Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann...

7
Gediegen und zeitgemäß inszeniert Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir- che: Das Schlosstheater Neu- wied, Landesbühne Rheinland- Pfalz, sorgte mit Brechts Galilei für einen gelungenen Theater- auftakt imSaalbau. Von SZ-Mitarbeiterin Marion Kawohl Homburg. Das Leben im 17. Jahrhundert war nicht einfach für Wissenschaftler, die wagten, am kirchlichen Weltbild zu rüt- teln und die darauf bestanden, dass allein sichtbarer Beweis und Vernunft gelten sollten. Die kirchliche Inquisition machte mit solchen Köpfen nicht viel Federlesens und die Scheiter- haufen prasselten emsig. Was soll man von einem Wis- senschaftler wie Galileo Galilei halten, der unter diesen Um- ständen seine Erkenntnisse „verrät" und ihnen öffentlich abschwört, um sein nacktes Le- ben zu retten? Mit dieser Frage beschäftigt sich Bertolt Brecht in seinem Schauspiel „Das Le- ben des Galilei", mit dem die Landesbühne Rheinland-Pfalz den Anfang zur neuen Theater- saison im Homburger Saalbau machte. Sein Galilei - Volker Weidlich füllt die Rolle in jeder Hinsicht aus - ist Wissenssuchender und Genussmensch in einem. Er ar- beitet unter schwierigen Um- ständen, muss sich mit nur an Profit interessierten Geschäfts- leuten und Ignoranten Herr- schern herumschlagen, immer auf der Suche nach Geldgebern, und schreckt dabei auch vor Ideenklau nicht zurück. Doch als er an die Kirche ge- rät, ist seine Gratwanderung zu Ende. Dennoch schlägt er ihr zu guter Letzt doch noch ein Volker Weidlich ließ seinen Galileo Galilei die Frage nach <I>T moralischen Verpflichtung der Wissenschaft im Korsett gesellschaftlicher und machtpolitischer Zwänge ergründen. Foto: Thorsten Wolf Schnippchen, schreibt seine wissenschaftlichen Erkennt- nisse nieder und lässt sie ins et- was liberalere Holland schmug- geln. Als erblindeter Greis unter ständiger Überwachung der Kirche stehend, wirkt Volker Weidlichs Galilei menschlicher als zuvor als Vertreter der „rei- nen" Lehre. Regisseur Hans Thoenies hat Bertolt Brechts Schauspiel in zwölf Bildern gediegen und zeitgemäß inszeniert, dir Cha- raktere gut besetzt. Hervorzu- heben ist außer dem Ilmi|>tdar- steller noch Johannes l'rill, der gekonnt in seine so unter- schiedlichen Rollen irhlüpft. Weniger gut gelungen iil die Fi- gur des Inquisitors, in drr Mat- thias Kiel nicht ganz HO diabo- lisch wirkt, wie er es sein sollte. Das Homburger Publikum be- dankte sich mit langem, rhyth- mischem Applaus für eine ge- lungene Inszenierung. HINTERGRUND Die weiteren Theatergastspiele im Überblick: „Der Vater" von August Strindberg am 7. Oktober; „Agatha Christies Hobby ist Mord" am 4. November; „Otto, der Großaktionär" am 9. Dezember; „Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing am 3. Februar; „Der Geizige" von Moliere am 17. März; das Konzertschauspiel mit Live-Musik „Liebesträume" am 5. Mai und „Rauhnacht" am 26. Mai. Kindertheater; „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel" am 21. Dezember und „Aladin, eine Wunderlampe und 40 Räuber" am 12. April. Infos gibt's im Homburger Kulturkalender. Er liegt aus und kann auch beim Verkehrsverein und dem Kulturamt im Rat- haus angefordert werden, Tel. (0 68 41) 10 11 66. ust O a: M >—< Z CS3 TJ 3 (/} (/) CD CD (Q CD O 3 o 0

Transcript of Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann...

Page 1: Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das

Gediegen und zeitgemäß inszeniertMit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau

Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das Schlosstheater Neu-wied, Landesbühne Rheinland-Pfalz, sorgte mit Brechts Galileifür einen gelungenen Theater-auftakt im Saalbau.

