Garten + Landschaft 2/2016

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Stadt | Begegnung | Vielfalt

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Seite 24: In München gestal-ten die Nutzer das Kreativ-quartier wesentlich mit.

Teleinternetcafé und Treibhaus

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Editorial

Journal

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Nachdenken über Heimat Tanja Braemer

Gesichter der Dortmunder Nordstadt Regina SchubertDer Fotograf Peyman Azhari hält für ein Buchprojekt Menschen aus 132 Nationen fest

4Peyman Azhari fotografierte Menschen aus 132 Nationen in Dortmund.

10Architekten, Landschaftsarchi-tekten und Stadtplaner spielen eine wichtige Rolle in der Will-kommenskultur.

22Studenten verschiedener Univer-sitäten hinterfragen mit dem Projekt „Home not Shelter!“ gängige Wohnmuster.

Verlag:Callwey VerlagStreitfeldstraße 35D-81673 MünchenFon +49 89 /43 60 05-0Fax +49 89/43 60 05-113www.garten-landschaft.de

Herausgeber:Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL)Wartburgstraße 4210823 Berlinwww.dggl.org

126. Jahrgang

Für die Zukunft gestalten.

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Inhalt 2/2016

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NachrichtenProdukte

WettbewerbeProjekt

CampusDGGL Nachrichten

Vorschau, Autoren, Nachtrag, Impressum

Termine www.garten-landschaft.de

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Stadt | Begegnung | Vielfalt

Es geht um alle Flavia Alice Mameli und Andra LichtensteinFrei- und Stadtraum als Integrationsraum

„Wir müssen die Nöte und kulturellen Differenzen kennen“ Interview mit Sophie Wolfrum, Professorin an der TU München

Dichter heißt bunter Heiner Stengel„Home not Shelter!“: Neue Wohnformen für Geflüchtete

Basis macht Stadt Andreas Krauth, Verena Schmidt, Gerko Schröder Prozessuale Entwicklung im Münchner Kreativquartier

Vom Rand in die Mitte Regina Schubert Temporäre Wohnregale in Wien

Kunst der Balance Marieke BerkersStadtentwicklung in Amsterdam und Rotterdam

34Amsterdam und Rotterdam verfolgen unterschiedliche An-sätze der Stadtentwicklung.

Bilder: Peyman Azhari; Robert A. Fishman, dpa picture alliance; Home not Shelter!; Teleinternetcafé und Treibhaus; PPAG architects; Jenneke Boeijink

24In München gestalten die einsti-gen Zwischennutzer eines Gewer-begebiets wesentlich mit – dort entsteht das neue Kreativquartier.

30PPAG Architects wollen mit Hilfe so genannter Wohnregale Restflächen im Zentrum Wiens als Wohnraum nutzen.

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Basis macht Stadt

München wagt Ungewohntes. Auf einem ehemaligen Gewerbe- und Kasernenareal haben sich in den

vergangenen Jahren Zwischennutzer aus der Kunst- und Kulturszene angesiedelt. Statt eines klassischen

Inves toren-Neubaugebiets soll dort mit einer prozessualen und auf den Ort abgestimmten Entwicklungs-

strategie ein Stadtquartier entstehen, das die Nutzer wesentlich mitgestalten – das Kreativquartier.

Andreas Krauth, Verena Schmidt, Gerko Schröder

Der Charakter Münchens ist eng verknüpft mit der Qualität seiner Freiräume. Ludwig- und Maximilian straße, Viktualienmarkt, Marien- und Jakobsplatz und der Englische Garten prägen das Bild dieser Stadt. Neben den klassischen Orten tragen die Isarauen, das Olympia zentrum oder auch die Bier- gärten viel zu ihrer Identität bei. In puncto Lebens qualität liegt München daher in den Rankings stets vorn, mehr und mehr Men-schen ziehen hierher. Um die Nachfrage nach Wohnraum zu stillen, entstehen große Neubauareale, aber auch Bestandsareale und Brachflächen werden nachverdichtet. In diesem Prozess kommt den Freiräumen eine entscheidende Bedeutung zu. Die öffentlichen Areale bestimmen das Zusammenleben innerhalb eines Quartiers und seine Vernetzung mit der Stadt. Bei ihrer Gestaltung geht es nicht nur darum, Bewegungsräume, Grünflächen und Sitzgelegenheiten anzubieten, sondern unverwechselbare, charakterstarke Begeg-nungsorte zu schaffen. Eine wichtige Rolle kommt der Frage zu, wie die Stadt möglichst vielen Lebensmodellen und dem Wunsch nach Teilhabe gerecht werden kann.

