Frau Holle

4
Frau Holle Ein Märchen der Brüder Grimm 8/10 - 323 Bewertungen Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen mußte sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen und mußte so viel spinnen, daß ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, daß die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, daß sie sprach: "Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf." Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wußte nicht, was es anfangen sollte; und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: "Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst ausgebacken." Da trat es herzu und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel, und rief ihm zu: "Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif." Da schüttelte es den Baum, daß die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es wieder

description

maerchen

Transcript of Frau Holle

Frau HolleEin Mrchen der Brder Grimm8/10-323Bewertungen

Eine Witwe hatte zwei Tchter, davon war die eine schn und fleiig, die andere hlich und faul. Sie hatte aber die hliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mute alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mdchen mute sich tglich auf die groe Strae bei einem Brunnen setzen und mute so viel spinnen, da ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, da die Spule einmal ganz blutig war, da bckte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzhlte ihr das Unglck. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, da sie sprach: "Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf." Da ging das Mdchen zu dem Brunnen zurck und wute nicht, was es anfangen sollte; und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schnen Wiese, wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: "Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon lngst ausgebacken." Da trat es herzu und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll pfel, und rief ihm zu: "Ach, schttel mich, schttel mich, wir pfel sind alle miteinander reif." Da schttelte es den Baum, da die pfel fielen, als regneten sie, und schttelte, bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so groe Zhne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: "Was frchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll dir's gut gehn. Du mut nur achtgeben, da du mein Bett gut machst und es fleiig aufschttelst, da die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle." Weil die Alte ihm so gut zusprach, so fate sich das Mdchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit und schttelte ihr das Bett immer gewaltig, auf da die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafr hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein bses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig und wute anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte es, da es Heimweh war; ob es ihm hier gleich vieltausendmal besser ging als zu Haus, so hatte es doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte es zu ihr: "Ich habe den Jammer nach Haus gekriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht lnger bleiben, ich mu wieder hinauf zu den Meinigen." Die Frau Holle sagte: "Es gefllt mir, da du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen." Sie nahm es darauf bei der Hand und fhrte es vor ein groes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das Mdchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hngen, so da es ber und ber davon bedeckt war. "Das sollst du haben, weil du so fleiig gewesen bist," sprach die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlossen, und das Mdchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Haus; und als es in den Hof kam, sa der Hahn auf dem Brunnen und rief:"Kikeriki,Unsere goldene Jungfrau ist wieder hie."Da ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester gut aufgenommen.

Das Mdchen erzhlte alles, was ihm begegnet war, und als die Mutter hrte, wie es zu dem groen Reichtum gekommen war, wollte sie der andern, hlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glck verschaffen. Sie mute sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Finger und stie sich die Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schne Wiese und ging auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: "Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon lngst ausgebacken." Die Faule aber antwortete: "Da htt ich Lust, mich schmutzig zu machen," und ging fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: "Ach, schttel mich, schttel mich, wir pfel sind alle miteinander reif." Sie antwortete aber: "Du kommst mir recht, es knnte mir einer auf den Kopf fallen," und ging damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, frchtete sie sich nicht, weil sie von ihren groen Zhnen schon gehrt hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag tat sie sich Gewalt an, war fleiig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken wrde; am zweiten Tag aber fing sie schon an zu faulenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sich's gebhrte, und schttelte es nicht, da die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald mde und sagte ihr den Dienst auf. Die Faule war das wohl zufrieden und meinte, nun wrde der Goldregen kommen; die Frau Holle fhrte sie auch zu dem Tor, als sie aber darunterstand, ward statt des Goldes ein groer Kessel voll Pech ausgeschttet. "Das ist zur Belohnung deiner Dienste," sagte die Frau Holle und schlo das Tor zu. Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief:"Kikeriki,Unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie."Das Pech aber blieb fest an ihr hngen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen.

* * * * *