GastroForum Bochum neu - drfalkpharma.de · Bochum Samstag, 21. März 2009 9.00 – 17.20 Uhr...

75
Gastroenterologie 2009: Neues aus Diagnostik und Therapie Bochum Samstag, 21. März 2009 9.00 – 17.20 Uhr Veranstaltungsort: RuhrCongress Bochum Stadionring 20 44791 Bochum Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum Abstracts Böblingen Böblingen 7. Februar 2009 7. Februar 2009 Braunschweig Braunschweig 25. April 2009 25. April 2009 Neustadt / Weinstraße Neustadt / Weinstraße 19. September 2009 19. September 2009 Bochum Bochum 21. März 2009 21. März 2009 Magdeburg Magdeburg 5. Dezember 2009 5. Dezember 2009 Gladbeck Gladbeck 13. Juni 2009 13. Juni 2009 Rostock Rostock 12. September 12. September 2009 München München 10. Oktober 2009 10. Oktober 2009

Transcript of GastroForum Bochum neu - drfalkpharma.de · Bochum Samstag, 21. März 2009 9.00 – 17.20 Uhr...

Gastroenterologie 2009:

Neues aus Diagnostik und Therapie

Bochum

Samstag, 21. März 2009

9.00 – 17.20 Uhr

Veranstaltungsort:

RuhrCongress Bochum

Stadionring 20

44791 Bochum

Wissenschaftliche Leitung:

Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum

Abstracts

Böblingen Böblingen 7. Februar 20097. Februar 2009

BraunschweigBraunschweig25. April 200925. April 2009

Neustadt / WeinstraßeNeustadt / Weinstraße19. September 200919. September 2009

BochumBochum21. März 200921. März 2009

MagdeburgMagdeburg5. Dezember 20095. Dezember 2009

GladbeckGladbeck13. Juni 200913. Juni 2009

RostockRostock12. September12. September 2009

MünchenMünchen10. Oktober 200910. Oktober 2009

1

Programm 9.00 Uhr

Begrüßung Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum

1. Hepatopankreatobiliäres System 1 Vorsitz: Dr. W.E. Schmidt, Bochum Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn

9.05 Uhr Behandlung der akuten Pankreatitis Prof. Dr. M.M. Lerch, Greifswald

9.25 Uhr Autoimmune und hereditäre Pankreatitis � wann bedenken, wie behandeln? Prof. Dr. J. Mössner, Leipzig

9.45 Uhr Leitliniengerechte Therapie von Gallenwegserkrankungen: Kurzfassung der aktualisierten S3-Leitlinie der DGVS und DGAV zur Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen Prof. Dr. F. Lammert, Homburg/Saar

2. Hepatopankreatobiliäres System 2 Vorsitz: Prof. Dr. G. Gerken, Essen Dr. T. Pietzsch, Bochum

10.10 Uhr Leberbiopsie � der Pathologe als letzte Instanz bei der Diagnostik diffuser Lebererkrankungen? Prof. Dr. A. Tannapfel, Bochum

10.25 Uhr Prävention und Management von Resistenzen bei der chronischen Hepatitis B Dr. M. Cornberg, Hannover

10.40 Uhr Individualisierung der Therapiestrategie bei chronischer Hepatitis C � neuer Standard Prof. Dr. S. Zeuzem, Frankfurt

10.55 Uhr Stadiengerechte Therapie der Varizenblutung Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn

11.10�11.30 Uhr Kaffeepause

2

3. Darm 1 Vorsitz: Prof. Dr. W. Kruis, Köln PD Dr. G. Schmidt-Heinevetter, Bochum

11.30 Uhr Therapie des Reizdarmsyndroms Prof. Dr. P. Layer, Hamburg

11.50 Uhr Die pseudomembranöse Kolitis auf dem Vormarsch � Konzepte zur Diagnostik, Prophylaxe und Therapie Dr. C. Pox, Bochum

12.10 Uhr Bottom-up oder Top-down � welches Risiko bei welchem CED-Patienten? Prof. Dr. S. Schreiber, Kiel

12.30�13.25 Uhr Mittagspause

4. Darm 2 Vorsitz: Prof. Dr. M. Zeitz, Berlin Prof. Dr. J. Schölmerich, Regensburg

13.25 Uhr Divertikulitis � wann konservativ, wann interventionell, wann chirurgisch therapieren? Prof. Dr. W. Kruis, Köln

13.45 Uhr Ecksteine der Leitlinie Morbus Crohn Prof. Dr. M. Zeitz, Berlin

14.05 Uhr Die steroidrefraktäre Colitis ulcerosa � wie behandeln? Prof. Dr. J. Schölmerich, Regensburg

5. Gastroenterologische Onkologie Vorsitz: Dr. C. Mölleken, Bochum Prof. Dr. O.G. Opitz, Freiburg

14.30 Uhr Therapeutisches Vorgehen beim Ösophaguskarzinom Prof. Dr. O.G. Opitz, Freiburg

14.45 Uhr RFTA, SIRT oder TACE � lokalablative Therapieoptionen bei Lebertumoren (ohne Abstract) Prof. Dr. V. Nicolas, Bochum

3

15.00 Uhr (Neo-)Adjuvante und palliative Therapie des kolorektalen

Karzinoms Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum

15.15 Uhr Hereditäre Formen des kolorektalen Karzinoms � Was gilt es zu beachten? Dr. K. Schulmann, Bochum

15.30 Uhr Was bringen (Darm-)Krebszentren? (ohne Abstract) Prof. Dr. Dr. h.c. W. Hohenberger, Erlangen

15.45�16.00 Uhr Kaffeepause

6. Endoskopie Vorsitz: Prof. Dr. T. Rösch, Hamburg Dr. B. Viebahn, Bochum

16.00 Uhr Leitlinie Sedierung in der Endoskopie � was ändert sich? (ohne Abstract) Dr. A. Riphaus, Hannover

16.15 Uhr Kapselendoskopie des Kolons Dr. T. Brechmann, Bochum

16.30 Uhr Schneiden oder Brennen? Interventionelle Therapie des Barrett-Ösophagus (ohne Abstract) Prof. Dr. T. Rösch, Hamburg

16.45 Uhr Interventionelle Endosonografie � Möglichkeiten und Grenzen (ohne Abstract) Dr. S. Heringlake, Bochum

17.00 Uhr Schlusswort Prof. Dr. W. Schmiegel, Bochum

Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 75�76

5

Behandlung der akuten Pankreatitis

M.M. Lerch, M. Kraft, J. Mayerle

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A, Universitätsklinikum Greifswald

Einleitung

Die akute Pankreatitis zählt zu den häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen.

Die Inzidenz der Neuerkrankungen einer akuten Pankreatitis liegt zwischen

10�46/100.000 Einwohner. Somit sind 2% des klinischen Krankenguts betroffen. In

den letzten Jahren wurde eine steigende Inzidenz beobachtet. Klinische Symptome

wie gürtelförmige Oberbauchbeschwerden und Erbrechen zusammen mit einem über

das 3-fache der Norm erhöhten Serumspiegel für Amylase oder Lipase führen zur

Diagnosestellung der akuten Pankreatitis. Die häufigste Ursache der Pankreatitis

sind eine Choledocholithiasis oder ein Alkoholabusus. In seltenen Fällen wird auch

eine medikamentös induzierte Pankreatitis beschrieben (Tab. 1). Im klinischen

Verlauf lassen sich für die akute Pankreatitis 2 Formen unterscheiden, deren

Auftreten unabhängig von der Ätiologie der Erkrankung ist: die akute interstitiell-

ödematöse Pankreatitis (75�85%) mit einer Letalität unter 1% und die akute

hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis (15�25%) mit einer Letalität zwischen

10�24%.

Volumen und Elektrolytsubstitution Die entscheidende therapeutische Maßnahme bei der Behandlung der akuten

Pankreatitis (und ebenso der häufigste Behandlungsfehler, wenn sie nicht erfolgt) ist

die ausreichende Substitution des Flüssigkeitsverlusts. In einer japanischen retro-

spektiven Analyse konnte gezeigte werden, dass die Mortalität einer Patientengruppe

mit akuter Pankreatitis 61,2% betrug, wenn weniger als 3,5 Liter Flüssigkeit in den

ersten 24 Stunden des Krankenhausaufenhalts infundiert wurden (1). Patienten mit

akuter Pankreatitis sequestrieren erhebliche Flüssigkeitsmengen, vor allem ins

Retroperitoneum, bei Vorliegen eines Ileus ins Darmlumen, in die Pleurahöhle und in

die freie Bauchhöhle (pankreatogener Aszites). Im Normalfall kann ein

Flüssigkeitsbedarf von mindestens 3�4 Litern pro Tag angenommen werden,

allerdings müssen in manchen Fällen mehr als 10 Liter in 24 h substituiert werden.

Eine Kontrolle des Flüssigkeitsbedarfs und der Substitution über den zentralvenösen

Druck, die stündliche Urinausscheidung (0,5 ml/kg KG/h) und die tägliche

6

Bestimmung des Hämatokrit ist in jedem Fall erforderlich. Als Richtwert für die

Absenkung des Hämatokrits durch ausreichende Flüssigkeitssubstitution gilt ein Wert

unter 35%. Der zentralvenöse Druck sollte auf Werte um 8�12 cm Wassersäule

angehoben werden. Ein nicht ausreichender Ersatz des Flüssigkeitsverlusts hat eine

Vasokonstriktion im Splanchnikusgebiet zur Folge, und hieraus kann eine Minder-

perfusion des Pankreas resultieren, was wiederum zur Progression der akuten

Pankreatitis beitragen würde.

Nahrungskarenz oder enterale Ernährung Nahrungskarenz hat einen positiven Einfluss auf den Verlauf des paralytischen Ileus,

der als Folge einer akuten Pankreatitis auftreten kann. Zudem empfinden viele

Patienten die Nahrungskarenz subjektiv als Erleichterung für ihre Übelkeit, ihr

Erbrechen und ihre Schmerzen. Auf den klinischen Verlauf oder die Prognose der

akuten Pankreatitis selbst hat die Nahrungskarenz nach neueren Studien keinen

positiven Einfluss. Vor allem die Vorstellung, dass durch Nahrungskarenz die Bauch-

speicheldrüse �ruhiggestellt� werden muss, gilt heute als obsolet. Sowohl in

experimentellen als auch in klinischen Studien wurde überzeugend belegt, dass im

Verlauf einer Pankreatitis die exokrine Sekretion blockiert ist und dass somit eine

Hemmung der Sekretion als therapeutisches Prinzip sinnlos ist. Eine therapeutische

Aufhebung der Sekretionsblockade bei der Pankreatitis wäre, zumindest aus

pathophysiologischen Überlegungen, ein vielversprechenderer Behandlungsansatz.

In 10 prospektiv randomisierten klinischen Studien (2�13) konnte inzwischen gezeigt

werden, dass eine enterale Ernährung der parenteralen Ernährung bei akuter

Pankreatitis überlegen ist. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in den Kosten der

parenteralen Ernährung (6-mal so teuer wie die enterale Sondenernährung), sondern

vor allem in den Komplikationen der parenteralen Ernährung. Neben der Gefahr

einer zusätzlichen Infektionsquelle durch den zentralvenösen Katheter kommt es bei

ausschließlich parenteraler Ernährung innerhalb weniger Tage zu einer Zotten-

atrophie im Darm, die dann eine bakterielle Translokation in die umliegenden

parenchymatösen Organe erlaubt. Bei Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis

siedeln sich die translozierten Bakterien bevorzugt in der Pankreasnekrose an und

können eine der gefürchtetsten Komplikationen der Pankreatitis � die infizierte

Nekrose oder den Pankreasabszess (s. unten) � verursachen. Eine enterale

Sondenernährung, die über eine tiefliegende Dünndarmsonde oder (neueste

Studien) mit gleicher Effektivität auch über eine Magensonde verabreicht wird, wirkt

7

der Translokation entgegen und hat sich als Alternative zur parenteralen Ernährung

bewährt (3, 14�16).

Analgetikatherapie Patienten mit akuter Pankreatitis leiden oft unter stärksten viszeralen Schmerzen.

Deshalb ist eine ausreichende Analgesie eines der wichtigsten und oft dringlichsten

Behandlungsziele. Die einst nur im deutschsprachigen Raum verbreitete Dauerin-

fusion des Lokalanästhetikums Procainhydrochlorid (Novocain, 2 g/24 h) zur

Schmerzbehandlung bei der Pankreatitis ist weder durch Studien noch durch

Fallberichte belegt. In einer klinischen Studie aus der Universitätsklinik Magdeburg

wurde gezeigt, dass die Novocain-Infusion für die Schmerzbehandlung bei akuter

Pankreatitis wirkungslos ist und den Bedarf an zusätzlich zu gebenden Opiat-

analgetika sogar noch erhöht (17, 18).

Auch das Argument einer möglichen Kontraktion der Duodenalpapille durch

Morphine und damit einer zusätzlichen Abflussbehinderung der Pankreassekretion

ist nach heutigem Wissensstand obsolet (19). Wir wissen heute, dass dieser Effekt

bei den meisten Analgetika dieser Gruppe nicht auftritt oder so gering ausgeprägt ist,

dass er klinisch keine Rolle spielt. Einige morphinanaloge Analgetika werden mit

Erfolg zur Schmerztherapie bei akuter Pankreatitis eingesetzt. Im angelsächsischen

Sprachraum wird überwiegend und mit gutem Erfolg Morphium zur Behandlung

starker Schmerzen bei akuter Pankreatitis eingesetzt. Das in Deutschland aus

betäubungsrechtlichen Gründen sehr gerne verordnete Tramadol (Tramal®) führt

nach persönlicher Erfahrung der Autoren bei Patienten mit akuter Pankreatitis

häufiger zu Übelkeit und Erbrechen, so dass andere Opiatanalgetika eher zu

verordnen sind (20,21).

Einige Zentren haben in zwischen gute Ergebnisse mit dem Einsatz der thorakalen

Periduralanalgesie erzielt. Diese führt nicht nur zur raschen Schmerzfreiheit der

Patienten, sondern verhindert oder therapiert zusätzlich einen paralytischen Ileus.

Voraussetzung für den Einsatz der PDA ist, dass der Patient weder analgosediert ist,

noch eine manifeste Gerinnungsstörung vorliegt (22, 23).

Behandlung mit Antibiotika und Probiotika Die Einstellung zur Behandlung der akuten Pankreatitis mit Antibiotika hat sich in den

letzten Jahren mehrfach gewandelt. In neueren Studien wurde überzeugend gezeigt,

dass eine generelle Antibiotikaprophylaxe keine Vorteile bietet und nur zur Selektion

8

resistenter Erreger beiträgt. Demgegenüber profitieren Patienten mit nachgewiesener

infizierter Pankreasnekrose von einer Antibiotikabehandlung erheblich. Die letzte

Metaanalyse zur prophylaktischen Antibiotikagabe, die auch die Daten der neuesten

Meropenem-Studie von (24) einschließt und damit 7 Studien mit insgesamt

467 Patienten in der Analyse berücksichtigt fand keinen Unterschied für die Rate an

infizierten Nekrosen. Auch die Gesamtmortalität war in der Antibiotikatherapiegruppe

nicht signifikant reduziert.

Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die eine Reihe von positiven Effekten auf

die Gesundheit haben sollen. Olah und Kollegen haben in den letzten Jahren 2 RCT

Studien zur Prophylaxe einer infizierten Nekrose bei Patienten mit akuter Pankreatitis

durchgeführt. Beide Studien belegen, dass der Einsatz von Probiotika die Inzidenz

von infektiösen Komplikationen verminderte (6, 7). Umso mehr Aufsehen haben die

Ergebnisse der erst im letzten Jahr im Lancet veröffentlichten PROPATRIA-Studie

der Niederländischen Pankreatitis Studien Gruppe erregt. In einer doppelblinden

Plazebo-kontrollierten Studien an 298 Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis

belegten die Autoren, dass die Probiotikagabe (Ecologic 641: Lactobacillus acido-

philus, Lactobacillus casei, Lactobacillus salivarius, Lactococccus lactis, Bifido-

bacterium bifidum und Bifidobacterium lactis) nicht zu einer signifikanten Abnahme

der infektiösen Komplikationen, sondern zu einer signifikanten Zunahme der

Mortalität, überwiegend verursacht durch Darmnekrosen in der Verumgruppe führte

(25, 26). Die Gabe von Probiotika zur Therapie der akuten Pankreatitis sollte somit

unbedingt unterbleiben bis weitere Studien die Hintergründe dieses Befunds klären.

Endoskopisches und operatives Vorgehen bei nekrotisierender Pankreatitis Ein operatives Vorgehen bei akuter nekrotisierender Pankreatitis ist nur bei nach-

gewiesener infizierter Nekrose und nicht bei einer sterilen Nekrose indiziert. Im

Verlauf der letzten 2 Jahrzehnte hat sich das therapeutische Konzept von einem

aggressiven operativen Vorgehen hin zu einem konservativen interventionellen

Management gewandelt. Ursprünglich wurde die Indikation zur Nekrosektomie bei

Auftreten eines Multiorganversagens gestellt. Dieses Vorgehen war mit einer

Mortalität von 65% verbunden, was den Nutzen des operativen Vorgehens in dieser

Situation infrage stellt. Noch im Jahr 2003 belief sich die Mortalität bei offener

Nekrosektomie auf 47% (27). Die offene Nekrosektomie sollte deshalb wo immer

möglich vermieden werden, da das operative Trauma ein schwer beherrschbares

9

SIRS induziert (28). Eine Studie von Mier und Kollegen aus dem Jahr 1997 belegt,

dass ein operatives Vorgehen innerhalb von 2 Wochen nach Krankheitsbeginn mit

einer signifikant höheren Mortalität behaftet ist (29). Wenn eine offene Nekros-

ektomie nicht vermeidbar ist, sollte sie durch konservative Maßnahmen wie eine

Drainageanlage und eine Resistogramm gerechte Antibiose bis zur 3. oder 4. Krank-

heitswoche hinausgezögert werden. Ein kombiniert konservatives und inter-

ventionelles Vorgehen ist auch bei infizierter Nekrose dem operativen Verfahren

gleichwertig (30). Eine Reihe von Studien haben in den letzten Jahren gezeigt, dass

minimalinvasive Therapieverfahren wie die perkutane Drainageanlage oder eine

laparoskopisch assistierte Nekrosektomie vielversprechende Ergebnisse liefern

(31, 32). Als neues und sehr wenig invasives Therapieverfahren gilt die trans-

gastrische oder transduodenale endoskopische Nekrosektomie. Bisher wurden in der

Literatur mehr als 100 Behandlungsfälle beschrieben. Die Indikation war entweder

eine nachgewiesene infizierte Nekrose oder ein Pankreasabszess. Die technische

Erfolgsrate bei diesen Patienten lag bei 92,1%, wobei es in 19,6% zu Komplikationen

wie Kolonfisteln, Blutung, Prothesendislokation, Schmerzen nach mehr als 24 h,

Perforationen oder Senkungsabszessen kommt. Die Mortalität in dieser Patienten-

gruppe betrug 5,6%, der Langzeiterfolg der Therapie lag bei 81,2% und die Anzahl

der Eingriffe bei im Median 2,3 (33�35). Insgesamt stellt dieses Verfahren bei

richtiger Indikationsstellung und frühestens 2�3 Wochen nach Krankheitsbeginn

einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz dar und wird auch in unserer Klinik

inzwischen routinemäßig eingesetzt.

