Funktionelles Mobilitätstraining - Sportlerei Akademie · dort weiter proximal (näher zur...

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Functional Training Mobility+ SPORTLEREI AKADEMIE Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Seite | 1 Funktionelles Mobilitätstraining Lehrbrief 2 zum Studiengang Functional Training A-Lizenz Autoren: Fabian Allmacher Florian Münch Impressum: SPORTLEREI AKADEMIE Kistlerhofstr. 70, Gebäude 160 81379 München Tel: 089 / 72 630 740 Fax: 089 / 72 634 068 Net: www.sportlerei-akademie.de E-Mail: [email protected] Copyright © SPORTLEREI AKADEMIE 2016 Alle Rechte vorbehalten Hinweis: Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, wurde auf das gemeinsame Verwenden männlicher und weiblicher Bezeichnungen verzichtet. Wir danken allen Leserinnen für ihr Verständnis.

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Functional Training Mobility+ SPORTLEREI AKADEMIE

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Funktionelles Mobilitätstraining

Lehrbrief 2 zum Studiengang Functional Training A-Lizenz

Autoren:

Fabian Allmacher

Florian Münch

Impressum:

SPORTLEREI AKADEMIE

Kistlerhofstr. 70, Gebäude 160

81379 München

Tel: 089 / 72 630 740

Fax: 089 / 72 634 068

Net: www.sportlerei-akademie.de

E-Mail: [email protected]

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Alle Rechte vorbehalten

Hinweis:

Um die Lesbarkeit des Textes zu vereinfachen, wurde auf das gemeinsame Verwenden

männlicher und weiblicher Bezeichnungen verzichtet. Wir danken allen Leserinnen für ihr

Verständnis.

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Bearbeitung des Lehrbriefes

So gehen Sie vor:

Zunächst lesen Sie bitte das gesamte Kapitel durch!

Bearbeiten Sie dann die einzelnen Abschnitte des Kapitels!

Lesen Sie sie aufmerksam durch und versuchen Sie dabei, die Sachverhalte der einzelnen

Abschnitte zu erfassen und auf bereits vorhandenes Wissen oder Erfahrungen aus der Praxis

zu beziehen (die wichtigsten Informationen werden am Ende des Kapitels

zusammengefasst)!

Nutzen Sie im Zweifel auch andere Nachschlagewerke (z.B. Bücher oder das Internet)!

Mit den Aufgaben am Ende des Kapitels können Sie überprüfen, ob Sie das Kapitel

verstanden haben und in der Lage sind, das erarbeitete Wissen wiederzugeben. Die

Lösungen finden Sie im Anhang.

Fachwörter und fremdartige Begriffe sind unterstrichen und im angehängten Glossar erklärt.

Verweise auf bereits behandelte Themen und Inhalte sind mit Q (für Querverweis

gekennzeichnet)

Zu den Übungen sind keine Lösungen angegeben, da zumeist individuelle Antworten

gefordert sind und die Übungen zur Vertiefung des Lernstoffes in den Praxisseminaren

gemeinsam bearbeitet werden.

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Lernziele dieses Lehrbriefes

Mit Durcharbeiten des Lehrbriefes sollen sie…

Den Begriff der Muskelschlingen verstanden haben und die verschiedenen Schlingentypen

unterscheiden können.

Die drei verschiedenen Körperlinien sowie deren Arbeitsweise bei der Bewegungsführung

kennen.

Ein vertieftes Verständnis für die Bewegungen des Athleten gewonnen haben und die Rolle der

Zuglinien für dieselben darlegen können (exemplarische Darstellung anhand mindestens zweier

Sportarten).

Den Begriff der Faszie definieren sowie die Funktionsweise der Faszienzüge anschaulich darlegen

können.

Den stofflichen Aufbau der Faszien sowie die zwei Faszienschichten kennen gelernt haben.

Den Einfluss von Druck und Zug auf das Faszien-Netzwerk verstanden und seine Folgen für die

Bewegungen des Athleten darlegen können.

Ein Verständnis für das Zusammenspiel des Faszien-Netzwerks insbesondere mit den Muskeln,

aber auch mit der Haut sowie dem Lymphsystem entwickelt haben.

Den Einfluss der Massage auf das Faszien-Netzwerk in all seinen Dimensionen beschreiben

können.

Gründe für die Verklebung von Faszien benennen können und den positiven Einfluss der

Mobilisation für den Athleten beschreiben können.

Die unterschiedlichen Manipulationstechniken und -mittel kennengelernt haben und ihre

physiologische Wirkung beschreiben können.

Klar unterscheiden können, welche Techniken zur Präparation und welche zur Regeneration

geeignet sind, um den Athleten optimal zu unterstützen.

Wissen, wann der Einsatz dieser Techniken kontraindiziert ist.

Die Prinzipien der Triggerpunktmassage verstehen sowie Triggerpunkte und Muskelverhärtungen

klar gegeneinander abgrenzen können.

Die fünf myofaszialen Dehnungstechniken kennen.

Die vorteilhafte Wirkung des dynamischen Stretchings auf die Performanz der Athleten

beschreiben können.

Ein Grundverständnis für die Yoga-Lehre entwickelt haben und Ihre komplementäre Wirkung zum

harten physischen Training für den Athleten begriffen haben.

Die zentrale Bedeutung der Atmung im Yoga erfasst haben.

Verschiedene Asana-Typen kennen gelernt haben.

