Friede und Heil, Februar 2009

16
1Z20717F Zeitschrift der Franziskaner-Minoriten 75. Jahrgang – Nr. 1 – 2009 Solisten im „Kleinen Chor der großen Herzen“ aus unserer Pfarrei „Mutter Maria, Königin der Engel“ in der polnischen Industriestadt Łódz ´.

description

Zeitschrift der Franziskaner-Minoriten in Deutschland

Transcript of Friede und Heil, Februar 2009

1Z20717F

Zeitschrift der Franziskaner-Minoriten 75. Jahrgang – Nr. 1 – 2009

Solisten im

„ Kleinen Chor der großen Herzen“ aus unserer Pfarrei „Mutter Maria, Königin der Engel“

in der polnischen Industriestadt Łódz.

Mit diesem Wunsch begrüße ich Sie zum 75. Jahrgang unserer Zeitschrift. Das erste Heft müsste also 1934 herausgekommen sein. Doch erschien die erste Num-mer im Januar 1925, unter der Leitung von P. Ambrosius. M. Hartz. Damals lautete der Titel: „Würzburger Franziskus-Glo-cken. Monatszeitschrift für die Mitglieder des III. Ordens und Franziskusfreunde.“ Sie ahnen schon, dass die Geschichte un-serer Zeitschrift einige Überraschungen ver-spricht. Sie lässt sich auch nicht in wenigen Zeilen auf dieser Seite darstellen. Im Laufe des Jahres will ich das mit einem eigenen Beitrag nachholen. Darin erfahren Sie dann die Namen jener Mitbrüder, die seit dem Jahr 1925 für die Herausgabe verantwortlich waren, sowie auch, wann und warum der Titel „Franziskus-Glo-cken“ in „Friede und Heil“ umgeändert wurde.

Am liebsten würde ich eine Umfrage star-ten, um herauszufinden, bei wem von Ihnen, den Leserinnen und Lesern von „Friede und Heil“, die Erinnerung an unsere Zeitschrift und die jeweiligen Schriftleiter am weitesten zurückreicht. Jedenfalls danke ich Ihnen von Herzen für Ihre Treue zu uns Franziskaner-Mi-noriten. Ein besonderes Vergelt’s Gott gilt den Förderinnen und Fördern unserer Zeitschrift, die oft unter großen persönlichen Mühen und Opfern – zuweilen hochbetagt, von Krank-heiten und Beschwerden geplagt – die Hefte zu den Bezieherinnen und Beziehern austragen. Manche Förderer/Förderinnen sammeln sogar Jahr für Jahr die Beiträge und Spenden ein, um sie in einer Sammelüberweisung an uns wei-terzuleiten. Dabei kommt es vor, dass sie sich unangenehme, hämische, ja aggressive Bemer-kungen anhören müssen. Umso erfreulicher ist es, dass sie immer wieder einmal melden kön-nen: Die Anzahl der Hefte auf der Liste ändert sich nicht, weil Frau oder Herr Sowieso zwar verstorben ist, ihre Kinder aber bereit sind, die Hefte weiterhin zu beziehen.

In seiner Meditation erinnert uns Pater Josef: Wir sind für die Schöpfung mitverantwortlich. Er macht es an zwei konkreten Beispielen fest. Mit Simone Weil entführt er uns in die Welt der Fabrikarbeiter(innen), mit Altabt Emmanuel Jungclaussen in die möglichst unberührte Natur. Die Illustrationen verdeutlichen die Brisanz und die innere Wider-sprüchlichkeit dieser Problematik.

Unser Leben ist befristet, die einen sagen „leider“, die anderen sagen „Gott sei Dank!“. In Psalm 90 heißt es: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer, rasch geht es vorbei, wir fliegen dahin.“ Die uns durch das kurze Leben gesetzte Frist ist heilsam. Jahr für Jahr mahnen uns die vierzig Tage österliche Bußzeit, nicht gedan-kenlos durchs Leben zu stolpern. Der Ritus am Aschermittwoch soll aufrütteln: Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst! Ziel ist die Bekehrung des Herzens, ein Mittel dazu ist die persönliche Beichte.

Wie es seine Pflicht ist, hat sich Kurienbi-schof Gianfranco Girotti, ein Mitbruder aus dem Minoritenorden, Regent der Aposto-lischen Pönitentiarie, auch in diesem Jahr zu Wort gemeldet: Heute sei es um das Bußsa-krament nicht gut bestellt; das weit verbrei-tete fehlende Sündenbewusstsein wirke sich entsprechend aus; der Sinn für die Beleidigung Gottes sei abhanden gekommen, denn „in einer säkularisierten Welt wird seine Gegenwart als unwichtig erachtet“.

Ziel unserer Fastenvorsätze, so meine ich, sollte nicht der Waschbrettbauch oder die jugendlich-schlanke Figur sein, sondern das durch eine gute Osterbeichte geläuterte Herz.

Es grüßt Sie in dankbarer VerbundenheitIhr

Im Sacro Convento von Assisi verstarb am 29. Dezember 2008 Pater Gerhard Ruf aus unserer Franziskaner-Minoriten-Provinz. Mit ihm verliert die Ordensgemeinschaft einen profunden Kenner der Basilika des heiligen Franziskus, wo er fast fünfzig Jahre lang als Seelsorger und Kirchenführer tätig war.