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Markus M. Lerch - Direktor - Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23A 17475 Greifswald Tel.: 03834 867230 Fax: 03834 867234 E-Mail: [email protected]

10

Tabelle 1: Medikamentöse Ursachen einer akuten Pankreatitis: Daten kumuliert aus Trivedi (36), Eland (37), Andersen (38), Lankisch (39) Medikamente

Anzahl der Fälle Re-Exposition Didanosin 883 9 Asparaginase 177 2 Azathioprin 101 22 Valproat 80 11 5-wertige Antimone (Leishmaniose-Therapie)

80 14

Pentamidin 79 2 Mercaptopurin 69 10 Mesalamin/Olsalazin 74 17 Östrogene 42 11 Opiate 42 5 Tetracyclin 34 2 Cytarabin 26 4 Stereoide 25 1 Sulfmethoxazol/ Trimethoprim

24 1

Sulfasalazin 23 5 Furosemid 21 3 Sulindac 21 8 Lamivudin 19 1 Octreotid 16 4 Acetaminophen 13 1 Phenformin 13 1 Interferon-α2b 13 3 Enalapril 12 2 Hydrochlorothiazid 12 1 Cisplatin 11 1 Erythromycin 11 1 Cimetidin 1 1 Methyldopa 2 2 Metronidazol 1 1 Oxyphenbutazon 1 1 Simvastatin 1 1

Literatur: 1. Mayumi T, Takada T, Kawarada Y, Hirata K, Yoshida M, Sekimoto M, Hirota M,

Kimura Y, Takeda K, Isaji S, Koizumi M, Otsuki M, Matsuno S. Management strategy for acute pancreatitis in the JPN Guidelines. J Hepatobiliary Pancreat Surg. 2006;13:61�7.

11

2. Working Party of the British Society of Gastroenterology; Association of Surgeons of Great Britain and Ireland; Pancreatic Society of Great Britain and Ireland; Association of Upper GI Surgeons of Great Britain and Ireland. UK guidelines for the management of acute pancreatitis. Gut. 2005;54(Suppl 3): iii1�9.

3. Eatock FC, Brombacher GD, Steven A, Imrie CW, McKay CJ, Carter R.

Nasogastric feeding in severe acute pancreatitis may be practical and safe. Int J Pancreatol. 2000;28:23�9.

4. Karamitsios N, Saltzman JR. Enteral nutrition in acute pancreatitis. Nutr Rev.

1997;55:279�82. 5. McClave SA, Greene LM, Snider HL, Makk LJ, Cheadle WG, Owens NA, Dukes

LG, Goldsmith LJ. Comparison of the safety of early enteral vs parenteral nutrition in mild acute pancreatitis. JPEN J Parenter Enteral Nutr. 1997;21: 14�20.

6. Oláh A, Belágyi T, Issekutz A, Olgyai G. [Combination of early nasojejunal

feeding with modern synbiotic therapy in the treatment of severe acute pancreatitis (prospective, randomized, double-blind study)]. Magy Seb. 2005;58:173�8.

7. Oláh A, Pardavi G, Belágyi T, Nagy A, Issekutz A, Mohamed GE. Early

nasojejunal feeding in acute pancreatitis is associated with a lower complication rate. Nutrition. 2002;18:259�62.

8. Powell JJ, Murchison JT, Fearon KC, Ross JA, Siriwardena AK. Randomized

controlled trial of the effect of early enteral nutrition on markers of the inflammatory response in predicted severe acute pancreatitis. Br J Surg. 2000;87:1375�81.

9. Pupelis G, Selga G, Austrums E, Kaminski A. Jejunal feeding, even when

instituted late, improves outcomes in patients with severe pancreatitis and peritonitis. Nutrition. 2001;17:91�4.

10. Sax HC, Warner BW, Talamini MA, Hamilton FN, Bell RH, Jr, Fischer JE, Bower

RH. Early total parenteral nutrition in acute pancreatitis: lack of beneficial effects. Am J Surg. 1987;153:117�24.

11. Windsor AC, Kanwar S, Li AG, Barnes E, Guthrie JA, Spark JI, Welsh F, Guillou

PJ, Reynolds JV. Compared with parenteral nutrition, enteral feeding attenuates the acute phase response and improves disease severity in acute pancreatitis. Gut. 1998;42:431�5.

12. Eckerwall GE, Axelsson JB, Andersson RG. Early nasogastric feeding in

predicted severe acute pancreatitis: A clinical, randomized study. Ann Surg. 2006;244:959�65; discussion 965�7.

12

13. Petrov MS, Kukosh MV, Emelyanov NV. A randomized controlled trial of enteral versus parenteral feeding in patients with predicted severe acute pancreatitis shows a significant reduction in mortality and in infected pancreatic complications with total enteral nutrition. Dig Surg. 2006;23:336�44; discussion 344�5.

14. Imrie CW, Carter CR, McKay CJ. Enteral and parenteral nutrition in acute

pancreatitis. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2002;16:391�7. 15. Kumar A, Singh N, Prakash S, Saraya A, Joshi YK. Early enteral nutrition in

severe acute pancreatitis: a prospective randomized controlled trial comparing nasojejunal and nasogastric routes. J Clin Gastroenterol. 2006;40:431�4.

16. Lecleire S, Antonietti M, Ben-Soussan E, Zenoni M, Savoye G, Goria O,

Ducrotté P, Lerebours E. Nasojejunal feeding in patients with severe acute pancreatitis: comparison of endoscopic and self-migration tube placement. Pancreas. 2007;35:376�8.

17. Kahl S, Zimmermann S, Pross M, Schulz HU, Schmidt U, Malfertheiner P.

Procaine hydrochloride fails to relieve pain in patients with acute pancreatitis. Digestion 2004;69:5�9.

18. Lerch MM. No more intravenous procaine for pancreatitis pain? Digestion.

2004;69:2�4. 19. Thompson DR. Narcotic analgesic effects on the sphincter of Oddi: a review of

the data and therapeutic implications in treating pancreatitis. Am J Gastro-enterol. 2001;96:1266�72.

20. Jakobs R, Adamek MU, von Bubnoff AC, Riemann JF. Buprenorphine or

procaine for pain relief in acute pancreatitis. A prospective randomized study. Scand J Gastroenterol. 2000;35:1319�23.

21. Staritz M. Pharmacology of the sphincter of Oddi. Endoscopy. 1988;20 Suppl

1:171�4. 22. Bernhardt A, Kortgen A, Niesel H, Goertz A. Anwendung der

Epiduralanästhesie bei Patienten mit akuter Pankreatitis � Prospektive Unter-suchung an 121 Patienten [Using epidural anesthesia in patients with acute pancreatitis � prospective study of 121 patients]. Anaesthesiol Reanim. 2002;27:16�22.

23. Niesel HC, Klimpel L, Kaiser H, Bernhardt A, al-Rafai S, Lang U. Epidurale

Blockade zur Analgesie und Behandlung der akuten Pankreatitis [Epidural blockade for analgesia and treatment of acute pancreatitis]. Reg Anaesth. 1991;14:97�100.

24. Dellinger EP, Tellado JM, Soto NE, Ashley SW, Barie PS, Dugernier T, Imrie

CW, Johnson CD, Knaebel HP, Laterre PF, Maravi-Poma E, Kissler JJ, Sanchez-Garcia M, Utzolino S. Early antibiotic treatment for severe acute necrotizing pancreatitis: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. Ann Surg. 2007;245:674�83.

13

25. Besselink MG, van Santvoort HC, Buskens E, Boermeester MA, van Goor H, Timmerman HM, Nieuwenhuijs VB, Bollen TL, van Ramshorst B, Witteman BJ, Rosman C, Ploeg RJ, Brink MA, Schaapherder AF, Dejong CH, Wahab PJ, van Laarhoven CJ, van der Harst E, van Eijck CH, Cuesta MA, Akkermans LM, Gooszen HG; Dutch Acute Pancreatitis Study Group. Probiotic prophylaxis in predicted severe acute pancreatitis: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2008;371:651�9.

26. Sand J, Nordback I. Probiotics in severe acute pancreatitis. Lancet.

2008;371:634�5. 27. Nieuwenhuijs VB, Besselink MG, van Minnen LP, Gooszen HG. Surgical

management of acute necrotizing pancreatitis: a 13-year experience and a systematic review. Scand J Gastroenterol. Suppl 2003:111�6.

28. Connor S, Alexakis N, Raraty MG, Ghaneh P, Evans J, Hughes M, Garvey CJ,

Sutton R, Neoptolemos JP. Early and late complications after pancreatic necrosectomy. Surgery. 2005;137:499�505.

29. Mier J, León EL, Castillo A, Robledo F, Blanco R. Early versus late

necrosectomy in severe necrotizing pancreatitis. Am J Surg. 1997;173:71�5. 30. Runzi M, Niebel W, Goebell H, Gerken G, Layer P. Severe acute pancreatitis:

nonsurgical treatment of infected necroses. Pancreas. 2005;30:195�9. 31. Shankar S, vanSonnenberg E, Silverman SG, Tuncali K, Banks PA. Imaging

and percutaneous management of acute complicated pancreatitis. Cardiovasc Intervent Radiol. 2004;27:567�80.

32. Werner J, Feuerbach S, Uhl W, Büchler MW. Management of acute

pancreatitis: from surgery to interventional intensive care. Gut. 2005;54:426�36. 33. Raczynski S, Teich N, Borte G, Wittenburg H, Mössner J, Caca K.

Percutaneous transgastric irrigation drainage in combination with endoscopic necrosectomy in necrotizing pancreatitis (with videos). Gastrointest Endosc. 2006;64:420�4.

34. Seewald S, Groth S, Omar S, Imazu H, Seitz U, de Weerth A, Soetikno R,

Zhong Y, Sriram PV, Ponnudurai R, Sikka S, Thonke F, Soehendra N. Aggressive endoscopic therapy for pancreatic necrosis and pancreatic abscess: a new safe and effective treatment algorithm (videos). Gastrointest Endosc. 2005;62:92�100.

35. Seifert H, Wehrmann T, Schmitt T, Zeuzem S, Caspary WF. Retroperitoneal

endoscopic debridement for infected peripancreatic necrosis. Lancet. 2000;356:653�5.

36. Trivedi CD, Pitchumoni CS. Drug-induced pancreatitis: an update. J Clin

Gastroenterol 2005;39:709�16. 37. Eland IA, van Puijenbroek EP, Sturkenboom MJ, Wilson JH, Stricker BH. Drug-

associated acute pancreatitis: twenty-one years of spontaneous reporting in The Netherlands. Am J Gastroenterol. 1999;94:2417�22.

14

38. Andersen V, Sonne J, Andersen M. Spontaneous reports on drug-induced pancreatitis in Denmark from 1968 to 1999. Eur J Clin Pharmacol. 2001;57:517�21.

39. Lankisch PG, Dröge M, Gottesleben F. Drug induced acute pancreatitis:

incidence and severity. Gut. 1995;37:565�7.

15

Autoimmune und hereditäre Pankreatitis � wann bedenken, wie behandeln?

J. Mössner

Medizinische Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum

Leipzig

Ätiologie und Pathogenese In den Industrienationen ist die chronische Pankreatitis in 70�80% aller Fälle alkohol-

induziert. In 20�30% der Fälle ist eine auslösende Ursache nicht erkennbar

(�idiopathische chronische Pankreatitis�). Die Aufklärung genetischer Verände-

rungen, die entweder die Krankheit verursachen oder bei zusätzlichen, zum Teil noch

unbekannten Kofaktoren, die Krankheitspenetranz beeinflussen, hat noch zu keinen

therapeutischen Konsequenzen geführt.

Angeborene Risikofaktoren der chronischen Pankreatitis Hereditäre Pankreatitis Erstbeschreibung und Klinik. Die klinische Beobachtung einer Familie, in der 6 von

36 Mitgliedern aus 4 Generationen eine rezidivierende Pankreatitis hatten, führte im

Jahr 1952 zur Erstbeschreibung der autosomal-dominant vererbten hereditären

Pankreatitis. Die Erkrankung beginnt überwiegend im Kindes- oder Jugendalter und

betrifft Jungen und Mädchen gleichermaßen. Meist treten wiederholte schmerzhafte

akute Schübe der chronischen Pankreatitis auf; selten ist eine klinische

Erstmanifestation aufgrund bereits entwickelter exokriner oder endokriner Insuf-

fizienz.

Genetik. Kationisches Trypsinogen ist das quantitativ wichtigste Trypsinogen im

Pankreassaft des Menschen. Einer nordamerikanisch-italienischen Arbeitsgruppe

gelang es im Jahr 1996, bei 5 Familien mit hereditärer Pankreatitis eine

krankheitsassoziierte Mutation in diesem Gen zu identifizieren. Bereits bei der

Publikation der R122H-Mutation wurde postuliert, dass die Aminosäure R122

aufgrund ihrer exponierten Lage als eine �Sollbruchstelle� anzusehen ist. Eine

Hydrolyse an dieser Position könnte zu einer Inaktivierung des aktiven Trypsins

führen. Im mutierten R122H-Molekül wäre diese Spaltung nicht mehr möglich,

sodass aktives Trypsin im Organ persistiert, was dann eine akute Pankreatitis

16

initiieren könnte. Dieses Konzept passt gut in die schon zuvor favorisierte Vorstellung

zur Pathogenese der Pankreatitis, welche von einer gesteigerten intrapankreatischen

Trypsinaktivität ausgeht. Die häufigsten krankheitsassoziierten Mutationen des

kationischen Trypsinogens, N29I und R122H, führen in der Tat zu einer erleichterten

Autoaktivierung und/oder erschwerten Inaktivierung der mutierten Trypsinmoleküle in

vitro.

In rascher Folge wurden weitere Varianten des kationischen Trypsinogens

identifiziert. Einige davon führten aufgrund ihrer Position im Molekül oder ihrer

biochemischen Eigenschaften zu interessanten pathogenetischen Konzepten.

Beispiele sind weitere Mutationen im Bereich der Trypsin-Inaktivierungsschnittstelle,

Mutationen direkt an der Trypsinogen-Aktivierungsschnittstelle oder durch Austausch

genetischen Materials entstandene Konversionsmutationen. Die subtil erhobene

Familienanamnese und ggf. das Hinzuziehen objektiver klinischer Befunde der

Familienangehörigen eines Indexpatienten ist Basis jeder sinnvollen genetischen

Diagnostik.

Hereditäre chronische Pankreatitis und Pankreaskarzinom Nachdem häufig bereits im jüngeren Erwachsenenalter eine Beruhigung der

Krankheitsaktivität eintritt, sind die Patienten über das Risiko eines Pankreas-

karzinoms besorgt. Die Datenlage zu dieser Frage ist uneinheitlich, da alle

bisherigen Untersuchungen nur sehr wenige Patienten mit hereditärer Pankreatitis

und Pankreaskarzinom umfassten. In der größten Kohorte mit 246 Patienten erlitten

8 Patienten ein Pankreaskarzinom; daraus wurde ein gegenüber der Normal-

bevölkerung 50-fach erhöhtes Pankreaskarzinomrisiko errechnet. In unserer eigenen

Kohorte fanden sich unter 101 Patienten 3 Fälle eines Pankreaskarzinoms mit einer

mittleren Manifestation 23 Jahre nach klinischem Beginn der Pankreatitis. In einer

älteren Untersuchung fand sich auch bei längerer Nachbeobachtung kein einziger

Fall bei 72 Patienten. Die einzige sinnvolle Konsequenz daraus ist die dringende

Empfehlung zum Nikotinverzicht und eine einmal jährlich durchgeführte nicht-

invasive bildgebende Untersuchung.

Idiopathische chronische Pankreatitis Mutationen des pankreatischen Trypsin-Inhibitor-Gens SPINK1. 4 Jahre nach der

Erstbeschreibung von Mutationen des kationischen Trypsinogens wurde eine

Assoziation von Mutationen des SPINK1-Gens (Serin-Proteasen-Inhibitor Typ Kasal)

17

mit der chronischen Pankreatitis berichtet. SPINK1 ist der wichtigste intrapan-

kreatische Gegenspieler vorzeitig aktivierten Trypsins; seine Mutationen scheinen

ebenfalls zu einer Destabilisierung des intrapankreatischen Proteasen-

Antiproteasen-Gleichgewichts beizutragen. Während Trypsinogen-Mutationen fast

ausschließlich bei Patienten mit autosomal-dominanter hereditärer chronischer

Pankreatitis gefunden wurden, finden sich SPINK1-Mutationen neben der

idiopathischen (20%) auch bei Patienten mit alkoholischer (6%) und tropischer (50%)

chronischer Pankreatitis in hoher Prävalenz. Die wichtigste genetische Veränderung

im SPINK1-Gen ist die Mutation N34S.

Mutationen des anionischen Trypsinogens. Wir analysierten das Gen des

anionischen Trypsinogens (PRSS2) sowohl in einer gesunden Kontrollgruppe als

auch bei Patienten mit chronischer Pankreatitis. Eine Variante des Codons 191

(G191R) war überraschenderweise bei Kontrollen statistisch signifikant über-

repräsentiert (3,4% vs. 1,3%; Odds-Ratio = 0,37; p = 1,1 x 10-8). In vitro zeigte

gereinigtes rekombinantes G191R-Protein einen vollständigen Verlust der

Aktivierbarkeit durch entweder Enterokinase oder Trypsin. Dies war durch die

Einführung einer neuen Region, die durch Trypsin gespalten werden kann, erklärt.

Diese Variante des anionischen Trypsins macht das Molekül hypersensitiv für eine

proteolytische Degradation. Die G191R-Variante des PRSS2 mitigiert somit die

intrapankreatische Trypsin-Aktivität und schützt somit vor der Entwicklung einer

Pankreatitis.

Mutationen des Chymotrypsin C. Chymotrypsin C (CTRC) degradiert Trypsin und

schützt somit ebenfalls das Pankreas vor seiner Autodigestion. Durch Analyse von

1320 Patienten mit chronischer Pankreatitis und 2888 Studienteilnehmern ohne

chronische Pankreatitis konnten wir eine Assoziation von genetischen Varianten des

CTRC mit der chronischen Pankreatitis nachweisen. Die gefundenen Varianten

zeigten funktionell eine verringerte Aktivität und/oder eine verminderte Sekretion.

Dieser Funktionsverlust stört das intrapankreatische Gleichgewicht von Proteasen

und Antiproteasen und führt � wie wir annehmen � über eine Autodigestion zur

Pankreatitis.

18

Chronische Pankreatitis und Mukoviszidose Epidemiologie. Die Mukoviszidose oder zystische (Pankreas-)Fibrose (CF) ist eine

autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch Mutationen im CFTR-Gen (cystic

fibrosis transmembrane conductance regulator) verursacht wird. Die geschätzte

Inzidenz liegt in Europa bei 1:2500.

Pathophysiologie. Die Pankreasschädigung bei CF ist durch eine duktuläre

Obstruktion infolge eingedickten Sekrets charakterisiert, die zu einer Dilatation der

Pankreasgänge und zu einem Verlust der Azinuszellen mit interstitieller Fibrose und

Ersatz durch Fettgewebe führt. Die Pankreasbeteiligung variiert von einem

kompletten Verlust der exokrinen und endokrinen Funktion bis zu einer nahezu

normalen Pankreasfunktion. CFTR kodiert für ein Transmembranprotein, ist auf der

Oberfläche der meisten Epithelzellen nachweisbar und fungiert als cAMP-abhängiger

Chloridkanal. CFTR besitzt eine bedeutende Rolle in der duktulären Sekretion von

Bikarbonat in den Pankreassaft. CFTR-Mutationen verursachen einen defekten

Salztransport mit Bildung zäher Schleimsekrete in den betroffenen Organen.

Genetik. Bislang sind über 1000 verschiedene CFTR-Mutationen beschrieben. Bei

Patienten mit idiopathischer chronischer Pankreatitis finden sich CFTR-Mutationen

4-mal häufiger als erwartet. Aus dieser Beobachtung folgte die Hypothese, dass die

Kombination zweier milder bzw. einer schweren und einer milden CFTR-Mutation

den Phänotyp einer Pankreatitis verursacht, während die Kombination zweier

schwerer CFTR-Mutationen zu dem Phänotyp einer zystischen Fibrose führt.