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Inhalt

Vorwort ....................................................................................................................................... 6

1 Muskelschlingen .................................................................................................................... 7

1.1 Die oberflächliche Rückenlinie ............................................................................................................ 11

1.1 Die oberflächliche Frontallinie ............................................................................................................. 14

1.2 Die Spirallinie ....................................................................................................................................... 16

1.3 Zuglinien in Bewegung beim Sportler .................................................................................................. 18

1.4 Tennis-Spieler ...................................................................................................................................... 18

1.4.1 Golfspieler ....................................................................................................................................... 19

1.4.2 Basketballspieler ............................................................................................................................. 20

1.4.3 Fußballspieler .................................................................................................................................. 20

1.5 Zusammenfassung von Kapitel 1 ......................................................................................................... 21

1.6 Lernkontrollfragen zu Kapitel 1 ........................................................................................................... 21

2 Das Faszien-Netzwerk .......................................................................................................... 22

2.1 Neueste Erkenntnisse über Faszien ..................................................................................................... 22

2.2 Aufbau, Eigenschaften und Aufgaben der Faszien .............................................................................. 23

2.2.1 Struktur und Funktionsweise .......................................................................................................... 23

2.2.2 Aufbau und Typologie ..................................................................................................................... 25

2.2.3 Mit den Faszien interagierende Systeme ........................................................................................ 29

2.3 Zusammenfassung von Kapitel 2 ......................................................................................................... 35

2.4 Lernkontrollfragen zu Kapitel 2 ........................................................................................................... 35

3 Faszienarbeit ........................................................................................................................ 36

3.1 Wirkprinzipen der Massage ................................................................................................................. 36

3.1.1 Mechanischer Effekt........................................................................................................................ 36

3.1.2 Biochemische Effekte ...................................................................................................................... 37

3.1.3 Reflektorische Effekte ..................................................................................................................... 38

3.1.4 Immunmodulierende Effekte .......................................................................................................... 39

3.2 Zusammenfassung von Kapitel 3 ......................................................................................................... 40

3.3 Lernkontrollfragen zu Kapitel 3 ........................................................................................................... 40

4 Myofasziales Release ............................................................................................................ 41

4.1 Myofasziale Dehnungen ...................................................................................................................... 48

4.1.1 „Cat Body Stretches“ (Hüfte und Oberschenkel) ............................................................................ 48

4.1.2 Power Stretches: „Flying Sword“ (für den Rücken) ......................................................................... 49

4.1.3 Klassisches Stretching (statisch) ...................................................................................................... 50

4.1.4 Dynamisches Stretching .................................................................................................................. 50

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4.1.5 Plyometrisches Training .................................................................................................................. 51

4.2 Zusammenfassung von Kapitel 4 ......................................................................................................... 52

4.3 Lernkontrollfragen zu Kapitel 4 ........................................................................................................... 52

5 Yoga-inspiriertes Mobilitätstraining für Athleten .................................................................. 53

5.1.1 Yoga und Fitness ............................................................................................................................. 54

5.1.2 Yoga und Stress ............................................................................................................................... 54

5.1.3 Die Funktion des Atems im Yoga ..................................................................................................... 55

5.1.4 Chakren ........................................................................................................................................... 55

5.1.5 Yogahaltungen ................................................................................................................................ 56

5.1.6 Unterrichten einer Stellung (Asana) ................................................................................................ 58

5.2 Zusammenfassung von Kapitel 5 ......................................................................................................... 59

5.3 Lernkontrollfragen zu Kapitel 5 ........................................................................................................... 59

6 Lösungen zu den Lernkontrollfragen ..................................................................................... 60

6.1 Lösungen zu Kapitel 1 .......................................................................................................................... 60

6.2 Lösungen zu Kapitel 2 .......................................................................................................................... 61

6.3 Lösungen zu Kapitel 3 .......................................................................................................................... 62

6.4 Lösungen zu Kapitel 4 .......................................................................................................................... 63

6.5 Lösungen zu Kapitel 5 .......................................................................................................................... 64

7 Glossar ................................................................................................................................. 66

8 Tabellenverzeichnis .............................................................................................................. 69

9 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... 69

10 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 71

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Vorwort

Die Beweglichkeit ist unsere grundlegende Voraussetzung für sicheres, kontrolliertes und effektives

Bewegen, im Alltag und vor allem im Sport, insbesondere auf höherem Leistungsniveau. Viele

Trainierende vernachlässigen diesen wichtigen Trainingsschwerpunkt zugunsten der

Trainingsinhalte, die mehr Spaß machen.

Gerade auch in Bezug auf die neuesten Erkenntnisse aus der Faszienforschung erhält das Thema

Mobilität eine ungeheure, neue Faszination, ja es revolutioniert das funktionelle Training geradezu.

Hat man früher noch von Verkürzungen gesprochen, kann man heute davon ausgehen, dass die

untrennbaren Strukturen Muskel und Faszien miteinander „verkleben“. Und dies hauptsächlich

aufgrund von Bewegungsmangel und Fehlhaltungen.

In diesem Zusammenhang bekommt insbesondere das aktiv, dynamische Dehnen, d.h.

mobilisierende Bewegungen und Übungen, eine neue Bedeutung. Wo früher nur mit mittelfristigem

Erfolg aktiv statisch gestretcht wurde, können wir heutzutage den Muskel durch myofasziales

Release, durch Stretching und durch aktiv, dynamisches Mobilisieren kurzfristig wieder frei von

Verklebungen bekommen. Diese schnelleren Erfolge sind es dann die dem Dehnen eine neue

Wertigkeit geben und für viele Trainierende den notwendigen Antrieb darstellen das Dehnen als

gleichwertigen Trainingsinhalt langfristig kontinuierlich ins Training zu integrieren.

Bis das Fasziensystem dann komplett neu aufgebaut ist, können Monate oder sogar ein bis zwei

Jahre vergehen, kontinuierliche Anwendung vorausgesetzt. Die Bedeutung der Faszien für unseren

aktiven Bewegungsapparat, insbesondere für schnellkräftige und reaktive Belastungen, auf die es in

vielen Sportarten ankommt, sollte dabei zusätzlich Antrieb für Athleten sein.

Dieser Lehrgang soll die neuesten Erkenntnisse der Faszienforschung darstellen und die

verschiedenen Möglichkeiten des Mobilisierens aufzeigen. Auch Yoga hat hier seinen Platz und ist

insbesondere für „verklebte“ Kraftathleten fast schon ein Muss.

