Geben und Nehmen: Ausschüttungen und Nachschusspflichten · prinzip) und Finanzierungsgewohnheiten...

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Titelthema Familienunternehmen Finanzplanung von Familienunternehmen 28 unternehmermagazin 7/8·2005 Die Eigenkapitalausstattung deutscher Fa- milienunternehmen ist im internationalen Vergleich gering. Dies ist neben den Spezi- fika unseres Bankenwesens (Hausbank- prinzip) und Finanzierungsgewohnheiten vor allem auf zwei Effekte zurückzuführen: Einerseits begünstigte unser Steuersystem lange die Fremdfinanzierung gegenüber der Eigenkapitalbildung. Im Unterneh- mensbereich erzielte Gewinne wurden we- gen der Gewerbesteuer höher belastet als andere Einkünfte, etwa aus Kapitalvermö- gen, Vermietung oder Verpachtung. Ande- rerseits stellte Fremdkapital eine günstige Finanzierungsquelle dar, so dass Familien- unternehmen trotz geringer Eigenkapital- quoten bisher nur etwas mehr als 1 % ihres Umsatzes für Zinsen ausgeben, womit sie international im unteren Mittelfeld liegen. Gleichwohl rechtfertigt es die geringe Eigenkapitalausstattung nicht, von einer ge- nerellen Eigenkapitallücke deutscher Fami- lienunternehmen zu sprechen, zumal unter- nehmerisch genutztes Vermögen insbeson- dere aus steuerlichen Gründen oft im Pri- vatbereich gehalten wird (Stichwort: Be- triebsaufspaltung, Gesellschafterdarlehen). Häufig gehört dieses Privatvermögen jedoch zum Haftkapital, z.B. nach den Grundsät- zen der kapitalersetzenden Darlehen bzw. Nutzungsüberlassung oder wegen der Besi- cherung von Unternehmenskrediten. Die Eigenkapitalquote von Familienunterneh- men ist daher bei wirtschaftlicher Betrach- tung höher als es die Statistiken ausweisen. Personengesellschaften, welche die in- ternationalen Bilanzregeln IFRS anwenden, stehen derzeit sogar ganz ohne (bilanzielles) Eigenkapital dar. Nach IFRS 32 liegt Eigen- kapital nur vor, wenn Gesellschafter keinen individuellen Rückzahlungsanspruch auf das investierte Kapital haben. Da die Gesell- schafterstellung bei Personengesellschaften zwingend kündbar ist, müssen gesellschafts- rechtliches Eigenkapital im IFRS-Abschluss als Fremdkapital und Gewinnausschüttun- gen als Zinsaufwand ausgewiesen werden. Diese, aus deutscher Sicht unbefriedigende und unsinnige Rechtslage dürfte sich in der Praxis aber nicht negativ auswirken, da die umzugliedernden Positionen gesondert aus- gewiesen werden dürfen und vom verstän- digen Bilanzleser wirtschaftlich dem Eigen- kapital zugeordnet werden können. Erfreulicherweise setzt sich die Ein- sicht, dass eine unternehmerische Tätigkeit aus volkswirtschaftlichen Gründen niedri- ger besteuert werden muss, jedenfalls aber nicht höher besteuert werden darf als an- dere Einkünfte, auch in unserem Lande durch. Bei Personengesellschaften ist die als Mindestziel anzustrebende Gleichbe- handlung unternehmerischer Einkünfte durch die Möglichkeit der Gewerbesteuer- anrechnung häufig bereits erreicht. Bei Ka- pitalgesellschaften gilt diese näherungswei- se Gleichstellung nur für thesaurierte Ge- winne, während ausgeschüttete Gewinne unverändert deutlich höher belastet sind. Die EU-einheitlichen Finanzierungsre- geln »Basel II«, die zwar erst ab 2007 gel- ten, aber schon lange ihre Schatten voraus- werfen, führen zu einer risikoadäquaten Fremdkapitalverzinsung, wodurch sich die Finanzierungskosten speziell für eigenkapi- talschwache Unternehmen teilweise stark erhöhen. Die jahrzehntelang gültige Aussa- ge, die Rahmenbedingungen in Deutsch- land begünstigten die Fremd- gegenüber der Eigenfinanzierung, ist folglich in dieser Allgemeinheit heute nicht mehr richtig. Für die auch betriebswirtschaftlich ge- botene Verbesserung der Eigenkapitalquote sind Familienunternehmen auf die Innen- finanzierung angewiesen. Eine Außenfinan- zierung scheidet meist aus, da familienfrem- de Gesellschafter unerwünscht sind. Dies gilt auch für Beteiligungsgesellschaften, zu- mal deren Engagement in der Regel be- fristet, mit Informations- und Mitwirkungs- rechten verbunden und/oder gegenüber ei- ner Fremdfinanzierung, einschließlich mo- derner Mezzanine-Modelle, sehr teuer ist. Bei der Finanzplanung von Familienun- ternehmen sind vier Maximen zu beachten: Die Sicherung der Ausschüttung, des lau- fenden Geschäfts, der Erbschaftsteuer und des Wachstums. Da die Finanzierung des laufenden Geschäfts vorrangig ist, bleiben neben der Optimierung der Erbschaftsteu- erbelastung, etwa durch vorweggenomme- ne Erbfolge, zwei Stellschrauben zur Ver- besserung der Eigenkapitalausstattung: Aus- schüttung und Wachstum. Ausgeschüttete Gewinne stehen für die Wachstumsfinan- zierung nicht zur Verfügung. Daher ist es Sache der Gesellschafter, ein ausgewogenes, den Gegebenheiten Rechnung tragendes Verhältnis beider Stellgrößen zu finden. Wenn das Unternehmen Vorrang vor den Interessen der Familienmitglieder hat, können Ausschüttungen auf ein Mindest- maß reduziert und in weniger erfolgreichen Jahren sogar unterlassen werden. Hier sind Konflikte zwischen aktiven, geschäftsfüh- renden Gesellschaftern und passiven Gesell- Geben und Nehmen: Ausschüttungen und Nachschusspflichten RA Dr. Martin Sorg WP