Von SZ-MitarbeiterinMarion Kawohl

Homburg. Das Leben im 17.Jahrhundert war nicht einfachfür Wissenschaftler, die wagten,am kirchlichen Weltbild zu rüt-teln und die darauf bestanden,dass allein sichtbarer Beweisund Vernunft gelten sollten. Diekirchliche Inquisition machtemit solchen Köpfen nicht vielFederlesens und die Scheiter-haufen prasselten emsig.

Was soll man von einem Wis-senschaftler wie Galileo Galileihalten, der unter diesen Um-ständen seine Erkenntnisse„verrät" und ihnen öffentlichabschwört, um sein nacktes Le-ben zu retten? Mit dieser Fragebeschäftigt sich Bertolt Brechtin seinem Schauspiel „Das Le-ben des Galilei", mit dem dieLandesbühne Rheinland-Pfalzden Anfang zur neuen Theater-saison im Homburger Saalbaumachte.

Sein Galilei - Volker Weidlichfüllt die Rolle in jeder Hinsichtaus - ist Wissenssuchender undGenussmensch in einem. Er ar-beitet unter schwierigen Um-ständen, muss sich mit nur anProfit interessierten Geschäfts-leuten und Ignoranten Herr-schern herumschlagen, immerauf der Suche nach Geldgebern,und schreckt dabei auch vorIdeenklau nicht zurück.

Doch als er an die Kirche ge-rät, ist seine Gratwanderung zuEnde. Dennoch schlägt er ihr zuguter Letzt doch noch ein

Volker Weidlich ließ seinen Galileo Galilei die Frage nach <I>T moralischen Verpflichtung der Wissenschaft im Korsett gesellschaftlicherund machtpolitischer Zwänge ergründen. Foto: Thorsten Wolf

Schnippchen, schreibt seinewissenschaftlichen Erkennt-nisse nieder und lässt sie ins et-was liberalere Holland schmug-geln.

Als erblindeter Greis unterständiger Überwachung derKirche stehend, wirkt VolkerWeidlichs Galilei menschlicherals zuvor als Vertreter der „rei-nen" Lehre.

Regisseur Hans Thoenies hatBertolt Brechts Schauspiel inzwölf Bildern gediegen und

zeitgemäß inszeniert, dir Cha-raktere gut besetzt. Hervorzu-heben ist außer dem Ilmi|>tdar-steller noch Johannes l ' r i l l , dergekonnt in seine so unter-schiedlichen Rollen irhlüpft.Weniger gut gelungen iil die Fi-gur des Inquisitors, in drr Mat-thias Kiel nicht ganz HO diabo-lisch wirkt, wie er es sein sollte.Das Homburger Publikum be-dankte sich mit langem, rhyth-mischem Applaus für eine ge-lungene Inszenierung.

HINTERGRUND

Die weiteren Theatergastspiele im Überblick: „Der Vater"von August Strindberg am 7. Oktober; „Agatha ChristiesHobby ist Mord" am 4. November; „Otto, der Großaktionär"am 9. Dezember; „Nathan der Weise" von Gotthold EphraimLessing am 3. Februar; „Der Geizige" von Moliere am 17. März;das Konzertschauspiel mit Live-Musik „Liebesträume" am 5.Mai und „Rauhnacht" am 26. Mai. Kindertheater; „Als derWeihnachtsmann vom Himmel fiel" am 21. Dezember und„Aladin, eine Wunderlampe und 40 Räuber" am 12. April.Infos gibt's im Homburger Kulturkalender. Er liegt aus undkann auch beim Verkehrsverein und dem Kulturamt im Rat-haus angefordert werden, Tel. (0 68 41) 10 11 66. ust

O

a:M>— <

Z"Ö

CS3

TJ3(/}

(/)CD

CD(QCD

O3

o

0

Page 2: Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das

Pressespiegel vom:

SQnrfirMer&itungO m RHEINPFALZ IfyfKlMIlMMHI

[erku

Im Kreislauf des MondesBrechts „Leben des Galilei" als Lehrstück mit dem Landestheater Rheinland-Pfalz

l

VON STEFAN FOLZ

Zugegeben, Kenner von BertoltBrecht und seinen Theatertheorienwaren spätestens zur Pause irri-tiert, als bei der Aufführung von„Das Leben des Galilei" der Bühnen-vorhang im Homburger Saalbaufiel. Ein Vorhang bei Brecht? Verse-hen oder Sakrileg?

