseltener und kürzer, denn die Verpflichtungen häufen sich immer mehr. Zu denseelsorglichen und bischöflichen Aufgaben kommen noch Aufträge von Romund offizielle Reisen im Auftrag des Herzogs von Savoyen. Auf einer dieserReisen bricht Franz von Sales zusammen; der Strom seiner Briefe bricht jäh ab.Der letzte überlieferte Brief stammt vom 25. Dezember 1622; am 28. Dezember1622 starb Franz von Sales in Lyon.

DIE PRÄSIDENTIN LE BLANC DE MIONS.

Die Präsidentin Le Blanc de Mions (geb. Ennemonde Chausson) lernte Franzvon Sales schon 1615 im Kloster der Heimsuchung zu Lyon kennen. Ihr Mannwurde 1615 zweiter Präsident der Finanzkammer zu Grenoble, zeichnete sichdurch Verschwendung und Leichtsinn aus. Bei seinem Tod (1643) hinterließ erseinen Erben beträchtliche Schulden. Die Frau Präsidentin, ausgestattet mitallen Vorzügen körperlicher Schönheit, hohen Geistesgaben und großenEinflußes in der Gesellschaft, litt trotzdem an schweren Depressionen, vondenen sie mit Hilfe des hl. Franz von Sales und der hl. Johanna-Franziska vonChantal befreit wurde. Sie erhielt vom Erzbischof von Lyon die Erlaubnis,zeitweise im Kloster der Heimsuchung zu leben, und ließ sich dort SchwesterBarbe-Marie nennen. Sie war die Triebfeder der Klostergründung von Grenoble.

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Bei der Nachricht von ihrem Tod (1616) sagte Franz von Sales von ihr, daß sieeine seltene Frau war, ein großes Lob aus solchem Mund (Oeuvres XVII, S. 22,Anm. 3; S. 349, Anm. 4; S. 366, Anm. 1). Jedenfalls war sie eine der hervorra-gendsten geistlichen Töchter des hl. Franz von Sales.

Wir bringen hier zwei Briefe an die Präsidentin, die sicher echt sind. Zweiandere Briefe in den Oeuvres, die angeblich an sie gerichtet sind (Nr. 1516 vom22. April 1618 und vom 23. Mai 1618) sind von zweifelhafter Echtheit undenthalten nichts Neues.

MADAME DE VEYSSILIEU.

Marguerite de la Croix de Chevrière hatte 1608 Laurent Rabat, Herrn vonVeyssilieu geheiratet. – Die Familie, aus der sie stammt, war eine der angese-hensten Familien des Dauphiné. Schon vor ihrem Zusammentreffen mit Franzvon Sales galt sie als Vorbild der Bescheidenheit, Frömmigkeit und Demut;nachdem Franz von Sales ihr Seelenführer geworden, entfaltete sich ihr Tugend-leben umso kraftvoller, je mehr Franz von Sales und die hl. Johanna-Franziskavon Chantal auf sie Einfluß gewannen. Sie half das Kloster der Heimsuchungin Grenoble zu begründen. Eine ihrer Töchter trat in den Orden ein und grün-dete das zweite Kloster der Heimsuchung in Grenoble, dessen große Wohltäte-rin auch Frau von Veyssilieu war (1648). Im ersten Kloster zu Grenoble konnteFrau von Veyssilieu oft auch mit der hl. Johanna-Franziska von Chantal redenund sprach noch 50 Jahre später über dieses schöne Zusammenwirken mit derGründerin der Heimsuchung und mit den ersten Schwestern von Grenoble (s.Oeuvres XVII, 371-372, Anm.).

MADAME DE GRANIEU.

Als Franz von Sales 1617 die Fastenpredigten in Grenoble hielt, wohnte erbei Frau von Granieu, um welche sich ein Kreis frommer Damen sammelte, dievon Franz von Sales außer den Fastenpredigten noch besondere Konferenzenüber die Frömmigkeit hörten.

Laurence de Ferru, geboren 1579, verlor früh ihre Eltern, wurde 16 Jahre alt(1595) Herrn von Granieu angetraut, war schon, bevor sie Franz von Saleskennenlernte, das Muster einer echten Christin. Sie stellte sich sofort unter dieLeitung des hl. Franz von Sales, der nun ihren glühenden Eifer zu mäßigen undzu regeln hatte. Sie gehörte zu den Eliteseelen, die sich unter der gütigen undfesten Führung des Heiligen zu hoher Frömmigkeit entfalten konnten. Mit derhl. Johanna-Franziska von Chantal war sie eng befreundet, den beiden Klö-stern der Heimsuchung in Grenoble war sie eine edle Wohltäterin. Sie starb1652 und wurde im zweiten Kloster der Heimsuchung in Grenoble bestattet.

MADAME DE VILLENEUVE.

Marie Lhuillier, Tochter des Franz Lhuillier, Herrn von Trouville, und AnneBrachet von Henneques, wurde 1595 geboren und 15 Jahre alt mit Herrn von

V. Einführung

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Villeneuve, Ratsherrn des Königs, verheiratet. Die Bücher des hl. Franz vonSales bewirkten in der jungen Frau eine solche Ehrfurcht vor deren Verfasser,daß sie beschloß, ihn über die schwierige Frage der Nichtigkeitserklärung derEhe ihrer Schwester zu befragen. Als Franz von Sales nach Paris kam, stelltesich Frau von Villeneuve hochherzig unter seine Leitung. Franz von Sales er-kannte, daß diese Frau von der Vorsehung ausersehen war, die Kirche mit einerreligiösen Familie zu beschenken, „die sich der Erziehung und religiösen Ver-tiefung der Mitmenschen“ widmen sollte. Wird Gott ihm noch die Lebenszeitdafür schenken, wird er selbst an der Errichtung einer solchen Kongregationarbeiten? Frau von Villeneuve entschloß sich zu diesem Werk und erhielt vonFranz von Sales eine Abschrift der Satzungen der Heimsuchungsschwestern,wie sie zuerst geplant waren. Auf diesen Satzungen beruhen die der „Kreuzes-töchter“, mit denen Frau von Villeneuve aber erst 1636 beginnen konnte undderen Gründung vom hl. Vinzenz von Paul und von der hl. Johanna-Franziskavon Chantal lebhaft als Verwirklichung eines Wunsches des hl. Franz von Salesbegrüßt wurde. Frau von Villeneuve legte selber 1641 die Gelübde in dieserKongregation ab und verschied 1650, nachdem sie diese Gemeinde neun Jahredurch ein heilig-mäßiges Leben erbaut hatte.

Mit ihrer Schwester Helene Lhuillier de Frouville verband sie innige Liebe.Diese trat nach einer schweren Jugend nach Nichtigkeitserklärung ihrer Ehe inden Orden der Heimsuchung ein. Über sie wird in einer eigenen Notiz vomBeginn der ersten an sie gerichteten Briefe des hl. Franz von Sales berichtet.

DIE PRÄSIDENTIN VON HERSE.

Charlotte de Ligny hatte Herrn Vialart de Herse, Ratsherrn des Königs undPräsidenten „aux Requêtes“ geheiratet. Sie wird beschrieben als „Frau hohenGeistes, unbezwinglichen Mutes und unvergleichlichen Eifers für das Gute“.Sie stellte sich wie viele anderen Damen unter die Führung des hl. Franz vonSales, um später wie die andere edelmütige Mitarbeiterin des hl. Vinzenz vonPaul an den Werken der Nächstenliebe zu werden. Sie lebte noch 1633 (XVIII,331, Anm.). Von Briefen des hl. Franz von Sales an sie sind nur erhalten einkurzes Billet, in dem der Heilige dankbar die Benützung ihrer Karosse an-nimmt (XVII, 331), und zwei Briefe, die hier übersetzt sind vom 7. Juli 1620(XIX) und vom 23. Januar 1622 (XX).

MADAME DE VILLESAVIN.

Sie lernte Franz von Sales 1604 in Dijon kennen und sah ihn oft im Hausihres Vaters, des Grafen Blondeau, und ihres Mannes und anderswo. Sie kor-respondierten oft miteinander. Von den Briefen des hl. Franz von Sales sind unsnur wenige geblieben. Durch ihren Reichtum konnte sie in Paris viele guteWerke unterstützen. Sie starb in hohem Greisenalter im Jahr 1687. – In diesemBrief schreibt Franz von Sales, daß sie sich kaum noch sehen werden. Da aberihr Mann im Gefolge des Königs bei dessen Zusammentreffen zur Versöhnungmit der Königin-Mutter Marie de Medici war und seine Frau ihn begleitete,trafen Franz von Sales und Frau de Villesavin sich wieder in Tours.

V. Einführung

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MADAME LE MAITRE.

Catherine Arnauld, die Älteste der Töchter des Herrn Antoine Arnauld unddessen Frau Catherine Marion, war nach damaligem Brauch für die Ehe be-stimmt. Als Issac Le Maitre, ein hoher königlicher Beamter, um ihre Handanhielt, war sie erst 11 oder 12 Jahre alt. Dieser Mann flößte ihr aber solchenWiderwillen ein, daß man sie nicht dazu zwingen wollte. – Er heiratete daraufFrl. Melyos, die nach zwei Jahren starb. Als nun Herr Le Maitre zum zweitenMal um sie anhielt, willigte Catherine zu ihrem Unglück ein. Nach einigenJahren stillen Martyriums eröffnete Catherine ihrem Vater, was sie durchmach-te. Ihr Mann war Protestant, ohne daß dies bekannt war. Sein unmoralischesLeben und seine Brutalität machten seine beiden Frauen unglücklich. HerrArnauld war empört, als Catherine ihm erzählte, was sie gelitten hatte. Ererreichte, daß die Ehe getrennt wurde (1616). Frau Le Maitre lebte jetzt nurnoch für Gott und für ihre Kinder. Sie trat später in Port-Royal ein und starb1651. – Franz von Sales nahm sich ihrer liebevoll an, er dürfte von ihr vieleBriefe erhalten haben; von ihm selbst hat man noch drei Briefe an Frau LeMaitre.

FRAU LHUILLIER DE FROUVILLE.

Helene Lhuillier de Frouville verlor ihre Mutter, Anne Brachet, deren hoheTugend die Gunst Heinrichs IV. abgelehnt hatte, im Alter von zehn Jahren. –Schon mit 13 Jahren verlobte sie ihr Vater mit einem reichen Adeligen. Nachdrei Jahren, die sie in der Familie des jungen Mannes inmitten von Luxus,Vergnügungen und Schmeicheleien verbracht hatte, wurde die Verlobung imEinvernehmen beider Verlobter gelöst. Ihr Vater hatte es eilig, sie im Alter von16 Jahren mit einem hohen adeligen Beamten des Königs zu verheiraten. DieEhe wurde ihr zu einem ständigen Martyrium, das sie ihrem Vater verheimlich-te. Als er davon auf indirektem Weg erfuhr, unterbreitete er wütend die Ange-legenheit dem geistlichen Gericht, die Ehe wurde für nichtig erklärt. – HeleneLhuillier litt aber unter schweren Bedenken über die Gültigkeit des Bruchesmit ihrem früheren Gatten. In ihren Ängsten nahm sie zu Franz von Sales ihreZuflucht, zuerst schriftlich durch ihre jüngere Schwester, Frau von Villeneuve,und dann mündlich, als Franz von Sales 1618 nach Paris kam. Der Heiligeberuhigte sie. Es blieb aber die Frage, wie sie ihre Zukunft gestalten sollte.Franz von Sales beeilte sich nicht, erst 1620 schrieb er ihr den entscheidendenBrief, in dem er ihr anriet, sich in ein Kloster zurückzuziehen, zunächst viel-leicht als Wohltäterin. Helene aber entschloß sich hochherzig für das Ganze.Am 2. Juli 1620 kam der Brief des Heiligen in ihre Hände und am selben Tagbat sie um Aufnahme in die Heimsuchung von Paris als Novizin. – Damitbegann ein heiligmäßiges Leben inmitten von Prüfungen aller Art. In dreiPerioden war sie Oberin des ersten Klosters von Paris und gründete selbst oderdurch ihre Töchter eine Anzahl von Klöstern. Sie starb im Jahr 1655 (OeuvresXIX, 213, Anm.).

V. Einführung

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MADAME LE LOUP DE MONTFAN und GRÄFIN DALET.

Die acht Briefe an die beiden Damen, Mutter und Tochter, betreffen dengleichen Gegenstand: deshalb sollen sie gemeinsam vorgestellt werden.

Charlotte Le Loup de Montfan, Tochter von Jean de La Motte-Canillac undGilberte de Chabonne, heiratete in zweiter Ehe den Grafen von Montfan, Herrnvon Préchonnet. Einerseits fromm und freigebig, besaß sie andererseits einenherrschsüchtigen, zornmütigen Charakter. Durch ihre Verschwendungssuchtbrachte sie ihr Haus an den Rand des Abgrunds; als ihre Tochter sich demAnsinnen widersetzte, mit ihrem Vermögen den Ruin aufzuhalten, bekam sieden Zorn der Mutter zu spüren. Bei ihrem Tod (1630) hinterließ sie vieleSchulden und das Vermögen ihrer Enkelkinder in heilloser Unordnung.

Ihre einzige Tochter Anne Thérèse, 1593 geboren, folgte ihrer Mutter an denköniglichen Hof. Von Gefallsucht besessen, war sie bald heiß umworben, aberbereits 1607 mit dem Grafen Gilbert de Dalet verheiratet. Beiden war die„Anleitung zum frommen Leben“ des hl. Franz von Sales maßgebend für ihreLebensführung, bis die junge Gräfin im März 1620 Witwe wurde mit vier klei-nen Kindern. – Das erste, was die Witwe nach dem Tod ihres Mannes tat, wardas Gelübde der Keuschheit und der Errichtung eines Klosters der Heimsu-chung in der Auvergne, was bereits im Juni 1620 zu Montferrand erfolgte. –Die Gräfin Dalet verband bald eine innige Freundschaft mit der Mutter Favre,Oberin des Klosters von Montferrand, was ihre Mutter sehr ungern sah. Als nunein reicher Adeliger sich um die Hand der jungen Witwe bewarb und diese inihrem Entschluß unerschütterlich blieb, brach das Gewitter los. Bitten, Be-schwörungen, Zornesausbrüche, Beeinflußungsversuche von Verwandten undvon Priestern, nichts erschütterte den Willen ihrer Tochter. Schließlich jagtedie Mutter ihre Tochter samt deren Kindern aus ihrem Schloß fort.

Als die Dinge so weit gediehen waren, faßten Mutter und Tochter den Be-schluß, den hl. Franz von Sales als Schiedsrichter anzurufen. Am gleichen Tag,dem 25. April 1621 schreibt Franz von Sales einzeln an jede der Parteien unddamit beginnt diese Korrespondenz, die sich bis zum September 1622 hinzieht(s. XX, 55, Anm. und 51, Anm.).

Der Entscheid des Heiligen war schließlich, daß die Gräfin Dalet im Klosterals Wohltäterin eintreten und alle religiösen Übungen mitmachen, ihre Kinderund deren Besitz ihren Eltern anvertrauen solle, was sie auch mit gutem Gewis-sen tun könne (Brief 1938, Oeuvres XX, 356-358). – Nach dem Tod des Hei-ligen trat sie als Novizin ein (1628), wurde nach ihrer Profeß Oberin vonMontferrand, später von Rouen, wieder von Montferrand, arbeitete an derGründung anderer Klöster mit und starb wie eine Heilige 1654 (XX, 54). Überihre Kinder s. XX, 333, Anm. 3.

V. Einführung

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AN FRAU VON BLANIEU

XVII, 362f (1292)1 Rumilly, 3. April 1617.Ich bin überzeugt, daß Sie vom Ersten Präsidenten von Savoyen2 erhal-

ten haben, was Sie wünschten, da er es sofort abschickte; und so sollenSie, meine liebe Tochter, in diesem Brieflein eine neuerliche Zusiche-rung erhalten, daß ich niemals aufhören werde, Ihnen tausend und aber-tausend Segnungen zu wünschen.

Bleiben Sie fest, meine liebe Tochter, und verharren Sie unerschütter-lich in den Entschlüssen, die Sie zum Heil Ihrer Seele gefaßt haben,damit Sie Unserem Herrn eine gute Rechenschaft am Tag Ihres Hin-scheidens ablegen können. In dem Maße, als dieser Tag uns näherrückt,lädt Er uns ein, gut darauf vorbereitet zu sein.

Seien Sie recht sanftmütig und liebenswürdig in Ihren Angelegenhei-ten, denn jedermann erwartet von Ihnen ein solch gutes Beispiel. Es istleicht, ein Boot zu lenken, wenn es nicht von Winden gehetzt wird, undein Leben zu führen, das von Schwierigkeiten frei ist; aber inmitten är-gerlicher Prozesse ist es so schwer wie bei Stürmen, den rechten Kurseinzuhalten. Darum müssen Sie sehr auf sich selbst, auf Ihre Handlun-gen und Absichten achten und immer erkennen lassen, daß Ihr Herz gutund gerecht, sanftmütig, demütig und hochherzig ist.

Leben Sie ganz für Unseren Herrn, bewahren Sie Ihre Seele gut undlieben Sie die meine, indem Sie diese oft der göttlichen Barmherzigkeitempfehlen, bin ich doch, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Diener ...

XVIII, 69 (1346) Annecy, 30. August 1617.Was tun Sie, meine sehr liebe Tochter? Denn auf diese Frage warten Sie

ja. Mein Herz denkt oft an das Ihre und es fragt Sie, ob Sie immer zu Füßendes Kreuzes sind, wo ich Sie zurückließ, d. h. immer eins mit dem hoch-heiligen Willen Gottes, um vom Weg seiner Gebote weder nach rechtsnoch nach links (weder zu Befriedigungen noch zu Betrübnissen, wederunter Freunden noch unter Feinden) abzuirren (Ps 119,32,35; Spr 4,27).Das glaube ich gewiß, meine sehr liebe Tochter, und ich beschwöre Siedarob. Diese Tage vergehen, die Ewigkeit rückt näher: Gehen wir so ge-recht durch unsere Tage, daß die Ewigkeit für uns glückselig sei.

Diese Wünsche hege ich für Sie, meine sehr liebe Tochter, der ich sehrliebevoll zugetan bin als Ihr sehr ergebener Diener in Unserem Herrn.

V. Blanieu 1292, 1346

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XVIII, 150f (1390) Annecy, 18. Januar 1618.Gnädige Frau!

Bewahren Sie doch Ihr Herz so recht in dieser rechtmäßigen Befriedi-gung, sich in Frieden mit seinem Gott zu fühlen; einem Frieden, dessenWert nicht in der Welt liegt, auch nicht sein Lohn. Er wurde Ihnen jadurch das Verdienst des Blutes unseres Erlösers erworben und wird Ih-nen das ewige Paradies erwerben, wenn Sie ihn gut bewahren. Tun Sie esdenn, meine sehr liebe Tochter, und scheuen Sie nichts so sehr, als wasIhnen diesen nehmen kann. Und das werden Sie tun, ich weiß es wohl;denn Sie werden Gott anrufen, damit er Ihnen die Gnade dazu weiterschenke, und Sie werden Sorge tragen, das recht zu üben, was ich Ihnenangeraten habe und was ich bei meiner Rückkehr zu bekräftigen hoffe,da die Reise des Fürsten, den ich begleiten sollte, vermutlich verschobenwird.

Lassen Sie mich indessen teilhaben an Ihren Gebeten, denn ich werdeniemals aufhören, Ihnen jegliches Glück zu wünschen, und bin meinganzes Leben lang, meine sehr liebe Tochter, Ihr sehr ergebener undwohlgeneigter Diener.

AN DIE PRÄSIDENTIN LE BLANC DE MIONS

XVII, 366-371 (1294) Annecy, um den 7. April 1617.Meine liebe Tochter, ich versichere, daß dies mein erster freier Augen-

blick ist. Und auch ihn stehle ich mir noch aus tausenderlei Geschäften,um Ihnen ein wenig ausführlicher über den Gegenstand schreiben zukönnen, über den Sie mich für Ihre Seele befragen. Ich versichere Sie,daß ich alles sagen will, was mein Herz wünscht, es möge Ihrem Herzengesagt sein.

O wie glücklich sind Sie, meine liebe Tochter, sich von der Welt undihren Eitelkeiten gelöst zu haben! In der kurzen Zeit, seit ich Sie kennenlernte, konnte ich mit Sicherheit sehen, daß Ihre Seele ganz besondersfür die göttliche Liebe und nicht für die irdische geschaffen ist.

1. Opfern Sie also oft alle Ihre Empfindungen Gott auf durch die Er-neuerung des von Ihnen gefaßten Entschlusses, jeden einzelnen Augen-blick Ihres Lebens für den Dienst an der heiligen Liebe zum himmli-schen Bräutigam verwenden zu wollen.

2. Verrichten Sie sorgsam die Morgenübung, die im Buch der „Anlei-

V. Blanieu 1309 – Le Blanc 1294

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tung“ steht; und wenn auch die schnelle Auffassungsgabe Ihres Geistesauf einen Blick alle Punkte dieser Übung erfassen wird, so verwendenSie doch dafür so viel Zeit, wie es bedarf, um zweimal das Vaterunser zubeten; nachher sprechen Sie dann fünf oder sechs Worte der Anbetungund schließlich beten Sie das Vaterunser mit dem Glaubensbekenntnis.

3. Nachher bereiten Sie sich auf das innerliche Gebet vor. Nehmen Siesich vor, ein Geheimnis des Lebens oder Leidens Unseres Herrn zu be-trachten, wenn dies der Wille Gottes ist. Wenn aber Ihr Herz während desbetrachtenden Gebetes sich an der einfachen Gegenwart des Geliebtenhaften fühlt, dann gehen Sie nicht darüber hinweg, sondern verbleiben Siein dieser Gegenwart; wenn Sie sich aber im Gegenteil nicht an dieserGegenwart Gottes haften fühlen, obgleich Sie doch immer darin stehen,dann betrachten Sie liebevoll die Stelle, die Sie sich vorgenommen haben.

4. Verrichten Sie alle Tage das betrachtende Gebet, wenn nicht irgend-eine notwendige Beschäftigung Sie daran hindert; denn, wie Sie mir ge-sagt haben, fühlen Sie einen großen Fortschritt in der Sammlung, wennSie in dieser heiligen Übung fortfahren, dessen Sie ermangeln, wenn Siediese Übung aufgeben.

5. Um aber diese so nützliche Übung Ihrem raschen und unvergleich-lich wendigen Geist anzupassen, wird es genügen, wenn Sie jeden Tageine kleine halbe oder Viertelstunde darauf verwenden; denn das wirdmit Ihren Geisteserhebungen, dem Leben in der Gegenwart Gottes undden während der Tagesstunden verrichteten Stoßgebeten reichlich genü-gen, um Ihr Herz mit seinem göttlichen Gut zu verbinden und zu verei-nigen; dieses betrachtende Gebet kann sogar während der Messe ver-richtet werden, um Zeit zu gewinnen.

6. Wenn während des betrachtenden Gebetes oder während des Fest-haltens an der heiligen Gegenwart Gottes das Empfinden davon sich imKopf festsetzt und Mühe und Schmerzen im Kopf verursachen würde,müßten Sie in der Übung etwas nachlassen und nicht den Verstand dar-auf verwenden, sondern nur das Herz und den Willen durch innerlicheund liebevolle Worte. Dies als Antwort auf das, was Sie mir sagen, daßsich am Anfang das Empfinden von der Gegenwart Gottes in IhremKopf bildete, was Ihnen manchmal sehr zusetzte.

7. Sollten Ihnen Tränen kommen, dann vergießen Sie sie ruhig; wennsie aber zu häufig und mit zuviel Empfindsamkeit kommen, dann rich-ten Sie, wenn Sie können, Ihren Geist wieder auf, um die Geheimnissefriedvoller und ruhiger im höheren Bereich Ihrer Seele verkosten zukönnen; nicht indem Sie das Seufzen, Schluchzen oder Weinen bezwin-

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gen und unterdrücken, sondern indem Sie Ihr Herz mit einer friedlichenAblenkung davon wegführen, es nach und nach zur reinen Liebe desGeliebten erheben durch liebevolle Ausrufe: „O, wie liebenswert bistDu, mein Geliebter! Wie erhaben bist Du in Deiner Güte und wie sehrliebt Dich mein Herz!“ oder anders, je nachdem Gott Sie lenken wird.

8. Und weil Sie mir sagen, daß Sie zuhause nur recht wenig das be-trachtende Gebet gepflegt haben, da Ihr Geist so rege und beweglich ist,daß er nicht ruhig bleiben kann, sage ich Ihnen, daß Sie ihn dennochfesthalten und nach und nach seine Beweglichkeit einschränken sollen,damit er je nach den Umständen seine Aufgaben sanft und ruhig verrich-te. Und glauben Sie ja nicht, daß eine solche sanfte und ruhige Art dieBeweglichkeit und sein Wirken behindert; im Gegenteil, es führt dazu,daß alles besser gelingt.

Das kann nun folgendermaßen geschehen: Sie müssen z. B. essen, weilunser armseliges Leben es verlangt; setzen Sie sich dann ruhig hin undbleiben Sie sitzen, bis Sie Ihren Körper wieder richtig gekräftigt haben. –Sie wollen sich niederlegen: entkleiden Sie sich ruhig. – Sie sollen auf-stehen: tun Sie es friedvoll, ohne ungeregelte Hast und ohne jene, die Siebedienen, anzuschreien und zu drängen. Auf diese Weise werden SieIhre Natur überlisten und nach und nach zur heiligen Mäßigung undzum Maßhalten bringen. Zu Menschen weichen und trägen Naturellswürden wir sagen: Beeilen Sie sich, die Zeit ist doch so kostbar; zu Ihnenaber sagen wir: Hetzen Sie sich nicht so sehr, der Friede, die Ruhe unddie Sanftmut des Geistes sind doch so wertvoll und die Zeit wird nutz-bringender verwendet, wenn man sie friedvoll gebraucht.

9. Ich sage Ihnen zum Gegenstand Ihrer alten Versuchung, meine liebeTochter, aber das sage ich Ihnen ganz entschieden, daß Sie treu demWillen Gottes und seiner Vorsehung dienen sollen; schicken Sie sich inaller Demut und Aufrichtigkeit in das himmlische Wohlgefallen, durchdas Sie sich in dem Stand befinden, in dem Sie sind. Man muß in demNachen bleiben, in dem man sich befindet, um die Überfahrt von diesemLeben in das andere zu vollbringen, und man soll gern und mit Liebedarin bleiben. Wenn wir auch manchmal nicht durch die Hand Gottessondern durch die Hand von Menschen hineinversetzt werden, so willdoch Gott, nachdem wir nun dort sind, daß wir eben dort sein sollen, undso müssen wir ergeben und gern dort sein. Wie viele Geistliche sindaufgrund falscher Erwägungen oder durch die elterliche Gewalt in die-sen Stand getreten; sie machen nun aus der Notwendigkeit eine Tugendund bleiben aus Liebe dort, wohin sie durch Gewalt gedrängt wurden.

V. Le Blanc 1294

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Was würde andernfalls aus Ihnen? Wo weniger unsere Wahl aufscheint,gibt es mehr Unterwerfung unter den himmlischen Willen.

Möge doch meine Tochter oft voll Ergebung in den göttlichen Willenvon ganzem Herzen sagen: Ja, Vater, so will ich sein, weil es Dir wohlge-fällig ist, daß ich so bin (Mt 11,26). Darum beschwöre ich Sie, meineliebe Tochter, recht treu zu sein in der Übung dieser Ergebung und derAbhängigkeit von dem Stand, in dem Sie sich befinden. Sprechen Siedaher manchmal die bewußten Personen mit dem Namen an, meine lie-be Tochter, gegen die Sie Abneigung haben. Wenn Sie zur wichtigstenvon ihnen3 sprechen, dann fügen Sie zuweilen in Ihre Vorhaltungen ach-tungsvolle Worte ein. Dieser Punkt ist von solcher Wichtigkeit für dieVollkommenheit Ihrer Seele, daß ich ihn am liebsten mit meinem Blutniederschreiben möchte.

Worin wollen wir denn unsere Liebe gegen Ihn bezeugen, der so vielfür uns gelitten hat, wenn nicht inmitten von Abneigungen, Ärgerlich-keiten und Widrigkeiten? Wir müssen unsere Stirn in die Dornen derSchwierigkeiten einzwängen und unser Herz von der Lanze des Wider-spruchs durchbohren lassen, die Galle trinken und den Essig schlucken,kurz, das Leidvolle und Bittere annehmen, da es Gott will. Kurzum,meine liebe Tochter, da Sie einst von ganzem Herzen die Versuchunggenährt und gefördert haben, müssen Sie jetzt von ganzem Herzen dieseErgebung in den Willen Gottes nähren und fördern. Sollte Ihnen darü-ber eine besondere Schwierigkeit durch die Schuld dieser Person er-wachsen, setzen Sie nichts in Bewegung, bevor Sie nicht an die Ewigkeitgedacht, sich in den Gleichmut versetzt und Rat bei einem guten DienerGottes geholt haben, wenn die Sache eilt, oder wenn die Zeit es erlaubt,auch bei mir, da ich doch Ihr Vater bin. Denn wenn der Feind uns durchunsere Ergebung in das göttliche Wohlgefallen als Sieger über diese Ver-suchung sieht, wird er alles Mögliche erfinden, um uns zu verwirren.

10. Möge schließlich die hochheilige und göttliche Demut in allemund überall leben und herrschen! Ihre Kleidung soll einfach, aber stan-desgemäß sein, so daß Sie nicht abschreckend wirken, sondern die jun-gen Damen angelockt werden, Sie nachzuahmen; Ihre Worte seien ein-fach, höflich und liebenswürdig; Ihre Bewegungen und Ihr Gesprächweder zu beengt und gezwungen, noch zu frei und lässig; Ihr Antlitz seisauber und gepflegt; es möge mit einem Wort in allem die Güte undBescheidenheit herrschen, wie es einer Tochter Gottes entspricht.

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XVII, 386-390 (1301) Annecy, 26. April 1617.

Ich antworte hier auf Ihren Brief vom 14., meine liebe Tochter.1. Sagen Sie der lieben Barbe-Marie,4 die mich so sehr liebt und die ich

noch mehr liebe, sie möge überall frei von Gott sprechen, wo sie denkt,daß es nützlich sei. Sie soll sich nicht um das kümmern, was die Zuhörervon ihr denken oder sagen könnten. Mit einem Wort: Ich habe ihr bereitsgesagt, daß man nichts tun oder sagen darf, um dafür gelobt zu werden,aber auch nichts zu tun oder zu sagen unterlassen aus Furcht, dafür ge-lobt zu werden. Man ist deswegen noch kein Heuchler, wenn man nichtso gut handelt, wie man redet, denn o Gott, wozu wären wir dann da?Dann müßte auch ich schweigen aus Furcht, ein Heuchler zu sein, denndaraus würde folgen, ich dächte vollkommen zu sein, wenn ich über dieVollkommenheit spreche. Nein gewiß, liebe Tochter, ich denke nicht,vollkommen zu sein, wenn ich über die Vollkommenheit spreche, ichdenke auch nicht, Italiener zu sein, wenn ich italienisch spreche; aberich glaube die Sprache der Vollkommenheit zu kennen, habe ich siedoch von jenen gelernt, die sie sprachen und mit denen ich mich bespro-chen habe.

2. Sagen Sie ihr, daß sie ruhig ihr Haar pudern kann, da es in lautererAbsicht geschieht; denn die Gedanken, die ihr darüber kommen, bedeu-ten gar nichts. Man soll seinen Geist nicht in solche Spinnennetze ver-wickeln. Die Haare des Geistes dieser Tochter sind noch mehr gelöst alsdie ihres Hauptes, und darum ist sie darin verwickelt. Man darf nicht sospitzfindig sein, noch Wert legen auf so viele Bemerkungen, auf die Un-ser Herr in keiner Weise achtet. Sagen Sie ihr also, sie möge getrost ihrenWeg gehen inmitten der schönen Tugenden der Einfachheit und Demutund nicht außenherum durch so viele Spitzfindigkeiten in Überlegungenund Erwägungen. Soll sie nur ruhig ihren Kopf pudern, pudern dochauch die anmutigen Fasane ihre Federn, damit darin keine Flöhe auf-kommen.

3. Sie braucht keine Predigt oder irgendein gutes Werk auslassen, weilsie ein „Beeilt euch!“ unterließ, aber sie soll es sanftmütig und ruhigsagen. Wenn sie bei Tisch ist und das Allerheiligste vorübergetragenwird, möge sie es – wenn andere Leute bei ihr zu Tisch sind – in Gedan-ken begleiten. Ist niemand da, kann sie es begleiten, wenn sie, ohne sichzu hetzen, dort zeitig genug sein kann; und dann soll sie ruhig zurück-kehren und ihre Mahlzeit wieder aufnehmen, denn Unser Herr wolltenicht einmal, daß Marta ihn geschäftig bediente (Lk 10, 40,41).

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4. Ich habe ihr gesagt, daß sie da, wo es notwendig ist, fest und ent-schlossen reden könnte, um die bewußte Person zur Pflicht anzuhalten;5

die Festigkeit aber wäre wirkungsvoller, wenn sie ruhig bliebe und mansie der Vernunft entspringen ließe, ohne Beimischung von Leidenschaft.

5. Die „Gesellschaft der Zwölf“6 dürfte nicht schlecht sein, denn dieÜbung, deren sie sich bedient, ist gut; aber diese Barbe-Marie, die kein„Vielleicht“ haben will, leidet darunter, daß vielleicht diese Gesellschaftnicht in Ordnung sei, da sie von keinem Prälaten oder irgendeiner ande-ren glaubwürdigen Person bezeugt wird, wir also nicht sicher sein kön-nen, daß sie kirchlich errichtet ist; führt doch das Büchlein, das davonspricht, weder Verfasser noch Zeugen an, die dies zusichern. Nun, wasnicht schaden, sondern nützen kann, ist dennoch gut.

6. Ob sie nun im betrachtenden Gebet nach Punkten vorgeht, wie wirgesagt hatten, oder wie sie es gewohnt ist, ist nicht wichtig. Wir erinnernuns aber gut, daß wir ihr sagten, sie brauche nur die Punkte vorzuberei-ten und zu Beginn des Gebetes versuchen, diese Gedanken zu verkosten.Wenn sie diese wirklich verkostet, so ist es ein Zeichen, daß Gott will, siemöge dieser Methode folgen, zumindest dann. Wenn dennoch nachherdie gewohnte liebe Gegenwart sie in Besitz nimmt, soll sie sich nur dahingehen lassen und auch zu den Gesprächen, die sie doch durch Gott selbstanstellt und die gut sind, so wie sie diese mir in ihrem Brief darstellt. Wirmüssen aber auch manchmal zu diesem großen „Alles“ sprechen, alswollten wir, daß unser „Nichts“ etwas tue. Da Sie unsere Bücher lesen,brauche ich nichts mehr hinzufügen, als daß Sie einfach, aufrichtig, offenund mit der Unbefangenheit von Kindern zuweilen in den Armen deshimmlischen Vaters, zuweilen von seiner Hand gehalten, Ihren Weg ge-hen sollen ...7

Ich bin recht froh, daß meine Bücher8 Zugang zu Ihrem Geist gefun-den haben, der so tapfer war, zu glauben, er könnte sich selbst genügen,das sind aber Bücher des Vaters, in dessen Herzen Sie die teure Tochtersind, hat es doch Gott so gefallen, dem immerdar Ehre und Verherrli-chung sei ...9

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AN FRAU VON VEYSSILIEU

XVII, 371-375 (1295) Annecy, 7. April 1617.Gnädige Frau!

Bei dieser ersten Gelegenheit, die ich finde, Ihnen zu schreiben, halteich mein Versprechen und führe Ihnen einige Mittel an, wodurch Sie dieAngst vor dem Tod lindern können, die Ihnen in Ihren Krankheiten undKindsbetten so große Schrecken einflößt. Obgleich darin keine Sündeliegt, schadet es doch Ihrer Seele, da sie, von dieser Angst gestört, sichmit ihrem Gott nicht so innig in Liebe verbinden kann, wie sie dies tunwürde, wäre sie nicht so arg abgequält.

1. versichere ich Ihnen, daß Sie nach und nach zum großen Teil vondieser Qual erleichtert werden, wenn Sie Ihre Andachtsübungen fortset-zen, was Sie tun, wie ich sehe. Wenn Ihre Seele sich von schlechten Nei-gungen freihält und immer mehr mit Gott eins wird, hängt sie weniger andiesem sterblichen Leben und an den eitlen Freuden, die man darin fin-det. Fahren Sie denn mit dem frommen Leben so fort, wie Sie begonnenhaben, und gehen Sie immer weiter voran auf dem Weg, auf dem Sie sichbefinden; dann werden Sie sehen, wie diese Ängste nach einiger Zeitverblassen und Sie nicht mehr so stark beunruhigen werden.

2. Ergehen Sie sich oft in Gedanken an die große Güte und Barmher-zigkeit, mit der Gott, unser Heiland, die Seelen bei ihrem Hinscheidenaufnimmt, wenn sie während ihres Lebens auf ihn vertraut haben und –jede nach ihrem Beruf – sich bemüht haben, ihm zu dienen und ihn zulieben. O wie gut bist Du, Herr, allen jenen, die ein aufrichtiges Herzhaben! (Ps 73,1).

3. Richten Sie oft Ihr Herz auf durch ein heiliges Vertrauen, verbun-den mit einer tiefen Demut unserem Erlöser gegenüber; sagen Sie etwa:Ich bin armselig, Herr, doch Du wirst meine Armseligkeit im SchoßDeiner Barmherzigkeit aufnehmen und mich mit Deiner väterlichenHand in den Genuß Deines Erbes gelangen lassen. Ich bin schwach,niedrig und verächtlich; aber Du wirst mich an jenem Tag lieben, weil ichauf Dich gehofft und mit Demut gesucht habe, Dir anzugehören.

4. Erwecken Sie in sich, sooft Sie können, die Liebe zum Paradies undzum himmlischen Leben und stellen Sie darüber mehrere Erwägungenan. Sie finden solche in der „Anleitung zum frommen Leben“ bei derBetrachtung der „Herrlichkeit des Himmels“ und der „Wahl des Para-dieses“;10 denn in dem Maße, als Sie die ewige Seligkeit schätzen und

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lieben, werden Sie weniger Angst davor haben, das sterbliche und ver-gängliche Leben zu verlassen.

5. Lesen Sie nicht Bücher oder Stellen aus Büchern, in denen vom Tod,vom Gericht und von der Hölle die Rede ist; denn, Gott sei Dank, habenSie sich doch fest entschlossen, christlich zu leben, und brauchen nichtdurch Beweggründe dazu angetrieben werden, die Schrecken und Ent-setzen verursachen.

6. Verrichten Sie oft Akte der Liebe zur Mutter Gottes, zu den Heili-gen und Engeln; machen Sie sich mit ihnen vertraut und richten Sie oftWorte des Lobpreises und der Liebe an sie; denn je mehr Sie zu denBürgern des göttlich-himmlischen Jerusalems Zugang finden, desto we-niger wird es Ihnen ausmachen, jene des irdischen Jerusalems oder derniedrigen Stätte dieser Welt zu verlassen.

7. Beten Sie oft den hochheiligen Tod unseres gekreuzigten Herrn an,preisen Sie ihn, setzen Sie Ihr ganzes Vertrauen auf seine Verdienste,wodurch er Ihren Tod glückselig gemacht hat; sagen Sie oft: O göttlicherTod meines gütigen Jesus, du wirst meinen Tod segnen und er wird geseg-net sein; ich segne dich und du segnest mich dann, o Tod, der du liebens-werter bist als das Leben! So ließ der hl. Karl in seiner Todeskrankheitvor seinen Augen das Bild von der Grablegung Unseres Herrn und sei-nes Gebetes am Ölberg aufstellen, um in seiner Todesstunde beim Todund Leiden seines Erlösers Trost zu finden.

8. Erwägen Sie manchmal, daß Sie eine Tochter der katholischen Kir-che sind, und freuen Sie sich darüber; denn die Kinder dieser Mutter, dienach ihren Geboten leben wollen, sterben immer eines glückseligen To-des und es ist, wie die selige Mutter Theresia sagt, ein großer Trost, in derTodesstunde „Tochter der heiligen Kirche“ sein zu dürfen.

9. Beenden Sie alle Ihre Gebete im Vertrauen, sagen Sie etwa: Herr, Dubist meine Hoffnung (Ps 142,6); auf Dich habe ich mein Vertrauen gesetzt(Ps 53,2); o Gott, wer auf Dich hoffte, ist der je zuschanden geworden? (Sir2,11). Ich hoffe auf Dich, o Herr, und werde in Ewigkeit nicht zuschandenwerden (Ps 31,1; 71,1). Gebrauchen Sie in Ihren Stoßgebeten während desTages und beim Empfang des hochheiligen Sakramentes immer Worte derLiebe und der Hoffnung auf Unseren Herrn, wie etwa: Du bist mein Vater,o Herr! O Gott, Du bist der Bräutigam meiner Seele; Du bist der Königmeiner Liebe und der Geliebte meiner Seele! O gütiger Jesus, Du bistmein teurer Meister, meine Hilfe, meine Zuflucht!

10. Denken Sie oft an die Personen, die Sie am meisten lieben und vondenen getrennt zu werden Sie betrüben würde. Überlegen Sie, daß Sie

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mit ihnen auf ewig im Himmel vereint sein werden; z. B. mit IhremGatten, Ihrem kleinen Jean,11 Ihrem Vater.12 O, wie wird dieser kleineKnabe mit Gottes Hilfe eines Tages glückselig sein in diesem ewigenLeben, in dem er an meiner Glückseligkeit teilhaben und sich darüberfreuen wird; und ich werde an der seinen teilhaben und mich darüberfreuen und wir werden uns niemals mehr trennen müssen. Das gleichegilt für Ihren Gatten, Ihren Vater und die anderen. Dabei wird es Ihnenumso leichter gemacht, als alle Ihre Lieben Gott dienen und ihn fürch-ten. – Und weil Sie ein wenig melancholisch sind, lesen Sie im Buch vonder Anleitung zum frommen Leben nach, was ich über die Traurigkeitund die Heilmittel dagegen sage.

Das ist es, meine liebe gnädige Frau, was ich Ihnen im Augenblickdarüber sagen kann, und ich sage es mit meinem Herzen, überaus zuge-tan dem Ihren, das ich beschwöre, mich zu lieben und mich oft der gött-lichen Barmherzigkeit zu empfehlen, wie ich meinerseits niemals aufhö-ren werde, diese anzuflehen, sie möge Sie segnen.

Leben Sie glücklich und freudig in der himmlischen Liebe. Ich bin Ihrsehr ergebener und sehr zugetaner Diener ...

XVIII, 343f (1502) Paris, 16. Januar 1619.Es scheint mir, meine sehr liebe Tochter, daß Ihr Herz so sehr meiner

unwandelbaren Zuneigung zu ihm sicher ist, daß es von nun ab nichtmehr daran zweifeln kann: Was Gott tut, ist wohlgetan. Daß ich Ihnen soverspätet schreibe, schreiben Sie bitte diesem unerträglichen Wirbel zu,in dem man mehr tun muß, als man kann und will, und nicht tun kann,was man will, auch wenn man es kann.

Ich habe vorher recht befürchtet, daß die Krankheit Ihres Herrn Va-ters13 Ihnen viel Sorge bereitet; jetzt aber, da er Gott sei Dank wiederKraft und Gesundheit zurückgewinnt, bin ich darüber sehr erleichtert.

O Gott, meine sehr liebe Tochter, welch eine gute Lehre, die es ver-dient, daß sie wohl verstanden werde, ist es doch, daß dieses Leben unsnur gegeben ist, um das ewige zu gewinnen! Fehlt uns diese Erkenntnis,dann legen wir unsere Neigungen in Dingen fest, die dieser Welt zugehö-ren, in der wir nur vorübergehend sind; und wenn wir sie verlassen müs-sen, sind wir ganz entsetzt und erschrocken.

Glauben Sie mir, meine liebe Tochter: Um auf dieser Pilgerfahrt zu-frieden zu leben, müssen wir vor unseren Augen die Hoffnung auf dieHeimkehr in unser Vaterland gegenwärtig haben, wo wir ewig verbleiben

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werden, und indessen fest glauben (denn das ist wahr), daß Gott, der unszu sich ruft, darauf schaut, wie wir zu ihm hingehen, und nie erlaubenwird, daß uns nicht zum größeren Wohl gereiche, was uns zustößt. Erweiß, wer wir sind, und wird uns seine väterliche Hand bei einem Fehl-tritt entgegenstrecken, damit nichts uns aufhalte. Um uns aber dieserGnade recht erfreuen zu können, müssen wir vollkommenes Vertrauenzu ihm haben.

Kommen Sie den Geschehnissen dieses Lebens nicht durch Befürch-tungen zuvor, sondern durch die vollkommene Hoffnung, daß Gott, demSie gehören, in dem Maße Sie daraus befreien wird, als sie Ihnen zusto-ßen. Er hat Sie bis jetzt bewahrt; halten Sie sich nur recht an der Handseiner Vorsehung fest, und er wird Ihnen in allen Vorkommnissen bei-stehen und wird Sie tragen, wo Sie nicht gehen können (Dtn 1,31). Wasbrauchen Sie zu fürchten, meine sehr liebe Tochter, da Sie Gott gehören,der uns so fest zugesichert hat, daß denen, die ihn lieben, alles zum Wohlgereiche? (Röm 8,28). Denken Sie nicht, was morgen geschehen wird(Mt 6,34), denn der gleiche ewige Vater, der heute für Sie sorgt, wirdauch morgen und immer Sorge für Sie tragen: Entweder läßt er keinÜbel für Sie zu, oder wenn er es tut, dann wird er Ihnen auch den unbe-siegbaren Mut schenken, es zu ertragen.

Bleiben Sie in Frieden, meine sehr liebe Tochter; entfernen Sie ausIhrer Vorstellung, was Sie verwirren kann, und sagen Sie oft zu UnseremHerrn: „O Gott, Du bist mein Gott!“ (Ps 31,15), und „ich vertraue aufDich“ (Ps 25,2); „Du wirst mir beistehen und meine Zuflucht sein“ (Ps91,2); ich habe nichts zu fürchten, denn „Du bist nicht nur mit mir“ (Ps23,4), sondern „in mir und ich in Dir“ (Joh 15,4). Was kann ein Kind inden Armen eines solchen Vaters fürchten? Seien Sie so recht ein Kind,meine sehr liebe Tochter. Wie Sie wissen, denken die Kinder nicht ansoviele Dinge, haben sie doch jemand, der für sie denkt; sie sind nur dannrecht stark, wenn sie bei ihrem Vater sind. Tun Sie das also, meine sehrliebe Tochter, und Sie werden in Frieden sein. Amen.

XVIII, 365f (1511) Paris, 26. März 1619.Meine sehr liebe Tochter!

Wenn ich bei Ihnen wäre, würde ich Ihnen viel mehr sagen, als ichschreiben könnte, und wenn ich anderswo wäre, würde ich Ihnen aus-führlicher schreiben., als ich dies hier tun kann. Diese wenigen Zeilenentspringen meinem Herzen, um das Ihre wissen zu lassen, daß ich es -

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wenn schon nicht persönlich – so doch, das versichere ich Ihnen, inseinem Leid mit großer Liebe und viel Mitgefühl aufgesucht habe.

Schließlich ist doch Ihr Vater so gestorben, daß wir – wenn der Glaubean das ewige Leben in unserem Geist herrscht, wie er sollte – tief getrö-stet sein sollen. Nach und nach entzieht uns Gott die Befriedigungendieser Welt; o meine sehr liebe Tochter, wir müssen glühend nach denBefriedigungen der Unsterblichkeit streben und unsere Herzen zumHimmel erheben, auf den unser Trachten gerichtet ist und wo wir nuneine große Anzahl von Seelen haben, die wir am meisten lieben.

Immerdar sei der Name Unseres Herrn gepriesen (Ps 113,2) und seineLiebe lebe und herrsche inmitten unserer Seelen. Meine Seele grüßt herz-lich die Ihre und ich bin, meine sehr liebe Tochter, völlig Ihr recht erge-bener Diener.

In Paris, am Dienstag der Karwoche.

XIX, 143-144 (1612) Annecy, 17. Februar 1620.

Dieses Mädchen14 wird mir teuer sein, kommt sie doch aus der Handder Vorsehung Gottes und auf Ihre Empfehlung, meine sehr liebe Toch-ter, die ich in jeder Beziehung hochschätze. Möge es eben dieser himm-lischen Güte gefallen, seine Gnaden über uns zu ergießen, damit wirallen heiligen Lockungen seiner heiligen Berufung folgen.

Ich habe noch nicht mit Herrn N. gesprochen; aber ich kann nichtumhin, meine sehr liebe Tochter, Ihnen zu sagen, daß Sie den Kopf hochzu Gott erhoben halten sollen und Ihre Augen auf die glückselige Ewig-keit, die Sie erwartet. Was kann den Kindern des ewigen Vaters schaden,die Vertrauen zu seiner Güte haben? Auf Dich, Herr, setze ich meinVertrauen (Ps 31,1); sagen wir das recht, meine sehr liebe Tochter, abersagen wir es oft, sagen wir es brennenden Herzens, sagen wir es kühn, unddann wird uns zuteil werden, was folgt: „Niemals werde ich zuschandenwerden“ (Ps 31,1). Nein, meine Tochter, niemals, weder in diesem nochim künftigen Leben werden wir zuschanden. Hoffen Sie auf Gott, tun SieGutes (Ps 38,3) und fahren Sie mit Ihren Übungen fort; lieben Sie dieArmen und bleiben Sie in Frieden.

Ich liebe Ihr Herz immer mehr, segne es immer mehr und bin in Wahr-heit immer mehr Ihr sehr ergebener Diener.

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XX, 206f (1860) Annecy, 13. Dezember 1621.Ich müßte Sie, meine liebe Tochter, gar nicht mitten in meinem Her-

zen tragen, um nicht an Ihrem Kummer teilzuhaben. Aber wahrlich, alsder, der ich Ihnen und Ihrem Haus bin, leide ich alles Leid zutiefst mit,das Sie und Ihre Frau Schwester de la Baume betrifft. Es scheint miraber, meine liebe Tochter, daß Sie Trostworten ein wenig mehr zugäng-lich sind als diese liebe Schwester; darum sage ich Ihnen, daß wir Un-recht haben, unsere Eltern, Freunde, unsere Genugtuungen und Befrie-digungen als etwas anzusehen, auf das wir unsere Herzen festlegen kön-nen. Ich frage Sie, sind wir denn nicht auf dieser Welt unter gleichenBedingungen, wie die anderen Menschen und in der gleichen Unbestän-digkeit, auf der diese Welt aufgebaut ist? Wir müssen es dabei belassen,meine liebe Tochter, und unsere Erwartungen auf die heilige Ewigkeitsetzen, nach der wir streben. O Friede des menschlichen Herzens, manfindet dich nur in der Herrlichkeit und im Kreuz Jesu Christi!

Meine liebe Tochter, leben Sie so und erfreuen Sie oft Ihr geliebtesHerz mit der echten Hoffnung, eines Tages ewig die glückselige undunwandelbare Ewigkeit genießen zu können. Ich bin in Eile, meine liebeTochter, und es bleibt mir nur so viel Zeit, um Ihnen zu sagen, daß ichimmer ganz der Ihre bin und Ihr sehr ergebener Diener.

AN FRAU VON GRANIEU

XVII, 395f (1305) Annecy, April 1617.Es ist wahr, gnädige Frau, meine liebe Tochter, wenn ich an die Seelen

denke, die zu lieben mir Gott eingab, gedenke ich Ihrer mit besondersgroßer Freude; denn ich habe an Ihnen eine gewisse Loslösung von denGeschöpfen und ihren Eitelkeiten gefunden; ich kann nicht anders, alsdies innig zu lieben.

Halten Sie bitte, meine liebe Tochter, Ihr Herz immer so hoch erho-ben; es soll all seine Sorge auf die schöne Ewigkeit gerichtet halten, dieSie erwartet. Die Kinder der Welt bekennen gewöhnlich im Sterben, daßdieses Leben nur im Hinblick auf das ewige von Wert ist; die KinderGottes aber stehen ihr Leben lang in Fühlung mit dieser Wahrheit.

Leben Sie so inmitten all der zahlreichen ärgerlichen Verpflichtungen,die Ihr Stand Sie zu beobachten und zu tragen zwingt. Und so wie Men-schen, die in die Heimat zurückkehren, nicht früher Ruhe erhoffen, als

V. Veyssilieu 1860 – Granieu 1305

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bis sie dort angelangt sind, so streben Sie immer diesen dauerhaftenFrieden an, zu dem Sie auf dem Weg sind, auf den Ihr Sehnen, Ihre Müheund Ihre Schritte gerichtet sind.

Es freut mich, daß Sie nach und nach Ihren Weg erleichtern, Gott seiimmerdar inmitten unseres Geistes. Das ist, gnädige Frau, der ständigeWunsch Ihres sehr ergebenen und gehorsamsten Dieners.

XVIII, 100f (1363)15 Annecy, Ende September oder Oktober 1617.Ich glaube gern, meine sehr liebe Tochter, daß Ihr Herz Freude an

meinen Briefen hat, die Ihnen auch mit einer Liebe ohnegleichen ge-schrieben wurden, weil es Gott gefallen hat, daß meine Liebe zu Ihnenganz väterlich sei, der zufolge ich nicht aufhöre, Ihnen das Übermaßaller Segnungen zu wünschen.

Halten Sie bitte, meine sehr liebe Tochter, Ihren Mut recht aufrecht imVertrauen, das Sie auf Unseren Herrn setzen sollen, der Sie geliebt hat,indem er Ihnen soviel schlichte Anreize zu seinem Dienst geschenkt hat,der Sie noch immer liebt, indem er sie in Ihnen fortsetzt, und der Sielieben wird, indem er Ihnen die heilige Beharrlichkeit schenkt. Ich ver-stehe wirklich nicht, wie Seelen, die sich der göttlichen Güte hingegebenhaben, nicht immer fröhlich sind, denn gibt es ein Glück gleich diesem?Auch die Unvollkommenheiten, die Ihnen unterlaufen, sollen Sie nichtverwirren, denn wir wollen sie ja nicht nähren und wollen niemals Ver-gnügen an ihnen finden. Bleiben Sie also recht in Frieden und leben Siein Sanftmut und Herzensdemut.

Sie haben, meine sehr liebe Tochter, alle unsere kleinen Betrübnissewohl erfahren, die ich große zu nennen versucht wäre, wenn ich nichteine besondere Liebe Gottes zu den Seelen gesehen hätte, die er ausunserer Mitte genommen hat; denn mein Bruder16 starb wie ein Ordens-mann unter den Soldaten, meine Schwester17 wie eine Heilige unter denOrdensschwestern. Ich rühre nur daran, um sie Ihren Gebeten zu emp-fehlen.

Ihr Gatte hat wohl recht, mich zu lieben, denn ich will ihn immer ehren;und auch Sie, meine sehr liebe Tochter, sind mir – stelle ich mir vor –immer herzlich zugetan und Ihre Seele wird für mich sprechen, der ich derIhre bin, da Unser Herr und Schöpfer unseres Geistes diese geistlicheBindung zwischen uns gesetzt hat. Möge immerdar sein heiliger Namegepriesen sein und Sie ewig zu der Seinen machen; dies ist der ständigeWunsch, meine sehr liebe Tochter, Ihres sehr ergebenen Dieners ...

V. Granieu 1363

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XVIII, 227f (1432) Annecy, 20. Mai 1618.Diesmal schreibe ich nur Ihnen, meine liebe Tochter, denn ich stelle mir

vor, daß die gute Mutter abgereist ist, und dieser Brief-Überbringer isteine Persönlichkeit, die behauptet, zu den guten Bekannten Ihres Gemahlszu gehören, und er gewährt mir nur einen Augenblick, Ihnen zu schreiben.

Aber was soll ich sagen? Sind doch jene untrennbar, die nur einenWillen und ein Herz haben, d. h. die um alles nur die himmlische, gött-liche Liebe suchen und wünschen, daß der Wille und das Herz des Erlö-sers herrschen mögen. Machen Sie sich darum die Mühe, meine sehrliebe Tochter, ich bitte Sie, dies der Schwester Peronne-Marie18 von mirzu sagen. Ich denke, daß sie nach der Abreise der teuren Mutter einwenig traurig sein wird. Sie soll aber versichert sein, daß Gott ihr inihrem Amt beistehen wird. Das werde ich ihr bei erster Gelegenheitauch selbst schreiben.

Leben Sie indessen ganz diesem Herzen und für dieses Herz, meinesehr liebe Tochter. Ich bin gewiß ganz vollkommen der Ihre und Ihrrecht ergebener Diener ...

Die Frau Präsidentin Le Blanc weiß gut, was ich ihr bin. In der Eile,dieses Brieflein schnell abzugeben, kann ich ihr nicht schreiben, dochgrüße ich sie von ganzem Herzen.

XVIII, 237-240 (1441) Annecy, 8. Juni 1618.Durch diese so sichere Gelegenheit will ich Ihnen sagen, meine sehr

liebe Tochter, daß unsere Mutter die Wahrheit spricht: ich bin sehr über-häuft, nicht so sehr mit Geschäften, als mit Behinderungen, solchen aber,die ich nicht loswerden kann. Dennoch möchte ich sicher nicht, meineliebe Tochter, daß Sie deswegen aufhören, mir zu schreiben, sooft Sie eswünschen; denn wenn ich Briefe von Ihnen erhalte, ist das für mich eineFreude und eine große Erholung. Sie müssen mir dazu nur ein wenig gutsein und mich entschuldigen, wenn ich mit der Antwort etwas im Verzugbin, denn ich kann Ihnen versichern, daß ich sie nur hinausschiebenwerde, wenn es notwendig ist, ist es doch für meinen Geist eine rechteFreude, den Ihren aufzusuchen.

Ich kann Ihnen nichts verweigern, meine sehr liebe Tochter, und des-halb werden die zwei von Ihnen gewünschten Porträts gemacht. Wie sehrhabe ich doch gewünscht, das Bild unseres himmlischen Vaters in unver-sehrter Ähnlichkeit (Gen 1,26.27) in meiner Seele zu bewahren! Meinesehr liebe Tochter, Sie werden mir wohl helfen, um die Gnade zu beten,diese Ähnlichkeit möge in mir wiederhergestellt werden.

V. Granieu 1432, 1441

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Ihre Gebetsweise ist gut, ja viel besser, als wenn Sie dabei Erwägungenund Schlußfolgerungen machen, denn diese dienen nur dazu, um Empfin-dungen hervorzurufen. – Es ist für uns eine große Gnade, wenn Gott unsdie Empfindungen schenkt ohne Erwägungen und Schlußfolgerungen. DasGeheimnis der Geheimnisse im Gebet heißt, den Lockungen Gottes inaller Einfachheit des Herzens zu folgen. Nehmen Sie sich die Mühe, das 7.Buch der „Gottesliebe“ zu lesen oder sich vorlesen zu lassen, wenn IhreAugen es nicht leisten können; Sie werden darin alles finden, was Ihnennotwendig sein wird, um das innerliche Gebet kennenzulernen.