Allerdings weist nur ein Bruchteil der Patienten mit idiopathischer Pankreatitis

2 CFTR-Mutationen auf. Warum lediglich heterozygote Mutationsträger ein erhöhtes

Risiko für eine chronische Pankreatitis besitzen, ist wenig verstanden. Neuere

Publikationen deuten darauf hin, dass die Kombination einer heterozygoten CFTR-

Mutation mit einem genetischen Defekt in einem anderen Gen, wie z. B. SPINK1, zur

chronischen Pankreatitis disponiert. Dieser Hypothese folgend, würde CFTR über

einen komplexen Erbgang zu einer Pankreatitis prädisponieren.

Pankreaskarzinomrisiko. Über das Pankreaskarzinomrisiko bei zystischer Fibrose ist

bislang wenig bekannt; insgesamt gibt es erst 9 publizierte Fälle weltweit. Von diesen

hatten 5 eine vorbestehende exokrine Pankreasinsuffizienz. Ob sich im Zuge der

19

deutlich verbesserten Prognose der pulmonalen Erkrankung zukünftig häufiger ein

Pankreaskarzinom finden wird, bleibt abzuwarten.

Autoimmunpankreatitis

Die Autoimmunpankreatitis (AIP) ist eine seltene Erkrankung und liegt bei maximal

10% der chronischen Pankreatitiden vor. Bei einem Teil der Patienten findet sich im

Serum ein erhöhtes IgG, Subtyp 4 und/oder Antikörper gegen Carboanhydrase.

Bildmorphologisch finden sich sowohl tumorartige Pankreasraumforderungen als

auch eine diffuse Organvergrößerung, sogenanntes Wurstpankreas. Histologisch

findet sich eine lymphoplasmazelluläre Infiltration. Die Erkrankung manifestiert sich

oftmals mit begleitenden Veränderungen im Gallengangssystem, bildmorphologisch

wie PSC.

Therapie

Hereditäre Pankreatitis Häufig kommt es im Verlauf zu einer Abschwächung der Krankheitsintensität. Auch

innerhalb einer Familie finden sich ausgeprägt variable Verläufe, die sich zum

heutigen Zeitpunkt weder vorhersagen noch spezifisch behandeln lassen. Die

Therapie orientiert sich bislang an den Leitlinien der akuten und chronischen

Pankreatitis anderer Genese. Chirurgische Therapieoptionen stehen eher im

Hintergrund.

Autoimmunpankreatitis Im Gegensatz zur PSC sprechen diese Gallenwegsentzündung und die Cholestase

gut auf Steroide an. Die AIP kann aufgrund eines Tumorverdachts fälschlicherweise

einer Operation (Resektion) zugeführt werden, die wiederum bei einem Teil der

Patienten zu einer deutlichen Exazerbation der Erkrankung mit ernstzunehmender

Verschlechterung führen kann. Das klinische Problem stellt die sichere Diagnose der

Erkrankung dar. Die AIP ist medikamentös gut mit Steroiden und Azathioprin

behandelbar.

Chronische Pankreatitis jedweder Ursache Die symptomatische Therapie der chronischen Pankreatitis ist stadiengerecht und

setzt daher eine Kenntnis des klinischen Bildes und der Komplikationsmöglichkeiten

voraus.

20

Stadium I: Präklinisches Stadium ohne manifeste Symptomatik mit bereits

chronisch entzündlichen Veränderungen des Organs

Stadium II: Klinische Symptome in Form von rezidivierenden akuten Schüben und

sekundären Komplikationen. Mit zunehmendem Untergang von Pankre-

asgewebe Nachlassen der Intensität der klinischen Symptome. Einige

Patienten zeigen auch ein chronisches Schmerzsyndrom und einen

Krankheitsverlauf ohne typische Schübe. Die häufigste Komplikation ist

die Entstehung von Pankreaspseudozysten mit unterschiedlichster

Symptomatik.

Stadium III: Progrediente exokrine und endokrine Insuffizienz mit zunehmender

Diarrhö und Steatorrhö, weiterem Gewichtsverlust sowie Symptomen

des Diabetes mellitus. Ca 10% aller Patienten werden aufgrund eines

primär schmerzlosen Verlaufs erst im Stadium III mit progredientem

Gewichtsverlust aufgrund ausgeprägter Maldigestion klinisch auffällig.

Leitsymptom ist der rezidivierende oft gürtelförmige Schmerz im Oberbauch sowie

Gewichtsverlust. Die Pathogenese der Schmerzen ist vielschichtig. Im Stadium II ist

der Gewichtsverlust durch unzureichende Kalorienzufuhr aufgrund nahrungs-

abhängiger Schmerzen erklärt, im Stadium III durch zunehmende Maldigestion. Bei

eingeschränkter exokriner Pankreasfunktion kommen Fettstuhl und andere Merkmale

der schweren Maldigestion, wie Folgeerkrankungen des Mangels fettlöslicher

Vitamine, hinzu. Das Spätstadium ist charakterisiert durch eine zunehmende

endokrine Insuffizienz mit Diabetes mellitus. Die Symptomatik kann erweitert werden

durch Folgeerkrankungen des Alkohol- und Nikotinabusus wie arterielle Verschluss-

krankheit, chronische Bronchitis, Lungenkarzinom, Fettleber, Leberzirrhose mit oder

ohne portale Hypertension. Die typische Trias von Gewichtsverlust mit oder ohne

Steatorrhö, Diabetes mellitus und Pankreaskalzifikationen findet sich bei einem

Drittel der Patienten, meist erst im Stadium III.

Literatur beim Verfasser. Prof. Dr. med. Joachim Mössner, Department für Innere Medizin und Dermatologie, Medizinische Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Leipzig, AöR, Liebigstr. 20, 04103 Leipzig, Tel.: 0341 9712200, Fax: 0341 9712209, E-Mail: [email protected]

21

Die Arme der symptomatischen Therapie der chronischen Pankreatitis

Maßnahme Ziel Alkoholkarenz soziale Reintegration Verbesserung der Compliance Verzögerung des Krankheitsverlaufs? Reduktion der Komplikationen? Nikotinkarenz Verzögerung der Arteriosklerose Besserung der Schmerzen? Verzögerung des Krankheitsverlaufs Reduktion der Komplikationen? Medikamentöse Schmerztherapie Schmerzfreiheit

oral, sublingual, intravenös, transdermal, peridural, intrathekal, Plexus-coeliacus-Blockade

Interventionelle Endoskopie Gallengangdrainage Beseitigung einer Cholestase

Verhinderung einer sekundär biliären Leberzirrhose

Verhinderung einer Cholangitis Beseitigung des Pruritus

Pankreasgangdrainage Schmerzfreiheit Verzögerung der chronisch destruktiven Entzündung?

Pseudozystendrainage Schmerzfreiheit, Rupturverhinderung transkutan, endoskopisch transgastral, -duodenal, -papillär Pankreasgangsteinentfernung Schmerzfreiheit Verzögerung der Entzündung? ESWL + endoskopische Steinextraktion

Therapie der exokrinen Insuffizienz Beseitigung/Besserung der

Maldigestion Schweinepankreatin (säuregeschützte Mikrotabletten, -pellets) Konventionelles Pankreatin bei fehlender Magensäure

fettlösliche Vitamine, Diät Therapie der endokrinen Insuffizienz Therapie des pankreopriven Diabetes vorübergehend orale Antidiabetika, in der Regel Insulin Operation Schmerztherapie Therapie von Komplikationen Karzinomverdacht Verzögerung des Krankheitsverlaufs?

22

Leitliniengerechte Therapie von Gallenwegserkrankungen: Kurzfassung der aktualisierten S3-Leitlinie der DGVS und DGAV zur Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen

F. Lammert

Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar

15�20% der Bevölkerung haben Gallensteine, von denen 20�30% Symptome

entwickeln, so dass jährlich in Deutschland mehr als 190.000 Cholezystektomien

durchgeführt werden. Prädisponierende Faktoren für Gallensteine sind höheres

Lebensalter, weibliches Geschlecht, hochkalorische, kohlenhydratreiche und ballast-

stoffarme Ernährung, Bewegungsmangel und genetische Faktoren.

Leitsymptome der Erkrankungen der Gallenblase und -wege sind kolikartige

Schmerzen im Oberbauch, Ikterus und Fieber. Die jährliche Komplikationsrate

symptomatischer Gallenblasensteine beträgt 1�3%, beim asymptomatischen

Steinträger jedoch nur 0,1�0,3%. Der natürliche Verlauf von Gallengangssteinen ist

nicht hinreichend geklärt. Das klassische klinische Bild der akuten Cholangitis mit

Fieber, Ikterus und rechtsseitigen Oberbauchschmerzen (Charcot-Trias) wird nur bei

etwa 25% der Patienten angetroffen.

Diagnostik

Der Nachweis oder Ausschluss einer Cholezystolithiasis und einer akuten

Cholezystitis erfolgt primär durch die transkutane Sonografie. Wenn der

sonografische Nachweis oder Ausschluss von Gallengangssteinen nicht gelingt,

bestimmen die klinischen Symptome und die Zeichen der biliären Abfluss-

behinderung den Einsatz weiterer diagnostischer Maßnahmen, der sich auch nach

ihrer Verfügbarkeit richtet: Bei hochgradigem Verdacht auf Gallengangssteine

(erweiterter Gallengang > 7�10 mm, Hyperbilirubinämie, erhöhte γ-GT/ALT)

ist die ERC indiziert. Bei mäßiggradig wahrscheinlicher Choledocholithiasis sollte die

Endosonografie � oder alternativ eine MRC � vorgeschaltet werden. Eine

Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) fand zwischen

Endosonografie und MRC keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der

Sensitivität (93% vs. 85%) und Spezifität (96% vs. 93%) für die Diagnose von

Gallengangssteinen.

23

Therapieprinzipien

Die asymptomatische Cholezystolithiasis ist in der Regel keine Indikation zur

Therapie. Ausnahmen:

� Patienten mit Porzellangallenblase oder Gallenblasenpolypen ≥ 1 cm sollten

wegen des Karzinomrisikos (bis 50%) unabhängig von der Symptomatik

cholezystektomiert werden. Insbesondere Porzellangallenblasen mit fleckförmigen

Wandverkalkungen tragen ein höheres Karzinomrisiko.

� Bei großen abdominellen Eingriffen (z. B. malabsorptive/restriktive Adipositas-

chirurgie, ausgedehnte Resektion bei Morbus Crohn, radikale Gastrektomie mit

Lymphadenektomie) kann eine simultane Cholezystektomie auch bei

asymptomatischen Steinen vorgenommen werden.

Die laparoskopische Cholezystektomie ist die Standardtherapie für die sympto-

matische Cholezystolithiasis. Bei Verdacht auf Gallenblasenkarzinom sollte eine

offene Cholezystektomie erfolgen. Die aktuelle Cochrane-Analyse ergab für die

laparoskopische Cholezystektomie identische Komplikationsraten bei einer im Mittel

um 3 Tage kürzeren Krankenhausverweildauer und einer um 3 Wochen kürzeren

Rekonvaleszenz. Die Gallengangsverletzungsrate liegt heute bei der laparo-

skopischen Cholezystektomie mit 0,2�0,4% nicht mehr höher als bei der offenen

Cholezystektomie.

Therapie der Choledocholithiasis bei Zustand nach Cholezystektomie

Symptomatische Gallengangssteine sind eine Behandlungsindikation. Die Daten zum

natürlichen Verlauf von Gallengangssteinen belegen, dass symptomatische Gallen-

gangssteine bei mehr als 50% der Patienten im Verlauf erneut Koliken verursachen

und bei einem Viertel auch Komplikationen nach sich ziehen. Asymptomatische

Gallengangssteine können ebenfalls behandelt werden. Auch wenn langfristige

prospektive Daten bisher fehlen, so lassen die vorliegenden Daten den Schluss zu,

dass weniger als die Hälfte der Patienten mit asymptomatischen Gallengangssteinen

symptomatisch werden und mehr als 20% der Steine spontan abgehen.

Bei cholezystektomierten Patienten mit symptomatischen Gallengangssteinen sollte

eine endoskopische Steinextraktion nach EPT vorgenommen werden. Bei Misslingen

(auch unter Einsatz der mechanischen Lithotripsie) der endoskopischen oder

perkutan-transhepatischen Steinextraktion werden als adjuvante Lithotripsie-

verfahren ESWL, intrakorporale Laserlithotripsie oder elektrohydraulische Lithotripsie

eingesetzt. Bei gleichzeitiger Cholezystolithiasis sollte die chirurgische Alternative

früh erwogen werden.

24

Therapie der simultanen Choledocho- und Cholezystolithiasis

Bei Patienten mit gleichzeitig vorliegenden Gallenblasen- und Gallengangssteinen

wird ein therapeutisches Splitting empfohlen. Bei hoher Wahrscheinlichkeit einer

gleichzeitigen Choledocholithiasis bleibt die präoperative EPT und Steinextraktion die

wichtigste Behandlungsoption und wird auch in > 85% der deutschen Kliniken

bevorzugt. Die EPT und die Cholezystektomie sollten nicht am selben Tag erfolgen,

um postinterventionelle Komplikationen vor Operationsbeginn ausschließen zu

können. Nach erfolgreicher Gallengangssanierung sollte bei Cholezystolithiasis unter

Risikoabwägung möglichst innerhalb einer Woche cholezystektomiert werden.

Verlaufsbeobachtungen bei Patienten mit funktionstüchtiger, steinfreier Gallenblase

erlauben den Schluss, dass eine funktionstüchtige steinfreie Gallenblase nach

erfolgreicher EPT und Steinextraktion aufgrund des sehr geringen Komplikations-

risikos nicht entfernt werden muss.

Therapie der akuten Cholezystitis

Die akute Cholezystitis ist eine Indikation zur frühelektiven laparoskopischen

Cholezystektomie (möglichst innerhalb von 72 h nach Diagnosestellung).

Metaanalysen von RCT (mit insgesamt lediglich 451 Patienten) stützen die Vorteile

der frühelektiven laparoskopischen Cholezystektomie innerhalb von 72 h bei der

akuten Cholezystitis: Die Krankenhausverweildauer war bei der Spätoperation

3 Tage länger, und es mussten 18% der Patienten während der präoperativen

Wartephase notfallmäßig operiert werden, während die Komplikationsraten des

Eingriffs identisch waren. Falls der Patient nicht frühelektiv operiert werden kann,

sollte die Cholezystektomie erst im Intervall nach 6 Wochen erfolgen.

Therapie der akuten Cholangitis

Die obstruktive akute Cholangitis sollte so rasch wie möglich (bei septischen Zeichen

notfallmäßig) durch endoskopische Beseitigung des Steins behandelt werden. Eine

antibiotische Begleittherapie ist indiziert. Gelingt die Steinentfernung nicht, müssen

eine nasobiliäre Sonde oder ein Stent eingelegt werden. Falls das transduodenale

Vorgehen misslingt, ist eine perkutane Drainage angezeigt.

25

Prävention von Gallensteinen

Bei Adipositas ist zur Primärprävention der Cholelithiasis eine langsame Reduktion

des Körpergewichts unter Vermeidung zyklischer Gewichtsschwankungen und langer

Fastenperioden sinnvoll. Mehrere RCT zeigen, dass das Steinrisiko in Situationen,

die infolge Gewichtsreduktion mit hohem Risiko zur Bildung von Gallenblasensteinen

einhergehen (z. B. Reduktionsdiät mit Gewichtsabnahme > 1,5 kg/Woche),

Adipositaschirurgie), durch UDCA vermindert werden kann. Die Dosis sollte

mindestens 500 mg/Tag betragen, und die Therapie sollte bis zur Gewichts-

stabilisierung fortgeführt werden.

Es gibt keine gesicherte medikamentöse Prävention der Entstehung von

Rezidivsteinen in den Gallengängen.

Literatur: 1. Gurusamy KS, Samraj K. Early versus delayed laparoscopic cholecystectomy

for acute cholecystitis. Cochrane Database Syst Rev. 2006:CD005440. 2. Lammert F, Neubrand MW, Bittner R, Feussner H, Greiner L, Hagenmüller F,

Kiehne KH, Ludwig K, Neuhaus H, Paumgartner G, Riemann JF, Sauerbruch T für die Teilnehmer der Konsensuskonferenz. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. AWMF-Register Nr. 021/008. Z Gastroenterol. 2007;45:971�1001 (http://www.dgvs.de/).

3. Martin DJ, Vernon DR, Toouli J. Surgical versus endoscopic treatment of bile

duct stones. Cochrane Database Syst Rev. 2006:CD003327. 4. Schiphorst AH, Besselink MG, Boerma D, Timmer R, Wiezer MJ, van Erpecum

KJ, Broeders IA, van Ramshorst B. Timing of cholecystectomy after endoscopic sphincterotomy for common bile duct stones. Surg Endosc. 2008;22:2046�50.

5. Yamashita Y, Takada T, Kawarada Y, Nimura Y, Hirota M, Miura F, Mayumi T,

Yoshida M, Strasberg S, Pitt HA, de Santibanes E, Belghiti J, Buchler MW, Gouma DJ, Fan ST, Hilvano SC, Lau JW, Kim SW, Belli G, Windsor JA, Liau KH, Sachakul V. Surgical treatment of patients with acute cholecystitis: Tokyo Guidelines. J Hepatobiliary Pancreat Surg. 2007;14:91�7.

26

Leberbiopsie � der Pathologe als letzte Instanz bei der Diagnostik diffuser Lebererkrankungen?

A. Tannapfel

Institut für Pathologie, Ruhr-Universität Bochum

Die Leberbiopsie ist eine wesentliche Maßnahme in der diagnostischen Abklärung

einer chronischen Lebererkrankung. Ihre klinische Relevanz ist trotz erheblicher

klinischer Fortschritte, auch in der bildgebenden Diagnostik und Molekularbiologie,

ungebrochen. Vor dem Hintergrund steigender und zunehmend differenzierter

therapeutischer Optionen ist jedoch eine kontinuierliche Anpassung an den aktuellen

Erkenntnisstand, eine Standardisierung der Befunde und vor allem eine Qualitäts-

sicherung erforderlich, um den diagnostischen Nutzen der Leberbiopsie zu

optimieren und ihren Einsatz zu rechtfertigen. Im Folgenden soll versucht werden,

den Wert der Leberbiopsie insbesondere bei den neueren Krankheitsentitäten zu

bewerten. Im Folgenden soll lediglich auf diese Krankheitsbilder eingegangen

werden, da der Wert der Leberbiopsie z. B. bei Raumforderungen in der Leber und

auch bei einer Hepatitis-Virusinfektion unstrittig ist.

Innerhalb der letzten Jahre hat sich insbesondere das Verständnis von autoimmunen

Lebererkrankungen sowie der Lebererkrankungen durch Alkohol und Fremdstoffe

gewandelt. Nach wie vor gilt es als unstrittig, dass über 60% aller chronischen

Lebererkrankungen in Deutschland durch Alkohol verursacht oder durch Alkohol

wesentlich verschlimmert werden. Insgesamt können 3 Krankheitsbilder der Alkohol-induzierten Leberschädigung abgegrenzt werden:

� Alkohol-bedingte Fettleber,

� Alkohol-Hepatitis,

� Alkohol-bedingte Leberzirrhose.