Denn alles, was Illusion schafft, wardem gesellschaftslcritischen Autorein Dom im Auge. Seine Theorienverweisen das aristotelische Theaterin die Schranken' und propagierendurch bewusste Verfremdung denSieg der Vernunft. Nur: beim „Lebendes Galilei" ist alles anders.

Das Bühnenbild sollte - nachBrecht - in „artistisch reizvoller Artdie historische Umgebung zeigen".Für die Führung der Schauspielerschlägt der Autor vor, die Vorgänge„in Ruhe", die Bewegungen „absolutnatürlich und realistisch" auszufüh-ren. So gesehen hat sich das Landes-theater Rheinland Pfalz, das denTournee-Abstecher nach Homburgunternommen hatte, ganz den Wün-schen Bertolt Brechts gefügt. Dennneben einer vergleichsweise üppi-gen Ausstattung waren es besondersdie Kostüme, die eine historische kor-'rekte Anmutung vermittelten.

Hans Thoenies stand vor der nichtganz einfachen Aufgabe, das in derUrfassung 1938 entstandene Stückan die heutigen Publikumsanforde-rungen anzupassen. Das ist ihm rund-um gelungen, seine Inszenierung ver-lor nie ihren Spannungsbogen. Mit-telpunkt der mehr als zwei Stundenlangen historischen Auseinanderset-zung mit der Frage nach der Verant-wortung der Wissenschaft war die Fi-gur des Galileo Galilei, dargestelltvon Volker Weidlich. Schon rein äu-ßerlich entsprach der Schauspielerden Vorstellungen Brechts, der imPhysiker der Renaissance einen ge-nussfreudigen, wohlgenährtenMann sah. Weidlich verstand es über-zeugend, den Zwiespalt zwischen

Der Wissenschaftler Galilei (Volker Weidlich, links) im Disput mit einemKirchenvertreter. . FOTO: FOLZ

dem Wunsch, unauffällig und inRuhe der Forschung zu dienen undeiner starken persönlichen Ausstrah-lung darzustellen. Sein Galileo ver-setzte die Obrigkeit in Unruhe.Nicht, weil sie in ihm teuflische Fins-ternis wahrnahmen, sondern dasLicht der Wahrheit, das Veränderungder bequemen Umstände verhieß.

Interessant war, dass Galileis Ge-genspieler asketische, hagere Gestal-ten warea Kleinlich, geizig und eng-stirnig. Größer hätte der Kontrastzum großzügigen, beinahe ver-schwenderisch lebenden Mathemati-ker kaum sein können. Das wirklicheVerdienst der Inszenierung lag aberin der dichten Atmosphäre, die denZuschauer in den bedrückenden Kon-flikt zwischen Macht und Wahrheiteintauchen ließ.

Die lebendige Neugierde im HauseGalilei, besonders durch seinen Mus-terschüler Andrea Sarti verkörpert,musste einfach die starre, verlang-samte Lebensart der kirchlichen undwissenschaftlichen Instanzen heraus-fordern. Dass deren Ära ihrem Endezugeht, wurde besonders durch den

„sehr alten Kardinal" (Rainer Hanne-mann) deutlich, der glaubt, immernoch alle Fäden in der Hand zu ha-ben, aber gar keine Kraft mehr hat,um die Dimensionen seiner Entschei-dungen zu begreifen. Die Frage, obsich Erde und Mond um die Sonnedrehen, wird zur existenziellen Ent-scheidung über künftige gesellschaft-liche Entwicklungen.