Ich erinnere mich recht gut, daß Sie mir eines Tages in der Beichtesagten, wie Sie es halten, und ich sagte Ihnen, daß das so recht sei. WennSie sich auch einen Punkt zur Betrachtung nehmen sollen, so brauchenSie sich doch nicht daran festzuhalten, wenn Gott Sie zu einem Liebes-empfinden führt, sobald Sie in seiner Gegenwart sind. Folgen Sie danneinfach Ihrem Empfinden; und je einfacher und ruhiger es wird, destobesser wird es sein; denn es bindet dann den Geist stärker an seinenGegenstand. Wenn Sie sich aber nun einmal dazu entschlossen haben,meine sehr liebe Tochter, halten Sie sich nicht zur Zeit des Gebetesdamit auf, wissen zu wollen, was Sie tun und wie Sie beten; denn dasbeste Gebet ist jenes, das uns so sehr mit Gott beschäftigt hält, daß wirnicht mehr an uns selbst denken, noch an das, was wir tun. Kurz, Siemüssen ganz einfach, schlicht und ungekünstelt Ihren Weg gehen, um beiGott zu sein, um ihn zu lieben, um sich mit ihm zu vereinigen. Die wahreLiebe hat kaum eine Methode.

Bleiben Sie in Frieden, meine sehr liebe Tochter, gehen Sie treu denWeg, auf den Gott Sie gestellt hat; bemühen Sie sich, den heilig zu be-glücken, den er mit Ihnen verbunden hat; wie eine kleine Biene bereitenSie sorgsam den Honig heiliger Frömmigkeit, aber erzeugen Sie auchnoch das Wachs Ihrer häuslichen Angelegenheiten. Denn wie das einedem Geschmack Unseres Herrn angenehm war, der Butter und Honigaß (Jes 7,15), als er noch auf Erden war, so ist auch das andere zu seinerEhre getan, denn es dient ja dazu, die brennenden Kerzen für die Erbau-ung des Nächsten zu bilden.

Gott, der Ihre Hand ergriffen hat, um Sie auf den Weg seiner Ehre zubringen, möge Sie führen (Ps 73,24; 139,10), meine sehr liebe Tochter.Ich werde niemals aufhören, ihn darum zu bitten, denn glauben Sie mir,meine sehr liebe Tochter, daß ich Ihre Seele und Ihr Herz, das Gottimmer mehr zu dem seinen machen möge, zärtlich und mehr als väter-lich liebe. Amen. Es lebe Jesus!

V. Granieu 1441

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Ich bitte Sie, meine liebe Tochter, die gute Mutter und unsere Heimsu-chungsschwestern zu grüßen, da ich keinerlei Möglichkeiten habe, mehrzu schreiben; das werde ich mit Gottes Hilfe bei erster Gelegenheit tun.Sie wissen wohl, wie ich denke, auf welche Weise ich Ihnen gehöre. DieseMutter19 liegt mir überaus am Herzen; Gott möge ihr beistehen und ihreguten Wünsche segnen.

Ich habe einen Stoß Briefe zu schreiben, aber ich kann gegenwärtignicht. Ich grüße sehr ergeben Ihren lieben Gatten, ich bin ganz zuver-sichtlich sein Diener. Ich sollte Herrn von Aosta20 antworten, Ihremgeliebten und recht liebenswerten Cousin, aber ich werde mit GottesHilfe diese Schuld später begleichen, sagen Sie ihm das bitte, meine sehrliebe Tochter.

XVIII, 250-252 (1449)21 Annecy, 19. Juli 1618.Ich schreibe Ihnen, meine sehr liebe Tochter, während ich im Begriff

bin, das Schiff zu besteigen, um ein Kloster reformierter Mönche aufzu-suchen, für die ich gegenwärtig Verantwortung trage. Dieser Herr, dermein Verwandter und mein großer Freund ist, muß Ihnen um jeden PreisNachricht von mir bringen, wenn er zum Herrn Marschall geht, da er jaauch bei der Rückkehr solche von Ihnen zurückbringen könnte. So ant-worte ich auf Ihre zwei letzten Brieflein, die mir – wie alles, was vonIhnen kommt – unvergleichliche Freude geschenkt haben.

Wahrer Gott, meine sehr liebe Tochter, wie wird es wohl sein, wennwir auf ewig das Antlitz des ewigen Vaters selbst schauen werden, wennschon das leblose und stumme Porträt eines schwachen Menschen dasHerz einer ihn liebenden Tochter erfreut? Aber, so sagen Sie mir, diesesPorträt ist nicht stumm, es spricht ja zu Ihrem Geist und sagt ihm guteWorte. Nun, wohl zu Ihren Ohren allein, die so feinhörig sind, daß diesesBild spricht, ohne ein Wort zu sagen, und Ihnen ins Gedächtnis ruft, wasich sagte, als ich Ihnen auf der Kanzel vom „Willen Gottes, der IhreHeiligung ist“ gesprochen habe. Aber lassen wir das.

Kommunizieren Sie immer, wie Sie es tun; beichten Sie mutig Herrnvon Aosta; auf diesem Gebiet ist keine Zurückhaltung geboten. Ich mußwirklich meiner sehr lieben Tochter sagen, daß meine Mutter vor ihremTod die Generalbeichte bei mir ablegte und mir alle Jahre mit großerDemut Rechenschaft über ihr Leben ablegte; und meine arme Schwäge-rin, deren heiligmäßigen Tod meine Schwester Peronne-Marie bezeugenwird, tat desgleichen. Es liegt also kein Hindernis vor, das auch bei ei-

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nem Cousin zu tun. Trotzdem können Sie Ihrem früheren Beichtvatervon Zeit zu Zeit Rechenschaft ablegen, um ihm zu bezeugen, daß Sie ihnimmer hochschätzen.

Machen Sie sich keinerlei Sorgen, daß Sie kein zuverlässiges Gedächt-nis Ihrer Fehler haben, denn nicht das mangelhafte Gedächtnis mißfälltGott, sondern der mangelnde Wille; und dank seiner himmlischen Gütefehlt Ihnen dieser sicher nicht.

Es ist wahr, daß ich gegenüber Herrn von Aosta und Herrn de la Gran22

Schuldner bin, aber ich weiß nicht, was ich ihnen versprochen habe; aberich werde nicht zögern, mich bei erster Gelegenheit von dieser Schuldfreizumachen.

Leben Sie immer ganz in Gott, meine sehr liebe Tochter, und ich ver-sichere Ihnen, daß ich ganz vollkommen und von ganzem Herzen derIhre bin, da es ihm gefällt, und ich fühle es wohl, daß es ihm gefällt undimmer mehr gefallen wird.

Ich grüße die liebe Mutter dort, die gewiß meine Tochter ist, und unse-re Schwestern und Novizinnen und das ganze dortige Haus. EmpfehlenSie aber, meine sehr liebe Tochter, mein Herz immer der Barmherzig-keit Gottes, den ich anflehe, er möge Sie mit Ihrem lieben Gatten undIhrer ganzen Familie mit seinem Segen überhäufen.

XVIII, 261f (1456) Annecy, 14. August 1618.Sie sehen so recht, meine sehr liebe Tochter, wie liebenswert der Ge-

horsam ist: Sie gingen mit etwas Widerstreben hin23 und es wurde Ihnendort gestattet, viel himmlisches Manna zu empfangen. So sei es und so istes recht, daß Sie immer, wenn Sie gehorchen, sich mehr und mehr mitunserem Erlöser vereint finden.

Sie haben also äußerst gut daran getan, Ihrem Beichtvater zu gehor-chen, und Ihr Beichtvater hat recht gehandelt, Ihnen auf einem so erfreu-lichen Gebiet Gehorsam aufzuerlegen. Ich werde nie derjenige sein, derIhnen Ihr tägliches Brot (Lk 11,3) nimmt, wenn Sie nur recht gehorsamsind. Ich will sagen, meine sehr liebe Tochter, daß Sie getrost immerkommunizieren können, wenn Ihre Beichtväter Ja dazu sagen, über diegewöhnlichen Kommunionen hinaus, die ich Ihnen aufgezeigt habe.

Wenn ich Ihnen schrieb, daß Sie von Zeit zu Zeit Ihrem einstigenBeichtvater Rechenschaft ablegen sollen, wollte ich nicht sagen, daß Sieeine Generalbeichte ablegen sollten, denn es genügt, wenn Sie diese vonJahr zu Jahr ablegen, bei wem Sie wollen; ich wollte nur sagen, daß Sie

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sich bei ihm einstellen, um ihm Ihre fortdauernde Ehrerbietung zu be-kunden, teils um sich zu demütigen, teils um ihm Freude zu bereiten.

Ich bin recht froh, daß Sie zu der dortigen Mutter vollkommenes Ver-trauen haben, denn ich glaube, daß sie Ihnen von Nutzen sein wird, istdiese Mutter doch ganz meine liebe Tochter, zu der ich auch volles Ver-trauen habe. Hätte ich nicht dieses Vertrauen, würde ich ihr öfter schrei-ben, aber ich erlasse es mir, wie ich es mit Ihnen tun werde, der ich jetztbei Gelegenheit schreibe, und ich bin recht froh darüber. Mein Gott,meine sehr liebe Tochter, wie liebenswert ist doch die himmlische Liebe,selbst wenn sie hier unten unter den Bedingungen unserer Sterblichkeitgeübt wird! Weder örtliche Entfernung noch irgendetwas auf der Weltkann ihr die Anmut rauben. So scheint es mir, daß ich immer eins mitIhrem Herzen und dem dieser lieben Mutter bin und daß unsere Herzenmiteinander in Verbindung stehen, ja nur ein einziges Herz sind, das mitaller Kraft Gott lieben will und sich nur in Gott und Gottes wegen liebt.Die hochheilige Jungfrau, unsere Herrin, Meisterin und heilige Äbtis-sin, sei immerdar unsere Mutter und Führerin.

Ich versage mir, Ihnen mehr zu schreiben, obgleich ich es gern tunwürde, um daran zu denken, wie sie aus Liebe starb und wie sie vonseiner Liebe im Himmel gekrönt wurde, damit ich morgen zu meinemlieben Volk aus dieser Stadt darüber sprechen kann, das es erwartet.

Ich glaube nicht, daß unsere Mutter hier Ihnen schreibt, aber sie hatSie wohl inmitten ihres Herzens eingeschrieben. Gott sei immerdar un-ser Alles! Amen.

XVIII, 286 (1470)24 Annecy, 22. September 1618.Sie handeln gewiß sehr liebevoll, meine sehr geliebte Tochter, wenn

Sie mir oft schreiben, denn Ihre Briefe trösten und erfreuen mich über-aus, hat doch Gott gewollt, daß mein Herz so väterlich für Sie empfindet,wie es mehr nicht sein kann, während Sie wiederum meine sehr liebeTochter sind im Herzen unseres Erlösers. Handeln Sie also immer so,schreiben Sie mir immer einige Worte, und ich werde sorgsam das glei-che tun, wenn ich kann.

Gott ist gut, meine sehr liebe Tochter, und da es ihm gefallen hat, inIhnen den Wunsch nach seiner reinen Liebe zu wecken, wird er sie Ihneneines Tages vollkommen schenken. Das erbitte ich oft für Ihre liebe See-le, meine Tochter, die ich wie meine eigene liebe.

Ich schreibe Ihnen in Eile und nur, um auf Ihr kleines Brieflein zu

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antworten; ein anderes Mal, wenn ich mehr Muße habe, werde ich aufIhre beiden vorhergehenden Briefe antworten, und wer weiß, ob ich nichtim nächsten Monat nach Grenoble komme. Ich habe etwas Hoffnungdarauf. Es geschehe nach dem Willen Gottes. Ich bin der Ihre.

XVIII, 340-342 (1501) Paris, 16. Januar 1619.

Ich weiß wohl, meine sehr liebe Tochter, daß Ihr geliebtes Herz liebe-voll ergeben in den Armen der göttlichen Vorsehung bleibt. Ob wir jetztfortgehen oder zurückkommen, an einem Ort oder an verschiedenenOrten sind: Wenn wir nur mit Gott sind, dann können wir niemals ge-trennt werden; auch dann nicht, wenn wir des Wortes Unseres Herrngedenken, als er zu seiner lieben Mutter sagte: „Wußtet ihr nicht, daß ichin dem sein muß, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49), denn er will damitsagen, daß es wenig bedeutet, wo wir sind, wenn wir nur leben, um demhimmlischen Vater zu dienen. Darum werden wir, meine sehr liebe Toch-ter, immer zusammen sein und mein Herz wird immer untrennbar vondem Ihren sein, da wir, Gott sei gedankt, nur einen Willen haben, näm-lich den seinen zu erfüllen, soweit wir es können bei unserer Kleinheit,Niedrigkeit und Armseligkeit.

Ihr Brief nun, meine sehr liebe Tochter, hat mir die Geschichte derSchwierigkeiten dargelegt, die Sie hatten ... als Sie wünschten, meineTochter zu sein; es ist nichts Schlimmes daran, wenn Sie Ihre Gedankenpersönlich nicht so gut auszudrücken wissen, als wenn Sie fern sind.Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, woher das kommt, denn das istunwichtig.

Ich nehme mitfühlend Anteil an der Krankheit,25 an der Ihr Gatteleidet, und an der Mühe, die Sie damit haben; unsere heilige Herrin undÄbtissin kann Ihnen rechten Trost geben; sie führt Sie auf den Kalvarien-berg, wo sie das Noviziat ihres Klosters hält und nicht nur alles zu erdul-den lehrt, was uns und unseren Lieben zustößt, sondern es mit Liebe zuerdulden. Ich denke, daß der gute Cousin, Herr de la Gran26, wohl beiIhnen war, um den Kummer zu ertragen, den das Hinscheiden seinesVaters ihm verursacht hat. Ich habe Gott für diese Seele gebeten, die ichsehr schätzte, aber ich habe dem Sohn nicht geschrieben, da ich erst spätvon diesem Leid erfahren habe, als nicht mehr Zeit dafür war.

Unserer Mutter geht es in Bourges gut und ich glaube, daß sie vorOstern hierherkommen wird, da es den Anschein hat, daß man hier ein

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Kloster errichten wird, wenn es auch bis jetzt große Widerstände von derweltlichen Gesinnung her gegeben hat, die nicht ohne Einfluß ist, selbstbei Guten, sodaß man recht auf der Hut sein muß.

Ich befinde mich wohl, meine sehr liebe Tochter, wenngleich über-häuft mit Arbeit an Predigten, die ich bei jedem Anlaß halten muß, vordem Volk und vor dem Hof;27 aber das wird nur bis Ostern dauern, da ichmich mit Gottes Hilfe wieder in meinen kleinen Schafstall zurückzie-hen werde. Gott sei immer das Leben unserer Herzen, meine sehr liebeTochter, und möge dort auf ewig herrschen. Durch ihn und in ihm bin ichund werde ich, meine sehr liebe, ganz gewiß und immerdar geliebte Toch-ter, ganz vollkommen unwandelbar der Ihre sein.

XIX, 141-142 (1611) Annecy, 17. Februar 1620.Vor Ihnen, meine sehr liebe Tochter, bedarf es keiner Förmlichkeit,

denn Gott hat mein Herz so stark an das Ihre gebunden, daß es – soscheint es mir – kein Dazwischen gibt. Damit will ich Ihnen sagen, daßich Ihnen nur diese zwei Worte schreibe, während ich mir meine freieZeit dafür wahre, anderen zu schreiben, denen ich antworten muß.

Und was sind diese zwei Worte? Demut und Geduld. Ja, meine sehrliebe Tochter und meine gewiß immer mehr teure Tochter. Sie haben vielKreuz um sich, solange Ihr lieber Gatte leidet; die heilige Liebe wird Sielehren, daß man in der Nachfolge des großen Liebenden auf dem Kreuzsein soll mit Demut, weil unwürdig, etwas für ihn zu erdulden, der sovielfür uns gelitten hat, und mit Geduld, nicht von unserem Kreuz herabstei-gen zu wollen, außer nach dem Tod, wenn es so dem ewigen Vater gefällt. Omeine sehr liebe Tochter, empfehlen Sie mich dieser gekreuzigten undkreuzigenden göttlichen Liebe, sie möge meine Liebe und all meine Lei-denschaften kreuzigen, sodaß ich nichts mehr liebe als Ihn, der aus Liebezu unserer Liebe schmerzhaft, aber liebeerfüllt gekreuzigt werden wollte.

Mein Bruder von Boisy,28 Ihr Gast, wird Bischof in meiner Nachfolgewerden, da Madame es so gewünscht und Seine Hoheit es so gewollt hat,ohne daß ich es je – weder direkt, noch indirekt – angestrebt habe. Dasläßt mich auf ein wenig Ruhe hoffen, um, ich weiß noch nicht was, überden göttlichen Liebenden und seine Liebe zu schreiben und um mich aufdie Ewigkeit vorzubereiten.

Meine sehr liebe Tochter, ich bin unvergleichlich Ihr und Ihres Gattensehr ergebener Diener und der des Herrn C., vor allem aber Ihrer liebenSeele, die Gott segnen möge. Amen.

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XIX, 256-258 (1668) Annecy, 20. Juni 1620.

Sie sehen, meine liebe Tochter, welches Vertrauen ich auf Sie setze. Ichhabe Ihnen seit Ihrer Abreise29 nicht geschrieben, weil ich es nicht leichttun konnte, und ich bringe keine Entschuldigung dafür vor, weil Siewahrhaft und immer mehr meine mehr als liebe Tochter sind.

Gott sei gelobt, daß Ihre Rückkehr recht angenehm war und Sie Ihrenlieben Gatten bei besserem Befinden angetroffen haben. Gewiß, dieVorsehung des himmlischen Vaters behandelt gütig die Kinder seinesHerzens und mischt von Zeit zu Zeit Liebes und Angenehmes unter diefruchtbringenden Bitterkeiten, mit denen sie Verdienste erlangen läßt.

Es tut mir leid, daß ich dem Sohn des Herrn von Argenson30 nichtgenug Freundlichkeit erweisen konnte, aber die knappe Zeit bei der Prie-sterweihe gestattete es nicht. Überdies hatten mein Offizial und er uner-wartet einen kleinen Streit, weil er sich zur Priesterweihe gestellt hatte,ohne den hier üblichen Haar- und Bartschnitt und ohne Tonsur. Daherist er ein wenig verärgert fortgegangen. Nicht, daß er es mir gegenüberzum Ausdruck gebracht hätte, aber er sagte es nachher anderen. Es isteigentlich nicht leicht, eine Zurechtweisung rasch zu geben und sie lie-benswürdig entgegenzunehmen.

Anfang des kommenden Monats werden wir sieben oder acht Schwes-tern nach Frankreich schicken, die – wie ich denke – durch Grenoblereisen werden; es wird eine Prüfung für sie sein, wenn sie dort Sie nichtantreffen, besonders für die Schwester Claude-Agnès, die sich schon sosehr darauf freute.

Sie müssen wissen, meine sehr liebe Tochter, daß es mir eine großeFreude ist, oft Briefe von Ihnen zu empfangen, und daß meine Seelediese Äußerungen der Liebe überaus gern hat, welche Ihre Seele für siehegt.

Herr Michel fragte mich, was ich Herrn Le Grand31 über die Jagdgesagt habe; das war aber, meine sehr liebe Tochter, nur ein Artikel, vondem ich sprach, und zwar, es gäbe drei Gesetze, nach denen man sichbeherrschen müsse, um Gott nicht auf der Jagd zu beleidigen: 1. demNächsten keinen Schaden zuzufügen. Es ist doch nicht vernünftig, daßjemand, wer immer es sei, sich auf Kosten anderer vergnügt, vor allem,wenn er den armen Bauern schädigt, der schon von anderer Seite bereitsgenug gemartert wird und dessen Arbeit und Stand wir nicht verachtendürfen; 2. nicht die Zeit der großen Feste auf die Jagd zu verwenden, andenen man Gott dienen soll; vor allem ist darauf zu achten, daß man

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dieser Erholung wegen nicht die heilige Messe an den gebotenen Feierta-gen versäume; 3. nicht zu große Mittel darauf zu verwenden, denn jedeVergnügung ist zu tadeln, wenn sie mit Verschwendung verbunden ist.An das übrige erinnere ich mich nicht. Kurz, es soll überall mit Taktvorgegangen werden.

Ach, meine sehr liebe Tochter, Gott sei immer inmitten Ihres Her-zens, um alle Ihre Affekte mit seiner heiligen Liebe zu vereinen. Amen.So hat er, das versichere ich Ihnen, in meinen Geist eine so liebenswerteund vollkommene Zuneigung zu Ihrem Geist gelegt, den ich unablässigliebe und Gott bitte, er möge ihn mit Segnungen überhäufen. So sei es,meine sehr liebe und immer mehr teure Tochter. Amen.

Heute abend ist Frau de la Fléchère angekommen, die erzählte, welcheFreude sie hatte, Sie zu sehen. O meine Tochter, die Kinder Gottes lie-ben einander immer sehr; seien wir also recht Kinder Gottes, meine sehrliebe Tochter, und lieben wir einander sehr, wie er es will. Ich empfindegewiß in meinem Herzen eine unvergleichliche Freude, diese ganz auf-richtige und unvergleichliche Liebe zu Ihrem Herzen zu fühlen, meinesehr liebe Tochter. Das ist wirklich so.

XIX, 279-280 (1678) Annecy, 9. oder 10. Juli 1620.Da ist also diese teure und geliebte Mutter Péronne-Marie, die zu ih-

rem Nest zurückkehrt. Ich konnte sie nicht soviel sehen, wie ich es ge-wünscht hätte. Sie hat mich in Ihrem Auftrag gebeten, ihr die Unvoll-kommenheiten aufzuzeigen, die ich an Ihrer Seele bemerkt hätte, aberich habe nicht Zeit genug gehabt, um zu überlegen, was darüber gesagtwerden könnte. Hätte ich Zeit gehabt, mit ihr darüber zu sprechen, hätteich es getan, um nicht nur Sie zufriedenzustellen, sondern um auch derTreue zu entsprechen, die ich Ihnen schulde. Ich versichere Ihnen inaller Offenheit, meine sehr liebe Tochter: Obgleich ich Ihre Seele mitaußerordentlicher und so starker Liebe liebe, daß es sich nicht verbergenläßt, macht mich dies doch nicht blind und hindert mich nicht daran,Ihre Fehler zu sehen, wenn ich Gelegenheit hätte, solche zu beobachten.

Sie sind also jetzt auf dem Land, meine sehr liebe Tochter, und ich habeirgendwie die Hoffnung, Sie dort zu sehen, ebenso Ihren lieben Gatten,falls Sie noch dort sind, wenn ich den Hochwürdigsten Herrn von Belleybesuche.32

Meine sehr liebe Tochter, meine Seele gehört ganz Ihnen und ich binsicher, daß Ihre Seele nicht an dieser lauteren Wahrheit zweifeln könnte,

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die Gott Unser Herr geschaffen hat und die er immer andauern lassenwird für dieses Leben und für die Ewigkeit, wie ich von seiner Barmher-zigkeit erhoffe. So grüße ich diese liebe Seele meiner sehr lieben Tochterund bin Ihr sehr ergebener Diener ...

XXI, 125-126 (2043) Annecy, 18. Juli 1620.Es fehlt nur wenig, daß ich mich über Sie beklage, meine sehr liebe und

gewiß immer mehr teure Tochter. Wie, ich soll die Schwester Oberinvon Grenoble durch Überrumpelung zurückbehalten haben? Nein wirk-lich, ich gehöre nicht zu diesen Leuten; ich schlage nicht an, ohne „Ach-tung“ gerufen zu haben. Also jetzt ist sie wieder bei Ihnen und Sie zwei-feln nicht mehr daran.

Aber selbst wenn ich einen großen Zorn über Sie gehabt hätte, wäre erganz besänftigt worden durch die liebe und freundliche AnkündigungIhrer geliebten Seele, daß wir noch die Freude haben werden, Sie vormeiner Abreise nach Rom wiederzusehen; denn das wünsche ich gewißsehr und ich glaube es immer mehr, sehe ich doch bereits begründeteAussichten dafür, denn diese Reise beginnt ungewiß zu werden.

Übrigens sind Sie so wahrhaft meine teure Tochter, daß ich es Ihnengeradeheraus sagte, wenn ich irgendwelche Fehler an Ihnen bemerkt hät-te; in so kurzer Zeit aber kann man sie nicht ausnehmen. Fehler, die Sienicht kennen, werden Ihnen nicht schaden, da Sie ganz aufrichtig sie zukennen wünschen; die Sie aber kennen, werden Ihnen nicht schaden, weilSie sich herzlich darin zu bessern wünschen. Nichts schadet jenen, dieganz entschlossen sind, Gott über alles und in allen Dingen zu lieben. Soist Ihr Herz beschaffen, meine sehr liebe Tochter. Gott segne dieses Herzimmerdar und halte es immer in der heiligen Demut und inneren Milde.

Ich habe keine Zeit, der teuren Mutter zu schreiben, aber ich grüße sievon meinem ganzen Herzen durch die Vermittlung Ihres so lieben Her-zens, meine Tochter, das Gott mit dem meinen vereint hat in seiner hei-ligen Liebe.

XIX, 354-355 (1711) Annecy, 16. Oktober 1620.Ihr unerwarteter Besuch in Belley, meine sehr liebe Tochter, hat mich

gewiß mit heiliger Freude erfüllt. Welch andere Wirkungen und Folgenhaben doch himmlische Neigungen als menschliche! Der Name Gottessei dafür gepriesen, der ihr Schöpfer und Bewahrer ist. Es ist mir eine

V. Granieu 2043, 1711

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ganz große Freude, daran zu denken, meine sehr liebe Tochter, und ichflehe seine göttliche Majestät an, sie möge mir die Gnade erweisen, ihrenWohltaten gut zu entsprechen und auch der Sorge, die sie hat, meinenarmen schwachen Mut zu stützen, indem sie ihm viele Seelen zugesellt,besonders die Ihre, der ich mit unlöslichen Banden verbunden bin. Seienwir recht treu, sehr demütig, voll milden und liebenswürdigen Eifers, aufdem Weg weiterzugehen, auf den uns diese göttliche Vorsehung gestellthat, meine sehr liebe Tochter.

Ich grüße Sie von ganzem Herzen, meine sehr liebe Tochter in JesusChristus, durch den, für den und in dem ich ganz völlig der Ihre bin undes auf ewig sein werde.

XIX, 357 (1713) Annecy, 23. Oktober 1620.Ich würde gewiß gern die Krankheiten Ihres lieben Gatten lieben,

meine sehr liebe Tochter, wenn die Nächstenliebe es mir erlauben wür-de, denn meiner Meinung nach sind sie Ihnen von Nutzen zur AbtötungIhrer Neigungen und Gefühle. Lassen wir das die himmlische und ewigeVorsehung Unseres Herrn entscheiden, ob sie zum Heil Ihrer Seele oderder seinen dienen, die beide dadurch in der heiligen Geduld erprobtwerden. O meine Tochter, wie oft nennt doch die Welt das gut, wasschlecht ist, und mehr noch das schlecht, was gut ist!

Da aber diese höchste Güte, die unsere Leiden will, ebenfalls will, daßwir um Befreiung davon bitten, flehe ich sie aus ganzem Herzen an, siemöge diesem teuren Gatten wieder eine gute und langandauernde Ge-sundheit schenken und meiner sehr lieben Tochter eine recht gute undvortreffliche Heiligkeit, damit sie stark und eifrig auf dem Weg der wah-ren und lebendigen Frömmigkeit weiterschreite.

Ich schrieb der Mutter der Heimsuchung. Es gibt, Gott sei gelobt,Übel auf allen Seiten; aber Übel, die – wie ich hoffe – ein großes Gutsind. Das Wohlgefallen seiner göttlichen Majestät sei immer unsere Freu-de und unser Trost in den Widrigkeiten, die uns zustoßen. Amen.

XIX, 390-391 (1731) Annecy, 24. November 1620.Da stehen Sie also ganz unter dem Kreuz, meine sehr liebe Tochter,

inmitten der Heimsuchungen, in der Krankheit Ihres lieben Gatten. Welchkostbare Steine sind doch jene, die so hart scheinen! Alle glänzenden,schönen und lieblichen Paläste des himmlischen Jerusalem sind aus sol-chen Bausteinen erbaut, zumindest im Bezirk der Menschen; denn in

V. Granieu 1713, 1731

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dem der Engel sind die Bauwerke anderer Art, aber auch nicht so erle-sen. Und wenn im Königreich der ewigen Liebe Neid herrschen könnte,würden die Engel den Menschen zwei Vorzüge neiden, die in zweierleiLeiden bestehen: Das eine ist das Leiden, das Unser Herr am Kreuz füruns, nicht aber für sie, zumindest nicht ganz für sie, erduldet hat; dasandere ist das, was die Menschen für unseren Herrn erdulden; das Lei-den Gottes für den Menschen und das Leiden des Menschen für Gott.

Meine liebe Tochter, wenn Sie inmitten Ihrer Krankheiten und derIhres Gatten keine langen Gebete verrichten, dann lassen Sie Ihre Krank-heit selbst zum Gebet werden, indem Sie ihm dies aufopfern, der unsereSchwachheiten so sehr geliebt hat, daß er sich am Tag seiner Hochzeitund der Freude seines Herzens damit gekrönt und verherrlicht hat, wiedie heilige Liebende sagt (Hld 3,11). Tun Sie es also auch.

Zwingen Sie sich nicht, zu ein- und demselben Beichtvater zu gehen,wenn es erforderlich ist, zum Nächstbesten zu gehen, um Zeit zu gewin-nen. Ich bin betrübt, daß Frau N. derart unpäßlich ist; aber da sie Gottliebt, wird ihr alles zum Guten gereichen (Röm 8,28). Wir müssen unse-rem Herrn die immer liebenswerte Verfügung überlassen, durch die eruns oft mehr Gutes durch die Mühsale und Leiden zuteil werden läßt alsdurch Glück und Trost.

Meine sehr liebe Tochter, sprechen Sie mir nicht so schlecht von Ih-rem Herzen, denn ich liebe es so sehr, daß ich nicht will, daß man so vonihm spricht. Es ist nicht untreu, meine sehr liebe Tochter, aber manch-mal ein wenig schwach und ein wenig ermüdet. Sonst will es doch ganzGott gehören, das weiß ich gut, und strebt nach der Vollkommenheit derhimmlischen Liebe. Gott segne es denn immer, dieses Herz meiner sehrlieben Tochter, und erweise ihm die Gnade, immer mehr demütig zusein. Gott sei gepriesen!

XX, 170f (1844)33 Annecy, 3. November 1621.Gott weiß, warum so viele gute Wünsche erst nach so langer Zeit und

so viel Mühe Erfolg haben und manche sogar überhaupt nicht in Erfül-lung gehen. Wenn kein anderer Nutzen darin läge als der, daß Gott dieihn liebenden Seelen prüfen will, dann wäre es schon viel. Mit einemWort, man soll keine schlechten Dinge haben wollen, die guten nur einwenig, maßlos aber das einzig göttliche Gut, Gott selbst.

Ich weiß gewiß, meine liebe Tochter, daß Sie Freude haben über meineBriefe, denn Unser Herr, der gewollt hat, daß meine Seele ganz Ihnen

V. Granieu 1844

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gehöre, schenkt mir Kenntnis dessen, was in Ihrem Herzen vorgeht, weilich es im eigenen Herzen spüre. Es ist wahr, meine liebe Tochter, Grenobleist immer in meinem Herzen und Sie, meine liebe Tochter, sind inmitteneben dieses Grenoble. Ich bin also recht getröstet, Nachricht von dieserStadt zu haben in einer Zeit, in der so viel und so Verschiedenes von ihrgesprochen wird ...

Ich bin recht froh, daß unsere Schwestern von ihrem Kloster Besitzergriffen haben und auch Sie mit ihnen, denn da sie durch Ihren Beistandund den dieser guten Damen dort zusammengeführt wurden, sind Sieauch in ihren Personen dort und sie sind dort für Sie, die in ihrem from-men Beruf dem gleichen Herrn dienen und gleichen Geistes mit ihnensind.

Sie sind auch ein wenig Krankenpflegerin gewesen, da Sie in den ver-gangenen Monaten so viele Kranke hatten; Sie sind mit deren Schwä-chen auch schwach gewesen, waren es doch so teure Personen wie IhrGatte und Ihr geliebter Sohn,34 so daß Sie sagen konnten: „Wer istschwach, ohne daß ich mit ihm schwach werde?“ (2 Kor 11,29). Gott seigepriesen, der uns durch solche Wechselfälle zur beständigen und un-wandelbaren Ruhe der ewigen Bleibe führt.

Leben Sie ganz in Gott, meine liebe Tochter, und lieben Sie in ihmIhren sehr ergebenen Diener ...

AN HERRN CLAUDE VON BLONAY

XVIII, 13-14 (1314)35 Annecy, 28. Mai 1617.Mein lieber Herr von Blonay, mein Freund!

Bei Gott, wie gern will ich meine Reise aufschieben, da der Herr Mar-quis es wünscht;36 war ich doch auch bereit, Ihnen oder dem Herrn Abbezu schreiben: „Laß mich meinen Kummer nur etwas beweinen“ (Ijob10,20). Ach, mit jeder Viertelstunde erwarte ich die Nachricht vom Hin-scheiden meines Bruders von Thorens,37 der vor drei Wochen von hieraufbrach und am Dreifaltigkeitstag in Turin von den Ärzten aufgegebenwurde, ohne jede Hoffnung, mit dem Leben davonzukommen. Von Cham-béry kam bereits das Gerücht, daß er tot sei. Sie können sich denken, daßich diese 15 Tage nötig haben werde, um seine arme Witwe und die ganzeVerwandtschaft zu trösten und um wieder Ruhe zu finden für mein Herz,das gewiß ganz tief erschüttert ist.

Und doch sage ich zu Gott aus ganzem Herzen: „Ich schweige und tue

V. Claude von Blonay 1314

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meinen Mund nicht auf, denn Du hast es getan“ (Ps 38,10). Ich preise dieAnordnung seiner Vorsehung und nehme das Kreuz an, das aufzuerlegenihm gefallen hat. Ja, ewiger Vater, denn so war es Dir wohlgefällig (Mt11,26).

Ich empfehle ihn Ihren Gebeten und denen aller unserer Freunde imallgemeinen. Ihr sehr ergebener Mitbruder ...

Ich grüße sehr ergeben den Herrn Marquis und bin sein getreuer Diener.

AN DEN BARON AMADEUS VON VILLETTE

XVIII, 18-20 (1317)38 Annecy 30. Mai 1617.Verehrter Herr Onkel!

Ach, nur zu wahr ist es, daß Sie einen sehr ergebenen Neffen39 undtreuen Diener verloren haben und ich meinen ganz lieben Bruder, denich aus vielen guten Gründen über die Bande des Blutes hinaus unvor-stellbar liebte. Es scheint wie ein Traum im Wachen zu sein, daß dieserarme junge Mann gleich nach seiner Ankunft in jenem Land gestorbenist, ohne Gelegenheit gehabt zu haben, den Fürsten zu sehen, dem er seinLeben und seine Tapferkeit weihen wollte.

Doch bei allen Vorstellungen meines Kummers erkenne ich, daß es soam besten war, da Gott es so gewollt hat. Sein Name sei gepriesen (Ijob1,21) und die Beschlüsse seines Willens gelobt von Ewigkeit zu Ewig-keit. Amen.

Ich glaube gewiß, daß mein Cousin, Herr von Giez, der Herr von Bon-vilaret, und mein Neffe von Vuaz diesen Verlust schmerzlich empfundenhaben, wußten sie doch, daß der arme Dahingegangene sie ganz beson-ders liebte und schätzte, wozu seine Natur und vielerlei Erwägungen ihnverpflichteten; aber wenn er ihnen nun fehlt, so nicht durch seine Wahl,noch durch seine Schuld. Gott möge sie in seiner Güte beschützen unddurch die Wechselfälle dieses Krieges führen.

Meine arme teure Schwester40 bezeugt unter Tränen und Klagen dieliebenswerteste, treueste und gottesfürchtigste Frömmigkeit, die sichbeschreiben läßt. Darüber sind wir überaus froh, haben wir doch denWunsch, ihr möge das Kind erhalten bleiben, das nach verschiedenenguten Anzeichen der Dahingegangene als einen gewissen Trost für seineGeschwister in ihren Schoß gelegt hat.

Was soll ich Ihnen noch mehr sagen, mein lieber Herr Onkel? Der

V. Baron von Villette 1317

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arme verschiedene Junge hatte sich dem Kriegsdienst verschrieben undkonnte auf hunderterlei beklagenswertere Art und Weise sterben, als dieseines Todes war. Gelobt sei Gott, der ihn vor Duellen, Meutereien,Verzweiflungen zu sich genommen hat, kurz vor diesen zahllosen Gele-genheiten, Gott zu beleidigen, die dieser Beruf in so elender Zeit mitsich bringt. Alles in allem kann ich nur sagen: „Ja, Vater, denn so war esDir wohlgefällig“ (Mt 11,26). Ich füge mich darein und sage Amen, nichtnur zu den Worten Gottes, sondern auch zu seinen Werken. Ich flehe ihnan, er möge Sie bewahren, und bleibe immerdar, mein Herr, Ihr sehrergebener Neffe und treuer Diener.

AN DIE PRÄSIDENTIN VON SAUTEREAU

XVIII, 25-27 (1320)41 Sales, 21. Juni 1617.Gnädige Frau!

Sie können gar nicht glauben, wie sehr mir Ihr Kummer zu Herzengeht. Bedachte ich doch den teuren Dahingegangenen aus vielen Grün-den mit einer ganz besonderen Zuneigung; die Grundlage dazu aber botmir immer seine Tugend und Frömmigkeit. Welcher Jammer, daß wirsolche für die Öffentlichkeit so bedauernswerten Verluste gerade in ei-ner Zeit sehen und erleiden müssen, in der ein so großer Mangel ansolchen Seelen unter den Leuten seines Ranges besteht.

Dennoch müssen wir, meine teure Dame, in Erwägung all dessen unse-re Herzen der Beschaffenheit des Lebens anpassen, in die wir gestelltsind. Ist es doch ein vergängliches und sterbliches Leben und der überdieses Leben herrschende Tod hält keine geregelte Ordnung ein; er nimmtbald hier, bald dort, wahllos und ohne irgendeine Methode, die Gutenaus den Schlechten und die Jungen aus den Alten heraus.

Wie glücklich sind doch jene, die in ständiger Erwartung des Todesleben, sich stets bereit zum Sterben finden, damit sie auf ewig in jenemLeben wieder leben können, in dem es keinen Tod mehr gibt! Unsergeliebter Verschiedener gehörte zu ihnen, dessen bin ich gewiß. Das al-lein genügt, gnädige Frau, um uns zu trösten; denn schließlich werdenwir ihm in wenigen Tagen, früher oder später, in wenigen Jahren aufdiesem Weg folgen und die auf dieser Welt begonnenen Freundschaftenund Gemeinschaften werden erneuert, um keiner Trennung mehr unter-worfen zu sein. Haben wir indessen Geduld und warten wir mutig, bis

V. Sautereau 1320

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die Stunde unseres Hinscheidens schlägt, damit wir dorthin gehen kön-nen, wohin diese Freunde bereits gelangt sind. Da wir sie herzlich geliebthaben, fahren wir fort, sie zu lieben, tun wir aus Liebe zu ihnen, was siegewünscht haben, und das, was sie jetzt für uns wünschen.

Es war zweifellos der größte Wunsch Ihres verstorbenen Gatten beiseinem Ableben, meine liebe Dame, daß Sie nicht lange in dem Kummerversenkt bleiben, den sein Fortgehen Ihnen verursachte, sondern daß Sieaus Liebe zu ihm versuchen, die Leidenschaft, die seine Liebe in Ihnenentfachte, zu mäßigen. In dem Glück, dessen er jetzt teilhaftig ist oderdas er mit Gewißheit erwartet, wünscht er Ihnen heiligen Trost und daßSie, Ihr Leid mildernd, Ihre Augen für Besseres bewahren als für Tränenund Ihren Geist für bessere Beschäftigungen als die Traurigkeit.

Er hat Ihnen wertvolle Pfänder Ihrer Ehe hinterlassen;42 bewahren SieIhre Augen, um auf deren Ernährung zu achten, und bewahren Sie IhrenGeist, um den ihren zu bilden. Tun Sie das, gnädige Frau, aus Liebe zudiesem teuren Gatten. Stellen Sie sich vor, daß er Sie darum bei seinemHinscheiden gebeten habe und Sie um diesen Dienst weiterhin bittet;denn das hätte er in Wahrheit getan, wenn er gekonnt hätte, und daswünscht er von Ihnen gegenwärtig; alles andere an Ihren Leidenschaftenmag nach Ihrem Herzen sein, das noch in dieser Welt ist, nicht aber nachdem seinen, das in der anderen ist.

Da wahre Freundschaft sich darin gefällt, den berechtigten Wünschendes Freundes zu entsprechen, sollen Sie sich selbst trösten, um IhremHerrn Gemahl zu gefallen, Ihren Geist aufrichten und neuen Mut fassen.Wenn dieser Rat Ihnen zusagt, den ich Ihnen mit einer Aufrichtigkeitohnegleichen gebe, dann befolgen Sie ihn, werfen Sie sich vor UnseremHerrn nieder, schicken Sie sich in seine Anordnungen; halten Sie sichdie Seele des teuren Verschiedenen vor Augen, die der Ihren einen ech-ten christlichen Entschluß wünscht. Übergeben Sie sich ganz der himm-lischen Vorsehung des Erlösers Ihrer Seele, Ihres Beschützers, der Ihnenhelfen und beistehen wird und Sie schließlich wieder mit Ihrem Dahin-gegangenen vereinen wird, nicht als Ehefrau mit ihrem Mann, sondernals Erbin des Himmels mit ihrem Miterben und als treue Liebende mitihrem treuen Liebenden.

Ich schreibe Ihnen das in Eile und beinahe atemlos, gnädige Frau, undstelle Ihnen meine liebevollen Dienste zur Verfügung, die Sie schon lan-ge gewonnen haben und die die Verdienste und das Wohlwollen IhresGatten mir gegenüber von meiner Seele fordern konnten. Gott sei inmit-ten Ihres Herzens. Amen.

V. Sautereau 1320

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XX, 138-139 (1823) Annecy, 30. August 1621.Gnädige Frau!

Mein ganzes Leben lang werde ich die Zuneigung zu Ihnen bewahren,die Gott mich fassen ließ und wozu mich die von ihrem Haus zuteilge-wordenen Gunstbeweise verpflichten, um Sie mit unwandelbarer undganz großer Liebe zu ehren. Dieser Briefbogen soll Sie nun an dieseWahrheit erinnern, entschuldigt mich doch die Art des Überbringers,Ihnen mehr zu sagen, und die wenige Zeit, über die ich verfüge, hindertmich auch daran, es zu tun.

Gnädige Frau, ich schaue auf Sie im Geiste, und obgleich Sie immer IhrHerz auf Gott ausgerichtet hielten, so meine ich doch, daß es jetzt nochvollkommener seiner Güte anhaftet, hängt es doch an nichts anderem mehrals an ihr, wie es niemals ohne ihn, noch außerhalb von ihm etwas besaß.Leben Sie also, gnädige Frau, in diesem Zustand, wohin Sie die Beschaf-fenheit dieses sterblichen Lebens gebracht hat. Glückselig die Leiden, dieunsere Liebesaffekte emporheben und auf den werfen, der der Vater derBarmherzigkeit und der Gott allen Trostes ist! (2 Kor 1,3).

Ich bin ohne aufzuhören, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener und sehrgetreuer Diener.

AN SEINE SCHWÄGERIN, DIE BARONIN VON THORENS

XVIII, 35-36 (1324)43 Viuz-en-Sallaz, 30. Juni 1617.Sie können sich denken, meine sehr liebe Tochter, meine Schwester,

und ich glaube, daß Ihr Herz es Ihnen deutlich sagt, daß mein Herzübergroßen Trost empfindet, wenn Sie mir von sich berichten; denn da esGott gefallen hat, bin ich Ihr lieber Bruder und Vater zugleich, aber derliebevollste und aufrichtigste, den Sie sich vorstellen können.

Meine liebe Seele, verrichten Sie nur Ihre kleinen Anstrengungen rechtsachte, friedvoll und liebevoll, um dieser allerhöchsten Güte zu dienen,die Sie so sehr dazu verpflichtet hat durch ihre Lockungen und Wohlta-ten, mit denen diese Sie bis jetzt begünstigt hat, und seien Sie nicht er-staunt über Schwierigkeiten; denn was kann man Wertvolles haben, mei-ne liebe Tochter, ohne ein wenig Mühe und Leid? Wir müssen nur festbleiben, die Vollkommenheit der heiligen Liebe anzustreben, damit dieLiebe vollkommen sei, denn eine Liebe, die weniger sucht als die Voll-kommenheit, kann nur unvollkommen sein.

V. Sautereau 1823 – Thorens 1324

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Ich werde Ihnen oft schreiben, denn Sie wissen, welchen Platz Sie inmeinem Geist einnehmen, ganz an unsere Mutter heranreichend, der Siemich bitte empfehlen wollen; denn wenn ich ihr auch schreibe, so mußich doch ein wenig von Ihrer Vermittlung Gebrauch machen, um sie zubeglücken und zu erfreuen, umso mehr, als es sie freut, zu wissen, daß Sieganz völlig meine sehr liebe Tochter sind und daß Sie mich auch in dieserEigenschaft lieben.

Gott sei inmitten Ihres Herzens und des Herzens unserer lieben Schwe-ster,44 die gewiß auch die Tochter meines ganzen Herzens ist, zumindestglaube ich es und will es immer glauben zu meiner Befriedigung.

AN FRAU VON MONTFORT

XVIII, 72f (1350)45 Annecy, 10. November 1617.

Gnädige Frau, meine sehr liebe Cousine!Unsere Klagen über den in Piemont erlittenen Verlust waren noch

nicht verstummt, als wir den zweiten Schlag erlitten, der – das versichereich Ihnen – unendlich schmerzlich für uns ist, hat doch diese teure Seeleso unter uns gelebt, daß sie uns völlig zu den ihren gemacht hat, michaber ganz besonders, dem sie in kindlicher Liebe und Achtung ergebenwar; das Leid ihrer würdigen Mutter aber mit ansehen zu müssen, gehtnoch weit über unser Leid hinaus.

In der Nachfolge dieser Dahingegangenen aber fügen wir uns demWillen Gottes, lieben und verehren ihn mit aller Unterwerfung unseresganzen Herzens, denn das waren beinahe ihre letzten Worte; ich versi-chere Ihnen, daß ich niemals ein so heiligmäßiges Hinscheiden sah alsdas dieser Tochter,46 obgleich es nur fünf Stunden dauerte.

Ich danke Ihnen indessen ergeben und Herrn von Montfort, meinemCousin, für die Ehre Ihres Gedenkens und bin immerdar, meine FrauCousine, Ihr sehr ergebener Cousin und Diener.

V. Montfort 1350

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AN EINE DAME

XVIII, 38-40 (1326)47 (Juli 1617 oder 1604).Gnädige Frau!

Der Brief, den Sie mir am 16. Mai geschrieben haben, den ich aber erstam 27. Juni erhielt, gibt mir reichlich Anlaß, Gott zu preisen für dieFestigkeit, mit der er in Ihrem Herzen den Wunsch nach der Vollkom-menheit christlichen Lebens aufrecht erhält. Diesen entdecke ich ganzdeutlich an der heiligen Unbefangenheit, mit der Sie Ihre Versuchungendarstellen und den Kampf, den Sie führen; und ich sehe wohl, daß UnserHerr Ihnen beisteht, da Sie Schritt für Schritt und Tag um Tag Ihre Frei-heit erobern und das Freiwerden von den wichtigsten Unvollkommen-heiten und Schwächen, die Sie bisher so betrübt haben. Ich zweifle nichtdaran, daß Sie in recht kurzer Zeit ganz siegreich darüber bleiben wer-den, da ich Sie so tapfer streiten sehe und so voll Hoffnung und Vertrau-en, durch die Gnade unseres guten Gottes zu siegen. Der Trost, den Sie indiesem Unterfangen finden, ist zweifellos ein echtes Vorzeichen, daß esIhnen recht gelingen wird.

Bestärken Sie sich also in diesem guten Vorhaben, gnädige Frau, des-sen Ziel die ewige Herrlichkeit ist; vergessen Sie hier nichts von dem,was erforderlich ist, um dahin zu gelangen. Setzen Sie Ihre häufigenBeichten und Kommunionen fort, lassen Sie keinen Tag vorübergehen,ohne ein wenig in einem geistlichen Buch zu lesen; so wenig es auch seinmag, sofern Sie es mit Andacht und Aufmerksamkeit lesen, wird derGewinn daraus recht groß sein. Machen Sie abends die Gewissenserfor-schung; gewöhnen Sie sich an kurze Aufblicke und Stoßgebete und wer-fen Sie sich am Morgen beim Verlassen des Bettes immer auf die Knie,um Ihren himmlischen Vater, die Mutter Gottes und Ihren Schutzengelzu grüßen und sich vor ihnen zu beugen; und wenn das auch nur für dreiMinuten wäre, dürfen Sie es doch niemals vernachlässigen. Haben Sieirgendein frommes Bildchen bei sich und küssen Sie es oft.

Ich freue mich, daß Sie nun fröhlicheren Geistes sind als zuvor. Zwei-fellos, gnädige Frau, wird Ihre Befriedigung alle Tage zunehmen, denndie Güte Unseres Herrn wird sich immer mehr in Ihrer Seele ausbreiten.Nie hat jemand von der Frömmigkeit verkostet, ohne sie köstlich zufinden. Ich bin sicher, daß diese Fröhlichkeit und geistige Freude umsich greift und mit ihrem kostbaren Duft all Ihren Verkehr erfüllt, beson-ders den häuslichen. Dieser ist doch für Sie der gewöhnliche und ent-

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spricht Ihrer Hauptpflicht; er soll ihn daher auch mehr denn alles anderespüren lassen. Wenn Sie die Frömmigkeit lieben, dann handeln Sie so, daßalle ihr Achtung und Ehrerbietung entgegenbringen; das werden sie auchtun, wenn sie deren gute und angenehme Auswirkungen in Ihnen sehen.

Mein Gott, welch große Möglichkeiten haben Sie doch, sich um Ihrganzes Haus verdient zu machen! Sie können es ohne Zweifel zu einemwahren Paradies der Frömmigkeit machen, zumal sich Ihr Herr GemahlIhren guten Bestrebungen so wohlgeneigt zeigt. Ach, wie glücklich wer-den Sie sein, wenn Sie richtig Maß halten, wie ich es Ihnen für IhreÜbungen gesagt habe, indem Sie diese, soviel Sie können, Ihren häusli-chen Obliegenheiten und dem Willen Ihres Gatten anpassen, der dochweder ungeregelt noch hart ist. Ich habe kaum verheiratete Frauen gese-hen, die leichter fromm sein können als Sie, gnädige Frau, sodaß Siedaher auch sehr verpflichtet sind, darin vorwärts zu schreiten.

Ich möchte gern, daß Sie die Übung der heiligen Betrachtung machen,denn Sie scheinen mir dazu recht befähigt zu sein. Ich habe Ihnen imLaufe dieser Fastenzeit schon einiges darüber gesagt, weiß aber nicht, obSie schon damit angefangen haben; ich würde aber wünschen, daß Sienur eine halbe Stunde und nicht mehr jeden Tag darauf verwenden, zu-mindest für einige Jahre; ich denke, das würde sehr zum Sieg über IhreGegner beitragen.

Ich schreibe Ihnen in aller Eile und kann doch nicht aufhören, so sehrfreut es mich, mit Ihnen schriftlich reden zu können. Und glauben Siemir bitte, gnädige Frau, daß der einmal in mir wachgerufene Wunsch,Ihnen zu dienen und Sie in Unserem Herrn hochzuschätzen, wächst undalle Tage in meiner Seele größer wird, wenn ich auch betrübt bin, sowenig Beweise dafür liefern zu können. Zumindest unterlasse ich es nicht,Sie in meinen schwachen und kraftlosen Gebeten, vor allem beim heili-gen Meßopfer, der Barmherzigkeit Gottes darzubringen und anheimzu-stellen; ich schließe dabei immer Ihr ganzes Haus mit ein, das ich einzig-artig in Ihnen liebe und Sie in Gott.

Ich habe erfahren, daß Sie guter Hoffnung sind; ich habe Gott dafürgepriesen, der die Zahl der Seinen vermehren will durch die größereAnzahl der Ihren. Die Bäume tragen Früchte für die Menschen, die Frauenaber tragen ihre Kinder für Gott. Darum ist die Fruchtbarkeit eine seinerSegensgaben. Lassen Sie diese Schwangerschaft Ihnen zweifach zumGewinn werden: bringen Sie Ihre Leibesfrucht Gott hundertmal am Tagdar, wie der hl. Augustinus bezeugt, daß seine Mutter dies zu tun ge-wohnt war, als sie ihn unter dem Herzen trug; und in den Nöten und

V. Eine Dame 1326

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Beschwerden, die Ihnen daraus entstehen und die gewöhnlich mit einerSchwangerschaft verbunden sind, preisen Sie den Herrn dafür, daß Sieleiden, um ihm einen Diener oder eine Dienerin zu schenken, die durchseine Gnade ihn ewiglich mit Ihnen preisen wird.

Gott sei schließlich in allem und durch alles verherrlicht in unserenLeiden und Freuden.

AN EINE DAME

XVIII, 59-60 (1340)48 Annecy, 7. August 1617.Welches Glück, gnädige Frau, ganz Gott gehören zu dürfen! Denn er

liebt die Seinen, er beschützt sie, er führt sie und leitet sie in den Hafender ersehnten Ewigkeit. Bleiben Sie also so und lassen Sie niemals zu,daß Ihre Seele in Traurigkeit verfalle, weder in geistiger Bitterkeit nochin Skrupeln lebe, da doch Er sie geliebt hat und gestorben ist, damit sielebe, der so gut, so milde, so liebenswert ist.

Dieser große Gott hat nun gewollt, daß Sie die Seine seien, er hat Siedies wollen lassen und Sie haben es gewollt und er hat Sie alle rechtenMittel ergreifen lassen, um es zu werden. Sie sind es also zweifellos,meine sehr liebe Tochter, worüber ich mich unendlich freue und seineBarmherzigkeit dafür preise, bin ich doch auch in ihr ohne Ende, gnädi-ge Frau, Ihr ergebener und sehr geneigter Diener.

AN EINE UNBEKANNTE DAME

XVIII, 111 (1370)49 Annecy, (September-November 1617).... Wahrlich, Gott hat unser Haus heimgesucht mit dem Tod meines

Bruders und meiner Schwester von Thorens; aber seine göttlich-väterli-che Hand zwingt uns, seine milde Güte anzubeten, die uns nur zart be-rührt hat. Ist doch mein Bruder als Heiliger gestorben unter den Solda-ten, wo es so wenige Heilige gibt, und meine Schwester, seine teure Ge-mahlin und meine einzigartige Tochter, ist als Heilige gestorben inmit-ten der Dienerinnen Gottes und im Kloster, das gewöhnlich ein Seminarder Heiligkeit ist. Sie hat die Profeß abgelegt und wurde im Kleid derHeimsuchung begraben. Der Arzt, der ihr in ihrer letzten Krankheitbeistand, sagte, wenn Engel sterben könnten, möchten sie auf diese Artsterben ...

V. Eine Dame 1340, 1370

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AN DIE PRÄSIDENTIN VON BOUQUÉRON

XVIII, 151-153 (1391)50 Annecy, 18. Januar 1618.

Gnädige Frau!

Wenn mein Mund sich jemals geweigert hat, Sie meine Tochter zunennen, so geschah es ohne Zustimmung meines Herzens, das gleich beider ersten Begegnung mit Ihrem Herzen fühlte, daß Gott ihm eine starkeund unwandelbare, wahrhaft ganz väterliche Zuneigung zu Ihnen gab.Aber man wagt nicht immer zu sprechen, wie man möchte, vor allem,wenn man jenen Achtung schuldet, die das gleiche besitzen, was wir ha-ben möchten. Da Sie es wollen, könnte ich mich gewiß nicht mehr dieserFreude berauben.

Also sage ich Ihnen, meine sehr liebe Tochter, daß es mir sehr recht ist,wenn diese Mädchen hierhergekommen, um das heilige Handwerk zulernen, das sie nachher, wie ich hoffe, im Land ihrer Geburt und meinerLiebe ausüben werden. Ich meinerseits kann nicht mehr daran zweifeln,sehe ich doch, daß soviele gute Leute es gemeinsam wünschen. Indessenist es wohl sicher, wie Sie sagen, daß ein solch gutes Werk nicht ohneWiderspruch entstehen wird; denn wie sollte es sonst gut sein?51 Vondieser Dame aber glaube ich nicht, daß sie noch lange dagegen sein wird,da sie tugendhaft ist und guten Gemütes; und dann zerstäubt Gott diemenschlichen Gedanken durch seine himmlische Weisheit.

Fahren Sie also fort, meine sehr liebe Tochter, immer diesem göttli-chen Meister und Erlöser Ihrer Seele in Reinheit und Sanftmut des Geis-tes zu dienen. Das ist das einzige Glück, das wir anstreben können; unddie untrügliche Gewißheit, ihn auf ewig zu besitzen, besteht darin, ihnauf dieser Welt treu und vertrauensvoll zu lieben.

Ich habe noch nicht die Hoffnung aufgegeben, Sie in dieser Fastenzeitwiederzusehen und Ihnen persönlich zu sagen, wie ich es von ganzemHerzen tue, meine sehr liebe Tochter, daß ich Ihr sehr ergebener undsehr liebevoll zugeneigter Diener bin.

V. Bouquéron 1391

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AN FRAU DE LA BAUME

XVIII, 209-212 (1420)52 Annecy, 30. April 1618.

Es lebe Jesus!Möge der Heilige Geist mir eingeben, was ich Ihnen, gnädige Frau,

und – wenn es Ihnen so recht ist – auch meine liebe Tochter, zu schreibenhabe. Um ständig in der Frömmigkeit zu leben, ist nur nötig, starke undvortreffliche Grundsätze in seinem Geist zu verankern.

Der erste Grundsatz, den ich Ihrem Geist wünsche, ist der des hl. Pau-lus (Röm 8,28): „Alles gereicht denen zum Besten, die Gott lieben.“ InWahrheit: da Gott Gutes aus Schlechtem herausholen kann, für wenwird er das tun, wenn nicht für jene, die sich ihm rückhaltlos hingegebenhaben? Ja, selbst die Sünden, vor denen Gott uns in seiner Güte bewahre,werden denen, die ihm angehören, durch die göttliche Vorsehung zumGuten gewendet. Niemals wäre David so demutsvoll gewesen, hätte ernicht gesündigt, noch Magdalena so von Liebe zu ihrem Erlöser erfüllt,wenn er ihr nicht soviele Sünden nachgelassen hätte, und er hätte sie ihrnicht nachgelassen, wenn sie diese nicht begangen hätte.