Der Praxisteil dieses Lehrgangs wird ihnen viele Übungen vermitteln und soll ihnen auch das Thema

Yoga näherbringen, damit auch sie ihr Training und das ihrer Sportler revolutionieren können.

Abbildung 1 Functional Training (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

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1 Muskelschlingen

Im Rahmen des funktionellen Trainings wird immer wieder der Begriff der Muskelschlingen verwendet. Der

Agonist ist derjenige Muskel, der sich bei einer Bewegung kontrahiert. Es kommt jedoch nur sehr selten vor, dass

wirklich nur ein Muskel alleine arbeitet. In der Regel sind immer mehrere Muskeln in zeitlicher Abfolge

(nacheinander) oder gleichzeitig bei einer Bewegung beteiligt. Zusammenarbeitende Muskeln bei einer

Bewegungsabfolge werden auch Synergisten genannt. Oftmals wird durch die passive Dehnung der Muskulatur,

die gegen die Bewegungsrichtung arbeitet die Bewegung kontrolliert. Die Muskeln die gegen die Bewegung

wirken werden auch Antagonisten genannt.

Beim natürlichen Bewegungsablauf des Gehens beispielsweise arbeiten aneinander gereihte Muskeln oder

Muskelgruppen zusammen, deren Wirkung sich zum Teil synergistisch oder antagonistisch ergänzen. Man spricht

in diesem Zusammenhang von Muskelschlingen. Deshalb ist es funktionell sinnvoll die Muskelschlingen gezielt

zu trainieren anstatt einzelne Muskeln isoliert zu beanspruchen.

Wir unterschieden unterschiedliche Arten Muskelschlingen:

Muskelschlingen bei statischen Bewegungsablaufen

Streckschlingen

Beugeschlingen

Schlingen bei Rotationsbewegungen

Es seien im Folgenden einige Beispiele für unterschiedliche Muskelschlingen genannt:

Streckschlinge des Beins beim Strecken aus gebeugter Beinstellung, bestehend aus dem großen

Gesaßmuskel (Glutaeus), dem vierkopfigem Schenkelstrecker (Quadrizeps), dem Zwillingswadenmuskel

und dem Schollenmuskel

Drückende Muskelschlinge des Oberkorpers, bestehend aus Trizeps, vorderem Deltamuskel und

großem Brustmuskel

Ziehende Muskelschlinge des Oberkorpers, bestehend aus Bizeps, großem Rückenmuskel sowie

Trapezius und Deltamuskel

Beugeschlinge des Korpers, bestehend aus der Bauchmuskulatur, Lendenmuskel (tiefer Bauchmuskel)

und erstem Kopf des vierkopfigen Schenkelstreckers (Quadriceps)

Streckschlinge des Korpers, bestehend aus Schenkelbeuger, großem Gesaßmuskel und dem

Lendenwirbelsaulenanteil des Rückenstreckers

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Abbildung 2 Muskelschlingen in der Laufbewegung (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Übung 1

Beschreiben Sie die arbeitenden Muskeln innerhalb der Laufbewegung anhand der oben

dargestellten Abbildungen!

Antwort:

Linke Abb.:

Rechte Abb.:

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Die nachfolgenden Abbildungen verdeutlichen das Zusammenspiel der verschiedenen Muskelgruppen bei der

Bewegungsführung des Beins im Hüft- und Sprunggelenk:

Abbildung 3 Muskelschlingen des Hüft- und Sprunggelenks (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

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Die nachfolgenden Abbildungen verdeutlichen das Zusammenspiel der verschiedenen Muskelgruppen bei der

Bewegungsführung des Arms:

Abbildung 4 Muskelschlingen in der Armbewegung (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

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1.1 Die oberflächliche Rückenlinie

Abbildung 5 Oberflächliche Rückenlinie (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Eine der von Thomas W. Myers („Anatomy trains“) beschriebenen „Zuglinien“, die oberflachliche Rückenlinie,

wird im Folgenden besprochen. Dabei wird anhand der „Bahnhofe“, also der Verbindung zweier Muskeln über

das fasziale System, Myers Denkweise verdeutlicht.

Die oberflächliche Rückenlinie verbindet und schützt die komplette Rückseite des Körpers. Dabei ist sie in zwei

Teile geteilt: von der Fußunterseite bis zum Knie und vom Knie bis zur Augenbraue.

Distal (entfernt von der Körpermitte) beginnt die oberflächliche Rückenlinie (ORL) mit der Plantarfaszie, also der

Sehnenplatte im Bereich der Fußsohle, die maßgeblich das Fußgewölbe aufspannt. Diese bindegewebige,

bandähnliche Struktur hat ihren Ursprung jedoch nicht nur am Fersenbein (Calcaneus), wie anatomische

Abbildungen vermuten lassen, sondern bildet über das Periost des Calcaneus ein Kontinuum mit der

Achillessehne (als ein sogenanntes Hypomochlion). Diese Verbindung erlaubt somit eine Spannungsübertragung

der Plantarfaszie auf den M. gastrocnemius.

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Abbildung 6 Myofasziale Verbindung (Quelle: übernommen durch SPORTLEREI AKADEMIE)

Vom M. gastrocnemius weiterlaufend befindet sich dann der nachste „Bahnhof“ am Kniegelenk. An dieser Stelle

findet sich bei gestrecktem Gelenk, ein Übergang des M. gastrocnemius auf die Ischiokruralmuskulatur um von

dort weiter proximal (näher zur Körpermitte hin) am Tuber ischiadicum zu inserieren. Da von diesem

Knochenvorsprung kein Muskel weiter kranial, also kopfwärts verläuft, wäre für eine rein muskuläre

Betrachtungsweise an dieser Stelle keine sinnvolle Fortsetzung erkennbar. Faszial kann jedoch vom Tuber

ischiadicum über das Lig. Sacrotuberale eine Spannungsübertragung zur Faszia Sacralis erfolgen.

