Freitag Magazin 2 3 Unterwegs in eine archaische Kultur ... · MAROKKO Paradiesische Gärten,...

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MAROKKO Paradiesische Gärten, archaische Felstürme, tiefe Schluchten und biblische Szenerien: Wer im Hohen Atlas wandert, fühlt sich in eine an- dere Zeitrechnung versetzt. Ein Trekking mit einheimi- schem Guide, Koch und Maul- tieren feiert die Langsamkeit, den Luxus des einfachen Le- bens und die Kultur der Berber. Der Anfang war ein Schock. Über einen Hang gelangen wir in das erste Dorf. Eine Frau auf einem Esel kommt uns entgegen. Sie zieht das Kopftuch übers Gesicht und wendet den Blick ab. Später beobachten uns aus sicherer Dis- tanz neugierige Kinderaugen. Als wir zu nahe kommen, rennt ein kleines Mädchen weinend davon. Die Leute seien «timide», sagt unser Guide, scheu, sie kennen keine Touristen. Wir jedoch füh- len uns verunsichert: Was suchen wir hier eigentlich? Durch einen Torbogen aus Lehm treten wir auf eine erdige Dachterrasse. Dort hantieren der Koch und die vier Maultierfüh- rer, die uns die kommende Zeit begleiten werden. Und auf einem grossen roten Teppich steht schon das Silbertablett mit der Teekanne und den typischen kleinen Gläsern bereit: «Whisky marocain», Grüntee, mit Zucker und Minze aufgekocht, der klas- sische Apéro in dem muslimi- schen Land. Der Einfachheit hal- ber bekommen wir alle gleich einen marokkanischen Namen verpasst: Hasna, Touda, Rakia und Doud. Willkommen auf dem Trekking, das uns in den kom- menden zwölf Tagen von den fruchtbaren Tälern des Nordens über die wuchtigen Flanken der mächtigsten Berge im Hohen At- las in die wüstenartigen Täler von Marokkos Süden führen wird. Und in eine archaische Kultur. Mit Lehm und Stroh verputzte Häuser Die zeigt sich gleich, als wir unse- re erste Bleibe erkunden. Es ist das Haus, in dem unser Guide aufgewachsen ist. Heute wohnt die Familie seines Onkels darin. Und wie alle Häuser hier sind sie aus der Erde vor Ort gebaut. Die besseren Zimmer sind mit Lehm und Stroh verputzt, in Pastellfar- ben bemalt und mit Teppichen ausgelegt. Ein solches räumt die Familie im unteren Stock für uns frei – gleich neben dem Raum für die Schafe. Das Klo liegt einen Stock tiefer, und als wir es benut- zen, sehen wir kurz darauf ein Rinnsal in den Innenhof sickern — dort wo auch Kuh und Ziegen angebunden sind. Fliessendes Wasser? Fehlanzeige. Es ist unse- re Feuertaufe. Auch wenn Du- schen und WCs auf dem ganzen Trekking abenteuerlich bleiben werden, kann uns danach kaum mehr etwas erschüttern. Waren wir anfangs noch darauf aus, den mit 4068 Metern höchs- ten Berg im östlichen Atlas, den Ighil M’Goun, zu besteigen, mer- ken wir bald: Das wirklich Aufre- gende hier ist die Kultur und der Schlüssel zu ihr, unser einheimi- scher Guide Momo mit seinem Team. «So etwas werden wir nie wieder erleben», sagt Hasna vol- ler Enthusiasmus. Momo scherzt mit den Kindern, die uns unter- wegs nach Bonbons fragen und dabei vor allem Kontakt suchen. Er zeigt uns, wie die Lehmhäuser gebaut werden und wie die Dör- fer organisiert sind. Er übersetzt die Berberlieder, die unsere Maul- tiertreiber an manchen Abenden singen. Und wenn wir zum Tee eingeladen werden, gehen wir je- des Mal begeistert mit: zu den Ver- wandten unseres Guides oder der Maultiertreiber, zur Nomadin, die uns Medikamente zeigt und wis- sen will, wie man sie braucht, zu jener anderen, der wir eine Mu- schel abkaufen und die uns zum Dank in die Rauchküche ihrer winzigen Lehmbehausung lädt, wo wir in einem Bündel am Boden plötzlich ein Baby entdecken. Oder zu jenem älteren Herrn, der früher selber als Maultiertreiber unterwegs war und mit uns über mögliche Heiratsvarianten wit- zelt, in die seine Frau munter ein- stimmt, als