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Früh gefährdet – immer gefordert

Familiengerichtliches Verfahren bei Kindeswohlgefährdung

in suchtbelasteten Familien

6. Februar 2019

Dr. Britta Wagner, Richterin am Amtsgericht Neunkirchen

Forum 2: Familiengerichtliches Verfahren bei Kindeswohlgefährdung

Verfahrensgegenstände

Sorgerechtsverfahren auf Antrag eines

Elternteils

Kindeswohlgefährdungsverfahren

nach §§ 1666, 1666a BGB

Umgangsverfahren

Gewaltschutzverfahren


Sorgerecht und Umgangsrecht

Sorgerecht

Personensorge

Aufenthaltsbestimmungsrecht

Gesundheitssorge

schulische Angelegenheiten

Vermögenssorge

Umgangsrecht



§§ 1666, 1666a BGB


§ 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist……..

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,

2.Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,

3.Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,

4.Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,

5.die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,

6.die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.



Voraussetzungen

Kindeswohlgefährdung i. S. d. § 1666 BGB

wenn eine gegenwärtige Gefahr für die Befriedigung der körperlichen, seelischen, geistigen oder erzieherischen Bedürfnisse gegeben ist, so dass sich bei einer weiteren Entwicklung, eine Schädigung des Kindes mit Sicherheit voraussagen lässt


Beispiele

Missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge (Gewalt

gegenüber dem Kind: Kindesmisshandlung, sexueller

Missbrauch, psychische Misshandlungen)

Vernachlässigung

mangelhafte Ausübung der Gesundheitssorge

mangelhafte Ernährung

Entwicklungsrückstände

mögliche Gründe: z. B. psychische Erkrankungen eines

Elternteils, Suchtabhängigkeit


Forum 2 : Familiengerichtsverfahren bei Kindeswohlgefährdung

Substanzmissbrauch und Erziehungseignung

frühere Rechtsprechung: konstanter, pathologischer

Substanzkonsum = mangelnde Erziehungseignung

neuere Rechtsprechung:

wirkungsbezogener Ansatz: Auswirkungen des

Substanzkonsums der Eltern auf das Kind,

beispielsweise

keine adäquate Versorgung des Kindes

emotionale/materielle Vernachlässigung des Kindes

Mängel in der Gesundheitssorge

Mögliche, gerichtliche Maßnahmen

Gebote, öffentliche Hilfen der Jugendhilfe,

Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen

Verbot, die Wohnung zu nutzen, sich im Umkreis der

Wohnung aufzuhalten

Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der

elterlichen Sorge

Teilweise/vollständige Entziehung des Sorgerechts



Weitere Maßnahmen

§ 1666 BGB ist keine Rechtsgrundlage für Anordnung von

Therapiemaßnahmen für die Eltern

Haaranalyse-Gutachten der Eltern (keine Rechtsgrundlage für eine körperliche oder psychiatrische Untersuchung)

§ 1666 BGB ist Rechtsgrundlage für Durchführung einer

Haaranalyse beim Kind

Therapiemaßnahme bzw. ärztliche Untersuchung des Kindes

Ersetzung der Zustimmung der Kindeseltern durch das Familiengericht

Anordnung einer Beratung der Eltern ist möglich

analog anwendbar auf den nasciturus

Anwendung des § 1666 BGB auf das ungeborene Kind

§ 1666 BGB analog auf nasciturus anwendbar

Anhörungstermin, aber weitere Maßnahmen sind begrenzt

Sorgerechtsentscheidung ist mit Geburt wirksam

Zwei Konstellationen:

während der Schwangerschaft ist eine Gefährdung des Kindes nach

der Geburt erkennbar

Gefährdungen des ungeborenen Kindes während der Schwangerschaft

Ausbau der staatlichen Hilfen innerhalb des SGB VIII ?

gesetzliche Regelungen zur Anwendung des § 1666 BGB auf

das ungeborene Kind ?



Familiengerichtliches Verfahren

Ablauf

Antrag oder Anregung

im Regelfall Gefährdungsmitteilung des Jugendamtes, aber

auch durch sonstige Familienangehörige, Schule etc.

eventuell Bestellung eines Verfahrensbeistandes

erster Anhörungstermin spätestens binnen eines Monats


Kindeseltern mit Verfahrensbevollmächtigten

Vertreter des Jugendamtes

Verfahrensbeistand

Dritte (Pflegeeltern, Lebensgefährte/Lebensgefährtin der

Kindeseltern; Großeltern)

Beteiligte Personen


Verfahrensbeistand

„ Anwalt des Kindes“ (§ 158 FamFG )

Bestellung, soweit dies zur Wahrung der

Interessen des Kindes erforderlich ist (z. B. wenn

das Interesse des Kindes zu seinem Vertreter in

erheblichem Gegensatz steht; Beispielskatalog)


Verfahrensbeistand

Aufgaben:

Feststellung der Interessen des Kindes

Kind über Ablauf, Gegenstand und möglichen

Ausgang des Verfahrens informieren

Gespräche mit Eltern und Bezugspersonen (z.

B. Schule) des Kindes und Mitwirken an einer

einvernehmlichen Regelung


Anhörung der Kindeseltern

Anhörung der Kinder (ab 3 Jahren) in Anwesenheit des

Verfahrensbeistandes

Bericht des Jugendamtes

Bericht des Verfahrensbeistands

Anhörung der Familienhelfer

Beiziehung anderer Akten (Familienverfahren,

Strafverfahren, Betreuungsverfahren)

Sachverständigengutachten

Informationsquellen Entscheidungsgrundlage



Familienpsychologisches oder kinder-

/jugendpsychiatrisches Gutachten

Fragestellungen des Beweisbeschlusses:

Sorgerechtsanträge beider Elternteile: wo soll der

Lebensmittelpunkt des Kindes sein ?


Erziehungsfähigkeit beider Elternteile

Welche Maßnahmen sind zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung im Haushalt

der Kindeseltern erforderlich oder ist eine Fremdunterbringung notwendig ?



Umgangsverfahren wie soll der Umgang zwischen den Kindern und dem Kindesvater /Kindesmutter

ausgestaltet werden ?


Kindeswohlprüfung

Erziehungsfähigkeit (Erziehungskompetenzen:

Einfühlungsvermögen, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen;

Einschränkungen durch besondere Erkrankungen)

Versorgung und Betreuung

Kontinuitätsgrundsatz

Fördergrundsatz

Bindungen des Kindes an Eltern und Geschwister

Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft

Bindungstoleranz

Kindeswille


Beendigung des Verfahrens

In von den Eltern initiierten Sorge- und

Umgangsverfahren:

Vergleich oder gerichtliche Entscheidung


gerichtliche Entscheidung (Beschluss) mit Möglichkeit der

Beschwerde binnen eines Monats (Kindeseltern, Jugendamt,

Verfahrensbeistand, Kinder ab 14 Jahre) Entscheidung des

Oberlandesgerichts

Absehen von familiengerichtlichen Maßnahmen: Überprüfung

in angemessenem, zeitlichen Abstand


Umgang

bloßer Verdacht oder die Vermutung von

Substanzmissbrauch reicht für Eingriffe ins

Umgangsrecht nicht aus

Belege, warum eine hinreichende Betreuung

während den Umgangszeiten nicht möglich sein

soll

begleitete Umgangskontakte



Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

Ende

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