So vergingen in Homburger saal-bau zwei Stunden wie im Flug. DieGeschichte nahm die etwa 400 ZuT

schauer gefangen und ließ die Frageim Raum stehen, ob Galileo ein Heldist oder nicht Einerseits ja, denn erentdeckt gegen den Widerstand derallmächtigen Geistlichkeit, dass dasUniversum anders funktioniert, wiein der Bibel geschildert Doch zumHelden fehlt die'letze Konsequenz:der Mut, zu seiner Entscheidung zustehen. Aber durch den Widerrufkann er weiter forschen und neueEntdeckungen machen. Die Lügewird bei Bertolt Brecht zur unver-meidlichen Notwendigkeit. Darüberkonnte man auf dem Nachhausewegnachdenken.

Page 3: Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das

t- i ! 1ä v~" ' ' " "

01 OKI. m

Gebete;.:.;WisserischaftI

-

",-.V,;T- -> > ' ' . . - : • -; ,"~ v .̂1 "•-•;.- • -r? ^;-7.-~ ™-,-' -~ ™-«

.GÄBRIItEIENGEEBERj

;»:->s '*•:d• >«;.'SSS?..i 5:i»=s

- S i üfSÄSÄSJä SHSSf»«BM^

Page 4: Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das

ULJ

I-

Cv

in

SoC

(3

053Q

O

ST

g

?5ef

tD

O

O

ovs>-

o-r4l't-'̂

ol

o

HomogenesEnsemblespiel

Glänzende Vorstellung trotz Grippe

Von Michael Stukowski

Bockolt Applaus kann zu-weilen wie ein Kredit wirken.So geschahen im Stadtthea-tts:, wo die Besucher ausgie-big applaudierten, obwohldie Bühne Doch dunkel war.Der Hintergrund: Man wollteaal diese Weise den Schau-spielern der LandesbuhceRheinland-Pfalz Respekt zol-len. Denn das Ensemble wur-de ron einer Virusgrippe ge-plagt und wollte dennoch sei-ne Vorstellung nichi ausfal-len lassen.

Rollen tvaten kurzfristigumbesetzt worden und derfast heisere Johannes Prill tratmit einem Mikroport au£Doch die'sehenswerte Insze-nierung von Bertolt Brechts„Leben des Galilei" hätteauch ohne diese Kraftanstren-gungen ihren Applaus ver-dient. Trotz aller Unpäßlich-keiten präsentierten sich dieSchauspieler bestens aufge-legt und glänzten durch einausgesprochen "homogenesEnsemblespiel, Und die 14Bilder, die Galileis wissen-schaftliche Ivfuskelspiele ge-gen die Obrigkeit und dieübermächtiga Kirche seinerZeit zeigten, spiegelten einespannende Zerreißprobe wi-der.

Bestechend auch das Büh-nenbild von Stefan A.

Schuhs: Auf einer relativ ein-fachen Ebene, die aus neunrömischen Säulen bestand,spielte sich das Geschehenak Mal fand man sich im (ab-gehobenen l Reich der Päpsteund Kardinale wieder, dannwieder im Studierzimmer desAstronomen und PhysikersGalilei, wo es eher beschau-lich mging

Klare Strukturen zeichnendie Regäeerbeit von HansThoenies aus, der die Frontendeutlich abgesteckt hat. Soverkörpert Volker Weidlicheinen bärbeißigen Galileo Ga-lilei, der selbst noch in seinerVerzweiflung souverän wirk-te. Verpflichtet gegenüber derVernunft und der wissen-schaftlichen . F1̂ """*"'«schweigt er sich gegenüberden verkrusteten Denkhalbm-gen der Kirche aus und be-wahrt somit seine Autono-mie. Galilei weiß nur zu gut,dass „freier Handel freiesForschen" bedeutet und dasser die Lehrbefugnis variierenkönnte. Um sich dieses Vor-recht zu erhallen, widerrufter vor der InqiiisitLon seineTheorie von der Bewegungder Erde. Dass er am Ende -inzwischen aus Sicherheits-gründen in sein eigenesLandbaus „verbannt" — einenLarhanfail bekommt, zeigtwie sehr sein Wissenstriebüber die bornierte Unwissen-

\>1O

VoBtET Wadlich ab bärbeißiger Gaitei. Foto: Mctad StukowsU

heil der Mächtigen domi-niert.