Sehen Sie doch, meine liebe Tochter, diesen großen Werkmeister derBarmherzigkeit: er verwandelt unsere Armseligkeiten in Gnaden undschafft aus dem Gift unserer Schwachheiten das Heilmittel für unsereSeelen. Sagen Sie mir doch bitte, was macht er nicht aus unseren Heimsu-chungen und Mühen und aus den Verfolgungen, die man uns bereitet?Wenn also jemals ein Ungemach Sie trifft, von welcher Seite immer, kön-nen Sie Ihrer Seele versichern, es werde sich alles zum Guten wenden,wenn sie Gott recht liebt. Und wenn Sie auch die Mittel nicht erkennen,durch die Ihnen dieses Gute zuteil werden soll, so sollen Sie doch umsozuversichtlicher bleiben, daß es Ihnen zuteil wird. Wenn Gott den Schmutzder Schande auf Ihre Augen wirft, so will er, daß Sie dadurch sehend wer-den (Joh 9,6.11), und er will aus Ihnen ein Schauspiel seiner Ehre machen.Wenn Gott Sie einen Fall tun läßt wie den hl. Paulus, den er zu Boden warf(Apg 9,4), so geschieht es, um Sie wieder glorreich zu erheben.

Der zweite Grundsatz ist, daß er Ihr Vater ist; denn andernfalls würdeer uns nicht befehlen, zu sagen: „Vater unser, der Du bist im Himmel“(Mt 8,9). Und was haben Sie als Tochter eines solchen Vaters zu fürch-ten, ohne dessen Vorsehung „kein einziges Haar von Ihrem Haupt fällt“(Lk 21,18; 12,7)? Ist es nicht zu verwundern, daß wir als Kinder einessolchen Vaters andere Sorgen haben und haben können, als ihn recht zu

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lieben und ihm zu dienen? Tragen Sie die Sorge, die Sie nach seinemWillen für Ihre Person und Ihre Familie tragen sollen, und nicht mehr,denn dann werden Sie sehen, daß er für Sie Sorge tragen wird. „Denke anmich“, sagte er zu der hl. Katharina von Siena, deren Fest wir heutefeiern, „und ich werde an dich denken.“ „O ewiger Vater“, sagt der Weise(Weish 14,3), „deine Vorsehung regiert alles.“

Der dritte Grundsatz, den Sie haben sollen, ist der, den Unser Herrseine Apostel lehrte: „Was hat euch gefehlt?“ (Lk 22,35). Sehen Sie,meine liebe Tochter, Unser Herr hatte die Apostel da- und dorthin ge-sandt, ohne Geld, ohne Stock, ohne Schuhe, ohne Sack, mit einem einzi-gen Gewand bekleidet (Mt 10,9f), und nachher sagte er: „Als ich euch soausgesandt hatte, hat euch etwas gefehlt?“ Und sie antworteten: „Nein!“(Lk 22,35f). Und wenn Sie Leid gehabt haben, meine Tochter, selbst inZeiten, da Sie nicht soviel Vertrauen zu Gott hatten, sind Sie da in die-sem Leid umgekommen? Sie werden mir sagen: Nein. Warum haben Siealso nicht den Mut, auch über alle anderen Widrigkeiten siegreich zubleiben? Gott hat Sie bis jetzt nicht verlassen, wie soll er Sie von nun abverlassen, da Sie mehr denn früher die Seine sein wollen?

Fürchten Sie also nicht ein künftiges Übel dieser Welt, denn vielleichtwird es Ihnen niemals zustoßen, und bei jedem Ereignis wird Gott Siestärken, wenn es eintrifft. Er befahl dem hl. Petrus, auf dem Wasser zuwandeln; der hl. Petrus, der Wind und Sturm sah, geriet in Furcht unddie Furcht ließ ihn untergehen. Er bat seinen Meister um Hilfe und die-ser sagte ihm: „Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Und er streck-te ihm die Hand hin und beruhigte ihn (Mt 14,29-31). Wenn Gott Sie aufden Wellen der Widrigkeiten wandeln läßt, dann zweifeln Sie nicht, meineTochter, und sorgen Sie sich nicht, denn Gott ist mit Ihnen; haben Sieguten Mut, und Sie werden davon befreit werden.

Der vierte Grundsatz ist der von der Ewigkeit. Es liegt wenig daran,wer ich in diesen flüchtigen Augenblicken bin, wenn ich nur auf ewig inder Herrlichkeit meines Gottes bin. Meine Tochter, wir gehen auf dieEwigkeit zu, wir stehen bereits mit einem Fuß in ihr; wenn sie nur glück-selig wird für uns, was liegt daran, daß wir in diesen vorübergehendenAugenblicken voll Kummer sind? Ist es denn möglich, zu wissen, daßunsere Heimsuchungen von drei oder vier Tagen solch ewigen Trost be-wirken, und sie doch nicht ertragen zu wollen? Schließlich heißt es doch,meine liebe Tochter:

Was nicht ist für die Ewigkeit,kann Eitelkeit nur sein.

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Der fünfte Grundsatz ist der des Apostels (Gal 6,14): „Mir aber sei esfern, in etwas anderem meinen Ruhm zu suchen als im Kreuz meinesJesus.“ Pflanzen Sie in Ihr Herz den gekreuzigten Jesus Christus, undalle Kreuze dieser Welt werden Ihnen wie Rosen erscheinen. Wen dieStacheln der Dornenkrone Unseres Herrn, der unser Haupt ist, gesto-chen haben, der spürt kaum mehr andere Stiche.

Alles, was ich Ihnen gesagt habe, finden Sie im 3., 4. oder 5. und letztenBuch der „Gottesliebe“. Vieles, was sich darauf bezieht, werden Sie indem großen „Führer der Sünder“ von Granada finden.

Ich muß Schluß machen, man drängt mich. Schreiben Sie mir vertrau-ensvoll und zeigen Sie mir, was Sie denken, daß ich für Ihr Herz tunkönnte; das meine wird es mit herzlicher Liebe ausführen. Denn ich binin aller Wahrheit, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener und treuer Diener.

AN EINE TANTE

XVIII, 230f (1435) Annecy, 29. Mai 1618.

Gnädige Frau!Mit tiefem Mitgefühl habe ich mich gefragt, wie es Ihrem Herzen wohl

ergeht, als ich vom Leid erfuhr, das ihm in diesen vergangenen Tagenwiderfahren ist. Ich weiß wohl, daß, Gott sei Dank, die Erfahrung undGewöhnung der letzten Jahre, Leid zu tragen, Ihre Seele gestärkt undIhren Mut belebt haben. Dadurch sind Sie solchen Schlägen nicht mehrso außerordentlich empfindlich ausgeliefert, die bei unserer sterblichenVerfassung unvermeidbar sind. Aber ich fürchte doch andererseits, daßso häufige neue Belastungen Ihren Entschluß erschüttern.

Doch höre ich nicht zu hoffen auf, gnädige Frau, daß Sie nach so häu-figer Ergebung Ihres Willens in den Willen Gottes, nach so häufigenErwägungen über die Eitelkeit dieses Lebens und die Wahrheit des künf-tigen, und nach so vielen Beteuerungen, unwiderruflich der himmlischenVorsehung ergeben sein zu wollen, einen starken Trost zu Füßen desKreuzes Unseres Herrn finden werden, wo der Tod für uns besser gewor-den ist als das Leben. Und ich bin sicher, daß die Illusion des Lebens indieser Welt nicht vermocht hat, Sie von den Entschlüssen abweichen zulassen, die Gott Sie auf die damaligen Ereignisse hin fassen ließ.

Gnädige Frau, wir müssen uns der Notwendigkeit anpassen und sie

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uns für unsere künftige Seligkeit zunutze machen, nach der wir nur durchdiesen Kreuzweg von Dornen und Heimsuchungen trachten sollen undkönnen. Es macht in Wahrheit wenig aus (aber es bedeutet viel) für jene,die wir lieben, daß ihr Aufenthalt der Mühen und Nöte dieses Lebenskurz ist; und uns würde das auch nicht berühren, wenn wir zu überlegenverstünden, daß wir auf die Ewigkeit allein all unsere Wünsche richtensollen.

Um Gottes willen, meine sehr liebe Tante, und um nach meinem Her-zen zu sprechen, sicher auch meine sehr liebe Tochter, lassen Sie sichvom Strom der Widrigkeiten nicht mitreißen, sondern halten Sie sich andie Füße Unseres Herrn und sagen Sie ihm, daß Sie ihm gehören; ermöge über Sie und das, was nach seinem Willen Ihnen zugehört, nachseinem Belieben verfügen und Ihnen und den Ihren die hochheiligeEwigkeit seiner Liebe sichern. Diese Augenblicke verdienen nicht, daßman daran denkt, außer um zu diesem höchsten Gut zu gelangen. Ichbin, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Neffe und Diener.

AN EINE DAME

XVIII, 232-233 (1436) Annecy, 30. Mai 1618.Ich will Ihnen sagen, gnädige Frau, und wenn es Ihnen so recht ist,

meine sehr liebe Tochter, daß es unmöglich ist, solche Trennungen nichtschmerzlich zu empfinden; denn wenn es auch scheint, daß die nur imHerzen und im Geist bestehenden Verbindungen solch äußerlichen Tren-nungen und dem daraus entstehenden Schmerz nicht unterworfen sind,so werden wir sie doch fühlen, solange wir hier in diesem sterblichenLeben stehen, da ja die örtliche Entfernung den freien Seelenaustauschhindert, die sich nur durch einen solchen Briefwechsel sehen und mit-einander reden können. Dennoch aber haben wir allen Grund, meinesehr liebe Tochter, in der ganz heiligen Liebe zufrieden zu leben, dieGott den Seelen schenkt, die im gleichen Bestreben vereint sind, ihm zudienen. Dieses Band ist ja unlöslich und nichts, nicht einmal der Todkann es brechen. Es bleibt ewiglich fest auf seinem unerschütterlichenFundament, dem Herzen Gottes, um dessentwillen und durch den wiruns lieben.

Sie erkennen bereits, scheint es mir, aus diesen Worten meinen Wunsch,Sie mögen sich mit allem Vertrauen und rückhaltlos meiner Seele bedie-nen. Und da es Ihnen, wie Sie mir andeuten, zum Trost gereicht, wenn Sie

V. Eine Dame 1436

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mir oft über Ihre Seele schreiben, so tun Sie es vertrauensvoll, denn ichversichere Ihnen, daß es ein gegenseitiger Trost sein wird. Und das sei fürallemal gesagt.

Ich sage in Wahrheit, daß ich Sie ganz besonders liebte, seit ich inIhrem Herzen die Vorhaben der heiligen Liebe Gottes mit Ihnen sah,bezeugt durch seine Lockungen zu seinem Dienst. Selig werden Sie sein,wenn Sie diese demütig aufnehmen, wie Sie sich zu tun entschlossenhaben, und ihnen treu folgen. Das wünsche ich Ihnen aus meiner ganzenZuneigung für Sie und bleibe immerdar, meine sehr liebe Tochter, undmit einem wahrhaft väterlichen Herzen Ihr sehr ergebener und unwan-delbarer Diener.

AN DIE PRÄSIDENTIN DU FAURE

XXI, 116-117 (1340)53 Annecy, 7. April 1617.Ich stelle mir vor, daß Sie in der Abreise nach Languedoc begriffen

sind, meine liebe Tochter (denn das ist das Wort meines Herzen), undbevor Sie nun unterwegs sind, will ich Sie noch tausend- und abertau-sendmal grüßen und Gott bitten, er möge Sie geleiten und Sie immer mitseiner heiligen Hand halten, da er Sie durch seine Güte ergriffen hat,damit Sie immerdar ganz die Seine seien.

Welches Glück, gnädige Frau, ganz Gott zu gehören, denn er liebt dieSeinen, er behütet sie, er führt sie, er bringt sie in den Hafen der erstreb-ten Ewigkeit. Bleiben Sie also so und erlauben Sie Ihrer Seele niemals,daß sie sich betrübe und in Bitterkeit des Geistes oder in Skrupeln lebe,denn Er, der sie geliebt hat und gestorben ist, um sie leben zu lassen, istso gut, so mild, so liebenswert.

Dieser große Gott hat gewollt, daß Sie die Seine seien, er hat Sie dieswünschen lassen und Sie haben es gewollt; und er hat Sie alle richtigenMittel ergreifen lassen, damit Sie es werden. Sie sind also zweifellos dieSeine, meine ganz liebe Tochter, über die ich mich überaus freue und fürdie ich seine Barmherzigkeit segne, bin ich doch gewiß ohne Ende, gnä-dige Frau, Ihr sehr ergebener, sehr zugeneigter Diener.

V. Du Faure 1340

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XVIII, 260f (1455) Annecy, 10. August 1618.Gnädige Frau!

Dieser Briefüberbringer hat mich sehr zu Dank verpflichtet für dieMühe, die er auf sich genommen hat, um mich aufzusuchen, mehr abernoch für seine Mühewaltung, mir Nachrichten von Ihnen zu übermit-teln, weil sie alle gut sind. Um mir Ehre zu erweisen und mehr Befriedi-gung zu geben, hat er mir gesagt, daß Sie oft meiner gedacht hätten. Ichbekenne offenherzig, daß dieses Glück mir höchst wertvoll ist. Es ent-spricht der großen Liebe, ja der großen Neigung, die ich in meiner Seelefühle, in besonderer Weise Ihre Seele zu lieben und hochzuschätzen. Sieist mir auch immer gegenwärtig, das versichere ich Ihnen, zumindest inmeinen Hauptgebeten, die jene der heiligen Messe sind. Ich wäre auchsicherlich äußerst undankbar, wenn ich nicht von ganzem Herzen demheiligen Vertrauen entspräche, das Ihr Herz auf mich gesetzt hat.

Gott möge Sie durch seine Güte mit seinen ersehntesten Segnungenüberhäufen, meine liebe Tochter, und Sie mehr und mehr völlig zu derSeinen machen. In dieser Hoffnung leben Sie freudig und schließlichewig ohne Ende, meine liebe Tochter, nach dem ständigen Wunsch Ihressehr ergebenen und sehr zugeneigten Dieners ...

AN DIE GRÄFIN VON ROSSILLON

XVIII, 356f (1506)54 Paris, 27. Januar 1619.Meine sehr liebe Frau Cousine, meine Tochter!

Wie könnte ich denn diesen würdigen Bruder zu Ihnen reisen lassen,ohne ihm diese paar Worte mitzugeben? Durch sie kann er Ihnen meineBeteuerung bezeugen, wie sehr ich Sie hochschätzen und – wenn Sie diesgestatten – Sie mein ganzes Leben hindurch lieben will. Erweisen Siemir bitte die Gnade, meine sehr liebe Tochter, dies gern entgegenzuneh-men und Ihrerseits mir das Glück zu gewähren, das ich so sehr ersehne,nämlich in Ihrer Gunst zu bleiben.

Fahren Sie indessen fort, meine sehr liebe Tochter, in Tugend und Fröm-migkeit vor Gott und den Menschen zu leuchten, da seine göttliche Ma-jestät Ihnen die Neigung, die Eingebung und den Entschluß dafür einge-geben hat. Diesen Wunsch hegt mein Herz für Ihr geliebtes Herz, meinesehr liebe Cousine, meine Tochter. Ich bin Ihr sehr ergebener Cousinund Diener ...

V. Du Faure 1455 – Rossillon 1506

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Ich grüße innig Fräulein von Thonon, meine Cousine, und wünschesehr, sie möge mehr die Schönheit ihrer Seele lieben und mehr zu derenWachsen beitragen als zur Schönheit des Leibes, denn sie weiß schon seitlangem, daß ich ihr Herz liebe.

XIX, 231-232 (1660) Annecy, 2. Juni 1620.Gnädige Frau!

Hier ist also der Brief, den ich an den Fürst-Kardinal schrieb, demWunsch des Herrn Protonotars du Laurey55 entsprechend, der in meinerLiebe kaum weniger mein Bruder ist als der Ihre; Ihr Wort wird abermeine Bitte beseelen, damit sie Erfolg habe.

Leben Sie indessen immer freudig, gnädige Frau, fromm und glücklichin der Freude über Ihren jüngsten Sohn, dem ich gewiß von ganzemHerzen viel Segen wünsche.

Ihr jüngster Bruder hat mir überzeugend bewiesen, daß er auf keinenFall Geistlicher werden will, nicht allein durch seine Lebensweise, son-dern auch durch seine Bitte, ich möge seine Mutter56 um ihre Zustim-mung anflehen, daß er das geistliche Kleid ausziehe. Darum schreibe ichihr beiliegenden Brief. Ich meine, daß man nur Schwierigkeiten habenwird, wenn man ihn gegen seinen Willen zu einem Beruf zwingen will, indem es so viel guten Willens bedarf. Erweisen auch Sie ihm die LiebeIhrer Fürbitte, gnädige Frau, ebenso mir Ihr ständiges Wohlwollen, daich ständig Ihr sehr ergebener Cousin und Diener bin ...

XX, 373f (1947) Annecy, um den 26. September 1622.Wir sind hier, zumindest ich, meine liebe Tochter, in Furcht und Hoff-

nung verblieben in der Angelegenheit, aus der Ihnen, wie ich kürzlicherfuhr, nur das Leid zuteil wurde.57 Um es in Wahrheit zu sagen, dieErwägung Ihres Kummers war eine der ersten Befürchtungen, von denenich erfaßt wurde, als wir mit Gewißheit erfuhren, was uns schon vorherdurch ungewisse Gerüchte gesagt worden war.

Meine liebe Cousine, Sie müssen aber dennoch Ihr Herz beruhigen,und damit Ihr Schmerz ein gerechter sei, müssen Sie ihn durch die Ver-nunft in Schranken halten. Wir haben schon immer gewußt, daß wirnicht die Stunde wissen, in der uns solches durch den Tod der anderenoder den anderen durch unseren Tod geschehen würde. Wenn wir nichtdaran gedacht haben, müssen wir unser Unrecht eingestehen und es be-

V. Rossilon 1660, 1947

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reuen, denn daß wir alle den Namen „Sterbliche“ tragen, macht uns un-entschuldbar.

Kränken wir uns nicht, meine Tochter; wir werden recht bald alle wie-der vereint sein. Wir gehen ständig voran und nähern uns immer mehrdem Ort, wo unsere Toten sind; in einem oder zwei Augenblicken wer-den wir dorthin gelangen. Denken wir nur daran, diesen Weg gut zu ge-hen und ihnen in all dem Guten nachzufolgen, das wir in ihnen erkannthaben. Gesegnet sei Gott, der jenem, dessen Fehlen wir spüren, Gnadeerwiesen hat und der ihm Zeit und Gelegenheit gegeben hat, sich gut fürdiese selige Reise vorzubereiten. Legen Sie bitte Ihr Herz zu Füßen desKreuzes, meine liebe Tochter, und nehmen Sie Tod und Leben all dessen,was Sie lieben, aus Liebe zu ihm entgegen, der für Sie sein Leben hinge-geben und den Tod auf sich genommen hat.

Im übrigen könnte mich nichts daran hindern, die Dienste zu leisten,die Sie von mir wünschen, außer die Pflicht, die mir im Dienst UnseresHerrn und der Kirche obliegt. Da sich diese Ihrem Wunsch günstig er-wiesen, war ich sehr erfreut, Ihren Wunsch erfüllen zu können, wie ich esin allem tun werde, was mir möglich ist. Bei der Besetzung der Pfarräm-ter aber bin ich an Bestimmungen gebunden, die ich nicht übergehendarf. Wenn ich bei Einhaltung dieser Bestimmungen Ihren Wunsch er-füllen kann, wird dies mir selbst eine große Freude sein. Wenn ich esaber in vorliegendem Fall nicht tun kann, so soll der Überbringer dochnicht den Mut verlieren und weitere Fortschritte in der Wissenschaftund in der Tugend machen, worin er – wie ich denke – bereits gut begon-nen hat; dann wird es nicht an anderen Möglichkeiten fehlen, wo ihmIhre Empfehlung nützlich sein wird.

Ansonsten brauche ich Sie bei dieser Gelegenheit nicht meiner treuenDienste zu versichern. Sie sind Ihnen ein für alle Male ganz gewidmetund ich bitte Sie, niemals daran zu zweifeln, noch an der Sorge, mit derich bei allen Opfern, die ich Gott darbringe, der Seele dieses würdigenEdelmannes gedenke, dessen Verdienste ich immerdar ehren will mitallem, was er an Lieben hier zurückgelassen hat.

Gott sei inmitten Ihres Herzens, meine liebe Cousine, meine Tochter,und ich bin von ganzem Herzen Ihr sehr ergebener und sehr zugeneigterCousin und Diener.

V. Rossilon 1947

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AN FRAU VON VILLENEUVE

XVIII, 357-359 (1507) Paris, Januar oder Februar 1619.Meine sehr liebe Tochter!

Da ich den Brief gelesen habe, den Sie mir bei den Benediktinerngaben, fühlte ich gewiß ganz tief die Not jener heraus, die ihn mir ge-schrieben hat; nicht, daß ich sie deshalb in irgendeiner Gefahr sähe, aberich sehe sie sehr niedergedrückt; und ich nehme so sehr Anteil an ihr,daß ich nicht umhin kann, auch mit ihr zu leiden. Solch große Versu-chungen58 sind mehr unangenehm als gefährlich. O Gott, wie gut ist dochihr Glaube und wie groß (Mt 15,28)! Denn wäre er nicht so groß undstark, würde sie diesen Vorstellungen nicht so tapferen Widerstand ent-gegensetzen. Gott sei gepriesen, meine sehr liebe Tochter, der diese See-le prüft, wie ich hoffe, um sie in der Liebe zu ihrer Erniedrigung und inder Überwindung ihres Selbstbewußtseins zu läutern.

Wenn Sie mich nach der Predigt sehen, heute oder morgen, werden wirden Tag und die Stunde festlegen, um mit ihr zu sprechen. Einstweilenhier Briefe. Wir werden heute oder morgen Nachricht über die Depe-schen unseres Marienklosters erhalten.

Leben Sie wohl, meine sehr liebe Tochter; der gütige Jesus sei immer-dar inmitten Ihres Herzens. Amen.

XIX, 18-19 (1551)59 Um den 18. September 1619.Gewiß, meine sehr lieben Töchter, bedarf es nur eines Briefes für zwei

Schwestern, die nur ein Herz (Apg 4,32) und ein Bestreben haben. Wieheilsam ist es Ihnen doch, sich so aneinander zu halten! Diese Einheitder Seelen ist wie das kostbare Öl, das man über den großen Aaron goß,wie der königliche Psalmist sagt (Ps 133,2), in das man derart vielerleiduftende Flüssigkeiten mischte, daß alles zusammen nur einen süßenDuft ergab (Ex 30,23-25). Aber ich will mich nicht bei diesem Themaaufhalten. Was Gott im Blut und im Gefühl vereint hat, ist untrennbar,solange der gleiche Gott in uns herrscht; und er wird auf ewig darinherrschen.

Leben Sie also so sanftmütig und liebevoll zu allen, meine sehr liebenTöchter, demütig und tapfer, rein und aufrichtig in allem. Welch besse-ren Wunsch könnte ich für Sie hegen? Seien Sie wie geistliche Bienchen,die nur Honig und Wachs in ihre Bienenstöcke tragen. Ihre Häuser seien

V. Villeneuve 1507, 1551

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ganz erfüllt von Sanftmut, Frieden, Eintracht, Demut und Frömmigkeitin Ihren Gesprächen. Glauben Sie mir, ich bitte Sie, daß weder örtlichenoch zeitliche Entfernung mir jemals diese zärtliche und starke Zunei-gung nehmen werden, die Unser Herr mir für Ihre Seelen gegeben hat,die mein Herz ganz innig und unwandelbar liebt.

Und weil die Verschiedenheit Ihrer Lebensbedingungen erfordernkann, daß ich Ihnen manchmal getrennt schreibe trotz der Einheit IhresVorhabens, werde ich es ein anderes Mal tun; für den Augenblick aberbegnüge ich mich damit, Ihnen zu sagen und Sie zu beschwören, meinesehr lieben Töchter, mir ohne zu zögern fest zu glauben, daß ich Ihr sehrergebener und zugeneigter Diener bin ...

XIX, 261-262 (1671) Annecy, 4. Juli 1620.Es ist wahr, daß Sie meine sehr liebe Tochter sind, es ist aber auch

wahr, daß ich das immer mehr empfinde. Gott sei dafür gepriesen, daß erin meiner Seele nicht nur eine wahrhaft mehr als väterliche Liebe für Siegeschaffen hat, sondern auch die Überzeugung, daß Sie in Ihrem Herzenein ähnliches Gefühl hegen. Gewiß, meine sehr liebe Tochter, wenn Siemir manchmal in Ihren Briefen schreiben: „Ihre ganz liebe Tochter liebtSie“, und so zu mir sprechen, dann bekenne ich, daß ich darüber einewundersame Freude empfinde. Glauben Sie das und sagen Sie mir bitte,daß Sie ganz gewiß meine sehr liebe Tochter sind, und zweifeln Sie nie-mals daran.

Was Sie sagten, um ein wenig zeitliches Gut zu retten, war keine Lüge,sondern bloß eine Unachtsamkeit, die höchstens eine leichte läßlicheSünde sein kann; und wie Sie mir schreiben, hat es den Anschein, als obes überhaupt keine sei, da doch daraus keinerlei Ungerechtigkeit gegenden Nächsten entstand.

Haben Sie keinerlei Bedenken, weder große noch kleine, zu kommu-nizieren, bevor Sie die Messe gehört haben, vor allem, wenn es einen soguten Grund hat wie der, von dem Sie mir schreiben; und selbst wenn eskeinen solchen hätte, läge darin nicht einmal ein Schatten von Sünde.Halten Sie Ihre Seele immer in Ihren Händen (Ps 119,109), meine sehrliebe Tochter, um sie für ihn gut zu bewahren, der allein sie zu besitzenverdient, da er sie doch losgekauft hat. Er sei immer gepriesen. Amen.

Gewiß bin ich ganz völlig der Ihre in ihm und Ihr sehr ergebener Die-ner und der der lieben Schwester und Ihres ganzen Hauses.

V. Villeneuve 1671

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XIX, 315-316 (1696) Annecy, 9. August 1620.Ich freue mich mit ihnen, meine sehr liebe Tochter, über den Eintritt

der lieben Schwester, weil sie ihn wirklich hochherzig, heilig und – umes zu sagen, wie ich es verstehe – heldenhaft und auf die Art der Urchri-sten des heiligsten Zeitalters der Kirche vollzogen hat; ebenso darüber,daß Sie nach den Worten der guten Mutter Oberin gleichen Anteil andiesem Eintritt hatten, und mehr noch, als wenn Sie sich selbst zurückge-zogen hätten, falls es Ihnen gestattet wäre. O meine innigst geliebte Toch-ter, so muß man Gott dienen aus der höchsten und unvergleichlich vor-trefflichen Liebe heraus.

Ich kenne die starke, lebendige und zärtliche Liebe Ihres Herzens zudieser Schwester. Diese kleine Trennung wird ihm große Mühe gekostethaben. Das gibt mir tausendfache Freude im obersten Bereich meinerSeele; denn im unteren habe ich, glauben Sie mir, meine Tochter, meinGefühl mit dem Ihren verknüpft gefunden, so sehr macht wahrhaft inganz lauterem Sinn „die Liebe die Liebenden gleich“. Sie haben also andiesem wohlgefälligen Opfer so guten Anteil, daß ich mich voll Liebesehr darüber mit Ihnen freue, und ich glaube, daß die göttliche GüteIhres Opfers huldvoll gedenken, Ihren Rat bestätigen und Ihnen entspre-chend der Gesinnung Ihres Herzens (Ps 20,4-5) einen Trost zuteil wer-den lassen wird, der Sie immer wachsen läßt in dieser Liebe, oder eineKraft, die – ohne Trost – Sie immer vollkommener dieser himmlischenLiebe dienen läßt.

Ich kann nichts anderes sagen, meine sehr liebe Tochter, als daß ich inunsagbarer und in unglaublicher Weise der Ihre bin.

Es lebe Jesus! Amen.

XX, 121f (1815) Annecy, 2. August 1621.Sie sind gewiß meine überaus liebe Tochter; da können Sie sich wohl

denken, daß mein Herz von Zärtlichkeit gerührt ist wegen der Besorg-nisse, die Sie mir durch Ihren letzten Brief über die Rückkehr unsererlieben Mutter von der Heimsuchung hierher bezeugen. O, wenn Gott esso verfügt hätte, daß wir immer beisammen blieben, wie schön wäre das!Aber was hilft es, meine liebe Tochter? Unsere Berge würden Paris er-drücken und den Lauf der Seine behindern, wären sie dort; Paris wiederwürde unsere Täler aushungern, wenn es inmitten dieser Berge läge. Ei-nes Tages, vielmehr in der hochheiligen Ewigkeit, nach der wir streben,werden wir immer beisammen sein, wenn wir in diesem Übergang nachdem Willen Gottes leben.

V. Villeneuve 1696, 1815

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Ich glaube es wohl, meine liebe Tochter, daß Schwester Helene An-gélique, unsere liebe Gründerin, ihre Mutter entweder zurückhalten odermit ihr hierher kommen möchte. O, wenn das ginge, wie sehr wünschteich sie ein wenig in dieser Einöde zu sehen! Aber daran kann nicht ein-mal gedacht werden. Eines kann ich Ihnen sagen: daß die so sehr liebeMutter ihr Kommen bis zum äußersten Zeitpunkt hinausschieben wird,obgleich sie doch hier so überaus herbeigewünscht und verlangt wird;aber wir versprechen uns auch, daß Sie zur gegebenen Zeit sanftmütigdie Trennung von dieser Seele ertragen werden, die kein Tod sein wird,wie es die Trennung von Seele und Leib ist, denn der Heilige Geist, dasLeben unserer Herzen, wird Sie immer mit seiner heiligen Liebe bele-ben und Sie immer mehr mit uns vereint halten wie uns mit Ihnen.

Grüßen Sie bitte innig das Herz der geliebten Schwester Helene-An-gélique, die glücklich ist, sich selbst aufgegeben zu haben, um ganz Gottzu gehören, der sie segnet, wie auch Sie, meine sehr liebe Tochter.

AN DIE PRÄSIDENTIN VON HERSE.

XIX, 271-274 (1675) Annecy, 7. Juli 1620.Gnädige Frau!

Gott unser Heiland weiß wohl, daß unter den Zuneigungen, die er inmeine Seele gelegt hat, jene, Sie überaus zu lieben und besonders hoch-zuschätzen, eine der stärksten ist, völlig unwandelbar, frei von Wechselund Vergessen. Nach dieser bestimmt gewissenhaften Beteuerung willich Ihnen nun ein kleines freies und aufrichtiges Wort sagen und zu-nächst Sie wieder mit dem herzlichen Namen einer „sehr lieben Toch-ter“ anreden, da ich in Wahrheit wohl fühle, daß ich vom Herzen Ihrliebender Vater bin.

Meine sehr liebe Tochter also, ich habe Ihnen nicht geschrieben. Abersagen Sie mir, bitte, wie ist es mit Ihnen, haben Sie mir seit meinerRückkehr hierher geschrieben? Aber deshalb haben Sie mich nicht ver-gessen. O gewiß, auch ich nicht und ich sage Ihnen mit aller Wahrheitund Gewißheit, daß ich Ihnen das bin, was Gott gewollt hat, daß ichIhnen sei, und ich fühle wohl, daß ich das immer beständig und ganz festsein werde. Darin empfinde ich ein ganz besonderes Wohlgefallen, zu-sammen mit viel Trost und großem Nutzen für meine Seele. Ich erwarte-te, daß Sie mir schreiben, nicht weil ich dachte, daß Sie es sollten, aber

V. Von Herse 1675

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weil ich nicht daran zweifelte, daß Sie es tun würden, und ich Ihnendadurch ein wenig ausführlicher schreiben könnte. Wenn Sie aber längergezögert hätten, meine sehr liebe Tochter, hätte ich nicht mehr wartenkönnen; noch weniger könnte ich Ihre teure Person und Ihr ganzes lie-benswertes Haus in dem Opfer, das ich täglich Gott Vater am Altar dar-bringe, auslassen, wo Sie in meinem Gedenken an die Lebenden einenganz besonderen Platz einnehmen: sind Sie mir doch auch ganz beson-ders teuer.

In Ihrem Brief, meine sehr liebe Tochter, finde ich großen Anlaß, Gottzu preisen für eine Seele, in der er den heiligen Gleichmut in der Tataufrecht hält, wenn auch nicht gefühlsmäßig. Alles, was sie mir, meinesehr liebe Tochter, von Ihren kleinen Aufregungen sagen, bedeutet nichts.Solch kleine überraschende Leidenschaftsausbrüche sind unvermeidbarin diesem sterblichen Leben, schreit doch deshalb der große Apostelzum Himmel: „Ach, weh mir Armen, der ich bin, fühle ich doch zweiMenschen in mir, den alten und den neuen; zwei Gesetze, das Gesetz derSinne und das Gesetz des Geistes; zweifaches Wirken, das der Natur unddas der Gnade. Ach, wer wird mich befreien von diesem Leib des To-des?“ (Röm 6,21-24).

Meine liebe Tochter, die Eigenliebe stirbt erst mit unserem Leib; so-lange wir in dieser Verbannung leben, müssen wir immer ihre fühlbarenAngriffe oder geheimen Machenschaften spüren. Es genügt, daß wir nichtmit einer willentlichen, überlegten, festen und erneuerten Einwilligungzustimmen. Diese Tugend des Gleichmutes ist so erhaben, daß unseralter Mensch in seinem fühlbaren Bereich und die menschliche Natur inihren natürlichen Fähigkeiten nicht dazu imstande wäre, nicht einmalbei Unserem Herrn. Als Kind Adams war er wohl frei von jeder Sündeund allem, was dazu gehört, aber in seinen Gefühlen und in seinenmenschlichen Fähigkeiten keineswegs immer gleichmütig, sondern erwünschte, nicht am Kreuz sterben zu müssen (Mt 26,39). Der Gleich-mut und die Ausübung desselben ist ganz dem Geist vorbehalten, demobersten Bereich, den von der Gnade entflammten Fähigkeiten, kurz,ihm selbst als neuen Menschen.

Bleiben Sie also in Frieden. Wenn es uns widerfährt, daß wir die Geset-ze des Gleichmutes in gleichgültigen Dingen verletzen oder wegen plötz-lichen Aufbrausens unserer Eigenliebe und unserer Leidenschaften, dannwerfen wir gleich, sobald wir können, unser Herz Gott zu Füßen undsagen wir im Geist des Vertrauens und der Demut: „Barmherzigkeit,Herr, denn ich bin schwach!“ (Ps 6,3). Erheben wir uns dann wieder in

V. Von Herse 1675

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Frieden und Ruhe und flicken wir wieder das Netz unseres Gleichmu-tes; und dann fahren wir mit unserer Arbeit fort. Wir dürfen nicht dieSaiten zerreißen, noch die Laute weglegen, wenn wir einen Mißklangentdecken; wir müssen vielmehr lauschen, woher der gestörte Klangkommt, und dann behutsam die Saite spannen oder nachlassen, wie dieKunst es erfordert.

Bleiben Sie in Frieden, meine sehr liebe Tochter, und schreiben Siemir vertrauensvoll, wenn Sie meinen, daß dies zu Ihrem Trost sei. Ichwerde immer treu und mit besonderer Freude antworten, ist mir IhreSeele doch teuer wie meine eigene.

In den vergangenen acht Tagen hatten wir unseren guten Msgr. vonBelley bei uns gehabt, der mich mit seinem Besuch beehrt und uns ganzausgezeichnete Predigten gehalten hat. Sie können sich denken, daß wiroft von Ihnen und Ihrem Haus gesprochen haben. Aber welche Freude,als Herr Janet mir sagte, mein ganz liebes kleines Patenkind wäre sogescheit, so sanft, so hübsch und fast schon so fromm. Ich versichereIhnen in Wahrheit, meine sehr liebe Tochter, daß ich das mit unver-gleichlicher Liebe höre, und ich erinnere mich, mit welcher Anmut, welchsüßem Mienenspiel und mit welch kindlicher Ehrerbietung er die Kind-schaft Gottes aus meinen Händen empfing. Wenn meine Tage zu Endegehen, wird er heilig sein, dieser liebe kleine François; er wird der Trostvon Vater und Mutter sein und soviel heilige Gnaden bei Gott haben, daßer mir die Verzeihung meiner Sünden erwirken wird, wenn ich so langelebe, bis er mich persönlich lieben kann.

Schließlich bin ich, meine sehr liebe Tochter, ganz vollkommen undohne irgendwelche Bedingung oder Ausnahme Ihr sehr ergebener undtreuer Bruder, Gevatter und Diener ...

Wenn Sie fürchten, daß Ihre Briefe unterwegs verloren gehen, obgleichfast nie einer verschwindet, brauchen Sie sie nicht unterzeichnen, dennich kenne Ihre Handschrift immer gut.

Darf ich Sie bitten, meine ergebensten Empfehlungen und Dienste derFrau Marquise von Menelay darzubringen? Sie ist demütig genug, umdas gut zu finden, und der kleine François ist klug genug, es ihr einzure-den, wie auch Frau von Chenoyse. Ich muß auch sagen, daß ich Frau de laHaye grüße.

V. Von Herse 1675

311

XX, 256f (1887) Annecy, 23. Januar 1622.Ich habe diesem Überbringer wohl aufgetragen, Sie, Ihren lieben Herrn

Gemahl und Ihren Sohn, mein liebes Patenkind, von mir aus bestens zugrüßen. Aber hätte ich es wohl unterlassen können, ihm auch dieses klei-ne sichtbare Zeichen der Aufrichtigkeit des Wunsches mitzugeben, denich habe, in Ihrer lieben Seele unsichtbar zu leben, meine liebe FrauGevatterin und meine sehr geliebte Tochter?

Ich unterlasse nie, das versichere ich Ihnen, und feiere niemals dasheilige Opfer, ohne Ihr Herz Gott darzubringen und seinen Schutz undseine Gnade über Ihre teure Familie anzurufen. Das muß ich wohl, ichweiß es; auch sage ich das nicht, meine liebe Tochter, um mich dessen zurühmen, sondern aus Freude, daran zu denken und zu glauben, daß esIhnen Freude macht, wenn ich Sie dessen versichere ...

Leben Sie also immer mehr in dieser himmlischen Liebe UnseresHerrn, der Sie durch tausendfache Segnungen dazu verpflichtet, mit de-nen er Sie beschenkt hat und vor allem durch seine Eingebung, dies zuwollen und zu wünschen. In diesem Wunsch leben Sie froh und heiligzufrieden, auch sogar inmitten der Ärgerlichkeiten und Leiden, die denKindern Gottes niemals fehlen.

Ich bin unwandelbar ganz und gar Ihr sehr ergebener und gehorsamerDiener und Gevatter.

Annecy, am 23. Januar 1622.

AN FRAU VON VILLESAVIN

XVIII, 384-386 (1522) Paris, Mai 1619.Meine sehr liebe Tochter!

Sie werden oft unter Kindern dieser Welt sein, die nach ihrer Gewohn-heit sich über alles lustig machen, was sie in Ihnen im Widerspruch zuihren schändlichen Neigungen sehen oder vermuten. Geben Sie sich nichtdamit ab, sich mit ihnen in einen Streit einzulassen, bezeugen Sie keiner-lei Traurigkeit über ihre Angriffe, sondern lachen Sie voll Freude überderen Gelächter, verachten Sie deren Verachtung, machen Sie sich überderen Tadel lustig, spotten Sie bescheiden über ihr Spotten und gehenSie, ohne all dem Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, immer fröhlich anden Dienst Gottes. In der Zeit des Gebetes empfehlen Sie diese armenMenschen der göttlichen Barmherzigkeit. Sie sind bemitleidenswert, da

V. Von Herse 1887 – Villesavin 1522

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sie sich für kein anständiges Gespräch interessieren, sondern nur ki-chern und witzeln über Dinge, die Achtung und Ehrfurcht erfordern.

Ich sehe, daß Sie reichlich die Bequemlichkeiten des gegenwärtigenLebens haben; hüten Sie sich, daß Ihr Herz darin verstrickt werde. Salo-mos, des Weisesten der Sterblichen, unnennbares Unglück begann da-mit, daß er Gefallen fand an der Größe, dem Schmuck und dem prächti-gen Aufwand, die er besaß, obgleich all das nur seinem Stand entsprach.Erwägen wir doch, daß alles, was wir haben, uns tatsächlich um nichtsgrößer macht als die übrige Welt und daß all das nichts ist vor Gott undden Engeln.

Denken Sie daran, meine sehr liebe Tochter, nur recht den WillenGottes zu tun in den Ereignissen, in denen Sie die größten Schwierigkei-ten haben. Es zählt wenig, Gott zu gefallen in dem, was uns gefällt; diekindliche Treue erfordert, daß wir ihm gefallen wollen in dem, was unsnicht paßt, indem wir uns vor Augen halten, was der große vielgeliebteSohn von sich selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, um meinen Willenzu tun, sondern um den Willen dessen zu vollbringen, der mich gesandthat“ (Joh 6,38). Sie sind auch nicht Christin, um Ihren Willen zu tun,sondern um den Willen dessen zu erfüllen, der Sie an Kindesstatt aufge-nommen hat, damit Sie seine Tochter und auf ewig seine Erbin seien(Röm 8,15.17).

Nun gehen Sie fort, wie ich, ohne irgendeine Hoffnung, Sie auf dieserWelt wiederzusehen. Bitten wir Gott, er möge uns die Gnade erweisen,so nach seinem Wohlgefallen in dieser Pilgerschaft zu leben, daß wir uns,wenn wir im himmlischen Vaterland angekommen sind, freuen können,uns hier unten gesehen und über die Geheimnisse der Ewigkeit gespro-chen zu haben. Daraus allein sollen wir Freude schöpfen, daß wir uns indiesem Leben lieb hatten: daß alles zur Ehre seiner göttlichen Majestätund zu unserem ewigen Heil diente. Bewahren Sie die heilige, herzlicheFröhlichkeit, die die Kräfte des Geistes nährt und den Nächsten erbaut.

Gehen Sie denn in Frieden, meine sehr liebe Tochter. Gott sei immer-dar Ihr Beschützer. Er möge Sie immer an seiner Hand halten und Sieauf dem Weg seines heiligen Willens führen (Ps 73,24). So sei es, meineliebe Tochter, und ich verspreche Ihnen, daß ich diese heiligen Wünschefür Ihre Seele, die die meine immerdar unverletzlich lieben wird, täglicherneuern werde. Und Gott sei immer Lob, Preis und Danksagung. Amen.(Apg 7,12).

V. Villesavin 1522

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XVIII, 415-417 (1539) Paris, Juli-August 1619.

Glauben Sie niemals, meine liebe Tochter, daß die örtliche Entfer-nung die Seelen trennen kann, die Gott durch die Bande seiner Liebevereint hat. Die Kinder dieser Zeit sind alle voneinander getrennt, habensie doch ihre Herzen an verschiedenen Orten; die Kinder Gottes aberhaben ihr Herz, wo ihr Schatz ist (Lk 12,14), und da sie nur einen glei-chen Schatz, nämlich den gleichen Gott haben, sind sie folglich immermiteinander verbunden und eins. Das soll es unserem Geist leicht ma-chen, da die Notwendigkeit Sie außerhalb dieser Stadt hält und ich auchrecht bald abreisen muß, um in mein Amt zurückzukehren. Wir werdenuns sehr oft bei unserem heiligen Kruzifix wiedersehen, wenn wir dasWort halten, das wir uns dafür gegeben haben; da sind solche Begegnun-gen einzigartig von Gewinn.

Indessen will ich damit beginnen, meine sehr liebe Tochter, Ihnen zusagen, daß Sie Ihren Geist durch alle möglichen Mittel stärken sollengegen diese eitlen Befürchtungen, die ihn gewöhnlich erregen und quä-len. Ordnen Sie dazu erstens Ihre Übungen auf eine Weise, daß derenLänge nicht Ihre Seele ermüdet und nicht die Seelen jener verärgert, mitdenen Gott Sie zusammenleben läßt. Eine halbe Viertelstunde und we-niger noch genügt für die morgendliche Vorbereitung; drei Viertelstun-den oder eine Stunde für die Messe und untertags einige Erhebungen desGeistes zu Gott, die keine Zeit erfordern, sondern in einem Augenblickverrichtet werden können; und die Gewissenserforschung am Abend vordem Schlafengehen, abgesehen von Tischsegen und Danksagung, dieüblich sind und die eine Herzensvereinigung mit Gott darstellen. Miteinem Wort, ich möchte, daß Sie ganz „Philothea“ und nichts anderesmehr seien als dies: d. h. Sie sollen so sein, wie ich es im Buch von derAnleitung aufzeige, das ja für Sie und Ihresgleichen geschrieben wurde.

Meine sehr liebe Tochter, seien Sie in den Gesprächen im Frieden überallem, was da gesagt und getan wird; denn ist es gut, haben Sie Grund, Gottdafür zu preisen; und ist es schlecht, dann können Sie Gott dadurch die-nen, daß Sie Ihr Herz davon abwenden, ohne weder die Entsetzte noch dieVerärgerte zu spielen; denn Sie können nichts dafür und haben nicht ge-nug Einfluß, um die schlechten Worte jener abzulenken, die sie sagenwollen, ja die noch schlimmere sagen würden, wenn man sich merkenließe, sie davon abhalten zu wollen. Wenn Sie so handeln, werden Sie ganzunschuldig bleiben mitten im Zischeln der Schlangen und wie eine Erd-beere kein Gift aufnehmen durch den Umgang mit giftigen Zungen.

V. Villesavin 1539

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Ich kann mir nicht denken, wie Sie diese maßlosen Traurigkeiten inIhrem Herzen zulassen können, da Sie doch eine Tochter Gottes sind,die sich schon seit langem in den Schoß seiner Barmherzigkeit geworfenund sich seiner Liebe geweiht hat. Sie müssen es sich selbst erleichtern,indem Sie alle diese traurigen und melancholischen Eingebungen ver-achten, die der böse Feind in uns weckt mit der einzigen Absicht, unsmüde zu machen und zu plagen.

Achten Sie sehr darauf, recht die demütige Sanftmut zu üben, die SieIhrem lieben Gatten und jedermann schulden, denn das ist die Tugendder Tugenden, die Unser Herr uns so sehr empfohlen hat (Mt 11,29).Wenn es Ihnen geschieht, daß Sie dem zuwiderhandeln, dann geraten Sienicht in Verwirrung, sondern stehen mit allem Vertrauen wieder auf, umneuerlich in Frieden und Sanftmut wie vorher vorwärts zu schreiten. Ichschicke Ihnen eine kleine Methode, wie Sie sich am Morgen und denganzen Tag über mit Unserem Herrn vereinigen können.

Das war es, meine liebe Tochter, was ich Ihnen im Augenblick zu Ih-rem Trost sagen zu müssen glaube. Ich muß Sie noch bitten, keinerleiFörmlichkeiten mir gegenüber anzuwenden, da ich weder Zeit noch denWillen habe, solches mit Ihnen zu tun. Schreiben Sie mir, wann es Ihnengefällt, in aller Freiheit, ich werde immer froh sein, Nachrichten überIhre Seele zu erhalten, welche die meine vollkommen liebt, meine sehrliebe Tochter, wie ich auch wahrhaftig Ihr recht ergebener Diener inUnserem Herrn bin.

XIX, 179-180 (1636) Annecy, 9. April 1620.Diese paar Zeilen werden genügen, meine sehr liebe Tochter, um als

Vorwort zu dienen für einen viel längeren Brief, den ich mich zu schrei-ben verpflichtet fühle. Ich will damit meine Unterlassung gutmachen,daß ich nicht gleich bei meiner Ankunft hier diese Pflicht erfüllt habe.Ich bitte Sie, zu glauben, daß Sie meinem Geist ganz gegenwärtig sind,der niemals aufhören wird, Ihren Geist überaus zu lieben und ihm alleGnaden Unseres Herrn zu wünschen, besonders ein ständiges Wachsenin der himmlischen Liebe, die allein Ihre Schönheit stillen kann.

Ich habe die göttliche Majestät dafür gepriesen, als ich erfuhr, daß Sienun glücklich entbunden haben nach soviel Leiden und Schmerzen,durch die die göttliche Vorsehung Sie an ihrem Kreuz teilhaben lassenwill, was das deutlichste Zeichen ihrer Liebe für ihre Kinder ist. Es istwahrhaft ein Martyrium, meine sehr liebe Tochter, viel zu leiden um des

V. Villesavin 1636

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Willens dessen wegen, dem wir unseren Willen geweiht haben und deruns so sehr geliebt hat, daß er für uns sterben wollte (Gal 2,20; Eph 5,2).

Ich bitte Sie um Erlaubnis, in diesem Brieflein meine sehr liebe kleineTochter Anna60 zu grüßen, die – dessen bin ich sicher – noch mehr frommals schön ist.

Gott sei immer inmitten Ihres Herzens, meine sehr liebe Tochter, undich bin zur Gänze in ihm Ihr sehr ergebener und sehr zugeneigter Diener.

AN FRAU DE LAMOIGNON

XIX, 1-2 (1541)61 Paris, 7. August 1619.Dies hier, meine sehr liebe Tochter, ist für die gute Frau von Vaul-

grenant,62 für die ich viel Mitgefühl habe, da ich sie so mit Aufgabenüberhäuft sehe, an die sie meiner Meinung nach nicht gewöhnt ist. AberGott wird ihr beistehen und sie an der Hand halten, worum ich seinehöchste Güte anflehe. Ich werde auch niemals aufhören, Ihnen zu wün-schen, daß diese höchste Güte Ihnen gnädig und hilfreich sei, meine sehrliebe Tochter, und bleibe auf immer Ihr sehr ergebener und sehr zuge-neigter Diener ...

AN FRAU LE NAINT DE CRAVANT

XIX, 4 (1543)63 Paris, 20. August 1619.Ich würde mich selbst tadeln, meine sehr liebe Tochter, wenn ich diese

teure Schwester abreisen ließe, ohne ihr mit diesen wenigen Zeilen diesekurze aber entschiedene Versicherung mitzugeben, daß ich Ihrer undIhres Herzens gedenke, das ich vollkommen liebe. Tausendfach wün-sche ich, es möge sich immer mehr in der Sanftmut und Demut vervoll-kommnen, damit es ganz nach dem Herzen Unseres Herrn lebe, dem iches unaufhörlich empfehle sowie alles, was ihm lieb ist. Ich bleibe immerund unwandelbar, meine sehr liebe Tochter, Ihr sehr ergebener Diener ...

XX, 167f (1842) Annecy, Ende September-November 1621.Aus dem Mund des guten Herrn Crichant habe ich die Geschichte vom

Eintritt und von der Aufnahme Ihrer lieben kleinen Tochter in den hei-ligen Karmeliterorden gehört, auch wie sie aus Ihrer mütterlichen Hand,

V. Lamoignon 541 – Le Naint 1543, 1842

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meine liebe Tochter, in die der guten Mutter Magdalena vom hl. Josef64

überging. Ich hoffe, daß dieser Akt von der Hand dessen gesegnet werde,der die Schnelligkeit guter Entschlüsse und deren gute Ausführung liebtund die allzu große Bedächtigkeit jenes Sohnes mißbilligte, der seinenVater begraben wollte, bevor er sich gänzlich zur Nachfolge entschloß(Mt 8,21f). Der Entschluß Ihrer Tochter und vielleicht auch ihre Auf-nahme sind zwar ungewöhnlich,65 aber es ist kein Wunder, wenn eineMagnetnadel sich so jäh und so mächtig dem Magnet zuwendet ... So istIhr Opfer beinahe verzehrt, bevor es recht auf dem Altar ist.

Die göttliche Majestät segne Sie immer mehr mit ihrer heiligen Liebe,ebenso das Herz Ihres Gemahls, das so liebevoll mit Ihnen wirkt, umgänzlich nach Gott zu streben und nur in ihm zu leben. Ich bin unwan-delbar Ihr sehr ergebener und sehr wohlgeneigter Diener ...

AN EINE UNBEKANNTE DAME

XIX, 6-7 (1545) Paris, 23. August 1619.Da ich von dem schweren Schlag erfuhr, der Sie getroffen hat, meine

sehr liebe Tochter, war mein Herz in gleicher Weise davon betroffeninfolge der herzlichen Liebe, die Gott mir für Sie geschenkt hat. Dennich sehe Sie, so scheint es mir, tief vom Leid betroffen, als eine Mutter,die von ihrem einzigen und gewiß sehr liebenswerten Sohn getrennt wur-de. Doch zweifle ich nicht daran, daß Sie richtig denken und überzeugtsind, daß diese Trennung nicht von langer Dauer sein wird; eilen wirdoch alle mit großen Schritten dahin, wo Sie diesen Sohn wiederfinden:in die Arme der Barmherzigkeit Gottes, wie wir hoffen müssen. Darumsollen Sie, soweit es Ihnen möglich sein wird, den von der Natur verur-sachten Schmerz durch die Vernunft mildern und lindern.

Aber ich spreche zu zurückhaltend zu Ihnen, meine sehr liebe Tochter.Es ist schon so lange Zeit her, daß Sie gewünscht haben, Gott zu dienen,und daß Sie in der Schule des Kreuzes in die Lehre gegangen sind. Dahertragen Sie auch das gegenwärtige Kreuz nicht nur geduldig, sondern auch– dessen bin ich gewiß – sanftmütig und voll Liebe. Sie schauen ja aufden, der sein Kreuz trug und auf dieses Kreuz geheftet war bis zum Tod.Sie schauen auch auf sie, die nur einen Sohn hatte, aber einen Sohnunvergleichlicher Liebe, und ihn auf dem Kreuz sterben sah mit Augenvoll Tränen und einem Herzen voll des Leides, aber eines stillen undliebevollen Leides für Ihr Heil und das Heil der ganzen Welt.

V. Unbekannte Dame 1545

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So sind Sie nun, meine sehr liebe Tochter, entblößt und beraubt deskostbarsten Besitzes, den Sie hatten. Preisen Sie den Namen Gottes, derihn gegeben und wieder genommen hat (Ijob 1,21), und seine göttlicheMajestät wird Ihnen an Kindesstatt gehören. Ich habe bereits zu Gott fürdiesen Verstorbenen gebetet und werde es weiterhin tun entsprechendmeiner großen Verpflichtung Ihrer Seele gegenüber; möge die ewige GüteUnseres Herrn diese mit seinem Segen erfüllen. Ich bin, meine sehr liebeTochter, vorbehaltlos ganz der Ihre und Ihr recht ergebener Diener ...

AN EINE PARISER DAME

XIX, 9-11 (1547) Paris, 4. September 1619.Meine sehr liebe Tochter!

Da die „Anleitung zum frommen Leben“ für Seelen in Ihren Verhält-nissen geschrieben wurde, bitte ich Sie, diese zu lesen und möglichstgenau zu befolgen; denn sie wird Ihnen beinahe alle Ratschläge erteilen,die nötig sind. Ich füge nur im besonderen hinzu, daß Sie lernen sollen,Ihre Übungen kurz zu halten, da Sie nicht immer die erforderliche Zeithaben, um sich in ihnen auszubreiten.

Am Morgen wird die knappe Hälfte einer Viertelstunde genügen. WennSie die heilige Messe hören können, tun Sie es; wenn Sie es nicht können,beten Sie eine halbe Stunde lang und vereinigen Sie darin Ihren Geistmit der heiligen Kirche in der Anbetung des heiligen Opfers und desErlösers unserer Seelen, den es in sich birgt. Achten Sie sehr darauf, inall Ihren Gebeten aufmerksam zu sein und durch die ehrfürchtige Hal-tung Ihres Körpers vor Gott den Nächsten erkennen zu lassen, daß Siemit der göttlichen Majestät sprechen.

Seien Sie demütig und sanftmütig allen gegenüber; denn dann wirdGott Sie am Tag seiner Heimsuchung (1 Petr 5,6) erhören. Beten Sie oftfür die vom wahren Glauben abgekommenen Seelen und preisen Sie oftGott für die Gnade, mit der er Sie in diesem Glauben bewahrt hat. Allesgeht vorüber, meine sehr liebe Tochter, nach den kurzen Tagen diesessterblichen Lebens, die uns bleiben, kommt die unendliche Ewigkeit.Wie wenig liegt doch daran, ob wir es hier schön oder schwer haben,wenn wir nur in alle Ewigkeit glücklich sind. Diese heilige Ewigkeit, dieuns erwartet, sei Ihr Trost, ebenso daß Sie Christ sind, Tochter Jesu Chri-sti, wiedergeboren aus seinem Blut, denn darin allein liegt unsere Ehre:daß der göttliche Heiland für uns gestorben ist ...

V. Pariser Dame 1547

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AN EINE UNBEKANNTE DAME

XIX, 11-12 (1548) Paris, 7. September 1619.Meine sehr liebe Tochter!

Ich sage Ihnen von ganzem Herzen Lebewohl. Gehören Sie Gott im-merdar in diesem sterblichen Leben an, indem Sie ihm treu dienen in-mitten der Mühen, die man hier hat, in seiner Nachfolge das Kreuz zutragen (Mt 16,24), und im ewigen Leben, wo Sie ihn ewig preisen werdenmit dem ganzen himmlischen Hof.

Das große Gut unserer Seelen besteht darin, Gott zu gehören, und dasgrößte Gut, nur ihm zu gehören. Wer nur Gott gehört, ist niemals traurig,außer darüber, Gott beleidigt zu haben; und seine Traurigkeit darübergeht in eine tiefe aber ruhige und friedvolle Demut und Unterwerfungüber, aus der er sich zur göttlichen Güte wieder erhebt durch ein gelasse-nes und vollkommenes Vertrauen, ohne Ärger und Verdruß. Wer nurGott gehört, sucht nur ihn; und weil er in der Heimsuchung nicht weni-ger ist als im Glück, bleibt der Mensch imnitten all der Widerwärtigkei-ten des Lebens in Frieden. Wer nur Gott gehört, denkt inmitten allerGegebenheiten dieses Lebens oft an ihn. Wer nur Gott gehört, will jeder-mann wissen lassen, daß er ihm dienen und versuchen will, die geeigne-ten Übungen zu verrichten, um mit ihm vereint zu bleiben.

Gehören Sie also ganz Gott an, meine sehr liebe Tochter, und gehörenSie nur ihm an und wünschen Sie, nur ihm zu gefallen und seinen Ge-schöpfen in ihm, ihm zufolge und um seinetwillen. Welch größeren Se-gen kann ich Ihnen wünschen? Durch diesen Wunsch, den ich unaufhör-lich für Ihre Seele hegen werde, meine sehr liebe Tochter, sage ich Ihnen:„Behüt‘ Sie Gott!“ Indem ich Sie bitte, mich oft seiner Barmherzigkeitzu empfehlen, bleibe ich Ihr sehr ergebener Diener ...

AN FRAU LE MAITRE

XIX, 27-29 (1556) Amboise, 22. September 1619.Was soll ich Ihnen sagen, meine Tochter, da ich Sie in solchen Bitter-

nissen sehe? O nur Mut, ich bitte Sie: der Bräutigam, den Sie erwählthaben, seit Sie von dem getrennt wurden, den man für Sie ausgesuchthatte, ist ein Bündel von Myrrhe (Hld 1,12). Wer ihn liebt, kann nichtumhin, die Bitterkeit zu lieben; und die er mit seiner innigsten Liebeauszeichnet, werden immer von Heimsuchungen verfolgt. Wie könnten

V. Dame 1548 – Le Maitre 1556

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wir auch Unseren gekreuzigten Herrn an unsere Brust drücken, ohnedaß die Nägel und Dornen, die ihn durchbohren, sich auch in uns hinein-bohrten?