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Titelthema Familienunternehmen

Finanzplanung von Familienunternehmen

28 unternehmermagazin 7/8·2005

Die Eigenkapitalausstattung deutscher Fa-

milienunternehmen ist im internationalen

Vergleich gering. Dies ist neben den Spezi-

fika unseres Bankenwesens (Hausbank-

prinzip) und Finanzierungsgewohnheiten

vor allem auf zwei Effekte zurückzuführen:

Einerseits begünstigte unser Steuersystem

lange die Fremdfinanzierung gegenüber

der Eigenkapitalbildung. Im Unterneh-

mensbereich erzielte Gewinne wurden we-

gen der Gewerbesteuer höher belastet als

andere Einkünfte, etwa aus Kapitalvermö-

gen, Vermietung oder Verpachtung. Ande-

rerseits stellte Fremdkapital eine günstige

Finanzierungsquelle dar, so dass Familien-

unternehmen trotz geringer Eigenkapital-

quoten bisher nur etwas mehr als 1 % ihres

Umsatzes für Zinsen ausgeben, womit sie

international im unteren Mittelfeld liegen.

Gleichwohl rechtfertigt es die geringe

Eigenkapitalausstattung nicht, von einer ge-

nerellen Eigenkapitallücke deutscher Fami-

lienunternehmen zu sprechen, zumal unter-

nehmerisch genutztes Vermögen insbeson-

dere aus steuerlichen Gründen oft im Pri-

vatbereich gehalten wird (Stichwort: Be-

triebsaufspaltung, Gesellschafterdarlehen).

Häufig gehört dieses Privatvermögen jedoch

zum Haftkapital, z.B. nach den Grundsät-

zen der kapitalersetzenden Darlehen bzw.