sie von der Arbeit auf dem Feld kommt. Vogelgezwitscher und zirpende Grillen Die Feldarbeit, sie ist die Lebens- grundlage der Berber, die in den abgelegenen Tälern des Hohen Atlas leben. Und so laufen wir schon am zweiten Tag durch überraschend saftiges Grün. Ein kunstvolles Netz von Bewässe- rungsgräben, den Suonen ähn- lich, durchzieht den Talboden und verwandelt ihn mit Obst- und Nussbäumen, leuchtenden Iris, Gerste und Weizen in einen Paradiesgarten mit Vogelgezwit- scher und zirpenden Grillen: «Vallées heureuses» haben die Franzosen die Täler von Ait Bou- guemez genannt. Immer wieder sehen wir Männer von Hand mit dem Spaten die Gräben ausheben oder auf dürren Eseln Waren transportieren, Frauen, wie sie mit Sicheln die Ähren schneiden, Gras oder Brennholz in grossen Bündeln auf dem Rücken nach Hause schleppen oder im Fluss die schweren Teppiche sauber klopfen. Die Leute leben vor allem von der Selbstversorgung, einen Zusatzverdienst bietet der Trek- kingtourismus mit Arbeitsmög- lichkeiten sowie Übernachtungen und Einkäufen vor Ort. Auch un- ser Koch und die Maultiertreiber stammen aus diesen Tälern, und am sechsten Tag laufen wir am Hauptort Tabant vorbei. Dort wurde vor rund dreissig Jahren die Schule der «Métiers de la mon- tagne» eröffnet, an der unser Gui- de seine Ausbildung gemacht hat. Unterwegs in eine archaische Kultur TIPPS UND INFOS Route: Von Sremt (in der Nähe von Azilal) durch die Täler von Ait Bouguemez auf das Plateau von Tarkeddite und auf den Gipfel des Ighil M’Goun (4068 m). Abstieg ins Oulilimte-Tal und durch die M’Goun-Schlucht (30 km). Anrei- se von Marrakesch und Rückreise über Ouarzazate und den Pass Tizi n’Tichka im Auto. Anforderungen: Kondition für 6–7-stündige Tagesetappen mit leichtem Tagesrucksack. Zumeist einfache, flache Wege, einzelne Bergetappen verlangen Trittsi- cherheit und Schwindelfreiheit. Unterkunft: In Gîtes d’Etapes, bei Einheimischen und im Zelt. Voll- pension mit marokkanischer Kü- che. Das Gepäck wird von Maul- tieren getragen. Reisezeit: Mai bis Oktober. Karte: Kultur-Trekking im zentra- len Hohen Atlas, Herbert Popp (Hrsg.), Universität Bayreuth. Kultur: Marokko ist ein muslimi- sches Land; respektvolle Klei- dung und Zurückhaltung beim Fotografieren, insbesondere von Frauen, sind angebracht. Alko- holhaltige Getränke gibt es nur in grossen Städten für Touristen. Kosten: 14 Tage Trekking und 4 Tage Marrakesch mit Übernach- tung im Riad ab CHF 1200 (bei 8 Personen, ohne Flug). Hinzu kommen ca. 10% Trinkgeld für Guide, Koch und Maultiertreiber. Reiseagentur: Trek Berbère Aventure. Einheimische Agentur. Inhaber Mohamed Majghij ist Biologe und lizenzierter Guide, er spricht Französisch sowie etwas Englisch und Deutsch. Auf Anfra- ge ist eine deutschsprachige Rei- sebegleitung möglich. ass www. trekberbereaventure.com Mit Maultieren, Koch und Guide im zentralen Hohen Atlas Erfrischend: Die letzten Kilometer geht es durch eine Schlucht. Gastlich: Thé à la menthe gibt es bei jeder Gelegenheit. Rundum versorgt: Die Maultiere transportieren das ganze Gepäck, die mobile Küche und die Zelte. Bilder Anne-Sophie Scholl Am Horizont thront der Ighil M’Goun, der mit seinem Gip- felgrat in der Land- schaft liegt wie ein versteinertes Reptil. Dann wird es ernst. Wir verlas- sen den Talboden, und von da an spielt die Hauptrolle nur noch die Natur. Gewaltige Schluchten, wuchtig gefaltete Felsbänder, Felstürme und grandios geschich- tete Platten, von der Erosion aus- gespülte Hänge und leuchtende Farben von Rot über Violett, Ocker, Schwarz und Grün: ein ein- ziger monumentaler Kraftort, der die Macht vom Aufprall der Kon- tinentalplatten in sich trägt. Am Horizont thront die Bergkette des Ighil M’Goun, der mit seinem fast zehn