Geboren wurde P. Gerhard Ruf am 17. Oktober 1927 in Kaiserslautern und erhielt in der Taufe die Namen Eugen Josef Helmut. Nach Volks-schule und Gymnasium leistete er von 1943 bis 1945 Militärdienst in Russland und geriet nach Kriegsende für sechs Monate in Kriegs-gefangenschaft. Im September 1947 begann er im Kloster Schwarzenberg sein Noviziat, legte 1948 seine Erstprofess ab, dann folgten philo-sophisch-theologische Studien in Fribourg/Schweiz, wo er am 8. September 1951 seine Fei-erlichen Gelübde ablegte. Zum Priester weihte ihn am 18. Juli 1953 Bischof Julius Döpfner in der Würzburger Neumünsterkirche. Von 1954 bis 1956 war P. Gerhard im Kloster Maria Eck stationiert und bewährte sich als Prokurator und Ökonom. Danach sammelte er im Kloster Reisbach in Niederbayern Erfahrungen als Ka-plan und wurde von 1958 bis 1959 im Kloster Würzburg in der Seelsorge eingesetzt.

In den Sacro Convento bei der Basilika San Francesco in Assisi wurde P. Gerhard 1959 versetzt, „für ein paar Monate zur Aushilfe“! Vom 18. Juli 1959 bis zu seinem Tod am 29. Dezember 2008 sollte er ununterbrochen dort bleiben. Hier eröffnete sich dem vielseitig be-gabten Priester ein breites Arbeitsfeld, wobei im Mittelpunkt die theologisch-spirituelle Deutung der mittelalterlichen Freskenmalerei der Basilika stand. In Kirchenführungen wie auch gedruckten Veröffentlichungen erschloss P. Gerhard Ruf den Besuchern die geistliche Botschaft der Bilder. Als Fachmann für Foto-grafie gründete und leitete er das Fotoarchiv der Basilika und des Sacro Convento di San Francesco in Assisi. Hinzu kamen Gottes-dienste, Beichtgespräche, Betreuung der

deutschsprachigen ka-tholischen Gemeinde von Florenz, praktisch-organi-satorische Hilfen für die Besucher des deutschen Sprachraumes. Über seine Vermittlungstä-tigkeit im Entführungsfall Kronzucker 1980 resümierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung anlässlich der Verleihung des Bundesverdienst-kreuzes 1982: „Über den Pater Ruf kann man nichts Passenderes sagen, als dass es gut ist, in menschlichem Leid, bei Schicksalsschlägen, einen Franziskaner an der Seite zu haben.“

Nach seiner Ablösung als Pilgerbetreuer und Wallfahrtsseelsorger durch Diakon Br. Thomas Freidel 2008 vervollständigte P. Gerhard sein international renommiertes Fotoarchiv mit etwa 30.000 überwiegend von ihm selbst an-gefertigten Aufnahmen. Bei der Beisetzung in der Gruft des Sacro Convento in Assisi deutete Diözesanbischof Domenico Sorrentino den Fa-miliennamen „Ruf“: P. Gerhard habe sich von Gott in seinen Dienst rufen lassen und sei so in dieser ständigen Bereitschaft selbst zu einem Rufer geworden, der durch die Vermittlung der Kunst viele Menschen zum Glauben im Geist des heiligen Franziskus geführt habe.

Das Lebenswerk von P. Gerhard würdigte seitens des Ordens P. Jerzy Norel, Generalvikar in Rom. Provinzialminister P. Leo Beck dankte für sein Lebenszeugnis. Sein Dienst sei immer Sorge um den ganzen Menschen gewesen. Leidenschaftlich und temperamentvoll habe P. Gerhard diese Aufgaben erfüllt – in der treuen Nachfolge des heiligen Franziskus, dessen Bot-schaft er zeitlebens den Menschen vermitteln wollte. Der Nachwelt bleibt P. Gerhard Ruf in lebendiger Erinnerung, nicht zuletzt durch seine zahlreichen Publikationen, darunter das letzte Werk aus dem Jahr 2004 mit dem Titel „Die Fresken der Oberkirche von San Francesco in Assisi. Ikonographie und Theo-logie“ (Verlag Schnell und Steiner).

A.M.

Er führte über die Kunst zum Glauben: Pater Gerhard Ruf †

Rom, 17. Oktober 2008 Prot.-Nr. 602/08

Brief des Obersten Moderators der Miliz der Immaculata an die Minister, Kustoden und Delegaten OFM Conv. auf Ordens- und Provinzebeneund an die nationalen Zentren der M.I.

Meine Lieben, Euch allen wünsche ich Frieden und alles Gute im Herrn!Ich schreibe euch in meiner Eigenschaft als Oberster Moderator, genau ein Jahr nach der ordentlichen Generalversammlung der Miliz der Immaculata. Die Versammlung war zusammengerufen worden in Erfüllung der satzungsmäßigen Verpflichtungen und als krönender Abschluss des 90. Jahrtags der Gründung der M.I., des 25. Jahrtags der Heiligsprechung Pater Kolbes, sowie des 10. Jahrtags der endgültigen Approbation der Generalstatuten der M.I. Diese Feiern boten eine gute Gelegenheit zum Nachdenken und zu einem Neustart der M.I.; darüber hi-naus zur Vertiefung des Austausches und der gegenseitigen Hilfe zwischen der M.I. und dem Orden.