O welch tapferen und guten Bruder haben Sie doch hier! Ach, derHingang seines armen kleinen François66 hat ihn nur berührt wie einenVater, der seinen Sohn von zu Hause fortgehen sieht, weg von ihm zueinem großen König, um dessen Gnaden zu empfangen. Ja, so soll manleben in diesem Leben voll Unbeständigkeit und wechselnder Vorkomm-nisse. Als aber dieser Bruder von Ihrer Krankheit und der unserer Schwe-ster Maria erfuhr, war sein Herz betrübt und seine Empfindung kam inseinen Augen zum Ausdruck; und doch blieb er fest und wurde nichtverwirrt, so tugendhaft ist er und so sehr in tugendhafter Weise Christ.

Und ich hoffe, meine sehr liebe Tochter, daß Gott, der als lieblichesOpfer die Ergebung dieses Vaters und Ihre eigene, die des Großvatersund der Großmutter und der Tanten entgegengenommen hat, keine wei-teren Heimsuchungen zulassen wird; darum flehe ich ihn an, ebenso daßer Sie heilig mache.

Der große hl. Mauritius, der Patron der Touraine, dessen Fest manheute begeht, sah, wie seine ganze teure Legion vor seinen Augen getötetwurde; man kann sagen, daß er ebensoviele Male das Martyrium erlitt,als er sah, daß seine Soldaten gemartert und getötet wurden. Meine Toch-ter, wir erleiden das Martyrium des Herzens, wenn wir aus Liebe zu Gottjene, die wir lieben, sterben sehen und uns in ihren Tod fügen. Was kannich denn mehr sagen? Sie, die den liebenswertesten Sohn aller Söhne aufdem Kreuz sterben sah, möge von ihrem Sohn die Tröstungen erflehen,derer Sie bedürfen, sowie Ihr Herr Vater und Ihre Frau Mutter.

Ich trage inmitten meines Herzens die Erinnerung an Fräulein N., Ihreliebe Cousine und meine teure Tochter, und möchte ihr gern schreiben;aber ich kann nicht bei all der Hetzjagd, die mir kaum erlaubte, Ihnendiese Zeilen zu schreiben. Grüßen Sie sie bitte herzlich von mir undversichern Sie ihr, daß ich nicht durch Bourges reisen werde – wohin wirmorgen früh abfahren –, ohne daß ich ihr einen Brief sende. Lieben Siediese teure Seele und richten Sie sie durch Ihr Wort auf, damit sie nachihren guten, tugendhaften Neigungen Gott immer besser diene.

Ich schreibe auch nicht Ihrer Frau Mutter, denn ich weiß, sie ist damitzufrieden, wenn ich Ihnen schreibe, daß ich schließlich ihr sehr ergebe-ner Diener bin. Meine sehr liebe Tochter, bleiben Sie fest und stark inder Liebe zu Unserem Herrn, der mich unveränderlich ganz zu demIhren gemacht hat.

V. Le Maitre 1556

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XIX, 298-299 (1683) Annecy, (Juli-August 1620).Meine sehr liebe Tochter!

Gewiß, wenn es ginge, möchte ich gern jeden Tag Nachricht von IhrerSeele bekommen und Ihnen jeden Tag solche von meiner Seele zukom-men lassen, denn ich stelle mir vor, daß Ihr Leben schwerlich ohne Leidist. So erkenne ich aus dem Empfinden meines Herzens heraus, daß IhrHerz durch den geistigen Austausch, den es mit dem meinen führenkann, auf irgendeine Weise erleichtert ist, hat es doch Gott gefallen, mireine ganz besondere Zuneigung zu schenken, mit der ich Sie aus allenKräften liebe.

Meine liebe Tochter, Sie wissen sehr wohl, daß Gott das Erbteil seinerKinder für das künftige Leben vorbehält und daß er den von ihm ammeisten Geliebten für das gegenwärtige Leben gewöhnlich nur die Ehrezuteilwerden läßt, viel zu leiden und ihm ihr Kreuz nachzutragen (Mt16,24). Ich sehe, daß Ihr Herz durch diese Wahrheit beruhigt und ge-stärkt ist. Obgleich ich nun einerseits nicht verhindern kann, mit Ihnenzu fühlen, sind Sie doch wahrhaft meine Tochter, rühme ich mich dochandererseits mit Ihnen im Kreuz Unseres Herrn (Gal 6,14), da Sie soglücklich sind, daran teilhaben zu dürfen; und ich werde niemals aufhö-ren, den Heiligen Geist zu bitten, er möge immer mehr Ihren Geist inseinen Gehorsam und in seine ganz reine und hochheilige Liebe einfüh-ren.

Tun Sie mir die Liebe an, meine sehr teure Tochter, mich bei ersterGelegenheit etwas über den Zustand Ihres Herzens wissen zu lassen undvon der lieben Schar Ihrer kleinen Kinder,67 die Gott Ihnen geschenkthat, damit Sie ihnen Mutter mehr dem Geist nach seien, als Sie es demLeib nach sind; und über unseren guten Bruder N. und unsere SchwesterN. und vor allem über Ihre gute Frau Mutter. Meine sehr liebe Tochter,ich bin ganz unwandelbar Ihr ganz ergebener Bruder und Diener ...

XX, 11-12 (1751) Annecy, 24. Januar 1621.Niemals schreibe ich weniger, meine liebe Tochter, als wenn ich viel

schreibe; die Vielzahl der Briefe vermindert deren Länge, wenigstensbei mir. Aber Ihr Herz ist gut, meine liebe Tochter, und ich glaube fest,daß es das meine gut kennt, da Gott es so gewollt hat. Ihnen aber gar nichtzu schreiben, ist mir nicht möglich. Ich will Sie, meine liebe Tochter,hiermit nur mit dem ganzen Ausmaß meiner Zuneigung grüßen undIhnen versichern, daß ich Ihre Leiden keineswegs vergesse, noch Ihre ans

V. Le Maitre 1683, 1751

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Kreuz geheftete Lebenslage. In seiner Güte möge Gott damit seinenNamen heiligen und seine Ehre erhöhen.

Im übrigen bitte ich Sie, Ihrer Frau Mutter zu sagen, daß ich von Her-zen eines ihrer Kinder bin; das meine ich ganz aufrichtig. Und wenn sieim Geiste nach Rom geht, um dort unseren guten Bruder aufzusuchen,dann führt ihr Weg sie hier vorbei und es wird ihr angenehm sein, einwenig inmitten dieser Berge zu verweilen.

Außerdem grüße ich Herrn d’Andilly und seine Frau, mit einem Wortdie ganze mir teure Familie, in der die Furcht, mehr noch die LiebeGottes herrscht, und auf die ich sehr liebevoll die göttliche Vorsehungund Hut herabflehe. Grüßen Sie mir besonders, und wie Ihre Seele weiß,daß sie es tun soll, das Herz der Schwester Marie Angélique und sagenSie ihr, daß mein Herz ihr gehört und daß Gott dies gewollt hat und will,meine liebe Tochter. Amen.

AN DIE PRÄSIDENTIN AMELOT

XIX, 59-60 (1570)68 Annecy, (Oktober-Dezember) 1619.... Gnädige Frau, seien Sie nicht entsetzt, unsere Töchter der heiligen

Maria einsam und verlassen zu sehen. Gott wird sie wieder emporhebenund wachsen lassen; dieses kleine Institut wird sich vervielfachen undwie das Veilchen überall seinen süßen Duft verbreiten ...

AN EIN FRÄULEIN IN PARIS

XIX, 60-61 (1571)69 Oktober-Dezember 1619.Mein Fräulein,

Sie ließen es mich versprechen und ich tue es also sorgsam: Ich bitte Gott,er möge Ihnen seine heilige Kraft verleihen, damit Sie hochherzig alle Ban-de zerreißen, die Ihr Herz hindern, seinen himmlischen Lockungen zu fol-gen. Mein Gott, ich muß die Wahrheit sagen: Es ist traurig, ein liebenswertesBienchen in tückischen Spinnennetzen verwickelt zu sehen; wenn aber einhilfreicher Wind dieses elende Gewebe und diese gefährlichen Fäden zer-reißt, warum ergreift dann dieses teure Bienchen nicht die Gelegenheit, sichfreizumachen, sich aus diesen Schlingen zu lösen und daranzugehen, ihrensüßen Honig zu erzeugen? Sie sehen meine Gedanken, meine sehr liebeTochter; lassen Sie die Ihren den Heiland sehen, der Sie ruft.

V. Amelot 1570 – Ein Fräulein 1571

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Ich muß Ihre Seele lieben, von der ich weiß, daß sie gut ist, und ichkann nicht anders, als ihr die so erstrebenswerte Liebe zur hochheiligenVollkommenheit zu wünschen, erinnere ich mich doch der Tränen, dieIhre Augen vergossen, als ich Ihnen beim Abschied wünschte, Sie möch-ten Gott ganz gehören und, damit Sie ihm mehr gehören, allem Lebe-wohl sagen, was nicht für Gott da ist.

Ich versichere Ihnen indessen, meine sehr liebe Tochter, daß ich sorecht Ihr Diener in Gott bin.

AN EINE DAME

XIX, 61-62 (1572)70 Annecy, 2. Dezember 1619.Der Beichtvater von St. Klara in Grenoble berichtet mir soeben, daß

Sie schwer krank gewesen sind, meine sehr liebe Tochter, nachdem Sieden teuren N. hinscheiden sahen, und daß Sie nach schwerer Krankheitgenesen sind. In all dem erkenne ich Ihr geliebtes Herz, das in tieferUnterwerfung unter die göttliche Vorsehung sagt, daß alles das gut ist(Sir 39,21), da die väterliche Hand Gottes diese Schläge ausgeteilt hat.

O wie glücklich ist doch dieses Kind, in den Himmel geflogen zu seinwie ein kleiner Engel, bevor es noch richtig die Erde berührt hatte! Wel-ches Pfand haben Sie doch da oben, meine liebe Tochter! Ich bin abersicher, daß Sie sich darüber Herz an Herz mit unserem Heiland ausge-sprochen haben; er wird schon die natürliche Zärtlichkeit Ihrer Mutter-schaft heilig gestillt und Sie werden bereits oft von ganzem Herzen dievon Unserem Herrn uns gelehrte Beteuerung als sein Kind ausgespro-chen haben: „Ja, ewiger Vater, denn so war es Dir wohlgefällig und es istgut, daß es so ist“ (Mt 11,26).

O meine Tochter, wenn Sie das getan haben, dann sind Sie mit diesemKind glücklich in diesem göttlichen Heiland gestorben und ist Ihr Lebenmit ihm in Gott geborgen; und wenn der Heiland wieder auferstehenwird, der unser Leben ist, dann werden Sie mit ihm in der Herrlichkeitwieder auferstehen. Auf diese Weise spricht der Heilige Geist in derHeiligen Schrift (Kol 3,3f). Wir dulden, leiden und sterben mit denen,die wir lieben durch die Liebe, die uns an sie bindet. Wenn sie leidenoder sterben in Unserem Herrn und wir uns in Geduld in ihre Leidenund ihr Hinscheiden fügen aus Liebe zu Ihm, der aus Liebe zu uns hatleiden und sterben wollen, dann leiden und sterben wir mit ihnen. Alldas zusammengerafft, meine sehr liebe Tochter, sind unvergleichliche

V. Eine Dame 1572

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geistliche Reichtümer und wir werden sie eines Tages erkennen, wennwir dieser flüchtigen Mühen wegen ewige Belohnung schauen werden (2Kor 4,17).

Nun aber, meine sehr liebe Tochter, sollen Sie – die Sie Ihre Krankheitgern angenommen haben, da es Gott gewollt hat – auch wieder gerngesund werden, da er es will. Darum flehe ich ihn ständig an, meine sehrliebe Tochter, daß wir ihm rückhaltlos und ausnahmslos gehören, inGesundheit und Krankheit, in Heimsuchung und Wohlergehen, im Le-ben und im Tod, in Zeit und Ewigkeit. Ich grüße Ihr töchterliches Herzund bin der Ihre.

AN EINEN ONKEL

XIX, 112-113 (1594) Annecy, 16. Januar 1620.Verehrter Herr Onkel!71

Ich vermeine Ihren Geist doppelt betrübt zu sehen wegen des Hin-scheidens meiner Cousine wie ihrer Todesart; ich selbst habe ja in Wahr-heit beides in dieser Weise empfunden. Dennoch aber sollen wir, wennauch der Schmerz nicht so bald besänftigt werden kann, ihn doch durchalle möglichen guten und aufrichtigen Erwägungen zu mildern trachten,so sehr wir es vermögen.

Daß sie dahingegangen ist, ist ein so natürliches, allgemeines und sounvermeidliches Geschehen, daß nur jemand glauben wird, Ihnen Bei-stand zu Ihrem Trost leisten zu sollen, der nicht weiß, was Sie sind, undder die Festigkeit Ihres Geistes nicht kennt. Im übrigen hat nur die demTod vorangehende Verfassung wirkliche Bedeutung und nicht die nähe-ren Umstände dieses Hinscheidens. Diese teure Tochter war gut undtugendhaft; wie ich mich vergewisserte, empfing sie oft die heiligen Sa-kramente und war folglich immer gut, zumindest hinreichend vorberei-tet, um sich in der Gnade Gottes zu bewahren. Darum konnte ihr Hin-scheiden nur ein gutes sein, ebenso wie das des hl. Simon Stylites, denBlitz und Feuer vom Himmel auf der Säule töteten. Wir müssen in diesebewundernswerte Vorsehung Gottes eindringen und uns ihren Anord-nungen fügen mit dem heiligen Vertrauen, daß sie für diese gute SeeleSorge getragen und sie vielleicht in diesem Feuer geläutert hat, um ihrdas des Fegefeuers zu ersparen. Wir dürfen also wohl Trauer in unserenHerzen empfinden, dieser aber nicht erlauben, in ihm Fuß zu fassen ...

V. Ein Onkel 1594

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AN FRAU ROUSSELET

XIX, 128-129 (1605)72 Annecy, 4. Februar 1620.Nicht um Sie von Ihrem lieben Gatten zu trennen, schreibe ich Ihnen

getrennt und jedem für sich, meine sehr liebe Frau Tochter, sondern weilsonst die Anrede zu umfangreich würde, wenn ich sie für beide gemein-sam abfassen müßte.

Ich gedenke ständig Ihrer heiligen Liebe und wünsche Ihnen unauf-hörlich tausend- und abertausendfachen Segen. Ich zweifle ja nicht dar-an, daß Sie mich Ihrerseits oft der Barmherzigkeit Unseres Herrn emp-fehlen, wenn Sie im Gebet vor sein Antlitz treten.

Der Friede und die Ruhe des Herzens, die dem vollkommenen Ver-trauen auf Gottes Güte entspringen und die Stätte des Heiligen Geistessind, seien auch immer Ihre teuersten Gefährten. Amen.

Ich grüße Ihren Herrn Vater von ganzem Herzen und bin ohne Aufhö-ren, gnädige Frau, meine sehr liebe Tochter, Ihr sehr ergebener und Ih-nen sehr zugeneigter Diener ... Ich bitte Sie, Ihren verehrten Herrn Pfar-rer von mir zu grüßen und ihn meiner ergebenen Dienste zu versichern ...

AN FRAU VON JOMARON

XIX, 144-145 (1613)73 Annecy, 17. Februar 1620.Es ist wahr, Sie haben es gewünscht und ich habe es angenommen: Sie

sind meine sehr liebe Tochter und es gereicht mir zur Freude, meine ichdoch, daß Ihre guten Wünsche vor Gott nicht wenig dazu beitragen wer-den, seine Barmherzigkeit auf meine Seele herabzuflehen, die ja auch oftdieselbe Güte für Ihre Seele anruft, daß sie ganz heilig sei, daß sie wahr-haftig in Sanftmut, Demut und innerer Einfachheit ihren Weg gehe. Dassind doch die drei Haupttugenden, die der göttliche Bräutigam JesusChristus bei denen sucht, die ihn lieben. Leben Sie also danach, meinesehr liebe Tochter, und erheben Sie inmitten der Mühen dieser Welt IhrHerz dahin, wonach Sie streben, in den Schoß der Güte dieses großenGottes, in seine heilige, ewige Herrlichkeit.

Ich schreibe Ihnen diese Zeilen unter großem Zeitmangel und ohneAtem wegen der vielen Antworten, die ich abfassen muß; aber ich schrei-be sie nicht ohne innige Zuneigung, die ich für Sie hege, da es Ihm sogefällt, meine sehr liebe Tochter, der mich in seinem göttlichen Wohlge-fallen zu Ihrem sehr ergebenen Diener gemacht hat ...

V. Rousselet 1605 – Jomaron 1613

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AN HERRN DE FORAS

XIX, 177-178 (1635)74 Annecy, 8. April 1620.Mein lieber Bruder!

Nehmen Sie es es mir nicht übel, daß ich Ihnen so spät schreibe. Siehätten unrecht, deshalb zu denken, ich hätte je aufgehört, Sie innig und inbesonderer Weise zu lieben und hochzuschätzen. Das umso mehr, als ichwußte, wie Sie unter der Verfolgung Ihrer Person und meines Rufes lit-ten. Aber ich hegte Argwohn, ob meine Briefe nützlich und gelegen wä-ren, wenn man erfahren hätte, daß Sie diese empfingen. – Aber lassen wirvon dem Gedanken ab. Ich habe immer gehofft, daß Ihre Ehe in ihremVerlauf sehr glücklich sein werde, nachdem sie an ihrem Anfang so leid-voll war. Das ist ja eine der gewöhnlichen Methoden der göttlichen Vor-sehung in dem, was sie zu ihrer Verherrlichung bestimmt, daß sie dieDornen vor den Rosen wachsen läßt.

Man schreibt mir, daß Eure eheliche Freundschaft so vollständig undvollkommen ist, wie kaum etwas anderes. Ist das nicht das echte undsichere Zeichen des göttlichen Segens für eine Ehe? Und wenn Gottsegnet, was macht es aus, wenn Menschen tadeln? Verbleiben Sie nur indiesem göttlichen Segen und nähren Sie dieses Glück durch beharrlicheTreue im Dienst der göttlichen Majestät; und lassen Sie alle Welt sovielreden, als sie will. – Man sagt mir aber, daß die Verwandten sich zuberuhigen beginnen, und ich glaube es gern. Schließlich werden sie dieAugen öffnen und sehen, daß der Wille Gottes in allem angebetet wer-den soll, was er tut, und daß er diese Verbindung mit seiner göttlichenHand geschaffen hat.

Ich beschließe den Brief und versichere Ihnen, mein ganz lieber Bru-der, daß ich ohne Ende Ihr ergebener und von Herzen zugetaner Bruderund Diener bin.

An Herrn und Frau de Foras

XX, 187f (1850) Annecy, 11. November 1621.Gott sei tausend- und abertausendfach gepriesen, daß Sie, mein lieber

Bruder und meine ganz teure Schwester, meine Tochter, endlich dieseärgerlichen Prozesse los sind, unter denen nach Gottes Willen der An-fang Ihrer glücklichen Ehe wie unter Dornen gestanden ist. Herr vonChalcedonien, mein Bruder, und ich haben ein kleines Freudenfeuerdafür angezündet, da wir doch an allem teilnehmen, was Sie betrifft.

V. De Foras 1635, 1850

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Und obgleich die Schwangerschaft Sie alle beide ein wenig fühlbarbelastet, meine Tochter, die unter ihr leidet, und meinen lieben Bruder,der sie mit ihr erleidet, meine ich Sie beide doch mit so zufriedenem undtapferem Herzen zu sehen, Gott gut dienen zu wollen, daß selbst diesesempfundene und mitempfundene Leiden Sie tröstet als Zeichen dafür,daß Ihnen auf dieser Welt zwar nicht gänzlich jedes Leiden erspart bleibt,die vollkommene Glückseligkeit Ihnen aber im Himmel vorbehaltenist, worauf Sie, dessen bin ich sicher, Ihr Hauptbestreben richten.

O mein lieber Bruder, erleichtern Sie weiterhin meiner lieben Tochterihr Los durch Ihre liebenswürdige Anteilnahme. O meine liebe Schwe-ster, halten Sie auch fernerhin meinen lieben Bruder fest an ihr Herzgebunden, denn da Gott Sie einander geschenkt hat, verbleiben Sie auchimmer so und glauben Sie beide, daß ich des einen wie der anderen,meines lieben Bruders und meiner lieben Tochter, meiner Schwestersehr ergebener und unwandelbarer Diener bin.

AN FRÄULEIN LHUILLIER VON FROUVILLE

XIX, 213-218 (1655) Annecy, 31. Mai 1620.Im Namen Gottes, meine sehr liebe Tochter, es ist wahr, Gott will, daß

Sie sich meiner Seele mit vollkommenem Vertrauen in allem bedienen,was das Wohl Ihrer Seele betrifft, die er mir darum in seiner himmli-schen Liebe ganz teuer und kostbar gemacht hat.

Da sind Sie nun aus dieser ärgerlichen Angelegenheit heraus, meinesehr liebe Tochter, in voller Freiheit, die Ihnen die ewige Vorsehungverliehen hat. Und da Sie das erkennen, preisen Sie diese göttliche Gütedafür aus dem tiefsten Grund Ihres Geistes; und ich will sie mit Ihnenpreisen und bringe dazu das hochheilige Opfer dar, am heiligen Altar,denn ich kann der göttlichen Majestät keine größere Danksagung dar-bringen, als Ihn vorzustellen, um dessentwillen und durch den ihr alleswohlgefällig ist im Himmel und auf Erden.

Was machen wir aber, meine Tochter, mit dieser gewonnenen Frei-heit? Wir wollen sie zweifellos ganz Ihm aufopfern, von dem wir siehaben. Denn unverrückbar steht unser Entschluß, daß wir ohne irgend-welchen Vorbehalt und ohne Ausnahme, nicht einmal für einen einzigenAugenblick, nur für Ihn leben wollen, der – um uns das wahre Lebenleben zu lassen – am Kreuz sterben wollte.

V. De Frouville 1655

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Aber wie? In welchem Stand? Unter welchen Lebensbedingungen? Indem Stand zu bleiben, in dem Sie sind, scheint das Leichteste zu sein, istaber in Wirklichkeit das Schwerste. Diese Welt von Paris, ja sogar vonganz Frankreich, wird Sie nicht in Frieden leben lassen; sie wird nichtaufhören, Sie gewaltsam aus den Grenzen des Entschlusses hinauszu-drängen, den Sie gefaßt haben. Und wenn Sie sich von Ihrem Entschlußsolche Beständigkeit versprechen, daß man ihn nicht erschüttern undetwa umstoßen könnte, hieße das, sich ein wahres Wunder versprechen,in diesem Alter, bei dieser Schönheit Ihres Antlitzes, bei den vielenschlauen Advokaten und Fürsprechern, die die Welt und ihre Klugheitbei Ihnen hätte. Erbarmungslos, ohne nachzulassen, von der einen wievon der anderen Seite würden sie Ihre Ruhe bestürmen und durch Zu-dringlichkeiten, Enttäuschungen und Überraschungen schließlich ihrUnterfangen durchsetzen und über Ihre Kraft den Sieg davontragen. Ichsehe wohl, daß ich nichts mehr über diesen Gegenstand zu sagen brau-che, da Sie ja selbst bekennen, wie wahr das ist. Es bleibt also als Gegen-stand unserer Erwägung nur eine Heirat oder das Ordensleben.

Meine sehr liebe Tochter, ich habe keiner außerordentlichen Erleuch-tung bedurft, um zu entscheiden, für welches von beiden ich Ihnen ratensoll. Denn so wie Sie es mir klar beschreiben und es mich bereits erken-nen ließen, als ich das Glück hatte, Sie über Ihre Seele vertraulich zu dermeinen reden zu hören, hat Ihre Abneigung gegen die Ehe zwei Gründe,von denen der eine beinahe genügen würde zu dem Entschluß, sich nichtdarauf einzulassen: nämlich eine mächtige Abneigung, einen großen Ekeldaran und einen starken Widerwillen dagegen. O meine Tochter, das istwohl genug, da brauchen wir nicht mehr darüber reden. Ach, die Seelen,die eine ganz einseitige Neigung zur Ehe haben, finden – so glücklichdiese auch sein mag – darin so viele Anlässe zu Geduld und Selbstentäu-ßerung, daß sie diese Bürde nur mit großer Mühe tragen können. Undwas würden Sie tun, wenn Sie schon ganz gegen Ihre Neigung an eineHeirat herangingen? Unter anderen Bedingungen habe ich hundertmalgesehen, daß nach und nach eine Erleichterung eintrat; in diesem Fallaber niemals.

Gewiß, als die Apostel einmal Unseren Herrn vom unauflöslichenBand der Ehe sprechen hörten, sagten sie zu ihm: „Herr, wenn es so ist,ist es da nicht wünschenswert, sich nicht zu verheiraten?“ Und UnserHerr billigte ihre Meinung und antwortete ihnen: „Nicht alle verstehendieses Wort; wer es fassen kann, der fasse es“ (Mt 19,10-12). Und ich,meine liebe Tochter, der ich Sie sprechen gehört und Ihren Brief darüber

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gesehen habe, spreche ganz offen zu Ihnen und sage: „Sicherlich, meineTochter, da es so ist, ist es nicht wünschenswert, daß Sie heiraten; undwenn es auch nicht alle verstehen, d. h. dieses Wort nicht annehmen,nicht begreifen, das Glück darin nicht erkennen und sich nicht zunutzemachen, so können doch Sie, meine liebe Tochter, es leicht sich zu Ge-winn werden lassen, Sie können leicht zu solchem Glück gelangen unddiesen Rat verstehen und verkosten.“ Tun Sie es also! Das sage ich Ihnennoch viel entschiedener, als ich die Ehe für Sie noch für gefährlicherhalte als für eine andere, uzw. wegen Ihres anspruchsvollen Herzens, aufdas Sie mich aufmerksam machen, das Sie unaufhörlich nach Besseremseufzen und ständig in der Eitelkeit schwimmen lassen würde.

Da aber dieser Entschluß gefaßt wurde, ohne daß Sie irgendeinen Grundfür Skrupel darüber hätten, ist es doch viel schwieriger, Ihnen daraufhinzu sagen: Treten Sie also in den Ordensstand. Und doch muß es Ihnengesagt werden, da weder die Sitten noch die Stimmung in Frankreich,weder die Neigungen Ihrer Eltern, Ihr Alter noch Ihr Äußeres Ihnenerlauben könnten, so zu bleiben, wie Sie sind. So bin ich gezwungen,Ihnen zu sagen: Meine Tochter, treten Sie in den Ordensstand. Indem ichIhnen aber dies sage, fühle ich eine heimliche Süße in diesem Gezwun-gensein, die bewirkt, daß dieser Zwang nicht hart, sondern milde undangenehm ist. Die Engel zwangen den guten Lot und seine Frau undseine Töchter, faßten sie an der Hand und zogen sie mit Gewalt aus derStadt heraus; aber Lot hielt diese Nötigung nicht für gewaltsam, sondernsagte, er erkenne wohl, daß er bei ihnen in Gunst stehe (Gen 19,15-19).Und Unser Herr befahl in seinem Gleichnis dem Diener (Lk 14,23):„Nötige sie einzutreten“; und nicht einer, der genötigt wurde, sagte: „Laßmich, du verletzt mich!“

Ich bin nun genötigt und gezwungen, meiner Tochter zu sagen: TretenSie in den Ordensstand; aber dieser Zwang betrübt nicht mein Herz.

O meine Tochter, sprechen wir ein wenig von Herz zu Herz. DenkenSie, daß Gott immer die Berufung zum Ordensleben oder aber zur voll-kommenen Frömmigkeit entsprechend den natürlichen Bedingungen undnach der Neigung der Personen schenkt, die er beruft? Nein, meine Toch-ter, glauben Sie das nicht. Das religiöse Leben ist kein natürliches Leben,es steht über der Natur, die Gnade muß es schenken und die Seele diesesLebens sein. Es ist wohl wahr, daß sich die höchste Vorsehung öfter derNatur bedient zum Dienst an der Gnade, aber es fehlt weit, daß diesimmer oder beinahe immer so sei.

Einer rief klagend aus: „Das Gute, das ich will, tue ich nicht, aber das

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Böse, das ich nicht will, wohnt in mir“, d. h. in meinem Fleisch wohnt dasGute nicht; denn das Wollen des Guten liegt mir wohl nah, aber ich findekeine Möglichkeit, es zu vollbringen. „Ach, ich armer, elender Mensch,wer wird mich von diesem Leib des Todes befreien? Ich sage Gott dankdurch Jesus Christus ... So diene ich selbst also in meinem Geist und demGeist nach dem Gesetz Gottes und in meinem Fleisch und dem Fleischnach dem Gesetz der Sünde“ (Röm 7,17-20; 24f). Dieser Mann zeigtewohl, daß seine Natur kaum der Gnade diente und daß seine Neigungenkaum den Eingebungen unterworfen waren. Und doch handelte es sichum einen der vollkommensten Diener, die Gott jemals auf dieser Welthatte und der am Ende so glücklich war, in Wahrheit sagen zu können:„Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Jesus Christus lebt in mir“ (Gal2,20), nachdem die Gnade die Natur unterworfen und die Eingebungendie Neigungen überwunden hatten.

Meine Tochter, diese Befürchtungen, taktlose Oberinnen zu finden, undall die anderen Befürchtungen, die Sie mir so treu berichteten, all das wirdvor dem Antlitz Unseres gekreuzigten Herrn vergehen, der Sie liebevollaufnehmen wird. Ihr entsprechend der Hochherzigkeit der Welt hochher-ziger Geist wird seine Kräfte wandeln und hochherzig werden mit demMut der Heiligen und Engel. Sie werden die Nichtigkeit des Verstandes inseinen Überlegungen sehen und sich darüber lustig machen. Sie werdendas Wort des Kreuzes lieben, das die Heiden für Wahnsinn hielten und dieJuden für ein Ärgernis; uns aber, d. h. jenen, die gerettet sind, ist es höchsteWeisheit, Kraft und Tugend Gottes (1 Kor 1,18; 23f).

Nun aber, meine Tochter, möchte ich Ihnen eine sehr große Erleichte-rung dieses so absoluten und scheinbar so strengen Rates vorschlagen:Sie sind reich; der zwanzigste oder vielleicht hundertste Teil Ihres Ver-mögens würde genügen, um Sie zur Gründerin eines Klosters zu ma-chen, und in dieser Eigenschaft hätten Sie eine anziehende Möglichkeit,religiös zu leben außerhalb des Gedränges der Welt, bis Gewohnheit,Erwägung und Eingebung Ihrem Herzen den letzten Anstoß und IhrerEntscheidung die letzte Vollendung verleihen werden, eine ganze Or-densfrau zu sein. So können Sie geschickt Ihre Natur täuschen und IhrHerz klug überlisten. O, es lebe der Heiland, dem ich geweiht bin! Die-ser Ratschlag schaut nur auf Ihren Frieden und Ihre Ruhe.

Beten Sie indessen zu Gott, meine sehr liebe Tochter, demütigen Siesich, widmen Sie Ihr Leben der Ewigkeit, erheben Sie Ihre Gesinnung,läutern Sie Ihre Bestrebungen, denken Sie oft daran, daß ein einzigerkleiner Gewinn an Gottesliebe großer Beachtung würdig ist, da er unse-

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re Herrlichkeit in alle Ewigkeit vergrößern wird. Kurz, Ihr Geist undwas Gott getan hat, damit Sie ihm gehören, und tausend Erwägungenrufen Sie zu einer nicht gewöhnlichen christlichen Hochherzigkeit auf.Ich rate Ihnen, Vertrauen zur guten Mutter von der Heimsuchung zuhaben, wie ich selbst, denn sie wird Ihnen treu dienen. Ich bin ohneAufhören und Rückhalt Ihr sehr ergebener und unwandelbarer Diener ...

XIX, 313-315 (1695) Annecy, 9. August 1620.Mit einer Freude ohnegleichen sehe ich, meine sehr liebe Tochter, das

himmlische Wirken des Heiligen Geistes in Ihrem Herzen an Ihrem sofesten und hochherzigen Entschluß, sich von der Welt zurückzuziehen.Wie weise handelten Sie doch, meine sehr liebe Tochter, da Sie der über-natürlichen Weisheit folgten! Denn so stand es im Evangelium des Fe-stes, das man gerade feierte, daß Unsere liebe Frau eilends in das Gebir-ge von Juda ging (Lk 1,39). Diese rasche Bereitschaft, den Willen Gotteszu erfüllen, hilft sehr, große und mächtige Gnaden zum Weiterführenund Vollenden des ganzen guten Werkes herabzurufen; und Sie sehen,meine sehr liebe Tochter, daß nach dem rauhen Stoß, den Ihr Herz emp-fand, als es sich gewaltsam aus seinen Gefühlen, Stimmungen und Nei-gungen löste, um einem höheren Ruf zu folgen, Sie nun schließlich ganzgetröstet und beruhigt in dem glückseligen Gebüsch hausen, das Sie ge-wählt haben, um dort auf ewig die Herrlichkeit des Erlösers und Schöp-fers Ihrer Seele zu besingen.

Erheben Sie denn, meine liebe Tochter, erheben Sie oft Ihre Gedan-ken zu diesem ewigen Trost, den Sie im Himmel haben werden, dasgetan zu haben, was Sie taten. Es bedeutet nichts, sicherlich (und ichsehe schon, daß Sie das so auffassen), es bedeutet völlig nichts im Ver-gleich zu Ihrer Pflicht und den unsterblichen Belohnungen, die Gottfür Sie vorbereitet hat; denn was sind schon all diese Dinge, die wir umGottes willen verachten und verlassen? Im Grunde nur armselige kur-ze Augenblicke von Freiheiten, die tausendmal mehr unter Zwang ste-hen als die Sklaverei selbst; ständige Unruhe, eitle Sehnsüchte, unbe-ständig und unfähig, jemals erfüllt zu werden, die unseren Geist mittausenderlei Sorgen und unnötiger Geschäftigkeit bewegt hätten; unddas armseliger, so ungewisser, kurzer und böser Erdentage wegen (Gen47,9). Aber dennoch hat es Gott gefallen, daß jeder, der diese nichtigenund eitlen Augenblicks-Vergnügungen aufgibt, zum Ausgleich die Herr-lichkeit ewiger Glückseligkeit (2 Kor 4,17) gewinnt, in der die Erwä-

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gung allein uns mit tiefster Genugtuung erfüllt, daß wir Gott von gan-zem Herzen lieben wollten und einen einzigen kleinen Grad ewigerLiebe dazu gewonnen haben.

Wahrlich, meine sehr liebe Tochter, ich hätte nicht gewagt, Ihnen zusagen, treten Sie Ihre Gefühle, Ihr mangelndes Vertrauen, Ihre Abnei-gungen mit Füßen, wenn ich nicht mein Vertrauen auf die Güte des himm-lischen Bräutigams gesetzt hätte, daß er Ihnen die Kraft und den Mutgeben würde, die Partei der göttlichen Hingebung und der Vernunft ge-gen die Partei der Natur und des Widerwillens zu ergreifen.

Ich muß Ihnen aber sagen, meine sehr liebe Tochter, daß Sie jetzt aufeine liebevolle Weise tot sind für die Welt und die Welt ganz tot in Ihnen(Kol 3,3; Gal 6,14); das ist ein Teil des Opfers. Zwei andere bleibennoch zu leisten: das Opfer, die Haut abzuziehen, indem Sie Ihr Herzseiner selbst entblößen, alle diese wertlosen Eindrücke, die Natur undWelt Ihnen geben, wegschneiden und abtrennen; und zweitens Ihre Ei-genliebe zu verbrennen, sie in Asche zu verwandeln (Lev 1,6-9), um Ihreteure Seele ganz in Flammen himmlischer Liebe zu setzen. Das geschiehtnun nicht an einem Tag, meine gewiß ganz liebe Tochter, und Er, derIhnen die Gnade erwiesen hat, den ersten Schlag zu tun, wird selbst mitIhnen die beiden anderen tun; und weil seine Hand ganz väterlich ist,wird er es entweder unmerklich tun, oder wenn er es Sie fühlen läßt, wirder Ihnen die Beständigkeit, ja die Freude schenken, die er dem Heiligenauf dem Rost gab, dessen Fest wir heute feiern. Darum sollen Sie nichtbesorgt sein: Er, der Ihnen den Willen gegeben hat, wird Ihnen auch dieErfüllung schenken (Phil 2,13). Seien Sie nur treu in Wenigem und erwird Sie über vieles setzen (Mt 25,21.23). Sie versprechen mir, meinesehr liebe Tochter, daß Sie mir – wenn es Ihnen erlaubt ist – alle Ereig-nisse Ihrer glücklichen Geborgenheit schreiben werden; und ich ver-spreche Ihnen, daß man es Ihnen erlauben wird und daß ich diesen Be-richt mit übergroßer Liebe aufnehmen werde.

Gott sei immer gepriesen, gelobt und verherrlicht, meine sehr liebeTochter, und ich bin in ihm und um seinetwillen ganz besonders Ihr sehrergebener und Ihnen zugeneigter Diener ...

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AN EINE DAME

XIX, 340-342 (1704) Annecy, 29. September 1620.Meine sehr liebe Tochter!

Ich bin keineswegs erstaunt, wenn Ihr Mut Ihnen etwas schwerfälligerund abgestumpfter erscheint, da Sie doch schwanger sind. Es ist einebekannte Tatsache, daß unsere Seelen im unteren Bereich gewöhnlichunsere leiblichen Eigenschaften und Umstände übernehmen, denn die-ser Bereich haftet unmittelbar am Körperlichen und ist daher auch des-sen Unpäßlichkeiten unterworfen. Ein zarter Leib, der durch die Lasteiner Schwangerschaft beschwert, durch die Mühe, ein Kind zu tragen,geschwächt und von vielerlei Schmerzen geplagt ist, kann das Herz nichtbefähigen, so lebhaft, energisch und rasch im Handeln zu sein. All dasaber tut keinerlei Abbruch den Tätigkeiten des Geistes, dieser höherenSpitze, die Gott ebenso wohlgefällig sind, wie sie es inmitten aller Fröh-lichkeit der Welt sein können, ja die ihm gewiß noch viel wohlgefälligersind, da sie mit mehr Mühe und Widerstreben verrichtet werden. Frei-lich sind sie der Person, die sie verrichtet, nicht ebenso angenehm. Weilsie nicht im Bereich des Sinnenhaften sind, sind sie nicht den Sinnenfühlbar und werden von uns nicht als angenehm empfunden.

Meine sehr liebe Tochter, wir dürfen nicht ungerecht sein und dürfenvon uns nicht mehr verlangen, als in uns ist. Wenn wir an Leib und Ge-sundheit behindert sind, dürfen wir von unserem Geist nichts verlangenals Unterwerfung, Annahme des Leides und heilige Vereinigung unseresWillens mit dem Wohlgefallen Gottes, die sich im obersten Bereich derSeele formen. Die Tätigkeit nach außenhin müssen wir dann ordnen undvollbringen, so gut wir vermögen, und uns damit begnügen, sie auch dannzu tun, wenn es mit Widerwillen, kraftlos und schwerfällig geschieht.Um diese Erschöpfung, Schwere und Erstarrung des Herzens wieder zubeheben und sie der göttlichen Liebe dienstbar zu machen, muß man diedaraus entstehende Erniedrigung eingestehen, auf sich nehmen und lie-ben; so werden Sie das Blei Ihrer Schwere in Gold verwandeln und in einfeineres Gold, als aus der lebhaftesten Freude Ihres Herzens kommenkönnte. Haben Sie also Geduld mit sich selbst; Ihr höherer Seelenbe-reich ertrage das Durcheinander des unteren; und opfern Sie oft derewigen Herrlichkeit unseres Schöpfers das kleine Geschöpf auf, an des-sen Menschwerdung er Sie beteiligen wollte.

Meine sehr liebe Tochter, wir haben in Annecy einen Kapuziner-Ma-ler, der – wie Sie sich denken können – nur für Gott und seine Kirche

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Bilder schafft; und wenn er arbeitet, ist seine ganze Aufmerksamkeitdarauf gerichtet, so daß er zur gleichen Stunde nicht das innere Gebetpflegen kann, und obgleich das seinen Geist beschäftigt und ermüdet, sovollbringt er seine Werke doch gern der Verherrlichung wegen, die Un-serem Herrn daraus erwachsen soll, und in der Hoffnung, daß diese Bil-der viele Gläubige anregen werden, Gott zu loben und seine Güte zupreisen. Ihr Kind nun, meine liebe Tochter, das unter Ihrem Herzenheranwächst, wird ein lebendiges Bild der göttlichen Majestät sein; wäh-rend aber Ihre Seele, Ihre Kräfte und natürliche Lebenskraft mit diesemWerk beschäftigt sind, ist es unvermeidbar, daß sie erschöpft und müdewerden, und Sie können in der gleichen Zeit nicht Ihre gewöhnlichenÜbungen so rege und froh verrichten. Aber erleiden Sie diese Müdigkeitund Schwere voll Liebe in Erwägung der Ehre, die Gott aus Ihrem Werkzuteil werden wird; denn das ist Ihr Bild, das im ewigen Tempel deshimmlischen Jerusalems aufgestellt und ewig von Gott, den Engeln undMenschen mit Freude angeschaut wird; und die Heiligen werden Gottdafür preisen und auch Sie, wenn Sie es dort schauen. Haben Sie indes-sen Geduld, wenn Sie Ihr Herz ein wenig matt und ermüdet fühlen, undschließen Sie sich mit dem höheren Seelenbereich dem heiligen WillenUnseres Herrn an, der es nach seiner ewigen Weisheit so verfügt hat.

Ich weiß gar nicht, was meine Seele alles denkt und wünscht für dieVollkommenheit Ihrer Seele, die gewiß inmitten der meinen ist, da Gottes so gewollt hat und haben will. Möge es seiner göttlichen Güte gefallen,daß Ihre und meine Seele beide ganz seinem hochheiligen Wohlgefallenentsprechen. Er möge Ihre ganze liebe Familie mit seinem heiligen Se-gen beschenken und besonders Ihren lieben Gatten, dem ich wie Ihnenunwandelbar Ihr sehr ergebener und gehorsamer Diener bin.

AN EINE DAME

XX, 24-26 (1762)75 Annecy, 27. Februar 1621.Meine liebe Tochter, ich weiß wohl und kenne Ihre vielfältigen Plagen

und ich kann sicher nicht davon wissen, ohne sie mitzuempfinden. Aberich weiß auch, daß Gott, der Sie in seiner göttlichen Vorsehung zu dieserArt von Liebe in dieser Welt bestimmt hat, nicht verfehlt, Ihnen jeneheiligen Eingebungen zukommen zu lassen, deren Sie bedürfen, um un-ter diesen Verhältnissen heilig zu leben.

Ich meinerseits weiß nichts, was ich nicht alles gern tun würde, um zu

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Ihrem Trost beizutragen. Drei Dinge aber, meine Tochter, halten michdavon ab, Ihnen so oft zu schreiben, wie ich es zu Beginn unserer Bezie-hungen getan habe. Es scheint mir, daß Sie dessen jetzt nicht mehr so vielbedürfen, da Sie bereits so sehr an Ihr Kreuz gewöhnt sind; andererseitsbin ich vom Alter und – um es ihnen zu sagen – von Unannehmlichkei-ten belastet, die mich hindern, das zu vermögen, was ich möchte, schließ-lich verursacht die seit jener Zeit sehr angeschwollene Korrespondenz,daß ich den einen wie den anderen eben weniger schreibe.

Meine liebe Tochter, Sie sind aber immer in meinen Messen gegenwär-tig, wo ich dem himmlischen Vater seinen geliebten Sohn darbringe undin Vereinigung mit ihm Ihre teure Seele, damit er sie in seine heilige Hutnehmen möge und ihr seine hochheilige Liebe zuteilwerden lasse, be-sonders anläßlich der Prozesse und Verhandlungen, die Sie mit demNächsten haben. Denn darin ist es wohl schwerer, in der äußeren wie inder inneren Sanftmut und Demut fest zu bleiben, und ich sehe, wie da dieSicherstehendsten schwer gehemmt sind. Daher verursachen mir dieseÄrgerlichkeiten mehr Angst um die Seelen, die ich am meisten liebe.Aber gerade darin, meine liebe Tochter, müssen wir Unserem Herrnunsere Treue beweisen, damit man von uns sagen kann, wie von Ijob nachden vielen Vorwürfen und Gegenreden seiner Freunde geschrieben steht,daß er nicht mit seinen Lippen sündigte (Ijob 1,22) und dabei nichtsSchlechtes tat.

Was könnte ich Ihnen Schöneres wünschen, als Unserem Herrn treuzu bleiben inmitten der verschiedenartigsten Widerwärtigkeiten, die Sieaufregen? Denn wenn ich Ihrer Seele gedenke, dann stets mit tausendfa-chen Wünschen für ihren Fortschritt in der Liebe zum gütigen Gott.Lieben Sie ihn recht, meine liebe Schwester, in jedem Aufblick zu ihm,durch den Sie ihn anbeten und verehren; lieben Sie ihn, wenn Sie ihn inder heiligen Kommunion empfangen; lieben Sie ihn, wenn Ihr Herz vonseinem heiligen Trost durchströmt ist; aber lieben Sie ihn vor allem,wenn Ihnen Unannehmlichkeiten, Widerstände, Trockenheiten undHeimsuchungen widerfahren; hat er Sie doch auch im Paradies geliebt,aber seine Liebe noch mehr bezeugt unter den Geißeln, Nägeln, Dornenund der Finsternis des Kalvarienberges.

Bitten Sie ihn, daß er mich in seiner Barmherzigkeit ertrage und daß ermich würdig mache des Dienstes, zu dem er mich berufen hat. Ich bin inihm in gänzlicher Zuneigung Ihr Diener, der Sie in Unserem Herrn liebhat.

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AN FRAU VON TOULONGEON

XX, 32-34 (1768)76 Lyon, 24. März 1621.Gnädige Frau!

Da ich von einem Jahr zum andern immer die Hoffnung gehegt habe,nach Frankreich zu reisen, hat mich dies verhindert, Ihnen meine un-wandelbare Dienstbeflissenheit schriftlich auszudrücken; ich glaubte,daß irgendeine günstige Gelegenheit mir die Möglichkeit geben würde,persönlich diese Schuld begleichen zu können. Nun aber, da ich diesesGlück kaum mehr erhoffe und der würdige Überbringer dieses Briefesmir eine so sichere Gelegenheit dazu gibt, freue ich mich von ganzemHerzen mit Ihnen, meine liebe Tochter (denn dieses Wort ist herzli-cher); ich freue mich und preise Unseren Herrn für Ihre so erfreuliche,hochzuschätzende und liebenswerte Heirat. Sie wird es Ihnen ermögli-chen, in dieser Welt ein friedliches und schönes Leben zu führen unddieses sterbliche Leben glücklich in der heiligen Furcht Gottes zu durch-schreiten, in der Sie durch seine Gnade von Ihrer Wiege an aufgezogenwurden. Jedermann sagt mir, daß Ihr Herr Gemahl einer der gescheite-sten und vollendetsten Edelleute Frankreichs ist und daß Ihre Verbin-dung nicht nur durch heilige Freundschaft verknüpft ist, die sie immerinniger verbinden soll, sondern auch bereits gesegnet durch Fruchtbar-keit, so daß Sie nun bald Ihrer Niederkunft entgegensehen, wie mir unse-re Mutter versichert.

Sie müssen also wohl allen Liebeserweisen des Himmels entsprechen,meine liebe Tochter, denn sie sind Ihnen zweifellos gegeben, damit Siediese einsetzen zur Ehre dessen, der Sie so auszeichnet, und zu IhremHeil. Ich kann nicht glauben, meine liebe Tochter, daß Sie Ihre Tatkraftnicht darauf verwenden und es tun, wissen Sie doch, daß das Glück IhresHauses und Ihrer Person in diesem flüchtigen Leben und die Gewißheitdes unsterblichen Lebens davon abhängt.

In diesem neuen Stand der Ehe, in dem Sie sich jetzt befinden, erneu-ern Sie oft die Entschlüsse, die wir so oft gefaßt haben, nämlich heiligund tugendhaft zu leben, in welcher Lage auch immer Gott uns sein läßt.Mögen Sie mich auch weiterhin durch Ihre kindliche Liebe auszeichnen,wie auch ich Ihnen versichere, meine liebe Tochter, daß ich mit einemganz von väterlicher Zuneigung erfüllten Herzen niemals die heiligeMesse feiere, ohne Sie ganz besonders Gott zu empfehlen mit IhremHerrn Gemahl, dem ich wie für Sie, gnädige Frau, bin und immer seinwerde Ihr sehr ergebener und geneigter Diener ...

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XX, 393-394 (1960) Lyon, 17. Dezember 1622.Auf dem Weg nach Avignon, meine liebe Tochter, hatte ich das Glück,

hier unsere gute Mutter zu treffen, und habe sie auch noch bei meinerRückkehr hier gesehen. Sie können sich leicht denken, daß dies nichtgeschah, ohne oft von Ihnen zu sprechen, und ich erfuhr zu meinem nichtgeringen Trost, daß Sie immer in der Furcht Gottes leben mit demWunsch, in der Frömmigkeit vorwärts zu schreiten.

Sie wissen, meine liebe Tochter, wie leicht ich zufriedenzustellen binund wie es mir leicht fällt, gute Hoffnungen für die Seelen zu haben,denen ich zugetan bin. Seit Ihrer Kindheit schon bin ich ganz leiden-schaftlich auf Ihr Heil bedacht und hatte immer ein tiefes Vertrauen, daßGott Sie an seiner Hand halten werde, sofern Sie nur seinen Liebeserwei-sen entsprechen wollten. Tun Sie es doch, ich beschwöre Sie, meine liebeTochter, und lösen Sie immer mehr Ihr Herz von jeder Spielerei mit derEitelkeit. Wie Sie wissen, bin ich in keiner Weise skrupelhaft und nennemit der Eitelkeit spielen nur freiwilliges, von uns gefördertes Hängen anDingen, die uns wirklich von den Gedanken und Überlegungen abhal-ten, die wir auf die hochheilige Ewigkeit lenken sollten.

Ihre liebe Mutter hat mir ihre Freude geschildert, Sie mit einem soausgezeichneten Gatten vermählt zu sehen, von dem Sie vollkommengeliebt werden. Das ist ein großer Vorteil für Ihre Tugend, meine liebeTochter; ziehen Sie rechten Nutzen daraus, und wenn auch Ihr Alter,Ihre Verfassung und Ihre Gesundheit Ihnen ein langes Leben verspre-chen, denken Sie doch daran, daß auch Sie bald sterben können und daßam Ende nichts so erstrebenswert ist für Sie, als große Sorge darauf ver-wandt zu haben, die Gnadenerweise der göttlichen Güte aufzunehmenund zu bewahren. Indessen bin ich immer, meine liebe Tochter, Ihr Ih-nen und Ihrem Herrn Gemahl sehr ergebener und herzlich zugeneigterDiener.

AN DIE GRÄFIN VON DALET

XX, 51-55 (1778) Annecy, 25. April 1621.Gnädige Frau!

Es wäre mir schwer, Ihnen über den Gegenstand zu schreiben, den ichvorhabe, wenn ich nicht von Ihrer Frau Mutter dazu ermächtigt wordenwäre; denn aus welchem Anlaß würde ich wagen, die Hand an Angele-genheiten zu legen, die sich zwischen Ihnen beiden abspielen, und zu

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Ihnen von Ihrem Gewissen zu reden, der ich doch weiß, daß Sie dieeinzig würdige Tochter einer so würdigen Mutter sind, voll Geist, Klug-heit und Frömmigkeit?

Da es aber unter so günstigen Umständen sein soll, will ich Ihnen dennsagen, gnädige Frau, daß mir Ihre Frau Mutter alles schrieb, was sieIhnen gesagt hat und durch viele ausgezeichnete Persönlichkeiten hatsagen lassen, im Vergleich zu denen ich nichts bin.

Sie sollten sich ihrem Wunsch fügen, daß Sie mit Ihrem töchterlichenBeistand sie nicht im Stich lassen in dieser großen Bedrängnis zeitlicherAngelegenheiten, in welche die Ihnen bekannten Umstände ihr Haushineingetrieben haben. Sie könnte es nicht ertragen, ihr Haus unter derLast zusammenbrechen zu sehen, vor allem, wenn sie Ihrer Mithilfe er-mangelt, die ihr dabei allein und einzig notwendig erscheint.

Sie schlägt dazu drei Wege vor: daß Sie sich entweder ganz in denOrdensstand zurückziehen, damit die Gläubiger Sie nicht länger alsBürgschaft wünschen und die Verfügung über die Güter Ihrer Kinder ihrfreistünde; oder daß Sie sich mit den Ihnen gebotenen Vorteilen wiedervermählen; oder daß Sie bei ihr bleiben und das ganze Geld zusammen-gelegt würde. Sie erwähnt im Brief Ihre Entschuldigung hinsichtlich derbeiden ersten Möglichkeiten, denn sie sagt, daß Sie Keuschheit gelobtund vier recht kleine Kinder, darunter zwei Töchter, haben. Über dendritten Punkt aber ersehe ich nichts aus ihrem Brief.

Zum ersten Punkt will ich nicht urteilen, ob das von Ihnen abgelegteGelübde verpflichtet, keine Befreiung davon zu wünschen, obgleich sieeine große Übereilung anführt, die einer gerechten Erwägung zuvor-kommen kann; denn die Reinheit der Keuschheit ist wahrlich von sohohem Wert, daß sehr glücklich ist, sie bewahren zu können, wer siegelobt hat, und nichts ihr vorzuziehen ist als die Notwendigkeit der Lie-be für die Allgemeinheit.

Bezüglich des zweiten Punktes weiß ich nicht, ob Sie sich rechtmäßigfreimachen können von der Verpflichtung, die Gott Ihnen mit IhrenKindern auferlegt hat, indem er Sie zu ihrer Mutter machte, da jene dochnoch so klein sind.

Bezüglich des dritten Punktes aber, gnädige Frau, sage ich Ihnen: InFällen so großer Notwendigkeit soll Ihr Vermögen mit der Ihrer FrauMutter gemeinsam sein. O Gott, das ist wohl die geringste Gemeinsam-keit, die man Vater und Mutter schuldet. Ich glaube wohl zu ahnen, auswelchem Grund scheinbar eine solche Tochter, die Kinder hat, ihre eige-ne Vermögensverwaltung behalten kann, aber ich weiß ja nicht, ob Sie

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diese haben. Wenn ja, denke ich, daß der Grund dafür groß und gewichtigsein muß, um ihn ganz erkennen und erwägen zu können. Unter Feindenmacht nur äußerster Notfall alles gemeinsam; unter Freunden aber undnoch dazu unter solchen Freunden, wie es Tochter und Mutter sind,braucht man doch nicht den äußersten Notfall abzuwarten, zu sehr drängtuns das Gebot Gottes (Ex 20,12; Num 5,16; Eph 6,2). In einem solchenFall müssen wir Herz und Augen auf die Vorsehung Gottes richten, deralles in überreichem Maß zurückstellt, was man auf sein heiliges Geheißgibt. Ich sagte schon zuviel, gnädige Frau, denn ich habe Ihnen diesbe-züglich nichts zu sagen, sondern Ihr mir teures Gewissen in dieser Hin-sicht auf jene zu verweisen, denen Sie sich anvertrauen.

Im übrigen gibt sich bezüglich Ihrer geistlichen Übungen Ihre FrauMutter damit zufrieden, daß Sie diese verrichten, wie Sie es gewohntsind. Nur wünscht sie, daß Sie sich nach St. Marien, d. h. in das Klosterder Heimsuchung, nur zu den großen Festen des Jahres zurückziehenund außerdem drei Tage in jedem Vierteljahr. Sie können sich auch da-mit zufriedengeben und durch häufige geistliche Einkehr in Ihrem Hausdie Länge jener Einkehr ergänzen, die Sie im Haus der hl. Maria halten.

O mein Gott, meine liebe Dame, wie sehr müssen wir doch etwas fürVater und Mutter tun und liebevoll das Übermaß, den Eifer und dieHeftigkeit, beinahe möchte ich sagen, die Aufrichtigkeit ihrer Liebe er-tragen! Solche Mütter sind doch bewunderswert: sie möchten, denke ich,immer ihre Kinder, vor allem das einzige, immer unter dem Herzentragen. Sie sind oft eifersüchtig; wenn man sich ein wenig außerhalbihrer Gegenwart in etwas einläßt, meinen sie gleich, daß man sie nichtgenug lieb hat und daß die Liebe, die man ihnen schuldet, nur durchÜbermaß gemessen werden kann. Wie soll man dem abhelfen? Manmuß Geduld haben und möglichst alles Erforderliche tun, um dem zuentsprechen. Gott fordert nur gewisse Tage, gewisse Stunden, und seineGegenwart läßt gern zu, daß wir auch unserem Vater und unserer Muttergegenwärtig seien. Jene aber sind viel leidenschaftlicher; sie fordern vielmehr Tage, viel mehr Stunden und eine ungeteilte Anwesenheit. Ach,Gott ist so gut; er läßt sich herab, die Nachgiebigkeit unseres Willensgegen den unserer Mutter als Unterwerfung unter seinen Willen anzuse-hen, wenn wir nur sein Wohlgefallen zum Hauptziel unseres Handelnsgesetzt haben.

Sie haben doch Mose und die Propheten, d. h. so viele ausgezeichneteDiener Gottes; hören Sie auf diese (Lk 16,29). Es ist unrecht von mir, solange mit Ihnen zu plaudern, aber ich fand Gefallen daran, ein wenig mit

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einer reinen und keuschen Seele zu sprechen, über die es keinerlei Kla-gen gibt, außer die, über ein Übermaß an Frömmigkeit; und das ist ein soseltener und liebenswerter Makel, daß ich die damit Beschuldigte nurlieben kann. So bin ich immerdar, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener undgehorsamer Diener ...

AN FRAU LE LOUP DE MONTFAN

XX, 55-58 (1779) Annecy, 25. April 1621.Gnädige Frau!

Um mir Ihren Wunsch teuer zu machen, bedurfte es nicht der Überre-dungskraft der Patres Coton und Duchesne, die ich überaus schätze, dennIhr Name allein ließ mich deutlich erkennen, was ich Ihnen schuldig bin.Und Schwester Favre hatte mir gleich von Anfang an, als sie noch inMontferrand war, so lebhaft ihre Hochachtung vor Ihren überragendenEigenschaften ausgedrückt, daß ich gar nicht anders könnte, als IhrenKummer mitzufühlen, den Sie mir dargelegt und mit solch leidenschaft-licher Beredsamkeit, die Sie in Ihrem Brief aufgeboten haben, daß es einHerz von Stein hätte rühren mögen.