Kilometer langen Gip- felgrat in der Landschaft liegt wie ein versteinertes Reptil. Knietief im Wasser der M’Goun-Schlucht Für den letzten Aufstieg brechen wir um fünf Uhr morgens in knapp 3000 Meter Höhe auf. Wir wollen den Gipfel erreichen, be- vor die thermischen Winde über dem Grat allenfalls Gewitterwol- ken losbrechen lassen: Der M’Goun ist Klimascheide. Und als wir zuoberst auf dem mächti- gen Massiv stehen, sehen wir deutlich, wie sich der grüne Nor- den von dem ausgetrockneten Süden abhebt. Für uns ist Halb- zeit. Die kommenden sechs Tage werden wir dem Fluss folgen, der dem M’Goun entspringt. Entlang dieser Lebensader im kargen Gestein werden wir an weiteren Berberdörfern vorbeiwandern — die letzten drei Tage knietief im Wasser zwischen den rot leuch- tenden Felsen einer Schlucht, die sich über 30 Kilometer bis an den Rand der Halbwüste zieht. Anne-Sophie Scholl WANDERN Mit den Säumern über den Rawil Mit Wein und Salz bepackt, zieht eine Maultierkolonne vom Wallis her über den Rawilpass an die Lenk, in umgekehrter Richtung werden Käselaibe und ganze Viehherden nach Italien ge- bracht: Das war bis ins 18. Jahr- hundert zu beobachten, als der Rawil, vor dem Ausbau der Stras- sen, der wichtigste Handels- und Transportweg zwischen dem Simmental und dem Wallis war. Und das soll jetzt wieder aufle- ben: Eine Gruppe von Maultier- haltern, Gastronomen und Wein- bauern wird von den Weinbergen im Wallis aufbrechen, mit Wein in originalen Fässern. Zwischen dem 11. und dem 17.August kön- nen Wanderer sich der Säumer- kolonne anschliessen. Auskünfte erteilt Hans Neuenschwander (079 432 98 51, hans.neuen- [email protected]). pd ANREISEN Mit dem ÖV zum Flughafen Zürich 43 Prozent der Passagiere, Be- sucher und Angestellten reisen mit öffentlichen Verkehrsmit- teln (ÖV) an den Flughafen Zü- rich-Kloten. Dies zeigt die diese Woche veröffentlichte neueste Erhebung des sogenannten Mo- dalsplits am Zürcher Flughafen. Der Modalsplit bezeichnet den relativen Anteil des öffentlichen Verkehrs am gesamten Verkehrs- aufkommen aller Flughafenbe- nutzer. Er muss von der Flug- hafenbetreiberin alle vier Jahre mittels Befragung erhoben wer- den. Gegenüber der letzten Er- hebung im Jahr 2009 ist der Anteil von 40 auf 43 Prozent gestiegen. sda FLIEGEN Cathay Pacific ist Spitze Hongkongs Fluggesellschaft Ca- thay Pacific ist 2014 die beste Airline der Welt. Das meint eine grosse Zahl der fast 19 Millionen Passagiere, die in einer Umfrage abgestimmt haben, auf der die bekannteste Auszeichnung in der Luftfahrtbranche, die «Sky- trax World Airline Awards», ba- siert. Dahinter belegen die Air- lines aus arabischen Golfstaaten die Plätze 2 (Qatar Airways), 4 (Emirates) und 9 (Etihad Air- ways). Und auf Platz 5 sind Tur- kish Airlines vorgestossen. Das sind alles harte Konkurrenten der Lufthansa, die nur auf Platz 10 landete. Aber immerhin, denn in den vergangenen Jahren fi- gurierte Lufthansa nicht unter den Top Ten. Und welches ist die beste Fluggesellschaft in Euro- pa? Turkish Airlines. mhg STREIKEN Abfallkrise auf Djerba Die tunesische Ferieninsel Djerba hat ein Abfallproblem. Einwohner haben zu Protesten gegen die «katastrophale Um- weltsituation» aufgerufen. Gewerkschafter, Hoteliers und andere Vertreter der Zivilgesell- schaft wollen die Behörden mit einem Generalstreik zum Han- deln zwingen. Der für diese Wo- che geplante Streik wurde nach Gesprächen mit regionalen Re- gierungsvertretern auf den 24. Juli vertagt. Zunächst soll nun eine Ministerdelegation aus der Hauptstadt Tunis auf die In- sel reisen, um über Lösungen des Problems zu beraten. Auf der In- sel häuft sich der Kehricht, weil eine umstrittene Mülldeponie geschlossen worden ist. sda Last Minute Magazin Freitag 18. Juli 2014 23