Unter Zuarbeit verschiedener Brüder und Mitglieder der M.I. habe ich im besonderen zwei Gesichts-punkte vertieft, zwei wesentliche Merkmale der M.I. Das heißt:• sie hat ihre eigene kirchliche Identität, denn sie ist ein öffentlicher Verein von Gläubigen, päpstlichen

Rechts, anerkannt von der Kirche; • sie hat eine franziskanische Seele und Wurzel, wegen des historischen Bandes

mit unserem Orden. Als Generalminister und Oberster Moderator der M.I. halte ich es daher für nützlich, die Wichtigkeit einiger Aufgaben ins Gedächtnis zu rufen, wie sie durch die Generalstatuten des Vereins festgelegt sind und die mit meiner Rolle zusammenhängen. Dies tue ich in der Absicht, mein Engagement zu bestätigen, indem ich sie voll umsetze.

Ganz konkret hat der Oberste Moderator die Aufgabe:• den Orden einzubeziehen in die Förderung der Ziele der M.I. gemäß der

Absicht des heiligen Maximilian Kolbe; • den Dienst des Internationalen Präsidiumsbeirats zu unterstützen, sowie den

Weg der M.I. in ihrer Realität als internationale Wirklichkeit;• Hilfestellung zu geben beim schrittweisen Wachstum der M.I. als Verein von

Gläubigen, beseelt und verwaltet durch eigene Strukturen; • sich um eine aufmerksame und organisierte geistliche Begleitung zu kümmern durch den Interna-

tionalen Assistenten und die örtlichen Assistenten;• innerhalb des Ordens die Initiativen und die Ausbildungsprogramme für eine besondere Pastoral

der jungen Brüder im Blick auf die Assistenz der M.I. zu fördern;• die Brüder zur Mitarbeit anzuhalten entsprechend den Hinweisen, wie sie in den Konstitutionen

des Ordens (Nr. 133, § 3) und den Generalstatuten OFM Conv. (Nr. 78, 1–2) enthalten sind, damit die M.I. sich festigt in ihrer verfassten Autonomie und im Austausch mit dem Orden.

Der GeneralministerDes OrDens Der minDerbrüDer KOnventualen

P. Marco Tasca, General-minister der Franziska-ner-Minoriten, Oberster Moderator der M.I.

Gebetsmeinungen der M.I.

Februar – März

Damit wir in der Hinwendung zu den Armen und in der Pflege der Kranken entdecken, was es bedeutet, dich wirklich zu verehren, Mutter Maria.

Damit das Kreuz Jesu unsere Stärke sei, und damit wir von dir lernen, Mutter der Schmerzen, uns ganz dem Herrn zu überlassen.

Daher ist es angemessen und angebracht, dass wir alle, entsprechend den Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten eines jeden einzelnen, uns dafür einsetzen, das fortzuführen, was bereits in den Statuten der M.I. vorgesehen ist für die Ausarbeitung und Umsetzung der Ausbildungsprogramme, für die Errichtung örtlicher und nationaler Strukturen, wo dies nötig ist, in erneuter Zusammenarbeit zwischen dem Orden und der M.I., jedoch auch mit der Revision der Statuten der M.I. zu beginnen.

Daher fordere ich euch auf, direkt an das Internationale Zentrum der M.I. (Via San Teodoro 42, 00186 Roma, Italien) jegliche Art von Anregung und Vorschlag zu schicken für eine künftige Revision der Generalstatuten der M.I.

Zu einem noch festzusetzenden Zeitpunkt wird eine außerordentliche Gene-ralversamlung einberufen werden zur Behandlung aller dieser Vorschläge.

Anlässlich dieses Briefes möchte ich euch darüber informieren:• Demnächst wird eine Untersuchung veröffentlicht bezüglich der juridischen

und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Verein und dem Orden, wie dies durch den Antrag Nr. 35 auf dem Generalkapitel 2007 verlangt wurde.

• Das Internationale Zentrum arbeitet einen Plan aus, – um das Erscheinungsbild der M.I. „ad intra“ und „ad extra“ zu verbessern; – um ein Verbindungsnetz aufzubauen zwischen den verschiedenen nationalen Zentren und dem internationalen Zentrum; – um die multimediale Kommunikation mit besser geeigneten Mitteln zu erweitern; – um die Hilfsmittel zur Ausbildung für die Kommunitäten und für die geistlichen Assistenten der M.I. auf der ganzen Welt vorzubereiten und zu verbreiten.

Bevor ich schließe, ist es meine Pflicht, ein weiteres Mal dazu aufzurufen, dass die nationalen Zentren der M.I. die Arbeit des Internationalen Zentrums durch ihre Mitarbeit zu unterstützen, auch durch eine handfeste wirtschaftliche Hilfe, wie dies in den Generalstatuten der M.I. unter Nr. 42 angegeben ist.