Dennoch habe ich mich gewundert, gnädige Frau, wieso Sie denkenkonnten, daß ich auf das Herz Ihrer Tochter Einfluß gewinnen könnte,um sie Ihrem Willen gefügig zu machen. Sie haben Ihre Vorhaltungenpersönlich vorgebracht durch so große Diener Gottes, so vortrefflicheSeelsorger wie die Patres Coton,77 Duchesne78 und andere; Sie haben vorallem Gebrauch gemacht von Ihrer mütterlichen Autorität, Ihren Trä-nen, Ihren Seufzern und einer eindringlichen Zurschaustellung desSchmerzes und der Bitterkeit Ihres Herzens, die Sie besser als irgendje-mand vorzubringen wußten. Wie sollte dann ich armer Priester, fernste-hender und so unbedeutender Mensch, der ich bin, allein durch Briefe esfertigbringen, die weder Überzeugungs- noch Schlagkraft besitzen? Den-noch füge ich mich Ihrem Wunsch, gnädige Frau, und schreibe an Frauvon Dalet, ebenso kurz an meine Schwester Favre, weil sie alle Ihre Gründeschon kennen und weil Ihr Mann mich mit meiner Synode79 schwer be-schäftigt gefunden hat, die mir Geist und Herz beschlagnahmt.

Über Ihren Brief habe ich mich mit Pater Bonaventura80 von Lyonbesprochen, den wir hier als Guardian sehr schätzen. Ich sehe in Ihnen,gnädige Frau, eine Mutter, die ganz erfüllt ist von Liebe zu ihrer einzigenTochter, voll Eifer für die Bewahrung Ihres Hauses, das es so sehr ver-

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dient, bewahrt zu werden, bedrängt von tausenderlei Angriffen undschmerzlichen Angelegenheiten. All dies empfinde ich im Grund mei-ner Seele mit und hege umso mehr Achtung und heilige Liebe zu Ihnen,da ich mich wohl der Frau von Montaret81 und ihrer Liebe und Leiden-schaft zu ihrem Sohn82 entsinne.

Ich schreibe also diesen zwei Frauen,83 von denen Sie sagen, daß siemiteinander so eng verbunden sind. Es ist Gottes Sache, meinen WortenWirksamkeit zu schenken. Beten Sie zu ihm darum. Unterwerfen Siesich seiner Vorsehung, der sich noch kein Geschöpf richtig unterwarf,ohne Trost und Hilfe zu finden.

An die Gräfin von Dalet

XX, 77-80 (1790) Annecy, 11. Mai 1621.Gnädige Frau!

In Gottes besonderer Gegenwart will ich Ihnen diesen Brief schrei-ben, da er Ihnen sagen soll, was Sie in den mir aufgezeigten Angelegen-heiten zu seiner größeren Ehre tun sollen.

1. Nachdem ich also den Heiligen Geist angerufen habe, sage ich Ih-nen, daß ich in allem, was Sie mir schreiben und was Ihre Frau Muttermir sagt, keinerlei Anlaß sehe, daß Sie deshalb Ihr Gelübde der Keusch-heit aufgeben sollten; denn die Erhaltung des Hauses spielt doch nur beiFürsten eine Rolle, wenn deren Nachkommenschaft für das öffentlicheWohl erforderlich ist. Und wenn Sie Fürstin wären oder jener ein Fürst,der Sie zur Ehe begehrt, müßte man Ihnen sagen, da Sie Kinder vonIhrem ersten Mann haben: Begnügen Sie sich mit der Nachkommen-schaft, die Sie haben; und ihm: Erhoffen Sie sich Kinder von einer ande-ren Fürstin. Der Heilige Geist hat klar verkünden lassen, daß nichts soerstrebenswert ist wie eine enthaltsame Seele (Sir 26,20). Bleiben Siealso so, da Gott es Ihnen eingegeben hat, dies zu wollen, und Ihnen dieGnade schenkt, es sein zu können. Dieser große Gott wird Ihr Gelübdesegnen, Ihre Seele und Ihren Leib, die seinem Namen geweiht sind.

2. Es ist ganz richtig, daß Sie durch keinerlei Rechtsbestimmung dazuverpflichtet sind, dem Haus Ihres Herrn Vaters mit Ihren Mitteln beizu-stehen, da Ihre Mittel und die Ihrer Kinder durch die vom Staat aufge-richtete Ordnung vom Haus Ihres Vaters getrennt und unabhängig sindund er in keiner Notlage ist; dies umso mehr, als sie tatsächlich nichtsvon Ihrer Mitgift erhalten haben, die Ihnen nur versprochen, nicht aberausgezahlt wurde.

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3. Wenn es im Gegenteil wahr ist, daß Sie Ihre Kinder, und was ihnengehört, und sich selbst ruinieren würden, wenn Sie sich mit den Angele-genheiten Ihres väterlichen Hauses belasten, ohne deshalb dessen Ruinverhindern zu können, dann sind Sie – zumindest aus Nächstenliebe –verpflichtet, es nicht zu tun. Denn wozu ein Haus dem Ruin ausliefern,um damit noch ein anderes ebenfalls dem Ruin auszusetzen, und wozuHeilmittel gegen ein unheilbares Leiden einsetzen auf Kosten Ihrer Kin-der? Wenn Sie also wissen, daß Ihr Beistand unnötig sein wird zur Er-leichterung der Lage Ihres Vaters, sind Sie verpflichtet, nichts darauf zuverwenden zum Nachteil der Lage Ihrer Kinder.

4. Wenn Sie ihm aber helfen können, gnädige Frau, ohne Ihre Kinderspürbar zu schädigen, meine ich, daß Sie es tun sollen. Offenbar könntenSie es tun, da Sie das einzige Kind sind und schließlich alles Ihren Kin-dern bleiben wird, dessen Verkauf Sie verhindern können, da Ihr Vaterund Ihre Frau Mutter keine anderen Erben haben können. Das bedeutetdoch nur, Ihre Mittel mit einer Hand auszugeben und sie mit der ande-ren wieder zu ergreifen.

5. Und selbst wenn Sie Ihre Frau Mutter mit einem geschäftlichenNachteil für Sie zufriedenstellen, scheint mir, daß Sie es tun sollten,sofern das nicht zu viel zum Schaden Ihrer Kinder geschieht, der Ach-tung und Liebe wegen, die Sie Ihrer Mutter entgegenzubringen verpflich-tet sind.

6. Im übrigen denke ich, daß es für Ihre Ruhe und für die AusführungIhres Entschlusses, ständige Keuschheit zu üben, geeigneter wäre, wennSie allein für sich bleiben, vorausgesetzt, daß Sie Ihre Frau Mutter oftsehen, die – wenn ich ihren Brief recht verstehe – nicht einmal betrübtwäre, wenn Sie Ordensfrau würden, sofern Sie ihr nur Ihr Vermögenzukommen ließen, um sie im Besitz der Güter des Hauses zu halten. Siewollen keine zweite Ehe eingehen; Sie können auch nicht den entschie-denen Willen dieser Dame teilen, einen großen Haushalt zu führen undjeder schicklichen Unterhaltung Tür und Tor zu öffnen; daher sehe ichnicht ein, warum es nicht angemessener wäre, wenn Sie für sich leben.Denn nichts ist geeigneter, die Einheit der Herzen von Menschen zuerhalten, die gegensätzlicher Natur sind, wenn auch voll guter Gemüts-art und guter Absichten, als wenn sie ein getrenntes Leben führen.

Das ist meine Meinung, gnädige Frau, auf Grund der Kenntnis, die ichvom Stand Ihrer Angelegenheit habe. Wenn es Gott gefallen hätte, daßich Sie in Lyon treffe, welcher Trost wäre das für mich gewesen und wieviel bestimmter und klarer hätte ich Ihnen meine Einstellung erklären

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können! Da dies aber nicht der Fall war, will ich Ihre Einwände erwar-ten, wenn es Ihnen scheint, daß ich die Sachlage, wie Sie mir diese darge-legt haben, nicht richtig verstanden habe, und ich werde mich bemühen,meinen Fehler gutzumachen. Ich bitte Sie, gnädige Frau, sich von keinerErwägung leiten zu lassen, die Ihnen die Freiheit rauben könnte, mir zuschreiben, bin ich doch und werde es von nun ab ganz und vorbehaltlossein, Ihr sehr ergebener und zugeneigter Diener, der Ihnen die Fülle derGnaden Unseres Herrn wünscht, vor allem ein ständiges Fortschreitenin der hochheiligen Anmut der Nächstenliebe und heiligen Demut, derso liebenswerten christlichen Einfachheit. Ich muß Ihnen sagen, ich fin-de das Wort in Ihrem Brief sehr lieb, daß Ihr Haus ein ganz gewöhnlichessei und nichts sonst; denn das ist sehr schön zu hören in einer Zeit, wodie Kinder der Welt soviel Geschrei machen mit ihren Häusern, ihrenNamen und ihrer Herkunft.

Leben Sie ganz so, meine sehr liebe Tochter, und preisen Sie sich nurim Kreuz Unseres Herrn glücklich, durch den Ihnen die Welt gekreuzigtist und Sie der Welt (Gal 6,14). Amen. Ich nenne mich nochmals vonganzem Herzen Ihren sehr ergebenen Diener ...

An Frau Le Loup von Montfan

XX, 125-126 (1818) Annecy, 4. August 1621.Gnädige Frau!

Ich schätze Sie und Ihre Frau Tochter überaus und möchte gern allesbeitragen, was an mir liegt, um Sie beide zu befriedigen. Wenn es Gottgefällt, werde ich ihr noch besonders meine Meinung sagen; Ihnen abersage ich sie jetzt und verspreche mir, daß Sie bei Ihrem guten Gemüt esgut aufnehmen werden.

Jede Liebe, gnädige Frau, ausgenommen die Liebe Gottes, kann zugroß sein; und wenn sie zu groß ist, dann ist sie gefährlich. Sie wühltleidenschaftlich die Seele auf, weil sie als Leidenschaft und Herrin überdie Leidenschaften den Geist erregt und verwirrt. Sie ist ein Rausch, dersich eigene Wege schafft und die Ordnung unserer Gefühle durcheinan-derbringt. Man darf nicht glauben, gnädige Frau, daß die Liebe von Müt-tern zu ihren Kinder anders ist; sie ist es sogar noch mehr, da es scheint,daß sie es erlaubterweise tut, dazu berechtigt durch die natürliche Nei-gung und entschuldigt durch das gute Mutterherz.

Wir sprechen häufig von Ihnen, der gute Pater Bonaventura und ich,

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wir sprechen voll Achtung und Liebe von Ihnen. Aber wollen Sie mirbitte verzeihen: wenn er mir erzählt, wie aufgeregt und beklommen IhrHerz war bei der Krankheit der Frau von Dalet; ich kann mich nichtenthalten, zu sagen, daß mir das übertrieben zu sein scheint. Wenn Sieaber denken, daß ich meine Meinung zu offen heraussage und unrechthabe, wie kann ich mich dann entschuldigen? Und doch möchte ich inkeiner Weise etwas von Ihrem Wohlwollen verlieren, denn ich schätze eshoch ein und achte überaus das Herz, dem es entspringt, und den Geist,dem es entstammt. Ich will mit einem Wort sagen, Sie haben soviel Macht,die Herzen zu bewegen, daß mein Herz von den Zügen Ihres Geistesganz eingenommen war, sodaß Sie keiner Hilfe bedürfen, um das Herzder Frau von Dalet zu allem zu bewegen, was Ihnen gefallen wird. Ich binsicher, daß nach der Kraft des Geistes Gottes, dem alles folgen muß, IhreKräfte jederzeit die stärkeren sein werden.

Leben Sie für Gott, gnädige Frau, und für die hochheilige Dreifaltig-keit, in der ich Ihr sehr ergebener Diener bin.

An die Gräfin von Dalet

XX, 267-269 (1893) Annecy, 8. Februar 1622.Gnädige Frau!

Ich gab der lieben Schwester Oberin von Montferrand Antwort aufdas, was Sie mir in Ihrem Brief vorschlagen. Es tut mir sehr leid, daß ich,was ihre Person betrifft, nicht den Wunsch der Frau von Chazeron unter-stützen kann. Denn was Ihren Wunsch betrifft, gnädige Frau, weiß ichwohl, in welchen Grenzen Sie ihn halten, damit in jeder Hinsicht Gottam reinsten gedient werde; darum gebrauche ich Ihnen gegenüber keineEntschuldigung.

Die Furcht vor dem Tod und vor der Hölle, die Ihre teure Seele be-drückt, ist wirklich eine Versuchung des Feindes; aber der geliebte FreundIhres Herzens wird sie durch seine Güte zu Ihrem Fortschritt in derReinheit und Demut gebrauchen. Und wenn Sie sich durch völlige Un-terwerfung und Ergebung in seine Vorsehung gänzlich freimachen vonder Sorge um einen Erfolg, selbst einen ewigen Erfolg Ihres Lebens, undes in die Hände seiner Güte und seines Wohlgefallens legen, dann wirder Sie von dieser Plage befreien oder Ihnen so viel Kraft schenken, sie zuertragen, daß Sie Grund haben, das Leiden dafür zu segnen.

Meine sehr liebe Tochter, Vorstellungen von Ruhmsucht, ja sogar von

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Hochmut und Vermessenheit können einer Seele nicht schaden, die sienicht liebt, die alle Tage oftmals zu ihrem Gott mit dem König Davidsagt (Ps 73,22.23): „Herr, ich bin ein Nichts vor Dir und ich bin immerbei Dir.“ Das ist, als ob er sagen wollte: Ich schaue auf Dich, o höchsteGüte, als auf das unendliche Wesen und sehe mich als nichts vor Dir, undobgleich Du so bist und ich so beschaffen bin, bleibe ich doch immer vollVertrauen bei Dir. Mein Nichts hofft auf Deine gütige Unendlichkeit mitumso größerer Gewißheit, als Du unendlich bist; ich hoffe auf Dich, imVergleich zu dem ich wahrhaft ein Nichts bin.

Meine liebe Tochter, bleiben Sie in Frieden bei Ihrer Bitterkeit (Jes38,17). In der Spitze Ihres Geistes wissen Sie wohl, daß Gott zu gut ist,um eine Seele zu verwerfen, die nicht heuchlerisch sein will, welcheVersuchungen und Vorstellungen ihr auch widerfahren. Ich will IhreNot diesem großen Gott der Fülle und des Überflusses empfehlen, Sieaber verrichten indessen oft vor ihm sanftmütig Ihre Stoßgebete: Ich binDein, o Herr, rette mich! (Ps 119,94). Er wird es tun, meine sehr liebeTochter. Sein heiliger Name sei immerdar gepriesen! Ich bin vorbehalt-los, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener und getreuer Diener.

An Frau Le Loup von Montfan

XX, 330-332 (1927) Turin, 6. Juli 1622.Gnädige Frau!

Die kürzesten Antworten sind gewöhnlich die besten, und dabei steheich unter dem Druck meiner Abreise von diesem Hof und dem Wunsch,Ihren Boten abzuschicken, der mich dringlichst beschwört, ihn nichtlänger zurückzuhalten. Ich will nichts sagen von den Ehrentiteln undGunstbezeugungen, mit denen Sie mich so überhäufen, möchte Ihnenaber unablässig jede Art von Freude wünschen und gute Möglichkeiten,um Ihnen bezeugen zu können, wie sehr ich Sie schätze.

Ich will Ihnen also über die Absicht Ihrer Tochter, der Frau von Dalet,sich ins Kloster zurückzuziehen, nichts anderes sagen, als daß ich diesefür eine echte göttliche Eingebung halte. Ich sehe keinerlei Grund zueiner gegenteiligen Annahme, da sie Gott sei Dank so gerechte und wür-dige Bürgen für die Person und die Güter ihrer Kinder besitzt, falls esIhnen und Ihrem Gatten84 gefällt, diese Mühe auf sich zu nehmen. Unddamit es Ihnen gefalle, will ich keine langen Reden führen, sondern nursagen, wenn Sie es tun, tun Sie etwas Gott überaus Wohlgefälliges; denn

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das genügt einer hochherzigen Seele, um sie jede Art von Entschlüssenfassen zu lassen.

Ich weiß wohl, daß es viele Einwände gegen das gibt, was ich Ihnensage; aber ich glaube schon auch, daß es sich unter solchen Umständennicht darum handelt, zu streiten und zu debattieren, sondern darum, dieGrundsätze des Evangeliums zu betrachten. Diese führen uns zweifelloszur völligen Selbstentäußerung und zur Verachtung irdischer Klugheit,die sich nicht an die Weisheit der Tugend hält, wie es die Erhabenheitund Überlegenheit der himmlischen Liebe erfordert.

Wenn sich aber diese teure Tochter Ihres Herzens an die Schrankenhält, gnädige Frau, die ihr Ihre Autorität setzt, nur als Gründerin imKloster zu leben, ohne das Kleid und die äußeren Lebensbedingungen zuändern, dann glaube ich nicht, daß die klügste menschliche Klugheitvernünftigerweise sich dagegen aufhalten noch, dessen bin ich sicher,dagegen murren kann. Denn unter der Voraussetzung der gütigen Für-sorge Ihres Gatten und Ihrer selbst für Ihre Enkelkinder, für sie und ihrekleinen Angelegenheiten Sorge zu tragen, und Ihrer Frau Tochter zuversichern, daß Sie ihr die Möglichkeit geben, vollkommen im Schattendes Kreuzes zu leben, was kann man da anderes sagen, als daß Gott IhrerTochter die Eingebung geschenkt hat, sich zurückzuziehen, und ihrenEltern die Eingebung, ihr die Möglichkeit dazu zu geben? Ich weiß, daßes Anstrengungen kostet, um so große und heroische Tugenden zu üben;aber daraus ziehen diese Tugenden auch ihren größten Ruhm.

Gnädige Frau, Sie zeigen mir einen Fehler dieser Tochter auf, daß sieunter Vorbehalt schwört, worauf Sie sich nach Ihren Worten nicht ver-stehen. Das ist eine der liebenswertesten Eigenschaften, die Sie habenkönnen, muß ich bekennen, aber ich muß eine andere, überaus wertvolleanführen, nämlich die, daß Sie diesem Geist gegenüber nicht von Ihrermütterlichen Autorität Gebrauch machen, der eher zurückweicht alspariert, um dem Schlag auszuweichen.

Was aber mich betrifft, gnädige Frau, beteure ich Ihnen, daß ich nichtzweideutig handle, wenn ich Ihnen wahrhaft verspreche, ich werde mei-nerseits nur dann zustimmen, daß Frau von Dalet das Ordenskleid derHeimsuchung trägt, wenn ich durch eine klare Aussage von Ihnen IhrerZustimmung gewiß bin; das bitte ich Sie, mir ehrlich zu glauben. Ichgebe Ihnen darüber noch klarer mein Wort: Ich habe keine Autoritätüber die Heimsuchungsklöster außerhalb meiner Diözese, sodaß ich michnur verpflichten kann, nicht zuzustimmen, wohl aber alles zu tun, wasich vermag, nicht durch Autorität, sondern durch meinen Einfluß, den

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ich auf die Oberinnen dieser Klöster zu haben hoffe, besonders auf FrauFavre, von der ich ganz sicher bin, daß sie darin meiner Anweisung fol-gen wird. In diesem Sinn gebe ich Ihnen, gnädige Frau, nochmals Sicher-heit für das vorher Gesagte und zeichne ausdrücklich mit dem damitgemachten Versprechen ...

An die Gräfin von Dalet

XX, 333-334 (1928) Turin, 6. Juli 1622.

Bleiben Sie also in Ihrem weltlichen Gewand, nehmen Sie aber dieOrdensgewohnheiten an, so können Sie Ihrer Frömmigkeit im KlosterGenüge tun und auch Ihre Frau Mutter zufriedenstellen. Sie leben dabeinicht weniger nach dem Willen des himmlischen Bräutigams, der nichtauf das Äußere achtet und von dem Sie wahrhaftig nicht weniger gutangesehen werden, auch wenn das Aussehen geringer ist. Es bedeutetnicht wenig, in den Vorhallen des Hauses des Herrn zu weilen.

Ihre Frau Mutter führt mir gegenüber Klagen genug über Ihren Geist,aber ich kenne gut die mütterliche Eifersucht und kann darin gut dieAufwallungen der Natur von denen der Gnade unterscheiden. Meinesehr liebe Tochter, halten Sie sich ganz an das Kreuz Jesu Christi, der fürSie eine so große Feindschaft gegen sich erduldet hat (Hebr 12,3); erallein sei Ihr Vorbild und sein Wohlgefallen Ihre einzige Freude.

Ich habe nicht auf all die mütterlichen Klagen antworten wollen, ummich nicht darin zu verwickeln. Nur hinsichtlich Ihrer Tochter stimmeich bei, daß sie dieser guten Mutter zurückgegeben werde, solange, bissie selbst über ihren Beruf die Wahl treffen kann. Ansonsten gebe ichbezüglich Ihrer Person alle mir möglichen Versicherungen. Ich glaube,daß Ihre Frau Mutter sich damit zufriedengeben wird, zumindest ver-pflichtet sie ihr Ruf dazu, über eine so gute Urteilskraft zu verfügen.

Ich bin im Begriff, diesen Hof zu verlassen, aber ich werde Ihnen schrei-ben, sobald ich in Annecy bin, wo ich Briefe von Ihnen bei jeder Gele-genheit erwarte, um zu erfahren, in welchem Zustand sich Ihre heiligenAngelegenheiten befinden, kann ich doch nicht umhin, zutiefst berührtzu sein von dem Wunsch nach Ihrem Trost und vor allem nach IhrerVollkommenheit ...

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XX, 356-358 (1938) Annecy, Ende Aug.-Anfang Sept. 1622.

Gnädige Frau!Ich glaube nun klar zu sehen: Gott, der Sie aus Barmherzigkeit in das

Kloster der Heimsuchung zu seiner reinen Liebe ruft, öffnet Ihnen denWeg und erleichtert freizügig Ihren Eintritt; darum sage ich Ihnen gera-deheraus: Verlassen Sie nun tatsächlich die Welt, da Sie bereits der Nei-gung nach außerhalb von ihr stehen.

Wie könnten Sie sich rechtmäßiger der Sorge um die Person und dieGüter Ihrer Kinder begeben als dadurch, daß Sie diese in die HändeIhres Herrn Vaters und Ihrer Frau Mutter legen? Und ist das nicht einsichtbarer und fühlbarer Zug der göttlichen Vorsehung, daß dies gesche-hen kann mit Zustimmung, ja sogar nach dem Wunsch dieser Mutter, dievor kurzem erst so eifersüchtig auf Ihrem Verbleiben in der Welt be-stand? Ich bin sicherlich der Meinung, meine sehr liebe Tochter, daßGott selbst mit Blumen und Wohlgerüchen die Wege Ihrer Einkehr seg-net, damit sie sich milde vollziehen und die Schwierigsten sie billigenund segnen. Denn, was kann man schon sagen? Daß Sie Ihre Kinderzurücklassen? Ja, aber wo lassen Sie diese? In den Armen ihres Großva-ters und ihrer Großmutter. Belasten Sie aber Ihren Vater und Ihre Mut-ter damit? Nein. Sie belasten sie nicht, vielmehr Sie entlasten sie, da esdoch ihrem Willen und Wunsch gemäß geschieht.

So wie Sie mir die ganze Angelegenheit schildern, sehe ich keinerleiSchwierigkeit, außer für die liebe kleine Tochter, die die Großmutteraus dem Kloster in das weltliche Treiben herausholt. Denn den Knabenwerden Sie in zwei bis drei Jahren ohnedies nicht länger bei sich behal-ten, nicht für ihn sorgen können, sondern ihn der Schule oder dem Hofanvertrauen müssen. Und was die liebe Kleine betrifft, so wird sie,wenn Gott sie in den Ordensstand beruft, früher oder später dahinkommen, ungeachtet der Neigungen ihrer Großmutter. Gott wird sichselbst der Welt bedienen, um sie das Gut des Ordenslebens erkennenzu lassen. Ich versichere Ihnen, daß dies wahr ist, meine liebe Tochter:Es geschieht manchmal, daß die im Kloster aufgezogenen Kinder nach-her die Unterwürfigkeit abschütteln wie Pferde, die man zu sehr unterden Sattel zwingt.

Die Berufung zum Ordensleben ist eine zu besondere Gnade, als daßsie durch menschliche Bemühungen und menschliche Klugheit gegebenwerden könnte. Gott gebraucht recht oft die Erziehung für die Berufung;wenn aber die Erziehung nicht vorsorgt, so schenkt er seine Wohltat

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doch mit Macht und Güte. Daß Sie Gott diese Tochter aufopfern, wirdihr mehr von Nutzen sein als ihre Erziehung.

Aber mein Geist verliert sich in der Freude über Sie. Ich sage alsoeinfach, daß ich nichts sehe, was Sie in der Welt zurückhalten könnte,nicht einmal die Frage des künftigen Berufes Ihrer Tochter, der – nochungewiß – nicht der Gewißheit Ihrer Berufung vorgezogen werden soll.Dieser Ihrer Berufung sollen Sie sorgsam, tatkräftig, eifrig, aber ohneÜberhastung und Unruhe folgen.

Gott, der in Ihnen dieses heilige Werk begonnen hat, möge es rechtvollenden, damit er, nachdem er Sie in das Heimsuchungskloster in die-sem Leben gezogen und dort bewahrt und erhalten hat, Sie im künftigenLeben in das ewige Kloster der ständigen Heimsuchung ruft.

Mit diesem aus ganzem Herzen ausgesprochenen Wunsch bin ich ohneAufhören und Ausnahme, meine liebe Tochter, Ihr geneigter Diener inUnserem Herrn.

AN FRAU RIVOLAT

XX, 98 (1802)85 11. Juni (1615-1621).Ich höre, daß Sie Witwe sind, meine liebe Tochter; so bin ich voll

Mitgefühl mit dem Schmerz, den Sie durch die Trennung erlitten haben,doch bitte ich Sie, sich nicht von der Traurigkeit fortreißen zu lassen;denn die Gnade, die Gott Ihnen dadurch erwiesen hat, daß Sie ihm die-nen sollen, verpflichtet Sie, sich in ihm zu trösten. Die Töchter der Got-tesliebe setzen soviel Vertrauen auf seine Güte, daß sie niemals verzwei-feln, haben sie doch eine Zuflucht, in der sie jede Befriedigung finden.Wer diese Quelle lebendigen Wassers gefunden hat, kann nicht längervon den Leidenschaften dieses armseligen Lebens bewegt werden (Joh4,10,13).

Ich weiß, daß Sie krank sind; in dem Maße aber, meine liebe Tochter,als Ihre Krankheit zunimmt, soll auch Ihr Mut zunehmen in der Hoff-nung, daß Er, der den Tod am Kreuz gewählt hat (Phil 2,8), um uns seineLiebe zu uns zu zeigen, Sie durch das Kreuz und die Heimsuchung, die erIhnen schickt, immer mehr zu seiner Liebe und Herrlichkeit heranzie-hen wird. Indessen will ich Unseren Herrn für Sie und Ihren Dahinge-gangenen bitten und wünsche, daß auch Sie mich oft der göttlichen Barm-herzigkeit empfehlen. Ich bin in ihm Ihr ergebener, Ihnen zugeneigterDiener ...

V. Rivolat 1802

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AN FRAU VON CHAMOUSSET

XX, 107-108 (1807)86 Annecy, 24. Juli 1621.Mein Herz liebt zu sehr das Ihre, meine liebe Frau Cousine, meine

Tochter, als daß es nicht seinen Schmerz sähe über den wahrhaft großenVerlust, den wir kürzlich alle erlitten haben. Es steht mir aber nicht zu,meine liebe Tochter, Hand an Ihr Herz zu legen und es heilen zu wollen,wo doch vor allem mein Herz gewiß am meisten von all unserer Ver-wandtschaft betrübt ist, liebte ich doch diesen teuren Onkel zärtlich, dermich seinerseits mit großer Zuneigung und seinem würdigen und lie-benswerten Wohlwollen ehrte.

Ich bitte also Gott, meine liebe Cousine, er selbst möge Ihnen mitseinem heiligen Trost zu Hilfe kommen und Ihnen bei dieser Gelegen-heit alle Entschlüsse ins Gedächtnis zurückrufen, die er Ihnen jemalsgeschenkt hat, daß Sie sich aus jedem Anlaß in seinen hochheiligen Wil-len fügen wollen. Trösten möge Sie auch die Ihnen von seiner göttlichenMajestät eingegebene Hochachtung der hochheiligen Ewigkeit, in die,wie wir hoffen sollen, nun die teure Seele dessen gelangt ist, von dem wirjetzt die Trennung so spüren. Denn ach, meine liebe Cousine, wir habendas Leben auf dieser Welt nur, um zu dem ins Paradies zu gelangen, zudem wir uns jeden Tag näher hinbewegen und doch nicht wissen, an wel-chem Tag wir dort ankommen werden. Nun, Ihr Vater ist nun der somühevollen Pilgerschaft enthoben; er ist angekommen am Ort seinerZuversicht, und wenn er noch nicht das ewige Leben besitzt, so doch dieGewißheit desselben und wir wollen mit unseren Gebeten beitragen,daß ihm ein dauerhaftes Glück zuteil werde.

Meine liebe Cousine, ich schreibe Ihnen schlicht, ohne Kunst, abermit dem Wunsch, daß Sie mich immer lieben mögen und daß Sie mirglauben sollen, wie sehr ich mein ganzes Leben lang sein will Ihr sehrergebener Cousin und Diener.

AN EINE UNBEKANNTE PERSON

XX, 116f (1812) Annecy, Juni-August 1621.... Sie wünschen das Porträt der frommen Frau Acarie zu sehen, das

mir ihre älteste Tochter, die Priorin der Karmelitinnen von Orléans,zugeeignet hat. Es gibt ihre Züge und die Form ihres Antlitzes nur un-klar, nicht ganz wieder. Wenn Sie eines davon wünschen, lasse ich esIhnen durch unseren Maler anfertigen.

V. Chamousset 1807 – Unbekannt 1812

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Sie war eine große Dienerin Gottes, die mehrere Male und sechs Mo-nate hindurch beinahe ständig bei mir gebeichtet hat, besonders wäh-rend sie damals krank war. Welch großen Fehler beging ich doch, ausihrem heiligen Gespräch nicht mehr Gewinn zu ziehen! Denn sie hättemir sehr gern ihre ganze Seele aufgeschlossen; aber die überaus großeEhrfurcht, die ich ihr entgegenbrachte, hielt mich zurück, dies zu verlan-gen. Man hat ihre Lebensbeschreibung gedruckt, die ich erst gestern er-hielt. Möge doch Gott wollen, daß ihr Leben genau so geschildert wurde,wie es verlaufen ist. Ich weiß, daß es so sein wird, da der Verfasser ihresLebens ein großer Diener Gottes ist ...

AN EINE UNBEKANNTE DAME

XX, 131-134 (1820) Annecy, 21. August 1621.Ich erwartete immer das Kommen dieser guten Tochter, um Ihnen,

meine liebe Tochter, vertraulicher schreiben zu können, denn ich wußte,daß sie bald kommen würde.

Ihrem Wunsch entsprechend schrieb ich an M., recht froh darüber,Ihnen einige Dienste, sogar in Ihren häuslichen Angelegenheiten, erwei-sen zu können, vor allem, weil sie dem Wohl Ihrer Seele nützlich sind,um deretwillen ich alles liebe, was zu Ihnen gehört. Welch gute Sache istes doch, keinen Prozeß zu führen! Ich bin betrübt darüber, daß man inChambéry gleichsam nur davon spricht und daß man so heiß und leiden-schaftlich davon spricht; ich bin getröstet, daß Sie versucht haben, jenenbeizulegen, von dem Sie mir schrieben, daß Sie mit der Achtung vondieser Person sprechen, die ihr gebührt, und daß Ihr Gatte so leichtnachgibt, um die andere Partei zu besänftigen.

Gott sei gepriesen dafür, daß Sie mit der Genugtuung zufrieden sind, dieer Ihnen gegeben hat! Und sagen Sie ihm nur weiterhin Dank dafür! Denndas Glück dieses zeitlichen und bürgerlichen Lebens besteht darin, daßman sich mit dem zufrieden gibt, was uns genügt; denn wer sich damitnicht zufriedengibt, wird niemals mit etwas zufrieden sein, und wie IhreAbhandlung über die Gottesliebe sagt (Sie nennen es Ihr Buch), „wemnicht genügt, was genug ist, dem wird niemals etwas genügen“ (Gottesl.8,8). Lieben Sie es denn, dieses arme Buch, meine liebe Tochter, und daGott Tröstungen für Sie hineingelegt hat, bitten Sie seine heilige Güte, ermöge Ihnen die Freude schenken, sie recht zu verkosten und sie Ihrerteuren Seele nutzbar zu machen, damit sie sich so recht an der reinen,himmlischen Liebe nähren kann, für die sie geschaffen wurde.

V. Unbekannte Dame 1820

351

Übrigens soll diese große Angst, von der Sie früher so grausam gequältwurden, meine liebe Tochter, nun wohl zu Ende sein; haben Sie doch alleGewißheit, die man auf dieser Welt haben kann, daß Ihre Sünden durchdas heilige Bußsakrament vollkommen getilgt worden sind. Nein, lassenSie ja keine Zweifel aufkommen, ob Sie all die näheren Umstände IhrerFehler genügend erklärt haben; denn alle Theologen stimmen darin über-ein, daß es keineswegs notwendig ist, alle näheren Umstände, noch dasZustandekommen der Sünde zu sagen. Wer sagt, ich habe einen Men-schen getötet, braucht nicht zu sagen, daß er seinen Degen gezogen hat,noch, daß er damit seinen Eltern Anlaß zu vielem Kummer gegeben hat,oder daß er jenen Ärgernis gegeben hat, die ihn gesehen haben, und Un-ruhe in die Straße gebracht, in der er ihn getötet hat; denn all dies ver-steht sich von selbst, ohne daß man es sagt. Es genügt schon zu sagen, daßer einen Menschen getötet hat, aus Zorn oder mit Vorbedacht aus Rache,ob es ein gewöhnlicher Mensch oder einer vom geistlichen Stand war.Und dann soll er die Beurteilung jenem überlassen, der ihm zuhört. Wersagt, daß er ein Haus angezündet hat, braucht nicht im einzelnen anzu-führen, was sich darin befand; sondern es genügt zu sagen, ob sich Leutedarin befanden oder nicht.

O meine liebe Tochter, bleiben Sie ganz in Frieden; Ihre Beichten sindüberaus gut gewesen. Denken Sie von jetzt an an Ihren Fortschritt imTugendleben und nicht mehr an die vergangenen Sünden, außer um sichin aller Ruhe vor Gott zu demütigen und seine Barmherzigkeit zu prei-sen, der Ihnen durch die Vermittlung der göttlichen Sakramente verzie-hen hat.

Die „Anleitung zum frommen Leben“ ist ganz wertvoll und gut für Sie,meine liebe Tochter. Was Sie entsetzt, ist, daß Sie sogleich so sein möch-ten, wie sie es vorschreibt. Dabei schärft Ihnen diese Abhandlung dochein, meine liebe Tochter, daß es nicht Aufgabe eines Tages, sondern unse-res ganzen Lebens ist, unser Leben nach ihren Ratschlägen aufzubauen,und daß wir uns keineswegs wundern sollen über die Unvollkommen-heiten, die uns inmitten der Mühen dieses Unterfangens zustoßen. Mei-ne Tochter, die Frömmigkeit ist nicht etwas, das man mit Gewalt inBesitz nehmen kann; man muß zwar daran arbeiten, aber die große Auf-gabe hängt vom Vertrauen auf Gott ab, wir müssen sachte, wenn auchsorgsam darangehen.

Es ist gewiß wahr, daß der Gehorsam Ihnen sehr nützlich sein wird;und da nach Ihrem Wunsch ich es sein soll, der Ihnen Gesetze auferlegt,so lesen Sie hier einige davon:

V. Unbekannte Dame 1820

352

1. Werfen Sie sich einmal am Tag vor Gott auf die Knie und machenSie, die Augen zum Himmel erhebend, Gott anbetend, das Kreuzzei-chen über sich; und erheben Sie sich dann wieder.

2. Verrichten Sie jeden Tag einen Akt der Demut, indem Sie irgendei-nem Ihrer Diener oder Dienerinnen Guten Tag oder Guten Abend wün-schen, im Innern zugleich aber diese Person als Ihre Gefährtin betrach-ten in der Erlösung, die Unser Herr für sie vollbracht hat.

3. Sooft Sie können, sollen Sie Ihre Dienerin Freundin nennen.4. Sie sollen alle Tage mindestens eine Seite irgendeines geistlichen

Buches lesen.5. Sie sollen niemals beichten, diese kleinen Gehorsamsübungen ver-

letzt zu haben, selbst wenn Sie diese nicht beobachtet haben, denn sieverpflichten Sie weder unter schwerer, noch unter läßlicher Sünde; Siesollen mich nur von Zeit zu Zeit wissen lassen, ob Sie diese beobachten.

Es wird Ihnen dienlich sein, wenn Sie sich daran gewöhnen, einmal amTag meine Seele mit der Ihren der Barmherzigkeit Gottes zu empfehlendurch irgendein Stoßgebet, wie etwa beim Verlassen der Tafel: O Gott, habMitleid mit uns und nimm uns auf in die Arme Deiner Barmherzigkeit.

Meine Tochter, all das ist von geringer Bedeutung, aber nützlich; undmit der Zeit werden wir etwas daran ändern oder hinzufügen können.Werden Sie nicht müde, meine liebe Tochter; Sie müssen Ihren lebhaf-ten und feinfühligen Geist in die Schule des Kindseins schicken. GehenSie ganz sachte vor, und Gott wird Sie groß werden lassen. Schreiben Siemir, wann es Ihnen gefallen wird.

Ich muß Schluß machen, meine liebe Tochter. Gott sei immerdar in-mitten Ihrer teuren Seele und ich bin ganz und gar, von ganzem Herzenund mit einer ganz aufrichtigen väterlichen Zuneigung Ihr sehr ergebe-ner Diener.

AN FRAU AMAURY

XX, 143-145 (1827)87 Annecy, August-September 1621.Ihr Brief, den mir Herr Crichant88 übermittelt hat, ist mir ein großer

Trost, meine liebe Tochter, ersehe ich doch mit Freuden daraus, daß esebensowenig des meinen vergißt, wie ich niemals Ihr Herz vergesse.

Sie haben sicherlich recht, Gott für die Eingebung zu preisen, die erIhrer Tochter schenkt, indem er sie den besten Teil dieses sterblichenLebens erwählen läßt. Man muß aber alle Dinge zu ihrer Zeit tun (Koh2,1), meine Tochter. Nicht ich habe das Alter vorgeschrieben, das die

V. Amaury 1827

353

Mädchen haben müssen, um Ordensfrauen werden zu können,89 sonderndas heilige Konzil von Trient. Glauben Sie mir, meine liebe Tochter,wenn nichts Außergewöhnliches Sie drängt, bleiben Sie in Frieden demGehorsam unter die gewöhnlichen Gesetze der Kirche unterworfen. DerGehorsam gilt mehr als Opfer (1 Sam 15,22). Es ist eine Gott überauswohlgefällige Art des Gehorsams, ohne besonderen Anlaß keine Aus-nahme zu wünschen. Unsere liebe Frau erbat keine, um ihr Kind vordem normalen Zeitpunkt zur Welt bringen zu können, oder um mit Un-serem Herrn sprechen zu können vor dem Alter, in dem die Kindergewöhnlich zu sprechen beginnen.

Gehen Sie denn sachte Ihren Weg, und alles wird Ihnen zum Segengereichen, auch für Ihre eigene Person. Nach dem Kind wird Gott auchder Mutter die Tür öffnen.

Ihr ergebener und zugeneigter Bruder und Diener ...

AN EINE UNBEKANNTE DAME IN PARIS

XX, 148f (1830) Annecy, 20. September 1621.Es war mir eine große Freude, etwas über Ihre Seele zu erfahren, mei-

ne liebe Tochter, über Ihre Seele, welche meine Seele in aller Wahrheitganz besonders liebt.

Die Mühe, mit der Sie sich nur in die Betrachtung versetzen können,wird keineswegs deren Wert vor Gott vermindern. Gott liebt ja die Dien-ste mehr, die man ihm unter innerem wie äußerem Widerstreben leistet,als jene, die man mit angenehmen Gefühlen verrichtet. Um uns seinemewigen Vater liebenswert zu machen, hat er doch selbst uns mit seinerMajestät versöhnt in seinem Blut, seinem Leiden, seinem Tod (Kol1,20.22).

Und seien Sie keineswegs erstaunt, weder in Ihren geistlichen, noch inden weltlichen Belangen, bisher nicht viele Fortschritte zu sehen. Nichtalle Bäume, meine liebe Tochter, bringen zur gleichen Zeit ihre Früchtehervor. Jene, welche die besten Früchte abwerfen, brauchen auch länge-re Zeit dazu, sie hervorzubringen, die Palme sogar hundert Jahre, wieman sagt. Gott hat im Geheimnis seiner Vorsehung die Zeitspanne ver-borgen, wann er Sie erhören und auf welche Weise er es tun wird; undvielleicht erhört er Sie in hervorragender Weise dadurch, daß er Sie nichtnach Ihren, sondern nach seinen Absichten erhört.

Bleiben Sie also in Frieden, meine liebe Tochter, in den väterlichenArmen der sehr liebevollen Sorge, die der himmlische Vater für Sie hegt

V. Dame in Paris 1830

354

und hegen wird, da Sie doch ihm angehören und nicht mehr sich selbst;denn dabei erinnere ich mich mit unvergleichlicher Freude des Tages, andem Sie, hingeworfen zu Füßen seiner Barmherzigkeit, nach Ihrer Beich-te ihm Ihre Person und Ihr Leben weihten, um in allem und überalldemütig und kindlich seinem hochheiligen Willen unterworfen zu blei-ben.

So sei es, meine liebe Tochter, und ich bin unwiderruflich Ihr sehrergebener und gehorsamer Diener ...

O mein Gott, meine liebe Tochter, über welch verschiedenartige Mit-tel verfügt doch diese ewige Vorsehung, um die Ihren zu beschenken!

AN MADAME BAUDEAU

XX, 149-150 (1831)90 20. September 1621.Gott sei inmitten Ihrer teuren Seele, meine sehr teure Tochter, um dort

in alle Ewigkeit zu herrschen!Ich bin froh über Ihre Freude, Msgr. de Belley91 jetzt als Ihren Prälaten

zu besitzen, obwohl ich ihn dadurch verloren habe. Ich vertraue auf seineGüte, daß er Sie gern empfangen wird, wenn Sie ihn bei Gelegenheit zuIhrem geistlichen Nutzen sprechen wollen. Da Sie mich aber um meineAnsicht fragen, möchte ich Ihnen sagen, daß er eine Persönlichkeit ist,die sich ganz dem Dienst Gottes und der Kirche hingibt in Paris, das eineWelt für sich ist. Da so viele Leute an seiner Liebe Anteil haben wollen,sollen Sie Ihre gewöhnlichen Übungen im Oratorium unter der LeitungIhres geistlichen Vaters, des Paters Menan, machen und nur etwa alledrei Monate diesen großen Prälaten zur Befriedigung Ihrer Seele aufsu-chen.

Meine sehr liebe Tochter, ich sage in aller Wahrheit, daß es mir einebesondere Freude ist, an Sie zu denken. Ich habe ja in Ihrem Herzeneinen echten Willen gesehen, Unserem Herrn durch den heiligen Ge-horsam gut zu dienen, den Sie seinem Willen schulden. Das ist ein gro-ßes Glück in dieser Zeit, in diesen Verhältnissen und in dieser Stadt.

Lieben Sie mich immer heilig, meine sehr liebe Tochter, wie ich Ihnenauch von meinem ganzen Herzen tausend und abertausend Segnungenwünsche.

An Frau Baudeau, Handschuhverkäuferin,Zum Rebhuhn an der Vogelbrücke.

V. Baudeau 1831

355

AN FRAU VON PECHPEIROU

XX, 160 (1836)92 Annecy, 12. Oktober 1621.Dies sind nur drei Worte, meine sehr liebe Tochter, die Ihnen sagen

sollen, daß mein Herz das Ihre liebt und ihm tausend- und abertausend-fache Segnungen wünscht, damit es beständig und getrost lebe inmittender so wechselhaften Geschehnisse dieses sterblichen Lebens.

Aber bitten Sie Gott recht innig, meine liebe Tochter, er möge mir dieBarmherzigkeit erweisen, mir meine Sünden zu verzeihen, damit icheines Tages mit Ihnen und unserer lieben Frau von Villesavin sein heili-ges Antlitz schauen kann von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Ihr sehr ergebener Diener ...

AN EINE DAME IN GRENOBLE

XX, 207-208 (1861) Annecy, 13. Dezember 1621.Der eine und der andere Gedanke ist gut, meine liebe Tochter. Da Sie

alles Gott gegeben haben, dürfen Sie in sich nichts suchen als Ihn, derselbst zweifellos der Gegenwert für das unvollkommene kleine Alles ist,das Sie ihm gegeben haben. O, wie wird das Ihren Mut stärken und wiewird es Ihnen helfen, voll Vertrauen und einfach Ihren Weg zu gehen!

Es ist jedenfalls ganz gut zu denken, daß Ihr Unvermögen seine Ursa-che in Ihrer Fehlerhaftigkeit hat. Sie sollen jedoch nicht darüber nach-grübeln, welcher Fehler dies sei, denn das wird Sie Demut lehren. Den-ken Sie, meine liebe Tochter, daß Sara, Rebekka, Rahel, Hanna, dieMutter des Samuel, die hl. Anna, die Mutter Unserer lieben Frau, unddie hl. Elisabet Gott weniger wohlgefällig waren in ihrer Unfruchtbar-keit als später, da sie fruchtbar wurden? Sie müssen treu auf dem WegUnseres Herrn vorwärtsgehen und in Frieden bleiben, sowohl im Win-ter der Unfruchtbarkeit wie im Herbst der Fruchtbarkeit.

Unsere Schwestern sind erfreut, daß man auf Frieden hoffen kann;93

sie sollen es noch mehr sein wegen der Worte des himmlischen Bräuti-gams, der die Seinen behütet wie Augäpfel (Dtn 32,10; Ps 17,8). Der hl.Hieronymus sagte zu einer seiner frommen Frauen: Wer auf der Erdegeht, bedarf keiner Planke, und wen der Himmel zudeckt, der bedarfkeines Daches. Kann Gott, der den Schnecken und Schildkröten Häuser

V. Pechpeirou 1836 – Eine Dame 1861

356

gab, die doch nicht an ihn denken und ihm keine Loblieder singen, die zuseinem Preis versammelten Dienerinnen ohne Kloster lassen?

Meine Tochter, ich bin immer mehr vollständig Ihr stets sehr ergebe-ner Diener ...

AN EINEN FREUND

XX, 213-214 (1865)94 Annecy, 1621.... Diese kleine Verachtung, die man mir entgegengebracht hat, bedeu-

tet nichts oder beinahe nichts und ich sage gern: „Herr, rechne ihnendiese Sünde nicht an“ (Apg 7,60), und wenn ich es wagte, würde ich gernhinzufügen: „denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34).

Wir haben unseren Msgr. von Chalcedonien bei uns; wenn ich michnicht täusche, wird er viele Fehler wieder gutmachen, die ich in meinemAmt begangen habe. Ich bekenne, daß ich in allem gefehlt habe, außer inder Liebe, dieser Bruder aber ist eifrigen Gemütes und – so scheint esmir – fähig, mein Unvermögen auszugleichen.

Ich bin recht froh, daß unsere Töchter der hl. Maria in ihrem Klostersind; sie werden keine geringe Anziehungskraft für viele Seelen haben,die sich von der Welt zurückziehen wollen. Wie armselig ist man doch indieser Zeit, daß man nicht immer dem göttlichen Bräutigam ins Antlitzschaut, sondern auf solche äußerliche Einrichtungen, und daß wir oftOrte ihres Aussehens wegen für frömmer erachten als andere ...

AN FRÄULEIN JOUSSE

XX, 217 (1868)95 Annecy, 1620 oder 1621.Meine liebe Tochter!

Für den Entschluß, den Sie Ihrem Herrn Vater dargelegt haben, er-mahne ich Sie, weiterhin unablässig um die Klarheit des Heiligen Geis-tes und seine heilige Führung zu bitten, bis Sie hierher kommen und bisFrau von Chantal wieder zurück ist, damit wir in einer Angelegenheitvon so großer Bedeutung, bei der es sich um die Verfügung über Ihrganzes sterbliches Leben handelt, nur nach dem Willen und der Einge-bung dessen verfahren, der uns das ewige Leben bereitet hat.

Ich bin, meine liebe Tochter, von ganzem Herzen Ihr ergebener, zuge-neigter Diener ...

V. Ein Freund 1865 – Jousse 1868

357

AN EINE DAME

XX, 221 (1870)96 1616-1622.O wie gut ist doch Gott, meine liebe Tochter! Es ist wohl wahr, daß er

zu allen gut ist, aber besonders zu jenen, die ihn lieben. Den Seelen, dieGott auserwählt hat, sind die Heimsuchungen kostbarer als Gold undAnsehen.

Auf Ihren Wunsch und den dieser teuren Tochter schreibe ich unsererSchwester Oberin, denn ich kann und darf es nicht anders machen. DieseSeele wird recht glücklich sein, wenn sie beharrlich durchhält. Bessereine Stunde in den Vorhallen Gottes, als tausend und Millionen Stundenin den Gemächern der Sünder (Ps 84,11). Ja, da sind Sie noch, meineliebe Tochter, in diesen heiligen Vorhallen Unseres Herrn, da Sie dieVereinigung Ihrer Seele mit ihrem Gott anstreben und unwandelbar an-streben werden, die sich die meiste Zeit auf dem heiligen Kalvarienbergaufhält.

Gott sei immer inmitten Ihrer Seele, um sie immer mehr mit ihrerreinen Liebe zu entflammen, die der würdigste und erstrebenswertesteSegen für Ihren Geist ist. Ich bin von meinem ganzen Herzen, unwandel-bar und völlig Ihr sehr ergebener Diener ...

AN EINE UNBEKANNTE DAME

XX, 222-223 (1871) 1618-1622.Ich antworte auf die Bitte, die die gute Mutter von der hl. Maria an mich

in Ihrem Namen gerichtet hat, meine liebe Tochter. Wenn sich die mensch-liche Klugheit in unsere Pläne mischt, ist es schwer, sie zum Schweigen zubringen; denn sie ist sehr lästig und drängt sich leidenschaftlich und kühngegen unseren Willen in unsere Angelegenheiten ein.

Was soll man da tun, damit die Absicht geläutert werde? Schauen wir,ob unser Vorhaben rechtmäßig, gerecht und fromm sein kann; und wennes so sein kann, nehmen wir uns vor und entschließen uns, es zu tun, nichtmehr, um der menschlichen Klugheit zu gehorchen, sondern um darinden Willen Gottes zu erfüllen.

Wenn wir z. B. eine Tochter haben, bei der die menschliche Klugheitvorschreibt, sie aus irgendwelchen familiären Gründen in einen Ordenzu schicken, dann sollen wir in uns selbst sagen (ich meine nicht vor denMenschen, sondern vor Gott): O Herr, ich will Dir diese Tochter aufop-

V. Eine Dame 1870 – Unbekannte Dame 1871

358

fern, weil sie Dir gehört, so wie sie ist. Aber obgleich meine menschlicheKlugheit mich dazu treibt und geneigt macht, so würde ich es doch nichttun, Herr, wenn ich wüßte, daß es nicht nach Deinem Wohlgefallen wäre,trotz menschlicher Klugheit des niedrigen Bereiches meiner Seele. Ichwürde diese menschliche Klugheit, die ich wohl fühle, der ich aber nichtzuzustimmen wünsche, zurückweisen und Deinen Willen annehmen, denmein Herz gefühlsmäßig nicht erkennt, dem es aber gemäß seinem Ent-schluß zustimmt.

O meine liebe Tochter, bei jedem Anlaß plagt uns der menschlicheGeist mit seinen Bestrebungen und mischt sich auf lästige Weise in unse-re Angelegenheiten ein! Wir sind nicht heiliger als der heilige ApostelPaulus, der zwei Willensrichtungen in seiner Seele fühlte: das eine Wol-len gemäß dem alten Menschen und der weltlichen Klugheit, und dieseswar mehr fühlbar; und das andere Wollen nach dem Geist Gottes, das erzwar weniger fühlte, das aber dennoch vorherrschte und dem er im Le-ben folgte (Röm 7,21-23). So rief er einerseits aus: „O ich unglückseli-ger Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Todesleib?“ (Röm 7,24),und vermochte andererseits doch zu sagen: „Nicht mehr ich lebe, son-dern Jesus Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).

Bei jedem Schritt beinahe müssen wir uns zu der Ergebung durchrin-gen, die Unser Herr uns gelehrt hat: Nicht mein Wille geschehe, sondernder Deine, o ewiger Vater! (Lk 22,42).

Haben Sie das getan, dann lassen Sie die menschliche Klugheit kläffen,soviel sie will, das Werk wird nicht mehr das ihre sein; und Sie könnenihr sagen, was die Samariter zu der Samariterin gesagt haben, nachdemsie Unseren Herrn gehört hatten: „Nicht deines Wortes wegen glaubenwir, sondern weil wir selbst ihn gesehen und gehört haben“ (Joh 4,42).Nicht der weltlichen Klugheit zufolge treffen Sie diesen Entschluß, wennsie auch Ihren Willen angetrieben hat, sondern weil Sie erkannt haben,daß er Gott wohlgefällig ist. So können Sie den göttlichen Willen anneh-men und dadurch den menschlichen Willen korrigieren.

Bleiben Sie in Frieden, meine liebe Tochter, und dienen Sie Gott inder Plage und Beschwerlichkeit Ihrer Schwangerschaft und Niederkunft,die Sie ebenfalls nach seinem Wohlgefallen auf sich nehmen. Ich bitteseine höchste Güte, er möge Sie mit seinen Segnungen überhäufen. Sieaber bitte ich, mich immer in ihm und um seinetwillen zu lieben, dermich in voller Wahrheit zu Ihrem sehr ergebenen Diener gemacht hat.

V. Unbekannte Dame 1871

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AN FRAU VON VAUDAN

XX, 234-235 (1879)97 1622.Gnädige Frau!

Ich preise Gott für Ihre Beharrlichkeit. Sie haben recht, sich genügendZeit zu nehmen, um entsprechend Sorge zu tragen für die Angelegenhei-ten, die Sie in der Welt zurücklassen. Indessen wird das Auge der ewigenVorsehung, das auf Ihr Herz schaut, Sie weiterhin unter die Zahl seinerBräute rechnen, denn wenn Sie auch noch nicht Ordensfrau in der Tatsind, so sind Sie es doch Ihrer Neigung nach, und wenn Sie es nochhinausschieben, so tun Sie es doch nur, um es dann umso besser zu sein.

Beten Sie auch weiterhin bitte für meine Seele, gnädige Frau, die sehrinnig die Ihre liebt. Ich bin Ihr sehr ergebener und sehr zugeneigterDiener ...

AN DIE GRÄFIN VON MIOLANS

XX, 241-243 (1881)98 Annecy, 8. Januar 1622.Gnädige Frau!

Obgleich ich nicht das Glück hatte, Sie zu kennen, als ich die ersteNachricht über Ihr Leid erhielt, war ich doch von Mitgefühl für Ihr Herzzutiefst bewegt, da ich mir vorstellen kann, wie hart dieser unerwarteteSchlag sein mußte ... Und wären meine Wünsche ebenso wirksam gewe-sen, wie sie liebevoll und innig waren, so hätten Sie, glaube ich, schondamals irgendwie eine wahrhafte Erleichterung empfunden. Die Gedan-ken der Menschen aber, gnädige Frau, sind eitel (Ps 94,11) und unnütz insich selbst. Gott allein ist Herr über die Seelen und ihr Tröster, er alleinkann den Seelen guten Willens den Frieden schenken. Die aber sindguten Willens, an denen Gott sein Wohlgefallen hat, und er hat seinWohlgefallen an den Seelen, die nach seinem Willen auf ihn hoffen.

Es war ein guter Rat, gnädige Frau, der Ihnen durch seine Eingebungzuteil wurde und Ihnen vorschlug, sich auf eine Weile dem Andrang derTröster dieser Welt zu entziehen, auch wenn sie gute Tröster waren, undin Ruhe die Wunde Ihres Herzens den Händen des himmlischen Arztesund Chirurgen zu überlassen. Bekennen doch selbst die irdischen Ärzte,daß nur in der Stille und Ruhe eine Heilung vor sich gehen kann. Dieinnerlichen Worte, die Gott einem betrübten Herzen sagt, das bei seinerGüte Zuflucht sucht, sind süßer als Honig (Ps 119,103) und heilsamerals der kostbare Balsam, der alle Arten von Geschwüren zu heilen ver-

V. Vaudan 1879 – Miolans 1881

360

mag. Das Herz, das sich mit dem Herzen Gottes vereinigt, kann nichtumhin, schließlich und endlich sogar die Pfeile zu lieben und ruhig zuempfangen, die die Hand Gottes auf dieses Herz abschießt.

Ihre heilige Blandine empfand keine größere Erleichterung inmittender Leiden ihres Martyriums als den heiligen Gedanken, den sie unterSeufzen mit den drei innigen Worten ausdrückte: „Ich bin Christin.“Glückselig ein Herz, das diesen Seufzer richtig anzuwenden weiß!

Gnädige Frau, ich möchte Ihnen gern zur Linderung Ihres Schmerzessagen, wer sein Herz freimachen will von den Übeln der Erde, muß es imHimmel bergen. David sagt (Ps 31,21), daß wir unseren Geist im Ge-heimnis des Antlitzes Gottes und auf dem Grund seines heiligen Taber-nakels bergen müssen. Schauen Sie viel auf die Ewigkeit, auf die Siehinstreben; Sie werden finden, daß alles, was nicht dieser unendlichenDauer zugehört, unseren Mut nicht erschüttern darf. Ihr teurer Sohn istunter guten Vorzeichen von dieser Welt in die andere gegangen, indem erseine Pflicht gegen Gott und den König tat. Betrachten Sie diesen Heim-gang nur mehr im Hinblick auf die Ewigkeit.

Gnädige Frau, man drängt mich, diesen Brief zu beenden, der ohne-dies zu lange dafür ist, daß er so wenig überdacht wurde. Ich preise Gottdafür, daß die Schwestern der hl. Maria Ihnen bei Ihrer Zurückgezogen-heit behilflich sein konnten und daß er Sie für Ihre Einkehr eben dieseWahl treffen ließ. Ich weiß, daß Sie sich durch Ihren Aufenthalt inmittenIhrer Armseligkeit sehr geehrt und erbaut fühlen und ausgezeichnet da-durch, daß der Herr Erzbischof die Güte hatte, Ihnen diesen Auftrag zugeben. Dieser wird Ihnen immer sehr teuer sein, besonders wenn es Ih-nen zum Trost gereicht. Ich bin immerdar von ganzem Herzen, gnädigeFrau, Ihr sehr ergebener und gehorsamer Diener in Unserem Herrn ...

AN EINE KANDIDATIN FÜR DIE HEIMSUCHUNG

XX, 280-281 (1902)99 6. März 1622.Ich habe Sie, meine liebe Tochter, nie anderswo gesehen als auf dem

Kalvarienberg, wo die Herzen wohnen, die der himmlische Bräutigammit seinen göttlichen Liebesbezeugungen begünstigt. O wie glücklichsind Sie, meine liebe Tochter, wenn Sie treu und liebevoll diese Wohn-statt gewählt haben, um dort den gekreuzigten Heiland in diesem Lebenanzubeten. So werden Sie auch dessen gewiß sein, daß Sie im ewigenLeben den verherrlichten Jesus Christus anbeten werden.