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Abbildung 7 Lig. Sacrotuberale (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Über diese Verbindung kann das „Gleis“, unter Nutzung des M. erector spinae, weiter kranial bis zum Okziput,

also dem Hinterkopf, verlaufen. Die oberflächliche Rückenlinie endet schlussendlich an den Augenbrauen. Das

Gesicht selber ist von keiner Faszie überzogen.

So lassen sich nach Thomas W. Meyers die anatomischen Züge in myofasziale Züge und knöcherne Stationen

unterteilen:

Tabelle 1 Stationen der oberflächlichen Rückenlinie

Knocherne „Stationen“ Myofasziale „Züge“

Os frontale, obere Kante der Augenhöhle

Galea aponeurotica Kante des Os occiput

Fascia sacrolumbale Os sacrum

Ligamentum sacrotuberale Tuberositas ischiadicum

Ischiocrurale Muskulatur Condylus des Femurs

Achillessehne Os calcaneus

Fascia plantaris plantare Flächen der Phalangen der

Ossa digitorum plantares

Tabelle 2 Stationen der oberflächlichen Rückenlinie

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1.1 Die oberflächliche Frontallinie

Abbildung 8 Oberflächliche Frontallinie (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Die oberflächliche Frontallinie verbindet und schützt die komplette Vorderseite des Körpers. Dabei ist sie in zwei

Teile geteilt: von den Zehen bis zum Becken und vom Becken bis zum Kopf.

Wenn der Körper aufgerichtet ist und die Hüfte sich in einer Extension befindet arbeiten beide Anteile der Faszie

im "geschlossenen" System zusammen.

Distal beginnt die oberflächliche Frontallinie (OFL) mit der dorsalen Oberfläche der Phalangen der Zehen, die das

Gegengewicht zur Plantarfaszie bilden. Von dort geht sie in die kurzen und langen Zehenextensoren, den M.

tibialis anterior sowie in den restlichen anterioren Unterschenkelbereich über. Die Tuberositas tibiae am

Schienbein kann als knöcherne Station genannt werden. Der weitere Zug nach distal geht vom Ligamentum

capitis infrapatellaris an die Kniescheibe aus und setzt sich nach proximal (in Richtung Becken) im M. rectus

femoris sowie den restlichen Köpfen des M. quadriceps femoris fort. Die nächste knöcherne Station ist die Spina

iliaca anterior inferior.

Hier findet die Zweiteilung der OFL statt: der beinüberspannende Anteil (Zehe bis Becken) und der medial

versetzte zweite Anteil (Becken bis Kopf).

Der zweite Anteil der OFL beginnt am Tuberculum pubicum (Schambeinhöcker) und verläuft über den geraden

Bauchmuskel (M. rectus abdominis) bis zur fünften Rippe und strahlt von dort in den M. sternalis und die Fascia

sternochondralis ein. Die nächste knöcherne Station ist das Manubrium sterni und die muskuläre Verbindung

zum Schädel über den M. sternocleidomastoideus an den Warzenfortsatz (Processus mastoideus) am Occiput

und die Galea aponeurotica.

Die oberflächliche Frontallinie hat sowohl Haltungs- wie auch Bewegungsfunktion. Im Zusammenhang der

Haltung bildet die OFL einen Gegenzug zur Oberflächlichen Rückenlinie – quasi wie die Verspannung eines Zeltes

oder der Takelung eines Schiffs das in zwei Richtungen vergurtet ist.

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Abbildung 9 Verspannung der oberflächlichen Rückenlinie und oberflächlichen Frontallinie (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Die OFL geht an den Zehenspitzen über das Periost (Knochenhaut) in die ORL über. Es ist jedoch keine

tatsächliche Verbindung festzustellen, was sich auch über die komplett unterschiedlichen Aufgaben (Flexion über

die ORL und Extension über die OFL) erklärt.

Die Bewegungsfunktion der OFL kommt bei der Flexion von Rumpf und Hüfte sowie der Extension des Knies

sowie der Dorsalflexion des oberen Sprunggelenks unter Zug.

Bei der Oberflächlichen Frontallinie lassen sich die anatomischen Züge ebenfalls in myofasziale Züge und

knöcherne Stationen unterteilen:

Knocherne „Stationen“ Myofasziale „Züge“ Faszie der Kopfhaut

Processus mastoideus M. sternocleidomastoideus

Manubrium sternalis Fascia sternochondrale

5. Rippe M. rectus abdominis

Tuberculum pubis M. rectus femoris

Patella Subpatellare Sehne

Tuberositas tibiae Kurze und lange Zehenextensoren

Dorsale Fläche der Phalangen der Ossa digitorum plantares

Tabelle 3 Stationen der oberflächlichen Frontallinie

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1.2 Die Spirallinie

Abbildung 10 Oberflächliche Spirallinie (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Die Spirallinie (SPL) verläuft in Doppelhelixform um den gesamten Körper. Sie verbindet die rechte und linke

Schädelseite über den oberen Rückenabschnitt mit der kontralateralen (gegenüberliegenden) Seite. Der weitere

Verlauf der Spirallinien zieht über die Rippen herum und sie kreuzen sich auf der Höhe des Nabels auf der

Rumpfvorderseite um sich weiter bis zur Hüfte zu erstrecken. Von der Hüfte zieht die SPL an der anterolateralen

Seite des Oberschenkels und des Schienbeins hinab bis zum medialen Längsgewölbe des Fußes. Der Fuß wird auf

der plantaren Seite von der SPL unterkreuzt und zieht auf der posterolateralen Seite des Beines bis zum Sitzbein

und mündet in der Faszie des Mm. erector spinae um dann letztlich wieder am Schädel anzukommen.