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MAROKKO ParadiesischeGärten, archaische Felstürme,tiefe Schluchten und biblischeSzenerien: Wer im Hohen Atlaswandert, fühlt sich in eine an-dere Zeitrechnung versetzt.Ein Trekking mit einheimi-schem Guide, Koch und Maul-tieren feiert die Langsamkeit,den Luxus des einfachen Le-bens und die Kultur der Berber.

Der Anfang war ein Schock. Übereinen Hang gelangen wir in daserste Dorf. Eine Frau auf einemEsel kommt uns entgegen. Siezieht das Kopftuch übers Gesichtund wendet den Blick ab. Späterbeobachten uns aus sicherer Dis-tanz neugierige Kinderaugen. Alswir zu nahe kommen, rennt einkleines Mädchen weinend davon.Die Leute seien «timide», sagtunser Guide, scheu, sie kennenkeine Touristen. Wir jedoch füh-len uns verunsichert: Was suchenwir hier eigentlich?

Durch einen Torbogen ausLehm treten wir auf eine erdigeDachterrasse. Dort hantieren derKoch und die vier Maultierfüh-rer, die uns die kommende Zeitbegleiten werden. Und auf einemgrossen roten Teppich stehtschon das Silbertablett mit derTeekanne und den typischenkleinen Gläsern bereit: «Whiskymarocain», Grüntee, mit Zuckerund Minze aufgekocht, der klas-sische Apéro in dem muslimi-schen Land. Der Einfachheit hal-ber bekommen wir alle gleicheinen marokkanischen Namenverpasst: Hasna, Touda, Rakiaund Doud. Willkommen auf demTrekking, das uns in den kom-menden zwölf Tagen von denfruchtbaren Tälern des Nordensüber die wuchtigen Flanken dermächtigsten Berge im Hohen At-las in die wüstenartigen Täler vonMarokkos Süden führen wird.Und in eine archaische Kultur.