Nutzungsüberlassung oder wegen der Besi-

cherung von Unternehmenskrediten. Die

Eigenkapitalquote von Familienunterneh-

men ist daher bei wirtschaftlicher Betrach-

tung höher als es die Statistiken ausweisen.

Personengesellschaften, welche die in-

ternationalen Bilanzregeln IFRS anwenden,

stehen derzeit sogar ganz ohne (bilanzielles)

Eigenkapital dar. Nach IFRS 32 liegt Eigen-

kapital nur vor, wenn Gesellschafter keinen

individuellen Rückzahlungsanspruch auf

das investierte Kapital haben. Da die Gesell-

schafterstellung bei Personengesellschaften

zwingend kündbar ist, müssen gesellschafts-

rechtliches Eigenkapital im IFRS-Abschluss

als Fremdkapital und Gewinnausschüttun-

gen als Zinsaufwand ausgewiesen werden.

Diese, aus deutscher Sicht unbefriedigende

und unsinnige Rechtslage dürfte sich in der

Praxis aber nicht negativ auswirken, da die

umzugliedernden Positionen gesondert aus-

gewiesen werden dürfen und vom verstän-

digen Bilanzleser wirtschaftlich dem Eigen-

kapital zugeordnet werden können.

Erfreulicherweise setzt sich die Ein-

sicht, dass eine unternehmerische Tätigkeit

aus volkswirtschaftlichen Gründen niedri-

ger besteuert werden muss, jedenfalls aber

nicht höher besteuert werden darf als an-

dere Einkünfte, auch in unserem Lande

durch. Bei Personengesellschaften ist die

als Mindestziel anzustrebende Gleichbe-

handlung unternehmerischer Einkünfte

durch die Möglichkeit der Gewerbesteuer-

anrechnung häufig bereits erreicht. Bei Ka-

pitalgesellschaften gilt diese näherungswei-

se Gleichstellung nur für thesaurierte Ge-

winne, während ausgeschüttete Gewinne

unverändert deutlich höher belastet sind.

Die EU-einheitlichen Finanzierungsre-

geln »Basel II«, die zwar erst ab 2007 gel-

ten, aber schon lange ihre Schatten voraus-

werfen, führen zu einer risikoadäquaten

Fremdkapitalverzinsung, wodurch sich die

Finanzierungskosten speziell für eigenkapi-

talschwache Unternehmen teilweise stark

erhöhen. Die jahrzehntelang gültige Aussa-

ge, die Rahmenbedingungen in Deutsch-

land begünstigten die Fremd- gegenüber

der Eigenfinanzierung, ist folglich in dieser

Allgemeinheit heute nicht mehr richtig.

Für die auch betriebswirtschaftlich ge-

botene Verbesserung der Eigenkapitalquote

sind Familienunternehmen auf die Innen-

finanzierung angewiesen. Eine Außenfinan-

zierung scheidet meist aus, da familienfrem-

de Gesellschafter unerwünscht sind. Dies

gilt auch für Beteiligungsgesellschaften, zu-

mal deren Engagement in der Regel be-

fristet, mit Informations- und Mitwirkungs-

rechten verbunden und/oder gegenüber ei-

ner Fremdfinanzierung, einschließlich mo-

derner Mezzanine-Modelle, sehr teuer ist.

Bei der Finanzplanung von Familienun-

ternehmen sind vier Maximen zu beachten:

Die Sicherung der Ausschüttung, des lau-

fenden Geschäfts, der Erbschaftsteuer und

des Wachstums. Da die Finanzierung des

laufenden Geschäfts vorrangig ist, bleiben

neben der Optimierung der Erbschaftsteu-

erbelastung, etwa durch vorweggenomme-

ne Erbfolge, zwei Stellschrauben zur Ver-

besserung der Eigenkapitalausstattung: Aus-

schüttung und Wachstum. Ausgeschüttete

Gewinne stehen für die Wachstumsfinan-

zierung nicht zur Verfügung. Daher ist es

Sache der Gesellschafter, ein ausgewogenes,

den Gegebenheiten Rechnung tragendes

Verhältnis beider Stellgrößen zu finden.