Möge die Makellose Jungfrau jeden von uns segnen bei unserer Sehnsucht, uns Ihr anzuvertrauen. Und möge sie alle segnen, die sich ihrem Sohn anschließen werden über die M.I. und über den Orden, gemäß dem Beispiel des heiligen Maximilian Kolbe.

Brüderlich,

Amtierende Leiterin der Internationalen M.I. ist Frau Raffaella Aguzzoni, stellvertretende Interna-tionale Präsidentin der M.I., von den Missiona-rinnen der Immaculata – Pater Kolbe in Bologna.

Gottes Schöpfung

��

Wir leben in unsicheren Zeiten. Drastisch gesagt scheinen wir an einem Meilenstein der Menschheitsfamilie zu stehen: Kollaps oder Neugeburt. Manche sprechen von apokalyp-tischen Zeiten und einem unausweichlichen Chaos. Andere deuten die Zeichen der Zeit als schwierige, globale Herausforderungen, die mit gemeinsamen Visionen und Aktionen zu bewältigen sind.

Im Angesicht der Finanzkrise, wie sie in den letzten Monaten deutlich und deutlicher wur-de, stellt sich uns die Frage: Sind wir gerade noch einmal davongekommen? Werden wir durchkommen?

Die Homepage www.krisenvorsorge.de im Internet hat Hochkonjunktur, weil Menschen in der Frage nach Untergang oder Fortgang unterschiedlich reagieren. Die einen neigen dazu, die bedrängende Situation nicht wahrha-ben zu wollen und die Augen zu verschließen, andere reagieren mit großer Besorgnis bis hin zur Panik. Ich nehme an, dass jene eher auf die oben genannte Internetseite zugreifen. Welchen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunftssiche-rung dürfen wir aufgrund unseres christlichen Glaubens von uns selbst erwarten? Leben wir doch mit der Verheißung, dass Gott Hoffnung und Zukunft gibt und wir zur Mitverantwor-tung gerufen sind.

In der Bergpredigt Jesu sind wir in einen Spa-gat hineingestellt: das eigene Leben auf festes Fundament zu bauen und von den Vögeln des Himmels und den Lilien des Feldes zu lernen, dass da einer ist, der uns im Letzten in seiner Sorge umfängt und alles – auch durch Katastrophen hindurch – neu machen kann. Wir sind in Zeiten zivilisatorischen Wandels bildlich gesprochen als SterbebegleiterInnen und Hebammen gefragt. Dies gilt auch für die Umbrüche in der gesellschaftlichen und kirchlichen Landschaft, sowie in unserem

persönlichen Lebensumfeld. In der jüngeren Zeitgeschichte entdecke ich prophetische Menschen, die Mut machen, sich dieser He-rausforderung, der Bewahrung des Schönen in der Schöpfung, mit hohem persönlichem Einsatz zu stellen. Zwei Zeugnisse seien etwas beleuchtet und gewürdigt.

Eine radikale Mystikerin

Zunächst werde ich auf Simone Weil aufmerk-sam (1909 – 1943), wir begehen im Februar ihren 100. Geburtstag. Die jüdische Arzttoch-ter aus Paris genießt eine liberale Erziehung, studiert Philosophie und wird Lehrerin an hö-heren Schulen. Bereits mit zwölf Jahren leidet sie unter schrecklichen maux de tête (Migräne, Neuralgie). Als agnostische Lehrerin engagiert sie sich für gerechtere Lebens- und Arbeitsbe-dingungen der ArbeiterInnen. 1934 nimmt sie unbezahlten Urlaub, um als Fabrikarbeiterin ihre Form der Solidarität mit den Ausgebeu-teten zu suchen. Sie verfasst ein eigenes Fabrik-tagebuch. Nach wenigen Monaten stellt sich Erschöpfung ein, bis hin zu einem körperlichen und seelischen Zusammenbruch.

Während der Erholungsphase kommt es zu ersten Berührungspunkten mit dem katho-lischen Glauben. Hier sind der gregorianische Choral, das Zeugnis eines blinden Dominika-nerpaters und die Benediktinerabtei Solesmes maßgebend.

Trotz ihrer Annäherung an den christlichen Glauben und die Kirche entscheidet sich die ra-dikale Mystikerin, deren Bleibe das Verlangen blieb, nicht für die Taufe. Während des Zweiten Weltkrieges wird sie Mitglied der Résistance. Am 24. August 1943 stirbt sie infolge von Herzversagen, Tuberkulose und Hunger. Was hat diese Frau mit der Bewahrung des Schönen in der Schöpfung zu tun?

Mitverantwortung für Gottes Schöpfung

Gottes Schöpfung

Eine Denkerin des Schönen

Simone Weil ist eine „Denkerin“ des Schönen und hat eine wenig bekannte lebensbejahende Seite in ihrer geheimnisvoll radikalen Existenz. Bei ihren Reisen nach Italien 1936 und 1937, von denen sie in ihren „Heften“ erzählt, muss ne-ben der Stadt Florenz und den Erfahrungen in Rom die umbrische Landschaft mit Assisi eine enorme Faszinationskraft auf die Sinnsucherin ausgeübt haben. Die Carceri, die Einsiedeleien auf halbem Weg zum Subasio über Assisi, und „ein junger, vor Glauben strahlender Franzis-kaner“ bezeichnet sie als „so lieblich, heiter und gewinnend“. Die Schönheit wird für sie eine Spur zum göttlichen Geheimnis, wie wir es besonders von unserem Ordensvater und dem heiligen Bonaventura kennen.