Mit Lehm und Strohverputzte HäuserDie zeigt sich gleich, als wir unse-re erste Bleibe erkunden. Es istdas Haus, in dem unser Guideaufgewachsen ist. Heute wohntdie Familie seines Onkels darin.Und wie alle Häuser hier sind sieaus der Erde vor Ort gebaut. Diebesseren Zimmer sind mit Lehmund Stroh verputzt, in Pastellfar-ben bemalt und mit Teppichenausgelegt. Ein solches räumt dieFamilie im unteren Stock für unsfrei – gleich neben dem Raum fürdie Schafe. Das Klo liegt einenStock tiefer, und als wir es benut-zen, sehen wir kurz darauf einRinnsal in den Innenhof sickern— dort wo auch Kuh und Ziegenangebunden sind. FliessendesWasser? Fehlanzeige. Es ist unse-re Feuertaufe. Auch wenn Du-schen und WCs auf dem ganzenTrekking abenteuerlich bleibenwerden, kann uns danach kaummehr etwas erschüttern.

Waren wir anfangs noch daraufaus, den mit 4068 Metern höchs-

ten Berg im östlichen Atlas, denIghil M’Goun, zu besteigen, mer-ken wir bald: Das wirklich Aufre-gende hier ist die Kultur und derSchlüssel zu ihr, unser einheimi-scher Guide Momo mit seinemTeam. «So etwas werden wir niewieder erleben», sagt Hasna vol-ler Enthusiasmus. Momo scherztmit den Kindern, die uns unter-wegs nach Bonbons fragen unddabei vor allem Kontakt suchen.Er zeigt uns, wie die Lehmhäuser

gebaut werden und wie die Dör-fer organisiert sind. Er übersetztdie Berberlieder, die unsere Maul-tiertreiber an manchen Abendensingen. Und wenn wir zum Teeeingeladen werden, gehen wir je-des Mal begeistert mit: zu den Ver-wandten unseres Guides oder derMaultiertreiber, zur Nomadin, dieuns Medikamente zeigt und wis-sen will, wie man sie braucht, zujener anderen, der wir eine Mu-schel abkaufen und die uns zumDank in die Rauchküche ihrerwinzigen Lehmbehausung lädt,wo wir in einem Bündel am Bodenplötzlich ein Baby entdecken.Oder zu jenem älteren Herrn, derfrüher selber als Maultiertreiberunterwegs war und mit uns übermögliche Heiratsvarianten wit-

zelt, in die seine Frau munter ein-stimmt, als sie von der Arbeit aufdem Feld kommt.

Vogelgezwitscherund zirpende GrillenDie Feldarbeit, sie ist die Lebens-grundlage der Berber, die in denabgelegenen Tälern des HohenAtlas leben. Und so laufen wirschon am zweiten Tag durchüberraschend saftiges Grün. Einkunstvolles Netz von Bewässe-rungsgräben, den Suonen ähn-lich, durchzieht den Talbodenund verwandelt ihn mit Obst-und Nussbäumen, leuchtendenIris, Gerste und Weizen in einenParadiesgarten mit Vogelgezwit-scher und zirpenden Grillen:«Vallées heureuses» haben dieFranzosen die Täler von Ait Bou-guemez genannt. Immer wiedersehen wir Männer von Hand mitdem Spaten die Gräben aushebenoder auf dürren Eseln Warentransportieren, Frauen, wie siemit Sicheln die Ähren schneiden,Gras oder Brennholz in grossenBündeln auf dem Rücken nachHause schleppen oder im Flussdie schweren Teppiche sauberklopfen. Die Leute leben vor allemvon der Selbstversorgung, einenZusatzverdienst bietet der Trek-kingtourismus mit Arbeitsmög-lichkeiten sowie Übernachtungenund Einkäufen vor Ort. Auch un-ser Koch und die Maultiertreiberstammen aus diesen Tälern, undam sechsten Tag laufen wir amHauptort Tabant vorbei. Dortwurde vor rund dreissig Jahrendie Schule der «Métiers de la mon-tagne» eröffnet, an der unser Gui-de seine Ausbildung gemacht hat.