V. Kandidatin 1902

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Aber sehen Sie, die Bewohner dieses Hügels müssen von allen weltli-chen Gewohnheiten und Neigungen entblößt sein, wie ihr König amKreuz seiner Kleider beraubt war, die, obwohl heilig, doch entheiligtwurden, als die Henker sie ihm im Haus des Pilatus vom Leib rissen. –Hüten Sie sich wohl, meine liebe Tochter, zum Festmahl des Kreuzes,das tausend- und abertausendmal köstlicher ist als jene weltlichen Trau-ungen, ohne das weiße Kleid zu kommen, das ganz leuchtend und reinvon allen Absichten ist, außer dem Lamm zu gefallen.

O meine liebe Tochter, wie liebenswert ist die Ewigkeit des Himmelsund wie armselig sind die Augenblicke der Erde! Schauen Sie immerfortnach dieser Ewigkeit und verachten Sie kühn die Hinfälligkeit der Au-genblicke dieser Sterblichkeit.

Lassen Sie sich nicht fortreißen zu Ängsten wegen der vergangenenIrrungen, noch zu Befürchtungen künftiger Schwierigkeiten in diesemgekreuzigten Leben des Ordens. Sagen Sie nicht: Wie werde ich die Weltund die weltlichen Dinge vergessen? Ihr himmlischer Vater weiß, daßSie dieses Vergessen nötig haben, und er wird es Ihnen schenken, voraus-gesetzt, daß Sie wie eine Tochter des Vertrauens sich ganz und treu inseine Hände werfen.

Unsere Mutter, Ihre Oberin, schreibt mir, daß Sie sehr gute natürlicheAnlagen haben. Meine liebe Tochter, das sind Güter, über deren Ge-brauch Sie einst Rechenschaft ablegen müssen. Bemühen Sie sich, diesegut zu verwenden im Dienst dessen, der sie Ihnen gegeben hat. PfropfenSie auf dieses wilde Holz die Satzungen der göttlichen Liebe, die GottIhnen zu schenken bereit ist, wenn Sie sich durch eine vollkommeneVerleugnung Ihrer selbst bereit machen, sie zu empfangen.

Alles übrige habe ich der Mutter gesagt. Ihnen habe ich sonst nichtsmehr zu sagen, als daß ich, da Gott es will, von ganzem Herzen Ihr sehrergebener Bruder und Diener bin ...

AN EINE DAME

XX, 310-311 (1919)100 Pignerol, 7. Juni 1622.Ich glaube, meine liebe Tochter, daß ich nicht zufrieden bin, Sie so

wenig gesehen zu haben, daß ich aber überaus befriedigt bin, Sie so gut,das heißt, Ihr geliebtes Herz gesehen zu haben und inmitten Ihres Her-zens unseren teuren Erlöser, der das heilige Feuer seiner himmlischenLiebe darin wieder entzündet hat. O mein Gott, meine liebe Tochter, wie

V. Eine Dame 1919

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sehr sind Sie doch dieser ewigen Liebe verpflichtet, die so gut und mildzu Ihnen ist und wie ein guter Vater so sehr Sorge dafür trägt, Ihnenständig den Wunsch einzugeben, ganz ihm gehören zu wollen. Wie könn-ten Sie jemals seine väterlichen Mahnungen ablehnen, wie den heiligenund wertvollen Pakt brechen, den er mit Ihnen abgeschlossen hat, durchden er sich völlig Ihnen schenkt, wenn Sie nur ganz die Seine sein wol-len? Seien Sie es jetzt rückhaltlos, meine liebe Tochter, und ohne irgend-welche Bedingung. Das ist der große und unabänderliche Wunsch, denich für Sie und für mich hege, weil er allein uns beim Verlassen dieserWelt trösten kann, wenn er beobachtet und durchgeführt wird.

Da Sie den Wunsch danach haben, meine liebe Tochter, bin ich ganzeinverstanden, daß Sie alle acht Tage die heilige Kommunion empfan-gen; bin ich doch sicher, daß Sie in dem Maße, als Sie sich öfter diesemgöttlichen Heiland nähern, ebenso versuchen werden, in seinem Dienstihm mehr Liebe und Treue zu erweisen, und daß Sie sich am Tag IhrerKommunion hüten werden, den Menschen Ihrer Umgebung Anlaß zudem Gedanken zu geben, Sie achteten nicht hoch genug die Ehre, Jesus,Ihr Heil, zu empfangen ...

XX, 395 (1961) Lyon, 19. Dezember 1622.Tausendfachen Dank, meine teure Tochter, für alles Liebe, das Sie meiner

Seele erwiesen, indem Sie ihr so freundliche Beweise Ihrer Zuneigunggegeben haben. Mein Gott, wie glücklich sind jene, die losgelöst vomHofleben und den dort vorherrschenden Komplimenten friedlich in derheiligen Einsamkeit zu Füßen des Kruzifixes leben! Ich hatte gewiß nieeine hohe Meinung von der Eitelkeit, aber inmitten der schwächlichenGrößen des Hoflebens finde ich sie noch viel nichtiger.

Meine liebe Tochter, je weiter ich auf dem Weg dieser Sterblichkeitweiterschreite, desto verächtlicher finde ich sie und immer mehr lie-benswert die heilige Ewigkeit, nach der wir streben und um deretwillenallein wir uns lieben sollen. Leben Sie nur für dieses Leben, meine liebeTochter, denn es verdient allein den Namen Leben und im Vergleichdazu ist das Leben der Größen dieser Welt nur ein recht armseliger Tod.

Ich bin von ganzem Herzen wahrhaft ganz der Ihre, meine liebe Toch-ter, und Ihr sehr ergebener und Ihnen sehr zugeneigter Diener ...

V. Eine Dame 1961

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VI. Briefe ohne DatumVI. Briefe ohne DatumVI. Briefe ohne DatumVI. Briefe ohne DatumVI. Briefe ohne Datum

Die hier aufgenommenen Briefe aus Band XXI der „Oeuvres“ sind sicherecht. ausgenommen Nr. 1989-1994, die erstmals von Datta ohne Angabe derQuellen veröffentlicht wurden: ihre Echtheit ist nicht ganz gesichert.

XXI, 3 (1968) An Clériadus von Genève-Lullin.1

... Mein Bruder, wer hindert Sie daran, heilig zu sein? Und was wollenSie denn, was Sie dafür nicht tun könnten? Ein armer Mann kann inWahrheit schon heilig sein; ein mächtiger Herr aber, wie Sie es sind,kann es nicht allein, sondern er soll noch ebensoviele Heilige machen,als es Zeugen seiner Handlungen gibt ...

XXI, 6-8 (1971) An einen Edelmann in Dijon.2

Gehen Sie und danken Sie Unserem Herrn für die glückliche Einge-bung, die er Ihnen geschenkt hat, Sie aus dieser großzügigen und aus-schweifenden Lebensweise herauszulösen, der Menschen Ihres Altersund Ihrer Lebenslage zu folgen gewohnt sind, durch die sie gewöhnlichin tausenderlei Arten von Lasterhaftem und Unschicklichem und von daoft genug in die ewige Verdammnis geraten.

Um aber diese göttliche Berufung reifen und Sie klarer den Stand er-kennen zu lassen, den Sie zur größeren Genugtuung dieser unendlichenBarmherzigkeit wählen sollen, die Sie zu ihrer vollkommenen Liebeeinlädt, rate ich Ihnen, für die drei folgenden Monate diese Übungen zubefolgen:

Verzichten Sie erstens auf einige Befriedigungen der Sinne, die Siesich sonst erlauben könnten, ohne Gott zu beleidigen; stehen Sie deshalbimmer um sechs Uhr morgens auf, gleichgültig, ob Sie nun gut oderschlecht geschlafen haben, außer wenn Sie krank sind, denn dann müßteman der Krankheit Zugeständnisse machen. Damit Sie an den Freitagen

VI. Genève-Lullin 1968 – Edelmann 1971

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noch etwas mehr tun, stehen Sie da um fünf Uhr auf. Diese Übung wirdIhnen mehr Zeit schenken, das betrachtende Gebet und die Lesung zupflegen.

Ebenso gewöhnen Sie sich daran, alle Tage vor oder nach dem betrach-tenden Gebet fünfzehn Vaterunser und fünfzehn Ave mit ausgebreitetenArmen zu beten.

Verzichten Sie außerdem auf die Gaumenfreuden, indem Sie von denam wenigsten schmackhaften Speisen der Tafel essen, vorausgesetzt, daßsie nicht unbekömmlich sind, und jene Speisen stehen lassen, für die IhrGeschmack am meisten Neigung verspürt. Auch möchte ich, daß Siesich einige Male in der Woche angekleidet niederlegen.

Diese kleinen und bescheidenen Härten werden Ihnen in doppeltemSinn dienen: einmal um leichter die Ihrem Geist erforderliche Erleuch-tung für seine Wahl zu erlangen, denn die Schwächung des Leibes erhebtden Geist in wunderbarer Weise bei jenen, die ihre Kräfte und Gesundheitbesitzen; zum anderen aber, um körperliche Strenge zu versuchen und zuerproben, damit Sie sehen, ob Sie solche ertragen können und welchesWiderstreben Sie dabei empfinden. Denn ein solcher Versuch ist Ihnennotwendig zur Erprobung Ihrer schwachen Neigung, sich von der Weltzurückzuziehen. Und wenn Sie getreu sind in der Übung des Geringen,das ich Ihnen vorschlage, wird man beurteilen können, ob Sie es im Gro-ßen sein werden (Mt 25,23), das im Ordensleben verlangt wird.

Bitten Sie inständig Unseren Herrn, er möge Sie erleuchten, und sagenSie ihm oft das Wort des hl. Paulus (Apg 9,6): „Herr, was willst Du, daß ichtun soll?“; und das Wort Davids (Ps 143,10): „Lehre mich Deinen Willenzu tun, denn Du bist mein Gott.“ Vor allem aber, wenn Sie nachts erwa-chen, verwenden Sie diese Zeit gut, um ganz allein mit Unserem Herrnüber Ihre Wahl zu sprechen; beteuern Sie oft seiner Majestät, daß Sie dieVerfügung über alle Augenblicke Ihres Lebens ihm überlassen und in sei-ne Hände legen, er möge sie nach seinem Gutdünken gebrauchen.

Unterlassen Sie nie das betrachtende Gebet am Morgen, und – wennSie es können – am Abend vor dem Essen eine kurze Einkehr, um IhrHerz zu Unserem Herrn zu erheben.

Suchen Sie Erholungen, die Kraft erfordern, wie Reiten, Springen unddergleichen, nicht aber weichliche wie Kartenspielen und Tanzen. WennSie es aber in diesen zu irgendwelchen Ehren gebracht haben, dann sagenSie: Wozu dient mir all das für die Ewigkeit?

Kommunizieren Sie jeden Sonntag und bitten Sie dabei immer um dienotwendige Erleuchtung. An diesen Festtagen könnten Sie gleichsam als

VI. Ein Edelmann 1971

365

Übung die heiligen Stätten der Kapuziner, des hl. Bernhard und derKartäuser3 besuchen. Wenn Sie spüren, daß die Eingebung zum Ordens-leben an Kraft gewinnt und Ihr Herz dazu gedrängt wird, dann bespre-chen Sie dies mit Ihrem Beichtvater. Falls Sie eine Entscheidung treffen,bereiten Sie Ihren Großvater darauf vor, damit so wenig als möglich derÄrger und das Mißfallen über Ihren Eintritt ins Kloster auf das Ordens-leben falle und Sie allein dafür verantwortlich gemacht werden.

Gott möge Ihnen seinen Frieden, seine Gnade, seine Erleuchtung undseinen hochheiligen Trost schenken.

XXI, 10-11 (1973) An einen Studenten.

Mein lieber Sohn!Das wahre Wissen um Gott lehrt uns vor allen Dingen, daß sein Wille

unser Herz seinem Gehorsam unterwerfen soll und daß wir alles, was erden Kindern seines Wohlgefallens anbefiehlt, gut befinden, wie es ja auchtatsächlich gut ist. Ich bin sicher, daß Sie zu diesen gehören und daß Sienach dieser Grundlehre sich demütig und ergeben, wenn auch nicht ohneschmerzliche Empfindung, der Barmherzigkeit fügen, die er Ihrer gutenMutter dadurch erwiesen hat, daß er sie in den Schoß seiner glückseligenEwigkeit entrückt hat. Ihre bisherige Verfassung gibt allen Anlaß, dieszu glauben, mit dem Maß an Gewißheit, das wir in dieser Hinsicht ge-rechterweise hegen können.

Nun ist also geschehen, was ich Ihnen zu sagen hatte. Weinen Sie jetzt,aber zügeln Sie Ihre Tränen und preisen Sie Gott; denn Sie sollen hoffen,daß diese Mutter Ihnen dort, wo sie jetzt ist, mehr von Nutzen sein wird,als sie es jemals sein konnte, wo sie war. Schauen Sie also dorthin mit denAugen Ihres Glaubens und beruhigen Sie damit Ihre Seele ...

Studieren Sie immer mehr mit Fleiß und Demut. Ich bin ganz Ihr ...

XXI, 11-14 (1974) An einen Adeligen.

Werter Herr!Es ist mir gewiß ein großer Kummer zu wissen, wieviel Schmerzen Sie

in dieser schweren und unangenehmen Krankheit zu ertragen hatten,von der Sie sich jetzt erholen, wie ich hoffe. Ich wäre über sie noch vielmehr beunruhigt gewesen, wenn man mir nicht von allen Seiten versi-

VI. Student 1973 – Adeliger 1974

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chert hätte, daß Sie, Gott sei Dank, in keiner Weise in Gefahr waren undnun wieder anfangen, Kräfte zu gewinnen, und sich auf dem Weg derGenesung befinden.

Mehr Sorge macht mir aber jetzt, daß man sich erzählt, Sie seien außerdem Übel durch körperliche Leiden auch noch von einer heftigen Me-lancholie befallen. Ich stelle mir vor, wie sehr das die vollständige Wie-derkehr Ihrer Gesundheit verzögern und eine entgegengesetzte Wirkunghervorbringen muß. Darüber bin ich nun sehr bedrückt und bei der Grö-ße lebendiger und inniger Zuneigung, mit der ich Sie mehr liebe, als sichsagen läßt, empfinde ich auch ein überaus großes Mitgefühl mit Ihnen.

Wenn es Ihnen recht ist, dann sagen Sie mir bitte, welchen Anlaß Siehaben, eine solch traurige Gemütsverfassung zu hegen, die Ihnen so zumNachteil gereicht. Ich frage mich, ob Ihr Geist noch von irgendwelcherFurcht vor einem plötzlichen Tod und dem Gericht Gottes verwirrt ist.Ach, welche eigenartige Qual ist dies doch! Meine Seele, die eine solcheeinmal sechs Wochen hindurch erlitten hatte,4 ist wohl geeignet, mitjenen Mitleid zu empfinden, die davon bedrückt werden. Ich muß aber,von Herz zu Herz, ein wenig mit Ihnen sprechen und Ihnen sagen, werimmer den aufrichtigen Wunsch hat, Unserem Herrn zu dienen und dieSünde zu meiden, darf sich in keiner Weise vom Gedanken an den Tododer das göttliche Gericht quälen lassen; denn wenn auch das eine wiedas andere zu fürchten ist, so darf es doch keine Furcht jener schreckli-chen und furchtbaren Art sein, die die Kraft und Stärke des Geisteslähmt und bedrückt, sondern eine Furcht, die vom Vertrauen auf dieGüte Gottes so sehr durchdrungen ist, daß sie dadurch milde wird.

Wir sollen nicht zweifeln, ob wir auf Gott vertrauen dürfen, wenn wirSchwierigkeiten verspüren, uns vor der Sünde zu bewahren, oder wennwir Mißtrauen oder Angst verspüren, daß wir bei Gelegenheiten undVersuchungen nicht widerstehen könnten. O nein, denn das Mißtrauengegen unsere Kräfte ist nicht ein Mangel an Entschlossenheit, sonderneine echte Erkenntnis unserer Armseligkeit. Besser ein Gefühl des Miß-trauens, ob wir den Versuchungen werden widerstehen können, als daßwir uns für sicher und stark genug halten, sofern wir von der GnadeGottes erwarten, was wir nicht von unseren Kräften erhoffen. Viele ha-ben freudig versprochen, Wunderbares für Gott zu vollbringen; wenn esaber so weit war, haben sie versagt. Viele, die ihren Kräften schwer miß-trauten und in großer Furcht schwebten, im Ernstfall zu versagen, habenandererseits im Kampf Wunderbares vollbracht, weil dieses starke Be-wußtsein ihrer Schwäche sie dazu getrieben hat, die Hilfe und den Bei-

VI. Ein Adeliger 1974

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stand Gottes zu suchen, zu wachen, zu beten und sich zu demütigen, umja nicht in Versuchung zu fallen (Mt 26,41).

Ich meine, wenn wir auch in uns weder die Kraft noch irgendwelchenMut verspüren, der Versuchung widerstehen zu können, falls sie plötz-lich über uns käme, aber trotzdem Widerstand zu leisten wünschen, aufGottes Hilfe hoffen und ihn um seinen Beistand bitten, dann sollen wiruns in keiner Weise betrüben. Es ist ja nicht nötig, immer Kraft und Mutzu verspüren, sondern es genügt, daß man hofft und wünscht, zur rechtenZeit und am rechten Ort diese zu besitzen. Es ist nicht notwendig, in sichirgendein Zeichen oder Anzeichen zu fühlen, daß man diesen Mut dannhaben wird, nein, es genügt zu hoffen, daß Gott uns helfen wird. Simson,den man den Starken nannte, spürte die übernatürlichen Kräfte, mit de-nen ihm Gott beistand, nur, wenn er sie brauchte. Wenn er auf Löwenoder Feinde stieß, wird daher gesagt (Ri 16,6.19; 15,14), daß der GeistGottes ihn erfaßte, damit er sie töten konnte. Gott, der nichts ohne Grundtut, verleiht uns nicht Kraft oder Mut, wenn wir sie nicht brauchen; wennwir sie aber benötigen, dann versagt er sie nie. Demnach müssen wirimmer hoffen, daß er uns nötigenfalls helfen wird, sofern wir ihn darumbitten. Wir sollen uns immer der Worte Davids bedienen (Ps 42,6.12;43,5): „Warum bist du traurig, meine Seele, und warum verwirrst dumich? Hoffe auf den Herrn“; und des Gebetes, das er zu sprechen pflegte(Ps 71,9): „Wenn meine Kraft versagt, Herr, dann verlaß mich nicht!“

Da Sie also sehr wünschen, ganz Gott anzugehören, warum fürchtenSie dann Ihre Schwäche, auf die Sie sich ja keineswegs stützen sollen?Hoffen Sie nicht auf Gott? Und wird je zuschanden werden, wer auf ihnvertraut? Nein, das wird niemals der Fall sein (Sir 2,11).

Ich beschwöre Sie, alle Widerreden zum Schweigen zu bringen, diesich in Ihrem Geist formen könnten. Antworten Sie nichts anderes dar-auf, als daß Sie unter allen Umständen treu zu bleiben wünschen und daßSie hoffen, Gott werde bewirken, daß Sie es können. Dabei ist es nichtnötig, Ihren Geist zu prüfen, ob er es sein wird oder nicht, denn solcheVersuche täuschen. Viele sind tapfer, wenn sie den Feind nicht sehen, indessen Gegenwart aber nicht. Dagegen haben viele vor dem WaffengangAngst, die gegenwärtige Gefahr verleiht ihnen aber Mut. Wir wollennicht die Furcht fürchten. Dies sei darüber gesagt.

Im übrigen weiß Gott, was ich tun und leiden möchte, um Sie gänzlichdavon befreit zu wissen. Ich bin Ihr sehr ergebener und sehr zugeneigterDiener.

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XXI, 14 (1975) An einen Unbekannten.5

... Diese Tätigkeiten sind wahrhaftig sehr verschieden, die Liebe aber,mit der man sich ihnen hingeben soll, ist ein- und dieselbe. Denn dieLiebe allein bestimmt den Wert unseres Tuns.

Der göttliche Erlöser ist der Vielgeliebte seines Vaters im Jordanfluß,wo er sich demütigt (Mt 3,17), auf der Hochzeit von Kana, wo er verherr-licht wird (Joh 2,1-11), auf dem Berg Tabor, wo er verklärt erscheint (Mt17,15), und auf dem Kalvarienberg, wo er gekreuzigt wird; denn in allseinen Werken ehrt er seinen Vater mit dem gleichen Herzen, der glei-chen Unterwerfung und der gleichen Liebe. Versuchen auch wir, eine soinnige und edle Liebe zu hegen, die uns allein das Wohlgefallen UnseresHerrn suchen läßt; und er wird unsere Handlungen schön und vollkom-men machen, so gering und gewöhnlich sie auch sein mögen ...

XXI, 15-16 (1976) An eine Dame.6

Gnädige Frau!Möge es Gott gefallen, daß ich ebensoviel Freiheit hätte wie dieser

Briefüberbringer, dorthin zu gehen, wohin ich möchte! Sie würden michdann zumindest jedes Jahr eine Zeitlang bei Ihnen sehen mit der Befrie-digung, die Kinder in der Gegenwart ihrer guten Mutter empfinden; dennIhr Wohlwollen und meine Zuneigung verursachen dies Ihnen gegen-über. Da Gott mich aber einspannen wollte wie ein störrisches Pferd,damit ich auf diesem Feld bleibe, so muß ich mich schon darein fügen.Sein heiliger Wille geschehe. Doch ich möchte meinen Willen noch füg-samer unter diese allerhöchste Vorsehung beugen, daß nicht nur meineNeigungen auf das Wollen Gottes ausgerichtet seien, sondern daß ichauch sein heiliges Wollen zärtlich und innig liebe.

Darum, gnädige Frau, meine liebe und gute Mutter, dienen Sie weiter-hin dieser höchsten Güte in Aufrichtigkeit und Milde des Geistes, dadiese Sie doch mit soviel Liebe und Güte und so früh dazu eingeladenhat. Ordnen Sie Ihre Affekte ganz der Liebe des großen Heilands unterund hüten Sie sich, unter welchem Vorwand immer, irgendeinen zu he-gen, dem nicht das Siegel des himmlischen Königs aufgeprägt ist. LiebenSie womöglich den Willen Gottes nicht deshalb, weil er dem Ihren ent-spricht; sondern lieben Sie Ihren Willen, wenn und weil er dem WillenGottes entspricht.

Ich bin weit entfernt von solcher Lauterkeit; helfen Sie mir bitte durch

VI. Unbekannt 1975 – Eine Dame 1976

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Ihre Bitten und Gebete in meinem Bestreben, dahin zu gelangen, wieauch ich meinerseits niemals das hochheilige Opfer dem himmlischenVater darbringe, ohne ihn um die Fülle seiner heiligen Liebe und seinerersehnenswertesten Segnungen für Sie und für Ihre Familie zu bitten.

XXI, 16-17 (1977) An die gleiche Dame.

Meine liebe Mutter!Da Sie mir gesagt haben, daß meine Briefe Sie immer sehr trösten, will

ich keine Gelegenheit versäumen, Ihnen solchen Trost zuteil werden zulassen, um Ihnen irgendwie mein Bestreben zu bezeugen, mich IhrerSeele nützlich zu erweisen, Ihrer Seele, die ich überaus liebe.

Bleiben Sie nur immer sitzend und in Ruhe vor Gott während deräußeren Übungen, stehend und sich bewegend während der inneren, sowie es die Bienen tun, die in ihrem Bienenstock nicht herumfliegen,wenn sie ihre Arbeit verrichten, sondern nur beim Ausflug. Wenn wirmitten in Geschäften stecken, sollen wir nach der Ruhe des Herzenstrachten und unsere Seele still halten. Wenn sie im Gebet fliegen will,dann soll sie fliegen; wenn sie in Bewegung sein will, dann soll sie sichbewegen; obwohl auch da die Stille und die einfache Ruhe der Seele ganzausgezeichnet ist, Gott zu schauen, Gott zu wollen und sich an Gott zuerfreuen.

Wenn ich Ihnen zu schreiben beginne, denke ich nicht an das, was ichIhnen schreiben werde; sondern wenn ich einmal begonnen habe, schrei-be ich alles, was mir unterkommt, wenn es sich nur irgendwie um Gotthandelt. Ich weiß, daß Ihnen alles angenehm ist. Auf meiner letzten Rei-se ist ja das volle Vertrauen meines Herzens zu dem Ihren sehr gestärktworden; ich sah dabei gut, so scheint es mir, daß Sie alles Zutrauen zumir haben.

Ich schreibe dieser guten D.N., die mich schriftlich um meinen Rat fürihre Zukunft bat. Es macht mir Mühe, weil ich doch kaum Einblick inihren Geist habe und mein eigener Geist zu gewöhnlich und alltäglichist, um ein so einzigartiges Leben wie das ihre abzuwägen. Trotzdemsagte ich ihr einfach, was ich denke.

Gott halte Sie in seinem heiligen Schutz und überhäufe Sie mit seinenGnaden.

VI. Eine Dame 1977

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XXI, 17-18 (1978) An dieselbe Dame.Meine liebe Mutter!

Was soll ich Ihnen sagen? Nur ein Wort, da es mir an Zeit mangelt.Üben Sie kräftig Ihr Herz in der inneren und äußeren Milde und haltenSie es in Ruhe inmitten der vielfältigen Angelegenheiten, die sich erge-ben. Hüten Sie sich sehr vor Übertreibung, sie ist die Pest der heiligenFrömmigkeit. Halten Sie weiterhin Ihre Seele empor und schauen Sieauf diese Welt nur, um sie zu verachten, und auf die Zeit nur, um nach derEwigkeit zu streben. Unterwerfen Sie oft Ihren Willen dem Willen Got-tes, immer bereit, ihn gleichermaßen anzubeten, wenn er Ihnen Heimsu-chungen schickt, wie in der Zeit seiner Tröstungen.

Gott sei immerdar inmitten unserer Herzen, meine liebe Mutter. Ichbin in ihm vorbehaltlos und mit einer ganz kindlichen Liebe Ihr rechtergebener Sohn und Diener.

XXI, 18-19 (1979) An eine Dame.Meine liebe Mutter!7

Voll Mitgefühl nehme ich an den vielen bitteren Schmerzen Anteil,die Sie erleiden, und doch wird mir viel Trost daraus, zu wissen, daß Sieim Geist der Ergebung leiden. Meine liebe Mutter, die Tugenden, die imWohlergehen wachsen, sind gewöhnlich zart und schwach, die aber inder Trübsal geboren werden, sind stark und fest, so wie man auch sagt,daß die besten Weine zwischen Steinen wachsen.

Ich bete, daß Gott immerdar inmitten Ihres Herzens sei, damit es in-mitten so vieler Schicksalsschläge nicht erschüttert werde und daß er,der Sie an seinem Kreuz teilhaben läßt, Ihnen auch sein heiliges Duldenund diese göttliche Liebe zuteil werden lasse, die Heimsuchungen sowertvoll machen.

Ich werde nie aufhören, den Beistand dieses ewigen Vaters auf eineTochter herabzuflehen, die ich achte und liebe wie meine Mutter. So binich, meine liebe Mutter, ganz der Ihre in Unserem Herrn ...

XXI, 19-20 (1980) An eine Dame.Ich bitte Gott, er möge Ihr Herz segnen, meine liebe Tochter, und sage

Ihnen meinem Versprechen gemäß ein paar Worte.Vor allem anderen sollten Sie jeden Morgen Gott bitten, er möge Ih-

nen die wahre Milde des Geistes schenken, die er von den Seelen ver-

VI. Eine Dame 1978, 1979, 1980

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langt, die ihm dienen. Sie sollten darum den Entschluß fassen, sich gut indieser Tugend zu üben, besonders bei den beiden Menschen, gegen dieSie am meisten Verpflichtung haben. Sie müssen in Angriff nehmen, sichselbst darin tapfer zu befehlen und sich hundertemale des Tages daran zuerinnern, indem Sie Gott dieses gute Vorhaben empfehlen. Denn ichfinde nicht, daß Sie viel tun müssen, um Ihre Seele dem Willen Gottesgut unterzuordnen, außer diese von Tag zu Tag zu besänftigen, indem SieIhr Vertrauen auf seine Güte setzen.

Sie werden glücklich sein, meine liebe Tochter, wenn Sie so handeln,denn Gott wird inmitten Ihres Herzens wohnen und hier in aller Stilleherrschen. Wenn Ihnen aber irgendeine Verfehlung unterläuft, dann ver-lieren Sie nicht den Mut, sondern erheben Sie sich sogleich wieder, nichtmehr und nicht weniger, als ob Sie nicht gefallen wären. Dieses Leben istkurz und ist uns nur gegeben, um das andere Leben zu gewinnen; und Siewerden es gut verwenden, wenn Sie diesen zwei Menschen gegenübersanft sind, mit denen Gott Sie zusammengeführt hat.

Beten Sie für meine Seele, daß Gott sie an sich ziehen möge. Ich binganz der Ihre.

XXI, 20 (1981) An eine Dame.Ich bitte Sie, meine liebe Tochter, verlassen Sie niemals den Weg der

heiligen Entschlüsse, die Sie gefaßt haben, denn Gott, der sie IhremHerzen eingegeben hat, wird darüber von Ihnen Rechenschaft verlan-gen. Um sie aber gut zu wahren, halten Sie sich ganz nahe beim Heiland,denn sein Schatten ist heilsam für das Entstehen und Bewahren solcherFrüchte. Ich flehe ihn an, er möge Sie an seiner heiligen Hand halten,damit Sie niemals vom heiligen und geraden Weg abweichen, den erIhnen gewiesen hat (Ps 73,24; 139,10). Einem tapferen Herzen ist nichtsunmöglich.

Ich werde Sie in jeder Hinsicht von ganzem Herzen hochschätzen undwünsche Ihnen unablässig Gnade, Frieden und Trost Unseres Herrn,nach dem ich, meine liebe Tochter, Ihr ergebener Diener bin.

XXI, 20-21 (1982) An eine Dame.Was macht Ihr Herz, meine liebe Tochter? Unser Bruder schrieb mir,

daß Sie etwas Leidvolles erlitten haben, das er aber nicht näher bezeich-net. Was immer es sei, es weckt in mir viel Mitgefühl, aber ebensovielTrost, da er sagt, Gott hätte Ihnen diesen geschickt. Meine liebe Tochter,

VI. Eine Dame 1981, 1982

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nichts kommt aus dieser göttlichen Hand, das Seelen, die ihn fürchten,nicht von Nutzen wäre, sei es nun, um sie zu läutern oder um sie in seinerheiligen Liebe zu veredeln. Meine liebe Tochter, Sie werden glücklichsein, wenn Sie mit kindlich-liebevollem Herzen annehmen, was UnserHerr Ihnen mit einem um Ihre Vollkommenheit so väterlich besorgtenHerzen schickt. Halten Sie sich nur oft die Dauer der Ewigkeit vor Au-gen, und Sie werden nicht in Verwirrung geraten über die Wechselfälledieses sterblichen Lebens. So sei es.

Meine liebe Tochter, Sie haben immer Anteil an meinen schwachenGebeten und gerade jetzt bin ich im Begriff, Ihr geliebtes Herz demhimmlischen Vater in Vereinigung mit dem Herzen seines vielgeliebtenSohnes in der heiligen Messe darzubringen. Meine liebe Tochter, ich binunwandelbar Ihr in Unserem Herrn Ihnen sehr zugeneigter Diener.

XXI, 21-22 (1983) An eine Dame.Verehrte gnädige Frau!

Wenn Gott Sie stärker und mutiger gemacht hat, damit Sie Ihre Wid-rigkeiten ertragen können, dann sei seiner Güte dafür Preis, die immerbereit ist, den auf sie hoffenden Seelen beizustehen. Hoffen Sie nur aufihn, gnädige Frau, und – damit Sie auf ihn hoffen können – seien Sie ihmganz zu eigen. Bringen Sie oft Ihr Herz seiner Liebe auf dem gleichenAltar des Kreuzes dar, auf dem er das seine aus Liebe zu Ihnen aufopfer-te. Das Kreuz ist die königliche Pforte, durch die man in den Tempel derHeiligkeit eintritt; wer sie anderswo sucht, wird niemals auch nur eineSpur davon finden.

Gnädige Frau, ich will Ihnen nicht sagen, Sie sollten Ihren Kummernicht ansehen, denn Ihr rasch zu einer Antwort bereiter Geist würde mirsagen, daß er sich wohl bemerkbar macht durch die Bitterkeit des Schmer-zes, den er verursacht; ich will Ihnen aber sagen, daß Sie ihn nur durchdas Kreuz hindurch ansehen sollen, dann werden Sie Ihr Leid klein fin-den oder zumindest so annehmbar, daß Sie sein Leid mehr lieben wer-den als die Freude über allen Trost, der davon getrennt ist. Ich erinneremich wohl an jenes sichtbare Kreuz, das Sie über dem Herzen trugen, alsich die Freude hatte, Sie zu sehen; Sie lieben also Ihr Kreuz, gnädigeFrau, denn es ist ganz aus Gold, wenn Sie es mit den Augen der Liebesehen. Und wenn Sie auch auf der einen Seite die Liebe Ihres Herzens totund gekreuzigt sehen unter Nägeln und Dornen, dann finden Sie auf deranderen Seite eine Sammlung kostbarer Steine, um daraus die Krone der

VI. Eine Dame 1983

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Herrlichkeit zu formen, die Sie erwartet, wenn Sie bis zu deren Besitzliebevoll die Dornenkrone tragen mit Ihrem König, der soviel leidenwollte, um in seine Glückseligkeit einzugehen.

Sie sehen, daß mein Herz sich weitet, da ich mit Ihnen spreche. Es isteine Aufwallung der Liebe, die es für Ihr Herz hegt. Ich bitte Sie auch umdas gleiche vor Gott, um seine Barmherzigkeit auf mich herabzuflehen,der ich in Wahrheit Ihr sehr ergebener Diener bin.

XXI, 23 (1984) An eine Dame.Gnädige Frau!

Wenn es Ihnen gefällt, das Gelübde der Enthaltsamkeit in der Messezu erneuern, während ich das heilige Opfer darbringe, dann opfern Sie eszur gleichen Zeit Gott dem Vater auf. In Ihrem Namen will ich meiner-seits es ihm darbringen mit seinem Sohn, dem reinen Lamm, dem ich esanbefehlen werde, er möge es wahren und behüten gegen alle und gegenalles, ebenso den Vorsatz des Gehorsams. Wenn Sie es schriftlich nieder-gelegt haben, geben Sie es mir nach der Messe.

Gott möge Ihr Opfer annehmen und Ihre heilige Opfergabe segnen.Mögen die heilige Jungfrau, die Engel und alle Heiligen sie begleitenund ihrem Meister anempfehlen; und bitten Sie Ihren Schutzengel, ermöge bei Ihnen sein, wenn Sie es ablegen.

XXI, 23-24 (1985) An ein Fräulein.... Ich antworte auf Ihren letzten Brief, meine gute Tochter. Liebes-

überschwang im betrachtenden Gebet ist gut, wenn er Gutes in Ihnenbewirkt und Sie nicht mit sich selbst beschäftigt, sondern mit Gott undseinem heiligen Willen. Mit einem Wort, alle inneren und äußeren Ge-mütsbewegungen, die Ihre Treue diesem göttlichen Willen gegenüberbestärken, sind immer gut. Lieben Sie also recht die himmlischen Wün-sche und wünschen Sie ebenso stark die himmlische Liebe. Man muß daszu lieben wünschen und das zu wünschen lieben, was niemals genuggewünscht noch geliebt werden kann.

Gott erweise Ihnen die Gnade, meine Tochter, so recht vollständig dieWelt zu verachten, die so böse für Sie ist. Soll sie uns kreuzigen, wenn wirnur sie kreuzigen! Die Abtötung der Eitelkeiten und weltlichen Bequem-lichkeiten läßt sich im Geiste leicht genug machen; sie aber in Wirklich-keit durchzuführen, ist schon viel schwieriger. Und Sie stecken nun mit-

VI. Eine Dame 1984 – Ein Fräulein 1985

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ten in Gelegenheiten, diese Tugend bis zum äußersten zu üben, da mitdieser Entbehrung Schmach verbunden ist und da sie Ihnen geschieht,ohne Sie und für Sie, mehr aber in Gott, mit Gott und für Gott.

Ich bin nicht zufrieden mit dem, was ich Ihnen neulich auf Ihren erstenBrief sagte, über diese weltlichen schlagfertigen Antworten und die Leb-haftigkeit des Herzens, die Sie dazu antreibt. Meine Tochter, legen Siedoch großen Wert darauf, sich darin abzutöten; machen Sie oft das Kreuz-zeichen über Ihren Mund, damit er sich nur unter Gottes Einfluß öffne.Es ist wohl wahr, daß die Anmut des Geistes uns zuweilen viel Eitelkei-ten einflößt; man trägt viel öfter die Nase des Geistes hoch als die desGesichtes; und man macht durch Worte genau so liebe Augen wie durchden Blick. Es ist wirklich nicht gut, weder geistig noch körperlich, aufZehenspitzen zu gehen; denn wenn man stolpert, stürzt man da viel här-ter. Meine Tochter, seien Sie also sorgsam bemüht, nach und nach dieseWucherungen Ihres Baumes zu beschneiden, und halten Sie Ihr Herzganz unten, ganz ruhig, zu Füßen des Kreuzes.

Geben Sie mir nur weiterhin offen und oft Nachricht über dieses Herz,das mein Herz mit großer Liebe liebt um Seinetwillen, der aus Liebegestorben ist, damit wir aus Liebe in seinem heiligen und lebenspenden-den Trost leben. Es lebe Jesus!

XXI, 25 (1986) An ein Fräulein um den 8. September.

... O Gott, wie viel beständiger und inniger sind doch die auf demfesten Grund der göttlichen Liebe begründeten Freundschaften als jene,die auf Fleisch und Blut und weltlicher Achtung aufbauen!

Seien Sie nicht verwirrt ob Ihrer Trockenheiten und Dürre, sonderntrösten Sie sich im obersten Bereich Ihres Geistes und denken Sie daran,was unser Herr uns gesagt hat (Mt 5,3.6): „Selig die Armen im Geiste;selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.“ Welches Glück,Gott in der Wüste ohne Manna, ohne Wasser und ohne anderen Trost zudienen, als dem, unter seiner Führung zu stehen und für ihn zu leiden!

Die hochheilige Jungfrau möge in unseren Herzen geboren werden,um uns ihren Segen zu bringen. Ich bin in ihr und in ihrem Sohn voll undganz der Ihre.

VI. Ein Fräulein 1986

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XXI, 25-26 (1987) An ein Fräulein.Ich bin betrübt, meine liebe Tochter, daß ich Ihre letzten Briefe nicht

erhalten habe. Da mir aber unsere liebe Frau N. den Stand Ihrer Angele-genheiten mitgeteilt hat, rate ich Ihnen von ganzem Herzen, das heißtaus diesem Herzen, das das Ihre in einzigartiger Weise liebt, Sie möch-ten sich nicht darauf versteifen, einen Prozeß zu führen. Sie verbrauchendamit unnütz Ihre Zeit und auch Ihr Herz, was das Schlimmere ist. Manhat das Ihnen gegebene Wort gebrochen; der es gebrochen hat, trägt dengrößeren Schaden davon. Wollen Sie sich deshalb auf eine so ärgerlicheSache einlassen, wie es ein schlimmer Prozeß ist? Das wäre eine sehrungeeignete Vergeltung, wenn Sie nach Erleiden dieses Unrechts auchnoch Ihre Ruhe, Ihre Zeit, Ihr innerliches Leben einbüßen. Sie könntennicht besser Ihren Mut bezeugen, als indem Sie die Verachtung verach-ten ... Machen Sie es wie Franziskus, als ihn sein Vater verstieß: Ach,sagte er, mit umso größerem Vertrauen will ich jetzt sagen: „Vater unser,der Du bist im Himmel“, denn hier auf Erden habe ich keinen mehr.Und Sie: Ach, wieviel vertrauensvoller will ich doch jetzt sagen: MeinBräutigam, mein Geliebter, der im Himmel ist.

Bewahren Sie Ihre Ruhe und danken Sie der göttlichen Vorsehung, dieSie in den Hafen zurückführt, von dem Sie sich zu entfernen dachten;statt einer Schiffsreise hätten Sie vielleicht einen großen Schiffbrucherlitten. Nehmen Sie dies als Ratschlag von einer Seele an, die Sie lauterund aufrichtig liebt. Ich bitte Gott, er möge Sie mit seinem Segen über-häufen. Ich grüße unsere liebe Schwester in aller Eile.

XXI, 26-28 (1988) An dasselbe Fräulein.

Auf den ersten Teil Ihres Briefes an Frau N., von dem Sie gewünschthaben, daß er mir zur Kenntnis gelange, meine liebe Tochter, will ichIhnen sagen, wenn Herr N. nichts anderes vorzubringen weiß als das, wasSie aufzeigen, würden wir ihn, falls er mit uns zu tun hätte, bei hoherStrafe verurteilen, Sie zu heiraten; denn es gibt keinen Grund dafür, daßer aus Erwägungen heraus nun sein Wort brechen will, die er vor seinemVersprechen anstellen konnte und mußte. Ich weiß allerdings nicht, wiesolche Sachen drüben in Frankreich gehandhabt werden, wo man oftnicht den Regeln folgt, die wir in unseren kirchlichen Belangen haben.

Im übrigen hatte mein Wunsch, meine liebe Tochter, Sie von der Ver-folgung dieses üblen Prozesses abzuhalten, seinen Ursprung nicht im

VI. Ein Fräulein 1987, 1988

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Zweifel an Ihrem guten Recht, sondern in der Abneigung und schlechtenMeinung, die ich allen Prozessen und allen Streitfällen entgegenbringe.Der Ausgang eines Prozesses muß ganz außerordentlich glücklich sein,wenn er die Kosten und Bitterkeiten, die Hetzjagd, die Zerfahrenheit desHerzens und den Gestank der Vorwürfe ausgleichen soll, wie die vielenUnannehmlichkeiten, die Prozesse gewöhnlich mit sich bringen. Vorallem erachte ich jene Prozesse für ärgerlich und unnötig, ja schädlich,die wegen Beschimpfungen und nicht gehaltener Versprechen geführtwerden, wenn kein tatsächlicher Schaden vorliegt. Statt die Mißachtungim Keim zu ersticken, machen diese Prozesse sie nur öffentlich bekannt,verbreiten sie noch mehr und lassen sie andauern, und anstatt zur Ein-haltung der Versprechen zu führen, erreichen sie nur das Gegenteil.

Sehen Sie, meine liebe Tochter, ich erachte als bestes Mittel gegen allesin Wahrheit die Verachtung einer Verachtung und das Bezeugen vonGroßzügigkeit, die man durch Geringschätzung der Schwäche und Un-beständigkeit jener zum Ausdruck bringt, die das uns gegebene Wortbrechen. Die meisten Beleidigungen werden viel besser durch die ihnenentgegengebrachte Mißachtung zurückgewiesen als durch irgendein an-deres Mittel; der Tadel fällt dann mehr auf den Beleidiger als auf denBeleidigten.

Dennoch sind dies meine allgemeinen Empfindungen, die vielleichtfür den besonderen Stand nicht zutreffen, in dem sich Ihre Angelegen-heiten befinden; wenn Sie einem guten Rat folgen, der aus der ErwägungIhrer besonderen Umstände gewonnen wird, können Sie nicht fehlge-hen. Ich will also Unseren Herrn bitten, er möge Ihnen einen guten undheiligen Ausgang dieser Angelegenheit schenken, damit Sie in den Ha-fen einer zuverlässigen und beständigen Herzensruhe gelangen, die mannur in Gott erreichen kann, in dessen heiliger Liebe ich Ihnen immergrößere Fortschritte wünsche.

Gott segne Sie mit seinem reichen Segen, meine liebe Tochter; dasheißt, Gott mache Sie in vollkommener Weise ganz ihm zu eigen. Ich binin ihm Ihr Ihnen sehr zugeneigter und ergebener Diener ...

Ich grüße Ihren Herrn Vater von ganzem Herzen, den ich mit einer ganzbesonderen Liebe und Achtung liebe, und Ihre liebe Frau Schwester.

XXI, 28-29 (1989) An eine Unbekannte.Ertragen Sie nur auch weiterhin diese geistliche Dürftigkeit und Ärm-

lichkeit, die Unser Herr in seiner Güte in Ihrer Seele zuläßt. Es ge-schieht ja nur, um Sie zu stärken und zu festigen, während Sie sich ent-

VI. Eine Unbekannte 1989

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schlossen, ohne irgendeine Tröstung an seiner göttlichen Majestät fest-halten. Tun Sie dies bei allen Vorkommnissen, meine liebe Tochter.

Halten Sie sich ganz nahe bei Unserem Herrn und bitten Sie ihn, erselbst möge heuer Ihr Fastenprediger sein. Ach, wie gut ist es doch, dieheiligen Worte zu hören, die er zu unseren Herzen spricht, wenn wir unsin die Nähe seines Herzens stellen!

Gewiß, meine liebe Tochter, ich mache mir keinerlei Sorge um IhrHerz, wenn sich Ihr Wille nur voll Zuversicht ganz in den Willen Unse-res Herrn ergibt. Lassen Sie es nur, dieses schwache Herz, wenn es unbe-weglich verbleiben will, sofern der Wille in ihm es zu seinem Gott hin-zieht und bewegt ...

XXI, 29-30 (1990) An eine Unbekannte.... Demütigen Sie sich indessen, meine liebe Tochter, aus Liebe zu Gott

oft vor Gott und vor jedem Geschöpf. Und weil das treue Herz sich inBegegnungen kennenlernt, benützen Sie alle sich bietenden Gelegenhei-ten gut, um sich liebreich weniger hochstehenden Personen zuzugesel-len; behandeln Sie diese freundlich, gebrauchen Sie ihnen gegenüberhöfliche und herzliche Worte. Ach, meine liebe Tochter, welchen Standman in diesem Leben hat, ist tatsächlich unwichtig; wir sind doch inWahrheit nur, was wir vor den Augen Gottes sind; die Demut allein wirdmaßgebend sein, wenn man die Rangordnung der Kinder Gottes aufstel-len wird. Sie werden recht glücklich sein, wenn Sie irgendwie Widerwil-len empfinden, sich manchen Personen anzupassen, sich ihnen gleichzu-stellen und zuzugesellen, denn durch Überwindung dieses Widerwillenswird Ihre Demut noch vortrefflicher.

Seien Sie tapfer und halten Sie Ihr Herz hoch zu Gott erhoben; seienSie nicht erstaunt, sich schwach zu fühlen, denn wenn Sie Gott anrufen,wird er Ihre Kraft sein, um Ihren Wunsch, nur in ihm zu leben, gut undeifrig in die Tat umzusetzen. Ich hoffe, daß das von seiner göttlichenMajestät in Ihrem Herzen begonnene Werk eines Tages vollendet seinwird (Phil 1,6) und Sie ihn ewig dafür preisen werden.

Ich indessen will immerdar Ihr Herz von meinem ganzen Herzen lie-ben und hochschätzen, wünsche ich Ihnen doch alle Heiligkeit und allenSegen. Amen.

VI. Eine Unbekannte 1990

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XXI, 30-31 (1991) An eine Dame.Liebe gnädige Frau!

Gott hat Sie heimgesucht zur Erprobung Ihrer Beharrlichkeit und Treue.Der Mensch ist in dieser Welt nur wie ein von der Hand des Schöpfersgepflanzter Baum, herangezogen durch seine Weisheit, begossen mit demBlut Jesu Christi, damit er Früchte trage so recht nach dem Willen desMeisters, der darin in erster Linie bedient werden will, daß wir uns gernvon seiner Vorsehung lenken lassen, welche die Freiwilligen führt unddie Unbotmäßigen kraftvoll zieht.

Gnädige Frau, Sie sind seine Tochter, Sie beteuern alle Tage und beten,daß sein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel (Mt 6,10); was bleibtIhnen noch zu tun, als sich mutig zu entschließen, Ihren Herrn Gemahlzu trösten und sich in dieser Pilgerfahrt auf die Wege zu begeben, die esder göttlichen Majestät Ihnen vorzuzeichnen gefallen wird? Er soll Ih-nen Sohn, Vater, Bruder, alles sein, in dessen Gegenwart Sie durch seineGnade eines Tages das Paradies erlangen werden, wenn Sie immer inReinheit leben. In ihm lebt diese glückselige Seele Ihres kleinen un-schuldigen Kindes, das ich mehr beneide als bedaure, da ich doch weiß,daß es das Antlitz Gottes schaut, wie sein Schutzengel, der ihm zu seinerHut geschickt wurde (Mt 18,10). In der Erwartung dieses Glückes, ihneines Tages in dieser ewigen Glückseligkeit zu schauen, bitte ich Gott,Sie zu stärken, mit ebenso aufrichtigem Herzen als ich Ihr Ihnen sehrzugeneigter Diener bin ...

XXI, 31-32 (1992) An eine Dame.Ach, meine liebe Tochter, wie elend sind wir doch! Durch viele Erfah-

rungen wissen wir, wie sehr dieses Leben sterblich ist, und trotzdem sindwir unglücklich, wenn wir oder die Unsrigen aus dem Leben scheiden.

Gott sei inmitten Ihres Herzens, meine Tochter, er sei Ihnen der einzi-ge und vollkommene Tröster bei dem unerwarteten Unglücksfall dieserguten und tugendhaften Schwester, die ohne irgendeine vorhergehendeErschütterung ihrer Gesundheit plötzlich dem Tod anheimfiel, aber, wiewir hoffen sollen, in die barmherzigen Hände Ihres Heilands. O Gott,wie gut ist es doch, wenn man schon sterben muß, gerade in solch schö-ner Festzeit zu sterben, auf die man sich durch den Empfang der Sakra-mente vorbereitet.

Sie wären doch zu vermessen, meine liebe Tochter, wenn Sie von denErschütterungen ausgenommen sein wollten, welche die Unbeständig-keit und Armseligkeit dieses Lebens von Zeit zu Zeit den Menschen

VI. Eine Dame 1991, 1992

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bereitet. Ich will wohl, daß Sie diesen Verlust beweinen, das ist vernünf-tig; ich will aber auch, daß Sie sich nicht zügellos den Tränen hingeben,sondern bei dieser Gelegenheit zeigen, bereits so viel an Tugend gewonnenzu haben, daß Sie viel mehr auf der Ewigkeit begründet sind als auf demBild dieser Welt (1 Kor 7,31). Betrachten Sie diesen plötzlichen Tod, derder Verschiedenen keine Zeit mehr gelassen hat, richtig Abschied zu neh-men von den Menschen, die sie liebte. In der Hoffnung, daß sie in derGnade Unseres Herrn hingegangen ist, wollen wir rechtzeitig Abschiednehmen, gern auf die Welt und all ihre Eitelkeit verzichten und unsereHerzen in die glückselige Ewigkeit hineinstellen, die unser harrt.

Ach, meine arme Tochter, mein Herz leidet mit dem Ihren und be-schwört dieses, ganz Ihm zu gehören, der uns vom Tod zum Leben wie-der erwecken wird und der uns seine ewigen Segnungen vorbereitet hat.Möge immerdar sein heiliger Name gepriesen sein!

XXI, 32-33 (1993) An dieselbe Dame.Ach, meine liebe Tochter, Sie müssen doch wieder Mut fassen nach

diesem Schicksalsschlag. Schlaganfall und Krankheiten sind nun einmalnatürliche Ereignisse; und Unser Herr, der unser Ende herannahen sieht,bereitet uns sachte durch seine Eingebungen vor, damit wir nicht über-rascht werden, wie es dieser guten Schwester geschehen ist.

Ich wundere mich nicht darüber, daß Sie entsetzt waren und daß SieIhr Herz nicht so bald wieder zu fassen wußten, um es zu seinem Heilandzurückzuführen. O Gott, meine liebe Tochter, wir müssen uns eben gutdarauf vorbereiten, es bei der ersten Gelegenheit besser zu machen; dennje mehr wir diese Welt sehen, und wie unsere Bande an sie vor unserenAugen zerreißen, desto eifriger müssen wir zu Unserem Herrn flüchtenund gestehen, daß wir Unrecht haben, anderswohin als auf ihn und dievon ihm bestimmte Ewigkeit unsere Hoffnung zu richten und anderswo-her unsere Befriedigung zu erhoffen.

Ich muß Ihnen dieses kleine vertrauliche Wort sagen: Kein Menschauf der Welt hat ein für Freundschaften zärtlicheres und aufgeschlosse-neres Herz als ich und keiner empfindet Trennungen lebhafter; dennochhalte ich diese Eitelkeit des Lebens, das wir führen, für so gering, daß ichmich niemals mit tieferem Liebesgefühl zu Gott zurückwende, als wenner mich geschlagen hat oder wenn er zugelassen hat, daß ich geschlagenwerde. Meine Tochter, richten wir unsere Gedanken nur recht auf denHimmel, dann werden wir den Wechselfällen der Erde gegenüber frei

VI. Eine Dame 1993

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sein. Diese gute Schwester hatte gut zu Gott gebetet; daraufhin ist sie vorihm entrückt worden. Wir müssen hoffen, daß Unser Herr es so zu ihremBesten verfügt hat. Bleiben wir in Frieden, in der Erwartung, daß er überuns verfügt.

Meine Tochter, kümmern wir uns wenig um diese Welt, nur soweit, alssie uns als Planke dient, um besser zur anderen Welt gelangen zu können.Ich bin ganz der Ihre in Ihm, der sich ganz uns zu eigen gab, da er auf demKreuzesstamm starb.

XXI, 33-34 (1994) An ein Fräulein.Sie müssen wirklich ein wenig versuchen, meine liebe Tochter, dieses

väterliche Herz zu erleichtern, wie es eine in der Schule Jesu Christierzogene Tochter tun soll. Ich will nicht, meine liebe Tochter, daß Sie aufirgendeine Art den Tod herbeiwünschen, denn Sie gehören nicht mehrsich selbst, sondern Ihm, der, um Sie ganz sein eigen zu machen, sichIhnen ganz geschenkt hat. Daher steht es Ihnen nicht zu, aus dieser Weltzu gehen oder darin zu bleiben zu wünschen, sondern Sie sollen dieseSorge dem Herrn überlassen.

Im übrigen bezeugte diese Mutter so sehr die Gegenwart der GnadeGottes in ihrem Hinscheiden, daß wir annehmen müssen, sie sei oderwerde bald der ewigen Herrlichkeit Gottes teilhaft sein. Wenn sie ent-sprechend den Schwächen dieses Lebens der Fürbitte bedarf, meine lie-be Tochter, wird es ihr mit Gottes Hilfe daran nicht fehlen.

In dem Maße, als Gott unsere liebsten Menschen an sich zieht, will erauch unser Herz an sich ziehen, wie schon der hl. Franziskus sagte: Werkeinen Vater auf Erden hat, dem fällt es viel leichter zu sagen: Vaterunser, der Du bist im Himmel (Mt 6,9). Und wer keine Mutter mehr aufErden hat, vermag viel leichter zu der göttlichen Güte zu sagen: Unsereliebe Frau, unsere Mutter, die du im Himmel bist. Mit einem Wort,meine liebe Tochter, erheben Sie Ihr Herz zu Gott, so sehr Sie können,und er wird Sie trösten. Ich bin in ihm voll und ganz der Ihre.

XXI, 34-35 (1995) An eine Dame.Ihr Herz, meine liebe Tochter, muß also von nun an die Abwesenheit

Ihres guten Herrn Vaters leiden, da die göttliche Vorsehung ihn zu sichgeholt hat und herausgeführt aus diesem armseligen sterblichen Leben,in dem wir sterbend leben und ständig lebend sterben.

VI. Ein Fräulein 1994 – Eine Dame 1995

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Ich will Ihnen keinen anderen Trost vor Augen führen, meine liebeTochter, als den gekreuzigten Jesus Christus, bei dessen Anblick IhrGlaube Sie trösten wird; denn nach diesem Tod des Heilands ist allerTod glückselig für jene, die wie der Verstorbene, von dem ich spreche, imSchoß der heiligen Kirche und mit ihrem Beistand sterben; und wer sichrühmt im Tod Unseres Herrn, der kann niemals verzweifeln am Todjener, die er zurückgekauft und als die Seinen aufgenommen hat.

Meine Tochter, wer nach der Ewigkeit trachtet, tröstet sich leicht überdie Widrigkeiten dieses Lebens, das doch nur unbedeutende, schwacheund kurze Augenblicke dauert (2 Kor 4,17). In dieser Ewigkeit werdenwir uns neuerlich der Gesellschaft der Unsrigen erfreuen, ohne jemalsmehr die Trennung von ihnen fürchten zu müssen.

Ich bin es gewohnt, allen Seelen zu sagen, die sich an mich wenden, daßwir das Herz nach oben erheben müssen, wie die Kirche im heiligenOpfer sagt; besonders aber sage ich es Ihnen, die Sie so ganz besondersmeine Tochter sind. Leben Sie mit großmütigen und hochherzigen Ge-danken, die Sie dieser Ewigkeit und dieser heiligen Vorsehung verbun-den halten; sie hat ja diese sterblichen Augenblicke nur für dieses ewigeLeben bereitet. Ein solcherart hochherzig erhobenes Herz ist immerdemütig, steht es doch in der Wahrheit und nicht in der Eitelkeit; es istmilde und friedvoll, denn es gibt sich nicht mit dem ab, was es störenkann. Wenn ich aber sage, daß es milde und friedvoll ist, will ich nichtsagen, daß es nicht Schmerz oder Betrübnis fühlt. Nein, gewiß, meineliebe Tochter, das sage ich nicht; aber ich sage, daß die Leiden, die Sor-gen, die Heimsuchungen begleitet sind von einem so festen Entschluß,sie für Gott zu leiden, daß diese ganze Bitterkeit, so bitter sie auch sei, inFrieden (Jes 38,17) und in der Stille ist.

Ich schreibe Ihnen sehr gedrängt und bevor ich noch einen Ihrer Ver-wandten gesehen habe; ich werde Ihnen gewöhnlich auf gleiche Art schrei-ben, da ich die Gelegenheit nicht verlieren will. Ich bin mit einer Zunei-gung ohnegleichen Ihr ...

XXI, 36-37 (1996) An eine Dame.Da sehen Sie, meine liebe Tochter, wie wir Schritt für Schritt den Jor-

danfluß überqueren, um das Land der Verheißung zu betreten, in das unsGott einen nach dem anderen abruft. O, es lebe Jesus! Es gibt dochnichts auf dieser Welt, was uns wünschen ließe, unsere Freunde mögennoch recht lang auf ihr verweilen.