Ein paar Kostproben aus ihrem Schrifttum, die uns motivieren können, das Schöne und die Freude, die sich an ihr entzündet, im Elend der Welt zu suchen und zu bewahren: „Geheiligt

werde dein Name. Alles, was schön ist, ist sein Name.“ – „Der Schmerz ist Gewaltsamkeit, die Freude ist Sanftheit, aber die Freude ist stär-ker.“ – „Die Freude ist die Fülle des Gefühls für das Wirkliche. Die Traurigkeit ist das Schwä-cherwerden des Gefühls der Wirklichkeit.“ – „Die Schönheit der Welt ist Christi zärtliches Lächeln für uns durch den Stoff hindurch. Er ist wirklich gegenwärtig in der Schönheit des Alls. Die Liebe zu dieser Schönheit entspringt dem in unserer Seele herniedersteigenden Gott und geht auf den im Weltall gegenwärtigen Gott. Auch sie ist etwas wie ein Sakrament.“

Monastisch und Franziskanisch

Zu dieser wenig bekannten Mystikerin des Schönen möchte ich einen männlichen Glau-benszeugen stellen, der sich die Bewahrung der Schöpfung ganz konkret zu Herzen genommen

Fotos: Archiv Messaggero

hat. Er lebt heute zurückgezogen in „seiner“ Abtei, wo er lange als Abt die

Leitung innehatte und durch seine Gebete an und für eine frei fließende Donau bekannt

wurde: Emmanuel Jungclaussen in Niederaltaich. Er begründet seine Liebe zum Strom mit seiner Lebens-

geschichte: geboren an der Oder, Abitur an der Elbe, Studium in Frankfurt am Main, Mönch an der Donau. Dem Konvertiten ist es wichtig,

die Sprache des Schöpfers vernehmlich sein zu lassen – nicht nur in der Musik und Liturgie, sondern auch im gesellschaftlichen Raum. Am Rande sei erwähnt, dass

er eine große Leidenschaft für die byzantinische Liturgie und den heiligen Franz von Assisi hat (vgl. sein immer noch lesenswertes Büchlein: Die Fülle erfahren).

Jungclaussen hat eine Vision, dass künftiges Ordensleben eine Verbindung von Monastischem und Franziskanischem sei. Der Mönch mit den weißen Haaren und dem langen Bart segnet jedes Mal am Fest der Taufe Jesu die Donau mit einem orthodoxen Ritual: ein Kreuz wird dreimal ins Wasser versenkt und wieder herausgezogen – Sinnbild der Hinuntersteigens und Hinaufsteigens bei der Taufe. Jeden Monat gibt es bis heute einen Wortgottesdienst am Fluss, was durchaus in der Vergangenheit zur Kritik und Annäherung der bayrischen Staatsregierung führte. Sich an einen Fluss setzen und wieder den großen Zusammenhang sehen, um nicht im Kleinklein unterzugehen, sowie für den Erhalt des Schönen zu kämpfen – das können wir übrigens auch in nächster Umgebung.

P. Josef Fischer

10

In Łódź, der zweitgrößten Stadt Polens, be-treuen unsere Mitbrüder von der Warschauer Ordensprovinz die 6000-Seelen-Pfarrei „Mut-ter Gottes, Königin der Engel”. Kirche und Konvent sind baufällig. Aber es ist eine junge, lebendige Gemeinde – ein Hort der Hoffnung im Problemviertel von Łódź-Górna.

Hier möchte ich eine Geschichte erzählen, die sich vor fünf Jahren zugetragen hat, es war am 19. Oktober 2003. Unser Kinderchor „Mały Chór Wielkich Serc” (Kleiner Chor der großen Herzen) gab ein Konzert vor der Kapelle in der Rzgowska-Straße 41a. Während einer Erholungspause für die Kinder trug der Chorleiter, Minoritenpater Piotr Kleszcz, selber ein Lied vor mit dem Titel: „Jezus kocha Cię“ (Jesus liebt dich).

Ein Lied rettet Leben

Pater Piotr hatte dieses Lied selbst geschrieben und komponiert in Erinnerung an einen guten Freund, dem er nicht rechtzeitig deutlich ge-macht hatte, dass Gott ihn liebt. Sein Freund nahm sich das Leben. „Vielleicht hört jemand von der Liebe Gottes, ehe es zu spät ist“, rief Pater Piotr jetzt, vor der Kapelle stehend, in

die Zuhörerschar hinein. Und tatsächlich ging gerade jemand vorbei, der sich das Leben neh-men wollte. Er war bereits auf dem Weg zu den Bahngleisen, um sich vor den Zug zu werfen. Dieser Mann hörte das Lied – und wusste sofort: Diese Worte gelten mir! Der Mann war suchtabhängig, er hing am Alkohol und konnte nicht vom riskanten Spiel lassen. Jetzt steckte er in einer tiefen Krise. Er war völlig pleite, hatte sein ganzes Geld verloren, auch ausgeliehenes Geld. Er war verzweifelt, denn zu Hause warte-ten zwei Kinder. Seine Frau hatte keine Arbeit und er selbst hatte alles verloren.