Nischen und informelle Orte

Im Kontext der Stadt sind dementsprechend nicht nur „repräsentative“ Plätze von Bedeu-tung. Das Urbane lebt ebenso sehr von unde-finierten Nischen und informellen Orten.

Bleibt trotz des Entwicklungsdrucks noch Raum dafür? Ist man gewillt die gewohnten, sauber gefegten Wege zu verlassen, dann kann man durchaus ein anderes München entdecken. Einer dieser Orte ist das frühere Kasernen gelände und ehemalige Gewerbe-areal an der Dachauer Straße, zwischen Hauptbahnhof und Olympiapark. Folgt man den nicht mehr genutzten Bahngleisen in das Gebiet, so gelangt man in ein verschachteltes Gefüge. Von der üblichen Abgrenzung wie Bordsteinen, Einfriedungen, Hecken keine Spur. Aneignung und vielfältige Nutzung des Stadtraums scheinen hier möglich und nicht nur Theorie. Der unpräten tiöse Gebäudebe-stand, der von kleinteiligen Lagerräumen bis hin zu großzügigen Hallen reicht, wurde zur Keimzelle einer lebhaften Zwischennutzungs-kultur mit Ateliers, Tanzwerkstätten und Theatern. Das Unfertige und Improvisierte ist dabei kein Manko, sondern macht den Ort aus. Gerade die rohen, offenen Freiräume scheinen das Potenzial zu haben, eine städti-sche Mischung und ein Miteinander unterschied-licher Lebensvorstellungen zu ermöglichen. Das zwischengenutzte Areal wurde als Teil einer 20 Hektar großen Fläche unter dem Titel „Kreativquartier“ ins Visier der Stadt-entwicklung genommen. Langfristig soll hier ein Quartier mit 900 Wohneinheiten, Hoch-schule, Gewerbe, Kunst und Kultur entstehen. Wie können die Voraussetzungen für ein vielfältiges, gemischtes Quartier geschaffen

Integration

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Im Münchner Kreativquartier, in dem sich bereits Zwischennutzer angesiedelt haben, spielen die öffentlichen Räume eine entschei-dende Rolle.

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Es geht um alle

2015 flohen Hunderttausende aus Kriegsgebieten nach Deutschland. Viele Architekturfakultäten arbeiten jetzt an

Wohnlösungen und kultivieren so das Bewusstsein, dass die Art der Bauqualität über Möglichkeiten des Ankommens

und der Integration mit entscheidet. Welche Rolle dem Frei- und öffentlichen Raum hier zukommt, wird dagegen noch

zaghaft diskutiert. Welche Ansätze für eine Debatte über eine zukunftsweisende Raumkultur gibt es?

Flavia Alice Mameli und Andra Lichtenstein

Der aktuelle Flüchtlingszustrom bietet die einmalige Chance, ein neues Zukunftsbild der Stadt zu entwerfen und in dieser akut kataly-tischen Situation auch tatsächlich umzusetzen. Mit Wohncontainern weitab vom Stadt- zentrum, Augéschen Nicht-Orten und damit zukünftigen Banlieues, Slums und Gettos wird das aber nicht gelingen. Es sind plane-risch und bauwirtschaftlich nachhaltige und gesellschaftlich zukunftsfähige Konzepte nötig, die dem hastig aufgestellten Container, der standardisierten Minimal-Lösung etwas Tragfähiges entgegensetzen. Der Auftrag geht natürlich in Richtung Architektur – auch. Landschaftsarchitektur und Stadtgestaltung sind aber mindestens in gleichem Maße ange-sprochen. Darauf weist auch BDLA-Vizepräsi-dentin Irene Burkhardt hin: „Ein ‚Dach über dem Kopf’ für Flüchtlinge ist zweifelsohne kurzfristig wesentlich, aber mittelfristig eben nicht ausreichend.“Aber wie gelingt grüne Lebensqualität in Städten, in denen die Fläche begrenzt ist und öffentliche Gelder knapp sind? Die hohe Zahl an Flüchtlingen, die 2015 nach Deutschland gekommen ist, und die Bereitstellung der nötigen Unterkünfte für Asylbewerber stellt für viele Kommunen, besonders in Ballungs-zentren mit ohnehin angespanntem Woh-nungsmarkt, eine Herausforderung dar.