Unterwegs in eine archaische Kultur

TIPPS UND INFOS

Route: Von Sremt (in der Nähevon Azilal) durch die Täler von AitBouguemez auf das Plateau vonTarkeddite und auf den Gipfel desIghil M’Goun (4068 m). Abstiegins Oulilimte-Tal und durch dieM’Goun-Schlucht (30 km). Anrei-se von Marrakesch und Rückreiseüber Ouarzazate und den PassTizi n’Tichka im Auto.Anforderungen: Kondition für6–7-stündige Tagesetappen mitleichtem Tagesrucksack. Zumeisteinfache, flache Wege, einzelneBergetappen verlangen Trittsi-cherheit und Schwindelfreiheit.

Unterkunft: In Gîtes d’Etapes, beiEinheimischen und im Zelt. Voll-pension mit marokkanischer Kü-che. Das Gepäck wird von Maul-tieren getragen.Reisezeit: Mai bis Oktober.Karte: Kultur-Trekking im zentra-len Hohen Atlas, Herbert Popp(Hrsg.), Universität Bayreuth.Kultur: Marokko ist ein muslimi-sches Land; respektvolle Klei-dung und Zurückhaltung beimFotografieren, insbesondere vonFrauen, sind angebracht. Alko-holhaltige Getränke gibt es nur ingrossen Städten für Touristen.

Kosten: 14 Tage Trekking und 4Tage Marrakesch mit Übernach-tung im Riad ab CHF 1200 (bei 8Personen, ohne Flug). Hinzukommen ca. 10% Trinkgeld fürGuide, Koch und Maultiertreiber.Reiseagentur: Trek BerbèreAventure. Einheimische Agentur.Inhaber Mohamed Majghij istBiologe und lizenzierter Guide, erspricht Französisch sowie etwasEnglisch und Deutsch. Auf Anfra-ge ist eine deutschsprachige Rei-sebegleitung möglich. ass

www. trekberbereaventure.com

Mit Maultieren, Koch und Guide im zentralen Hohen Atlas

Erfrischend: Die letzten Kilometergeht es durch eine Schlucht.

Gastlich: Thé à la menthe gibt esbei jeder Gelegenheit.

Rundum versorgt: Die Maultiere transportieren das ganze Gepäck, die mobile Küche und die Zelte. Bilder Anne-Sophie Scholl

Am Horizont throntder Ighil M’Goun,der mit seinem Gip-felgrat in der Land-schaft liegt wie einversteinertes Reptil.

Dann wird es ernst. Wir verlas-sen den Talboden, und von da anspielt die Hauptrolle nur noch dieNatur. Gewaltige Schluchten,wuchtig gefaltete Felsbänder,Felstürme und grandios geschich-tete Platten, von der Erosion aus-gespülte Hänge und leuchtendeFarben von Rot über Violett,Ocker, Schwarz und Grün: ein ein-ziger monumentaler Kraftort, derdie Macht vom Aufprall der Kon-tinentalplatten in sich trägt. AmHorizont thront die Bergkettedes Ighil M’Goun, der mit seinemfast zehn Kilometer langen Gip-felgrat in der Landschaft liegt wieein versteinertes Reptil.

Knietief im Wasserder M’Goun-SchluchtFür den letzten Aufstieg brechenwir um fünf Uhr morgens inknapp 3000 Meter Höhe auf. Wirwollen den Gipfel erreichen, be-vor die thermischen Winde überdem Grat allenfalls Gewitterwol-ken losbrechen lassen: DerM’Goun ist Klimascheide. Undals wir zuoberst auf dem mächti-gen Massiv stehen, sehen wirdeutlich, wie sich der grüne Nor-den von dem ausgetrocknetenSüden abhebt. Für uns ist Halb-zeit. Die kommenden sechs Tagewerden wir dem Fluss folgen, derdem M’Goun entspringt. Entlangdieser Lebensader im kargenGestein werden wir an weiterenBerberdörfern vorbeiwandern —die letzten drei Tage knietief imWasser zwischen den rot leuch-tenden Felsen einer Schlucht, diesich über 30 Kilometer bis an denRand der Halbwüste zieht.