VI. Eine Dame 1996

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Ich kannte diese gute verstorbene Schwester nicht nur vom Sehen her,sondern auch durch eine Mitteilung ihrer Seele, die sie mir bei meinemBesuch machte. Es ist ungefähr ein Jahr her, seit ich ihr den Habit desDritten Ordens der Karmelitinnen sandte, den sie mich aus Frömmig-keit für sie anzufordern bat. Bei dessen Empfang legte sie eine General-beichte bei einem sehr fähigen Priester ab, der es mir schrieb oder sagte,wie ich gut weiß. Nun, meine liebe Tochter, war das nicht eine Fügungder Güte Gottes für sie, um sie ein Jahr später an sich zu ziehen? Darumsei Ehre dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Ja, liebe Tochter, weinen Sie ein wenig um diese Hingeschiedene, dennauch Unser Herr weinte ein wenig über seinen teuren Lazarus (Joh 11,35);es sollen aber nicht Tränen des Bedauerns, sondern eines heiligen christli-chen Mitgefühls und eines Herzens sein, das wie das Herz Josefs aus Zärt-lichkeit weint (Gen 43,30; 45,2; 46,29) und nicht aus Stolz, wie das HerzEsaus (Gen 27,38). Bei solchen Anlässen müssen wir mit einer heiligenLiebe uns ergeben dem Wohlgefallen des gütigen Jesus fügen.

Aber sagen Sie mir, meine Tochter, wann werden wir denn in diesesVaterland eingehen, das uns erwartet? Ach, da stehen wir nun am Vor-abend unseres Heimgangs, und doch beweinen wir jene, die dahin gegan-gen sind! Es ist doch ein gutes Vorzeichen für diese Seele, daß sie so vielLeid durchgemacht hat. Da sie so mit Dornen gekrönt wurde, müssen wirglauben, daß sie nun eine Krone von Rosen haben wird. Möge also diesegute Schwester nun ihre ewige Ruhe empfangen im Schoß der Barmher-zigkeit Gottes. Wenn meine Gebete ihr dieses Gut schneller zuteil wer-den lassen können, verspreche ich es ihr gern, und wenn ich ihren Platzin Ihrer Freundschaft einnehmen könnte, würde ich Sie auch gern darumbitten. Zumindest erlauben Sie mir, daß ich den Platz behalte, den ichdarin einnehme. Möge in dem Maße, als Ihre zeitlichen Verwandten vonIhnen gehen, die mehr als väterliche Liebe, die ich für Sie hege und dieich Ihnen in aller Treue geschenkt habe, an Innigkeit und heiligem Eiferwachsen.

Meine Tochter, ergreifen Sie die Linnenstreifen Unseres Herrn oderdas Leichentuch, in das er im Grab gehüllt war, und trocknen Sie IhreTränen damit. Wahrlich, auch ich weine sehr bei solchen Anlässen undmein in himmlischen Belangen so steinernes Herz vergießt Tränen beisolchen Anlässen; immer aber – Gott sei gelobt – ergeben und, um zuIhnen wie zu meiner teuren Tochter zu sprechen, immer mit einem tie-fen Gefühl hingebender Liebe zur Vorsehung Gottes; denn seitdem Un-ser Herr den Tod geliebt hat und uns seinen Tod zum Gegenstand seiner

VI. Eine Dame 1996

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Liebe gegeben hat, kann ich weder den Tod meiner Schwestern, nochirgendeiner anderen Person übel aufnehmen, wenn er in der Liebe zudiesem heiligen Tod meines Heilands eintritt. Möge er immerdar in un-seren Herzen leben und herrschen. Amen.

Ich bin in ihm wahrhaftig ganz der Ihre.

XXI, 37-38 (1997) An ein Fräulein.Dieses Leben ist kurz, meine liebe Tochter, dennoch aber von großem

Wert, da wir durch dasselbe das ewige erwerben können; selig, die esverstehen, es in diesem Sinn zu gebrauchen.

Sie aber, meine liebe Tochter, Sie haben alle Ursache, Gott zu loben,der mit ganz besonderer Vorsehung Ihnen nicht nur den Willen geschenkthat, Ihre sterblichen Tage auf den Tag der Unsterblichkeit zu beziehen,sondern Ihnen auch Ort, Mittel, Art und Weise gewiesen hat, wie Sie denRest dieser vergänglichen Augenblicke für die Erlangung der hochheili-gen Ewigkeit verwenden sollen. Zweifeln Sie nie daran, meine liebe Toch-ter, das echte Licht des Himmels hat Sie Ihren Weg schauen lassen; eswird Sie auch auf ihm glücklich weiterführen. Es gibt zweifellos bessereWege, aber nicht für Sie. Die Güte des Weges macht nicht die Reisendenvortrefflich, sondern bewirkt ihre Schnelligkeit und Beweglichkeit. Hal-ten Sie alles, was Sie von diesem Weg abbringen wollte, für eine umsogefährlichere Versuchung, als sie sich vielleicht einen schöneren An-schein gibt. Nichts ist der göttlichen Majestät wohlgefälliger als die Be-harrlichkeit, und die kleinsten Tugenden, wie etwa die Gastfreundschaft,machen jene, die darin bis zum Ende beharren, vollkommener als diegrößten Tugenden, die man erwirbt, weil man eine Abwechslung anstrebt,weil man einmal etwas anderes tun will.

Bleiben Sie also in Ruhe und sagen Sie: O, wieviele Wege führen inden Himmel! Gesegnet jene, die auf ihnen gehen; da dies aber mein Wegist, will ich auf ihm in Frieden, Aufrichtigkeit, Einfachheit und Demutgehen. Ja, zweifellos meine liebe Tochter, die Einheit des Herzens ist dasvorzüglichste Mittel zur Vollkommenheit. Lieben Sie alles, loben Siealles; aber folgen Sie nur dem, streben Sie nur nach dem, was der Beru-fung dieser himmlischen Vorsehung entspricht, und haben Sie nur dafürein Herz. Gott überhäufe mit seiner heiligen Liebe dieses Herz, dasmein Herz liebt und ewig lieben wird. Amen. Meine liebe Tochter, IhrIhnen sehr zugeneigter Diener ...

VI. Ein Fräulein 1997

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XXI, 39-40 (1998) An ein Fräulein.Ich antworte auf Ihren Brief vom 2. ds. Mts. später, als ich es wünschte

in Anbetracht der Wichtigkeit der Weisung und des Rates, die Sie vonmir verlangen. Die großen Regenfälle aber haben die Reisenden darangehindert, über Land zu gehen, zumindest hatte ich keine sichere Gele-genheit als diese hier.

Der Rat, den Ihnen die gute Cousine so beständig gab, nämlich für sichim Dienst Ihres Herrn Vaters zu bleiben, in einem Stand, daß Sie sichspäter mit Herz und Leib Unserem Herrn weihen können, gründete sichauf vielfache, aus mehreren Umständen Ihrer Lage gezogenen Erwägun-gen. Wenn es Ihnen ganz gleichgültig gewesen wäre, hätte auch ich Ihnenzweifellos gesagt, Sie sollten diesem Ratschlag folgen als dem würdig-sten und geeignetsten, den man Ihnen vorschlagen könnte, denn gewißwäre es dann der richtige Rat gewesen. Da es aber Ihrem Geist keines-wegs gleichgültig ist, sondern er zur Wahl einer Heirat neigt und Sieungeachtet dessen, daß Sie zu Gott gebetet haben, sich immer noch dazuangezogen fühlen, ist es nicht zweckmäßig, daß Sie einem so starkenGefühl durch irgendwelche Erwägung Gewalt antun; denn alle Umstän-de, die anderswo mehr als ausreichend wären, um mich zur Ansicht derteuren Cousine zu bewegen, haben kein Gewicht im Vergleich zu Ihrerstarken Neigung und dem Hang dazu. Wären diese schwach und kraftlos,so wären sie von geringer Bedeutung, da sie aber machtvoll und fest sind,müssen sie Grundlage Ihrer Entschlüsse sein.

Wenn also der Ihnen vorgeschlagene Gatte sonst passend, rechtschaf-fen und mitfühlenden Gemütes ist, können Sie ihn ruhig nehmen. Ichsage, wenn er mitfühlenden Gemütes ist, weil dies die Mängel Ihrer Ge-stalt erfordern; auch von Ihnen wird gefordert, diesen Mangel durch einegroße Milde, aufrichtige Liebe und recht ergebene Demut auszugleichen,kurz, die wahre Tugend und Vollkommenheit des Geistes muß den kör-perlichen Makel gänzlich zudecken.

Ich bin sehr im Gedränge, meine liebe Tochter, und kann Ihnen nichtviel sagen. Ich will also Schluß machen und versichere Ihnen, daß ich Sieimmer Unserem Herrn anbefehle, damit er Ihr Leben auf seine Herr-lichkeit ausrichte. Der Ehestand ist ein Stand, der mehr Tugend undBeständigkeit erfordert als jeder andere; er ist eine ständige Übung derAbtötung und für Sie vielleicht mehr, als es gewöhnlich ist; Sie müssensich also mit besonderer Sorge darauf einstellen, damit Sie selbst ausdieser Thymianpflanze trotz der natürlichen Bitterkeit ihres Saftes denHonig eines heiligen Zusammenlebens ziehen und gewinnen können.

VI. Ein Fräulein 1998

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Möge immerdar der gute Jesus Ihre Süßigkeit und Ihr Honig sein, derIhre Berufung wohlschmeckend mache; er möge immerdar in unserenHerzen leben und herrschen. Ich bin in ihm Ihr sehr wohlmeinenderDiener ...

XXI, 40-42 (1999) An das gleiche Fräulein.Aus dem Mund der teuren Cousine habe ich also erfahren, auf wieviele

Art und Weise Unser Herr Ihr Herz belastet und Ihre Festigkeit erprobthat, meine liebe Tochter. Wir müssen uns wohl inmitten all dieser Flutenheilig lebendig halten und stärken. Gepriesen sei der Wind, woher erauch weht, läßt er uns doch in den guten Hafen einlaufen.

Meine liebe Tochter, das sind Bedingungen, unter denen wir uns Gottschenken sollen: daß er seinen Willen an uns, an unseren Angelegenhei-ten und Vorhaben erfülle, daß er unseren Willen breche und abändere,wie es ihm gefällt. O, glücklich jene, die Gott nach seinem Beliebenhandhabt und die er durch Heimsuchung oder Trost seinem Wohlgefal-len unterwirft. Dennoch aber haben die wahren Diener Gottes immermehr den Weg der Widerwärtigkeit geschätzt als mehr dem Weg unseresMeisters entsprechend, der nur durch Kreuz und Schmach unser Heilund die Herrlichkeit seines Namens erreichen wollte.

Erkennen Sie aber in Ihrem Herzen wohl das, meine liebe Tochter,was Sie mir schreiben, daß Gott Sie auf dornigen Pfaden zu einer Verfas-sung hinführt, die Ihnen mit leichteren Mitteln angeboten worden war?Denn wenn Sie diese Erkenntnis haben, würden Sie diese Verfassung, dieGott für Sie gewählt hat, überaus innig auf sich nehmen und umso mehrlieben. Er hat sie nicht nur gewählt, sondern Sie auch selbst hineinge-führt, und zwar auf einem Weg, auf den er alle seine liebsten und größtenDiener geführt hat. Bitten Sie ihn, daß dieses Empfinden nicht verloren-gehe, das er Ihnen gibt, sondern wachse bis zu seiner vollkommenenReife.

Ich meinerseits segne Ihre teure Seele, die Unser Herr für sich will,und hege alle heilige Liebe für sie, die sich nur in Worte fassen läßt. Dieteure Cousine ist zärtlich in dieser Zuneigung und ihr Herz gehört Ihnengänzlich ...

Selig jene, die ihr Wasser in Wein verwandeln! Doch soll dies durch dieVermittlung der hochheiligen Mutter geschehen. Ich flehe sie an, Ihnenimmerdar ihren milden und mütterlichen Schutz angedeihen zu lassen.Ich bin in ihr der Ihnen sehr zugetane Diener ...

VI. Ein Fräulein 1999

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XXI, 42-43 (2000) An ein Fräulein (31. Dezember).Mein Fräulein!

Ich bitte Unseren Herrn, es möge ihm wohlgefällig sein, daß Sie ihmeinzig und vollkommen dienen und in dem Stand, in dem Sie nicht not-wendigerweise Ihr Herz teilen müssen. Ich denke, daß Sie am Ende da-hin gelangen werden und daß Sie diese Entscheidung treffen. Ich möchteaber, daß dies recht bald geschehe, damit Sie den Trost hätten, selbst dieWahl getroffen zu haben in einer Zeit, in der Sie wahrscheinlich nocheine andere treffen könnten.

Da ich nun am Ende dieses Jahres diese Gelegenheit finde, Ihnen zuschreiben, meine Tochter, wollte ich sie nützen, um Ihnen zu bezeugen,daß ich vom Beginn des nächsten Jahres an seine göttliche Majestät bit-ten werde, sie möge Sie mit ihrem heiligen Segen erfüllen. Wie kurz sinddoch die Jahre, meine liebe Tochter! Da entfliehen sie also alle, einesnach dem anderen, und führen uns mit sich unserem Ziel zu. Und dochsind diese Jahre wertvoll, können wir doch in deren kurzer Zeit diehochheilige Ewigkeit erwerben.

Leben Sie frohgemut, meine Tochter, und bewahren Sie Ihr Herz demHeiland, für das er seit seiner frühesten Kindheit sein heilsames Blutvergossen hat. Ich bitte weiterhin Unseren Herrn um Ihren Trost odervielmehr, daß er selbst Ihr Trost und Ihr Tröster sei und daß er allein IhrHerz besitze und Ihr Herz seine heilige Liebe.

XXI, 43-45 (2001) An eine Unbekannte.8

Mein Gott, meine liebe Tochter, wie sehr liebe ich doch Ihr Herz, da esnichts mehr lieben will als seinen Jesus und um seines Jesus willen! Ach,kann es denn geschehen, daß eine Seele, die diesen für sie gekreuzigtenJesus betrachtet, irgendetwas anderes lieben kann als ihn? Können wirnach so viel wahrhaften Treueschwüren, die uns oftmals „Es lebe Jesus!“sagen, schreiben, singen, ersehnen und seufzen ließen, wie die Juden inunseren Herzen schreien (Mt 27,23): „Ans Kreuz mit ihm, schlagt ihntot!“?

O Gott, meine Tochter, ja wahrhaft meine Tochter, wie stark werdenwir sein, wenn wir weiterhin einander so verbunden bleiben durch dasim Blut des Heilands purpur gefärbte Band! Denn niemand wird IhrHerz angreifen, der nicht auf Ihren und meinen Widerstand stoßen wird;bin ich doch Ihrem Herzen ganz hingegeben.

VI. Ein Fräulein 2000 – Unbekannt 2001

387VI. Eine Unbekannte 2001

Ich habe diesen erbärmlichen Brief gesehen. Die Ungerechten, sagtDavid (Ps 119,8), haben mir ihre Nichtigkeiten erzählt, das ist aber nichtwie dein Gesetz. O Gott, wie schal ist dies doch, verglichen mit dieserheiligen, göttlichen Liebe, die in unseren Herzen lebt!

Sie haben recht: Da Sie ein für allemal die unwandelbaren EntschlüsseIhres Geistes erklärt haben und dieser in seiner Schlauheit sie nichtwahrhaben will, antworten Sie kein einziges Wort, bis er anders spricht;denn er versteht nicht die Sprache des Kreuzes, noch wir die der Hölle.

Sie haben auch recht, diese wenigen Worte, die ich Ihnen sage, mitzärtlicher Liebe aufzunehmen; denn meine Zuneigung zu Ihnen ist grö-ßer und stärker, als Sie jemals denken würden.

Sie freuen sich darüber, daß dieses schwierige Mädchen Sie verlassenhat.9

Ein Soldat muß viel im Krieg gewonnen haben, wenn er am FriedenGefallen findet. Wir werden niemals die vollkommene Sanftmut undNächstenliebe besitzen, wenn diese nicht unter Widerwillen, Abneigun-gen und Überdruß erprobt ist. Der wahre Friede liegt nicht darin, daßman nicht kämpft, sondern daß man siegt; die Besiegten kämpfen nichtmehr, und doch haben sie nicht den rechten Frieden. Wir müssen unsrecht demütigen dafür, daß wir noch so wenig Herr unser selbst sind undso sehr das Behagen und die Ruhe lieben.

Das Kind, das uns geboren wird, ist nicht gekommen, um sich auszuru-hen und seine Bequemlichkeit zu haben, weder in geistlicher, noch inweltlicher Beziehung, sondern um zu kämpfen, sich abzutöten und zusterben. Wohlan denn, von Neuem, haben wir zumindest Demut, wennwir schon nicht Mut haben.

Ich werde Sie recht bald sehen. Halten Sie auf den Lippen gut bereit,was Sie mir zu sagen haben, damit Sie es bei der uns zur Verfügungstehenden knappen Zeit in meine Seele ausbreiten können. Drücken Sieindessen dieses göttliche Kind an Ihr Herz, damit wir mit dieser vongöttlicher Liebe überströmenden Seele die heiligen Liebesworte seufzenkönnen: Mein Geliebter gehört mir und ich ganz ihm! Möge er immer-dar auf meiner Brust bleiben! (Hld 2,16; 1,12).

So ist es, meine liebe Tochter; diese göttliche Liebe unserer Herzen seiimmerdar auf unserer Brust, um uns zu entflammen und in seiner Gnadezu verzehren. Amen.

388 VI. Eine Dame 2002

XXI, 45-46 (2002) An eine Dame.

Wenn Unser Herr Ihnen irgendwelche Befriedigung gewährt, meineliebe Tochter, in der wahrhaften und unvergleichlichen Liebe, die er inmein Herz zu Ihrem Herzen gelegt hat, dann preise ich seinen heiligenNamen dafür und danke seiner Vorsehung. Ich versichere Ihnen in allerWahrheit, es ist mir ein ganz besonderer Trost, zu wissen, daß umgekehrtIhre Seele innig die meine liebt mit dieser heiligen Liebe, die nur diegöttliche Güte schenken kann. Wenn ich daher bei all dem Sie nicht umderen weitere Gewährung bitten will, so deshalb, weil ich wohl weiß, daßsie unvergänglich ist wie der Urgrund, aus dem sie ihre Kraft schöpft.

Bei all dem aber bin ich nicht ungerührt, zu wissen, daß Sie untervielfachen inneren Bitterkeiten zu leiden haben. Dabei weiß ich aberauch, daß bei dem, was Sie Unserem Herrn sind, Ihre Bitterkeit nur inFrieden sein kann (Jes 38,17) und daß die Liebe Ihr Leid mildert. Dennich habe wohl in gewissem Sinn das Herz eines Vaters, das aber auch einwenig von dem Herzen einer Mutter in sich birgt. Ich liebe Ihren Fort-schritt in der echten Frömmigkeit, und dieser Fortschritt verlangt nachSchwierigkeiten, damit Sie in der Schule des Kreuzes erprobt werden, inder allein unsere Seelen sich vervollkommnen können. Dennoch kannich mich einer mütterlichen Zärtlichkeit nicht erwehren, die für ihreKinder Süßigkeiten wünschen läßt. Seien Sie nur tapfer, meine liebeTochter. Die geistlichen Rosenstöcke sind nicht wie die auf Erden wach-senden: an diesen bleiben die Dornen, während die Rosen vergehen; anjenen aber werden die Dornen vergehen und die Rosen werden bleiben.

Ich danke Fräulein N. überaus für die mir versprochene Liebe. Wiehochherzig ist sie doch, wenn sie sich mit dem vereint, der vom Himmelauf die Erde herabgestiegen ist, um sich mit uns zu vereinigen, und unse-re Niedrigkeit auf sich nahm, um uns zu seiner Herrlichkeit emporzu-ziehen.

Meine liebe Tochter, der Briefüberbringer, der mir Ihren Brief ge-bracht hat, läßt mir nur einige Augenblicke, um Ihnen zu schreiben;darum schließe ich und weihe Ihnen in Unserem Herrn mein ganzesHerz und meine Zuneigung.

389VI. Eine Cousine 2003

XXI, 47-48 (2003) An eine Cousine.10

Meine liebe Schwester, meine Cousine und teure Tochter!Kommen Sie zum Berg, den Gott Ihnen zeigen wird (Gen 22,2), um

dort die kurzen Augenblicke des Lebens, die Ihnen noch bleiben, für diehochheilige Ewigkeit zu weihen, die Ihnen bereitet ist.

Machen Sie sich keine Sorgen darüber, daß Sie momentan keine fühl-bare Frömmigkeit und Tröstung besitzen; denn Ihr starker Mut gilt mehrals all das. Denken Sie nicht, daß die arme, junge und schöne Rebekkabei der Trennung von ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrer Heimat heftigweinte? Aber bei all dem ließ sie nicht ab, tapfer zu sagen: „Ich werdegehen“ (Gen 24,58); und sie wurde würdig, Isaaks Frau zu sein. GebenSie diese Geschäftigkeiten auf und führen Sie Ihre Angelegenheiten inRuhe durch, als ob Sie Unseren Herrn an Ihrer Seite sähen, der Ihnendabei hilft.

Ich will, wenn auch unwürdig, für N. N. beten und ihnen in allemdienlich sein, wo ich nur kann.

Gott möge Sie an seiner allmächtigen Hand ganz an sich ziehen undSie an den Ort führen, wohin er Sie gerufen hat; der Engel, der Ihnen inIhren Entschlüssen beigestanden ist, sei selbst Ihr Führer in deren Erfül-lung. Meine liebe Tochter, ich bin unaufhörlich Ihr sehr ergebener Cou-sin und Diener,

Franz, Bischof von Genf.

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1. Dieser Brief an seine Mutter stammtaus den ersten Monaten nach der Bi-schofsweihe des Heiligen, also Ende1602 oder Anfang 1603. Darauf deu-tet die Anspielung auf die nicht langezurückliegende Korrespondenz desHeiligen mit seiner Mutter währendseines Apostolates im Chablais hin.Diesen Brief hat Hauteville im Jahr1669 zitiert. Er ist sicher echt. (XII,244, Anm. 2)

2. Ein Hinweis auf die Verbindung derMutter mit ihrem Sohn, die seinemVater verborgen bleiben mußte, weildieser unerbittlich die ihm unverständ-liche und für seinen Sohn so gefährli-che Missionsarbeit im Chablais verur-teilte und ihm dafür jede Hilfe ver-weigerte. (XII, 244, Anm. 2)

3. Die Mutter des Heiligen neigte inihren späteren Jahren zur Schwermut.Daher die Aufmunterung zur Freude.

4. Dieser Brief, im Besitz des FürstenTrivulzio zu Mailand, wurde zuerst vonDatta, dann auch von Vives und Mig-ne veröffentlicht. Alles spricht für sei-ne Echtheit. Eine Fotokopie diesesBriefes ist am Anfang des vierzehntenBandes der Oeuvres abgedruckt. (s.auch XIV, 212, Anm. 104)

5. s. Anm. 3.

6. Herr Nicolas von Soulfour war einFreund des hl. Franz von Sales vonseinem Pariser Aufenthalt her. Er ge-hörte zum Kreis Acarie, war ein tieffrommer Mann, beschäftigte sich mitÜbersetzungen frommer Bücher (XII,117, s. dort Brief an Herrn von Soul-four S. 116-119). Geboren 1549, wur-de er nach dem Tod seiner Frau (1603)

Priester. Sehr an den Oratorianern in-teressiert, erreichte er von Rom dieErrichtungsbulle (1613), wurde 1613im Alter von 64 Jahren selbst Orato-rianer und starb 1624 (s. XIII, 284,Anm. 1 und XVI, 136, Anm. 3).

7. Anne Seguier, Mitnovizin von Frl.Soulfour, gedachte damals wohl auch,aus dem Kloster der „Filles Dieu“ aus-zutreten. Da sie aber im Totenregisterdes Klosters aufscheint, ist sie entwe-der nicht ausgetreten oder bald wiederzurückgekehrt. – Aus diesem Grundwurde wohl auf Ansuchen des Klostersihr Name in den späteren Auflagen derBriefe des Heiligen gestrichen (s. XII,183, Anm. 1).

8. André Frémyot, der Sohn des Prä-sidenten und Bruder der hl. JohannaFranziska von Chantal.

9. Kinder der hl. Johanna Franziskavon Chantal, Celse-Bénigne, damals 8Jahre, Marie-Aimée 5 Jahre alt.

10. Die Baronin von Chantal, mit dersie innige Freundschaft verband.

11. Die frühere Äbtissin des Klosterszur heiligen Katharina in Annecy.

12. Ihr Mann war beim Herzog vonNemours in Ungnade gefallen und in-terniert.

13. Der Mann der Frau von Charmoi-sy war am 28. Oktober 1618, fern vonseiner ebenfalls kranken Frau, inChambéry gestorben.

14. Der Wunsch der Frau von Char-moisy betraf eine der verschiedenenBestrebungen, Franz von Sales entwe-der den Kardinalstitel zu verschaffenoder ihn als Koadjutor mit Nachfolge-recht nach Paris zu bringen.

ANMERKANMERKANMERKANMERKANMERKUNGENUNGENUNGENUNGENUNGEN

I. Briefe aus den Jahren 1602-1610

392

15. Franz von Sales war am 10. Febru-ar in Rumilly gewesen. Dieser Brief istwie eine Fortsetzung des Gespräches,das er etwa eine Woche vorher mitFrau von Mieudry geführt hatte.

16. Jacques de Cerisier.

17. Die Seelsorge in Rumilly war fürFranz von Sales eine Quelle vielerSchwierigkeiten, vor allem scheinbarwegen des schwachen Pfarrers und derKapläne und Altaristen, die nicht be-friedigten. Frau de la Fléchère, diedort einen ihrer Wohnsitze hatte, mußihm auch öfter über Unzulänglichkei-ten in Rumilly berichten. Franz vonSales hatte es schwer, dort Ordnungzu schaffen.

18. P. Louis de la Rivière, Oberer derMinimi von Valence, einer der erstenBiographen des hl. Franz von Sales(Über P. de la Rivière s. Oeuvres XVII,S. 145, Anm. 4). – Seine Lebensbe-schreibung des hl. Franz von Sales er-schien 1624 bei Rigaud in Lyon.

19. Die drei Töchter der Baronin vonChantal.

20. Franz von Sales nennt Frl. vonBréchard „Nichte“ wegen deren inni-ger Beziehungen zur Baronin vonChantal.

21. Franz von Sales glaubte wohl, Frl.von Bréchard zur übernatürlichen Lie-be und Ehrfurcht ihrem Vater gegen-über aufmuntern zu müssen, da diesersich ihr gegenüber so schlecht benom-men hatte und Ursache ihrer schwe-ren, traurigen Jugend war. Charlottebetete im Kloster viel für ihren Vaterund hatte das Glück, zu wissen, daß er(1617) versöhnt mit der Kirche ster-ben konnte.

22. Ihre natürliche Mutter war schonsehr früh gestorben; sie fand aber inder Baronin von Chantal eine zweiteMutter. Von ihr spricht hier Franz vonSales.

23. Franz von Sales ist sehr besorgtum das Mädchen, das gerade im Jahr1609 vielen Gefahren ausgesetzt war.Sie hatte im Jahr 1608 während derheiligen Messe, die Franz von Saleszelebrierte, das Gelübde der Keusch-heit abgelegt, und es scheint, daß die-ses im sehr weltlichen Haus ihres Va-ters besonders gefährdet war. Manfühlt die Sorge des Heiligen aus sei-nen liebevollen Zeilen heraus.

24. Ihre Schwester Peronne-Marie.

25. Mutter von Chantal war im De-zember 1610 schwer krank.

26. Baronin von Chantal.

27. Die Schwägerin des Heiligen, dieseinen Bruder Louis geheiratet hatteund Ende März gestorben war.

28. Verdrießlichkeiten mit derenSchwiegervater und dessen Familie.

29. Zwei Exemplare der „Anleitungzum frommen Leben“.

30. Die Mutter des Heiligen, Frau vonBoisy, war am 1. März 1610 gestor-ben.

31. Der Mann seiner Schwester.

32. Der unangenehme Schwiegervaterseiner Schwester.

33. Die Predigten des Adventpredi-gers anzuhören.

34. Die Brüder des Heiligen, die sichnach Rumilly begaben, um der Trau-ung von Marie d’Avise, Nichte derFrau de la Fléchère, mit Herrn Jac-ques de Blonay beizuwohnen.

35. Gallois de Sales, Herr von Villaro-get.

36. Der Mann von Frau von Cornillon.

37. Bernard de Sales, verheiratet mitMarie-Aimée de Chantal, beide sehrgeliebt von Franz von Sales.

38. Janus de Sales, Malteserritter.

Anmerkungen zu I.

393

39. Kardinal Maurice von Savoyen,Sohn des Herzogs Karl Emmanuel vonSavoyen.

40. Margarita von Savoyen, Fürstin vonMantua.

41. Marie-Aimée.

II. Briefe an Frau Brulart (1604-1613)

1. Ende September 1604 war Franzvon Sales, begleitet von seiner Mut-ter, zum Heiligtum des hl. Claudiusgepilgert. Dort kam er mit Frau vonChantal und mit den beiden Schwes-tern, Frau Brulart und der ÄbtissinRose Bourgeois zusammen.

2. Der frühere Beichtvater von FrauBrulart war P. Jean de Villars SJ., einhervorragendes Mitglied der Gesell-schaft Jesu, ausgezeichneter Prediger,Rektor und Seelenführer. Geboren1560, war er Rektor zu Dijon im Jahr1604, war dort auch Beichtvater derBaronin von Chantal und ihrer Freun-dinnen. Auf seinen Rat hin stellte sichFrau von Chantal endgültig unter dieFührung des hl. Franz von Sales. – WasFrau Brulart bewogen hat, einen an-deren Beichtvater zu wählen, geht ausihren Briefen nicht hervor. Wahr-scheinlich ihr wankelmütiger, unruhi-ger Charakter. Die Billigung dieserEntscheidung durch Franz von Salesist eher kühl. – Der neue Beichtvatervon Frau Brulart, Herr Viardot, wur-de zunächst von Franz von Sales ge-schätzt. Er wird in der Korrespondenzmit Frau Brulart noch öfter erwähntwerden (s. Anm. 12, 22, 32).

3. Dieser ganze Abschnitt ist nicht inden Epitres spirituelles enthalten, son-dern von Blaise abgedruckt, nachHandschriften des Heiligen veröffent-licht und enthält Lücken (von der Her-ausgebern der Oeuvres ergänzt). DieEchtheit dieses Abschnittes ist etwaszweifelhaft. Soweit es nicht angege-ben ist, sind die Briefe an Frau vonBrulart alle in den Ausgaben vor 1800enthalten, also sicher echt.

4. Wohl eine Anspielung auf die At-mosphäre ihrer Familie, in der dieMänner, Vater, Bruder und ihr Mannin allem den Ausschlag gaben.

5. Herr von Jacot war Ratsherr amParlament der Provinz Bourgogne.

6. Nach den Kommuniondekreten deshl. Pius X. fallen auch diese Vorbehal-te weg.

7. Diese zwei Schwestern sind die Ba-ronin von Chantal (die er wegen derinnigen Freundschaft so nennt, die siemit Frau von Brulart verband) undihre leibliche Schwester, die ÄbtissinRose Bourgeois. Beide waren ja aufdem „Land“, wo es wenig geistlicheHilfe gab, während es in Dijon, demWohnsitz der Frau Brulart, daran nichtfehlte. – Also auch bei dieser gutenSeele ein Anflug von Eifersucht.

8. Das mutet uns heute eigentümlichan, daß der Vater der Äbtissin in sointernen Sachen, wie die Wahl des Spi-rituals eines Klosters, in dem seineTochter ist, entscheidend mitredet. –Aber das lag in der Mentalität dieserfeudalistischen Zeit.

9. Der Äbtissin Rose Bourgeois.

10. Die Echtheit dieses Briefes, derzuerst in den Oeuvres erschienen ist,ist nicht sicher. Die Herausgeber sa-gen, daß er nach einer alten Kopie vonTurin veröffentlicht wurde. Der Inhaltspricht eher für seine Echtheit.

11. Wieder ein Beweis für den unge-

Anmerkungen zu II.

394

bührlichen Einfluß des Vaters auf dieinnerklösterlichen Entschlüsse derÄbtissin, seiner Tochter.

12. Diese Person, von der hier in derdritten Person gesprochen wird, istFrau Brulart selbst. Der Grund dieserMahnung war sicher kein großes Ver-gehen; sonst hätte Franz von Sales ganzanders geschrieben, wohl aber wahr-scheinlich ein leichtes Sich-gehen-las-sen von ihr oder von ihrem Beichtva-ter, Herrn Viardot, das Franz von Sa-les nicht tragisch, aber doch ernstnimmt (s. auch Brief 367 von EndeOktober 1606 am Schluß des Briefes.Darüber auch ein Brief des Heiligenan die Baronin von Chantal vom 30.Januar 1606 und der Brief an FrauBrulart vom 20. April 1610, OeuvresXIV, Nr. 588).

13. In der 1641 erschienenen Ausgabeder Werke des Heiligen lautet dieAdresse: „An eine Ordensfrau“. DieHerausgeber der Oeuvres meinen aber,daß der Brief an Frau Brulart gerichtetsei. Die Frage bleibt jedenfalls offen.Entscheidende Gründe gibt es wederfür die eine oder andere Annahme.

14. Bérulle und Gallemand hatteFranz von Sales im Kreis Acarie zuParis getroffen und sich mit ihnen an-gefreundet. Da beide dem Orden derKarmelitinnen nahe standen, wird FrauBrulart sie in Dijon getroffen haben.

15. Es handelt sich hier um die eheli-che Pflichtleistung. Der hl. Pius X.geht in seinen Kommuniondekretennoch weiter.

16. In der Urkirche kommuniziertendie Christen wohl in jeder heiligenMesse, diese dürfte aber nur am Tagdes Herrn, d. h. am Sonntag gefeiertworden sein. Erst im 3. Jahrhunderthören wir von der täglichen heiligenMesse und Kommunion.

17. Nach den Kommuniondekreten des

hl. Pius X. gehört dies nicht zu denGründen, die die tägliche heilige Kom-munion verhindern.18. Jeanne de Sales, das 13. und letzteKind der Mutter des Heiligen, war da-mals etwa 12 Jahre alt. Franz von Sa-les vertraute sie im Jahr 1605 der Äb-tissin Rose Bourgeois an. Da sie abernicht Ordensfrau werden wollte, über-nahm auf Wunsch des Heiligen dieBaronin von Chantal ihre Erziehung.Sie starb am 8. Oktober 1607. Franzvon Sales schrieb nach ihrem Tod ei-nen ergreifenden Brief an die Baroninvon Chantal (s. Werke des hl. Franzvon Sales, Bd. 5, Seite 157ff).19. Der Vater von Frau Brulart, Herrvon Crépy (s. Anm. 11).20. S. Anm. 4 und 11 und Einführungzu den Briefen an Frau von Brulart.21. Barbe Acarie, die spätere seligeMarie de l’Incarnation.22. S. Anm. 12.23. Für die öftere, ja tägliche heiligeKommunion werden seit Pius X. keineso strengen Bedingungen verlangt; abersicher soll sie Eifer und ehrliches Stre-ben begleiten.24. Frau Brulart hatte 1607 ihrenVa-ter, Herrn von Crépy, verloren; ihreSchwester, Frau Jacot, im gleichen Jahrden Gatten und Sohn.25. Frau von Crépy.26. Zu Salins waren Adventpredigtenvorgesehen. Bestimmter Umständewegen konnten sie nicht stattfinden.27. Jeanne de Sales, s. Anm. 18.28. Denis Brulart, 12 Jahre alt.29. Exemplare der „Anleitung zumfrommen Leben“.30. Die Äbtissin Rose Bourgeois.31. Nach den Oeuvres (XV, 163, Anm.2) soll dieser Brief nicht um den 20.April 1610 (wie es XIV, 277 heißt),sondern Ende Dezember 1611 oder

Anmerkungen zu II.

395

Januar 1612 entstanden sein und istwohl die Antwort auf einen Brief derFrau Brulart, die ihr Mutter von Chan-tal gebracht hat.

32. Nach den Herausgebern der Oeu-vres wäre es Herr Viardot.

33. Nach den Oeuvres XV, 191 dürftedieser sonst unpersönliche Brief anFrau Brulart gesandt worden sein. Diedarin behandelten Fragen erregten da-mals leidenschaftlich die Gemüter.

III. Briefe an Madame de la Fléchère (1608-1622)

1. Dieses Antwortschreiben des Heili-gen ist der Beginn einer Korrespon-denz, die bis zu seinem Todesjahr 1622anhält.

2. Franz von Sales erinnert an diemündlichen Ratschläge, die er derDame gegeben hat. Dieser und dernächste Brief des Heiligen schreibenihr nicht nur ein gewisses Programmvon Tagesübungen vor, sondern sie le-gen das größte Gewicht auf die inner-liche Haltung der Ruhe, Demut, Ge-duld mit sich selbst, was ihrem energi-schen, eher explosiven Wesen beson-ders nottut.

3. Dieser Brief, dessen Adressatin inden Epitres spirituelles nicht angege-ben ist, der aber sicher an Frau vonFléchère geschrieben wurde, wieder-holt und ergänzt die Mahnungen desersten Briefes zu einer echten salesia-nischen Haltung.

4. Auch dieser Brief läßt Frau vonFléchère als Adressatin erkennen, eineenergische, durch eine Vielfalt vonObliegenheiten leicht gereizte unddann mit sich selbst unzufriedene Frau,die aber das höchste Ziel anstrebt, undda sie dies nicht im Sturm erreichenkann, leicht mit sich selbst ungedul-dig wird.

5. Der Brief ermuntert zu großer Lie-be und Pflichttreue, aber auch zurGeduld bei eigenen Fehlern.

6. Die Echtheit dieses Briefes stehtnicht sicher fest; er wurde erstmals vonDatta veröffentlicht.

7. Dieser sicher echte Brief zeigt bes-ser als der vorausgehende die gütige,verstehende, maßvolle Art des Heili-gen in den Ratschlägen für die Zeitder Schwangerschaft.8. Die Tochter der Frau von Fléchère,am 22. Juli 1608 geboren, wurde tat-sächlich im Jahr 1634 Heimsuchungs-schwester und später Oberin im Klo-ster der Heimsuchung zu Rumilly, imHaus, in dem sie geboren war und dasihre Mutter dem Orden der Heimsu-chung geschenkt hatte.9. Für die Wochen nach der Geburtihres Kindes gibt Franz von Sales sei-ner geistlichen Tochter ebenso klugewie maßvolle Ratschläge.10. Der Generalabt der Zisterzienser,Nicolas Boucherat, eifrig für die Re-form seiner Klöster besorgt.11. Die Schwester der Frau von Fléchère,die Ordensfrau Jeanne-Bonaventure dela Forest, Zisterzienserin.12. Im Kloster zu Bons herrschtendamals traurige Zustände, zu denendie Äbtissin Jeanne de Vignod nichtwenig beitrug. – Die beiden Briefe desHeiligen an den Generalabt und an dieSchwester der Frau von Fléchère be-fürworten Reformversuche in diesemheruntergekommenen Kloster.13. Franz von Sales wünscht keinenGleichmut aus Mangel an Herz undKraft, sondern den Gleichmut aus Lie-be zum göttlichen Willen.

14. Ein wichtiger Grundsatz des hl.Franz von Sales.

Anmerkungen zu III.

396

15. Dieser Brief ist sehr wahrschein-lich an Frau von Fléchère gerichtet,könnte aber auch eine andere Adres-satin haben.16. Die erste Auflage der „Anleitungzum frommen Leben“, die Ende 1608oder Anfang 1609 erschien.17. Anl. IV, 8.9.12 (DASal 1,222f. 227-229).18. Wahrscheinlich Schw. Jeanne-Bon-vanture, Ordensfrau zu Bons, Schwe-ster der Frau von Fléchère.19. Eine Mahnung dieses Briefes rich-tet sich gegen die Neigung der Frauvon Fléchère, andere streng zurecht-zuweisen.20. Nach der Ausgabe von 1626 istdieser Brief an den gleichen Adressa-ten gerichtet wie Nr. 517, der sicherfür Frau von Fléchère bestimmt war.21. Die Zisterzienserin Jeanne-Bona-venture (vgl. Anm. 11).22. Dieser Brief ist wahrscheinlich anFrau von Fléchère gerichtet.23. Von Datta veröffentlicht, wahr-scheinlich echt.24. Die Schwester der Frau vonFléchère, Zisterzienserin von Bons,meldete dem Heiligen Intrigen, diewohl ihre Äbtissin, Jeanne de Vignod,zur Urheberin hatten.25. Wohl die 2. Auflage der „Anlei-tung zum frommen Leben“.26. Nach den Herausgebern der Oeu-vres ist dieser Brief wahrscheinlich anFrau von Fléchère gerichtet, ebensoder nächste (Nr. 564). Beide stammensicher von Franz von Sales; ob dieAdressatin Frau von Fléchère ist,scheint nicht ganz sicher zu sein.27. wahrscheinlich P. Franz von Cham-béry (vgl. Oeuvres XI, 179, Anm. 1).28. Dieser Brief wird zuerst von Mig-ne nach einer im Staatsarchiv von Tu-rin aufbewahrten Kopie herausgege-ben. Er scheint echt zu sein.

29. Wohl eine der vielen Töchter ihrerSchwester, die einen Herrn von Breys-sieu geheiratet hatte.30. Daß dieser Brief an Frau vonFléchère gerichtet war, geht wohl ausdem Inhalt hervor. Sie war gerade da-mals in unangenehme Prozesse verwik-kelt.31. Der Brief wurde zum erstenmalvon den Oeuvres nach einer Kopie vonTurin veröffentlicht. Er scheint echtzu sein.32. Frau von Fléchère mußte ihrerProzesse wegen oft nach Chambéryreisen.33. Auch dieser Brief wurde zuerst inden Oeuvres veröffentlicht. Auch erscheint echt zu sein.34. Zum ersten Mal 1871 veröffent-licht, scheint echt zu sein.35. Herr de la Fléchère reiste öftersnach Turin, um dort am Hofleben teil-zunehmen.36. In den Epitres spirituelles ohneNamen der Adressatin erschienen, dieaber nach den Anspielungen Frau vonFléchère zu sein scheint.37. Die arme Dame, über deren gerin-gen Nachlaß ein Streit zwischen denbeiden „lieben Cousins“ (wohl die Her-ren Charmoisy und de la Fléchère)entstand, dürfte Françoise de Belle-garde gewesen sein, die Mitte Dezem-ber 1611 verstorben war.38. Möglicherweise Herr von Villon,der ein Cousin sowohl des hl. Franzvon Sales wie der Frau von Fléchèrewar, und der sich damals zugleich mitHerrn von Fléchère in Turin befand.39. Nach den Oeuvres an Frau vonFléchère gerichtet, was möglich, abernicht sicher ist.40. Der Brief ist wohl an Frau vonFléchère gerichtet, was sowohl der In-halt wie die Selbstbezeichnung desHeiligen als Cousin zeigt.

Anmerkungen zu III.

397

41. Wohl Antoinette de la Forest, ver-heiratet mit dem Senator Nicolasd’Avise.42. Der Brief wurde wohl erst im 19.Jahrhundert bekannt und von Migneund Vives veröffentlicht, dürfte aberecht sein.43. Frau von Fléchère befürchteteKrieg und Besetzung durch feindlicheTruppen und hatte deshalb Franz vonSales gebeten, wertvolle Gegenständebei ihm deponieren zu dürfen. – Franzvon Sales teilte zwar nicht ihre Be-fürchtungen, war aber gern bereit, dasaufzubewahren, was sie bei ihm in Si-cherheit bringen wollte.44. Der Bruder des Heiligen, Louis deSales, heiratete in zweiter Ehe eineSchwester der Frau von Fléchère.Franz von Sales hielt selbst die Trau-ung.45. Frau von Bressieu.46. Herr von Charmoisy war beimHerzog von Nemours in Ungnade ge-fallen und war immer noch in seinemSchloß interniert. Franz von Sales hat-te sich für ihn eingesetzt.47. Diese arme junge Witwe war Fraude Murat de la Croix, verwitwet imAlter von 18 Jahren, nachdem sie einhalbes Jahr verheiratet war.48. Franz von Sales selbst hatte sieihrem Mann angetraut.49. Anspielung auf die bevorstehendeHeirat von Marie d’Avise, Nichte derFrau von Fléchère.50. Jean-François de Blonay, Brudereiner der Säulen der beginnenden„Heimsuchung“, wurde von Franz vonSales sehr begünstigt und begleitete ihnauf manchen Reisen. Franz von Salesschätzte seinen Eifer sehr hoch, abernicht so sehr sein Urteil.

51. Es spielten sich um diese Zeit amSenat von Chambéry Prozesse ab, dieFrau von Fléchère besonders schmerz-

lich waren, Prozesse zwischen ihrenengsten Angehörigen und zwischen ih-rem Mann und ihrem Bruder (s. Oeu-vres XVI, 179, Anm. 1).

52. Madeleine de Bressieu, Nichte vonFrau Fléchère, Frau des Louis de Sa-les, des Bruders von Franz von Sales.

53. Sohn der Nichte von Frau vonFléchère und des Bruders des Heili-gen.

54. s. Anm. 51. – Vor und nach diesenZeilen wurden Abschnitte aus diesemBrief ausgelassen, weil sie nur Nach-richten enthalten.

55. Es handelt sich um eine Aufforde-rung zum Duell, das aber nicht statt-fand. Franz von Sales ist empört undunsagbar traurig darüber. Man kannsich vorstellen, wie es Frau vonFléchère zumute war.

56. Ein Armband, das an die Gegen-wart Gottes erinnern sollte.

57. Franz von Sales bedauerte diesbesonders, weil er vermutete, daß ihnHerr von Fléchère wegen des Duellsbefragen wollte.

58. Antoine Favre, erster Präsident desSenats von Savoyen.

59. Frau von Charmoisy.

60. Dieser Brief nach einer Kopie inTurin, zuerst von den Oeuvres abge-druckt, dürfte echt sein.

61. Frau von Charmoisy.

62. Franz von Sales hatte für kurzeZeit den Erzbischof von Tarentaisevertreten. Hatte Frau von Fléchèrevermutet, daß er dessen Nachfolgerwerden sollte?

63. Es waren die Kinder der FamilieCharmoisy, Fléchère und Vallor:Charles de la Fléchère (12 Jahre alt),Henri de Charmoisy (14 Jahre), Clau-de de Vallor (10 Jahre). Die VäterCharmoisy und Vallor waren damals

Anmerkungen zu III.

398

durch die ungerechte Härte des Her-zogs von Nemours schwer gedrückt.

64. Gasparde d’Avise, Nichte der Frauvon Fléchère.

65. Herrn Rosset (s. vorhergehendenBrief).

66. Im ersten Teil dieses Briefes be-müht sich Franz von Sales um dieSchlichtung eines Streites. Der zweiteTeil, der hier übersetzt wird, handeltvon zwei Kandidatinnen der Heimsu-chung.

67. Frau von Chatelard, Witwe, undFräulein d’Avise. Die erste verheira-tete sich zum zweitenmal. Fräuleind’Avise trat ins Noviziat im Juli 1616ein, nach vielen Kämpfen, bei denenFranz von Sales und Frau von Fléchèreihr taktvoll halfen, ohne sie im gering-sten zu drängen. In den folgendenBriefen kommt Franz von Sales oftdarauf zurück.

68. Herr de la Fléchère war um den10. Februar verschieden. Seine Frauhatte schon lange daran gedacht, sicheines Tages ganz dem Heiland zu schen-ken. Also kam eine zweite Ehe für sienicht in Frage. Ihr neuer Bräutigamwar Christus.

69. Prosper d’Avise.

70. Herr Guydeboys war zuerst Notar,ab 1610 Priester und hatte religiöseAufgaben im Dienst des Herrn vonFléchère.

71. Trotz all dem, was Frau vonFléchère von ihrem verstorbenen Mannzu leiden hatte, hing sie doch an ihmund dachte noch viel an ihn.

72. Wohl erst in den Oeuvres veröf-fentlicht, doch sicher echt.

73. Es folgen Nachrichten.

74. Ein großer Teil dieses Briefes be-steht aus Ratschlägen, die das Zeitli-che betreffen (für ihren Sohn, fürHerrn Guydeboys usw.), ebenso dernachfolgende Brief vom 7. März.

75. Es folgen Nachrichten.

76. Es folgen finanzielle Ratschläge.

77. Horace Bonfils war Schatzmeisterund Vertrauter des Herzogs von Ne-mours; mit ihm mußte über den Nach-laß und die Verpflichtungen der Fami-lie Fléchère verhandelt werden.

78. Die Abwicklung der verworrenenfinanziellen Verhältnisse forderte vonder Witwe viel Geduld, Takt und Mut.Franz von Sales kommt auch in denfolgenden Briefen darauf zurück.

79. Über den Beruf des Frl. d’Avise;der Brief zeigt wieder die großzügige,taktvolle Art des Heiligen wie auch derfolgende Brief vom 11. Juni 1616.

80. vgl. Anm. 79.

81. Der Prinz Victor Amédée, von sei-nem Vater gesandt, um über dessenoffene Revolte gegen seinen FürstenHeinrich von Nemours zu verhandeln,residierte beim Bischof.

82. Frl. d’Avise ist nun glücklich imKloster der Heimsuchung.

83. Präsident Favre und seine Familie.

84. Johanna Franziska von Chantal.

85. Die kleine Françoise, Tochter derFrau von Fléchère.

86. Frau von Charmoisy.

87. P. Billet war Oratorianer.

88. Franz von Sales konnte seine Ab-sichten nicht verwirklichen.

Anmerkungen zu III.

399

IV. Briefe aus den Jahren 1610-1616

1. Dadurch, daß die Baronin von Cusywieder absagte, konnten die ersten No-vizinnen noch nicht am Pfingstsonn-tag, sondern erst am Fest der heiligenDreifaltigkeit in das Haus der „Gale-rie“ einziehen und ihr Noviziat begin-nen.2. Der kleine „Isaak“ war ihr SohnAmé, der aber ebensowenig wie seineMutter in seinem Entschluß fest blieb,wohl bei den Kapuzinern eintrat, aberdort nicht verblieb, sondern 1615 hei-ratete.3. Franz von Sales spricht der BaroninMut zu; er sieht aber, daß sie in ihremEntschluß sehr erschüttert ist, undrechnet mit der Möglichkeit, daß siesich nicht der kleinen Gemeinschaftanschließen wird, die ihm so am Her-zen liegt.4. Frl. von Chapot dürfte jene Nichteder Frau von Cusy sein, die zunächstmit ihr in das geplante Kloster derKarmelitinnen eintreten wollte. Mitihrem Vermögen sollte dieses Hausgekauft werden. Sie machte aber ihrenEntschluß rückgängig und heiratetespäter, wahrscheinlich auf Drängenihrer Verwandten. Franz von Sales er-klärt ihr in diesem Brief, welcher Au-torität sie in der Frage ihres Berufesgehorchen sollte.5. Das Haus der „Galerie“.6. Frau d’Escrilles, Witwe, geboreneMouxy, war die Schwester des Herrnvon Mouxy-Travernay, des Gemahls derAdressatin.7. Einen Ersatz der Betrachtung durchHerzenserhebungen läßt Franz vonSales nur als Ausnahme, z. B. währendeiner Krankheit, gelten.8. Wahrscheinlich Frau d’Escrilles.9. Der Tod ihres 10 Monate alten Soh-nes Gaspard.

10. Anne Françoise de Mouxy, diejüngste Tochter der Adressatin, Fran-çon, wie sie Franz von Sales in einemBrief benennt, liebte zärtlich ihrenbischöflichen Taufpaten.

11. s. Anm. 6.

12. s. Anm. 10.

13. Die ältere Tochter der Adressatin,1600 geboren, heiratete 1619 ClaudeJerome de Chabod, Grafen von SaintMauriac.

14. Nichte der Adressatin, die 1625im Kloster der Heimsuchung zu An-necy eintrat und 1636 starb.

15. Der Brief is t an Frau de laFléchère, geborene Madeleine de SaintMichel d’Avully gerichtet, die Schwä-gerin der Frau de la Fléchère, die eineder eifrigsten Töchter des hl. Franzvon Sales war. – Der vorliegende Briefist der einzige uns erhaltene Brief andiese Dame, die Herrn François de laFléchère, den Bruder des Claude de laFléchère geheiratet hatte. Calvinistinwie ihr Vater, der berühmte Herrd’Avully, hatte sie wie dieser sich zumkatholischen Glauben bekehrt.

16. Herr d’Avully starb in Genf, konn-te aber geheim die heiligen Sakramen-te empfangen. Er war der erste Cal-vinist aus dem Chablais, der durchFranz von Sales bekehrt wurde.

17. Die Herausgeber der Oeuvres mei-nen, daß Franz von Sales diesen Briefan Celse-Bénigne de Chantal geschrie-ben habe, er sei noch der wahrschein-lichste Adressat (XIV, 376, Anm.).Celse-Bénigne war damals 15 Jahre alt;man habe wohl Ende November oderanfangs Dezember beschlossen, ihn anden Hof zu schicken, aber diesen Be-schluß wegen Krankheit und Tod sei-nes Großvaters, des Präsidenten Fré-

Anmerkungen zu IV.

400

myot, bis 1613 hinausgeschoben. –Nun steht fest, daß Celse-Bénigne erst1613 an den Hof kam. – Für einenBeschluß, der schon 1610 gefaßt wor-den wäre, gibt es keine Beweise. Au-ßerdem ist der Brief so unpersönlich,daß bei den engen, herzlichen Bezie-hungen, die Franz von Sales zu denKindern der hl. Johanna-Franziskahatte, ein solcher Brief kaum denkbarist (s. deutsche Übersetzung der Brie-fe an die hl. Johanna Franziska DASal5,256). Und was soll bei dem 15jähri-gen, der unter der Leitung seines On-kels, des Erzbischofs Frémyot stand,bis er an den Hof kam, die Mahnung,nicht zum Glücksspiel zurückzukeh-ren? – Franz von Sales kannte so vieleEdelleute, zu deren Söhnen er nichtso herzliche Beziehungen hatte. Einervon diesen mag ihn um Ratschläge fürseinen Sohn gebeten haben. – Der In-halt des Briefes ist deswegen nichtminder wertvoll.

18. Frl. von Blonay, die am 25. Januar1612 in Annecy eintreten und eine derhervorragendsten Schwestern undOberinnen der Heimsuchung werdensollte, war noch bei ihrem Vater. Clau-de de Blonay hatte neun Kinder vonseiner Frau Louise. Während seinesApostolates im Chablais war Franz vonSales öfter zu dieser Familie gekom-men und hatte sich in der feinen At-mosphäre dieser echt katholischenMenschen immer wieder von seinenStrapazen erholt. Deren Sohn Gabrielwurde 1610 auf dem Friedhof von St.Paul bei Evian meuchlings ermordet,was den Eintritt der jungen Marie-Ai-mée ins Kloster verzögerte. Ein ande-rer Bruder, Jean François, wurdePriester. Franz von Sales war sehr gutzu ihm, mußte aber sein fanatisches,übertriebenes Wesen zügeln (Brief 927an Frau von Fléchère, Oeuvres XVI,91-92).Nach dem Tod seiner Frau empfing

Herr von Blonay die heiligen Weihen.Er war früher Hauptmann gewesen undsetzte jetzt in den Predigten seinenZuhörern so zu, wie früher seinen Sol-daten. Darüber führte Fräulein vonBlonay ernste Klage beim hl. Franzvon Sales, der mit diesem Brief ant-wortete. Er wartete nur auf eine gün-stige Gelegenheit, um dem forschenPrediger zu sagen: „Mein lieber Bru-der, Sie haben noch ein wenig von Ih-ren früheren Hauptmannsmanieren.Wenn Sie Ihre Pfarrkinder zurechtwei-sen, glauben Sie, Ihre Soldaten vor sichzu haben. Aber es ist doch ein großerUnterschied zwischen einem Haupt-mann und einem Seelenhirten, zwischenSoldaten und Pfarrkindern. Diese müs-sen sanftmütig und geduldig geführtwerden.“ – Der alte Soldat ließ es sichgesagt sein (s. Oeuvres XIV, 401, Anm.2, 402, Anm. 1, XII, 124, Anm. 1).19. Die 3. Auflage der „Anleitung“.20. Claudine de Chastel.21. Schwester Peronne Marie de Cha-stel.22. Schwester Marie-Jacqueline Fav-re.23. Zuerst in den Oeuvres veröffent-licht, scheint echt zu sein.24. Franz von Sales war als Fastenpre-diger für 1612 sowohl nach Paris alsnach Chambéry eingeladen. Der Her-zog von Savoyen verweigerte dem Hei-ligen die Erlaubnis für Paris. So hielter die Fastenpredigten 1612 in Cham-béry (s. XV, 36 und 55).25. Und lebte noch bis 1637.26. Frau von Charmoisy war damals inParis und fand dort ein großes Entge-genkommen.27. Ihr Mann war auf Befehl des Her-zogs von Nemours noch immer inter-niert.28. Der Brief spricht für sich von derArt des Gemahls dieser Dame, die zu

Anmerkungen zu IV.

401

den von Franz von Sales mit Liebe ge-führten Seelen gehörte. Am ehestenwäre es ein Konterfei des Herrn vonFléchère. Da aber dessen Frau am sel-ben Tag einen Brief des Heiligen er-hielt, kommt ihr Mann nicht in Frage.

29. Auch für diesen schönen Brief läßtsich keine sichere Adressatin feststel-len. Es war jedenfalls eine der vonFranz von Sales geführten Seelen, diean heftigen Kopfschmerzen litt. DieHerausgeber der Oeuvres tippen aufFrau von Fléchère, auf Frau von Ai-guebelette oder Frau von Travernay.

30. Jeanne de Cartal hatte Herrn vonSaint-Cergues geheiratet, ihn aber1588 verlassen, um in Genf zumCalvinismus überzutreten, dessen fa-natische Anhängerin und „Erzministe-rin“ sie nun wurde. Durch einen Be-such bei Franz von Sales wurde siebekehrt und blieb nun ihrem katholi-schen Glauben bis zum Tod treu. IhreRückkehr zum katholischen Glaubenverursachte in Genf ein ungeheuresAufsehen und trug ihr viele Schmäh-briefe ein (s. Oeuvres XV, 15, Anm. 3und Briefe an Frau von Chantal 219und 417, Anm. 15).

31. Frl. Bellot, deren Verhalten über-all Ärgernis verursachte. Die hl. Jo-hanna-Franziska von Chantal hatteversucht, sie zu einer besseren Gesin-nung zu bringen, ebenso der hl. Franzvon Sales, aber sie fiel immer wiederin ihre Laster zurück.32. Frau von Valbonne hoffte schein-bar, der armen Bellot helfen zu kön-nen.33. Franz de Paula.