Wie die oberflächliche Frontal-, die oberflächliche Rückenlinie auch, hat die Spirallinie sowohl Haltungs-

(Gleichgewicht in allen Ebenen) wie auch Bewegungsfunktionen (verantwortlich für Spiralbewegungen und

Rotationen im Körper; Stabilisation des Rumpfs und Beins in exzentrischen und isometrischen Kontraktionen).

Die anatomischen Züge der Spirallinie lassen sich in myofasziale Züge und knöcherne Stationen wie folgt

einteilen:

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Knocherne „Stationen“ Myofasziale „Züge“ Kante des OS

occipitale/Prozessus mastoideus/Processus transversales des

Atlas und des Axis

Mn. splenius capitis et cervicis Processus spinale der unteren HWS und

oberen BWS

Mm. rhomboidei major et minor Medialer Rand der Scapula

M. seratus anterior Setiliche Rippen

M. obliquus externus, abdominale Aponeurose, Linea alba, M. obliquus internus

Crista iliaca Tensor fascia latae, Tractus iliotibialis

Condylus tibialis lateralis M. tibialis anterior

Basis Metatarsale I M. peroneus longus

Fibulaköpchen M. biceps femoris

Tuberositas ischiadicum Lig. sacrotuberale

Os sacrum Fascia sacrolumbale, M. erector spinae

Kante des Os occipitale Tabelle 4 Stationen der Spirallinie

Um ein vollständiges Bild des menschlichen Körpers in Bewegung zu erzeugen ist es wichtig zu wissen, dass es

neben der dargestellten oberflächlichen Rücken-, Frontal- und Spirallinie noch viele weitere anatomische

„Zuglinien“ (tiefe Rückenlinie, tiefe Frontallinie, Laterallinie, die oberflachliche und tiefe Armlinie etc.) gibt.

Übung 2

Beschreiben Sie in eigenen Worten das Zusammenspiel der arbeitenden Zuglinien bei der

Durchführung einer einbeinigen Kniebeuge!

Antwort:

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1.3 Zuglinien in Bewegung beim Sportler

Das tiefere Verständnis der Bewegung des Athleten erschließt sich aus dem funktionalen Zusammenspiel der

verschiedenen Faszienzüge (Linien). Eine Bewegung als Ganzes zu verstehen ist für den Trainer und Coach

entscheidend um etwaige Defizite frühzeitig zu entdecken und über gezielte Trainingsmaßnahmen

(Trainingsplanung) entgegenzuwirken und vorhandene Stärken weiter zu fördern. Dadurch kann die

Verletzungsanfälligkeit deutlich reduziert werden und eine gezielte Verletzungsprophylaxe betrieben werden

wenn die "Schwachpunkte" wegtrainiert/optimiert werden.

Im Folgenden sind einige sportartspezifische Bewegungsabfolgen exemplarisch aufgearbeitet die in Myofascial

Trains von Meyers beschrieben sind.

Tennis-Spieler

Golf-Spieler

Basketballspieler

Fußball-Spieler

1.4 Tennis-Spieler

Grundschläge wie Volley, Aufschlag, Schmetterbälle und Grundlinienschläge verlangen der Athletik des Spielers

und den interagierenden Faszienzügen das Maximum ab. Beim Aufschlag wird die komplette Rumpfvorderseite

in Vorspannung gebracht die sich schlagartig entlädt. Oftmals geht der Kontakt der Füße zum Boden vollständig

verloren, da der Athlet um zusätzliche Höhe zu gewinnen nach oben springt. Dabei stellen der Schläger und der

Ball das Gegengewicht zum Körper dar. Wie im Kapitel Core dargestellt ist die Stabilität aus der Körpermitte

heraus elementar für die Bewegungsführung der Extremitäten. So wird die Kraft im Core über die Frontallinie,

die Spirallinie und die Laterallinie aufgebaut die in ihrem Zusammenspiel den Rumpf stabilisieren. Die Kraft wird

über die Armlinien (oberflächliche und tiefe Armlinie) und den Schläger auf den Ball übertragen.

Abbildung 11 Flavia Pennetta bei den US Open 2008 (Rechtshänderin) (Quelle: just-like.net)

Das erklärte Faszienmodell anhand des Pullovers ist für die Armlinien gut anwendbar. Beim Aufschlag eines

Rechtshänders und kompletter Streckung des rechten Armes kommt es zu einer gleichzeitigen Verkürzung der

linken Armlinie. Dies gibt dem rechten Arm mehr Länge und ermöglicht eine Vordehnung im größtmöglichen

kompletten Bewegungsumfang ("Load"). Beim Schlag selber entlädt sich die Kraft ("Explode") wie ein

vorgespanntes Gummi beim Treffen des Balles.

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Rumpfkraft beim Tennisaufschlag und die drei beteiligten Linien:

1. funktionelle Frontallinie: Die Kraft wird über den M. pectorails major und den M. rectus abdominis

über die Schambeinsymphyse an den M. adductor longus weitergegeben.

2. rechte Spirallinie: Durch die Verkürzung der Spirallinie wird der Kopf rotiert, die Schulter um den

Brustkorb verwrungen und der Abstand zwischen der linken Rippe und der rechten Hüfte (oder bei

Linkshändern der rechten Rippe und der linken Hüfte) angenähert. Die Spirallinie der anderen

Körperseite wird gleichzeitig gedehnt

3. Latereallinie (verläuft seitlich am Körper vom Sprunggelenk bis zur Achselhöhle): bei

Rechtshändern wird die Laterallinie auf der linken Seite verkürzt und auf der anderen Seite maximal

verlängert (bei Linkshändern auf der rechten Seite verkürzt und auf der linken Seite verlängert).

1.4.1 Golfspieler

Tiger Woods wurde in der Endposition seines Abschlags (Golfschwung) bei den US-Open fotografiert. Es ist sehr

gut sichtbar wie sich der komplette Körper verwrungen hat (Spirallinie). Der Zug der Spirallinie ist sehr gut an

den sich bildenden Falten und dem gespannten Stoff an seinem Oberteil und seiner Hose ablesen.