Anne-Sophie Scholl

WANDERN

Mit den Säumernüber den RawilMit Wein und Salz bepackt, ziehteine Maultierkolonne vom Wallisher über den Rawilpass an dieLenk, in umgekehrter Richtungwerden Käselaibe und ganzeViehherden nach Italien ge-bracht: Das war bis ins 18. Jahr-hundert zu beobachten, als derRawil, vor dem Ausbau der Stras-sen, der wichtigste Handels- undTransportweg zwischen demSimmental und dem Wallis war.Und das soll jetzt wieder aufle-ben: Eine Gruppe von Maultier-haltern, Gastronomen und Wein-bauern wird von den Weinbergenim Wallis aufbrechen, mit Weinin originalen Fässern. Zwischendem 11. und dem 17. August kön-nen Wanderer sich der Säumer-kolonne anschliessen. Auskünfteerteilt Hans Neuenschwander(079 432 98 51, [email protected]). pd

ANREISEN

Mit dem ÖV zumFlughafen Zürich43 Prozent der Passagiere, Be-sucher und Angestellten reisenmit öffentlichen Verkehrsmit-teln (ÖV) an den Flughafen Zü-rich-Kloten. Dies zeigt die dieseWoche veröffentlichte neuesteErhebung des sogenannten Mo-dalsplits am Zürcher Flughafen.Der Modalsplit bezeichnet denrelativen Anteil des öffentlichenVerkehrs am gesamten Verkehrs-aufkommen aller Flughafenbe-nutzer. Er muss von der Flug-hafenbetreiberin alle vier Jahremittels Befragung erhoben wer-den. Gegenüber der letzten Er-hebung im Jahr 2009 ist derAnteil von 40 auf 43 Prozentgestiegen. sda

FLIEGEN

Cathay Pacificist SpitzeHongkongs Fluggesellschaft Ca-thay Pacific ist 2014 die besteAirline der Welt. Das meint einegrosse Zahl der fast 19 MillionenPassagiere, die in einer Umfrageabgestimmt haben, auf der diebekannteste Auszeichnung inder Luftfahrtbranche, die «Sky-trax World Airline Awards», ba-siert. Dahinter belegen die Air-lines aus arabischen Golfstaatendie Plätze 2 (Qatar Airways), 4(Emirates) und 9 (Etihad Air-ways). Und auf Platz 5 sind Tur-kish Airlines vorgestossen. Dassind alles harte Konkurrentender Lufthansa, die nur auf Platz10 landete. Aber immerhin, dennin den vergangenen Jahren fi-gurierte Lufthansa nicht unterden Top Ten. Und welches ist diebeste Fluggesellschaft in Euro-pa? Turkish Airlines. mhg

STREIKEN

Abfallkriseauf DjerbaDie tunesische FerieninselDjerba hat ein Abfallproblem.Einwohner haben zu Protestengegen die «katastrophale Um-weltsituation» aufgerufen.Gewerkschafter, Hoteliers undandere Vertreter der Zivilgesell-schaft wollen die Behörden miteinem Generalstreik zum Han-deln zwingen. Der für diese Wo-che geplante Streik wurde nachGesprächen mit regionalen Re-gierungsvertretern auf den24. Juli vertagt. Zunächst sollnun eine Ministerdelegation ausder Hauptstadt Tunis auf die In-sel reisen, um über Lösungen desProblems zu beraten. Auf der In-sel häuft sich der Kehricht, weileine umstrittene Mülldeponiegeschlossen worden ist. sda

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