Wenn das Unternehmen Vorrang vor

den Interessen der Familienmitglieder hat,

können Ausschüttungen auf ein Mindest-

maß reduziert und in weniger erfolgreichen

Jahren sogar unterlassen werden. Hier sind

Konflikte zwischen aktiven, geschäftsfüh-

renden Gesellschaftern und passiven Gesell-

Geben und Nehmen: Ausschüttungen und Nachschusspflichten

RA Dr. Martin Sorg WP

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schaftern unvermeidbar, zumal erstere auf-

grund ihrer Tätigkeitsvergütung selten auf

Gewinnausschüttungen angewiesen sind.

Allgemeingültige Grundsätze für die

Höhe der Gewinnausschüttung bei Famili-

enunternehmen gibt es nicht. Die Frage

sollte jedoch so geregelt sein, dass eine

jährlich wiederkehrende Diskussion ver-

mieden und das Konfliktpotential begrenzt

wird. Dies kann durch verbindliche Festle-

gung der Ausschüttungsquote im Gesell-

schaftsvertrag geschehen. Hier kann eine

feste Quote gewählt werden, etwa in

Anlehnung an den Halbteilungsgrundsatz

in § 58 Abs. 2 AktG, oder man definiert ei-

ne Bandbreite, deren Ausfüllung von der

Erreichung bestimmter finanzieller Stabi-

litätskennziffern (z.B. Eigenkapitalquote)

abhängig gemacht wird. Hat das Familien-

unternehmen einen Beirat, kann ihm die

Entscheidung über die Ausschüttungsquo-

te übertragen werden.

Bei Personengesellschaften, bei denen

der Unternehmensgewinn auf Gesellschaf-

terebene versteuert werden muss, ist dar-

auf zu achten, dass der Ausschüttungsbe-

trag mindestens so hoch ist, dass die Ge-

sellschafter die auf ihre Beteiligung entfal-

lenden laufenden Steuern bezahlen können.

Bei nachhaltig schlechter Ertragslage des

Unternehmens muss im Sinne eines einzel-

wirtschaftlichen Optimierungskalküls gege-

benenfalls über Einzahlungen der Gesell-

schafter nachgedacht werden, etwa im We-

ge der Kapitalerhöhung. Bei Familienunter-

nehmen sind solche Nachschüsse eher sel-

ten, da mangels Masse nicht möglich bzw.

mit dem Ziel unvereinbar, neben dem Un-

ternehmensvermögen haftungsfreies Privat-

vermögen zu bilden. Sind Nachschüsse je-

doch geboten, müssen diese bei einer Kapi-

talgesellschaft mit Dreiviertelmehrheit be-

schlossen werden. Bei Personengesellschaf-

ten gilt nach dem Gesetz der Einstimmig-

keitsgrundsatz, weshalb sich die Vereinba-

rung einer gesellschaftsvertraglichen Mehr-

heitsklausel dringend empfiehlt, die dem

Recht der Kapitalgesellschaften entspricht.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer

Kapitalerhöhung kraft Mehrheitsbeschluss

ist stets die Festlegung eines angemessenen

Bezugspreises, um sicherzustellen, dass eine

Veränderung der Beteiligungsquoten wert-

neutral erfolgt, also nicht zur Verlagerung

stiller Reserven führt. Kommt ein Nach-

schussbeschluss mit erforderlicher Mehrheit

zustande, sind die überstimmten Gesell-

schafter gleichwohl nicht verpflichtet, den

Nachschuss zu leisten. Leisten sie tatsächlich

nicht, verringert sich jedoch ihre Beteili-

gungsquote, was zu unerwünschten Macht-

verschiebungen im Gesellschafterkreis bzw.

in der Familie führen kann. �

RA Dr. Martin Sorg WP, Partner der

Anwaltssocietät Binz & Partner, Stuttgart