Die 3 Formen der Alkohol-bedingten Leberschädigung können sich nacheinander

entwickeln, wobei die Übergänge fließend sind. So kann eine Alkohol-bedingte

Fettleber mit Fibrose und granulozytärer Entzündungsreaktion (Fettleber- oder

Alkohol-Hepatitis) oder eine Zirrhose mit Fetteinlagerung als Primärmanifestation

auftreten. Auch bei Zirrhose kann eine Alkohol-Hepatitis beobachtet werden. Der

Goldstandard in der Diagnose einer Alkohol-bedingten Leberschädigung ist die

Leberbiopsie, die in mehr oder weniger regelhafter Ausprägung eine Fetteinlagerung

27

der Hepatozyten, Zelluntergänge und Fibrose (sogenannte Maschendrahtfibrose)

neben einer variablen Cholestase zeigt. Mallory-Körper können vorkommen, sind

jedoch nicht pathognomonisch, da sie auch bei anderen Lebererkrankungen

(Lebertumoren, Leberschädigung durch Fremdstoffe) beobachtet werden. Die

Leberbiopsie bei Alkohol-toxischer Schädigung liegt in der Möglichkeit der Erfassung

und Objektivierung der bereits eingetretenen Schädigung (Fibrose/Zirrhose) und in

der Aussage, ob noch eine floride Schädigung vorliegt.

Obwohl die überwiegende Mehrzahl der histopathologisch verifizierbaren

Änderungen durch Alkohol zumindest teilverursacht sind, weiß man heute, dass ein

nahezu gleichartiges histologisches Bild auch bei einer anderen Erkrankung

auftreten kann, die heute �nicht-alkoholische Steatohepatitis� (NASH) genannt

wird. Dieser Begriff wurde erstmals 1980 verwendet. Durch die Kenntnis dieses

neuen Krankheitsbildes glaubt man, dass mehr als 10% aller Lebererkrankungen

durch eine NASH verursacht sind. Die NASH wird heute als eigenständige

nosologische Einheit anerkannt. Unter NASH versteht man das gemeinsame

Auftreten eines Leberzellschadens in Form einer Verfettung in Zusammenhang mit

einer Entzündungszellinfiltration und einer (perivenulären) Fibrose. Damit lässt sich

das histopathologische Bild der NASH nicht immer von dem der Alkohol-

Steatohepatitis (ASH) unterscheiden. Synonyme der jetzt als NASH bezeichneten

Entität sind �Fettleber-Hepatitis�, �diabetische Hepatitis� oder �Pseudo-Alkohol-

toxische Hepatitis�. Die meisten Patienten sind Frauen, übergewichtig, im mittleren

Lebensalter, mit einer zum Teil schon manifesten Stoffwechselerkrankung (Diabetes

mellitus). Allerdings sind jetzt bereits Einzelfälle einer NASH dokumentiert, bei denen

es sich um normalgewichtige Männer handelt. Bei bis zu 75% der Patienten besteht

eine Insulinresistenz. Leberzirrhosen nach NASH sind beschrieben, allerdings

lediglich in 10�20%. Neben Adipositas und Diabetes mellitus scheinen Medikamente

und Stoffwechselstörungen bzw. Ernährungsstörungen eine weitere Rolle in der

Entstehung der NASH zu spielen. Insbesondere synthetische Östrogene, Amiodaron

als Antiarrhythmikum und lang dauernde Kortikosteroid-Gaben scheinen

ätiopathogenetisch relevant zu sein. Die gemeinsame Pathogenese dieser

leberschädigenden Agenzien ist der oxidative Zellstress, der bei der Entstehung von

NASH eine wichtige Rolle zu spielen scheint.

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von NASH sollte die früher häufig gestellte

Diagnose �Alkohol-induzierter Leberschaden� in der Biopsie daher etwas

28

zurückhaltender gestellt werden. Eine NASH kann auch bei (weitgehend) normalen

Transaminasen vorliegen. Der Wert der Leberbiopsie liegt in der Möglichkeit der

Diagnoseobjektivierung und dem Ausschluss möglicher zusätzlicher Schäden. Eine

standardisierte Befundübermittlung mittels eines Scores sollte angestrebt werden.

Eine neue Entität, die Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH) wird

dann diagnostiziert, wenn ein Patient die Zeichen einer NASH mit vorwiegender

medikamentös-toxischer Leberschädigung aufweist � und zusätzlich Endothelzell-

schäden aufgrund direkter Toxizität bei beispielsweise Oxaliplatin-Gabe.

Autoimmunerkrankungen und Overlaps Neben den 3 Hauptautoimmunerkrankungen der Leber, der Autoimmunhepatitis, der

primär biliären Zirrhose und der primär sklerosierenden Cholangitis sind eine ganze

Reihe von Überlappungssyndromen bekannt geworden, die allerdings bisher noch

nicht standardisiert definiert wurden. Es ist bis heute nicht klar, ob die Overlap-

Syndrome überhaupt distinkte Krankheitsentitäten darstellen oder Varianten von

Ausprägungsformen der etablierten autoimmunen Lebererkrankungen sind. Dennoch

sollten Overlap-Syndrome bei jeder Autoimmunerkrankung der Leber in die

differenzialdiagnostischen Erwägungen einbezogen werden, da erste Daten zeigen,

dass hier deutlich unterschiedliche Verläufe auftreten können.

Die Diagnose eines Overlap-Syndroms basiert auf einer typischen biochemischen

Serumkonstellation, darüber hinaus auf histologischen Faktoren, weniger auf der

klinischen Symptomatik.

Patienten mit Overlap-Syndromen zeigen meistens unspezifische Symptome

(Müdigkeit, Arthralgien, Myalgien), die eine Diagnostik in die eine oder andere

Richtung nicht zulassen. Erschwert wird die Problematik durch Übergangsformen

von einer in die andere autoimmune Hepatopathie (z. B. einer primär biliären

Zirrhose zu einer primär biliären Zirrhose-Autoimmunhepatitis nach langjährigem

Verlauf).

Der Begriff des Overlap-Syndroms sollte nicht benutzt werden, wenn Überlappungs-

syndrome zwischen einer autoimmunen und nicht autoimmunen Hepatopathie

bestehen, z. B. bei AIH und HCV. Patienten mit Autoimmunhepatitis und Hyper-

gammaglobulinämie haben darüber hinaus relativ häufig falsch-positive Anti-HCV-

Tests. Patienten mit HCV haben in bis zu 65% Autoantikörperphänomene.

29

AIH-PBC-Overlap Patienten, die klinische, biochemische, serologische und histologische Merkmale

beider Erkrankungen aufweisen, sind zunächst Anfang der 70er-Jahre beschrieben

worden. 8% aller Patienten mit AIH scheinen ein Overlap-Syndrom aufzuweisen.

Diese Patienten zeigen typische serologische Kennzeichen für eine PBC (AMA-M2-

positiv) und in der Histologie Gallengangsschädigungen (wie bei PBC), histologisch

allerdings zusätzlich ein mehr hepatitisches Bild, d. h. die Entzündung findet sich für

eine PBC unerwartet stark intraazinär ausgeprägt.

ANA-Autoantikörper sind zumeist ebenfalls vorhanden, allerdings aufgrund ihrer

häufigen falschen Positivität oder ihres Vorkommens in der gesunden Bevölkerung

nicht spezifisch. In der Literatur wird beschrieben, dass auch ein sequenzielles

Auftreten der Erkrankung (zunächst PBC, dann AIH) möglich ist. Eine Autoimmun-

hepatitis kann den Verlauf einer primär biliären Zirrhose deutlich verschlimmern.

Autoimmuncholangitis (AIC), AIC-AIH-Overlap-Syndrome Die Autoimmuncholangitis zeigt histologische Veränderungen (die mit der primär

biliären Zirrhose vergleichbar sind), ist aber serologisch AMA-negativ und wird daher

in einzelnen Publikationen auch als �AMA-negative PBC� bezeichnet. Die

Autoimmuncholangitis kommt häufiger bei Frauen vor und zeigt ein cholestatisches

Serumenzymprofil. Histologisch finden sich akute, floride Gallengangsläsionen. Der

Progress der Erkrankung hin zu einer Leberzirrhose ist langsam. Patienten mit AIC

sind AMA-negativ, zeigen aber relativ häufig ANAs oder andere Autoantikörper.

Der Verlauf der Erkrankung zeigt, dass es durchaus berechtigt erscheint, AIC und

PBC als Varianten einer einzelnen Erkrankung zu sehen, die lediglich in ihren

Autoantikörperprofilen differieren. Overlap-Syndrome im Sinne einer Autoimmun-

hepatitis und Autoimmuncholangitis sind beschrieben, gelten jedoch als sehr selten.

Sie werden in Analogie zur AIH-PBC-Overlap-Gruppe behandelt.

AIH-PSC-Overlap-Syndrome Während AIH-PBC-Overlap-Syndrome häufig bei Erwachsenen gefunden werden, ist

das Overlap-Syndrom der AIH-PSC häufig bei Kindern, Heranwachsenden und

jungen Erwachsenen beschrieben worden. Der AIH-Score zeigt in 8% der Patienten

mit PSC ein Overlap-Syndrom an. Die Diagnose eines AIH-PSC-Overlaps gilt dann

als wahrscheinlich, wenn der AIH-Score größer als 15 ist, ANAs oder ASMA-

30

Autoantikörper nachweisbar sind (Titer min. 1:40), und die Leberhistologie Motten-

fraßnekrosen, ein Lymphozyteninfiltrat sowie eine periportale oder periseptale

Inflammation aufweist � also ein Mischbild aus PSC und AIH. Patienten mit der AIH-

PSC-Overlap-Erkrankung scheinen häufiger schwere Verlaufsformen der CED zu

besitzen, zeigen positive ANCAs im Serum und erhöhte Transaminasen (höher als

bei AIH erwartet). Diagnostisch problematisch ist die Beobachtung, dass die AIH und

PSC nicht zusammen, sondern möglicherweise auch sequenziell vorkommen

können.

Patienten mit PSC-AIH zeigen einen deutlich schwereren Verlauf als die mit AIH

allein oder PBC-AIH. Patienten mit PSC-AIH sind generell jünger, häufig männlich.

Bei den hereditären Lebererkrankungen wurde nicht nur der Zusammenhang

zwischen Insulinresistenz, Diabetes mellitus und Eisenüberladung in letzter Zeit

immer deutlicher, sondern konnte letztendlich auch epidemiologisch jetzt zweifelsfrei

nachgewiesen werden. Bei Patienten, die histologisch eine Siderose der Leber, aber

keine hereditäre Hämochromatose aufwiesen, besteht überzufällig häufig eine

Insulinresistenz mit abnormer Glukosetoleranz, Adipositas und konsekutiver

Hyperlipidämie. Möglicherweise kann hier zukünftig eine neue Krankheitsentität

definiert werden. Allerdings ist deren Ursache und Pathogenese letztendlich noch

unklar.

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Andrea Tannapfel Institut für Pathologie Ruhr-Universität Bochum Bürkle-de-la Camp Platz 1 44789 Bochum Tel.: 0234 302-4800 Fax: 0234 302-4809 E-Mail: [email protected] Website: http://www.pathologie-bochum.de

31

Prävention und Management von Resistenzen bei der chronischen Hepatitis B

M. Cornberg

Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische

Hochschule Hannover

Das Ziel der Therapie der chronischen Hepatitis B ist die Morbidität und Mortalität der

Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen

Surrogatmarker während und nach der Behandlung zur Überprüfung des

Therapieerfolgs herangezogen werden. Die dauerhafte Serokonversion von HBs-

Antigenpositivität zur HBs-Antikörperpositivität wäre optimal, kann mit den heute zur

Verfügung stehenden Therapeutika aber nur in weniger als 5�10% der Fälle erreicht

werden. Kriterien eines Therapieansprechens sind: maximaler dauerhafter Abfall der

HBV DNA, dauerhafte HBe-Serokonversion bei der Wildtyp-Infektion, insbesondere

eine Abnahme des Fibrosestadiums in der Histologie, und letztendlich damit

verbunden Verhinderung von Zirrhose, hepatozellulärem Karzinom (HCC), Trans-

plantation und Tod.

Die Behandlungsoptionen der chronischen Hepatitis B haben sich in den letzten

Jahren zunehmend verbessert. Mittlerweile bestehen sie zum einen in der Gabe von

(pegyliertem) Interferon-α und auf der anderen Seite von Nukleosid- und

Nukleotidanaloga, die die HBV-Replikation hemmen. Da eine Interferon-Therapie

grundsätzlich zeitlich begrenzt und der Therapieerfolg in der Regel dauerhaft ist,

sollte zunächst geprüft werden, ob eine Interferon-Therapie möglich und sinnvoll ist

(1). Wird keine Interferon-Therapie begonnen oder der Patient hat nicht auf Interferon

angesprochen, kommen die Nukleos(t)idanaloga zum Einsatz. Mit diesen

Medikamenten ist es möglich bei fast allen Patienten die HBV DNA zu senken, ohne

dass die Therapie mit starken Nebenwirkungen verbunden ist. Die größte

Herausforderung ist aber die Vermeidung von Resistenzen. Daher ist es wichtig bei

der Auswahl von Nukleos(t)idanaloga das Stadium der Lebererkrankung sowie die

Höhe der HBV Virämie zu berücksichtigen. Bei einer Ausgangsviruslast > 1 Mio.

Kopien/ml ist die Wahrscheinlichkeit einer späteren Lamivudin-Resistenz sehr groß,

sodass bei höherer HBV DNA Lamivudin nicht eingesetzt werden sollte. Liegt eine

Leberzirrhose vor, sollte kein Risiko einer Resistenzentwicklung eingegangen

werden, daher ist eine Substanz mit hoher genetischer Resistenzbarriere oder primär

32

eine Kombinationstherapie zu bevorzugen (1, 2). Um Resistenzen zu verhindern, ist

die Kenntnis der antiviralen Effektivität (Tab. 2), der Resistenzbarriere (Tab. 1) und

des Resistenzprofils (Tab. 2) der zur Verfügung stehenden oralen antiviralen

Medikamente Voraussetzung für deren rationalen Einsatz. Wichtig im weiteren

Verlauf ist die Kontrolle der HBV DNA alle 3 Monate, um Resistenzen frühzeitig zu

erkennen (1).

Grundsätzlich sind primäres und sekundäres Therapieversagen zu unterscheiden

(Abb. 1). Von einem primären virologischen Nichtansprechen wird ausgegangen,

wenn nicht mindestens 1-log-Abfall der HBV DNA nach 3-monatiger Therapie

vorliegt. Ein klinisch ausreichendes Ansprechen sollte allerdings nach 6 Monaten

eine Reduktion der HBV DNA unter 1000 Kopien/ml oder ein fortgesetzter Abfall der

HBV DNA bis Monat 12 vorliegen. Die Anforderungen an das Therapieansprechen

unterscheiden sich allerdings für die verschiedenen Substanzen, z. B. sollte die HBV

DNA beim Einsatz von Lamivudin nach 3 Monaten Therapie bereits unter der

Nachweisgrenze eines hochsensitiven Assays liegen.

Von einer sekundären Resistenz wird ausgegangen, wenn ein Anstieg der HBV DNA

um mindestens 1-log-Stufe über den Nadir unter fortgesetzter antiviraler Therapie

auftritt. Hier ist das Auftreten von Lamivudin-resistenten Mutanten (bis zu 20% pro

Jahr) zu erwähnen. In diesem Fall ist die Therapie möglichst frühzeitig anzupassen,

d. h. sobald sich ein virologischer Rückfall zeigt, auch wenn noch kein biochemischer

Rückfall erfolgt ist. Primär ist die zusätzliche Gabe (�add-on�) von Nukleotidanaloga

mit nicht-überlappendem Resistenzprofil (s. Tab. 2) zu empfehlen (1). Eine

unkontrollierte sequenzielle Therapie ist unbedingt zu vermeiden, da die Selektion

von Kreuzresistenzen erzeugt werden kann. Die Bestimmung von Polymerasegen-

Mutationen des Hepatitis-B-Virus ist möglich und sollte in bestimmten Fällen für die

Therapieplanung erwogen werden, insbesondere wenn bereits mehrere Medika-

mente eingesetzt wurden.

33

Abbildung 1 : Strategie zur Vermeidung von Resistenzen

1 logVerä

nder

ung d

er H

BV-D

NA(lo

g 10IU

/mL)

0

-1.0

-2.0

-3.0

-4.0

1.0

Nadir

Sekundäre Resistenz

Nukleos(t)idanaloga (ggf. Umstellung bei primärer Resistenz)

Monate60 12 18

primäres virologisches Nichtansprechen

Suboptimales Ansprechen

HBV-DNA Kontrolle alle 3 Monate

Nukleos(t)idanaloga

Tabelle 1: Antivirale Wirksamkeit und Resistenzentwicklung der Nukleos(t)idana-loga. Daten der Phase-III Studien (modifiziert nach 1).

Nukleosidanaloga Nukleotidanaloga Lamivudin Telbivudin Entecavi

r Adefovir Tenofovir

HBV DNA < 300 Kop/ml

36% 60% 67% 21% < 400 Kop/ml

76% < 400 Kop/ml

HBeAg-Serokonversion

18% 23% 21% 12% 21%

HBeAg-positive Patienten Woche 48/52

ALT normal1 60% 77% 68% 48% 68% HBV DNA < 300 Kop/ml

72% 88% 90% 51% < 400 Kop/ml

93% < 400 Kop/ml

HBeAg-negative Patienten Woche 48/52 ALT normal1 71% 74% 78% 72% 76%

Woche 48/52 10-32% 3-5% < 0.5%2 0% 0% Woche 96/104 22-42% 9-22% < 0.5%2 3�20% 3 Jahre -53% < 0.5%2 11% 4 Jahre -70% 18%

Resistenz (virologischer Breakthrough)

5 Jahre 29%3

1Das biochemische Ansprechen ist in verschiedenen Studien unterschiedlich definiert worden (Normalisierung der Transaminasen oder Abfall der ALT auf < 1,25-fach (Entecavir) oder < 1,3-fach (Telbivudin) oberhalb des oberen Normwertes). 2Für Lamivudin-resistente Patienten war die Resistenzentwicklung unter Entecavir 7% nach 1 Jahr, 16% nach 2 Jahren und 27% nach 3 Jahren. 3Daten für HBeAg-negative Patienten.

34

Tabelle 2: Resistenzprofile der Nukleos(t)idanaloga nach 2. HBV-Variante Lamivudin Telbivudin Entecavir Adefovir Tenofovir Wild-type S S S S S M204I R R I/R S S L180M + M204V R R I S S A181T/V I S S R S N236T S S S R I L180M + M204V/I±I169T±V173L±M250V

R R R S S

L180M + M204V/I±T184G±S202I/G

R R R S S

Literatur: 1. Cornberg M, Protzer U, Dollinger MM, Petersen J, Wedemeyer H, Berg T, Jilg

W, Erhardt A, Wirth S, Schirmacher P, Fleig WE, Manns MP. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Infektion � �Upgrade" der Leitlinie, AWMF-Register-Nr.: 021/011 [Prophylaxis, Diagnosis and Therapy of Hepatitis-B-Virus-(HBV-)Infection: upgrade of the guideline, AWMF-Register 021/011]. Z Gastroenterol. 2007;45:525�74.

2. European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice

Guidelines: Management of chronic hepatitis B. J Hepatol. 2009;50:227�42.

35

Individualisierung der Therapiestrategie bei chronischer Hepatitis C � neuer Standard

S. Zeuzem

Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Frankfurt

Als primäres Ziel einer antiviralen Therapie bei Patienten mit chronischer Hepatitis C

gilt ein dauerhaftes virologisches Ansprechen, definiert als fehlender Nachweis

Hepatitis-C-spezifischer RNA im Serum 6 Monate nach Therapieende. Wird dieses

Ziel erreicht, kommt es im weiteren Verlauf nur sehr selten (1�2%) zu einem späten

Rückfall mit erneutem Nachweis von HCV RNA im Serum.