Die komplette rechte Spirallinie befindet sich in kompletter Dehnung (rechte Schädelseite über die linke

Schulter und die Rippen hinweg zur rechten Hüfte und hinunter zur plantaren Seite des Fußes). Nur der Kopf

befindet sich in der Gegenrotation um mit der Blickachse der Flugbahn des Balles folgen zu können.

Die linke Spirallinie ist im Gegenzug bis zum linken Fuß komplett kontrahiert.

Abbildung 12 links: Golfspieler im Abschlag von dorsal; rechts: Tiger Woods (frontal) (Quelle: hek.de/ zimbio.com)

Auch hier folgt in der Bewegung der Körper dem Prinzip von "load and explode". Vor dem Abschlag war die rechte

Spirallinie kontrahiert und die linke Spirallinie gedehnt – die Vorspannung die hier aufgebaut wurde entlädt sich

in der Schwungphase und wird mit dem Schläger auf den Ball übertragen. Dabei ist die Hüfte als "Driver" der

Bewegung von zentraler Bedeutung.

Neben der Spirallinie ist auch die oberflächliche Rücken- und Frontallinie an der Bewegung beteiligt. Es geht

darum ein Grundverständnis der anatomischen Züge (myofasziale Züge und knöcherne Stationen) in der

gegenseitigen Interaktion bei der Durchführung der Bewegung zu verstehen und die Bewegungen "lesen zu

lernen". In der Bewegungsanalyse (Videoanalyse) können so "Weak-Points-of-Movement" besser erkannt und

analysiert werden um einen zielorientiere Übungsauswahl (Preparations, Exercises) für den Athleten

zusammenzustellen.

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1.4.2 Basketballspieler

In den beiden Abbildungen können wir die Vorspannung der beiden Athleten vor dem Dunking sehr gut sehen.

Aus dem Zusammenspiel der oberflächliche Rückenlinie und der Frontallinie wird der Körper wie ein Bogen

gespannt. Die Blickachse beider Athleten ist auf den Korb gerichtet. Obwohl kein Bodenkontakt besteht ist die

Beinmuskulatur aktiviert um den Körper während der Flugphase stabil in der Luft zu halten.

Auf der linken Abbildung ist zu sehen wie die Finger der linken Hand weit gespreizt sind – die oberflächliche

Armlinie des linken Arms ist komplett angespannt – und der rechte Arm ist gebeugt. Im Moment des Dunkings

selber wechselt die Armposition – die Energie entlädt sich über die katapultartige Streckung des rechten

Ellbogens auf den Ball ("Explode"). Die rechte Oberflächliche frontale Armlinie stellt das Momentum bereit,

während die tiefe frontale Armlinie die Feinsteuerung der Führung des Balles für die Wurfausführung

übernimmt. Der rechte Arm und das kontralaterale Bein (links) befinden sich in einer diagonalen Vorspannung

("Load").

Abbildung 13 links: Basketballspieler Dunking (Rechtshänder); rechts: Michael Jordan Dunking (Quelle: reddit.com/spiegel.de)

1.4.3 Fußballspieler

In der Abbildung sehen wir eine klassische Spielsituation in einem Fußballmatch.

Die Spielerin mit der Trikotnummer 23 hat die linken Laterallinie über das linke gestreckte Bein, die linke Hüfte

über den Rumpf hinweg bis zum Handgelenk des linken Arms sehr gleichmäßige gedehnt. Der Oberkörper ist

über die kontrahierte rechte Spirallinie nach rechts gedreht wobei die linke Spirallinie gleichzeitig gedehnt wird.

Die geführten Arme stabilisieren die Beinbewegung. Der linke Arm wird nach oben geführt und der rechte Arm

schwingt nach hinten um die Bewegung des Spielbeins auszugleichen.

Abbildung 14 Fußball – Spielsituation (Quelle: netzathleten.de)

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Wie beim Dunking des Basketball-Spielers ist auch bei dieser Athletin zu sehen, wie die tiefe Frontallinie entlang

der Innenseite der Beine daran beteiligt ist, den Kern zu unterstützen. Das linke Handgelenk der Fußballerin ist

gestreckt was die Anspannung der Rückenmuskulatur unterstützt. An der Bewegung sind neben der Spirallinie

auch die Laterallinie und die Frontallinie der Beine beteiligt. Die Laterallinie des rechten Beines muss nachgeben

und sich dehnen, um dem Bein zu ermöglichen gleichzeitig über die Frontallinie auf der Innenseite den Ball

heranzuführen. Im Gegenzug wird die Frontallinie des linken Beins gedehnt, damit der Fuß so lange wie möglich

Bodenkontakt halten kann - die Linien arbeiten also wechselseitig um den Körper in der Bewegung zu

stabilisieren.

Diese Interaktion von Laterallinie und Frontallinie können wir in vielen Sportarten beobachten wie beim

Skateboarden, Skifahren, Langlaufen und Inlineskaten bei denen die Seit-Seit-Bewegung einen Teil der

Bewegungsaktivität ausmacht.

1.5 Zusammenfassung von Kapitel 1

Bei natürlichen Bewegungsabläufen sowie im funktionellen Training werden stets mehrere

aneinandergereihte Muskeln gleichzeitig oder in zeitlicher Folge aktiviert, die sich in ihrer

Funktionsweise gegenseitig ergänzen. Man spricht dabei von Muskelschlingen, die sich gemäß ihrer

Funktion einteilen lassen in Beuge- und Streckschlingen sowie Muskelschlingen bei statischen und

rotatorischen Bewegungsabläufen. Die Muskelschlingen sind für das Verständnis der

Bewegungsführung der oberen wie der unteren Extremitäten essenziell.