Im Vorbeigehen hörte er nun dieses Lied. Auch als es bereits zu Ende war, ließ ihn der eindringliche Refrain nicht los. Während er auf die Bahngleise zuging, hörte er immer wieder: „Jezus kocha Cię, Jezus kocha Cię, Jezus kocha Cię!!!“ Dieses Lied, dieser Refrain „Jesus liebt dich!“ rettete ihm das Leben, ja es schenkte ihm sein Leben neu. Denn wenige Tage danach begann er eine erfolgreiche Therapie. Er be-

gann, mit sei-ner Frau und den Kindern zu beten, sie lasen in der Bibel, mach-ten gemein-sam Exerzi-tien schlos-sen sich der B e w e g u n g

„Licht und Leben“ an. Heute sind sie selbst Animateure einer Familiengruppe. Den denkwürdigen 19. Oktober des Jahres 2003 haben sie nicht vergessen.

Wir sind neun Patres in einem ziemlich großen Klo-stergebäude, dessen eine Hälfte als Wohnung für uns Brüder dient, in der anderen Hälfte befinden sich die Seel-sorgsräume. Hier treffen sich der Kinderchor, die Familien-

Kirchbau in ŁódźKirchbau in Łódź

11

und Jugendgruppen, das Neoka-techumenat, die Franziskanische Gemeinschaft, die Miliz von Pater Kolbe, eine Rosenkranzgruppe, die Bewegung „Licht und Leben“ und eine Gruppe ehemaliger Alkoholiker. Eine ganze Etage nimmt der Hort ein. Die Kinder erhalten eine volle Mahlzeit, Hausaufgabenbetreuung, Nach-hilfestunden, Freizeitbetreuung. Dieser Hort hat eine finanzielle Unterstützung dringend nötig. Seit einem Jahr gibt es ein eigenes Caritasprojekt, um den Armen in der Pfarrei wirksam zu helfen.

Sozialer Brennpunkt Łódz-Górna

In der Industriestadt Łódź ist es schwierig, Gottes Wort zu verkünden. Der Kommunismus hat die Einwohner verdorben. Jetzt sind sie schmerzlich von der Arbeitslosigkeit betroffen, nach dem Untergang der Industriebetriebe. Das Familienleben verkümmert. Die Menschen fühlen sich wertlos. Das spüren wir in unserer 6000-Seelen-Pfarrei im Problemviertel Łódź-Górna. Die oben erzählte Geschichte zeigt die Armut, das geistige Elend, die religiöse Verkümmerung, wie sie überall zu sehen ist. Wir selbst aus eigener Kraft können wenig ausrichten. Doch es gibt den Arzt Jesus Chri-stus – und es gibt die vielen Leute, die einer inneren Heilung durch ihn bedürfen: die Mutter, die von ihren Kindern verlassen wird; die Jugendlichen, die sich mit Alkohol und Drogen vollstopfen. Gegen den Niedergang der Moral haben wir einen Ort eingerichtet, die Anbetungskapelle. Hier will Jesus die Herzen der Menschen heilen, die durch das Böse vergiftet sind.

Genau mit dieser Anbetungskapelle fangen wir beim Bau der neuen, größeren Kirche an. Die alte Kapelle ist baufällig, nicht mehr benutzbar. Für diesen Kirchbau bitten wir Sie um Ihre geistige und finanzielle Unterstützung. Wir bitten nicht für uns selbst, sondern für jene, die ins Böse verstrickt sind, deren Notschrei jeden Tag zu hören ist. Sie sollen aus ihren

Spenden-HinweisWenn Sie das Projekt des Neubaus von Kirche, Kloster und sozialem Pfarrzentrum „Mutter Gottes, Königin der Engel” in Łódz unterstützen wollen, können Sie mit dem Formular für EU-Standardüberweisungen (bei der Bank erhältlich) Ihre Spende direkt schicken an:

Klasztor OO. Franciszkanów

IBAN:PL �� 1��0 1��� 1��� 0010 1��� ����

BIC / SWIFT:PKOPPLPW

Oder Sie überweisen auf das Konto des Ordensapostolates mit dem Vermerk „Lodz” und dem Hinweis SQ, falls Sie eine steuer-wirksame Spendenquittung benötigen (voll-ständige Adresse angeben oder auf dem Postweg mitteilen).

Fesseln herauskommen. Das Böse darf nicht triumphieren! Lassen Sie dies nicht zu! Wir Söhne des heiligen Franziskus verpflichten uns zum lebenslänglichen Gebet für Sie. Im Namen unserer ganzen Pfarrei danken wir Ihnen von Herzen: SZCZĘŚĆ BOŻE! Vergelt’s Gott!

P. Gregor Piorkowski

P. Gregor bittet für die Kinder in Łódź.

1�

Unsere Pfarrei „Mutter Gottes, Königin der Engel” in Łódź liegt an einem sozialen Brenn-punkt der polnischen Industriestadt, im Pro-blemviertel Górna. Einen Lichtblick bedeutet der Kinderchor „Mały Chór Wielkich Serc”. Der Gründer und Leiter, Minoritenpater Piotr, stellt ihn hier vor.