Zur Beurteilung eines fehlenden Therapieansprechens nach Beginn der Behandlung

sollte bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion eine Bestimmung der HCV

RNA im Blut zu Woche 12 und 24 herangezogen werden. Bei einem fehlenden Abfall

der Viruslast um 2 log-Stufen im Vergleich zur Viruslast vor Therapiebeginn bzw. bei

einer absoluten HCV-RNA-Konzentration über 30.000 IU/ml nach 12 Behandlungs-

wochen sowie einem qualitativen HCV-Nachweis nach 24 Behandlungswochen

(HCV RNA ≥ 10�50 IU/ml), wird ein Absetzen der Therapie empfohlen, da ein

dauerhaftes virologisches Ansprechen mit max. 1�2% praktisch nicht mehr möglich

ist (negativer prädiktiver Wert 98�100%). Zusätzlich kann unter besonderen

Voraussetzungen anhand einer Bestimmung der HCV RNA zu Therapiewoche 4 eine

Verkürzung der Therapiedauer vorgenommen werden (s. unten).

Therapie der chronischen Hepatitis C bei nicht vorbehandelten Patienten

HCV-Genotyp 1 Die Standardtherapie der chronischen Hepatitis C erfolgt mit einem pegylierten

Interferon in Kombination mit Ribavirin. Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion

sollten über 48 Wochen behandelt werden. PEG-IFN wird einmal wöchentlich

subkutan injiziert. Die Gabe des Ribavirins erfolgt verteilt auf 2 Dosen pro Tag per os

mit einer Tagesgesamtdosis je nach Körpergewicht zwischen 800 und 1400 mg. Die

dauerhaften virologischen Ansprechraten für Genotyp-1-infizierte Patienten betragen

dabei 42�51%.

36

Eine Therapieverkürzung auf 24 Wochen ist für Patienten mit niedriger

Ausgangsviruslast (≤ 600.000 bzw. 800.000 IU/ml) zugelassen, wenn zusätzlich

unter der Kombinationstherapie mit PEG-IFN und Ribavirin bereits zu Woche 4 keine

HCV RNA mehr im Serum nachweisbar ist.

Patienten mit einem langsamen Abfall der HCV RNA profitieren von einer

Verlängerung der Therapiedauer. Verschiedene Studien zeigen, dass Patienten mit

einem verzögerten virologischen Ansprechen (Abfall der HCV RNA zu Woche 12 um

2 log-Stufen, aber noch HCV-RNA-positiv und Negativierung der HCV RNA

[< 50 IU/ml] im Verlauf zu Woche 24) nach einer 72-wöchigen Behandlung signifikant

höhere dauerhafte Ansprechraten aufweisen als nach einer 48-wöchigen Therapie.

HCV-Genotyp 2, 3 Die virologischen Ansprechraten mit einer PEG-IFN/Ribavirin-Kombinationstherapie

über 48 Wochen sind bei Patienten mit einer HCV-Genotyp-2- oder -3-Infektion

annähernd doppelt so hoch wie bei HCV-Genotyp 1 (76�82% vs. 42�52%). Viele

Studien haben gezeigt, dass eine Verkürzung der Therapiedauer von 48 auf

24 Wochen für Patienten mit einer Genotyp-2- oder -3-Infektion ohne Beeinträchti-

gung der dauerhaften virologischen Ansprechraten möglich ist. Basierend auf diesen

Ergebnissen wurde die 24-wöchige Therapie der Genotyp-2- und -3-Infektion als

Standard etabliert. Ebenfalls konnten mit der Kombinationstherapie aus PEG-IFN-α

mit einer fixen Ribavirin-Dosis von 800 mg pro Tag ähnlich hohe dauerhafte

Ansprechraten im Vergleich zu einer körpergewichtsadaptierten Dosierung

nachgewiesen werden. Basierend auf Subanalysen wurden in einzelnen Studien

unterschiedliche virologische Ansprechraten für Patienten mit Genotyp-2- und

-3-Infektion nachgewiesen (93% vs. 79%). Insbesondere Patienten mit Genotyp-3-

Infektion und hoher HCV-RNA-Konzentration vor Therapiebeginn (> 600.000 bzw.

800.000 IU/ml) zeigen signifikant häufiger einen Rückfall nach Therapieende auf als

Patienten mit Genotyp-2-Infektion oder Genotyp-3-Infektion mit niedriger Ausgangs-

viruslast.

In verschiedenen Studien wurde die Möglichkeit einer weiteren Reduktion der

Therapiedauer von 24 auf 16, 14 bzw. 12 Wochen mit der Gabe von PEG-IFN-α2a

bzw. -α2b und körpergewichtsadaptiertem Ribavirin untersucht. Patienten mit einer

niedrigen Ausgangsviruslast und einem raschen initialen Abfall der HCV-Virus-

konzentration (HCV RNA zu Woche 4 < 50�600 IU/ml) wiesen insgesamt hohe

dauerhafte virologische Ansprechraten von 80�95% (Genotyp 2) und 75�90%

37

(Genotyp 3) unter der verkürzten Therapiedauer auf, sodass bei diesen Patienten-

gruppen eine Reduktion der Therapiedauer ohne Verschlechterung der dauerhaften

virologischen Ansprechraten möglich scheint.

Patienten mit noch nachweisbarer HCV RNA zu Woche 4 zeigten deutlich niedrigere

dauerhafte virologische Ansprechraten auch unter der 24-wöchigen Therapie, sodass

in dieser Subgruppe in zukünftigen Studien sogar eine Verlängerung der gegen-

wärtigen 24-wöchigen Standardtherapiedauer geprüft werden muss.

38

Stadiengerechte Therapie der Varizenblutung

T. Sauerbruch

Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn

Leider gibt es in Deutschland keine guten epidemiologischen Daten zur Häufigkeit

der akuten Varizenblutung. Es ist aber der Eindruck der meisten Zentren, dass die

akute Varizenblutung abgenommen hat. Gleichzeitig ist die Klinikletalität der akuten

Blutung an Ösophagusvarizen auf etwa 20�30% zurückgegangen. Dies hat mehrere

mögliche Gründe:

- Erfolgreiche Therapie der Virus-induzierten chronischen Hepatitis

- Erfolgreiche Prophylaxe der ersten Varizenblutung

- Bessere therapeutische Konzepte der Behandlung der akuten Blutung

Nach wie vor gliedert sich die Behandlung der Varizenblutung in 3 Situationen:

Verhinderung der Erstblutung, Therapie der akuten Blutung und Verhinderung der

Rezidivblutung.

Hierfür stehen verschiedene Therapieansätze zur Verfügung:

Medikamentöse Senkung des Portaldrucks, Shunt-Verfahren, lokale endoskopische

Techniken sowie systemische Therapien zur Unterdrückung von Triggermechanis-

men (z. B. Zytokinausschüttung).

Zur Verhinderung der Erstblutung sind nicht-selektive Betablocker und die Ligatur

Standard. Die Behandlung der akuten Blutung umfasst die endoskopische

Hämostase sowie eine adjuvante medikamentöse Portaldrucksenkung zusammen

mit der Gabe von Antibiotika. Die Behandlung der Rezidivblutung gliedert sich in eine

Fortführung der Ligatur unter gleichzeitiger medikamentöser Therapie (nicht-selektive

Betablocker) oder die Anlage eines Shunts.

39

Therapie des Reizdarmsyndroms

P. Layer

Israelitisches Krankenhaus, Hamburg

Funktionelle Störungen des Verdauungstrakts sind weltweit verbreitet; auch in der

westlichen Hemisphäre zählen sie zu den häufigsten chronischen Erkrankungen,

wobei ca. mehr als 20% der Bevölkerung in unterschiedlicher Ausprägung betroffen

sind. Die wichtigste Rolle spielt hierbei das Reizdarmsyndrom (RDS).

Pathogenese und Pathophysiologie: Ätiologie und Pathogenese sind noch

weitgehend unklar, obwohl in den letzten Jahren viele wesentliche Erkenntnisse

gewonnen werden konnten. Es ist wahrscheinlich, dass verschiedene Patho-

mechanismen eine Rolle spielen können, die ihrerseits wieder für ein uneinheitliches

Symptombild veranwortlich sind. Von großer Bedeutung sind wahrscheinlich

Veränderungen der Schmerzwahrnehmung im Intestinum. Darüber hinaus werden

Störungen der Motilität, Unverträglichkeiten von Nahrung, immunologische oder

mikrobiologische Alterationen sowie psychosomatische Einflüsse mit unter-

schiedlichem Evidenzgrad vermutet. Bei einer Untergruppe der Patienten wird die

Erkrankung offenbar durch eine bakterielle Enteritis ausgelöst (�postinfektiöses

Reizdarmsyndrom�).

Symptomatik: Charakteristisch ist ein oft kombiniertes Auftreten unterschiedlicher

Symptome, insbesondere abdominale Schmerzen, wechselnde Stuhlkonsistenz

(Diarrhö, Obstipation) und Blähungen. Diese können mit verschiedenartigen weiteren

unspezifischen funktionellen oder vegetativen Symptomen assoziiert sein.

Diagnostik: Bei Vorhandensein der typischen Leitsymptome sowie bei Fehlen von

Beschwerden, die auf eine organische Ursache hinweisen (z. B. Fieber, sichtbares

Blut im Stuhl, Gewichtsverlust etc.) kann ein Reizdarmsyndrom vermutet werden. Die

Diagnosesicherung gelingt durch den Ausschluss wichtiger organischer Differen-

zialdiagnosen. Hierbei sollte diese Ausschlussdiagnostik nicht zu breit angelegt

werden, aber umfassend genug sein, um Patienten und behandelndem Arzt die

notwendige Sicherheit zu geben. Empfohlen wird hierbei: Basislabor, Abdomen-

sonografie und � in den meisten Fällen � die Koloskopie; bei Frauen sollte auch eine

40

gynäkologische Untersuchung erfolgen. Prinzipiell bewährt es sich, initial eine

einmalige, aber sorgfältige Abklärung durchzuführen, weil dies bereits selbst

therapeutisch effektiv ist. Eine wiederholte apparative Diagnostik ohne begründeten

Anlass ist aber unbedingt zu vermeiden.

Behandlung: Die unklare Ätiologie und Pathophysiologie bedingt, dass weder eine

kausale noch eine in die Pathomechanismen gezielt eingreifende Therapie verfügbar

ist. Ein wichtiges Fundament für jede Behandlung ist daher zunächst die solide

diagnostische Abklärung und Ausschluss der relevanten Differenzialdiagnosen,

welche die Basis jeder Behandlung darstellen muss; sie nimmt Patienten und Arzt

die Sorge vor einer versteckten gefährlichen Grundkrankheit und verbessert dadurch

das Ansprechen jeder weiteren Behandlung. Wichtig ist dann die klare Diagnose-

vermittlung mit anschaulicher, aber nicht bagatellisierender Aufklärung über das

Wesen und den langfristig benignen Verlauf der Erkrankung.

Die medikamentöse Therapie im weiteren Sinn erfolgt symptomorientiert und

konzentriert sich dementsprechend auf die Behandlung der wesentlichen

Beschwerden wie Schmerz, Diarrhö und Obstipation.

Ballaststoffe: Ballaststoffe werden versuchsweise empfohlen, da sie durch die

Absorption von Fetten, Bakterien und Gallensäuren die Transitzeit von Nahrungs-

mitteln verkürzen und den Darm schneller füllen und insgesamt einen positiven Effekt

auf das RDS sowohl vom Obstipationstyp als auch vom Diarrhötyp haben. Hierbei

sind Flohsamenpräparate (vom Typ des Mucofalk®) einfachen Kleieprodukten, die

bei vielen Patienten etwaige Blähungen und abdominale Missempfindungen

auslösen oder ungünstig beeinflussen, vorzuziehen.

Laxanzien: Sollten insbesondere die Obstipationsbeschwerden mithilfe von Ballast-

stoffen nicht beseitigt werden können oder werden diese nicht vertragen, kann ein

Therapieversuch mit Laxanzien angebracht sein. Hier sollten Laxanzien aus der

Gruppe der osmotisch wirksamen Laxanzien, in erster Linie PEG-Elektrolytlösungen

oder Lactulose/Lactitol (cave: Letztere können Blähungen verstärken!) bevorzugt

eingesetzt werden. Laxanzien wie Antrachinone oder Bisacodyl sollten erst Therapie

der zweiten Wahl sein.

41

Antidiarrhoika: Loperamid oder auch Diphenoxylat können beim Diarrhö-

dominanten Reizdarmsyndrom eingesetzt werden.

Anticholinergika wie Butylscopolamin oder in niedriger Dosierung auch trizyklische

Antidepressiva wirken bei rezidivierenden akuten krampfartigen Schmerzen. Die am

besten untersuchte Substanz aus der Gruppe der Muskelrelaxanzien gegen

chronisch rezidivierende Schmerzen ist das Mebeverin (Duspatal). Als Nebeneffekt

tritt neben der Normalisierung der Stuhlkonsistenz und -frequenz auch die Reduktion

etwaiger Blähungen ein.

Antidepressiva und SSRI: Durch die gezielte Beeinflussung der serotoninergen und

cholinergen Systeme mit diesen Substanzen lassen sich gerade Schmerzen beim

RDS gut beeinflussen, ihr Einsatz ist jedoch umstritten und nur in Zusammenarbeit

mit einem Psychiater zu empfehlen.

Ungesicherte Therapieansätze � Probiotika und Phytotherapeutika: Die

Datenlage für diese Therapieansätze ist derzeit noch unzureichend. Bei Obstipation

wurde über eine günstige Wirkung von E. coli-Stamm Nissle 1917 (Mutaflor®), und

bei Schmerzen und Blähungen von Lactobacillus-Präparaten berichtet; allerdings ist

die Studienlage uneinheitlich. Die Rolle verschiedener Phytotherapeutika (in der

Regel Gemische aus verschiedenen Heilpflanzen) ist derzeit noch unklar.

Neuere Therapieansätze Opiat-Kappa-Rezeptorantagonisten wie beispielsweise Fedotozin wirken über eine

pharmakologische Modulation der afferenten Opioid-Kappa-vermittelten

Schmerzwahrnehmung. Die Wirkungen in klinischen Studien waren aber

enttäuschend. Präparate sind in Deutschland derzeit nicht verfügbar.

Eine wesentlich größere Bedeutung dürfte demgegenüber die Beeinflussung der

Serotonin-3- bzw. -4-Rezeptoren durch selektive Antagonisten bzw. Agonisten

erlangen. Der selektive 5-HT3-Rezeptor-Antagonist Alosetron verlangsamt den

Kolontransit und reduziert die Schmerzen v. a. bei Diarrhö-prädominanter Form

signifikant wirksamer als Plazebo bzw. eine spasmolytische Standardmedikation.

Alosetron wurde wegen eines zwischenzeitlich erhobenen Verdachts auf potenzielle

relevante Nebenwirkungen zunächst zurückgezogen, inzwischen unter Auflagen

42

wieder eingeschränkt zugelassen. Analog wirksame Nachfolgesubstanzen (z. B.

Cilansetron) werden erwartet.

5-HT4-Rezeptor-Agonisten (z. B. Tegaserod, u. a. bereits in der Schweiz und in

Nordamerika zugelassen) beschleunigen demgegenüber den Kolontransit und wirken

gegen Obstipation und Schmerzen und verbessern so die Symptomatik beim

Obstipationstyp des RDS.

Mit der Erweiterung unserer Kenntnisse über die Pathomechanismen der Erkrankung

werden in absehbarer Zukunft neue medikamentöse Ansätze verfügbar werden, die

eine gezieltere, effektivere, pathophysiologisch begründete oder vielleicht sogar

kausale Therapie ermöglichen könnten.

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Peter Layer Israelitisches Krankenhaus in Hamburg Orchideenstieg 14 22297 Hamburg Tel.: 040 51125 5001 Fax: 040 51125 5009 E-Mail: [email protected]

43

Therapie des ReizdarmsyndromsTherapie des ReizdarmsyndromsZusammenfassungZusammenfassung

Ausschluß einer organischen ErkrankungÄrztliche Führung:

Aufklärung, Konzept, Diät

44

Die pseudomembranöse Kolitis auf dem Vormarsch � Konzepte zur Diagnostik, Prophylaxe und Therapie

C. Pox

Medizinische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus, Bochum

Die Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö wird durch die beiden Toxine von

C. difficile, einem Gram-positiven anaeroben sporenbildenden Keim hervorgerufen.

Sie ist für etwa 20% der Antibiotika-assoziierten Diarrhöen verantwortlich, kommt

aber in seltenen Fällen auch bei Patienten vor, die keine Antibiose erhalten haben.

Die Manifestation der Infektion verläuft klinisch variabel und reicht von asympto-

matischen Fällen bis zur fulminanten Kolitis mit septischem Verlauf. In der Regel

zeichnet sich die Infektion durch akute wässrige, selten blutige Diarrhöen aus

verbunden mit Bauchschmerzen und erhöhten Temperaturen. Häufig lässt sich eine

zum Teil ausgeprägte Leukozytose nachweisen. Die Infektion erfolgt in der Regel

nosokomial über die sehr umweltresistenten Sporen.

Die Rate an C. difficile-assoziierten Diarrhöen hat in den letzten Jahren deutlich

zugenommen. Von Bedeutung ist die Zunahme eines multiresistenten virulenten

Stamms NAP1/027, der für eine Reihe von Ausbrüchen verantwortlich war. Von

Interesse ist auch eine Zunahme des Nachweises einer C. difficile-Infektion bei

Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.

Die Diagnose wird in der Regel über den Toxinnachweis im Stuhl gestellt. Der

eingesetzte Test sollte in der Lage sein beide Toxine nachweisen zu können. Eine

einmalige negative Testung schließt jedoch eine Infektion nicht aus und sollte bei

entsprechender Klinik wiederholt werden. Der kulturelle Nachweis hat eine höhere

Sensitivität und ermöglicht eine anschließende Genotypisierung, benötigt jedoch

aufgrund der erforderlichen Bakterienanzucht mehr Zeit. Zusätzlich ist auch hier der

Toxinnachweis erforderlich, da nur toxinbildende Stämme eine Clostridium-

assoziierte Diarrhö hervorrufen können. Eine Alternative stellt die endoskopische

Diagnostik mittels Sigmoidoskopie dar mit den pathognomonischen gelblichen

pseudomembranösen Schleimhautveränderungen. Bei leichten Fällen der Infektion

können die charakteristischen Schleimhautveränderungen fehlen, eine unauffällige

Endoskopie schließt also eine C. difficile-Infektion nicht aus.

Für die Behandlung werden neben einer symptomatischen Therapie mit Flüssigkeit

und Schmerzmitteln vor allem die Antibiotika Metronidazol und Vancomycin

45

eingesetzt. Hierbei ist Metronidazol sowohl oral als auch intravenös verabreicht

wirksam, wohingegen Vancomycin nur oral oder als Einlauf verabreicht wirksam ist.

Eine intravenöse Applikation ist unwirksam, da hierdurch keine ausreichenden

Spiegel im Kolon erreicht werden. Für leichte Formen sollte Metronidazol

(3 x 500 mg p.o.) eingesetzt werden. Bei schweren Erkrankungen war Vancomycin

(4 x 125 mg p.o.) in einer Studie Metronidazol überlegen und sollte in diesen Fällen

primär entweder als Monotherapie oder kombiniert mit Metronidazol i.v. eingesetzt

werden. Die Therapiedauer beträgt in der Regel 10 Tage. Die verursachende

Antibiose sollte sofern möglich abgesetzt oder zumindest umgestellt werden.

Bei etwa 20% der Betroffenen kommt es nach Absetzen der Therapie zu einem

Rezidiv. Interessanterweise findet man bei diesen Patienten nur sehr selten pseudo-

membranöse Veränderungen. Hier ist eine erneute Therapie für 14 Tage mit

Metronidazol oder Vancomycin erforderlich. Neue Therapiealternativen mit

z. B. Rifaximin, einem nicht resorbierbaren Antibiotikum, sind vielverspreichend,

müssen aber noch in weiteren Studien untersucht werden.