Diese Muskelschlingen werden ergänzt um ein zweites Prinzip, die so genannten Zuglinien, die den

gesamten Köper durchziehen und das fein konzertierte Zusammenspiel der Muskeln überhaupt erst

ermöglichen. Man unterscheidet insgesamt drei dieser den Körper durchziehenden Linien: die

oberflächliche Rückenlinie, die oberflächliche Frontallinie sowie die helixförmig verlaufende,

oberflächliche Spirallinie. Myofasziale Züge und knöcherne Stationen wechseln sich in diesen drei

Zuglinien ab. Darüber hinaus gibt es viele andere Zuglinien, die in der Ausarbeitung nicht weiter

vertieft wurden.

Dieses Zusammenspiel der unterschiedlichen Zuglinien ermöglicht ein vertieftes Verständnis für die

Bewegungsführung der Athleten und ermöglicht es, Stärken zu fördern oder Defiziten frühzeitig

entgegenzuwirken und hilft dadurch bei der Optimierung der Trainingsplanung. Dabei hat jede

Sportart ihre spezifische Bewegungsführung und dementsprechend sind die einzelnen Linien in

unterschiedlicher Intensität beansprucht.

Je besser man als Coach oder Betreuer um diese Vorgänge weiß, umso individueller und

zielführender die Betreuung.

1.6 Lernkontrollfragen zu Kapitel 1

1. Erklären Sie den Begriff der Muskelschlinge anhand einer Streckschlinge des Körpers.

Nennen Sie dabei die beteiligten Muskeln.

2. Wie ist der Verlauf der oberflächlichen Rückenlinie? Welche knöchernen und myofaszialen

Züge gibt es dabei?

3. Wie ist der Verlauf der Spirallinie zu beschreiben?

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2 Das Faszien-Netzwerk

Der Begriff der Faszie wird oftmals mit Muskulatur verwechselt. Es ist jedoch tatsächlich so, dass die Muskulatur

von einer Faszienhülle umgeben ist. Vergleichbar mit einer Orange oder Zitrone, deren Fruchtfleisch von den sie

unterteilenden Zellwänden umhüllt ist.

Abbildung 15 Faszienhülle (Quelle: healthimpactnews.com/visualphotos.com)

Wenn man nun das Muskelfleisch des menschlichen Körpers komplett entfernen würde, bliebe die Faszienhülle

(Bindegewebe) und die äußere Form des menschlichen Körpers fast so wie sie war. Die Muskulatur ist etwas sehr

Kontraktiles und Reaktives. Nicht so sehr die Faszien, die eine Art holistische „Schutzhülle“/“Strumpf“ um den

menschlichen Körper bilden.

So durchzieht das muskuläre Bindegewebe den Körper in jede denkbare Richtung von oben nach unten, von

vorne nach hinten, von außen nach innen.

Nach der gleichen Präparationstechnik könnte man das komplette Gefäßsystem des menschlichen Körpers

freilegen. Alle Gefäße - angefangen von den großen Arterien und Venen bis zu den kleinsten Gefäßen wie

Kapillaren und Venolen - würden die äußere Form den menschlichen Körpers darstellen. Das Gleiche gilt für das

Nervensystem des Menschen. Auch hier ergibt sich die komplette dreidimensionale Gestalt des menschlichen

Körpers.

Alle drei Kommunikationssysteme durchziehen den kompletten Körper:

Das Nervensystem (Reizweiterleitung),

Das Blutgefäßsystem (Nährstoffversorgung) und

das Fasziensystem (faseriges Netz).

An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass das Lymphsystem den menschlichen Körper gleichfalls netzartig

durchzieht.

2.1 Neueste Erkenntnisse über Faszien

In den vergangen Jahren galten die Faszien als unbedeutend und in der Funktion des menschlichen Körpers als

wertlos und unnütz.

Nach den Erkenntnissen der neuesten Faszienforschung wissen wir jedoch, dass das Bindegewebe respektive

unsere Körperfaszien die Basis für körperliche Gesundheit und sportliche Leistungsfähigkeit sind. Sie sind an allen

Bewegungen beteiligt, sei es Rennen, Laufen, Tanzen, Sprungbewegungen oder auch beim Dehnen. Sie fungieren

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als propriozeptives Sinnesorgan und geben dem Körper dynamisches Feedback über die Lage und die Position

des Körpers im Raum und in der Bewegung (viele Rezeptoren).

2.2 Aufbau, Eigenschaften und Aufgaben der Faszien

2.2.1 Struktur und Funktionsweise

Statt von Faszien spricht man in der Fachliteratur auch häufig von Myofaszien. Der Begriff „Myofaszie“ setzt sich

aus den Wortern „Myo“, also der Muskel, und „Faszie“ zusammen, womit generell ein bindegewebiges Netzwerk

beschrieben wird. Im Zusammenhang mit dem Begriff „Myo“ kann diese Faszie als das den Muskel umgebendes

Hüllwerk verstanden werden.

Abbildung 16 Myofaszien (Quelle: somatics.de)

Das Konzept von Thomas W. Myers basiert auf diesen Myofaszien, die wie er schreibt von vielen als „totes“

Gerüst missverstanden wird. Als Ursache hierfür nennt er die Anatomie und die Entfernung der Faszie während

der Präparation eines Muskels, um somit einen möglichst freien Blick auf diesen zu erhalten. Dass dieses Gewebe

jedoch nicht „tot“ ist, zeigt die zunehmende Forschung auf diesem Gebiet mit verschiedenen histologischen

Untersuchungen, die unter anderem auf dem seit 2007 regelmaßig stattfindenden „Fascia Research Congress“

vorgestellt werden.

Die Faszien sind ein Ganzkörpernetz, das die verschiedenen Regionen und funktionellen Einheiten des Körpers

unterstützt, einhüllt, verbindet und voneinander abtrennt. Der gekreuzte Faserverlauf der Faszien hat elastische

Eigenschaften und reagiert auf Druck und Zugkräfte, die auf den menschlichen Körper einwirken. Chirurgische

Eingriffe (Operationen Narbenbildung) oder Traumata (stumpfer Schlag, Quetschungen etc.) können zu

gravierenden Störungen des Fasziengewebes führen. So kommt es aufgrund von Vernarbungen und faserigen

Zugbildungen oftmals zur Ausbildung von dickeren und kürzeren Faszienstrukturen (sog. „cross-links“).