Sie werden sich gewiss zuerst an den Fotos erfreuen, die Sie auf vielen Seiten dieses Heftes vorfinden. Nun stelle ich Ihnen gerne unseren Kinderchor vor, den „Kleinen Chor der großen Herzen“, noch schöner klingt es natürlich auf Polnisch: „Mały Chór Wielkich Serc”. Vielleicht haben Sie ja jemanden in Ihrer Nähe, der Ihnen den Titel vorsprechen kann.

Damit Sie sich eine Vorstellung von mir ma-chen können: Ich wurde 1967 hier in Łódź geboren, gehöre seit 1986 zum Minoritenorden und bin 1993 zum Priester geweiht worden. Mein Guardian ist P. Grzegorz Piorkowski, dessen Hilferuf in diesem Heft „Friede und Heil“ ich voll unterstützen möchte.

In unserem Chor „Mały Chór Wielkich Serc” (Kleiner Chor der großen Herzen), welcher der Pfarrei „Mutter Gottes, Königin der Engel” hier in Łódź angeschlossen ist, haben wir 50 Kinder im Alter zwischen 4 und 14 Jahren. Ich freue mich sehr darüber, dass mir die Gründung dieses Chores vor elf Jahren gelungen ist, und setze seitdem meine ganze Kraft für ihn ein.

Der Kleine Chor der großen Herzen

1�

Die meisten Liedtexte verfasse ich selbst und komponiere auch die Melodien dazu. Bisher haben wir bereits 300 Konzerte gegeben. Wir treten auf in Kirchen, Theatersälen, Philharmo-nie-Studios, Schulen, Krankenhäusern, Entbin-dungskliniken, Pflegeheimen und bei vielen anderen Gelegenheiten und Anlässen, wo wir eingeladen werden. Bisher hat unser Kinder-chor bereits sechs CDs aufnehmen lassen, zu-dem haben wir einige Video-Clips beigesteuert für das polnische Kinderfernsehen.

Sie müssten das einmal erleben! Unsere Kinder, die im Chor singen, möchten der ganzen Welt von Jesus erzählen. Sie tun das ganz spontan, eben wie Kinder. Auf diese Weise geben sie ein wenig von ihrer eigenen Freude weiter an die Zuhörer. Zugleich laden sie die Hörer ein, über ihr Leben nachzudenken.

Darf ich mit der Türe ins Haus fallen? Falls Sie neugierig geworden sind: Unser „Kleiner Chor der großen Herzen“ kommt auch gerne

zu Ihnen. Wir lassen uns gerne einladen, etwa von Pfarreien in Deutschland. Besonders denke ich dabei an die Klöster und Pfarreien, die von polnischen (und natürlich auch deutschen oder rumänischen) Mitbrüdern geleitet werden. Kontakte sind in englischer Sprache möglich. Für Anfragen hier die Postanschrift:

„Mały Chór Wielkich Serc” ul. Krasickiego 2a 93-015 Łódź, Polen Telefon 0048/603.648-191 E-mail: [email protected] Internet: www.serca.franciszkanie.pl

Wagen Sie es! Gott segne Sie!

P. Piotr Kleszcz

1�

Wir gratulieren unseren Mitbrüdern

Zur Aufnahme in den

Seraphischen Meßbund genügt eine formlose Anmeldung.

Beitrag für die Aufnahme Lebender (mit voller Anschrift) je ��,– €

Beitrag für die Aufnahme Verstorbener (Name und Vorname) je 10,– €

Bestellung von heiligen Messen nach besonderer Meinung (Intention)Stipendium jeweils 10,– €

Bestellung der Wunderbaren Medaillein Cellophanhülle, mit zwei Gebeten. Stückpreis �0 Cent, zuzüglich Briefporto.

Bestellungen an: Ordensapostolat Postfach 11 0� �� ��0�� Würzburg

P. Damian Mai im Franziskanerkloster Würzburg

zur Verleihung des Verdienstkreuzes

am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

überreicht vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann

am 19. Dezember 2008 in Nürnberg.

P. Maximilian M. Bauerim Franziskanerkloster Würzburg

zu 50 Lebensjahrenam 17. März.

P. Dr. Dr. Adalbero Heussingerim Minoritenkonvent Graz

zur Verleihung einer Sondermarke der Österreichischen Post

zum 85. Geburtstag am 12. Februar 2008.

M. I.

FRIEDE UND HEIL, Zeitschrift der deutschen Franziskaner-MinoritenHerausgeber: Deutsche Franziskaner-Minoriten-Provinz St. Elisabeth, Franziskanergasse 7, Würzburg, Tel. 09 31/3 09 01-0, Fax 09 31/3 09 01-21,e-mail: [email protected].