34. Wer diese Dame war, bleibt unbe-kannt.

35. Es fehlen hier zwei Worte.36. Die „grands Pardons“ wurden allesieben Jahre zu Ehren der „LiebenFrau der Freude“ mit großen Feier-

lichkeiten gehalten und dauerten eineWoche. Es war ein Jubiläum, vomPapst genehmigt.37. Madame de Grandmaison, Toch-ter der Frau von Peyzieu, geb. Helenede Longuecombe; 1598 mit HerrnBessac de Grandmaison verheiratet.38. Franz von Sales mahnt die alteDame recht lieb zur Überwindung derFehler, die sie ihm gestanden hat.39. Peyzieu (heute ein Dorf von 300Seelen) war mit Arpignon eine Pfarre,zu der auch Schloß Thusy gehörte, indem Frau von Peyzieu wohnte. ClaudeButtard, der dem Heiligen gut gefiel,war dort Pfarrer von 1603 bis 1640.40. Anscheinend die junge Frau ihresSohnes.41. Louis, Herr von Sillignieu, der wiesein jüngster Bruder François die El-tern des hl. Franz von Sales sehr gutkannte (Aussage im Heiligsprechungs-prozeß von Franz von Sales; OeuvresXVI, 65, Anm.).42. Auf der Insel Maraquen in Brasili-en hatten schon unter Heinrich IV.sowohl französische Soldaten wie Ka-puziner Fuß gefaßt. Die Königin Ma-ria de Medici schickte im Jahr 1613weitere militärische und geistliche Ver-stärkung dorthin, unter anderemschiffte sich auch Louis de Sillignieuals Offizier ein. Das vielversprechen-de Unternehmen endete in einer Ka-tastrophe, in der auch Louis den Todfand.43. Anrede und Inhalt weisen auf Frauvon Peyzieu hin, wenn auch ein ge-naues Datum nicht angegeben werdenkann.

44. Ihrer Tochter.

45. Das große Leid war der Tod ihresSohnes Louis auf der Insel Maraquen,die die Portugiesen den Franzosenentreißen wollten. Louis war mit sei-nen Leuten in einen Hinterhalt gelockt

Anmerkungen zu IV.

402

und dort vom Anführer der Portugie-sen mit Schwerthieben getötet worden.Mit ihm fielen 60 seiner Leute. Franzvon Sales schrieb der leiderfülltenGreisin diesen tiefempfundenen Trost-brief.

46. Des Herrn von Travernay und desBarons von Saint-Jeoir.

47. Antoinette de Saint-Jeoir, seit1573 mit Herrn Pierre-Marc de Mou-xy, Herrn von Travernay verheiratet.

48. Antoine Balthazar de la Touvièred’Escrilles, der nach dem Tod seinesVaters geboren war, trat 1618 bei denKapuzinern ein und legte 1620 als P.Georges seine Gelübde ab.

49. Frau d’Escrilles war, als sie ent-schlossen war, in der Heimsuchung ein-zutreten, noch jung und schön, alsosehr umworben. Man legte ihr vieleHindernisse in den Weg und ließ esauch nicht an Verleumdungen fehlen.Daher die Aufmunterung des hl. Franzvon Sales.50. Ihre Heirat mit Herrn d’Autherin,Seigneur de la Croix.51. Diese Dame war Frau von Grand-maison, deren Mann Statthalter die-ser Provinz war und die Franz von Sa-les wegen solcher Spottlieder tröstete(s. XVI, 95, XV, 284, Anm. 1).52. Herr von Rogemont, einer der be-rüchtigtsten Duellisten seiner Zeit, deraber dann, vom hl. Vinzenz von Paulbekehrt, bis zu seinem Tod ein Lebender Hingabe an Gott und an die Not-leidenden führte (s. Oeuvres XVI, 95,Anm.).

53. Wohl die frommen Damen, die sichbei den Fastenpredigten zu Grenobleunter seine Leitung gestellt hatten.Außer den Predigten hielt er noch imHaus der Frau von Granieu Konferen-zen für solche, die es wünschten, er-klärte die Übungen der Frömmigkeit,löste Zweifel und beantwortete die

Fragen, die ihm gestellt wurden „mitengelhafter Sanftmut“ (Gründungsge-schichte der Heimsuchung vonGrenoble, Oeuvres XVII, S. 356, Anm.1 und 35, Anm. 1).

54. Dieser Brief ist zum erstenmal vonden Oeuvres veröffentlicht, erfülltaber alle Ansprüche eines echten Brie-fes des Heiligen.

55. Frau von Peyzieu.

56. Eine Dame, der erst vor kurzemihr kleines Kind gestorben ist, viel-leicht Frau von Travernay (s. OeuvresXV, 346, Anm.).

57. Schwester Claude-Françoise Ro-get aus Annecy. 1594 geboren, trat sieim Kloster von Annecy 1610 ein, hat-te ihre Profeß 1611 und starb am 14.Juni 1613. Trotz ihrer Jugend äußersteifrig, lieb und von allen geliebt, be-sonders von Franz von Sales und Jo-hanna Franziska von Chantal, starb sieals erste der Heimsuchungsschwestern(Oeuvres XV, 106). Wir sehen im Briefdes hl. Franz von Sales, wie er die klei-ne Tote betrauert.

58. Prosper, Baron von Rochefort,hatte aus der ersten Ehe einen SohnProsper, der am Hof von Turin als Pagedes Herzogs starb. Daher die Unsi-cherheit des hl. Franz von Sales, obsein Vater bereits die traurige Nach-richt erhalten hatte (Oeuvres XXI,111, Anm.).

59. Herr von Chabod hatte durch 50Jahre seinem Herrn, dem Herzog vonSavoyen, in wichtigen Aufgaben alsStatthalter und Gesandter gedient. Inseinem Alter fiel er Intrigen des Hofeszum Opfer und mußte sich zurückzie-hen. Dies erklärt den liebevollen Trost-brief des hl. Franz von Sales.

60. Der Name der Dame konnte nichtfestgestellt werden. Nach dem Inhaltdes Briefes dürfte es sich um jemandhandeln, der erst kurze Zeit den Ent-

Anmerkungen zu IV.

403

schluß gefaßt hatte, ein tieferes Le-ben zu führen.

61. Françoise, Tochter von Pierre deSimian und Marie von Baronnet, hei-ratete 1603 den Herrn von Ruans undstarb 1628. Eine ihrer Töchter trat inden Orden der Heimsuchung ein.

62. Die Abhandlung über die Gottes-liebe, die erst 1616 erschien.

63. Nach Oeuvres XVII, 166, Anm. 1,wahrscheinlich Marie d’Avise de Blo-nay, Nichte der Frau von Fléchère,deren Schwester Gasparde von Franzvon Sales auch Nichte genannt wurde.Marie d’Avise, Tochter des Nicoled’Avise und der Antoinette de la Fo-rest (Schwester der Frau von Fléchère)heiratete 1613 Herrn Jacques de Blo-nay.

64. Im September 1615 war Franz vonSales im Schloß Blonay gewesen. Beidiesem Anlaß wird sich Marie d’Aviseunter seine Leitung gestellt haben.

65. Claire-Marie de Maillard-Tournonhatte 1609 Gabriel de Monthoux ge-heiratet. Sie wußten nicht, daß sie im3. Grad verwandt waren. Gabriel batum Dispens in Rom, die 1615 erteiltwurde. Die Dame stellte sich damalsunter seine Leitung und Franz vonSales stellte ihr höchstes Lob aus(Brief an Frau von Fléchère vom 29.September 1615). Wegen andauern-den Militärdienstes ihres Mannes leb-te Frau von Monthoux bei ihrer Mut-ter, ab 1616 aber bei ihren Schwie-gereltern (s. XVII, 64 Anm. 3; S. 305,Anm. 1).

66. Anleitung III, Kap. 38 (DASal1,196-201).

67. Janus Guillet, Herr von Month-oux, hatte sein Haus tapfer gegen dieCalvinisten verteidigt und hatte nachder Zerstörung seines Schlosses sichund die Seinen in den Wäldern ver-borgen (XVII, 306, Anm. 1).

68. Jeanne Aimée de la Fléchère.

69. Ihr Mann zog wieder in den Krieg.

70. Jean-François, Generalvikar deshl. Franz von Sales.

71. Es ist ein ausführlicher Beicht-spiegel (Oeuvres XXVI, Opuscules V,S. 244-266; DASal 12,228-246).

72. Eine milde Anspielung auf dieExzesse des Pairs und „Ecuyer de Fran-ce“ am Hof Ludwigs XIII.

73. Ein klares Beispiel, wie die vonFranz von Sales gelehrte Frömmigkeitin der Welt, auch am Hof geübt wer-den kann, eine innerliche Frömmig-keit, ein Gebetsleben, das so gut wiekeine Zeit braucht, also überall mög-lich ist und doch den Menschen um-wandelt. Wir sehen hier auch, woraufFranz von Sales vor allem den Akzentlegt.

74. Franz von Sales meint wohl denStand der Bischöfe.

75. Wahrscheinlich handelt es sich umdie Versammlung der Stände von Bur-gund unter dem Vorsitz des Herzogsvon Bellegarde, die für den 18. Sep-tember einberufen wurde.

76. Caesar Auguste, Herr von Terme,heiratete auf Drängen seines BrudersRoger im Jahr 1615. Ein tapferer Sol-dat, starb er an einer schweren Ver-wundung im Jahr 1621, von Franz vonSales lebhaft betrauert (s. OeuvresXVII, 110, Anm. 1).

77. Der Prinz sollte einer Versöhnungdes Herzogs von Nemours mit seinemangestammten Herrn, dem Herzog vonSavoyen, die Wege bereiten.

78. Das Kind des Bruders des HerzogsRoger starb bald.

79. Es folgt die Empfehlung für einenKonvertiten.

Anmerkungen zu IV.

404

V. Briefe aus den Jahren 1617-1622

1. Marguerite de Sassenage (ausGrenoble) hatte Herrn von Blanieugeheiratet, der 1594 starb. Sie hattekeine Kinder und blieb Witwe (Oeu-vres XVII, 362, Anm. 1).2. Der Präsident Antoine Favre.3. Wahrscheinlich ihr Ehemann.4. vgl. die Einführung. Franz von Sa-les spricht von Barbe-Marie in der drit-ten Person, wohl auf Ansuchen derPräsidentin, weil diese wohl indiskre-te Schnüffeleien in ihren Papieren be-fürchtet.5. Wahrscheinlich ihren Mann.6. Man hat über diese „Gesellschaftder Zwölf“ nichts auffinden können.7. Es folgen Aufträge und Nachrich-ten, die wir auslassen.8. Die „Anleitung“ und die „Abhand-lung über die Gottesliebe“.9. Es folgen Grüße und Nachrichten,die für unseren Zweck belanglos sind.10. Anleitung I, 16 und 17 (DASal1,55-58).11. Der kleine Jean war damals 4 Jah-re alt.12. Ihr Vater, Jean de la Croix de Che-vrière, hatte zuerst hervorragendeÄmter im Parlament von Grenoble undals Gesandter. Nach dem Tod seinerFrau wurde er Priester und Bischofvon Grenoble (1607). Er starb 1619.Seine Tochter Marguerite erreichte,daß er seine Widersprüche gegen eineGründung der Heimsuchung inGrenoble aufgab und ihr zustimmte.13. Ihr Vater , der Bischof vonGrenoble (s. Anm. 12), war die meisteZeit in Paris. Er starb zwei Monatespäter, am 6. März.14. Marguerite de Rajot, Nichte derFrau von Veyssillieu, trat damals, 25

Jahre alt, am 6. April 1620 ins Novizi-at von Annecy ein. Der Vertrag ihresVaters mit dem Kloster datiert vom17. Februar 1620. Sie starb in Aix am15. August 1635.15. Wahrscheinlich an Frau von Gra-nieu gerichtet.16. Bernard de Sales.17. Marie Aimée Rabutin de Chantal.18. Mutter Peronne-Marie de Chastelwurde nach der Abreise der hl. Johan-na-Franziska von Chantal Oberin zuGrenoble.19. Mutter Peronne-Marie.20. Artus von Aosta, 1583 geboren,wurde nach dem Tod seiner zweitenFrau Priester und nach der Gründungdes Klosters der Heimsuchung inGrenoble geistlicher Vater des Klo-sters, während er sich selbst unter dieFührung des hl. Franz von Sales stell-te . 1640 wurde er Bischof vonGrenoble (weiteres über ihn OeuvresXVIII, S. 240, Anm. 1).21. Dieser Brief wurde zuerst von Dat-ta veröffentlicht. Er scheint echt zusein.22. Der Obere im Priorat Legrand(Diözese Genf) , Kanoniker zuGrenoble, ein großer Wohltäter derHeimsuchung Grenoble, 1656-1662geistlicher Vater des Klosters (Oeu-vres XVIII, 220, Anm.).23. Zur Beichte bei ihrem Cousin,Artus von Aosta (s. Anm. 20 und denBrief vom 19. Juli 1618).24. Wahrscheinlich an Frau von Gra-nieu gerichtet (s. XVIII, 286, Anm. 1).25. Herr von Granieu litt an der Gicht.26. Der Prior von Legrand (s. Anm. 22).27. Franz von Sales predigt vor demHof und dem Volk bei jeder Gelegen-

Anmerkungen zu V.

405

heit, manchmal zwei- bis viermal amTag, nach Charles-Auguste in Paris sooft, als es Tage im Jahr gibt (XVIII,342, Anm. 1).

28. Jean François de Sales.

29. Frau von Granieu war von Annecyam 5. Juni abgereist.

30. Herr von Argenson wurde späterKanonikus von Grenoble.

31. Franz von Sales hatte Herrn Ro-ger de Bellegarde einen ausführlichenBeichtspiegel gesandt, in dem auch dieSünden aufgezählt sind, die bei derJagd geschehen können.

32. Franz von Sales besuchte EndeSeptember Bischof Camus. Währender dort in Belley war, stattete ihm Frauvon Granieu einen kurzen Besuch ab.

33. Dieser Brief ist sehr wahrschein-lich an Frau von Granieu gerichtet(XX, 170, Anm. 1).

34. Wenn der Brief Frau von Granieuals Adressatin hat, dann ist ihr hiererwähnter Mann François de Gralet,Herr von Granieu und ihr Sohn Pierre.

35. s. Anm. 18 zum IV. Teil (1610-1616).

36. Gaspard de Genève, Marquis deLullin, wünschte die Verschiebung derReise des Heiligen, vielleicht weil dieKapelle, die Franz von Sales einwei-hen sollte, noch nicht fertig war.

37. Bernard de Sales.38. Amédée von Chevron, Herr vonVillette, hoher Beamter und Offizierdes Herzogs von Savoyen, war Ge-schwisterkind der Mutter des hl. Franzvon Sales (Oeuvres XI, 341, Anm.).39. Bernard de Sales.

40. Die Witwe Bernards, Marie-Aiméevon Chantal.41. Marie Gibert, Tochter eines hohenBeamten in Grenoble, hatte 1583

Herrn von Sautereau geheiratet, der1607 Präsident des Parlaments zuGrenoble wurde und 1617 starb(XVII, 308, Anm. 2). Frau von Sau-terau hatte sich 1617 während der Fa-stenpredigten des Heiligen unter seineLeitung gestellt. Einige Monate spä-ter starb ihr Mann, der selbst einFreund des Präsidenten Favre und mitFranz von Sales freundschaftlich ver-bunden war.Frau von Sautereau führt fortan einLeben, das ganz Gott und den notlei-denden Menschen gewidmet war. Indiesem Brief spricht Franz von SalesFrau von Sautereau nach dem Tod ih-res Mannes Trost zu.42. Die Kinder Guillaume, Marie undAnne-Catherine.43. Der Brief ist zweifellos an Marie-Aimée, die Tochter der hl. Johanna-Franziska von Chantal gerichtet. Daaber darin nicht die geringste Anspie-lung auf das kurz vorher erfolgte Hin-scheiden ihres Gatten Bernard de Sa-les vorliegt, ist der Brief, wie er nunvorliegt, wahrscheinlich verstümmeltworden. In den Epitres spirituellesträgt er den Titel: „An eine Ordens-frau der Heimsuchung“.44. Françoise Rabutin Chantal.45. Michelle de Cerisier hatte 1609Herrn von Montfort geheiratet. Franzvon Sales nennt sie seine Cousine(Oeuvres XV, S. 14, Anm.).46. Vom heiligmäßigen Sterben derzweitjüngsten Tochter der hl. Johan-na-Franziska von Chantal, Marie-Ai-mée de Chantal, berichten alle Lebens-beschreibungen des hl. Franz von Sa-les und der hl. Johanna-Franziska vonChantal.47. Die Herausgeber der Oeuvres hal-ten für gleich wahrscheinlich Frau vonVeyssillieu und Frau Brulart als Adres-satin dieses Briefes. Wenn Frau vonVeyssilieu die Adressatin ist, wurde der

Anmerkungen zu V.

406

Brief 1617 geschrieben, wenn FrauBrulart, dann 1604 (s. XVIII, 38,Anm.).

48. Wahrscheinlich eine der Damenvon Grenoble, vielleicht Frau vonVeyssilieu (s. XVIII, 59, Anm. 1).

49. Zitiert in der „Geschichte derHeimsuchung“ von Annecy. Der imBrief erwähnte Arzt war Jean Gran-dis, der in den Briefen oft erwähnteHausarzt der Heimsuchung in Anne-cy.

50. Antoinette Camus, Frau des Prä-sidenten Bouquéron seit 1588. Siestellte sich als eine der Ersten vonGrenoble unter die Leitung des hl.Franz von Sales. Sie starb im Jahr1630, nachdem sie dem Kloster vonGrenoble viele Wohltaten erwiesenhatte (s. XVIII, S. 151, Anm. 1).

51. Tatsächlich fanden sich Gegner ei-ner Gründung der Heimsuchung zuGrenoble (XVIII, 153, Anm. 2).

52. Catherine de la Croix de Che-vrières war vor 1603 mit Pierre de laBaume, Ratsherr im Parlament vonGrenoble, verheiratet (XVIII, 209,Anm. 1). Die Anrede des Briefes zeigt,daß wenigstens mündliche Besprechun-gen mit der Dame vorangegangen sind.

53. Justine Dalphas hatte François duFaure geheiratet, der 1610 Präsidentdes Parlamentes der Dauphiné wurde.Er starb 1637. Diese Dame arbeitetemit Frau von Granieu viel für dieGründung der Heimsuchung vonGrenoble. Der Brief ist vom 7. April,also bald nach den Fastenpredigten zuGrenoble.

54. Hélène-Ferdinande de Maillard deTournon war in ihrer Jugend Hofdamebei der Infantin von Savoyen und wur-de 1609 mit dem Grafen de Rossillonverheiratet. Franz von Sales nennt sieseine Cousine. Da er sie auch seineTochter nennt, wird sie sich wohl schon

früher unter seine Leitung gestellt ha-ben.55. Marc François de Malarmay,Schwager der Adressatin, wünschteFranz von Sales auf seiner Reise nachRom im Gefolge des Kardinals vonSavoyen zu begleiten.56. Die Gräfin Philiberte de Tournon.

57. Ihr Gatte, Graf von Rossillon, warvor kurzem gestorben.

58. Aus dem Brief geht nicht hervor,wer unter dieser schweren Versuchunglitt. Bei den Zeugenaussagen zum Se-ligsprechungsprozeß des hl. Franz vonSales haben sowohl Frau von Villeneu-ve wie die mit ihr in inniger schwester-licher Liebe verbundene Helene Lhuil-lier von Frouville (später Schw. Hele-ne-Angelique in der Heimsuchung)erklärt, daß sie heftige Versuchungengegen den Glauben hatten, aber durchdie Zusprüche des Heiligen davon be-freit oder erleichtert wurden.59. Franz von Sales schrieb diesenBrief an die beiden Schwestern de Vil-leneuve und de Frouville auf der Reisenach Tours, zum königlichen Hof, denFranz von Sales nun im Auftrag desHerzogs von Savoyen begleitete. –Helene weilte bei ihrer jüngerenSchwester Marie, seitdem ihre Ehe mitGobelai zerbrochen war.60. Anna, geboren 1612.

61. Marie de Lamoignon, geboren1576, gestorben 1651. Ihr Mann, Prä-sident de Lamoignon, und ihr Sohnwaren Vorbilder an Ehrlichkeit, Wis-sen und Beredsamkeit, sie selbst undihre Tochter Madeleine waren Beispieleecht christlicher Nächstenliebe. Herrund Frau Lamoignon waren großeWohltäter der zwei Klöster der Heim-suchung von Paris, eine ihrer Töchterwurde Heimsuchungsschwester.

62. Anne le Beau, mit 18 Jahren Wit-we nach Herrn de Vaulgrenant, bald

Anmerkungen zu V.

407

verheiratet mit Herrn Foras, was bei-den und Franz von Sales große Schwie-rigkeiten bereiten wird.

63. Anne de Bragelongne hatte HerrnJean Le Naint de Crevant, Rat undAnwalt des Parlaments, geheiratet. Siehatte zwei berühmte Enkel: Le Naintde Tillemont und Pierre, den Biogra-phen von Rancé, dem Gründer derTrappisten. Pierre wurde von seinerGroßmutter erzogen, die unter derFührung des hl. Franz von Sales ge-standen war. Sie starb 1633.

64. Eine der hervorragendsten Karme-litinnen von Frankreich (s. OeuvresXX, 167, Anm. 3).

65. Catherine Le Naint trat im Altervon 14 Jahren in den Karmel ein undwurde 1621 eingekleidet, mußte aberbis 1624 warten, um die Gelübde ab-legen zu können, da sie noch nicht daskanonische Alter dafür hatte. Sie starb1676 nach einem heiligmäßigen Leben(Oeuvres XX, 168, Anm. 1).

66. Robert Arnauld d’Antilly, dem äl-testen Sohn von Antoine Arnauld, warsein drittes Kind gestorben.

67. Frau Le Maitre hatte fünf Söhne.

68. Jeanne Catherine de Creil wurde1589 geboren, heiratete 1610 JeanAmelot, als dieser schon Präsident desGroßen Rates war. Sie war immer einegroße Gönnerin des Klosters der Heim-suchung von Paris. Als alles währendder großen Pest (1619) floh, blieb diePräsidentin Amelot in Paris und be-suchte oft das Kloster. Sie war ergrif-fen von der Not der Schwestern undschrieb es dem hl. Franz von Sales,der in einem Brief antwortete, von demnur diese wenigen Zeilen in der Ge-schichte des Klosters der Heimsuchungvon Paris erhalten sind.

69. Der Name der Adressatin ist un-bekannt. Sie war jedenfalls in Gefahr,

den Beruf zu verlieren, den sie ange-strebt hatte.

70. Der Name der Adressatin ist eben-falls unbekannt. Die Herausgeber derOeuvres tippen auf Frau von Veyssi-lieu.

71. Der Adressat ist nach Oeuvres(Anm. 1) vielleicht der Baron Amédéede Chevron-Villette. Über den Toddieser Cousine des hl. Franz von Saleswissen wir nichts Genaues.

72. Marguerite Le Fève, Gattin vonGuillaume Rousselet, Sekretär desHerzogs von Nemours und später imRat des Königs. Herr Rousselet hat1628 im Alter von 59 Jahren im Selig-sprechungsprozeß des hl. Franz vonSales ausgesagt, daß er ihn seit demJahr 1592 gekannt und oft in Savoyenund in Paris gesehen habe. Herr undFrau Rousselet erfreuten sich der herz-lichen Zuneigung und der väterlichenFührung des Heiligen (XIX, 128, Anm.und 247, Anm.) Franz von Sales dürf-te ihnen auch oft geschrieben haben.Er unterrichtete Frau Rousselet inFragen des geistlichen Lebens, besuch-te und tröstete sie in ihren Krankhei-ten; nach seinem Tod wurde sie aufseine Fürbitte von einer schwerenKrankheit wunderbar geheilt.

73. Gaspard Jomaron war ein hoherköniglicher Beamter. Es steht nichtfest, ob dieser Brief an seine Witwe,Anne Thomée, oder an die Frau seinesSohnes Anne de Rue gerichtet war, die1641 noch lebte (XIX, 144, Anm.).Das Manuskript des Briefes wird imHaus der Oblaten des hl. Franz vonSales zu Albano aufbewahrt.

74. Über Herrn de Foras, seine Ehemit der 18jährigen Witwe Anne LeBeau und die heftigen Stürme von Sei-ten ihrer Verwandten, s. Brief an Jo-hanna-Franziska von Chantal, Deut-sche Ausgabe, Anm. 139, (Bd. 5, S.

Anmerkungen zu V.

408

424, vgl. Oeuvres XIX, S. 32, Anm. 1).

75. Die Dame scheint schon längerunter der Führung des Heiligen gestan-den zu haben und also von Savoyen zustammen. Die Herausgeber der Oeu-vres schlagen Frau von Aiguebelletteals wahrscheinliche Adressatin vor.

76. Françoise de Rabutin Chantal, geb.1599, aufgewachsen unter der lieben-den Fürsorge ihrer Mutter, der hl. Jo-hanna-Franziska von Chantal, und derväterlichen Güte des hl. Franz vonSales, hatte, nachdem sie andere Be-werber um ihre Hand abgewiesen hat-te, im Jahr 1620 Antoine de Toulon-geon, der wohl 36 Jahre älter als sie,aber ein vollendeter Edelmann war,geheiratet. Sie lebten in glücklicherEhe. – In „Frauen um Franz von Sa-les“ hat Frau Angela Hämel-Stier eineinteressante Skizze ihres Lebens gege-ben (Franz-Sales-Verlag 1954, S. 77-173), sehr ausführlich die Gräfin vonMonthoux in einem Werk über die zweiTöchter der hl. Johanna-Franziska vonChantal (Paris 1876).

77. P. Coton, geb. 1564, Novize SJ.1583. Vor und nach seiner Profeß(1599) Streitreden mit protestanti-schen Ministern. 1608 BeichtvaterHeinrichs IV. und Erzieher des Dau-phin (Kronprinzen). Nach dem TodHeinrichs IV. auch Beichtvater vonLouis XIII. Später Provinzial, gestor-ben 1626, stand in höchster Achtungbei Franz von Sales und Johanna-Franziska von Chantal und aller gro-ßen religiösen Persönlichkeiten dieserZeit (Oeuvres XVI, 21, Anm.).

78. P. Duchesne, Superior der Orato-rianer von Riom, von Berulle sehr ge-schätzt, gestorben 1650.

79. Die Synode war jährlich nach dem2. Sonntag nach Ostern, an welchemFranz von Sales diesen Brief schrieb.

80. Der Kapuziner P. Bonaventura

bekleidete bedeutende Ämter in sei-nem Orden.

81. Schwester der Frau von Monthoux;sie stellte sich unter die Leitung deshl. Franz von Sales. Ihre Tochter wur-de Heimsuchungsschwester.

82. Gilbert, ihr einziger Sohn, 1645in der Schlacht von Nördlingen gefal-len.

83. An die Mutter M. Jacqueline Fav-re und an Frau von Dalet.

84. Gaspard Le Loup de Montfan ge-hörte einem reichen und mächtigenAdelsgeschlecht an und zeichnete sichin den Kriegen dieser Zeit durch seineTapferkeit aus. Er stand bei HeinrichIV. hoch in Gunst (XX, 77, Anm.).

85. Der Name Rivolat war damals inSavoyen weit verbreitet. Die Damestand jedenfalls unter der Führungdes hl. Franz von Sales wie viele an-dere Frauen in Savoyen und Frank-reich.

86. Tochter von Amédée de Chevron-Villette, die mit dem Herrn von Cha-mousset verheiratet war und 1635Witwe wurde. Franz von Sales schreibtihr anläßlich des Todes ihres Vaters(1621), der mit Franz von Sales ver-wandt war (Oeuvres XI, 341, Anm.).

87. Frau Françoise Amaury, um 1588in Paris geboren, Witwe des HerrnAmaury, eines höheren königlichenBeamten, konnte oft mit Franz vonSales zusammenkommen, als er in Pa-ris war. Sie gehörte zu denen, die nur„kraftvoll lieben und wollen“, vervoll-kommnete sich „im Geist der Sanft-mut und Mäßigung“, wie die Annalender Heimsuchung von Meaux berich-ten, deren Gründerin sie war. Eine ih-rer Töchter war dort 1626 eingetreten

Anmerkungen zu V.

409

und bekleidete im Orden wichtigeÄmter. Frau Amaury legte auf ihremTotenbett die Ordensgelübde ab.

88. Herr Crichant, damals 35 Jahrealt, Kaufmann, Pariser, gehörte zu dengeistlichen Söhnen des hl. Franz vonSales und diente ihm öfter als Brief-bote. Später wurde er Priester. Eineergreifende Episode, durch die er sichder Güte des Heiligen und seiner glü-henden Gottesliebe bewußt war, er-zählte er in seiner Zeugenaussage beimSeligsprechungsprozeß des Heiligen(XX, 137, Anm.).

89. Frau Amaury wollte, daß ihre Toch-ter schon mit 9 Jahren in die Heimsu-chung eintrete. Sie trat schließlich1626 ein und legte ihre Gelübde 1627ab.

90. Madame Baudeau war eine dergeistlichen Töchter des Heiligen. Siehatte ihr Geschäft auf der Vogelbrük-ke, einer Brücke in Paris. Diese Brük-ke hatte eine 18 Fuß breite Straße,die auf beiden Seiten eine AnzahlHolzhäuser (nach den einen 30, nachanderen 50) mit Geschäften aufwies,deren jedes einen Vogel als Kennzei-chen aufgemalt hatte. Daher der NameVogelbrücke (offizieller Name: Mar-chandbrücke, nach dem Erbauer derBrücke). Als Franz von Sales erfuhr,daß die Brücke in der Nacht vom 22.-23. Oktober 1621 durch Feuer zer-stört worden war, war er in Sorge umFrau Baudeau und bat Mutter Chan-tal, sich nach ihr zu erkundigen (XX,181, s. dort auch Anm. 3).

91. Msgr. Camus, der junge bischöfli-che Freund des hl. Franz von Sales,hatte am 14. Mai 1621 vom Dekanatund Kanonikat der Königlichen Pfar-re Saint Germain Besitz ergriffen.Zum Gebiet der Pfarrei mit dem Lou-vre und dem königlichen Schloß ge-hörte auch die „Vogelbrücke“ (XIX,276, Anm.).

92. Madame de Pechpeirou, Frau ei-nes der Brüder Pechpeirou, die beidehohe Ämter innehatten. Wie anderegeistliche Töchter des Heiligen nahmauch diese Dame, wie er selbst undFrau Villesavin, Anteil am Caritaswir-ken des hl. Vincenz von Paul (XX,160, Anm. 1 und 2).

93. Grenoble war im September 1621in Gefahr, von protestantischen Trup-pen eingenommen zu werden.

94. Man weiß weder, wer dieser Freundist, noch um welche „kleine Verach-tung“ es sich handelt. Jedenfalls zeugtder Brief von der Demut des Heiligen.

95. Frl. Jousse trat in die Heimsu-chung von Orléans im Alter von 23Jahren ein und wurde eine der hervor-ragendsten Schwestern und Oberinnendes Ordens. Sie hieß im Orden ClaudeEsperance (s. XX, 217, Anm.).

96. Es ist nicht bekannt, wer dieseDame ist, und ebenso nicht, wer dieAspirantin der Heimsuchung ist, vonder Franz von Sales schreibt.

97. Gaspard de Vaudan, Cammandeurdes „Ordre des Saints Maurice et La-zare“, aus Aosta stammend, hatte baldnach ihrem Erscheinen die „Anleitung“des hl. Franz von Sales in Händen. Siegefiel ihm so gut, daß er davon stetsmit seiner Frau sprach. Sie waren bei-de entschlossen, ein Kloster der Heim-suchung in Aosta zu gründen. Nachdem Tod ihres Mannes bat Frau vonVaudan die hl. Johanna-Franziska vonChantal, in ihrem Orden aufgenom-men zu werden. Aber nun häuften sichHindernisse dagegen. In ihrer Unsi-cherheit schrieb sie an Franz von Sa-les und erhielt diese Antwort. – Auchnachher stellten sich immer wiederWiderstände gegen ihren Willen ein,Heimsuchungsschwester zu werden.Schließlich konnte sie sich ins Kloster

Anmerkungen zu V.

410

zurückziehen und wenigstens am To-tenbett ihre Gelübde ablegen.

98. Frau von Chantal lobt sie sehr alsso „tugendhaft gut“ und sie meinte,daß ihr zeitweiliger Aufenthalt im Klo-ster „von geistlichem Nutzen“ für bei-de Teile wäre. – Franz von Sales findetes gut, daß sie sich nach dem Tod ihreseinzigen Sohnes (Oktober 1621), füreinige Zeit in die Stille des Klosterszurückzog.

99. Der Name dieser Kandidatin istunbekannt. Es kann wahrscheinlichnicht einmal jene sein, von der Franzvon Sales an die hl. Chantal schreibt(wie die Verfasser der Oeuvres Anm. 1meinen). Die Unterschiede sind zugroß (s. XX, 276, Anm.).

100. Die Dame ist unbekannt; mögli-cherweise eine der geistlichen Töchterdes Heiligen von Chambéry (s. XX,510, Anm.).

VI. Briefe ohne Datum

1. P. Talon hat in seinem „Leben desHeiligen“ (1640) diese Worte zitiertals an „einen höheren Herrn von Sa-voyen“ gerichtet. Albert von Genf,Zeuge beim Seligsprechungsprozeß,sagt auch aus, daß der Heilige dies ei-nem Herrn von Savoyen gesagt habe.Dieser Herr, meinen die Herausgeberder Oeuvres, könnte wohl der Vaterdieses Zeugen sein, mit dessen FamilieFranz von Sales enge Beziehungen hat-te (s. XX, Anm. 1 zu diesem Brief).

2. Dieser in den gesammelten Werkendes hl. Franz von Sales (1641) aufge-nommene Brief des Heiligen ohneDatum und Anschrift ist nach Mei-nung der Herausgeber der Oeuvres viel-leicht an Celse-Bénigne de Chantal ge-richtet, weil er um 1612 an einen Or-densberuf gedacht hätte (s. XV, 317).Auf Celse-Bénigne, der damals in ei-nem Kolleg war, dürften aber die Rat-schläge des Heiligen kaum passen.

3. Wohl die Kirchen dieser Orden.

4. Bei der berühmten „Versuchung“des Heiligen, als er Student in Pariswar.

5. Zitat aus dem Leben des hl. Franzvon Sales von Bischof Maupas de Tours(1657).

6. Dieser und die zwei folgenden Brie-fe dürften (nach Oeuvres XX, 15,Anm.) an eine Dame von Dijon ge-richtet worden sein, wo ja Franz vonSales verschiedene geistliche Töchterhatte. Diese Dame dürfte höheren Al-ters gewesen sein, da Franz von Salessie als „gute Mutter“ bezeichnet. DieOeuvres schlagen Frau de Villers unddie Präsidentin Le Grand vor (s. XIII,23, Anm. 1 und XX, 380, Anm. 2).

7. Franz von Sales gibt einigen älterenDamen den Ehrennamen „Mutter“.Die Oeuvres schlagen Frau von Pey-zieu als Adressatin dieses Briefes vor(s. XXI, 18, Anm. 1).

8. Nach den Oeuvres (XXI, 43, Anm.)paßt dieser Brief eigentlich ganz aufMarie de Mouxy, dame d’Escrilles, diesich eines zudringlichen Adeligen er-wehren mußte vor und sogar nach ih-rem Eintritt in das Kloster.

9. Wahrscheinlich Christine Audrin,Tochter eines Wohltäters von Lyon, dieman schließlich nach unangenehmenSzenen entlassen mußte (XXI, 43-44,Anm.).

10. Nach Oeuvres XXI, 47 wahrschein-lich Marie de Mouxy, dame d’Escrilles.

Anmerkungen zu VI.

411

VVVVVerererererzeichnis der namentlich bekannten Azeichnis der namentlich bekannten Azeichnis der namentlich bekannten Azeichnis der namentlich bekannten Azeichnis der namentlich bekannten Adressatendressatendressatendressatendressaten

Amaury, Françoise 352Amelot, Jeanne-Catherine 321

Baudeau, Mme 354Baume, Catherine de la 297Bellegarde, Herzog Roger de 185, 246Blanieu, Marguerite de 261Blonay, Claude de 287Blonay, Marie-Aimée de 200Boisy, Françoise de (Mutter des hl. Franz von Sales) 21, 27Bouquéron, Antoinette de 296Bréchard, Jeanne-Charlotte de 25, 64Brulart, Marie 78

Chabod, Guillaume-François de, Herr von Jacob 239Chamousset, Charlotte de 349Chapot, Jeanne-Françoise de 189Charmoisy, Louise de 24, 56Chastel, Claudine de 25, 66Clément, Fräulein 24, 53Cornillon, Gasparde de (Schwester des hl. Franz von Sales) 26, 72Cravant – s. Le NaintCusy, Charlotte de 182, 186

Dalet, Gräfin Anne (geb. Le Loup de Montfan) 260, 336d’Aiguebelette, Françoise de 183, 204d’Autherin, Jeanne-Antoine de la Croix (geb. Chapot) 184, 228de Murat de la Croix, Claude-Françoise 185, 236d’Escrilles, Marie 184, 225du Faure, Justine 301

Favre, Philiberte 183, 201Fléchère, Madeleine de la 134Fléchère, M. Madeleine (geb. d’Avully) 196Foras, Guillaume-Bernard de 325Frémyot, Bénigne 23, 49Frouville – s. Lhuillier

Genève-Lullin, Clériadus 363Grandmaison, Hélène de (Tochter der Frau von Peyzieu) 184, 232

Verzeichnis der Adressaten

412

Granieu, Laurence de 257, 273Guillet de Monthoux, Claire-Marie 245

Herse, Charlotte de 258, 308

Jomaron, Anne Thomé de 324Jousse (später Sr. Claude-Espérance) 356

Lamoignon, Marie de 315Le Blanc de Mions, Ennemonde 256, 262Le Loup de Montfan, Charlotte (Mutter der Gräfin Dalet) 260, 339Le Maitre, Catherine (geb. Arnauld) 259, 318Le Naint de Cravant, Anne 315Limojon, Jeanne-Louise 22, 42Lhuillier de Frouville, Hélène 259, 326

Mieudry, Gasparde de 25, 62Miolans, Gabriele de 359Montfan – s. Le LoupMontfort, Mme de 292Monthoux – s. Guillet de

Pechpeirou, Eléonore de 355Peyzieu, Françoise de 184, 214

Rivolat, Mme 348Rochefort, Baron Prosper de 238Rossillon, Gräfin Hélène-Ferdinande de 302Rousselet, Marguerite 324Ruans, Françoise de 241

Saint-Cergues, Mme de 208Sautereau, Marie de 289Soulfour, Fräulein von 22, 29

Thorens, Marie-Aimée de (Schwägerin des hl. Franz von Sales) 291Thuille, Claudine-Philiberte de la (Schwägerin des hl. Franz von Sales) 22, 28Toulongeon, Françoise de (Tochter der Frau von Chantal) 335Travernay, Peronne de 183, 189Traves, Claude de 26, 70

Valbonne, Andrée de la 183, 209Vaudan, Cassandre de 359Veyssilieu, Marguerite de 257, 268Villeneuve, Marie de (geb. Lhuillier) 257, 305Villesavin, Isabelle de 258, 311Villette, Baron Amedée de 288

Verzeichnis der Adressaten

413

VVVVVergleichende Tergleichende Tergleichende Tergleichende Tergleichende Tafelnafelnafelnafelnafelnder Oeuvres de Saint François de Sales und dieser Ausgabeder Oeuvres de Saint François de Sales und dieser Ausgabeder Oeuvres de Saint François de Sales und dieser Ausgabeder Oeuvres de Saint François de Sales und dieser Ausgabeder Oeuvres de Saint François de Sales und dieser Ausgabe

In den ersten drei Spalten sind in der Reihenfolge der Bände angegeben: Brief-Num-mer, Seitenzahl und Datum in den „Oeuvres“. Daneben steht die Seitenzahl diesesBandes und unter „Bemerkungen“ eventuell Angaben über die Echtheit und die Adres-saten.

Bekanntlich haben im 19. Jahrhundert mehrere Gruppen von Fälschern angeblicheBriefe des hl. Franz von Sales verbreitet, von denen vermutlich einige auch in die„Oeuvres“ aufgenommen wurden. – Als Kriterien für die Echtheit können nach demgegenwärtigen Stand der Untersuchung gelten:

1. Was vor 1800 veröffentlicht wurde, darf als echt angesehen werden, vor allem dieunter Aufsicht der hl. Johanna Franziska von Chantal herausgegebenen „Epitres spiri-tuelles“ (Ep. spir. ), ebenso von Hérissant (1758) veröffentlichte Briefe.

2. Soweit Briefe erstmals in den „Oeuvres“ veröffentlicht wurden, ist deren Echtheitnach der Quelle sowie nach Inhalt und Stil zu prüfen.

3. Die Ausgaben des 19. Jahrhunderts müssen nach den gleichen Gesichtspunktenuntersucht werden, besonders Blaise (1821), Datta (1831), Vives (1856) und Migne(1861).

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

Band XII174 163 16. 1. 1603 Soulfour 29 Ep. spir.179 177 13. 3. 1603 eine Tante 45 Ep. spir.181 180 IV/V. 1603 Soulfour 35 Ep. spir.190 202 22. 7. 1603 Soulfour 38 Ep. spir.206 244 1602/1603 Boisy 27 zit. Hauteville (1669).217 267 3. 5. 1604 Brulart 79 vgl. Anm. II/3.230 326 7. 10. 1604 Frémyot 49233 345 13. 10. 1604 Brulart 82242 395 22. 11. 1604 Brulart 87

Band XIII

271 1 I/III. 1605 Thuille 28275 14 18. 2. 1605 Brulart 88 teilw. nach Blaise.277 18 III. 1605 Brulart 89282 37 20. 4. 1605 Brulart 93289 53 10. 6. 1605 Brulart 94291 58 28. 6. 1605 Limojon 42 Oeuv. (KopieTurin), echt305 86 28. 8. 1605 Brulart 95307 90 7. 9. 1605 Limojon 44 Migne; echt.331 148 II/III. 1606 Brulart 96338 160 3. 4. 1606 Brulart 99

414

341 166 7. 4. 1606 Brulart 100 Oeuvres; wahrsch. echt.347 174 29. 4. 1606 Brulart 101350 179 20. 5. 1606 Charmoisy 55 Datta/Migne; wohl echt.353 194 VI/VIII. 1606 Brulart 102 1641; vgl. Anm. II/13.361 213 IX. 1606 Brulart 102367 225 X. 1606 Brulart 105376 244 14. 12. 1606 Clément 53 1656.384 258 30. 1. 1607 Brulart l09400 289 VI. 1607 Brulart 110404 298 20. 7. 1607 Brulart 112414 320 27. 9. 1607 unbekannt 46 „Memoires“ echt.419 333 2. 11. 1607 Brulart 113439 381 20. 3. 1608 Charmoisy 56 sicher echt.440 383 III. 1608 Charmoisy 58 echt.441 385 1605/1608 ein Fräulein 47 Ep. spir. (Soulfour?)

Band XIV

444 1 8. 4. 1608 Fléchère 135448 7 IV/V. 1608 Fléchère 136 Ep. spir. (ohne Adr.)454 18 18. 5. 1608 Chastel 66 Ep. spir.455 21 19. 5. 1608 Fléchère 137458 26 28. 5. 1608 Fléchère 139459 28 V/VI. 1608 Chastel 68 Ep. spir.462 39 25. 6. 1608 Brulart 115468 51 13. 7. 1608 Fléchère 139 Datta; nicht sicher.469 53 16. 7. 1608 Fléchère 140 sicher echt.470 55 21. 7. 1608 Fléchère 141472 57 VIII. 1608 Fléchère 142474 58 21. 8. 1608 Charmoisy 59 sicher echt.483 75 X. 1608 Clément 54 Ep. spir.488 81 28. 10. 1608 Fléchère 142490 85 6. 11. 1608 Mieudry 62 Blaise; wohl echt.491 86 16. 11. 1608 Bréchard 64 Ep. spir.495 91 18. 12. 1608 Traves 70 1688.512 119 20. 1. 1609 Fléchère 143 Adr. nicht ganz sicher.513 121 II. 1609 Fléchère 144516 132 II. 1609 Brulart 117517 135 III. 1609 Fléchère 146518 137 III. 1609 Brulart 118520 141 III/IV. 1609 Brulart 119524 150 18. 4. 1609 Traves 71 1688.528 156 V. 1609 Fléchère 147 1626.530 158 15. 5. 1609 Cornillon 72 Ep. spir.531 160 V. 1609 Bréchard 64 Ep. spir.534 164 V. 1609 Bréchard 65 Ep. spir.

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

415

535 166 30. 5. 1609 Brulart 120537 171 30. 6. 1609 Cornillon 72 Ep. spir.545 193 20. 8. 1609 Fléchère 148 Adress. wahrscheinlich.550 202 2. 10. 1609 Fléchère 149 Datta; wahrsch. echt.556 212 29. 11. 1609 Boisy 27 Datta/Vives/Migne.562 232 XII. 1609 Fléchère 150 Adr. wahrscheinlich564 235 1609/1610 Fléchère 152 Adr. wahrscheinlich570 243 I. 1610 Cornillon 73 Ep. spir.577 254 4. 3. 1610 Cornillon 74584 269 27. 3. 1610 Fléchère 153588 277 20. 4. 1610 Brulart 122 Datierung unsicher.590 285 21. 4. 1610 Fléchère 153 Migne; wohl echt.591 286 23. 4. 1610 Cusy 186594 293 2. 5. 1610 Cusy 186609 325 3. 7. 1610 Chapot 188611 332 21. 7. 1610 Travernay 189614 338 6. 8. 1610 Cornillon 75 Ep. spir.619 345 11. 9. 1610 Travernay 190620 346 19. 9. 1610 Fléchère 154 Adr. wahrscheinlich.622 351 IX/X. 1610 M. M. Fléchère 196629 364 23/24. 11. 1610 Cornillon 76 Ep. spir.630 365 24. 11. 1610 Fléchère 155 Oeuvres; wohl echt.635 372 5. 12. 1610 Favre 201637 376 8. 12. 1610 unbekannt 196646 393 30. 12. 1610 Aiguebellette 204652 401 (1610/1611) Frl. v. Blonay 200

Band XV

656 9 4. 1. 1611 Chastel 70 Hérissant.658 11 7. 1. 1611 Fléchère 156 Oeuvres; wohl echt.661 18 25. 1. 1611 Favre 202665 23 1. 3. 1611 Brulart 125673 35 22. 3. 1611 unbek. Dame 206674 36 22. 3. 1611 Fléchère 156 1871; scheint echt zu

sein685 53 IV. 1611 Brulart 127686 54 2. 5. 1611 Favre 202 Oeuvres; wohl echt.704 84 5. 8. 1611 Fléchère 157707 89 17. 8. 1611 Fléchère 158731 131 15. 12. 1611 Aiguebellette 204734 136 28. 12. 1611 Fléchère 159 Ep. spir. Adr. wahrsch.738 140 (1610/1611) eine Dame 207 z. Adr. vgl. Anm. IV,29.751 164 11. 2. 1612 Brulart 128756 171 26. 2. 1612 Saint-Cergues 208761 191 III. 1612 Brulart 129 Adr. vermutlich Brulart.776 214 15. 5. 1612 Fléchère 160

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

416

777 216 22. 5. 1612 Valbonne 209796 246 20. 7. 1612 Travernay 191808 268 29. 9. 1612 Travernay 192814 278 13. 10. 1612 d’Escrilles 225817 286 26. 10. 1612 Peyzieu 214824 301 18. 11. 1612 Favre 202833 315 31. 12. 1612 Peyzieu 216836 318 (1612) eine Dame 214837 319 (1610/1612) Fléchère 160 Adressat wahrscheinlich.841 325 (1611/1613) Fléchère 161 Adressat wahrscheinlich.845 331 3. 1. 1613 Travernay 193852 346 I/II. 1613 eine Dame 235 vielleicht Travernay.853 347 II. 1613 d’Escrilles 226860 357 12. 3. 1613 d’Autherin 228863 365 28. 3. 1613 Charmoisy 59 sicher echt.

Band XVI

877 11 21. 5. 1613 Peyzieu 216884 21 7/8. 6. 1613 Valbonne 209887 27 11. 6. 1613 Fléchère 162 Migne/Vives; wohl echt.891 33 15. 6. 1613 Travernay 194892 34 18/20. 6. 1613 unbekannt 236894 36 24. 6. 1613 Aiguebellette 205906 55 24. 8. 1613 Bellegarde 246910 62 IX. 1613 Brulart 132911 65 6. 9. 1613 Peyzieu 217912 67 12. 9. 1613 Fléchère 163919 78 28. 9. 1613 le Murat 236920 80 29. 9. 1613 Fléchère 164927 91 8. 11. 1613 Fléchère 164928 92 12. 11. 1613 Cornillon 76 Migne; wahrsch. echt.930 95 XI. 1613 Grandmaison 232939 119 24/25. 12. 1613 eine Dame 237949 133 7. 1. 1614 d’Escrilles 227958 155 5. 2. 1614 Valbonne 210964 170 2. 4. 1614 Valbonne 211969 175 30. 4. 1614 d’Escrilles 228972 179 5. 5. 1614 Fléchère 165975 184 13. 6. 1614 Fléchère 166976 185 22. 6. 1614 Fléchère 166980 191 11. 7. 1614 Fléchère 167982 193 31. 7. 1614 Bellegarde 248990 209 19. 8. 1614 Valbonne 211991 211 19. 8. 1614 Fléchère 167992 212 VIII. 1614 Bellegarde 250

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

417

993 214 20. 8. 1614 Chabod 239996 222 VIII/IX. 1614 Fléchère 168 Oeuvres; wohl echt.997 223 12. 9. 1614 Bellegarde 2511018 270 XI. 1614 Fléchère 1681029 284 1612/1614 Peyzieu 217 Adressat wahrscheinlich.1043 300 II. 1615 Peyzieu 2181048 310 III. 1615 Peyzieu 2191059 328 IV. 1615 Peyzieu 2191068 349 26. 4. 1615 eine Dame 2461069 350 IV. 1615 Peyzieu 2201080 370 21. 5. 1615 Peyzieu 221

Band XVII

1086 1 1. 6. 1615 Fléchère 1691089 7 VI. 1615 Peyzieu 2221090 9 20. 6. 1615 Fléchère 1711091 11 21. 6. 1615 Ruans 2411092 12 23. 6. 1615 d’Autherin 2291093 14 23. 6. 1615 d’Autherin 2301109 44 VIII/IX. 1615 Peyzieu 2241131 87 15. 11. 1615 Peyzieu 2241138 97 5. 12. 1615 Fléchère 1721156 120 6. 1. 1616 Bellegarde 2521165 144 17. 2. 1616 Fléchère 1721166 147 19. 2. 1616 Mieudry 63 Migne; wohl echt.1169 151 24. 2. 1616 Fléchère 173 Oeuvres; sicher echt.1175 163 1. 3. 1616 Fléchère 1741176 166 5. 3. 1616 eine Dame 242 wahrsch. Mme d’Avise.1177 169 6. 3. 1616 Fléchère 1741193 194 21. 4. 1616 Fléchère 1751194 196 22. 4. 1616 Fléchère 1751200 211 15. 5. 1616 Fléchère 1761210 225 11. 6. 1616 Fléchère 1761229 268 14. 8. 1616 Fléchère 1771231 271 15. 8. 1616 Bellegarde 2531254 305 10. 11. 1616 de Monthoux 2451289 358 III. 1617 Grandmaison 2341292 362 3. 4. 1617 Blanieu 2611294 366 7. 4. 1617 Le Blanc 2621295 371 7. 4. 1617 Veyssilieu 2681301 386 26. 4. 1617 Le Blanc 2661305 395 IV. 1617 Granieu 273

Band XVIII

1309 3 15. 5. 1617 Valbonne 2121314 13 28. 5. 1617 Cl. de Blonay 287

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

418

1316 16 30. 5. 1617 Cornillon 78 Ep. spir.1317 18 30. 5. 1617 Villette 2881320 25 21. 6. 1617 Sautereau 2891324 35 30. 6. 1617 Thorens 291 Ep. spir. – verstümmelt.1326 38 VII. 1617 eine Dame 293 vgl. Anm. V/47.1340 59 7. 8. 1617 eine Dame 295 vgl. Anm. V/48.1346 69 30. 8. 1617 Blanieu 2611350 72 10. 9. 1617 Montfort 2921363 100 IX/X. 1617 Granieu 274 Adressat wahrscheinlich.1365 103 5. 10. 1617 Grandmaison 239 Oeuvres; echt.1370 110 IX/XI. 1617 unbek. Dame 295 „Gesch. d. Heimsuchung“1382 135 1615/1617 Valbonne 2161390 150 18. 1. 1618 Blanieu 2621391 151 18. 1. 1618 Bouquéron 2961420 209 30. 4. 1618 de la Baume 2971432 227 20. 5. 1618 Granieu 2751433 228 22. 5. 1618 Fléchère 1781435 230 29. 5. 1618 eine Tante 2991436 232 30. 5. 1618 eine Dame 3001441 237 8. 6. 1618 Granieu 2751446 245 9. 7. 1618 Bellegarde 2551449 250 19. 7. 1618 Granieu 277 Datta; scheint echt.1455 260 10. 8. 1618 du Faure 3021456 261 14. 8. 1618 Granieu 2781470 286 22. 9. 1618 Granieu 279 Adressat wahrscheinlich.1485 311 XI. 1618 Charmoisy 60 sicher echt.1491 319 29. 12. 1618 Fléchère 1791501 340 16. 1. 1619 Granieu 2801502 343 16. 1. 1619 Veyssilieu 2701506 356 27. 1. 1619 Rossillon 3021507 357 I/II. 1619 Villeneuve 3051511 365 26. 3. 1619 Veyssilieu 2711522 384 V. 1619 Villesavin 3111539 415 VII/VIII. 1619 Villesavin 313

Band XIX

1541 1 7. 8. 1619 Lamoignon 3151543 4 20. 8. 1619 Le Naint 3151545 6 23. 8. 1619 unbek. Dame 3161547 9 4. 9. 1619 Pariser Dame 3171548 11 7. 9. 1619 Pariser Dame 3171551 18 18. 9. 1619 Villeneuve 3051556 27 22. 9. 1619 Le Maitre 3181570 59 X/XII. 1619 Amelot 321 Gesch. d. Heims. v. Paris.1571 60 X/XII. 1619 ein Fräulein 321

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

419

1572 61 2. 12. 1619 eine Dame 322 (vgl. Anm. V/70).1586 93 (1618/1619) Fléchère 1791594 112 16. 1. 1620 ein Onkel 323 vgl. Anm. V/71.1603 121 I/II. 1620 Fléchère 1791605 128 4. 2. 1620 Rousselet 3241611 141 17. 2. 1620 Granieu 2811612 143 17. 2. 1620 Veyssilieu 2721613 144 17. 2. 1620 Jomaron 324 Oeuv. (Original Albano).1635 177 8. 4. 1620 Foras 3251636 179 9. 4. 1620 Villesavin 3141651 207 26. 5. 1620 Fléchère 1801655 213 31. 5. 1620 Lhuillier 3261660 231 2. 6. 1620 Rossillon 3031668 256 20. 6. 1620 Granieu 2821671 261 4. 7. 1620 Villeneuve 3061675 271 7. 7. 1620 Herse 3081678 279 9/10. 7. 1620 Granieu 2831683 298 VII/VIII. 1620 Le Maitre 3201695 313 9. 8. 1620 Lhuillier 3301696 315 9. 8. 1620 Villeneuve 3071704 340 29. 9. 1620 eine Dame 3321711 354 16. 10. 1620 Granieu 2841713 357 23. 10. 1620 Granieu 2851731 390 24. 11. 1620 Granieu 285

Band XX

1751 11 24. 1. 1621 La Maitre 3201753 14 I. 1621 Ruans 2411761 23 8. 2. 1621 Ruans 2421762 24 27. 2. 1621 eine Dame 333 (vgl. Anm. V/75).1768 32 24. 3. 1621 Toulongeon 3351778 51 25. 4. 1621 Dalet 3361779 55 25. 4. 1621 Montfan 3391790 77 11. 5. 1621 Dalet 3401802 98 (1616/1621) Rivolat 3481807 107 24. 7. 1621 Chamousset 3491812 116 VI/VIII. 1621 unbekannt 3491815 121 2. 8. 1621 Villeneuve 3071818 125 4. 8. 1621 Montfan 3421820 131 21. 8. 1621 unbek. Dame 3501823 138 30. 8. 1621 Sautereau 2911827 143 VIII/X. 1621 Amaury 3521830 148 20. 9. 1621 unbek. Dame 3531831 149 20. 9. 1621 Baudeau 3541834 157 25. 9. 1621 Aiguebellette 205

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

420

1836 160 12. 10. 1621 Pechpeirou 3551842 167 IX/XI. 1621 Le Naint 3151843 169 3. 11. 1621 d’Autherin 2311844 170 3. 11. 1621 Granieu 286 Adressat wahrscheinlich.1846 172 10. 11. 1621 Charmoisy 611850 187 11. 11. 1621 Foras 3251860 206 13. 12. 1621 Veyssilieu 2731861 207 13. 12. 1621 eine Dame 3551865 213 1621 ein Freund 3561868 217 1620/1621 Jousse 3561870 221 1616/1622 eine Dame 3571871 222 1618/1622 unbek. Dame 3571879 234 1622 Vaudan 3591881 241 8. 1. 1622 Miolans 3591887 256 23. 1. 1622 Herse 3111893 267 8. 2. 1622 Dalet 3431894 268 13. 2. 1622 Fléchère 1801895 269 17. 2. 1622 Travernay 1981897 272 19. 2. 1622 Fléchère 1801898 273 28. 2. 1622 Charmoisy 611902 280 6. 3. 1622 Kandidatin 3601917 307 18. 5. 1622 Fléchère 1811919 310 7. 6. 1622 eine Dame 3611927 330 6. 7. 1622 Montfan 3441928 333 6. 7. 1622 Dalet 3461938 356 VIII/IX. 1622 Dalet 3471947 373 26. 9. 1622 Rossillon 3031960 393 17. 12. 1622 Toulongeon 3361961 395 19. 12. 1622 eine Dame 362

Band XXI

1967 3 – Charmoisy 62 Prozeßakten.1968 3 – Genève-Lullin 3631971 6 – ein Edelmann 363 1641; vgl. Anm. VI/1.1973 10 – ein Student 3651974 11 – ein Adeliger 3651975 14 – ein Unbekannter 368 Maupas (1657).1976 15 – eine Dame 368 (vgl. Anm. VI/6).1977 16 – die gleiche Dame 3691978 17 – dieselbe Dame 3701979 18 – eine Dame 370 (vgl. Anm. VI/7).1980 19 – eine Dame 3701981 20 – eine Dame 3711982 20 – eine Dame 3711983 21 – eine Dame 372

Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen

421

1984 23 – eine Dame 3731985 23 – ein Fräulein 3731986 25 (8. 9. ) ein Fräulein 3741987 25 – ein Fräulein 3751988 26 – dasselbe Fräulein 3751989 28 – eine Unbekannte 376 Datta1990 29 – eine Unbekannte 377 Datta1991 30 – eine Dame 378 Datta1992 31 – eine Dame 378 Datta1993 32 – dieselbe Dame 379 Datta1994 33 – ein Fräulein 380 Datta1995 34 – eine Dame 3801996 36 – eine Dame 3811997 37 – ein Fräulein 3831998 39 – ein Fräulein 3841999 40 – das gleiche Fräulein 3852000 42 31. 12. ein Fräulein 3862001 43 – eine Unbekannte 386 (vgl. Anm. VI/8).2002 45 – eine Dame 3882003 47 – eine Cousine 389 (vgl. Anm. VI/9).2034 111 20. 1. 1614 Rochefort 2382036 115 VIII. 1614 Bellegarde 249(1340) 116 7. 4. 1617 du Faure 3012043 125 18. 7. 1620 Granieu 284

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