Wenn man sich nun vorstellt, dass der gesamte Körper - außer den Gesichtsflächen - von diesem Fasziennetz

überzogen ist, so ist es leicht nachvollziehbar, dass Verdickungen oder Verkürzungen in diesem Netzwerk einen

gravierenden Einfluss auf die übrigen Körperregionen haben. Dies lässt sich gut mit einem Haken, der an einem

Pullover zieht, vergleichen. Der Zug am Bund des Pullovers setzt sich quer über den kompletten vorderen Rumpf

bis zur entgegengesetzten Schulter fort. Natürlich strahlt dieser Zug auch auf Strukturen am Bein aus. Der

Pullover ist hier nur exemplarisch zur bildhaften Darstellung am Beispiel des Oberkörpers gewählt. Wo auch

immer Verdickungen auftreten, werden Verspannungen auch in andere Körperregionen weitergegeben und sind

noch an den entferntesten Punkten spürbar.

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Abbildung 17 Übertragung von Zugkräften auf das den gesamten Körper umhüllende Fasziennetz (Quelle: rolfing-movement.de)

Der Körper registriert etwaige Spannungsänderungen. Bei zu schnellen Zugbelastungen kommt es zur Verletzung

(Riss) des Bindegewebes/der Faszie. Wird die Dehnung über einen längeren Zeitraum ausgeführt kommt es zu

einer langsamen plastischen Deformation. Die Faszie verlängert sich und behält die Veränderungen bei. Es

kommt dadurch zu Verdickungen des Bindegewebes. Der Körper möchte dem Zug etwas entgegensetzen, damit

es nicht zu weiteren Rissen oder Verletzungen kommt.

Das Fasziengewebe verfügt u.a. über vier Mechanorezeptoren, die auf Druck und Zugbelastung reagieren:

1. Golgi-Rezeptoren (Muskel und Gelenke)

2. Pacini-Rezeptoren (Vibrationen)

3. Ruffini-Rezeptoren (Entspannung)

4. Freie Nervenenden (unterschiedliche Impulse)

Lebendiges Fasziensystem

Ein frühes Zitat von A.T. Still (1899) verdeutlicht ebenfalls die Lebendigkeit des faszialen Systems. „Wenn man

mit den Faszien arbeitet, behandelt man die Zweigstelle des Gehirns; und nach den allgemeinen Geschäftsregeln

haben die Zweigstellen gewöhnlich die gleichen Eigenschaften wie die Zentrale. Also warum sollte man die Faszien

nicht mit dem gleichen Maß an Respekt behandeln wie das Gehirn.“

Das myofasziale Konzept von Myers wurde in ähnlicher Weise schon vor Jahrzehnten behandelt und publiziert.

Dabei beschrankten sich diese Modelle jedoch „nur“ auf kinematische Ketten. So wurde z.B. von Logan in seinem

Buch „Kinesiology“ (1970) der sogenannte „Serape Effect“ beschrieben, der bereits 1950 von R. Darts als „double

spiral arrangement“ tituliert wurde.

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Abbildung 18 Serape Effect (Quelle: SPORTLEREI AKADEMIE)

Der „Serape Effect“ verdeutlicht dabei die Verbindung des Beckens mit dem kontralateralen Schulterblatt und

der Brustwirbelsäule. Dabei agieren der M. rhomboideus, M. serratus anterior, M. obliquus externus und der M.

obliquus internus synergistisch (wir erinnern uns an die bildhafte Darstellung der Zugbelastungen des Pullovers).

Im Unterschied zu diesen rein muskulären Ketten bezieht sich Myers ausdrücklich auf das Faszien-Netzwerk, das

sich in seiner Kontinuität über den gesamten Körper ausbreitet. Über dieses System wird Zug, Spannung und

Bewegung auf die jeweils nächsten Körperabschnitte weitergeleitet. Daher gibt es im Buch „Anatomy Trains“

klare „Spielregeln“. Die Verbindungslinien durch die Myofaszie dürfen keine Unterbrechung aufweisen, müssen

relativ gerade verlaufen oder sich nur langsam biegen und dürfen keine gravierenden Veränderungen der

Gewebetiefe aufweisen. Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann die Belastung von einem Glied der Kette

zum nächsten weitergeleitet werden. Falls dies nicht der Fall ist kommt es zur Kompensation entweder

unmittelbar an der „schwachsten Stelle“ oder eine der umliegenden Strukturen „übernimmt“.

Was passiert nun, wenn ein Körpersegment aus der ursprünglichen Körperposition herausgezogen

wird?

Durch chronische Fehlhaltungen kommt es zu dauerhaften Zug- oder Druckbelastungen auf die Muskulatur die

normalerweise für eine physiologische Haltung zuständig wäre (bspw. nach vorne gefallene Schultern, nach

vorne gezogener Kopf). Die die Muskeln umgebende Faszienhülle reagiert durch eine verstärkte Vernetzung der

Faszien und es kommt zur Thixotropie (Zunahme der Viskosität der umgebenden Flüssigkeit der

Extrazelluarsubstanz). Durch Massagetechniken (Faszientechniken) und gezieltes funktionelles Krafttraining

kann das Gewebe wieder geschmeidig massiert und gestärkt werden. Je nach Ausprägungsgrad und Dauer der

Fehlhaltungen kann die Fehlhaltung so reversibel sein.

2.2.2 Aufbau und Typologie

Woraus bestehen nun die Faszien?

Der Grundbaustein des Fasziennetzes sind Kollagenfibrillen und die Grundsubstanz. Die Kollagenfibrillen

bestehen aus einer Tripelhelix, also drei miteinander verwrungenen Strängen aus Aminosäureketten. Diese