Kurzadresse: Ordensapostolat Postfach 11 05 62 97032 Würzburg

Redaktion: P. Dr. Polykarp Götz OFM Conv. Mit kirchlicher Druckerlaubnis.Druck: Benedict Press, 97359 Münsterschwarzach. Erscheinungsweise: fünfmal jährlich.Die Zeitschrift FRIEDE UND HEIL vermittelt den Mitgliedern der Franziskanischen Gemeinschaft (FG), der Marianischen Initiative – P. Kolbe (M.I.) und des Seraphischen Meßbundes sowie Freunden und Wohltä-tern unseres Ordens und seiner Missionen Anregungen für ein christliches Leben im Geist Mariens und des heiligen Franziskus. Statt eines Abonnements bitten wir alle Bezieher, einen Unkostenbeitrag von mindestens 10,– € pro Jahr an uns direkt (oder an unsere Förderer zwecks Sammelüberweisung) zu entrichten.Unser Konto: Ordensapostolat, LIGA Würzburg (BLZ 750 903 00) Kto. 3016307 IBAN: DE88 7509 0300 0003 0163 07 BIC (SWIFT-Code): GENODEF1M05.

1�

In Einfalt und Demut Auf dem Mattenkapitel 1219 wendet sich Franz an den Kardinal Hugolin und seine Mitbrüder: „Meine Brüder, meine geliebtesten Brüder! Der Herr hat mich auf den Weg der Einfalt und Demut gerufen. Und auf diesem Weg sollen wir auch bleiben, ich und die, die sich mir anver-trauen und zugesellen. Schweigt mir mit einer anderen Regel“, mit euren Organisationen, Programmen und Konzepten. Euer Wissen und Gelehrtentum wird Gott genauso zu Schanden machen wie eure angebliche praktische Lebens-erfahrung. „Mir bleibt wohl nur mehr die Hoff-nung auf die Geißel Gottes, durch die er euch – ob ihr wollt oder nicht – zu eurer ursprüng-lichen Berufung zurückführen wird“ (Speculum iustitiae 68). Das verschlägt den fünftausend Mitbrüdern denn doch etwas die Sprache.

Des Franziskus Passionszeit. Aus jener Zeit stammt auch sein Wort: „Wer sind die, die meinen Orden und meine Brüder aus meinen Händen gerissen haben? Wenn ich zum Kapi-tel komme, dann werde ich ihnen zeigen, was mein Wille ist“ (2 Celano 188). Hier fällt wieder das Wort „mein Wille“. Und doch muss er sich darein finden, dass es der Wille seines Herrn wird, dass die vorherrschende Partei eine Regel für den Orden durchsetzt. Er entwirft eine zweite, umfassendere Regel mit Cäsar von Speyer zusammen, in der er jedoch um keinen Millimeter nachgibt. Auf dem Gene-ralkapitel 1221 kommt er damit nicht durch. Die folgenden Jahre werden seine Passionszeit, in der Franziskus zur vollen Größe nach der Ordnung des Melchisedek heranreift.

Wahre Regeltreue. In der Furcht vor dem endgültigen Abfall tat er kund: Falls die Brü-der als Ganzes den Weg der Armut verlassen, sollen sich die Getreuen mit seiner Sendung und seinem Segen von der verräterischen Ge-meinschaft absondern und getrennt von ihnen leben. In solch einer Not kommt ein Bruder zu ihm mit der Bitte: „Für den Fall, dass die Brü-der sich von der reinen Beobachtung der Regel

entfernen, heiße mich von jenen, die die Regel nicht beobachten wollen, weggehen – mich allein oder mit anderen zusammen, die die Regel unverfälscht halten wollen!“ Franziskus lauscht entzückt dem Ersuchen des Bruders und segnet ihn mit den Worten: „Durch Chri-stus und durch mich sei deine Bitte gewährt!“ Dann legte er ihm die Hand aufs Haupt und fügte bei: „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedek“ (Legenda vetus 3, nach Cuthbert-Wildlöcher, Der Heilige Franz von Assisi, 254).

Geprüfter Gehorsam. Und doch schreibt Franz andererseits in der „Mahnung an alle Brüder“: „Auch wenn der Obere dem Untergebenen etwas befiehlt, was gegen sein Gewissen ist, soll dieser sich trotzdem nicht von ihm trennen, wenngleich er ihm nicht gehorchen darf. Und wenn er dafür verfolgt wird, dann soll er ihn um Gottes willen noch mehr lieben. Denn wer eher Verfolgung duldet, als dass er sich von seinen Brüdern trennen würde, der verharrt vollkommen im Gehorsam, weil er sein Leben einsetzt für die Brüder.“ Auch das gehört also zur Ordnung des Melchisedek.

Aus dem Nachlass von P. Dr. Agathon Kandler

Flankiert von zwei Kardinälen, dem Großpönitentiar Kard. James Francis Stafford (ganz in Purpur) und dem Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, Kard. Giovanni Battista Re; von zwei (Erz-) Bischöfen aus dem Minoritenorden, dem Sekretär der Kongregation für die Institute des gottge-weihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Exz. Agostino Gianfranco Gardin, und dem Regenten der Apostolischen Pönitentiarie, Exz. Gianfranco Girotti; vom Generalminister P. Marco Tasca mit seinem Definitorium, und vielen Mitbrüdern aus aller Welt feierte

Ex-Generalminister P. Dr. Basil Heiser OFM Conv.

am 4. Januar 2009 in der Basilika Santi XII Apostoli in Rom seinen 100. Geburtstag. Nach diesem Geschenk brüderlicher Gemeinschaft rief der Herr allen Lebens seinen treuen Diener heim, am Morgen des 12. Januar in der römischen Klinik „Salvator Mundi“. R.i.p.