„Wie ist die Nach«?" fragtder Astronom im Schlussbildseine Tochter Virginia (LauraWeider), die längst Nonne ge-worden ist. „Hell", antwortetsie, worauf er losprustet. Wiesehr die Gegner Galilei aufder Nase herumtanzen, wur-de darstellerisch sehr gut be-legt. Der Kardinal RobertoBollannin, den Matthias Kiel

mit viel Würde und unerbitt-licher Strenge darstellte, ver-breitete nicht nur •wegen sei-ner roten Robe Angst undSchrecken. Der stimmlicheingeschränkte Prill wieder-um verlieh dem Pater Chris-topher Clavius eine schwe-bende LTnberechenbarkeit,die fesselte. Auch als KuratorPriuli und als schöngeistigerPhilosoph konnte Prill über-zeugen.

Page 5: Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das

W\ Ä_ *> i /? i r / /

K ][ G [DKonzert- und Gastspieldirektion

ßentz & Partner

Und sie bewegtsich doch

„Leben des Galilei" zum SaisonauftaktVON KLAUS-J. FJUHM

Wetzlat. Ob er es wirklichgesagt hat, Ist umstritten, derzuvor erfolgte Widerruf vor derInquisition dagegen ist doku-mentiert. Galileo Galilei be-wies zwar das kopernlkanlscheWeltsystem, berühmt wurde eraber, well er sich dem Dogmader Kirche beugte und seine be-wiesene Wahrheit leugnete.Berthold Brecht hat das Lebendes Galilei In Szene gesetzt.

In der Werzlarer Sradthallegab es mit der LandesbühneRheinland Pfalz eine Votpre-miere der Parabel über denUmgang mit Wahrheiten, dieden Herrschenden nicht ge-nehm sind. Brecht, der selbstvor der Mordlust der National-sozialisten Ins Exil flüchtete,betrachtete den Widerruf,durch den sich Galilei vor demScheiterhaufen rettete, alsVerbrechen.

Regisseur Hans Thoenieslässt Volker Weidlich als polt-

Elsa-Brändström-Scraßc 763075 Offenbach am Main

'S* 069-853041

rtg naiven Forscher agieren,der seine Wissenschaft über al-les stellt. Dabei macht Weid-lich aus dem Galilei einen et-was schlitzohrigen Typen, derimmer auch auf seinen Vorteilbedacht ist. Den Kurator Priulispielt Johannes Prill ganz alszeitlosen Imeressensvertreterder Obrigkeit. Prill agiert spä-ter ebenso überzeugend alsPhilosoph und als Pater Chris-topher Clavius.

• Historienspielstatt Lehrstück

Das Bühnenbild, schlichtund effektvoll aus ein paar do-rischen Säulen gebildet, istUniversität, DogenpaJast undGerichtssaal der Inquisition.Rainer Hannemann spielt denDogen, den alten Kardinal undden Mathematiker als bornier-te Gefangene ihrer Oberzeu-gungen und Raphael Grosch istein ebenso beflissener wie er-gebener Schüler Galileis.

Forscher Gallleo Galilei (Volker Weidlich, rechts) knickt vor derObrigkeit ein und widerruft sein Weltsystem. tfoio: Fritsch)

Laura Weidner erfüllt die un-dankbare Rolle der Virginiamit Leben und Holger Giebelist ein glaubwürdiger kleinerMönch. Ambitioniert lässt das'Ensemble das Brechtsche Ver-fremdungsdogma unbeachtetund macht aus dem Lehrstückmit der strengen Moral ein His-

torienspiel, das so die Bot-'schaft umso besser an dag Pub-likum bringen kann. Stehe zudeinen Erkenntnissen, wenn esaber harr auf hart kommt,schwöre lieber ab. Das Publi-kum war von dem etwas ent-staubten Klassiker zu Recht be-geistert.