Flächenpotenziale sind hier entweder nicht vorhanden oder müssen erst in langen Pro-zessen verhandelt und entwickelt werden. Der Ruf nach einer gekonnten Wiederbele-bung des sozialen Wohnungsbaus liegt nahe. Umso mehr gilt es, die Fehler der Vergangen-heit zu vermeiden. „Wir sollten neben inno-vativen Wohnstrategien vor allem auf soziale Mischung, Integration von städtischer Infra-struktur und auch auf die architektonische Gestaltung achten. Wir brauchen nachhaltige Strategien im besten Sinne, denn diese Lösungen sind für 80 Jahre projektiert“, so Simon Takasaki und Peter Haslinger, Architek-ten und wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Hannover. Nachverdichtung in Städten sei ein wesentlicher Schritt in die rich-tige Richtung, sowohl um den Bestand der Städte positiv weiterzuentwickeln, als auch um das Wohnproblem in den Griff zu bekommen.

Alte Debatte neu belebt

Die in München lebende Stadtplanerin und Professorin Sophie Wolfrum sieht in der Debatte über Wohnungsnot eine Aktualisie-rung eines lange existierenden, großen Prob-lems. Dieses zu lösen sei auch ohne die Frage nach dem zusätzlichen Wohnbedarf für an-erkannte Flüchtlinge notwendig. Wolfrum hofft, „dass jetzt eine große Wohnungs-

Integration

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Flüchtlinge kommen aus Slowe-nien am Bahnhof in Villach, Österreich, an. Sie reisen weiter nach Deutschland.

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Der Syrien-Konflikt hat die größte Flücht-lingskrise der Geschichte hervorgerufen. Im Libanon arbeitet das Flüchtlingshilfs-werk der Vereinten Nationen bereits seit 25 Jahren daran, die humanitäre Lage für die aus Syrien Fliehenden zu verbessern. Die Hälfte der über 1,2 Millionen Menschen, die in den Libanon geflohen sind, sind Kin-der. Doch die Zeltstädte, die vorrüberge-hend Schutz bieten sollen, sind kein Raum, in dem sich Kinder entfalten können.2015 wurde die Non-Profit-Organisation CatalyticAction auf die Situation aufmerk-sam und rief das Pilotprojekt Ibtasem ins Leben. Kern ist die Entwicklung eines Spielplatzkonzepts für Auffangstationen in Krisengebiete.Der Entwurf geht weit darüber hinaus, was standardmäßig in solchen Notsituationen als wichtig und nötig erachtet wird. Laut UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 31, hat jedes Kind das Recht auf Ruhe, Frei-zeit und Spiel. Die Gruppe CatalyticAction besuchte einige Auffangstationen und be-obachtete, dass Kindern dort kein eigener

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Spiel-Oase an KrisenortenSpielplatz von CatalyticAction schafft Raum für Kinder in Flüchtlingscamp Bar Elias im Libanon

Raum überlassen wird. Hier setzte ihre Arbeit für das Camp Bar Elias an.Der Spielplatz wurde in zwei Phasen ent-wickelt. Zuerst wurde das Grundgerüst ent-worfen, im nächsten Schritt ging es um die Ausstattung. CatalyticAction setzten auf die Partizipation der Kinder. Ihre Ideen und Wünsche flossen in das Design ein, sie entschieden sich unter anderem für einen Gemüsegarten. Die Teilhabe gab ihnen das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. „Ich arbeite an dem Spielplatz, damit ich zu Hause in Syrien selbst auch einen bauen kann, wenn ich zurückgehe“, erzählt der fünfjährige Shahd stolz. Die Holzkonstruk- tion ist schnell auf- und abzubauen, so kann auf Notfälle reagiert werden. Die Einzelteile können später erneut aufge-baut oder wiederverwertet werden. Frei-willige errichteten den Spielplatz während eines internationalen Design-Build-Work-shops in dem Camp in Libanon. Catalytic-Action verstehen ihren Spielplatz nicht nur als Projekt für Kinder, sondern als Raum der Verständigung, ein Ort, der die

Projekt

Die Kinder im Flüchtlings-camp Bar Elias im Libanon haben jetzt einen eigenen Raum, um sich zu entfalten.

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aufgemöbelt

www.merrygoround.deUlrich Paulig & Co.merry go round OHG

fon: 03328 [email protected]

in Zusammenarbeit mit Büro Weidinger Landschaftsarchitektur und Büro Rehwaldt Landschaftsarchitekten

CatalyticAction beteiligte die Kinder am Planungsprozess für den Spielplatz. Die modulare Holzkonstruktion lässt sich schnell auf- und abbauen.

Menschen wieder mündig macht. Seit der Eröffnung im August steigerte das Projekt die Aufmerksamkeit für die Belange der Kinder erheblich. Das Team plant bereits weitere Spielplätze im Libanon. CatalyticAction setzt sich zusammen aus einer internationalen Gruppe von Archi-tekten, Künstlern und Soziologen. Ibtasem wurde von der Organisation „Architektur ohne Grenzen“ mit dem ASF Award 2015 ausgezeichnet.

Laura Klöser

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