Bei Patienten mit vorangegegangener C. difficile-assoziierter Diarrhö kann eine

prophylaktische Therapie mit einem Probiotikum während einer erforderlichen

Antibiotikatherapie sinnvoll sein.

Wichtig zur Vermeidung einer Weiterverbreitung der Infektion ist eine strikte Isolation

von stationären Patienten im Krankenhaus mit nachgewiesener C. difficile-

assoziierter Diarrhö. Eine Kohortenisolation ist möglich. Die Sporen werden nicht

durch Händedesinfektionsmittel abgetötet. Hier ist zusätzlich sorgfältiges Hände-

waschen erforderlich.

Korrespondenzadresse: Dr. Christian Pox Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23-25 44892 Bochum E-Mail: [email protected]

46

Bottom-up oder Top-down � welches Risiko bei welchem CED-Patienten

S. Schreiber

Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Institut für Klinische Molekularbiologie,

Christian-Albrechts-Universität, Kiel

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind chronisch rezidivierende Erkrankungen, die

die Entwicklung langfristiger Therapiekonzepte benötigen. Nicht das Management

des einzelnen Schubes sondern die langfristige Reduktion der Krankheitsaktivität

und des Bedarfs an chronischer Medikation senkt Gesamtmorbidität und

Komplikationen. Neben der Reduktion der entzündlichen Aktivität ist daher die

Vermeidung einer Komorbidität durch chronische Therapien (z. B. durch eine

chronische Medikation mit Glukokortikoiden) notwendig.

Die Sekretion pro-entzündlicher Botenstoffe wie insbesondere TNF (Tumor-Nekrose-

Faktor) scheint ein Schlüsselelement der entzündlichen Pathophysiologie des M.

Crohn zu sein. Viele der klinisch eingesetzten Immunsuppresiva (z. B.

Glukokortikoide, Azathioprin) inhibieren breit die Freisetzung pro-entzündlicher

Botenstoffe. Die spezifische Hemmung des Tumor-Nekrose-Faktors (TNF) durch den

intravenösen Einsatz eines chimären Antikörpers (Infliximab) ist eine in den letzten

10 Jahren etablierte Alternative zur oralen Immunsuppression. Eine kurzfristige

Wirkung mit schnellem Wirkungseintritt aber auch eine langfristige Wirkung kann als

gut etabliert angesehen werden.

Das Nebenwirkungsspektrum der Immunsuppression ist beachtlich und reicht von

akuten Problemen (z. B. opportunistische Infektionen, Reaktivierung einer

Tuberkulose oder Sepsis oft aufgrund nicht erkannter Abszesse) zu chronischen

Erkrankungen (z. B. erhöhtes Lymphomrisiko, schnelleres Wachstum von

Karzinomen). Neuere Studien weisen darauf hin, dass hier sowohl den oralen

Immunsuppressiva als auch der anti-TNF-Therapie jeweils ein definiertes Spektrum

zukommt, das sich in der Kombinationstherapie (insbesondere wenn auch noch

Glukokortikoide chronisch eingesetzt werden) weiter erhöht.

47

Die Anforderungen an die Dauertherapie, Effizienz in ein ausgewogenes Verhältnis

zu den möglichen Nebenwirkungen zu stellen, sind daher erheblich. Gegenwärtige

Trends entwickeln sich von der Kombinationstherapie zu einer langfristigen

Monotherapie, wobei auch die Immunogenität der verwendeten Biologika eine

wichtige Rolle spielt.

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Stefan Schreiber Christian-Albrechts-Universität Kiel Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Klinik für Allgemeine Innere Medizin Schittenhelmstr. 12 24105 Kiel Tel.: 0431 597 2350 Fax: 0431 597 1434 E-Mail: [email protected]

48

Divertikulitis � wann konservativ, wann interventionell, wann chirurgisch therapieren?

W. Kruis

Innere Medizin, Ev. Krankenhaus Kalk, Köln

Divertikel des Kolons sind ganz überwiegend Herniationen der Mukosa durch

Muskellücken und damit im eigentlichen Sinne Pseudodivertikel. Die Muskellücken

sind an der Durchtrittsstelle der Vasa recta im Bereich des Mesenterialansatzes zu

finden. Begünstigende Faktoren für eine Divertikelbildung sind Störungen der

Bindegewebsstruktur, erhöhter Darminnendruck infolge einer ballaststoffarmen Diät,

Motilitätsstörungen und höheres Lebensalter. Etwa 40% der über 70-Jährigen weist

Kolondivertikel auf, wobei kein Geschlechtsunterschied feststellbar ist.

Man unterscheidet die Divertikulose � zufällig gefundene Divertikel bei

asymptomatischen Menschen � von der Divertikelkrankheit. Die Divertikelkrankheit

kann unkompliziert verlaufen, d. h. mit einer einmaligen Attacke, seltenen Schüben,

aber auch chronisch rekurrierend. Im Fall von Attacken (Schüben) bestehen immer

Symptome wie Schmerzen und Stuhlunregelmäßigkeiten, die mit Zeichen einer

Entzündung (Divertikulitis, ggf. mit lokaler Abwehrspannung, Leukozytose, Erhöhung

von BSG/CRP) einhergehen können. Die Divertikelkrankheit kann sich auch

kompliziert entwickeln mit Peridivertikulitis und zunehmender Abszedierung. Im

ungünstigsten Fall kann es zu Komplikationen in Form von Stenosen, Fisteln,

Blutungen und Perforation kommen. Insgesamt werden jedoch nur 20�30% aller

Divertikelträger so symptomatisch, dass sie sich deswegen in ärztliche Behandlung

begeben.

Die Planung der Behandlung orientiert sich grundsätzlich an der Situation des

Betroffenen: Divertikulose mit dem Ziel einer Entwicklung zur Divertikelkrankheit

vorzubeugen, einmalige oder rekurrierende, aber unkomplizierte Attacken,

Sekundärprävention, komplizierte Divertikelkrankheit.

Primär- sowie Sekundärprävention bestehen in der Empfehlung zur körperlichen

Mobilität und einer ballaststoffreichen Mischkost. In der Regel wird man Quellstoff-

zusätze vor allem in Form von Plantago zugeben. Der BMI stellt einen aussage-

kräftigen Prognosefaktor dar � je höher, desto ungünstiger der Langzeitverlauf.

49

Die unkomplizierte Attacke wird je nach Schwere ambulant mit Flüssigkost,

Antibiotika (Metronidazol, Ciprofloxacin) per os und Spasmolytika oder stationär mit

Nulldiät, Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz sowie Daueranalgesie per infusionem und

i.v.-Antibiotika behandelt. Mesalazin hat in dieser Situation therapeutische Effekte.

Bei rekurrierenden Attacken muss zwischen elektiver Operation und medikamentöser

Dauertherapie entschieden werden. Letztere umfasst eine Basistherapie

(s. Prävention). Zusätzlich ist die 1-wöchige Antibiotikagabe per Monat und ggf. die

zusätzliche Verordnung von Mesalazin für einige Wochen häufig dazu in der Lage,

weitere Attacken, Komplikationen und eine Operation zu vermeiden.

Bei Komplikationen ist die eilige oder ggf. Notfalloperation das Verfahren der Wahl.

Während die Notfallindikation unbestritten ist, wird über die elektive Resektion bei

rekurrierender Divertikulitis diskutiert. Wahrscheinlich sollte bei der Entscheidung zur

Operation nicht die Zahl der vorausgehenden Attacken entscheidend sein, sondern

die Berücksichtigung der Komorbidität (Immunstatus!) und der Grad der entzündlich-

strukturellen extraluminalen Veränderungen (Sonografie, CT).

KolondivertikelDefinitionen

Divertikel

ohne Symptome mit Symptomen

Divertikulose Divertikelkrankheitmit Entzündung = Divertikulitis

Komplikationen

ja nein

(Stenose, Blutung, Abszess, Fistel, Perforation)

Surg Endosc. 1999;13:430-6

50

Kolondivertikel - Verlauf

Asymptomatisch

UnkomplizierteDivertikelkrankheitKomplikationen

70 %

30 %

5 %*

100% = alle Menschen mit Kolondivertikel�30%: irgendeine Form der Divertikelkrankheit� * 5% aller Divertikelträger haben Komplikationen

Dis Colon Rectum. 1989:32Dis Colon Rectum. 1996:39Clin Gastroenterol. 1975:4

Divertikelkrankheit � Therapie- Zusammenfassung -

Divertikelkrankheit/Divertikulitis

Akut Rekurrierend

Kompliziert Unkompliziert

Mild Moderat/Schwer

Operation Diät 0-Diätiv-Therapie/Subst

Analgesie Analgesie5-ASA Antibiotika

Mit OhneStrukturänderungen

Operation BallastAktivität

Intermitt.Antibiotika

5-ASAProbiotika

51

Ecksteine der Leitlinie Morbus Crohn

M. Zeitz

Medizinische Klinik I, Charité � Universitätsmedizin, Campus Benjamin Franklin

(CBF), Berlin

Die Leitlinienentwicklung für den Morbus Crohn in Deutschland ist auf einem sehr

aktuellen Stand: So wurde gerade die Überarbeitung der S3-Leitlinie �Diagnostik und

Therapie des Morbus Crohn� publiziert (Z. Gastroenterol. 2008; 46: 1094). Eine

europäische Leitlinie liegt aus dem Jahr 2006 vor.

Wichtige Definitionen in der aktuellen Leitlinie �Morbus Crohn� beziehen sich auf

unterschiedliche Verlaufsformen: Für die Therapieplanung sind folgende Begrifflich-

keiten wesentlich: Frührezidiv (Rezidiv innerhalb von 3 Monaten), steroidrefraktärer

Verlauf (aktive Erkrankung trotz adäquater Prednisolon-Gabe über mindestens

4 Wochen), steroidabhängiger Verlauf (keine Steroidfreiheit innerhalb von 4 Monaten

bzw. Rezidiv innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung einer Steroidtherapie),

lokalisierte Erkrankung (Crohn-Befall unter 30 cm) und ausgedehnte Erkrankung

(Crohn-Befall über 100 cm). Die Erstdiagnostik eines Morbus Crohn umfasst zentral

die Ileokoloskopie mit Biopsieentnahme aus allen untersuchten Segmenten sowie

eine erweiterte Dünndarmdiagnostik (bevorzugt durch MRT-Enteroklysma). Eine

Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts wird bei der Erstdiagnose bzw. bei

entsprechenden Symptomen empfohlen; der Kapselendoskopie wird derzeit wegen

meist fehlender therapeutischer Konsequenzen ein eher untergeordneter Wert

eingeräumt. In der Labordiagnostik ist insbesondere die Ausschlussdiagnostik von

infektiösen Komplikationen erwähnenswert (zunehmendes Problem durch

Clostridium-difficile- und Zytomegalievirus-Infektionen).

Die Therapie des akuten Schubs sollte entsprechend der aktuellen Empfehlungen

unverändert der klassischen �Step-up�-Strategie folgen: Steroide, bei komplexen

Verläufen zusätzlich Immunsuppressiva vom Typ des Azathioprins (bei fehlender

Wirksamkeit oder Unverträglichkeit Methotrexat), bei fehlendem Erreichen einer

Remission Antikörper gegen TNFα (Infliximab oder Adalimumab). Die Vorgehens-

weise bei akutem Schub hängt auch von der Lokalisation der Erkrankung ab: Bei

Ileozökalbefall kann ein Therapieversuch mit hoch dosiertem Mesalazin oder (besser

belegt) mit Budesonid erfolgen. Bei Crohn-Colitis sowie bei ausgedehntem Dünn-

darmbefall sollten frühzeitig Immunsuppressiva eingesetzt werden. Bei Befall des

52

oberen Gastrointestinaltrakts sollte ebenfalls frühzeitig an eine Immunsuppressiva-

therapie gedacht und bei Magen- bzw. Duodenumbefall Protonenpumpenhemmer

gegeben werden.

Der Einsatz von Antikörpern gegen TNFα ist entsprechend der derzeitigen

Empfehlungen noch als Drittlinientherapie nach Steroiden und Immunsuppressiva

anzusiedeln. Bei Persistenz einer hohen Krankheitsaktivität trotz adäquater Steroid-

dosis oder Kontraindikation für Glukokortikoide können TNFα-Antikörper auch vor

Immunsuppressiva eingesetzt werden. Bei steroidabhängigen oder steroidrefraktären

Verläufen sollte frühzeitig ein Einsatz von TNFα-Antikörpern diskutiert werden. Für

eine sogenannte �Top-down�-Strategie mit frühzeitigem Einsatz von TNFα-Anti-

körpern und Immunsuppressiva gibt es bisher keine ausreichende Literaturlage, um

eine entsprechende Empfehlung abzugeben.

Im Zentrum der Remissionserhaltung steht die Abstinenz von Tabakgebrauch bei

Rauchern. Eine generelle medikamentöse remissionserhaltende Therapie wird nicht

empfohlen, Steroide haben keinen Stellenwert in dieser klinischen Situation. Bei

komplexen Krankheitsverläufen stehen an erster Stelle Immunsuppressiva vom Typ

des Azathioprins bzw. Methotrexats und bei Wirkungslosigkeit Langzeittherapien mit

Antikörpern gegen TNFα. In allen klinischen Situationen sollten chirurgische

Optionen in Erwägung gezogen werden.

Operationsindikationen bestehen klar bei therapierefraktärem Subileus, Kolon-

stenosen unklarer Dignität, dem Nachweis hochgradiger intraepithelialer Neoplasien,

bei therapierefraktären Verläufen und bei isoliertem symptomatischem Ileozökalbefall

und fehlendem Ansprechen auf eine konservative Therapie.

Selbstverständlich bedürfen Abszesse einer interventionellen Therapie: initial Anti-

biotika plus perkutane oder chirurgische Drainage meist gefolgt von einer Resektion.

Eine generelle Empfehlung für eine postoperative Rezidivprophylaxe kann nicht

gegeben werden, Azathioprin kann perioperativ fortgesetzt werden ohne Nachteile

bezüglich der Komplikationsrate. Nur bei symptomatischen Fisteln steht eine

Therapieindikation, bei ausgedehntem Fistelleiden ist eine interdisziplinäre Abstim-

mung essenziell. Die Behandlung extraintestinaler Manifestationen stellt nach wie vor

eine Herausforderung dar. Bei Gelenkbeteiligung und Schmerzen ist vor NSAR zu

warnen, Cox-2-Inhibitoren sind bisher in ihrem intestinalen Nebenwirkungsprofil nicht

abschließend geklärt.

53

Definitionen � S3-Leitlinie Morbus Crohn� Aktive Erkrankung� Remission� Ansprechen: CDAI-Abfall > 100 Punkte� Rezidiv� Frührezidiv: innerhalb von 3 Monaten� Steroidrefraktärer Verlauf: aktiv trotz 0,75 mg/kg Prednisolon über 4 Wochen � Steroidabhängiger Verlauf: keine Steroidfreiheit innerhalb von 4 Monaten bzw.

Rezidiv 3 Monate nach Ende der Steroidtherapie� Lokalisierte Erkrankung: Crohn-Befall < 30 cm� Ausgedehnte Erkrankung: Crohn-Befall > 100 cm

Remission

Akuter Schub

Keine RemissionRemission

(i.v.) Glukokortikoide + Azathioprin

Glukokortikoide [Mesalazin mit begrenzter Wirksamkeit]

60-93% 7-40%

Remission Keine Remission2-8%6-36%

TNFα-Antikörper

Akuter Schub des Morbus Crohnklassische �Step-up�-Strategie

54

Akuter Schub des Morbus CrohnAbhängigkeit von der Lokalisation

Lokalisation AktivitätIleozökalbefall leicht / mäßig Mesalazin, Budesonid,

systemische SteroideIleozökalbefall hoch Steroide, Immunsuppressiva,

anti-TNFa (evtl. vor Aza), Chi (!)

Crohn-Colitis SASP, Steroide, Lokaltherapie, früh: Immunsuppressiva

ausgedehnter Dünndarmbefall

systemische Steroide, enteraleErnährung, früh: Immunsuppressiva

Ösophagus/ gastroduodenaler Befall

systemische Steroide, Magen/Duodenum: PPI, früh: Immunsuppressiva

Akuter Schub: Stellenwert von AK gegen TNFα

Bei Nichtansprechen auf Glukokortikoide und Immunsuppressivabzw. Nebenwirkungen - nach Ausschluss chirurgischer Therapieoptionen:AK gegen TNFα

Bei Persistenz der hohen Krankheitsaktivität trotz adäquater Steroiddosisoder Kontraindikationen für Glukokortikoide können TNFα-Antikörper vor Immunsuppressiva eingesetzt werden

55

Remissionserhaltung

Ziel der Langzeittherapie: Erhaltung der klinischen Remission

Bei komplexen Krankheitsverlauf: Azathioprin/6-MP

Keine ausreichende Basis für eine generelle medikamentöse remissionserhaltende

Therapie

Abstinenz von Tabakgebrauch

keine Steroide in der remissionserhaltenden Therapie

Bei Wirkungslosigkeit: Dosis? Alternativ MTX oder Antikörper gegen TNFα (in Kombination?)

- OperativesVorgehen besonders bei lokalisiertem Befall

56

Die steroidrefraktäre Colitis ulcerosa � wie behandeln?

J. Schölmerich

Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg

Der natürliche Verlauf der Colitis ulcerosa in populationsbasierten Kohorten ist relativ

günstig. 60% der Patienten weisen nach dem initialen Schub in der Regel unter

Gabe von 5-Aminosalizylsäure einen benignen Verlauf auf. 30% zeigen immer

wieder Schübe trotz Rezidivprophylaxe, 10% haben einen chronisch aktiven Verlauf.

Diese Patienten bedürfen einer aggressiveren Therapie, um das Auftreten von

strukturellen Schäden bzw. die Kolektomie zu vermeiden, wo möglich. Das Konzept

einer aggressiven Therapie wird dadurch unterstrichen, dass in den letzten Jahren

deutlich wurde, dass genau die Patienten mit der chronischen, nie ganz zur Ruhe

kommenden Entzündung diejenigen sind, die überhaupt ein Risiko für die

Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms aufweisen, während dies bei allen

anderen Patienten offenbar sehr selten der Fall ist.

Die Behandlung der Patienten mit diesen Formen der schweren, entweder

gegenüber Standardtherapie refraktären oder beispielsweise steroidabhängigen

Colitis ulcerosa bestand vor 40 Jahren in der hoch dosierten Steroidgabe und einer

parenteralen Ernährung. Letztere ist lange verlassen, die Steroidgabe ist nach wie

vor aktuell. Diese kann aber im besten Fall eine kurzzeitige Remissionsinduktion

bewirken und, wenn dauerhaft gegeben, den Zustand der Steroidabhängigkeit, der

mit einer Remission einhergeht, herbeiführen. Eine Langzeitsteroidtherapie ist aber

aufgrund der Nebenwirkungen heute obsolet. Im Wesentlichen sprechen die

Patienten, die in den ersten 3 Tagen bereits eine Verbesserung der Klinik aufweisen,

auch tatsächlich auf die Steroidgabe an, bei allen anderen kann man relativ früh auf

andere Therapieformen umstellen.

Bevor eine aggressivere Immunsuppression eingeleitet wird, sollte allerdings die

Gegenwart einer Superinfektion, beispielsweise mit Clostridium difficile oder CMV

ausgeschlossen werden. Die Häufigkeit solcher opportunistischen Infektionen,

besonders bei Patienten unter einer bereits laufenden Immunsuppression mit

Steroiden oder anderen Medikamenten, hat in den letzten Jahren drastisch

zugenommen; eine solche muss daher zwingend ausgeschlossen werden.