Telefax: 069-87 87 60 28 * E-Mail: [email protected] * www.kon2ertdirektion-bentz.de

Page 6: Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das

Die Macht der SterneVon Elisabeth Einecke-Klövekorn

Bonn. "Es wird sich so für die Theater die Frage erheben, ob sie 'Leben des Galilei" als eine Tragödie oder als ein optimistisches Stück aufführen sollen", schrieb Bertolt Brecht kurz nach der Fertigstellung des Dramas 1939 im dänischen Exil.

Szene aus "Das Leben des Galilei". Foto: Kleines Theater

Die Nachricht von der ersten Atomkernspaltung 1938 durch den deutschen Chemiker Otto Hahn hatte den Anstoß gegeben für Brechts Auseinandersetzung mit der Rolle der Wissenschaft.

Hans Thoenies konzentriert sich in seiner Inszenierung von Brechts "Leben des Galilei" im Kleinen Theater auf den historischen Konflikt des Begründers der modernen Physik. Auf den Widerspruch zwischen unwiderlegbaren, durch Anschauung und Experiment gewonnenen Erkenntnissen und einer ideologisch fixierten Weltordnung.

Es geht um die Dialektik von Vernunft und Autorität und damit notwendig um einen gesellschaftlichen Umbruch. Ganz nebenbei auch um die Wahrheit als Ware. Galileo Galilei - exzellent verkörpert von Volker Weidlich - lebt gern gut und betreibt seine Forschungen aus sinnlicher Leidenschaft.

Die unbelesenen kleinen Leute, die schlicht ihrem gesunden Menschenverstand folgen, sind seine Freunde wie der Linsenschleifer Federzoni (Heiko Haynert), den er ausnutzt, um dem venezianischen Dogen (Rainer Hammermann, auch als halbblinder greiser Kardinal) das längst existierende Fernrohr als großartige eigene Erfindung zu verkaufen.

Thoenies hat Brechts langen Text auf gut zweieinhalb Stunden gestrafft und lässt die zwölf Szenen flott Revue passieren. Er zeigt ein Historiendrama, schnörkellos klar, sicher in der Personenführung, brillant in den spitzfindigen Dialogen. Stefan A. Schulz zitiert in seinem schönen Bühnenbild für die Auftritte im Vatikan Michelangelos "Jüngstes Gericht".

Prächtig anzuschauen sind die Kostüme von Kara Schutte. Große Auftritte hat Johannes Prill bis zur Pause als zynisch eleganter Universitätskurator Priuli, als florentinischer Hofphilosoph und als Pater Clavius, Astronom des Heiligen Offiziums in Rom. Frank Fenner ist Galileis treuer Gefährte Sagredo, Luna Metzroth trotzt als tüchtige Haushälterin Sarti sogar der Pest.

Laura Weider ist Galileis reizende Tochter Virginia, die von den väterlichen geistigen Höhenflügen nichts kapiert, aber den reichen adeligen Pferdenarren Ludovico (Ingo Heise) heiraten möchte.

Page 7: Gediegen und zeitgemäß inszeniert - johannes-prill.de · Mit Brechts „Galileo Galilei" begann die neue Theater-Saison im Homburger Saalbau Ständig im Zwist mit der Kir-che: Das

Galileo opfert ihr Lebensglück bedenkenlos, weil die Erde sich nun mal zweifelsfrei um die Sonne dreht und nicht Mittelpunkt des Universums ist.

Was das für die gläubigen Menschen bedeutet, die ihre Armut nur mit der Hoffung auf das Paradies ertragen, macht in einer anrührenden Szene der kleine Mönch (Holger Giebel) klar. Besser als Kardinal Barberini und Papst Urban VIII. (Karl-Heinz Dickmann) weiß freilich der verschlagene Inquisitionschef Bellarmin (Matthias Kiel), dass es vollkommen reicht, dem kühnen Sternenseher nur mal die irdischen Folterinstrumente zu zeigen.

Zum Entsetzen seiner Anhänger widerruft Galilei alles, was er weiß. Hat er"s getan, um heimlich weiter arbeiten zu können? Der junge Galilei-Schüler Andrea Sarti (Raphael Gosch) wird die Einsichten seines Meisters in Europa verbreiten.

Bis zum 30. September fast täglich auf dem Spielplan; Karten: 0228-362839

Artikel vom 07.09.2010