57

Ältere Studien zeigen, dass die Gabe von Azathioprin Patienten mit refraktärer Colitis

durchaus in Remission bringen kann, hier ist der Zeitablauf aber so langwierig, dass

dies heute den Patienten in der Regel nicht mehr zugemutet werden kann. Hier sei

angemerkt, dass auch Azathioprin durchaus nebenwirkungsträchtig ist, und gerade in

den letzten Jahren Berichte über nodulär regenerative Hyperplasie und Lymphome

dieses deutlich gemacht haben.

Bisheriger Standard bei Patienten mit schwerer refraktärer Colitis war die Gabe von

Ciclosporin intravenös, wobei initial 60�80% der Patienten ansprechen und

zumindest primär eine Kolektomie vermieden werden kann. Ein Ansprechen lässt

sich durch ein CRP unter 45 mg/l, eine Herzfrequenz unter 90 pro Minute und das

Fehlen von erhöhten Temperaturen wahrscheinlich machen. Das Fehlen schwerer

endoskopischer Veränderungen spricht ebenfalls eher für den Erfolg einer solchen

Therapie. Es ist allerdings nicht zu empfehlen, nur um hier eine Vorhersage zu

treffen, eine Endoskopie durchzuführen. Die Dosis von Ciclosporin kann wohl auf

2 mg/kg reduziert werden, ohne einen wesentlichen Effektivitätsverlust zu riskieren.

Hier sind die Nebenwirkungen beachtlich, immerhin 15% haben schwere

Nebenwirkungen, wobei die Nephrotoxizität, schwere Infektionen und Krämpfe im

Vordergrund stehen. Anschließend an die Ciclosporin-Therapie wird in der Regel mit

Azathioprin weiterbehandelt, wobei die Phase, in der neben den initial vorhandenen

Steroiden Ciclosporin und Azathioprin appliziert wird, besonders risikoreich ist. Hier

wird von etlichen Zentren eine präventive Antibiose empfohlen.

Neuerdings ist auch die Gabe von Infliximab bei diesen Patienten erprobt worden

und hat sich als effektiv erwiesen. Dies war zunächst in einer Studie aus Schweden

deutlich, wo die Patienten mit schwerer Colitis, nicht jedoch die mit fulminanter Colitis

wesentlich profitierten. Eine größere Patientengruppe in Belgien wies ein

Ansprechen bei 63% auf, was zu einer Kolektomierate von 18% in dieser

Untergruppe nach 2 Jahren führte. Hier wurden 6 schwere Infektionen und

4 Malignome beobachtet, sodass auch hier natürlich die Nebenwirkungen in Betracht

gezogen werden müssen. Vergleiche beider Therapiestrategien liegen bislang nicht

vor, verschiedene Ansätze zeigen, dass Therapieversager mit Ciclosporin mit

Infliximab und vice versa behandelt werden können. Ein Kohortenvergleich wies auf

eine geringe Überlegenheit der Ciclosporin-Therapie hin.

In allen Fällen muss mit dem Patienten auch die Option einer Kolektomie und Anlage

eines ileoanalen Pouches besprochen werden, die natürlich auch in der Lage ist, die

Krankheit zu beseitigen und damit auch das Karzinomrisiko zu nehmen. Inwieweit

58

Alternativen wie die Leukozytenapherese oder beispielsweise die Gabe von

Phosphatidylcholin bei steroidrefraktärer Colitis ulcerosa eine Rolle spielen werden,

ist offen; hier sind definitive Studien abzuwarten. Insgesamt scheint die Prognose

von Patienten mit schwerer Colitis ulcerosa durchaus günstig zu sein: Von 149

Episoden über 7 Jahre waren in einem Referenzzentrum 36 als Therapieversager

auf die Steroidtherapie klassifizierbar, von diesen sprachen 12 von 21 auf Ciclosporin

oder Infliximab an, 15 wurden primär, 24 insgesamt kolektomiert.

59

Therapeutisches Vorgehen beim Ösophaguskarzinom

O.G. Opitz

Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer-Comprehensive Cancer Center, Freiburg

Ösophaguskarzinome unterscheiden sich im Wesentlichen in die 2 Entitäten des

Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus und des Adenokarzinoms des Ösophagus,

welches in der Regel aus einem Barrett-Ösophagus entsteht. Diese 2 Tumorentitäten

verhalten sich in ihrer Epidemiologie, Pathogenese und Tumorepidemiologie gänzlich

unterschiedlich, dennoch sind sie bisher in Therapiestudien meistens gemeinsam

untersucht worden.

Plattenepithekarzinom des Ösophagus Das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus ist die 6. häufigste Tumor-assoziierte

Todesursache, es hat eine durchschnittliche Inzidenz von ca. 2,5�5 pro 100.000

Einwohner, mit starken geographischen Schwankungen. Gemeinsam mit dem

Mundbodenkarzinom kommt es v. a. in Entwicklungsländern sehr häufig vor. An

Risikofaktoren sind, v. a. in der westlichen Welt der Tabak- und Alkoholkonsum zu

nennen, in Entwicklungsländern v. a. der Vitamin- und Mineralmangel sowie

chemische Karzinogene, wie die Nitrosamine. Weitere prädisponierende Faktoren

sind die Achalasie, Laugenverätzungen sowie eine stattgehabte Bestrahlung. Des

Weiteren ist das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus mit einem niedrigen

sozioökonomischen Status assoziiert. Als familiäre Form gibt es die Tylose eine

Palmoplantarkeratose. Genetische Veränderungen sind v. a. im Zellzyklus

regulierenden Protein Cyclin D1, der Rezeptor-Tyrosinkinase, EGFR und den

Tumorsuppressorgenen p53 und p16 zu finden. Histologisch entwickelt sich das

Plattenepithelkarzinom des Ösophagus aus einem mehrschichtigen Plattenepithel

über die Dyplasie und das Carcinoma in situ zum invasiven Karzinom.

Adenokarzinom des Ösophagus Das Adenokarzinom des Ösophagus entsteht v. a. aus der intestinalen Metaplasie

dem sog. Barrett-Epithel. Dies wiederum entsteht im Wesentlichen durch einen

vermehrten gastroösophagealen Reflux im distalen Ösophagus. Das Adenokarzinom

des Ösophagus oder Barrett-Karzinom stellt die am stärksten zunehmende

60

Neoplasie der westlichen Welt dar. In den USA war über die letzen 2 Jahrzehnte

z. B. eine Zunahme von 450% zu verzeichnen. Während in Deutschland noch das

Plattenepithelkarzinom prädominant ist, ist das Verhältnis zwischen beiden Entitäten

in den USA inzwischen 1:1. Neben dem Barrett-Ösophagus gelten auch der

gastroösophageale Reflux selbst, sowie die Adipositas und das Rauchen als

Risikofaktoren. Prädisponierende Faktoren sind hier Zustände mit erhöhter

Säureexposition, wie das Zollinger-Ellison-Syndrom, Zustand nach Bougierung oder

Medikamente, die den unteren Ösophagussphinkter beeinflussen. 12% der Patienten

mit gastroösophagealer Refluxerkrankung entwickeln einen Barrett-Ösophagus. Aus

dem Barrett-Epithel kann sich dann in 4% eine leichtgradige intraepitheliale

Neoplasie bilden; diese kann sich entweder zurückentwickeln oder in insgesamt 1%

zu einer schwergradigen intraepithelialen Neoplasie foranschreiten. Hieraus

entstehen in bis zu 40% dann invasive Adenokarzinome des distalen Ösophagus.

Diagnostik Diagnostisch ist für beide Entitäten die Endoskopie federführend. Diese erfolgt zur

Diagnosestellung und histologischen Sicherung. Zum stadiengerechten Staging ist

zur Bestimmung der Eindringtiefe (T) die Endosonografie die beste Methode, zur

Bestimmung des Lymphknotenstatus die Endosonografie und die Computer-

tomografie (CT). Zur diagnostischen Evaluation einer etwaigen Fernmetastasierung

kann zusätzlich zum CT Thorax und Abdomen auch das PET herangezogen werden.

Beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus sollte aufgrund einer in bis zu 15%

auftretenden Koinzidenz mit Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich und der

Lunge noch ein CT Hals, eine HNO-Untersuchung sowie eine Bronchoskopie

durchgeführt werden. Vor einer neoadjuvanten Therapie beim Adenokarzinomen des

distalen Ösophagus sollte zusätzlich eine Laparoskopie durchgeführt werden.

Die Eindringtiefe im T-Stadium determiniert die lymphogene Metastasierung, wobei

schon im Stadium T1b bei ca. 20% der Adenokarzinome und bis zu 50% der

Plattenepithelkarzinome eine lymphogene Metastasierung vorliegen kann.

Therapeutische Optionen Die Therapie sollte dann stadienabhängig verlaufen, wobei hier die TNM-

Klassifikation wieder in klinische UICC-Stadien I�IV zusammengefasst werden. Für

die Therapieentscheidung sollen im Folgenden 3 Stadien exemplarisch diskutiert

61

werden: Das Frühkarzinom im UICC-Stadium 0�1, das lokal fortgeschrittene

Ösophaguskarzinom im UICC-Stadium II und das metastasierte Karzinom im UICC-

Stadium Vb.

Die Prognose richtet sich hier ebenso nach dem Tumorstadium, wobei

Frühkarzinome eine 5-Jahres-Überlebensrate von bis zu 80% aufweisen, lokal

fortgeschrittene Karzinome von 15% und metastasierte Karzinome von unter 1%. Die

Tumorresektion bleibt das einzig kurative Therapieverfahren, doch leider ist zum

Zeitpunkt der Diagnose nicht einmal die Hälfte der Patienten resezierbar. Über drei

viertel der Patienten mit Ösophaguskarzinom werden erst in einem mindestens lokal

fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.

Beim Frühkarzinom wird zunehmend, v. a. beim mukosalen Karzinom, d. h. im

Stadium T1a die endoskopische Mukosaresektion als Alternative durchgeführt. Dies

ist v. a. bei Barett-Frühkarzinomen erfolgreich untersucht worden worden. Bei

Eindringen in die Submucosa (T1b) ist die chirurgische Resektion die Methode der

Wahl, wegen der zunehmenden Gefahr einer lymphogenen Metastasierung. Auch

bei lokal begrenztem Tumorleiden steht natürlich die chirurgische Resektion im

Vordergrund. Eine adjuvante Chemotherapie ist bei resektablen Tumorstadien nicht

angezeigt.

Die Therapie des Ösophaguskarzinoms im lokal fortgeschrittenen Stadium ist eines

der am meist diskutierten Themen in der Onkologie überhaupt. Zum einen können

hier die Therapieempfehlungen zum Plattenepithelkarzinom und zum Adenokarzinom

unterschiedlich ausfallen, zum anderen gibt es für jede der Therapieoptionen eine

sehr unterschiedliche Studienlage. Im lokal fortgeschrittenen Stadium stellt sich die

Frage, ob die alleinige Operation, eine neoadjuvante Radiochemotherapie oder nur

eine neoadjuvante Chemotherapie oder gar eine definitive Radiochemotherapie unter

Weglassen einer chirurgischen Resektion die beste therapeutische Maßnahme

darstellt. Wenn man die heutige Studienlage subsumiert, kann man hier für die

jeweiligen Entitäten zu unterschiedlichen Empfehlungen kommen. Für das

Plattenepithelkarzinom haben mehrere Metaanalysen und eine Phase-III-Studie

gezeigt, dass die neoadjuvante Radiochemotherapie einer alleinigen Chirurgie

überlegen ist. Einzelstudien waren leider meist unterpowert oder haben ein

indifferentes Bild gezeigt. Für das Adenokarzinom des Ösophgus hat in

Metaanalysen und einigen Studien die neoadjuvante Radiochemotherapie ebenso

62

Vorteile gezeigt. Hier zeigen jedoch mehrere neuere Phase-III-Studien, die neben

dem Magenkarzinom auch distale Adenokarzinome des Ösophagus eingeschlossen

hatten, dass es einen klaren Überlebensvorteil für eine neoadjuvante Chemotherapie

mit nachfolgender Operation gibt. Dies stellt inzwischen auch die Empfehlung in den

meisten intersdiziplinären Krebszentren dar. Beim Plattenepithelkarzinom des

Ösophagus wird im lokal fortgeschrittenen Stadium derzeit der Stellenwert einer

definitiven Radiochemotherapie diskutiert, da es Hinweise gibt, dass in manchen

Situationen die nachfolgende Resektion zumindest bzgl. des Gesamtüberlebens

entbehrlich sein könnte. Derzeit wird jedoch die neoadjuvante Radiochemotherapie

mit anschließender chirurgischer Resektion empfohlen. Zudem gibt es zunehmend

Daten, die die Rolle des PET in der �Response Prediction� unter neoadjuvanten

Therapien nahelegt.

Im metastasierten Stadium steht v. a. bei den Plattenepithelkarzinomen eine

Symptom-orientierte Therapie im Vordergrund. Hier ist die Sicherung der

Nahrungspassage die wesentliche Aufgabe. Dies kann zum einen durch

endoskopische Verfahren, die Anlage von gecoverten und nicht-gecoverten Stents

erreicht werden, aber auch lokal ablative endoskopische Verfahren finden hier

Anwendung. Ebenso hat hier die palliative Radiotherapie, entweder perkutan oder

als Brachytherapie, ihren Stellenwert. Auch eine systemische Chemotherapie ist bei

einer Lebenserwartung > 6 Monaten möglich. Es stehen Chemotherapien mit

5FU/Cisplatin, Taxol/Carboplatin oder Vinorelbine zur Verfügung. Die palliative

Chemotherapie beim Adenokarzinom des Ösophagus richtet sich nach den

Therapieoptionen beim Magenkarzinom. Hier haben sich vor allem Cisplatin und

5FU-haltige Protokolle in der Erstlinientherapie durchgesetzt. Die besten

Ansprechraten hat hier das DCF-Protokoll aus Docetaxel, Cisplatin und 5FU, vor

dem ECF Protokoll mit Epirubicin, Cisplatin und 5FU. Hier konnte kürzlich gezeigt

werden, dass in diesem Protokoll ein Austausch von Cisplatin durch Oxaliplatin

oder/und 5FU durch Capecitabine bei gleicher Wirksamkeit aber etwas anderem

Nebenwirkungsprofil durchaus möglich ist. V. a. in der Zweitlinientherapie steht

zusätzlich das FOLFIRI-Protokoll zur Verfügung.

Fazit für die Praxis Das Ösophaguskarzinom teilt sich in 2 Entitäten, das Plattenepithelkarzinom und das

Ösophagus. Das Adenokarzinom ist hierbei die am stärksten zunehmende Neoplasie

63

der westlichen Welt. Beide Entitäten unterscheiden sich in ihren Risikofaktoren und

in Ihrer geografischen Verteilung. Eine stadiengerechte Diagnostik schließt die

Endoskopie, die Endosonografie, das CT Thorax und Abdomen sowie z. T. das PET

mit ein. Geeignete Tumormarker zu Diagnosestellung, Verlaufsbeurteilung gibt es

leider nicht. Die so diagnostizierten Stadien führen zu einer ebenso stadiengerechten

Therapie. Hier werden mukosale Frühkarzinome zunehmend endoskopisch Mukosa-

reseziert, lokal begrenzte Tumore reseziert und lokal fortgeschrittene Karzinome

neoadjuvant behandelt. Bei Plattenepithelkarzinomen empfiehlt man eine

neoadjuvante Radiochemotherapie bei Adenokarzinomen derzeit eher eine

neoadjuvante Chemotherapie. Im metastasierten Stadium steht der Erhalt der

Nahrungspassage im Vordergrund. Da die Therapie der Ösophaguskarzinome

zunehmend komplexer wird, sollten diese Tumore in interdisziplinären Zentren

behandelt werden. Außerdem ist zur Erweiterung der Therapieoptionen der

Einschluss dieser Patienten in Therapiestudien notwendig.

Literatur: Behrens A, May A, Gossner L, Günter E, Pech O, Vieth M, Stolte M, Seitz G, Ell C. Curative treatment for high-grade intraepithelial neoplasia in Barrett's esophagus. Endoscopy. 2005;37:999�1005. Gebski V, Burmeister B, Smithers BM, Foo K, Zalcberg J, Simes J; Australasian Gastro Intestinal Trials Group. Survival benefits from neoadjuvant chemoradiotherapy or chemotherapy in oesophageal carcinoma: a meta-analysis. Lancet Oncol. 2007;8:226�34 Cunningham D, Allum WH, Stenning SP, Thompson JN, Van de Velde CJ, Nicolson M, Scarffe JH, Lofts FJ, Falk SJ, Iveson TJ, Smith DB, Langley RE, Verma M, Weeden S, Chua YJ, MAGIC Trial Participants. Perioperative chemotherapy versus surgery alone for resectable gastroesophageal cancer. N Engl J Med. 2006;355:11�20. Stahl M, Stuschke M, Lehmann N, Meyer HJ, Walz MK, Seeber S, Klump B, Budach W, Teichmann R, Schmitt M, Schmitt G, Franke C, Wilke H. Chemoradiation with and without surgery in patients with locally advanced squamous cell carcinoma of the esophagus. J Clin Oncol. 2005;23:2310�7. Lordick F, Ott K, Krause BJ, Weber WA, Becker K, Stein HJ, Lorenzen S, Schuster T, Wieder H, Herrmann K, Bredenkamp R, Höfler H, Fink U, Peschel C, Schwaiger M, Siewert JR. PET to assess early metabolic response and to guide treatment of adenocarcinoma of the oesophagogastric junction: the MUNICON phase II trial. Lancet Oncol. 2007;8:797�805.

64

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Oliver G. Opitz Direktor Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer � CCCF Universitätsklinikum Freiburg Albert-Ludwigs-Universität Tel.: 0761 270-7150/-7151 Fax: 0761 270-7152 E-Mail: [email protected] Website: http://www.tumorzentrum-freiburg.de

65

(Neo-)Adjuvante und palliative Therapie des kolorektalen Karzinoms

W. Schmiegel

Medizinische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus, Bochum

Jährlich erkranken in Deutschland 73.000 Menschen an einem kolorektalen

Karzinom (KRK); etwa 28.000 Patienten versterben jährlich an den Folgen eines

KRK. Die Prognose hängt entscheidend vom Tumorstadium bei Diagnose ab. Die

Therapie erfolgt entsprechend stadienadaptiert.

Im Stadium II mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 70�85% kann durch eine 5-FU-

basierte Chemotherapie ein geringer, aber statistisch signifikanter Überlebensvorteil

von knapp 4% gegenüber der alleinigen Operation erreicht werden. Eine adjuvante

5-FU-basierte Chemotherapie kann daher nach Beratung und Aufklärung des

Patienten empfohlen werden (�Kann�-Empfehlung). Bei Hochrisikopatienten (T4,

Tumor-Perforation, Ileus, G3 oder 4, venöse Infiltration [V1], < 10 Lymphknoten)

sollte eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden, da der Überlebensvorteil hier

deutlicher ausgeprägt ist.

Im Stadium III mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 65�80% sollte eine adjuvante

Chemotherapie durchgeführt werden (�Soll�-Empfehlung). So wurde in zahlreichen

Studien ein signifikanter Überlebensvorteil für Patienten im Stadium III durch eine

adjuvante 5-FU-basierte Chemotherapie nachgewiesen. Eine Kombinationschemo-

therapie mit FOLFOX führt zu einem weiteren absoluten Überlebensvorteil

gegenüber 5-FU und gilt daher als Standard im Stadium III. Bei Kontraindikationen

gegen Oxaliplatin oder Komorbiditäten soll eine Monotherapie mit oralen Fluoro-

pyrimidinen durchgeführt werden.

Bei Rektumkarzinomen im Stadium II und III soll eine neoadjuvante Radiochemo-

therapie durchgeführt werden. Neben dem Downsizing und der höheren R0-Re-

sektionsrate ist eine höhere Rate an Sphinktererhalt durch eine neoadjuvante

Radiochemotherapie möglich. Durch die Chemotherapie-Komponente soll die Rate

an Fernmetastasierungen gesenkt werden. Durch eine Intensivierung der Chemo-

therapie im Rahmen von Studien kann diese ggf. optimiert werden.

In Bezug auf das therapeutische Vorgehen werden die Patienten mit einem meta-

stasierten KRK nach der klinischen Situation und dem Therapieziel in 3 Subgruppen

eingeteilt. Zu der Gruppe 1 gehören die Patienten mit primär resektablen Leber-

und/oder Lungenmetastasen. Bei Patienten der zweiten Gruppe wird eine intensi-

66

vierte systemische Therapie angestrebt. Zu dieser Gruppe gehören operable

Patienten mit potenziell resektablen Metastasen nach einer neoadjuvanten Chemo-

therapie sowie Patienten mit tumorbedingten Symptomen, raschem Progress oder

Organkomplikationen. Die Gruppe 3 hat eine weniger intensive Therapie zum Ziel,

welche bei Patienten mit multiplen Metastasen ohne Option für Resektion nach

Metastasenrückbildung, ohne tumorbezogene Symptome oder Organkomplikation

und/oder schwerer Komorbidität angewandt wird.

Eine Resektion von Metastasen (Gruppe 1) ist nur in 10�20% aller Patienten

möglich. Durch die erfolgreiche Entfernung von Lebermetastasen ist eine 5-Jahres-

Überlebensrate von 25�40% zu erreichen. Nach einer R0-Resektion von Lebermeta-

stasen kann eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden. Im Einzelfall können

primär operable Lebermetastasen auch im Rahmen eines perioperativen (prä- und

postoperativen) Chemotherapieprotokolls behandelt werden.

Bei Patienten der zweiten Gruppe wird eine intensivierte systemische Therapie

angestrebt. Zu dieser Gruppe gehören operable Patienten mit potenziell resektablen

Metastasen nach einer neoadjuvanten Therapie sowie Patienten mit tumorbedingten

Symptomen, raschem Progress oder Organkomplikationen. Bei Leber- und/oder

Lungenmetastasen und im Einzelfall auch in anderen Lokalisationen ist daher bei

Diagnose und im Verlauf zu überprüfen, ob eine Resektion technisch möglich ist. Bei

primärer Irresektabilität der Metastasen soll mit einer neoadjuvanten systemischen

Chemotherapie begonnen werden, um ggf. eine sekundäre Metastasenresektion zu

erreichen. Derzeit stehen mehrere First-line-Therapien mit hohen Remissionsraten

zur palliativen Behandlung des metastasierten kolorektalen Karzinoms zur

Verfügung. Dabei ist die orale Gabe von Capecitabin der intravenösen Gabe von

5-FU/Folinsäure gleichwertig. Somit sollte aufgrund der höheren Ansprechrate bei

der Gruppe 2 eine 2-Fach-Kombinationstherapie (FOLFOX oder FOLFIRI) plus

monoklonalem Antikörper (Bevacizumab oder Cetuximab) oder eine 3-Fach-

Chemotherapie (FOLFOXIRI) gewählt werden.

Bei Patienten der Gruppe 3 mit Metastasen ohne Aussicht auf Resektabilität und

ohne wesentliche tumorbedingte Symptome kann als Erstlinientherapie auch eine

Monotherapie eingesetzt werden. So zeigten die CAIRO- und FOCUS-Studien

keinen signifikanten Unterschied beim Gesamtüberleben für Patienten, die primär mit

einer Monotherapie behandelt wurden.

67

Bei der Vielzahl der heute zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen steht die

Identifizierung von Biomarkern, die eine prognostische Einschätzung oder ein

Therapieansprechen vorhersagen können, im Fokus der translationalen Forschung.

Relevant ist hier derzeit bereits der Nachweis von K-ras-Mutationen im Tumor, da bei

Nachweis einer K-ras-Mutation kein Benefit für eine EGFR-inhibierende Therapie

besteht, sodass diese nicht indiziert (und dann auch nicht zugelassen) ist. Weitere

Bedeutung erlangen zunehmend der Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität oder

eines LOH18q in der adjuvanten Situation, oder der Nachweis einer Topoisomerase-

1-Expression bei Behandlung mit Irinotecan-haltigen Protokollen.

68

Hereditäre Formen des kolorektalen Karzinoms � Was gilt es zu beachten?

K. Schulmann

Medizinische Klinik, Ruhr-Universität Bochum, Knappschaftskrankenhaus, Bochum

In Deutschland stellt das kolorektale Karzinom (KRK) mit 73.000 Neuerkrankungen

pro Jahr die zweithäufigste Tumorerkrankung dar. In etwa 20% liegt eine positive

Familienanamnese vor. Ca. 2�5% aller KRK entstehen auf dem Boden einer im

engeren Sinne erblichen Krebsdisposition. Mit Abstand am häufigsten und ohne

charakteristischen Phänotyp ist das Lynch-Syndrom (HNPCC). Deutlich seltener und

aufgrund eines charakteristischen Phänotyps leichter zu erkennen sind die

Polyposis-Syndrome, wie die familiäre adenomatöse Polyposis und die sehr seltenen

hamartomatösen Polyposis-Syndrome (Peutz-Jeghers-Syndrom und familiäre

juvenile Polyposis). Einen Überblick gibt Tabelle 1. Neben erhöhten Risiken für ein

KRK besteht bei fast allen Formen ein erhöhtes Risiko weiterer Neoplasien.

Lynch-Syndrom Diagnosekriterien: Das Lynch-Syndrom ist eine autosomal dominant vererbte

Tumordisposition mit hoher Penetranz (bis 80%). 2�5% aller KRK entstehen auf dem

Boden eines Lynch-Syndroms. Charakteristisch ist das frühe Auftreten von über-

wiegend rechtsseitig lokalisierten KRK, das Auftreten von syn- und metachronen

KRK sowie von Karzinomen anderer Organlokalisationen, vor allem in Endometrium,

Nierenbecken/ableitenden Harnwegen, Dünndarm, aber auch in Magen, Ovarien,

Gallengang, Gehirn und Haut. Im Unterschied zu den hereditären Polyposis-

Syndromen mit auffälligem Phänotyp (s. u.) ist die klinische Diagnosestellung beim

Lynch-Syndrom meist nur in Zusammenschau mit der Familienanamnese des

Patienten möglich. Die Diagnose kann klinisch gestellt werden, wenn in der Familie

des Patienten die sog. Amsterdam-I- oder -II-Kriterien erfüllt sind. In den Amsterdam-

II-Kriterien werden neben den KRK gleichwertig auch Karzinome des Endometriums,

des Dünndarms und der oberen, ableitenden Harnwege dem Syndrom zugerechnet.

In populationsbasierten Studien erfüllt die Mehrzahl der Patienten mit Lynch-

Syndrom nicht die Amsterdam-Kriterien. Der Personenkreis, bei dem möglicherweise

ein Lynch-Syndrom vorliegen könnte, wird durch die revidierten �Bethesda-Kriterien"

69

definiert. Die Tumoren dieser Patienten sollten auf die für das Lynch-Syndrom

charakteristische hochgradige Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) untersucht werden.

In älteren Arbeiten wurde unter ausschließlicher Berücksichtigung von

Indexpatienten berichtet, dass KRK im Mittel im 44. Lebensjahr (LJ) auftreten. Bei

den erstgradig Verwandten der Indexpatienten, die ebenfalls ein KRK entwickelten,

lag das mittlere Diagnosealter bei 61 Jahren. Als Konsequenz muss bei jedem

Patienten mit KRK unabhängig vom Diagnosealter nach der Familienanamnese

gefragt werden.

Molekulargenetik: Ursache des Lynch-Syndroms ist ein Defekt in einem der sog.

mismatch-Reparatur (MMR)-Gene. Bisher wurden pathogene Keimbahnmutationen

in den MMR-Genen MSH2, MLH1, MSH6 und PMS2 identifiziert. Um die

Mutationssuche effizienter anzugehen, ist es sinnvoll, vorab MSI-H im Tumor

nachzuweisen (z. B. anhand von archiviertem Paraffin-eingebettetem Tumor-

gewebe). Nur bei Nachweis einer MSI-H im Tumor schließt sich eine

Keimbahnmutationssuche an, wobei der Mutationsnachweis in 50�90% der Fälle

gelingt. Die immunhistochemische Untersuchung der MMR-Proteinexpression in

Tumoren gibt einen Hinweis, in welchem Gen die Mutation lokalisiert ist.

Tumorrisiko: Mutationsträger haben ein Risiko von 60�80%, ein KRK zu entwickeln.

Das Risiko steigt ab dem 30. LJ an. Das Endometriumkarzinomrisiko wird mit

20�60% angegeben; dieses Risiko steigt ab dem 40. LJ an. Zusätzlich ist das Risiko

für Karzinome des Ovar (4�13%), des Magens (2�19%), der ableitenden Harnwege

(1�7%) und des Dünndarmes (1�4%) erhöht. Das Dünndarmkarzinomrisiko wird mit

4�7,5% angegeben. Dünndarm- und Magenkarzinome vor dem 30. LJ sind sehr

selten. Selten treten Hauttumoren, Hirntumoren, Pankreaskarzinome oder biliäre

Karzinome auf.

Früherkennung: Ab dem 25. LJ, bzw. 5 Jahre vor dem Erkrankungsalter des

jüngsten betroffenen Familienmitglieds, sollte jährlich eine Koloskopie, eine

Abdomensonografie und eine gynäkologische Untersuchung inklusive trans-

vaginalem Ultraschall durchgeführt werden. Ab dem 35. LJ wird eine jährliche

Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD) empfohlen (Richtlinie der Verbundstudie

�familiärer Darmkrebs� der Deutschen Krebshilfe). Mehrere Studien belegen die

mögliche Senkung der Inzidenz und Mortalität für Lynch-Syndrom-assoziierte KRK

70

durch regelmäßige Koloskopien und Polypektomien. Bei 3-jährlichen Koloskopien

werden jedoch Intervallkarzinome beobachtet, sodass derzeit in Deutschland

jährliche Koloskopien empfohlen werden. Die Daten zu Früherkennungs-

untersuchungen bez. der extrakolonischen Tumoren erlauben bisher keine

abschließende Einschätzung ihrer Effektivität. Aufgrund des hohen Endometrium-

karzinomrisikos ist bei Patientinnen mit abgeschlossener Familienplanung oder in der

Postmenopause die prophylaktische Hysterektomie (ggf. auch bilaterale Adnektomie)

als Alternative zur gynäkologischen Vorsorge zu diskutieren. Der Eingriff sollte nur

bei gesicherter genetischer Anlage (pathogene Mutation oder positive Lynch-

Syndrom-Tumoranamnese mit MSI-H-Nachweis) erfolgen.

Durch die Aufdeckung der genetischen Grundlagen erblicher KRK-Formen kann

heute in den betroffenen Familien mit molekulargenetischen Methoden festgestellt

werden, ob Angehörige die Tumordisposition geerbt haben noch bevor sich

Krankheitssymptome entwickeln. Damit kann für die einzelnen Familienmitglieder

individuell die entsprechend notwendigen Früherkennungsuntersuchungen

empfohlen werden. Aber auch für Patienten, die bereits an einer Tumorerkrankung

leiden, ist die Diagnosestellung einer erblichen KRK-Form wichtig. Bei ihnen ist das

Risiko einen Zweittumor (oder noch weiterer Tumoren) zu entwickeln deutlich erhöht.

Auch hier gilt, dass den Patienten entsprechend notwendige Früherkennungsunter-

suchungen empfohlen werden sollten.

Fazit: - Bei jedem Patienten mit KRK daran denken: individuelle Eigen- und

Familienanamnese hinsichtlich Tumoren und Indexläsionen, Erkrankungsalter. Nur

die Minderheit der Patienten mit Lynch-Syndrom erfüllt die Amsterdam-Kriterien.

Auch ältere Patienten können erstmals erkranken. Auch bei Ausschluss des

Lynch-Syndroms bei familiärer Häufung liegt ein erhöhtes Risiko vor. Vorsorge der

Angehörigen erforderlich.

- Bei Verdacht abklären: genetische Beratung, Vorstellung im Zentrum für

familiären Darmkrebs

- Bei Diagnose einer hereditären Form: bei den meisten Syndromen erhöhtes

Risiko für Zweitmalignome; entsprechende Vor-/Nachsorgeprogramme.

Erkrankung der Familie, keine nur Ihren Patienten betreffende Erkrankung.

Information des Patienten und Weitergabe der Information durch den Patienten an

die Angehörigen sind wesentlich.

71

Tabelle 1: Übersicht über die häufigsten Formen hereditärer KRK

% aller KRK KRK-Risiko Mutations-

nachweis Gen Chromosom

HNPCC 2�5 50�80% 50�80% MLH1, MSH2,

MSH6, PMS2

3p21 2p16 2p16 7q22

FAP AFAP

0,1 < 0,1

100% 80%

80�90% 20�30%

APC

APC

5q21 5q21

Peutz-Jeghers-Syndrom

< 0,1 45% 80�94%

STK11

19p13.3

Juvenile Polyposis Coli

< 0,1 20�60%

50�60%

SMAD4

BMPR1A ENG

18q21.2 10q23 9q34.1

MAP ? ? 10�20% der APC-negativen FAP; 2% bei KRK < 50. LJ

MYH 1p34.3-p32.1

72

Kapselendoskopie des Kolons

T. Brechmann

Medizinische Klinik, Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmanns-

heil, Bochum

Das kolorektale Karzinom liegt mit über 70.000 Neuerkrankungen und etwa 27.000

Todesfällen pro Jahr in Deutschland weit vorne auf der Rangliste der malignen

Tumorerkrankungen. Mit der vollständigen Koloskopie kann eine effektive Vorsorge-

untersuchung, die von den Krankenkassen ab dem 56. Lebensjahr übernommen

wird, angeboten werden. Leider ist die Akzeptanz in der Bevölkerung niedrig; pro

Jahr nehmen nur 2�3% der über 55-Jährigen die Möglichkeit einer vorsorglichen

Koloskopie zur Früherkennung eines kolorektalen Karzinoms wahr.

Alternative, weniger invasive Verfahren könnten die Rate verbessern. Mit der in

größerem Umfang untersuchten virtuellen CT-Kolonografie ist jedoch eine nicht

unerhebliche Strahlenbelastung verbunden, die die Anwendung im Rahmen einer

Vorsorge ebenso limitiert wie die im Vergleich zur Endoskopie geringere

Sensitivität/Spezifität und die ebenso notwendige Darmreinigung. Die telemetrische

Kapselendoskopie des Dickdarms ist ein neues Verfahren, das ohne ionisierende

Strahlung auskommt. Die Videokapselendoskopie des Dünndarms ist mittlerweile ein

gut etabliertes, minimalinvasives, intraluminal bildgebendes Verfahren, deren nahezu

einzige wesentliche Komplikation, je nach untersuchtem Patientenkollektiv, die

Kapselretention mit einer Rate von 0,7�2% ist. Die neu entwickelte Kolonkapsel ist

wenig größer dimensioniert und mit 2 Kameras ausgestattet. In ersten klinischen

Untersuchungen konnten der CT-Kolonografie vergleichbare Sensitivitäten und

Spezifitäten dokumentiert werden. Die Prozedur wurde gut toleriert, Komplikationen

wurden nicht gefunden. Der Reinigungsgrad und damit die Beurteilbarkeit der

Schleimhaut ist abhängig von dem zum Teil sehr intensiven Vorbereitungsprotokoll.

Allerdings wird insbesondere die Präparation des Darms bei der Koloskopie von den

Patienten als unangenehm empfunden. Bei einer anzunehmenden Polypen-

detektionsrate von 40% müsste nach dem Screening mittels Kapselendoskopie eine

erneute Darmreinigung für die Koloskopie zur Behandlung der detektierten Polypen

folgen. Damit wird eine wesentliche Verbesserung der Akzeptanz nicht zu erreichen

sein. Die Kombination von Kolonkapsel während der Nacht, Auswertung des aufge-

zeichneten Videos am nächsten Morgen mit Entscheidung bezüglich der Not

73

wendigkeit zur Koloskopie und ggf. Durchführung derselben (Nachtprozedur) wird

daher in einer Pilotstudie untersucht. Nach den ersten vorläufigen Ergebnissen von

20 Patienten kann zumeist eine gute Darmreinigung erreicht werden. Weitere Daten,

insbesondere der Vergleich der Polypendetektionsraten sind jedoch notwendig.

75

Anschriften der Referenten und Vorsitzenden

Dr. T. Brechmann Medizinische Klinik BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Dr. M. Cornberg Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Prof. Dr. G. Gerken Gastroenterologie/Hepatologie Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55 45147 Essen Dr. S. Heringlake Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23�25 44892 Bochum Prof. Dr. Dr. h.c. W. Hohenberger Chirurgie Universitätsklinikum Erlangen Krankenhausstr. 12 91054 Erlangen Prof. Dr. W. Kruis Innere Medizin Ev. Krankenhaus Kalk Buchforststr. 2 51103 Köln Prof. Dr. F. Lammert Klinik für Innere Medizin II Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Straße 66424 Homburg/Saar

Prof. Dr. P. Layer Innere Medizin Israelitisches Krankenhaus in Hamburg Orchideenstieg 14 22297 Hamburg Prof. Dr. M.M. Lerch Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A Universitätsklinikum Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23A 17475 Greifswald Dr. C. Mölleken Medizinische Klinik BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Prof. Dr. J. Mössner Medizinische Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie Universitätsklinikum Leipzig AöR Philipp-Rosenthal-Str. 27 04103 Leipzig Prof. Dr. V. Nicolas Radiologie und Nuklearmedizin BG Universitätsklinikum Bergmannsheil Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Prof. Dr. O.G. Opitz Tumorzentrum Ludwig Heilmeyer Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg Dr. T. Pietzsch Internist Zeppelinstr. 18 44791 Bochum

76

Dr. C. Pox Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23�25 44892 Bochum Dr. A. Riphaus Innere Medizin I Krankenhaus Siloah Klinikum Region Hannover Roesebeckstr. 15 30449 Hannover Prof. Dr. T. Rösch Interdisziplinäre Endoskopie Universitätsklinikum Eppendorf Martinistr. 52 20251 Hamburg Prof. Dr. T. Sauerbruch Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn Prof. Dr. W. Schmiegel Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23�25 44892 Bochum Prof. Dr. W.E. Schmidt Innere Medizin I St. Josef-Hospital Ruhr-Universität Bochum Gudrunstr. 56 44791 Bochum PD Dr. G. Schmidt-Heinevetter Internistin Kurt-Schumacher-Platz 4 44787 Bochum Prof. Dr. J. Schölmerich Klinik für Innere Medizin I Klinikum der Universität Regensburg 93042 Regensburg

Prof. Dr. S. Schreiber Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Institut für Klinische Molekularbiologie Christian-Albrechts-Universität Schittenhelmstr. 12 24105 Kiel Dr. K. Schulmann Medizinische Klinik Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus In der Schornau 23�25 44892 Bochum Prof. Dr. A. Tannapfel Institut für Pathologie Ruhr-Universität Bochum Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum Dr. B. Viebahn Internist Oskar-Hoffmann-Str. 153 44789 Bochum Prof. Dr. M. Zeitz Medizinische Klinik I Charité � Universitätsmedizin Campus Benjamin Franklin (CBF) Hindenburgdamm 30 12200 Berlin Prof. Dr. S. Zeuzem Medizinische Klinik I Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt