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    Gefangenen InfoC 10190 27.5.2008 Preis: 1,55 337

    Hervorgegangen aus demAngehrigen Info. Das

    Angehrigen Info entstand imHungerstreik der politischen

    Gefangenen 1989.

    Mehmet Esiyok soll

    ausgeliefert werdenSchweiz will Kurden soll trotz falschertrkischer Dokumente ausliefern

    Seit 28 Monaten sitzt Mehmet Esiyok,langjhriges Kadermitglied der PKK in derSchweiz, in Auslieferungshaft. Gem ei-nem neuen Urteil des Bundesgerichts soller trotz schwerwiegenden Fehlern im tr-kischen Auslieferungsantrag und den Ge-richtsdokumenten ausgeliefert werden. DieUnabhngigkeit des Lausanner Gerichts istin diesem international brisanten Fall nicht

    mehr gewhrleistet. Wir fordern die sofor-tige Freilassung Mehmet Esiyoks.Im Dezember 2005 kam Mehmet Esiyok

    in die Schweiz, um ein Asylgesuch zu stel-len. Er wurde am Flughafen sofort inhaf-

    tiert, da er von der Trkei durch Interpolgesucht wurde. Esiyok ist seit 1989 Mitglied

    der PKK und war 10 Jahre im Zentralko-mitee ttig. Trotz der eindeutigen politi-schen Verfolgung durch die Trkei hat dasBundesgericht im Januar 2006 eine Aus-lieferung bewilligt. Der zugrunde liegendeTatvorwurf ist ein angeblicher Auftrag zueinem Mord, der am 30. April 1994 ge-schehen sein soll. Voraussetzung fr die

    Auslieferung war die Garantie der Trkei,in diesem Fall internationale Verpflichtun-gen wie die Menschenrechtskonventioneinzuhalten und dies durch die Schweiz ineinem Monitoring berprfen zu lassen.Smtliche internationalen Menschen-

    rechtsorganisationen kritisieren dieses Vor-gehen scharf.Im Juli 2007 wurde ein Revisionsgesuch

    ans Bundesgericht gestellt, da inzwischenBeweise erbracht werden konnten, dass der

    einzige Belastungszeuge im Verfahren ge-gen Mehmet Esiyok seine Aussagen unter

    Folter gemacht hat. Gem der Antifolter-Konvention der UNO wre in diesem Falleine Auslieferung verboten. Das Bundesge-richt war nicht bereit, diese Vorwrfe ge-nauer untersuchen zu lassen.

    Zur Vorbereitung einer Beschwerde andas Komitee gegen Folter der UNO in Genf(CAT) wurden beim international aner-kannten Gutachter Helmut Oberdiek seineMeinung zu den vorhandenen Dokumen-ten eingeholt. Durch seine Arbeit mit dentrkischen Originaldokumenten sindschwerwiegende Fehler aufgedeckt.

    Widersprche zur Tatzeit:Fr die Tat, deretwegen Esiyok ausgeliefertwerden soll, sind an unterschiedlichen Stel-len zwei verschiedene Zeitpunkteangegeben, nmlich 30. April 94

    Interview mit Thomas und Lisa vom Komitee gegen 129, die den Prozess gegen fnf vermeintliche Mitgliederder DHKP-C (RevolutionreVolksbefreiungspartei-Front) in Stuttgart-Stammheim beobachten

    129b-Prozess soll Przedenzfall schaffenZur Zeit findet in Stuttgart Stammheim einProzess nach 129, 129a, 129b gegen ver-meintliche Mitglieder DHKP-C statt. Wasknnt ihr uns ber den Prozess berichten?

    Thomas:Also, der Prozess luft seit dem17. Mrz und richtet sich gegen A. Dzgn

    Yksel, Devrim Gler, Hasan Subasi, IlhanDemirtas und Mustafa Atalay, denen vor-geworfen wird, Mitglieder der in der BRD

    verbotenen DHKP-C zu sein. Die DHKP-Cist eine marxistisch-leninistische Partei. Sieist 1994 aus der Dev-Sol hervorgegangenund wurde 1998 in der BRD verboten.Knapp 4 Jahre spter wurde sie auf die US-und EU-Terrorliste gesetzt.

    Die meisten der Angeklagten wurden be-reits whrend der bundesweiten Repressi-onswelle gegen die DHKP-C im November2006 verhaftet, bei der dutzende Wohnun-gen und Vereinsrume durchsucht wurden.Besonders hervorzuheben ist die Situation

    von Mustafa Atalay, der nur 3 Wochen nacheiner Bypassoperation in einer Rehaklinik

    verhaftet wurde und danach in Isolations-haft gesteckt wurde.

    Lisa: Ganz konkret wird den Angeklag-ten neben etlichen anderen eben die Para-graphen 129, 129a und 129b vorgeworfen.Dazu gehrt, dass ihnen vorgeworfen wird,

    Waffen in die Trkei geschmuggelt undGeld fr die Partei gesammelt zu haben.Teilweise wird ihnen auch die Organisati-on von verschiedenen politischen Schu-lungen und Aktivitten vorgeworfen. Wasman noch zur Anklage sagen kann ist, dass

    sie grtenteils auf Aussagen eines Doppe-lagenten des MIT, also des trkischen Ge-heimdienstes, und des BNDs beruhen. Die-ser Doppelagent sa sogar wegen Geheim-dienstttigkeiten in der BRD im Gefngnis.Generell werden den Angeklagten aber nur

    Aktionen in der Trkei und nicht in der BRDvorgeworfen.

    Wie luft denn der Prozess ab und wieschtzt ihr die aktuelle Situation ein?

    Lisa:Na ja, also, der Prozess verluft rechtschleppend, was eben auch durch den Ge-sundheitszustand von Mustafa Atalay, derwieder unter erhhtem Herzinfarktrisiko

    leidet, bedingt ist. Es gibt viele Unterbre-chungen, und einige Prozesstage musstenschon mehrmals unterbrochen werden.

    Die allgemeinen Bedingungen des Pro-zesses sind ziemlich spektakulr. Also nichtnur deshalb, weil der Prozess in dem Pro-zessgebude von Stuttgart-Stammheimstattfindet, in dem bekanntlich auch dieProzesse gegen die RAF stattfanden undwelcher danach eigentlich abgerissen wer-den sollte. Kurz vor dem 17. Mrz wurdespeziell fr diesen Prozess der Senat zu-sammengestellt und mit Personen besetzt,die mit der Materie berhaupt nicht ver-traut waren, und ein Sondergericht fr denProzess installiert.

    Thomas:Wenn du den Prozess beobach-test, wird dir sofort klar, dass das Ganze einpolitischer Prozess ist. Die Meinung des Ge-richts scheint schon vorgefertigt zu sein. Sowerden widersprchliche Aussagen vonBKA-Beamten vom Gericht nichtmal richtig wahrgenommen. Die Er-

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    klrungen der Angeklagten werden unter-brochen und die Arbeit der Anwlte er-schwert, in dem sie z.B. nicht neben ihrenMandanten sitzen drfen und die bersetz-ten Akten erst versptet und mit Fehlern inder bersetzung von der Bundesanwalt-schaft bekommen haben bzw. nur die tr-kischen Akten bekommen haben. Viele An-

    klagepunkte basieren auf trkischen Akten,obwohl bekannt ist, dass Folter in der Tr-kei eine gngige Praxis ist und dass Aus-sagen unter Folter erzwungen werden.

    Von dem ganzen Prozess dringt nur wenigan die ffentlichkeit. Woran liegt das eurerMeinung nach?

    Lisa: Das hat viele Grnde. Jede Person, diezum Prozess mchte, wird durchsucht undmit weiteren Schikanen genervt. Dazu kommtnoch, dass es verboten ist, Zettel und Stift mitin die Verhandlung zu nehmen. Das erschwertes natrlich enorm, sachlich ber den Pro-

    zess zu berichten. Nur der Presse ist es ge-stattet, Schreibutensilien mit in die Verhand-lung zu nehmen. Dazu kommt noch, dass diebrgerlichen Medien kein Interesse an demProzess haben und zum Prozess nur akkredi-tierte Journalisten zugelassen sind.

    Thomas: Ein weiterer wichtiger Punkt ist,dass es in der deutschen Linken nur wenigInteresse an dem Prozess gibt und der Lin-ken die wirkliche Bedeutung des Prozesseseben nicht bewusst ist.

    Was ist denn eurer Ansicht nach die Trag-weite des Prozesses?

    Thomas:Also, das Offensichtlichste ist ja,dass unter dem Deckmantel des Kampfes ge-

    gen den Terror vermehrt fortschrittliche undrevolutionre Organisationen bzw. Personenkriminalisiert werden. Dafr ist der Prozess

    ja nur ein Beispiel von vielen. Allerdings istder momentane Prozess in Stuttgart-Stamm-heim der erste groe Prozess nach 129b ge-gen die linke migrantische Bewegung in derBRD, und es wird beabsichtigt, einen Prze-denzfall zu schaffen. Als Mastab gelten diesog. Schwarzen Listen, also die Anti-Ter-ror-Listen der USA und der EU.

    Lisa: Kommt es zu einer Verurteilung, istder Weg fr die BRD und die Bundesan-waltschaft geebnet, weitere migrantische

    Organisationen nach 129b zu kriminali-sieren. Das Ganze hat auch eine interna-tionale Dimension und muss eben im Kon-text mit den Anti-Terror-Gesetzen gesehenwerden. In einigen EU Mitgliedsstaaten gibtes hnliche Paragraphen und werden teil-

    weise auch schon angewendet, z.B. wurdenin Italien ebenfalls zwei vermeintliche Mit-glieder der DHKP-C zu 5 bzw. 7 Jahren Haft

    verurteilt. Denkt man dieses Szenario malweiter, dann ist der Weg geebnet fr die Kri-minalisierung jeglicher internationalisti-scher Arbeit und der internationalen Soli-daritt.

    Wie sieht denn eure Soliarbeit zu dem Ver-

    fahren aus?Thomas:Der Prozess wird regelmig be-obachtet und wir versuchen, auf verschie-denen Wegen ffentlichkeit fr das Ver-fahren zu schaffen, was sich als recht kom-pliziert herausgestellt hat. Wir versuchen,

    viel Untersttzung aus den verschiedenstenRichtungen fr die Soliarbeit zu bekommenund versuchen einerseits, die Soliarbeit aufeine breite Basis zu stellen, und anderer-seits, den politischen Aspekt verstrkt zuthematisieren.

    Lisa: Konkret geplant ist am 5. Juli inStuttgart eine Antirepressionsdemo, die als

    Schwerpunkt den Prozess und die Paragra-phen 129, 129a und 129b haben wird. Da-

    vor wird es eine bundesweite Infotour ge-ben, bei der in verschiedenen Stdten berdas Verfahren und die politische Bedeutunginformiert werden wird.

    und 30. Juli 94. Eine Auslieferung fr eineTat, deren Zeitpunkt nicht geklrt ist, wregrundstzlich abzulehnen. Weder kann der

    Angeklagte einen Alibibeweis erbringen,noch kann die Frage der Verjhrung geklrtwerden.

    Fehlende VerfahrensaktenLaut Akten scheint es mehrere Verfahrenwegen dieser Tat zu geben. Fr das von derTrkei im Auslieferungsgesuch erwhnte

    Verfahren wurden jedoch nie Akten an dieSchweiz geschickt.

    Gezielte Fehler in deutscher bersetzungGenau diese Fehler in den Originalaktenwurden in der deutschen bersetzung, wel-

    che die Trkei geliefert hat, ausgelassen. Dasich die Anwlte Esiyoks (und wahrschein-lich auch das Bundsamt fr Justiz) auf diebeglaubigte deutsche bersetzung sttzten,blieben diese Fehler unbemerkt.

    Zweiter Revisionsantrag ans BundesgerichtAufgrund dieser neuen Erkenntnisse stell-te der Rechtsanwalt von Mehmet Esiyok am17. Februar 2008 ein erneutes Gesuch umRevision des Auslieferungsurteils vom Ja-nuar 2007. Parallel zu Entscheiden in hn-lichen Fllen wre eine Auslieferung auf-grund dieser Fehler in den trkischen Ak-

    ten klar abzulehnen.

    Entscheid des BundesgerichtsMit Urteil vom 22. April lehnt das Bunds-gericht eine Revision der Auslieferung ab.

    Das Gericht behauptet in seinen Aus-fhrungen, dass ihm die Mngel in den Ak-ten schon bekannt waren, als sie den erstenEntscheid fllten. Fr das Bundesgericht istim Fall Esiyok schlicht unwichtig, was die

    Trkei genau an Akten geschickt hat undwann er angeblich welches Verbrechen be-gangen haben soll. Auch die falsche ber-setzung wird grozgig verziehen. Mit die-ser Meinung wrde man an der Prfung frdas Anwaltspatent glatt durchfallen. BeimBundesgericht stellt sich jedoch eine ganzandere Frage:

    Sind sie nicht fhig, dem offensichtlichenpolitischen Druck zu widerstehen, oder ein-fach zu selbstgerecht, einen frheren Feh-ler einzugestehen?

    Bundesamt fr Justiz verletzt Sorgfalts-

    pflichtAuch die Stellungnahme des Bundesam-tes fr Justiz, das eigentlich die Vorausset-zungen fr Auslieferungen prfen sollte,zeugt mehr von Zynismus als von Profes-

    sionalitt: Die falsche bersetzung ist ih-nen egal, die Widersprche in den Aktenebenfalls. Eine Frechheit sondergleichen istihr Standpunkt, dass Esiyok diese Einwn-de schon 2006 htte geltend machen ms-sen. Nachdem also ein Flchtling am Flug-hafen verhaftet wurde und ihm smtlicheBarmittel abgenommen wurden, sollte er

    von sich aus eine bersetzung der trki-schen Akten bezahlen.

    Dass genau dieses Amt nach einer allfl-ligen Auslieferung die Einhaltung der trki-schen Garantien berwachen soll, kann nurnoch als tragischer Witz aufgefasst werden.

    Weiteres Vorgehen der AnwlteDa Mehmet Esiyok erst ausgeliefert wer-

    den kann, wenn sein Asylgesuch abgelehntwurde, wird er weiterhin in Auslieferungs-

    haft bleiben. Der Entscheid des Bundesam-tes fr Migration wird in den nchsten Wo-chen erwartet.

    Nachdem im Auslieferungsverfahren dieRechtsmittel in der Schweiz ausgeschpftsind, wird der Fall demnchst an ein inter-nationales Gremium weitergezogen. Daswird das erste tatschlich unabhngigeGremium sein, das in dieser Sache ent-scheidet.

    Die Menschenrechtsgruppe augenauffordert weiterhin: ie sofortige Freilassung Mehmet Esiyoks. Keine Auslieferungen an Folterstaaten

    Die Beachtung von Flchtlingskonventi-on, EMRK und Antifolter-KonventionFr Rckfragen:Gruppe augenauf, Postfach 8026 ZrichMail [email protected]

    129b-Prozess ...

    Mehmet Esiyok ...

    Bild von 2007

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    In den aktuellen Ermittlungen der bundes-deutschen Ermittlungsbehrden gegen linke

    AktivistInnen und Zusammenhnge wird auf

    den Paragraphen 129a zurckgegriffen, derin den 1970er Jahren als Repressionsinstru-ment gegen die RAF entwickelt wurde. Straf-rechtlich verfolgt werden knnen damit nichtnur konkrete Straftaten, son-dern auch die Mitgliedschaftin und die Untersttzung vonso genannten terroristischen

    Vereinigungen. Kritische Ju-ristInnen nennen dies Vor-

    verlagerung der Straffllig-keit, denn die Ermittlungenrichten sich nicht nur auf die

    Aufklrung von Brandan-

    schlgen und Attentaten, son-dern vor allem auf die Erkun-dungen von tatschlichen und

    vermuteten Zugehrigkeitenzu tatschlich und vermutetenterroristischen Vereinigun-gen. In der Praxis wurden dieentsprechenden Ermittlungen

    vor allem genutzt, um linkeMilieus auszuleuchten.

    So wurden allein im ver-gangen Jahr vier Ermittlungs-

    verfahren gegen linke Grup-pen bekannt. Am 9. Maidurchsuchten Beamte des Bundeskriminal-amtes Wohnungen und Arbeitssttten von 18G8-GegnerInnen, denen vorgeworfen wurde,eine militante Kampagne gegen den Welt-wirtschaftsgipfel vorzubereiten. Auch wur-den am selben Tag vier Wohnungen von Be-schuldigten durchsucht, gegen die seit 2001erfolglos, wegen der angeblichen Mitglied-schaft in der militanten gruppe (mg), ermit-telt wird. Am 13. und 19. Juni folgten Raz-zien bei elf jungen AntifaschistInnen, denen

    verschiedene Anschlge gegen Militrein-richtungen und Rstungsfirmen vorgewor-

    fen wurden/werden.In der Nacht zum 31. Juli wurden drei Mn-ner festgenommen, nachdem sie von einemObservationsteam beim Versuch der Brand-stiftung an mehreren Bundeswehrfahrzeugenauf einem Firmengelnde in Brandenburg be-obachtet worden sein sollen. Am folgendenMorgen wurden die Wohnungen und Ar-beitspltze von uns und drei weiteren Mn-nern durchsucht, Andrej wurde festgenom-men. Der Vorwurf gegen alle sieben Festge-nommenen: Mitgliedschaft in der terroristi-schen Vereinigung militante gruppe (mg)(nicht die vier mg-Beschuldigten, bei denen

    am 9. Mai die Razzien stattfanden). Die ein-zige Verbindung zu den drei in BrandenburgFestgenommenen und den vier anderen, soll- so die Ermittlungsakten - in zwei angeblichkonspirativen Treffen zwischen zwei Be-

    schuldigten im Frhjahr 2007 bestehen. Ganztypisch fr 129a-Ermittlungen - aber sehrzur berraschung der Beschuldigten - stell-

    te sich bei der Lektre der Durchsuchungs-beschlsse und Haftbefehle heraus, dass dieErmittlungen gegen die vier ursprnglich Be-schuldigten - denen keine Brandstiftung vor-

    geworfen wird - bereits seit fast einem Jahrliefen, nmlich seit September 2006. Fast al-le arbeiten als Wissenschaftler oder sind alsPublizisten ttig. Die Verdachtsmomente derBundesanwaltschaft lesen sich abenteuerlichund haben auch international einen Sturmder Emprung ausgelst: Die Beschuldigtenhaben Kontakte in die linke Szene und be-teiligen sich an Mobilisierungen, wie etwagegen den G8-Gipfel in Heiligendamm; sie

    verfgen ber die intellektuellen Fhigkeiten,vergleichsweise anspruchsvolle Texte zu for-mulieren; sie haben als Wissenschaftler die

    Gelegenheit, unauffllig in Bibliotheken zurecherchieren, und sie benutzen in ihren Tex-ten so auffllige Begriffe wie Gentrificati-on, Prekarisierung, drakonisch, Be-zugsrahmen und politische Praxis.

    Ermittlungen per InternetAusgangspunkt der Ermittlungen - so geht esjedenfalls aus den Ermittlungsakten hervor -soll eine Internetrecherche gewesen sein. Da-bei seien den BeamtInnen Begriffe aufgefal-len, die auch in den Bekennerschreiben dermg benutzt wurden. Zudem fielen den Er-mittlerInnen in einem Artikel ber die UK

    (Kosovarische Befreiungsarmee) die vielenmilitrischen Begriffe auf. Und das, obwohldoch in linken Texten eine militaristischeSprache sonst eher verpnt sei - auer ebenbei der mg. Auch die Personenprofile der vier

    ursprnglich Beschuldigten speisen sich inerster Linie aus der Auswertung netzgebun-dener Informationen. So wurden Publikati-

    onslisten und Selbstbeschreibungen auf denSeiten der Institute und Universitten ausge-wertet, aber auch Veranstaltungsankndi-gungen, Vortrge und verffentlichte Texte.

    Die berwachung von E-Mail-Kommunikation gehrt mittler-weile zum Ermittlungsstandard.Gegen alle Beschuldigten ge-nehmigte der Ermittlungsrichterdie berwachung aller Kommu-nikationsmittel. Festnetztelefo-ne zu Hause und im Bro, Han-dys, E-Mail-Adressen und auchdie Registrierung aller Internet-

    logins wurden eingesetzt, um einmglichst umfassendes Gesamt-bild der Beschuldigten und ihrerKontakte zu gewinnen. Wie undmit welchen Programmen dieelektronischen Informationenausgewertet wurden, geht ausden Akten nicht hervor, jedochgibt ein so genanntes Profil frmgliche mg-Mitglieder An-haltspunkte fr den Ermitt-lungsansatz. Ins Profil desBundskriminalamtes (BKA) pas-sen dabei alle, die folgende Kri-

    terien erfllen: enge soziale Bindungen innerhalb der

    Gruppe ein auergewhnliches politisches und

    historisches Wissen die Fhigkeit, wissenschaftlich/analy-

    tisch zu arbeiten und komplexe Texte zuerstellen

    Zugriffsmglichkeiten auf umfangreichepolitische und historische Literatur undTagespresse (FAZ bis Jungle World)

    es sollen keine polizeilichen Erkennt-nisse vorliegen, und die verdchtigten

    Personen sollen weder als klassische Au-tonomen noch als klassische Antiimpseinzuordnen sein.Ob und wie diese Kriterien in den Er-

    mittlungen tatschlich Anwendung fan-den, geht aus den bisher vorliegenden Er-mittlungsakten nicht hervor - doch insbe-sondere der offensichtlich praktizierteSammeleifer von Netzeintrgen, Publika-tionen und Kommunikationsdaten legt ei-nen rechnergesttzten Auswertungsmodusnahe. Insbesondere Telefonate und E-Mailswerden in Anti-Terrorermittlungen nichtnur nach ihren Inhalten, sondern vor allem

    nach Kommunikationsstrukturen ausge-wertet. Dabei geht es weniger darum, wor-ber am Telefon gesprochen oder was in E-Mails geschrieben wird, als vielmehr um dieFragen, wer wann wie lange und wie oft

    Terrorermittlungen und Internet.Verdachtsmomente und Gegenstrategien

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    mit wem Kontakt hat. Ebenfalls ausgewer-tet werden die jeweiligen Aufenthaltsorteder Mobiltelefone, die stndlich mit so ge-nannten stillen SMS geortet werden. Da-bei werden die Telefone fr die Benutze-rInnen unbemerkt zu einer Verbindungs-aufnahme mit dem nchstgelegenen Funk-masten gezwungen, so dass der Standortdes Telefons rund um die Uhr rekonstruiertwerden kann. Auerdem wurde aus den Ak-

    ten bekannt, dass das BKA auf der eigenenHomepage eine Fangschaltung (Honey-pot) fr alle BesucherInnen einrichtete, diesich auf der Website des BKA ber die mi-litante gruppe (mg) informieren wollten.

    Allein zwischen dem 28. Mrz und dem 18.April 2007 wurden ber 400 IP-Adressenfestgestellt, deren Identitt fr weitere Er-mittlungen berprft werden sollten. Inter-netrecherchen und Datenauswertungensind wesentliche Bestandteile in Anti-Ter-ror-Ermittlungen. Die Visionen der gl-sernen BrgerInnen erscheinen im Zu-sammenhang mit solchen Ermittlungen

    lngst Realitt. Kaum ein Detail der Le-bensfhrung, das nicht erfasst und ausge-wertet wird. Die BrgerInnenrechte schei-nen zu enden, wo der Terrorverdacht be-ginnt.

    Websites und Internet-Blogs gegenden berwachungsstaatDoch Computer und Internet sind lngst auchzu Instrumenten gegen die zunehmendeberwachung geworden. Allein rund um die

    vier aktuellen 129(a)- Verfahren gegen lin-ke Gruppen und Strukturen in Deutschlandgibt es zwei Websites und sechs Internetblogs- nicht mitgerechnet die dutzenden Internet-seiten, die sich am Rande ihres Themenspek-trums mit Anti-Terror-Ermittlungen be-schftigen. Whrend ein Groteil dieser In-ternetprojekte sich an den klassischen Zieleneiner Gegenffentlichkeit orientiert und die

    jeweiligen Verfahren in ihrem Verlauf aus derPerspektive der Betroffenen dokumentiert,

    versucht annalist, der Blog von Anne, die Auswirkungen eines Terrorismusverfahrensim Alltag aus der Perspektive der Freundineines Beschuldigten zu beschreiben.

    Zwei Monate nach den Festnahmen im Ju-

    li begann ich, vor allem die mehr oder weni-ger offensichtlichen Folgen von berwa-chung aufzuschreiben. Die Entscheidung,mitten in einer Ermittlung wegen eines soschweren Vorwurfs damit anzufangen, mei-ne Beobachtungen ffentlich zu machen, warnicht leicht. Ob und wie die Behrden daraufreagieren wrden, war nicht vorhersehbar -einen solchen Blog gab es bisher nicht. ber-wachung bedeutet einen massiven Eingriff indie Privatsphre der Betroffenen. Bloggendagegen steht in der Regel dafr, zumindestTeile des Privatlebens einer anonymen f-fentlichkeit zugnglich zu machen, und da-

    mit stellt sich die Frage, ob es nicht sehr wi-dersprchlich ist, ausgerechnet mit einemBlog gegen berwachung zu protestieren?

    Der Blog hat sich erst mit der Zeit zu ei-nem viel beachteten Forum zu verschiedenen

    Fragen rund um den allgegenwrtigen Krieggegen Terror entwickelt. Anfangs diente erweniger ehrgeizigen Zielen. Pltzlich zu er-fahren, dass der eigene Partner verdchtigtwird, Terrorist zu sein; am frhen Morgen inder eigenen Wohnung Zeugin seiner bewaff-neten Festnahme zu sein und allein vor der

    Aufgabe zu stehen, dies den Kindern, der Fa-milie, FreundInnen und Bekannten erklrenzu mssen, verndert das Leben radikal. Es

    bedeutet auch zu realisieren, dass berwa-chung seit Monaten stattfindet: Dass das Te-lefon abgehrt, die Post gelesen, der Hau-seingang von einer Videokamera gefilmt und

    jeder Schritt beobachtet wird. Es bedeutet,sich zu vergegenwrtigen, dass jeder Kontaktzu anderen fr diese womglich bedeutet,daraufhin auch von der Polizei beobachtet zuwerden. ber all dies bloggen zu knnen, istdie Gelegenheit, einige Fliegen mit einerKlappe zu schlagen: so haben viele die Mglichkeit, direkt zu

    erfahren, wie sich solche Ermittlungen aufdie Betroffenen auswirken und wie offen

    und/oder dilettantisch sie gelegentlich ge-fhrt werden

    erst mit dem Web 2.0 ist es mglich ge-worden, diese Informationen ohne etwaden Filter der Journalistenperspektive oderZeitungsredaktionen zu verffentlichenund damit viele LeserInnen zu erreichen:Gerade auch diejenigen, die normalerwei-se wenig Kontakt zu klassischen linken Pu-blikationen haben und sich noch wenigermit Folgen staatlicher Repression beschf-tigen

    es ist eine wirksame Gegenmethode, umsich nicht aus Angst vor weiterer Repres-sion gegen sich und andere vllig zu iso-lieren oder gar paranoid zu werden.Im weiterhin laufenden Verfahren gegen

    die sieben Beschuldigten, dem so genanntenBerliner mg-Verfahren hat es sich als erfolg-reich erwiesen, den Zirkel zu schlieen, dermit Recherche im Internet begann. Auch dieffentlichkeitsarbeit der Solidarittskampa-gne Bndnis fr die Einstellung der 129(a)-

    Verfahren nutzt das Internet, um eine in die-sem Fall breite und interessierte ffentlich-keit ber das absurde Innenleben der Terror-bekmpfung zu informieren. Der Blog anna-

    list geht in dieselbe Richtung und erreicht -das lsst sich aus den zahlreichen Reaktio-nen erkennen - ein Publikum, das mehrheit-lich entsetzt ist, wenn es erfhrt, wie in ei-nem vorgeblich demokratischen Rechtsstaatber das Vehikel Terrorbekmpfung Grund-und Brgerrechte ausgehebelt werden.

    Einstellung So36annalist Blog

    Andrej Holm Soziologe und linker Aktivist,wei seit seiner Festnahme im Juli 2007von der gegen ihn gerichteten Terrorismus-Ermittlung.

    Anne Roth Politologin, arbeitet als freie

    Journalistin und bersetzerin. Bloggt seitletztem Herbst ber den Alltag mit Terro-rismus-berwachung.Kulturrisse 0108 Innere Sicherheit 2.0 /

    Andrej Holm und Anne Roth, 15.05.2008

    Berlin

    150 Leute aufKnastkundgebung

    Am 8. Mai wurde die in Berlin inhaftierteAntifaschistin Andrea 40 Jahre alt. Aus die-sem Grund und auerdem aufgrund des 63.Jahrestages des Tages der Befreiung fand ei-

    ne Kundgebung vor der JVA Pankow im Nor-den Berlins statt.Bei Sonnenschein und mit bester Laune ka-

    men ber 150 Menschen, um die Existenz dergrauen Mauern wenigstens fr ein paar we-nige Stunden zu berwinden und um solida-rische Gre an alle Gefangenen zu richten.Es wurden Redebeitrge u.a. zu Andreas Si-tuation, zur Geschichte des Knastes, in demsie inhaftiert ist, und zur grundstzlichen Kri-tik des Wegsperrens gehalten. Als musikali-sche Unterhaltung traten die Breakbeatpun-ker von Guts Pie Earshot und der HipHoperRefpolk und DJ KaiKani auf und heizten al-

    len krftig ein.Ein Transparent mit der Aufschrift Frei-

    heit fr alle Gefangenen, welches an Luft-ballons in die Hhe gezogen werden sollte,erwies sich als zu schwer, weshalb nur derSchriftzug Freiheit in die Lfte aufstieg. Einbermotivierter Polizist versuchte die auf-steigenden Ballons durch einen elegantenSprung in die Hhe wieder auf den Boden zuholen, was ihm aber unter dem Gelchter derKundgebungsteilnehmerInnen nicht gelang.

    Begleitet wurde die Kundgebung von ei-nem massiven B.aufgebot, welches auch Vor-kontrollen durchfhrte und dabei veranlas-ste, dass eine Person mit Stahlkappenschuhenicht teilnehmen durfte und eine weitere Per-son ohne Angabe von Grnden in einen derBullentransporter gefhrt wurde. Daraufhinbildete sich eine Traube von Kundgebungs-teilnehmerInnen um das Fahrzeug herum undforderte die sofortige Freilassung der gefan-gen gehaltenen Person. Die eingesetztenStaatsdiener reagierten in der Form, dass siemit der Wanne wegfuhren - daraufhin wur-de ein Anwalt informiert, welcher sich derSache annahm. Die Kundgebung fand damitein etwas abruptes Ende, da nach dieser Ak-

    tion die Stimmung kaputt war.Viele fuhren im Anschluss in den Sdostenvon Berlin, in den Bezirk Neuklln zu einergleichzeitig stattfindenden antifaschisti-schen Kundgebung gegen eine Neonaziver-anstaltung zum 8. Mai.Aufgrund der Zeitverschiebung gab es be-

    reits mehrere Stunden frher eine Kundge-bung vor der deutschen Botschaft in Wel-lington in Neuseeland, bei der Transparentegezeigt wurden sowie ein Geburtstagsstn-dchen gesungen wurde. Weitere Infos dazu:linkSchreibt Briefe und Karten an Andrea:

    Andrea Neff, JVA fr FrauenArkonastr. 56, 13189 BerlinVeranstaltet Soliparties usw. und spendet:

    Rote HilfeKonto: 7189 590 600

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    BLZ: 100 200 00Berliner Bank

    Verwendungszweck: Soli Andreahttp://www.freeandrea.de.vu

    Andrea schreibt dazu:

    Von der Kundgebung habe ich leider sehrwenig mitbekommen, da ich auf der Stati-

    on ohne Fenster noch auen bleiben mu-te, aber die anderen haben mir erzhlt, esgab ja auch Wunschmusik fr alle, waswohl ganz mit schwarz und roten Luftbal-lons und am Ende ein Transparent mitFreiheit fr alle, das aber schon mit Frei-heit alleine abhob mit den Gasballons -reicht ja auch!

    Die Schlieer sagten auf Nachfrage, wie-so ich nicht ans Fenster gucken durfte: Sieknnten ja auch nichts machen, es kme

    von oben! Und spter: Sie befrchtetenes wrde drauen eskaliern oder die Ge-fangenen durchdrehen...!

    Es kamen wohl 150 Leute da, leider warin Neuklln eine Nazisveranstaltung in ei-ner Behindertenwerkstatt, die der Bezirk derNPD zugewiesen hatte, das natrlich wich-tiger, noch dazu am 8. Mai da prsent zusein ...

    Andrea zu den Knastbedingungen inBerlin-Pankow(aus einem Brief vom Mai 2008)

    Hier herrscht noch der Geist, die Gefan-genen durch Isolation, Verbldung und

    Entmndigung zur Reue und anschlieen-dem glcklichen Leben ohne Straftaten zufhren. Vielleicht wird das durch die Ge-schichte der Gemuer, ein ehemaliges Klo-ster, verstrkt, ganz in jenem Sinne und dieeinzigen Bcher, auf fast allen Sprachenund gengend Exemplaren, die Bibel. An-sonsten sind Wrterbcher, andere religi-se Werke, Koran, etc. Fehlanzeige.

    Meine spezielle Situation ist so, dass diePost zum Teil erst zum Sicherheitsbeauf-tragten in der JVA Lichtenberg zwecksDurchsicht gesendet wird und mir dann un-ter Umstnden nach Wochen ausgehndigt

    wird.Da ich die Zwangsarbeit verweigere, wirdmir jegliche finanzielle Zuwendung an Ta-schengeld/Geld von auen fr Einkauf ver-weigert. Allen Strafgefangenen ist es nicht

    mglich, Geld von auen fr Einkauf zukriegen, auer Hygieneartikel, Briefmar-ken, Telefon.Viele Gefangene wrden lieber Therapie

    statt Strafe machen, die Anstalt sagt, hiergbe es auch die Mglichkeit dazu, die sieht

    dann so aus: 1 Stunde wchent-lich bei der Hauspsychologin,die vllig unengagiert sich dieSachen anhrt, aber weder bei

    Selbstzerstrungen noch beiSucht- /Gewaltproblematikenprofessionell interveniert. Daswrde ja anstrengend werden.So werden die Leute mit Psy-chopharmka bzw. Schlafmittelnruhig gestellt und abhngig ge-macht. Schmerztabletten wieBonbons ausgeteilt, damit esnicht anstrengend wird. Etwaauch fr die Sozialarbeiterin,denn dann mssten ja Therapie-

    pltze fr die Leute organisiert werden etc.Nur in extremen Fllen werden die Inhaf-

    tierten vorzeitig entlassen, oder besser ge-sagt an die nchste Zwangsanstalt weiter-gereicht - Psychiatrie -, weil das am ein-fachsten zu organisieren ist - Transporteranfordern und schon ist der Fall erledigt.

    Die erste Vollzugsplankonferenz fr michim April beschloss: Abstellung auf End-strafe keine weiteren Planungen. (Zitat)

    Die verweigerte Mitarbeit wird negativvermerkt (keine Abgabe eines Lebenslaufsund TatErklrung), zitiert wird aus einemUrteil aus Bayern, indem ich als Berufs-demonstrantin bezeichnet werde, darausfolgend sei die Sozial-/ Legalprognose aus-gesprochen negativ. In der mndlichenErrterung gab die Sozialarbeiterin zu, dasssie Probleme hatte zu argumentieren, da siekeine Informationen hatte. Die haben dannin Urteilen gesucht, aber auch so gut wienichts gefunden.Was man hier sehr gut beobachten kann,

    ist, dass die B. etc. auf Informationen an-gewiesen sind, und je weniger sie kriegen,desto besser fr uns. Hier haben sich vieledurch ehrliche, naive Lebenslufe, siesollen ausfhrlich 4 Seiten Minimum seinmit besonderem Kapitel: Wie kam es zu

    Tat - selbst in fr sie negative Sozial- /Le-galprognose reingeschrieben, dadurch dasssie etwa Alkohol-/ Drogenproblematik,schwierige Kindheit erwhnten, wo-durch sie dann flugs zur kriminellen Per-snlichkeit abgestempelt wurden, die nichtanders kann als straffllig werden.

    Berlin

    Besetzung des Par-teibros der Grnen

    Am 25.4.08 wurde das Parteibro der Gr-nen Kreuzberg in der Dresdner Strae voneinigen Aktivist_innen besetzt. Ziel war es,die Grnen endlich dazu zu bewegen, die

    Forderung nach der 2/3-Verbung fr dieinhaftierten Antifas Christian S. und And-rea N. zu untersttzen.

    Die beiden politischen Gefangenen Chri-stian S. und Andrea N. sitzen schon viel zulange im Knast, weswegen sie nun nach 2/3der Haftzeit entlassen werden sollen. DerGesetzgeber sieht die 2/3-Lsung als Re-gelfall vor; die Restzeit wird dann zur Be-whrung ausgesetzt. In Berlin allerdingswird dieser Regelfall so gut wie nie ange-wendet: Im Bundesvergleich landet Berlinauf dem letzten Platz, sogar hinter Bayern- und das, obwohl stndig die berbele-

    gung der Knste beklagt wird.Die Grnen sprechen sich ausdrcklich

    fr die Anwendung der 2/3-Lsung aus. Umzu sehen, wie ernst sie es damit meinen,wurde daher am Freitag Nachmittag dasBro whrend der Sprechstunde von DirkBehrendt besetzt - einem Abgeordneten imBerliner Rathaus und gleichzeitig Richter.

    berrascht von dem Besuch mit zweiTranspis zeigte er sich interessiert undnahm sogleich die untenstehende Petitionentgegen.Von dem Fax des Bros wurden dann so-

    gleich die untenstehende Pressemitteilungan die verschiedensten Berliner Tageszei-tungen verschickt.

    PetitionSehr geehrte Damen und Herren,

    hiermit wende ich mich als Ehefrau vonChristian S. an Sie.

    Mein Ehemann wurde zu insgesamt 57Monaten Haft verurteilt, wegen Landfrie-densbruch bei zwei verschiedenen antifa-schistischen Demonstrationen, und einer

    Anwesenheit bei einer dritten Demonstra-tion. Dafr ist er 11 Monate in U-Haft ge-

    blieben und wurde letztendlich von demVorwurf freigesprochen. Seine Haftentlas-sung war am 29. September 2010 geplant,sein Hafteintritt war am 14. Juni 2007. Mitt-lerweile stellt sich die Situation so dar, dassmein Mann wegen dieses Freispruches 11Monate - die er zu unrecht inhaftiert war -auf seine Strafe angerechnet bekommenhat. Er wrde somit am 13. November 2009entlassen werden. Allerdings wurden ihmnicht die ganzen elf Monate angerechnet,sondern 2 Wochen weniger. Ein Grunddafr ist bisher nicht genannt worden.

    Entschieden wurde das berraschender-

    weise von der Strafvollstreckungskammerund nicht vom Gnadenausschuss, der ei-gentlich mit der Prfung beauftragt wor-den war. Leider fehlt es bis heute an einemaktuellen Vollzugsplan fr Christian S., auf

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    dessen Grundlage eine Entlassung nach 2/3der Haftzeit geprft werden knnte. Die ur-sprnglichen 3 Jahre Haftzeit kamen zu-stande wegen eines angeblichen Flaschen-wurfs, wegen welchem er 11 Monate in U-Haft sa. (Entgegen der vorgeschrieben 6Monate Minimum von Untersuchungshaft.) In zweiter Instanz wurde er von diesem

    Vorwurf freigesprochen. Jedoch musste er,um aus der U-Haft rauszukommen, und sei-

    ne Therapie anzufangen, welche ihmwhrend der U-Haft verweigert wurde, sei-ne Berufung in einem anderen Verfahrenzurcknehmen - ein so genannter Deal,der aber durch seinen Gesundheitszustand

    vielmehr erpresst wurde. Ich kann unterdiesen Umstnden eine Vollverbungnicht nachvollziehen. Ich wei, dass in Ber-lin die 2/3-Regelung bundesweit am we-nigsten angewendet wird, obwohl es derRegelfall sein sollte.

    Entsprechend den von mir gemachten Er-fahrungen, was den Strafvollzug meinesEhemannes angeht, mchte ich gerne schon

    vor mglicherweise pltzlich im Raum ste-henden Entscheidungen oder Beschlssenauf einen neuen Vollzugsplan drngen, derauf eine 2/3-Verbung seiner Haftstrafeabzielt. In dem alten Vollzugsplan, welchernoch eine Vollverbung vorzieht, findensich sachliche Fehler. Die Verfahren, in de-nen er freigesprochen worden ist oder diemangels Tatverdacht eingestellt wordensind, finden dort keine Erwhnung. Auer-dem sind die besonders schlechten Haftbe-dingungen zu erwhnen. Dazu zhlen stn-dige (im Vergleich zu anderen Gefangenweitaus hufigere) Urinkontrollen und dienicht stattfindende oder unregelmigemedizinische Behandlung seiner Hepatites-C-Erkrankung. Er wird anders als seine Mit-gefangenen dazu aufgefordert, Gefngnis-kleidung zu tragen, er sah sich Morddro-hungen aus der rechten Szene ausgesetzt,und etliche Briefe und Zeitungen erhielt ernicht oder nur unter erheblichen Schwie-rigkeiten. Auerdem wurde er in der JVA-Tegel als ein spezieller Gefangener kate-gorisiert, was eine stndige Durchsuchung

    von seiner Zelle und seinem Krper nachsich zog. Der nchste Vollzugsplan muss

    diese Umstnde entsprechend wrdigenund damit eine Verbung auf 2/3 enthal-ten.

    Zum Schluss bin ich so frei, noch auf diepolitische Dimension des Falles hinzuwei-sen: In dem jetzigen Vollzugsplan wird ihmzum Last gelegt, dass er Wut, Hass und Ver-achtung gegenber faschistischen Organi-sationen habe, und es wird ihm weiter zurLast gelegt, dass sein Umfeld und auch ich,seine Ehefrau, gleichermaen empfinden.Ich denke, solche Auffassungen vor demHintergrund der nationalsozialistischen

    Vergangenheit Deutschlands zu einem Ne-

    gativkriterium zu machen, sollte sich fr je-den Humanisten wie Demokraten verbie-ten. hnlich erschrocken haben mich

    uerungen des jetzigen Sozialarbeitersder JVA-Pltzensee Herr Knig, welcher die

    Auffassung vertrat, das Gefngnis mssedie Gesellschaft vor meinem Ehemannschtzen, weil die Neonazis ebenfalls einTeil der Gesellschaft seien.

    Deswegen ist unsere Forderung:2/3-Regelung fr Christian S.http://www.freechristian.gulli.to

    Der Prozess gegenNadine am 30.4.08Die Vorwrfe

    Am 30.4.2008 fand vor dem AmtsgerichtMnchen der Prozess gegen Natalja statt.Die Vorwrfe beziehen sich auf das Ge-schehen am 9.Februar 2008 whrend desProtestes gegen die Nato anlsslich der Na-to-Kriegskonferenz in Mnchen. Ihr wurdezur Last gelegt, sie habe sich kurz nach der

    Demonstration gegen die Nato in einerGruppe von schwarz gekleideten Personenbefunden, die von der Polizei zwecks Per-sonalienfeststellung festgenommen wer-den sollte. Dazu versperrte eine Gruppe vonPolizisten aus Nordrhein-Westfalen eineStrae. Natalja soll durch die-se Polizeikette gelaufen,aber von einem Beamtenfestgehalten worden sein.Mit Hilfe von drei weiterenwurde Natalja dann of-fenbar zu Boden ge-bracht und gefes-selt. Dabei soll siesich gewehrt ha-ben. Deswegen wurde sie wegen Krper-

    verletzung, versuchter Krperverletzungund Widerstand gegen Vollstreckungsbe-amte in 4 tateinheitlichen Fllen angeklagt.

    Das Urteil

    Obwohl nach der Beweisaufnahme die Vor-wrfe der Krperverletzung und versuch-ten Krperverletzung hchst fragwrdig er-scheinen, hielten Staatsanwalt, Hofmannund Richterin Pabst an ihnen fest. Das Ur-teil lautete auf 5 Monate Freiheitsstrafe oh-ne Bewhrung. (Natalja hat schon in Ro-stock fr den G 8 Protest und Widerstand

    am 1. Mai 2007 eine Gesamtstrafe von 11Monaten aufgebrummt gekriegt, auerdemerhielt sie fr antifaschistischen Wider-stand in Grfenberg eine Bewhrungsstra-fe von 2 Monaten, die sie jetzt auch absit-zen muss.) Die Richterin war dabei in allenPunkten den Forderungen der Staatsan-waltschaft gefolgt. Dabei schienen fr siedie Widersprche zwischen den Aussagender Polizeizeugen keine Rolle zu spielen,obwohl sie bei der Beweisaufnahme dieseoffenbar durchaus bemerkt hatte. Denn siehatte Nachfragen gestellt, durch welche dieUngereimtheiten noch strker zu Tage tra-

    ten.

    Widersprchliche Aussagen derPolizeizeugen

    Als Zeugen waren drei PolizeibeamtInnenanwesend, von denen nur zwei aussagten,nachdem Verteidiger und Staatsanwalt ein-

    vernehmlich auf die Anhrung der drittenZeugin verzichteten. Der erste Beamte be-hauptete, die Angeklagte habe mit den Ar-men um sich geschlagen und mit den Bei-nen um sich getreten. Dabei sei er an bei-den Gesichtshlften und am Finger getrof-fen worden. Als Folge nannte er Schwel-lungen, Rtungen und Schmerzen. Minde-stens ein Tritt habe ihn getroffen, anson-sten wohl Schlge. Der zweite sagte hinge-gen aus, Natalja habe zunchst ihre Armeunter dem Bauch verschrnkt gehabt, bisdie Polizisten sie ihr unter Anwendung vonGewalt auf den Rcken gefesselt htten.

    Ein Antwortbrief von NataljaNeudeck, den 13. April 08

    Hallo vielen Dank fr euren coolen, aufbau-

    enden Brief! Gestern habe ich ihn zusam-men mit diversen anderen Briefen undgaaaaanz vielen tollen Postkarten bekom-men und mich sehr darber gefreut. DieSolidaritt hat mich voll beeindruckt undich bin im Moment trotz Knast richtig hap-py! Ich hatte Glck, denn der gestrigeSamstag war die vorerst die letzte Mg-lichkeit fr mich, Post zu erhalten, weil ichmorgen in die JVA Bamberg verschubtwerde (wegen der Verhandlung in Forch-heim).Mir stehen wohl in nchster Zeit einiges anGefangenentransporten bevor. Unabhn-

    gig davon, was in Mnchen und in Forch-heim rauskommt, gehe ich davon aus, dassich in Krze als Strafhftling gelte und ver-mutlich im Mai nach Aichach verlegt wer-

    de. Denn die Revision in Rostock ist of-fenbar abgewiesen worden. Das heit, dassdie 11 Monate Knast, zu denen mich dasLandgericht in Rostock im November ver-

    urteilt hat, rechtskrftig werden. (Diese 11Monate Haft sind eine Gesamtstrafe aus der Verurteilung wegen Landfriedensbruchsund den 3 Monaten, die ich in Nrnbergursprnglich auf Bewhrung bekommenhatte, wo ich wegen Widerstands am 1. Mai07 angeklagt worden war und etwa einenMonat in U-Haft gesessen hatte.) Wenn ihrwas ber die Repression gegen mich (alsoeigentlich ja mehr

    gegen alle und nur an einigen, unter an-deren mir, vorexerziert) ins Internet stellt,finde ich das cool! Gerade weil mensch sichim Knast schon richtig verschluckt vor-

    kommt. Das ABC, , hat schon was im Ge-fangenen Info verffentlicht.Jedenfalls bedanke ich mich fr eure So-

    lidaritt und dafr dass ihr etwas im Netz

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    Wie man wohl mit auf den Rcken gefes-selten Armen um sich schlagen kann? Derzweite Zeuge hatte auch nur eine Rtungan einer Gesichtshlfte bemerkt und nichtan beiden. Das Beweisfoto fand nicht ein-mal die Richterin aussagekrftig. Sie konn-te keine Rtungen erkennen und fand, derZeuge sehe jetzt genauso rosig im Gesichtaus wie auf dem Bild.

    Zynische Verkehrung und diepolitische Intention des UrteilsStaatsanwalt und Richterin Pabst warfenNatalja ausgesprochene Aggressivitt vor,da sie sich auf dem Boden liegend noch wei-ter gegen vier Polizisten gewehrt habe. Ih-re relativ geringe Krpergre wertete dieRichterin auch als belastenden Faktor, daes fr ein noch hheres Ma an Aggressi-on spreche, wenn man trotz Unterlegenheit

    Widerstand leiste. Das absurde Pldoyervon Staatsanwalt Hofmann gipfelte sogardarin, den Widerstand als menschenver-achtend zu bezeichnen. Nein, deren Ansicht

    nach ist es nicht etwa aggressiv oder men-schenverachtend, zu viert Gewalt gegen ei-ne am Boden liegende Person auszuben!!Nein, die am Boden liegende Person ist ag-gressiv! Diese Logik zu Ende gedacht heit:

    je hilfloser die eigene Lage und je mehr die-jenigen, gegen die man sich verteidigt, de-sto aggressiver und menschenverachtenderist man.

    Beide Polizeizeugen sagten einhellig aus,Natalja habe auf dem Bauch gelegen unddie Beamten nicht sehen knnen bzw. nichtsehen knnen, ob sie mit Ruderbewegun-gen mit Beinen bzw. Armen jemanden ha-be treffen knnen. Obwohl der Verteidigerdiesen Sachverhalte sorgsam herausstellte,sahen Staatsanwalt und Richterin beharr-lich in den Bewegungen den Versuch bzw.eine Absicht zu verletzen. Dass ein derartgigantisches Polizeiaufgebot, wie eswhrend der Nato-Sicherheitskonferenz

    eingesetzt wird, bei Demonstranten ein Ge-fhl der Bedrohung auslsen und dadurchaggressiv machen knne, erklrte der Ver-teidiger vorsichtig. Doch das war offen-sichtlich schon zu viel fr die Richterin, de-ren Mine sich sofort verfinsterte. Frau Pabstmachte auch keinen Hehl daraus, dass sieNatalja letztendlich ihre politische ber-zeugung zum Vorwurf machte. So hob sieals strafverschrfenden Faktor hervor: es

    komme eine feindliche Einstellung ge-genber dem Staat und seinen Reprsen-tanten zum Ausdruck. Einen Staat abzu-lehnen, der Kriege fhrt, die Voraussetzun-gen fr Ausbeutung schafft, systemati-schen Sozialabbau betreibt und demokra-tische Freiheitsrechte immer weiter ein-schrnkt, verdient ihrer Ansicht nach of-fensichtlich Strafe.Am Freitag dem 23. Mai wurde Natalja

    in die JVA Aichach verschubt. Die neueAdresse lautet:

    Natalja LiebichJVA Aichach

    Postfach 138086544 Aichach

    Aichach liegt in der Region Augsburg derKnast dort ist ziemlich gro und es existie-ren unterschiedliche Ansichten ber ihnbzw. verschiedene Erfahrungen mit dendortigen Verhltnissen. Natalja ist nicht inNeudeck geblieben, da dort nur Frauen, diezu krzeren Haftstrafen verurteilt wurden,gefangen gehalten werden. Es htte jedochdie Mglichkeit bestanden nach Wrzburgzu kommen. Natalja wollte nicht nach

    Aichach, sondern lieber nach Wrzburg,was aber nicht bercksichtigt wurde.aktuelle Infos: http://natalja.blogsport.de

    Kurdischer Politiker imHungerstreik19.5. Der kurdische Politiker Abdurrahman

    Adigzel wurde am 6. Mai 2008 verhaftetund befindet sich seitdem im Abschiebege-fngnis Rotenburg. Adigzel, der in der

    Trkei gesucht wird, ist seit zehn Tagen imHungerstreik. Die Fderation kurdischerVereine in Deutschland (YEK-KOM) sowiedie kurdischen Vereine in Baden-Wrttem-berg fordern seine sofortige Freilassung.

    Adigzel ist seit vielen Jahren in derkurdischen Befreiungsbewegung ttig. Am6. Mai kam er einer Einladung der Ausln-derbehrde nach und wurde dort verhaftet.

    Am gleichen Tag trat er in einen unbefri-steten Hungerstreik.

    Seit 2006 lebt er in Deutschland als Asy-lbewerber. Wie YEK-KOM erklrte, wurdesein Asylgesuch abgelehnt, obwohl kon-

    krete Beweise vorliegen, dass er in der Tr-kei gesucht wird. Auch die Tatsache, dassAdigzel ein Bein im Krieg in Kurdistan ver-loren hat, wurde von den deutschen Behr-den nicht beachtet.

    Gericht untersagt die Abschiebung des

    Flchtlingssprechers Mohammed Sbaih

    Gefahr ist nichtvorbei

    Hamburg 20.5.2008Heute um 15 Uhr hat das Verwaltungsge-richt Meiningen in einem Eilentscheid den

    Antrag auf Aussetzung der Abschiebungpositiv entschieden.Dem Antragsgegner wird untersagt, die

    fr den 21.05.2008 angekndigte Abschie-bung des Antragstellers durchzufhren

    Rechtsanwalt Mark Nerlinger hatte so-wohl formal rechtliche Grnde wie inhalt-liche Grnde vorgetragen. Das Gericht trafseine vorlufige Entscheidung aufgrundder formal rechtlichen Verste der Behr-den wie Art und Weise der Ankndigungder Abschiebung, Einziehung der gltigenDuldung etc. ber die inhaltlichen Grndeaufgrund rechtlicher und tatschlicher Ab-

    schiebehindernisse hat das Gericht in sei-nem Urteil nicht entschieden, was aufgrundder Krze der Zeit schwierig zu prfen ge-wesen wre. Die Auslnderbehrde machtdazu keine konkreten Angaben, spricht voneinem Verbindungsmann in Ramallha,nennt die ffnungszeiten des israelischenCheckpoints auf der Knig-Hussein-Brckeund betont, Geld fr die Visa und Einreise-antrge Herrn Sbaih mitzugeben. Die Vor-halte des Rechtsanwalts ber die Gefahrenund Risiken des Reisewegs, nicht vorhan-dene Visadokumente, die Gefahren derFestnahme durch jordanische Behrden,das nicht einschtzbare Verhalten der isra-elischen Seite, vergleicht die Auslnder-behrde Eisenach mit Erzhlungen aus1001 Nacht, ohne selbst konkrete Anga-ben zu den Vorhalten zu machen.

    Dass die Auslnderbehrde die katastro-phale Situation der Palstinenser, verur-sacht durch die israelische Besatzung, in dieNhe von Mrchen rckt, zeugt entweder

    von vlliger Unwissenheit oder enormerArroganz.

    Die Gefahr der erneuten Abschiebung be-steht weiter. Es muss mit neuen Versuchen

    gerechnet werden. Insbesondere da sich ge-zeigt hat, dass einige Behrden in Thrin-gen, wenn sie zu Recht in die Kritik gera-ten, ihre Haltung nicht korrigieren, sondernaggressiv gegen die FlchtlingsaktivistIn-nen des Barackenlagers Katzhtte vorge-hen.Wir danken allen, die nach der Abschie-

    beankndigung mit ffentlichen Stellun-gnahmen ihren Protest ausgedrckt haben.

    Wir bitten alle aufmerksam zu bleiben undden Fall weiter zu verfolgen. Demonstrati-on fr die Schlieung des BarackenlagersKatzhtte Donnerstag, 5.6.2008, Saal-

    feld/RudolstadtFr Karawane-HamburgRalf S. Lourencoweitere Informationen:www.thevoiceforum.org

    schreiben wollt! Ich habe aber die Bitte- die jetzt nicht grokotzig klingen soll -das Ganze ein bisschen kmpferisch /trot-zig / erst recht - mig zu formulieren,

    damit die staatliche Einschchterungs-propaganda nicht versehentlich dabei ver-breitet wird. Es soll ja niemand meinet-wegen entmutigten und ganz bestimmtnicht gehirnwaschen. Es hat Spa ge-macht, ein wenig was zu lesen, was inNrnberg so los ist. Ich wnsche euch weiter viel Erfolg (jeder / jedem persn-lich natrlich auch) und ich drcke dieDaumen fr eine kmpferische, kraftvol-le 1.Mai - Demo!Rebellische Gre Natalja

    PS: Ich schreibe mal was Ausfhrlicheres

    zum Eingeknastet sein, aber heute beimHofgang ist die letzte Gelegenheit, Briefeabzugeben, und dann konzentriere ichmich erstmal auf die 2 Verhandlungen.

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    Bundeswehr beugt sichffentlichem DruckMilitrsondergericht will ber vorzeitigeBeendigung des Disziplinararrestes ent-scheiden.

    Der zuletzt abgebrochene Kontakt zum inder Kaserne Viereck (Mecklenburg-Vor-

    pommern) inhaftierten Kriegsdiensttotal-verweigerer Matthias Schirmer konnte heu-te durch das Bro des Bundestagsabgeord-neten Paul Schfer, Linksfraktion, wiederhergestellt werden. Wie die Deutsche Frie-densgesellschaft (DFG-VK) mitteilte, be-dankte Schirmer sich dabei fr die groenSolidaritt, die er von Kriegsgegner aus derganzen Bundesrepublik bisher erfahren hat,und stellte fest, dass sich nach den Me-dienberichten das Verhalten der Vorgeset-zen ihm gegenber verndert hat. Um ge-gen seine Inhaftierung durch die Bundes-wehr zu protestieren und seine Entschei-

    dung gegen die Pflicht zum Dienen zu be-krftigen, war Schirmer war am 8.Mai ineinen Hungerstreik getreten um. Zuvor hat-te ihn das Militrsondergericht nach bereits10 Tagen Stubenarrest und 21 Tagen Diszi-plinararrest erneut zu 21 Tagen Haft verur-teilt. In der letzten Woche war dann derKontakt der Familie und der Untersttzerzu ihm abgebrochen. In einem Brief hatteSchirmer mitteilen knnen, dass ihm seineinstndiger Ausgang aus seiner Zelle so-wie das Telefonieren durch die Bundeswehruntersagt worden waren. VerschiedeneSchikanen musste er ber sich ergehen las-sen.

    Im Ergebnis des heutigen Gesprchs mitdem Inhaftierten knnen wir feststellen,dass die Bundeswehr zumindest ihre eige-nen Regeln weitestgehend wieder einhlt,erklrte DFG-VK-BundesgeschftsfhrerMonty Schdel. Schirmer geht es eigenemBekunden nach den Umstnden entspre-chend gut. Er werde tglich einmal rztlichuntersucht. Die Schikanen wren nachseinen Beschwerden eingestellt wor-den, auch Ausgang htte er wieder tg-lich fr eine Stunde. Die DFG-VK sei

    froh darber, dass die Bundeswehr ih-re Manahmen berdacht und die To-talblockade beendet hat.Verwundert ist Schdel jedoch ber

    die durch die Bundeswehr betriebeneInformationspolitik im Fall Schirmer.Bestehende Vorurteil ber das Militr,das mache, was es will, und sich ankeine Regeln hlt, fand so nur erneu-te Besttigung. Es ist verwunderlich,dass die Bundeswehr, die sonst die f-fentlichkeit sucht, in diesem Fall auf

    Abschottung setzte. Gab es etwas zuverbergen? fragt Monty Schdel.

    Die DFG-VK weist in diesem Zusam-menhang auch darauf hin, dass derKriegsdiensttotalverweigerer Silvio

    Walther seit einigen Wochen ebenso Ge-fangene der Bundeswehr, 5./Gebirgsfern-

    meldebataillon 210 in Bad Reichenhall, ist.Da beiden auf Grund einer Anzeige der

    Bundeswehr wegen Gehorsamsverweige-rung nach der Entlassung aus der Bundes-wehr ein Verfahren vor einem zivilen Ge-richt bevorsteht, wertet die DFG-VK die In-haftierung der Kriegsdienstgegner alsSelbstjustiz der Bundeswehr. Vor dem Hin-tergrund, dass die Pflicht zum Dienen kei-ne mndigen Brger, sondern Untertanen

    erzeugt, und der Wehrungerechtigkeit, dassgerade noch ein Drittel aller Wehrpflichti-gen zu einem Zwangsdienst einberufenwerden, fordert die DFG-VK die Abschaf-fung der Wehrpflicht. Monty Schdel:Nicht Gehorsam und Untertnigkeit, son-dern politische Teilhabe und Mndigkeitsollten das Ziel von Erziehung und Staats-handeln sein - sonst macht sich die Gesell-schaft unglaubwrdig.Weitere Informationen zum Thema To-

    talverweigerung und den aktuellen FllenDFG-VK:https://www.dfg-vk.de/thematisches/kriminali-

    sierung_von_antimilitarismus/Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangs-dienste und Militr:http://www.kampagne.de/Wehrpflichtinfos/Ak-tuellePraxisTKDV.php

    Totalverweigerer-Initiative:http://tkdv-zittau.blogspot.com/

    Bildgalerie zur Verweigerung von MatthiasSchirmer:https://www.dfg-vk.de/material/bildergale-rie/2008_05_totalverweigerer_in_gefangen-schaft_bei_der_bundeswehr

    Monty Schdel, Berlin / Frankfurt-M., Bun-desgeschftsfhrer der Deutschen Friedens-gesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegne-rInnen (DFG-VK), 19.5.mailto:[email protected] www.montyschaedel.de, www.afghanistankampagne.de www.afghanistankongress.de www.dfg-vk.de,www.auslandseinsaetze-beenden.de ww.schrit-te-zur-abruestung.de

    P.S. Mathias hat am 22.5. seinen Hunger-streik abgebrochen.

    Bild: Mathias Schirmer wird von den Feld-jgern abholt

    Zur Situation der ,Iv.I.-Aktivistin Nadine:Seit Anfang Mrz sitzt die Aktivistin der ,In-teressenvertretung Inhaftierter (,Iv.I.) Nadi-ne Tribian (siehe dazu auch GI336) in der U-Haft Abteilung der JVA Bielefeld in Isolati-onshaft. Selbst das Engagement der Anwl-

    te und eines Vertreters der Strafvoll-streckungskammer des Landtags in NRWblieb bislang erfolglos. Der untragbare, un-ertrgliche Zustand hlt weiter an. Dabei wirdbewusst von Seiten des Vollzugs die Ge-sundheit von Nadine geschrottet.

    Es fllt schwer, Mensch zu bleiben, ohnenicht tiefste Verachtung gegenber diesemSystem zu empfinden angesichts solcher Ge-schehnisse!

    Sofortige Abschaffung der Isolationshaftfr Nadine wie fr alle Gefangenen!

    Die letzten Neuigkeiten in diesem Fall be-schreibt nachfolgend Pit Scherzl von der

    ,Iv.I.:

    Gefoltert wird auch immer fterwieder hier in der BRD!Das beste Beispiel hierfr ist unsere Iv.I. Re-prsentantin Nadine Tribian, die den offen-sichtlich sadistischen Attacken des Abtei-lungsleiters der JVA Bielefeld seit geraumerZeit ausgesetzt ist. Auch Nadine prangert diedort bestehenden Miss- und Unstnde ganz

    vehement an und soll vermutlich durch Psy-choterror in Form vielfltigster Willkr undSchikane mundtod und kirre gemacht wer-den. Sie hlt sich tapfer aber durch all dasist sie zwischenzeitlich ernsthaft erkrankt.

    Zu ihrer Untersttzung plant Iv.I. nunmehrfr die erste Augustwoche einen bundeswei-ten Hungerstreik, um die Medien und ber-geordneten Stellen auf die unhaltbare Situa-tion aufmerksam zu machen. Nadine ist keinEinzelfall beileibe nicht! Auch ich habe die-sen Abteilungsleiter fast 2 Jahre lang ertra-gen mssen und dessen willfhrige Hand-langer ... die fr ihn logen ... und lgen, dasssich schon fast die (Beton-)Gitter biegen. Bz-gl. dessen Vorgehensweisen gehen wir mas-siv an die ffentlichkeit. Wer sich an dieser

    Aktion beteiligen mag, mge sich bitte rechtbald bei mir melden:Pit Scherzl - c/o Am Womberg 16 - 61276Weilrod

    Offensichtlich soll Nadine psychisch undphysisch kaputtgemacht werden. Die Zeitun-gen werden sich innerhalb des dann beste-henden Sommerloches dieser Sache sicher-lich sehr gern annehmen. Fakt ist: Dieser Ab-teilungsleiter und die zustndige Bereichslei-terin gehren nicht nur aus dem Dienst ent-fernt, sondern zudem auch auf eine Ankla-gebank. Nicht ohne Grund und berechtigtem

    Anlass haben Ende letzten Jahres 330 der inBielefeld Inhaftierten eine 32 Beschwerde-punkte umfassende Gemeinschaftspetition

    verfasst und unterschrieben, in welcher u.a.die sofortige Entlassung der Anstaltsleitung

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    aus dem Dienst gefordert wurde. Diese Soli-darisierung hat den offiziellen Stellen sehrsauer aufgestoen ... hat zwar hinter den Ku-lissen vieles ... aber lngst nicht genug be-wirkt.Wie gesagt, - ich wrde mich freuen, wenn

    viele von Euch mitmachen. Es geht letztend-lich um die Haftsituation eines jeden Einzel-nen!

    Herzliche und kollegiale Gre ... sendet

    Euch allen: Pit.

    Freiheit fr die drei inMnchen inhaftiertenHausbesetzerInnen!

    Am 27. Juni des letzten Jahres befanden sichSteffi, Sven und Lukas (alle zwischen 17 und19 Jahre alt) in einem unbewohnten Haus inder Westendstrae in Mnchen. Ein Groteil

    der Huser in dieser Strae steht schon ln-gere Zeit leer und einige von ihnen wurdenber Wochen hinweg von Punks und ande-ren als Treffpunkt genutzt. Seit diesem Tagsitzen sie im Knast, Ende Januar wurden al-le drei jeweils zu fnf Jahren wegen ver-suchten Totschlags aufgrund von Steinwr-fen verurteilt.

    In den Abendstunden strmte eine 60-kp-fige Einheit des USK (Untersttzungskom-mando - Spezialkrften der bayerischen Po-lizei) ohne Vorwarnung das Haus. Die Sozi-alarbeiterInnen, welche regelmig dort ver-kehren, um Kontakte zu den Punks aufzu-bauen, wurden gezwungen, nichts von demgeplanten berfall zu erzhlen. Die Drei ver-teidigten ihr Haus, indem sie Steine, welche

    vorher im Haus verteilt wurden, um bei einermglichen Rumung das Haus nicht vertei-digungslos aufgeben zu mssen, auf die be-helmten und gepanzerten Polizeikrfte. EinPolizist musste danach aufgrund eines ange-brochenen Wirbels rztlich behandelt wer-den, ein Gutachten konnte besttigen, dassdie Verletzung nicht von den Steinwrfenherrhrt, sondern dass er sich diese bei einemSprung ber eine Mauer zuzog.

    Die Staatsanwaltschaft wertete die Stein-wrfe nicht als Landfriedensbruch und Kr-perverletzung, wie sonst blich, sondern als

    versuchten Totschlag. Nach der Demo gegenden G8-Gifpel am 02. Juni in Rostock wur-den die Stimmen, welche dies forderten, im-mer lauter. Dort kam es zu massiven Angrif-fen mit Steinwrfen der Protestierenden aufdie Einsatzkrfte, welche die Demo angriffen.Mit diesem Urteil sollte ein Przedenzfall ge-schaffen werden, welcher weit reichende

    Auswirkungen auf uns alle haben wird. ZumBeispiel wird es fr den Staat noch einfacherwerden, so genannte Gewalttter nach dem

    1. Mai fr noch lngere Zeit wegzusperrenund damit der Gesellschaft zeigen, dass Wi-derstand zwecklos ist, da jede/r ihre/seine ge-rechte Strafe bekommen wird.

    Fr die Berufungsverhandlung wnschen

    wir uns eine breite Solidaritt mit den drei-en. Achtet auf weitere Infos und Ankndi-gungen. SoligruppeSchreibt Briefe:Lukas Winkler: Sudetenlandstr. 200, 86633Neuburg, Stephanie Trger: Am Neudeck10, 81541 Mnchen. Sven Maurer: Stadel-heimerstr. 12, 81549 Mnchen

    Aktuelle Infos: http://hausbesetzerinnenso-li.blogsport.de

    Streichung der,FeiertagspaketeEin Kommentar.

    Da knnt man doch glatt vom Glauben fal-len ...

    denn egal, ob das Sicherheit, Futterneidoder andere Wahnvorstellungen waren, da

    haben sie mehr als den berhmten Vogelnun abgeschossen ... und es herrscht die Ru-he nach dem Knall.

    Nun, nicht so ganz, denn wir Gefange-nen sind doch auch nur ein Abklatsch derallgemeinen Verhltnisse drauen, auchgeistig. Also is auch hier ein Murren zuhren, wo nun auch der Letzte begriffenhat, dass er seit dem 1. Januar kein Fres-spaket zu Ostern, Weihnachten und Ge-burtstag mehr erhalten darf und kann ...was schon mehr is als nur ein Griff in denFutternapf, das is schon ein Schlag in die-sen ... und das spritzte!

    Daher hat die Anstalt auch schon hnachgebessert, sprich, es darf, wer kann,stattdessen fr 42,95 Euro von seinem Ei-gengeld einkaufen. Schon klar, das kannnicht jeder, auch nicht diese so komischeSumme verstehen: 42,95 Euro da mag manschon gar nicht mehr nach dem Sinn desGanzen fragen. Aber sicher gibt sooo eineSumme Platz zum Nachbessern, wasschon als Beschftigungstherapie fr nunnoch Murrende Sinn macht.

    Nun muss ja auch nicht gleich jedem klarwerden, dass das Zuckerbrot immer hher

    gehngt wird, dass wird ihm schon frh ge-nug bewusst werden, dann, wenn er diePeitsche zu spren kriegt!Finni 3/08Kommentar von Gnter Finneisen, Trift 14,29221 CelleGnter Finneisen (Finni) ist einigen unse-ren LeserInnen durch seine bissigen Zeich-nungen zum Thema Knast bekannt.Dass er seit 1995 total isoliert ist, ist wahr-scheinlich weniger bekannt. Nachdem er1995 mit einem weiteren Inhaftierten ausder dem Knast Celle ausbrechen wollte, be-

    findet sich Finni im Hochsicherheitstrakt,

    in dem vorher Gefangene aus bewaffnetenGruppen weggesperrt waren.Im Bundesland Niedersachsen gibt es seit

    Anfang des Jahre keine Pakete mehr fr Ge-fangene, die sie an besonderen Feiertagen

    erhalten konnten. Das bedeutet natrlich ei-ne weitere Verschrfung fr sie drinnen. Da-zu hat Gnter was geschrieben, was wir derZeitschrift Mauerfall, den GefangenenRundbrief Nr. 9, entnommen haben.

    Urteile im BerlinerMedikamentenskandalIm Prozess im Medikamentenskandal umdie Berliner JVA Moabit ergingen heute dieUrteile gegen die fnf Angeklagten.

    Der Leiter der Arztgeschftsstelle der JVAMoabit Land wurde zu einer neunmonatigenBewhrungsstrafe, mit der Auflage, 2000,-Euro an den Frauenzimmer e.V. zu zahlen,wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in ins-gesamt 15 Fllen verurteilt.

    Der inzwischen pensionierte ehemaligeLeiter der Arztgeschftsstelle Siefert wurdezu einer sechsmonatigen Bewhrungsstrafemit der Auflage, 2000,- an die deutscheKrebshilfe zu zahlen wegen gemeinschaftli-

    chen Diebstahls in zwlf Fllen, verurteilt.Der Leiter des Pflegedienstes und ehemali-ger Personalratsvorsitzender Minkus wurdewegen gemeinschaftlichen Diebstahls in zweiFllen zu einer Geldstrafe in Hhe von 4800,-Euro verurteilt.

    Der Personalratsvorsitzende Kompallawurde zu einer Geldstrafe in Hhe von 1600,-Euro verurteilt. Ebenso die KrankenschwesterBronewski, die eine Geldstrafe in Hhe von1200,- zu zahlen hat.

    Die Angeklagten wurde beschuldigt, in denJahren 2005 und 2006 Medikamente aus der

    Arztgeschftsstelle der JVA Moabit gestoh-

    len zu haben, die eigentlich fr Gefangenebestimmt waren.Der Staatsanwalt betonte in seinem Pl-

    doyer, dass der Sachschaden (ca. 3000,- Eu-ro) nicht sehr hoch sei, dass aber das Anse-

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    hen der Justiz unter diesem Skandal gelittenhtte. Denn der Ort des Geschehens, das Un-tersuchungsgefngnis Moabit, sei ja ein Ort,an dem Gefangene resozialisiert werdensollen. Da sei es kein gutes Vorbild, wenn ge-rade an einem solchen Ort die Leute, die sichum die Resozialisierung kmmern sollten,selbst straffllig werden, so der Staatsanwalt.

    Die Verteidigung hingegen sttzte sich aufdie mangelnde Aussagekraft, bzw. die ver-

    wirrenden Aussagen der Zeug_innen. Diese,ebenfalls JVA-Bedienstete, seien in Teilen ih-rer Aussagen unklar und widersprchlich ge-wesen sein. So soll ein Zeuge genau gesehenhaben, wie sich einer der Angeklagten einMedikament eingesteckt haben soll, welcheser aber gar nicht benutzt. Das aber knntebeweisen, dass die Angeklagten nicht (unbe-dingt), wie in der Presse bisher berichtet, dieMedikamente fr den Eigenbedarf stahlen,sondern mglicherweise auch gewinnbrin-gend weiterveruert haben.

    Die Richterin sttze ihr Urteil trotz be-grndeter Zweifel trotzdem auf die Zeug_in-

    nenaussagen. Begrndete Zweifel ber dieGlaubwrdigkeit des Zeugen Sonntag gab esetwa deshalb, weil im Laufe des Prozesses klarwurde, dass er ggf. andere Interessen ver-folgte: das Verhltnis mit der Zeugin Brone-wski war ohnehin schlecht, und vermutetwurde, dass eine Ablehnung einer Weiterbil-dungsmanahme durch die brigen Ange-klagten dazu fhrte, dass Sonntag sich rchenwollte.

    Immer wieder wurde betont, dass es sichhierbei nur um die Spitze des Eisbergs han-dele. Als der Skandal ffentlich wurde, wur-de vermutet, dass auch die JVA Tegel einesolche Selbstbedienungspraxis in der Arzt-geschftsstelle hat. Hier hat die Staatsan-waltschaft aber nicht weiter ermittelt. Einweiteres Versumnis ist wohl die weiterge-hende Recherche ber den AnstaltsleiterFixon. Er trat lediglich als Zeuge auf und be-gngte sich damit, Dienstplne und Preisli-sten der Medikamente auszuwerten. Immerwieder fragte man sich aber, wie eine solche

    jahrelange Praxis, die zumal vllig ffentlich(also innerhalb der Knste) gehandhabt wur-de, ihm angeblich nicht bekannt war.

    Unabhngig aber von diesem Prozess und

    den Urteilen wurde schnell klar, welche Um-stnde und welches Chaos in den Knsten ei-gentlich herrschen. Dass Gefangene ihre Me-dikamente ber lngere Zeitrume gar nichtoder nur selten erhielten, wurde gar nichtskandalisiert - hier ging es nur ber den Sach-schaden, der bei ca. lppigen 3000,- Euroliegt. Dass Mobbing und gleichzeitig ein nichtzu durchbrechender Korpsgeist unter denJVA-Bediensteten herrscht, welcher zuMachtmissbrauch fhrt, war auch nicht The-ma des Prozesses. Zwar betonte die Richte-rin, dass ein solches Verhalten nur bei einerfehlenden externen Kontrolle mglich ist.

    Dass aber gerade an solchen Orten wie Kn-sten ein derartiges Verhalten gang und gbe,ja sogar lebensnotwendig fr die weitere Exi-stenz einer solchen Zwangsanstalt ist, kamnicht zur Sprache (warum auch?). Denn war-

    um sollten Menschen sich denn einsperrenund demtigen lassen, wenn sie nicht ws-sten, welche Sanktionen auf sie warteten,wenn sie einmal nicht gehorchen?Am Rande des Prozesses wurde auerdem

    bekannt, dass der inhaftierte Berliner AntifaChristian S. (www.freechristian.gulli.to) in-zwischen Anzeige wegen Krperverletzungdurch Unterlassen gegen einige der Ange-klagten erstattet hat. Er sa nmlich 11 Mo-

    nate in U-Haft in Moabit und musste knappsieben Monate auf die Fortsetzung seiner le-bensnotwendigen Medikamententherapiewarten. Es wird vermutet, dass die Unregel-migkeiten auch dem im Prozess errtertenVerhalten der Angeklagten zuzurechnenist.www.freeandrea.de.vuhttp://www.freechristian.gulli.to

    Abolitionismusv. Johannes FeestAbolitionismus ist die Bezeichnung fr so-ziale Bewegungen, welche sich die Abschaf-fung (engl. abolition) unmenschlicher gesell-schaftlicher Institutionen zum Ziel gesetzthaben. Zugleich ist es auch die Bezeichnungder solchen Bewegungen zugrunde liegendenTheorie der Abschaffbarkeit derartiger Insti-tutionen.

    BegriffsgeschichteDer Begriff geht zurck auf die Auseinan-dersetzungen um die Abschaffung der Skla-

    verei in Nordamerika. Spter wurde er auf dieAbschaffung der Todesstrafe und schlielichauf die der Gefngnisse (prison abolition)ausgedehnt, teilweise weitergehend auch aufdie Abschaffung des Strafrechts bzw. derStrafe (penal abolition).

    Theoretischer Abolitionismus

    Zu den wichtigsten Theoretikern des Ge-fngnis-Abolitionismus gehren ThomasMathiesen (Norwegen), Nils Christie (Norwe-gen), Louk Hulsman (Niederlande) und Her-man Bianchi (Niederlande). In der Folge ha-

    ben sich vor allem Karl F. Schumann und Se-bastian Scheerer (Deutschland), Willem deHaan und Rene van Swaaningen (Niederlan-de), Heinz Steinert (sterreich), Mick Ryanund Joe Sim (UK), sowie Harold E. Pepinskyund Angela Davis (USA) um die Przisierungund Verbreitung dieser Idee bemht.

    In Deutschland hatte der theoretische (bzw.akademische) Abolitionismus (aufgrund derbersetzungen von Knut Papendorf) seinegroe Zeit in den 70er und 80er Jahren. Ver-treten wurde und wird er hier insbesondereim Umfeld der kritischen Kriminologie unddes AJK (Arbeitskreis Junger Kriminologen).

    Abolitionistische BewegungenThomas Mathiesen gehrte auch zu den In-itiatoren der gefngnis-abolitionistischenBewegungen in den skandinavischen Ln-

    dern (KRIM/KROM/KRUM), von denen abernur noch Krom (Norwegen) existiert.

    In Europa kaum bekannt ist jedoch eine an-dere Wurzel des Abolitionismus: die prakti-sche und literarische Aktivitt der nordame-rikanischen Quker (vgl. insbesondere Knopp1976; spter Morris 1995). Auf internationa-ler Ebene existiert seit dem Jahre 1981 die In-ternational Conference for Prison Abolition(ICOPA). Sie wurde vom Kanadischen QuakerCommittee for Jails and Justice gegrndetund hat bisher elf abolitionistisch orientier-te Konferenzen durchgefhrt, zuletzt 2006 inTasmanien. Zur finanziellen Untersttzungder ICOPA wurde im Jahre 1991 von Ruthund Ray Morris die International Foundati-on for a Prisonless Society ins Leben geru-fen. ICOPA XII wird im Jahre 2008 in Lon-don stattfinden und von der Howard Leaguefor Penal Reform organisiert werden.

    (Zu neueren abolitionistischen Bewegun-gen in Frankreich, Grobritannien und Itali-en und Kanada vgl. die Links am Ende die-ser Seite)

    Abolitionismus in der Praxis

    Berhmtestes Beispiele fr praktischen Abo-litionismus war die Abschaffung der Ju-gendgefngnisse im US-Staat Massachussets(1972) durch den damaligen Commissionerof Corrections Jerome G. Miller. Vorausge-gangen war dem aber schon die Abschaffungder Zwangsarbeit (1970) in Skandinavien. Di-rekt von beidem inspiriert war die Abschaf-fung der geschlossenen Jugendheime inHamburg durch die Kriminologin DorotheeBittscheid-Peters.

    Ein Beispiel fr Reduktionismus ist auchdie abolitionistisch anmutende Schlieungder Jugendarrestanstalt in Bremen-Lesum

    (1987?). Da der Jugendarrest als solcher nichtabgeschafft wurde, knnen Bremer Jugen-drichter weiterhin Arrest verhngen, derdann aber im fernen Niedersachsen voll-streckt werden muss, weshalb es kaum noch

    Karikatur: Gnter Finneisen

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    vorkommt.

    Fazit

    Der Gedanke der Historizitt und Abschaff-barkeit der Gefngnisse wird weiter diskutiertwerden. In der Praxis wird es auf absehbareZeit eher um Mglichkeiten der Reduktiondieser kostspieligen Institution gehen.

    siehe auch: Abolitionism (engl.)

    LiteraturNeuere Aufstze

    * Feest, Johannes; Paul, Bettina: Abolitio-nismus. Einige Antworten auf oft gestellteFragen. In: Kriminologisches Journal1/2008 (Schwerpunktheft Ist das Gefng-nis noch zu retten?); in diesem Schwer-punktheft wird auch ber eine Umfrage beiprominenten Vertretern des Abolitionis-mus berichtet. Der Wortlaut dieser Umfra-ge ist (in englischer Sprache) auf der WebPage des Instituts fr kriminologische So-zialforschung (Universitt Hamburg) zufinden.

    * Mick Ryan/Joe Sim: Campaigning for andagainst prisons: excavating and reaffir-ming the case for prison abolition. In:

    Yvonne Jewkes (Hrsg.) Handbook on pri-sons, Cullompton 2007, 696-718.

    Ausgewhlte Bcher

    * Pepinsky, Harold: Peacemaking. Reflec-tions of a Radical Criminologist, Universi-ty of Ottawa Press 2006.

    * Christie, Nils: Wie viel Kriminalitt brauchtdie Gesellschaft?, Mnchen 2005.

    * Davis, Angela: Eine Gesellschaft ohne Ge-fngnisse? : Der gefngnisindustrielleKomplex der USA , Mnchen 2004.

    * West, Gordon/Morris, Ruth (Hrsg.): The Ca-se for Penal Abolition, Toronto 2000.

    * Morris, Ruth: Penal Abolitionism: the Prac-tical Choice, Toronto 1995.

    * Mathiesen, Thomas: Gefngnislogik. beralte und neue Rechtfertigungsversuche,Bielefeld 1989

    * Schumann, Karl; Steinert, Heinz; Vo,Michael: Vom Ende des Strafvollzugs. EinLeitfaden fr Abolitionisten, Bielefeld 1988

    * Bianchi, Herman: Alternativen zur Strafju-stiz. Biblische Gerechtigkeit, Freisttten,Tter-Opfer-Ausgleich, Mnchen 1988.

    * Christie, Nils: Grenzen des Leids. Bielfeld1986.

    * Schumann, Karl; Vo, Michael: Jugend oh-ne Kerker: ber die Abschaffung der Ju-gendgefngnisse in Massachussetts im Ja-nuar 1972 und die Entwicklung seither,Bremen 1980

    * Fay Honey Knopp: Instead of Prisons: AHandbook for Abolitionists, Syracuse/New

    York 1976. (Online-Version:http://www.prisonpolicy.org/scans/in-stead_of_prisons/).

    Links

    * ICOPA

    * No more prisons* Mouvement abolitionniste des prisons etdes peines

    * Prisonjustice.ca

    * Filiarmonici

    Knastkampf in Belgien

    Wenn die Taten frsich selbst sprechen ...Mssen wir es noch auslegen? Mssen wirnoch Worte den Taten hinzufgen, welcheschon fr sich selbst sprechen? Die belgische

    Demokratie hatte in diesem Jahr rund zehnAufstnde und Ausbrche in ihren Gefng-nissen und Zentren zu verarbeiten. Damitbrachen die Gefangenen die Stille und Isola-tion, die ihnen zugeteilt wird. Die ist nichtwenig, denn die Absonderung ist der Exi-stenzgrund der Gefngnisse: Menschen, wel-che auf die eine oder andere Art unerwnschtsind, aus dem sozialen Kontext auszusch-lieen, um den sozialen Frieden zu bewah-ren.

    Zu oft begegnen viele diesem pltzlichen Aufflackern von Revolte mit Erschrecken.Dieses wilde Aufkommen von Unzufrieden-

    heit, wie es die letzten eineinhalb Jahren inden Gefngnissen passiert ist, zeigt, wie ein-gerostet einige in ihren militanten Kadern sit-zen, und die Kluft, welche zwischen den Ak-tivisten und den anderen Revoltierendenghnt. Es war nicht anders, als die Banlieu-es von Frankreich im November 05 explo-dierten und die Druckwellen bis in unsere ei-genen Straen zu spren waren. Die meistsichtbare Antwort war eine lhmende Trg-heit einer Bewegung, die sich selbst nicht be-greift. Eine Anzahl erleuchteter Geister fg-ten dem Ganzen noch eine Reihe so genann-ter konstruktiver Kritik hinzu, deren einzi-ge Ziele zu sein schienen zu verhindern, dassdie Flammen der Revolte auch andere an-stecken.

    Dies soll nicht heien, dass wir uns, wennwir mit Taten konfrontiert werden, die fr sichselbst sprechen, einfach blindlings in die Hit-ze des Gefechtes strzen mssen. Aber bei Ta-ten, die so deutlich sind wie die eines teil-weise verwsteten Gefngnisses, ist die in-teressanteste Frage bestimmt nicht, wer dasnun getan hat oder warum das passiert ist ...

    Die Frage, die wir uns vor allem stellenmssen, ist, was wir damit anfangen wollen.

    Es sagt viel aus ber die Ideen die wir ver-teidigen, wenn wir nicht einmal imstandesind, unser eigenes Verlangen in einem bren-nenden Gefngnis zu erkennen und die Er-kenntnis zu strken, indem wir die Rebellioninnerhalb der Mauern auf die Strae bringen.

    Nicht einfach nur, um unsere Solidaritt zuzeigen, sondern weil wir etwas zu sagen undzu tun haben;

    die Vernichtung aller Gefngnisse und derWelt, die die Gefngnisse ntig hat!

    Von dieser Perspektive aus knnen wir unsselbst zu MittterInnen an der Revolte ma-chen.

    Und bevor die erniedrigende Verurteilung,dass dies alles nur Rhetorik ist, jeden Drangnach Aufstand wieder zum Erlschen bringt,mssen wir uns einmal gut nach den Tatenumsehen. Nach den Gefngnissen, die in

    Brand gesteckt wurden, nach den Gefng-nissen, in denen ein Teil der Infrastruktur sei-tens der Meutereien zerstrt wurde, nach den

    Ausbrchen, nach den Besetzungen von In-nenpltzen, wie unlngst in Dendermonde,Merksplas, Gent und Hasselt.Vielleicht lassen einige die Bemerkung fal-

    len, dass diese Aufstnde nicht im Gering-sten gegen das Gefngnis an und fr sich ge-richtet sind. Dass es den Gefangenen einzig

    und allein darum geht, einige Verbesserun-gen zu bekommen, oder dass ein paar der re-voltierenden Gefangenen vielleicht miese Ar-schlcher sind. Nun, niemand behauptet, dassdies nicht so sein kann. Aber wenn jemanddenkt, dass aufstndische Bewegungen ein-zig und allein aus bewussten Revolutionrenbestehen, dann liegt dieser jemand wohlgrndlich falsch. Oftmals sind es gerade diePraktiken solcher Bewegungen (die Taten,die fr sich selbst sprechen), die die engenKader der reformistischen Forderungen ber-steigen, wie dies zum Beispiel oft mit Kon-flikten rund um den Arbeitsplatz passiert.

    Whrend die Forderungen des Kampfes nurmig interessant sind (hhere Lhne, keineEntlassungen ...), sind es die Praktiken, dieuns ins Auge springen (wilde Streiks, Sabo-tage ...).Was ist eine bessere Kritik am Gefngnis

    als die Verwstung eines Gefngnisses?Es legt daher an uns, an jenen, die allen

    Gefngnissen ein Ende setzen wollen, inner-halb dieses Konfliktes unsere eigene Per-spektive nach vorne zu stellen - wobei wirzur gleichen Zeit einen Beitrag zur Revolteleisten und eine qualitative Erweiterung derPerspektive realisieren. Diese qualitative Er-weiterung kann einzig und allein innerhalbder Dynamik von Revolten zustande kom-men, nicht auerhalb oder oberhalb.Wenn die Rede ist von dem Gefngnis und

    seiner Welt, dann ist das nicht, um uns inSelbstmitleid zu wlzen, weil wir nun mal al-le gefangen sitzen in dieser Welt der Aus-beutung und Unterdrckung. Vielmehr gehtes gerade darum zu entdecken, wo wir dasGefngnis angreifen knnen. Denn das Ge-fngnis ist nicht allein diese Institution mitihren vier grauen Mauern ... Ihre Tentakel rei-chen bis in unsere eigene Strae und sind zer-

    quetschbar.Es geht hier nicht darum, jeden anzusta-cheln, Anti-GefngnisaktivistIn zu wer-den. Diese Art der Spezialisierung macht esuns hchstens schwieriger, uns selbst zu er-kennen, als Ausgebeutete neben anderen

    Ausgebeuteten, in den Revolten, die ab undzu Brche in dieser verrotteten Gesellschaft

    verursachen. Aber lasst uns gerade aus die-sen Grnden nicht zulassen, dass ein Auf-stand im Gefngnis innerhalb der vier Mau-ern isoliert bleibt. Lasst uns mit unseren ei-genen Ideen und Mitteln diese Revolte zu un-serer machen und sie in den Straen ver-

    breiten.Les mauvais jours finiront, Dezember 2007Publiziert in Uitbraak und La Cavale (franz.Version) in Nr.11 Januar 08 und von dortbersetzt.

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    Unvollstndige Chronologie seit 2008 vonAktionen, die innerhalb und auerhalb derbelgischen Gefngnisse stattfanden

    2/01 Leuven - Das Bro von FEDASIL wirdangefallen.7/01 Gent - Molotowcocktail gegen Autos

    von ,Dalkia, ein Betrieb, welcher sich mit demUnterhalt von Gefngnissen beschftigt.8/01 Lantin - Zusammenkommen am Ge-

    fngnis von Lantin. Im Umkreis werden Fly-er verteilt.9/01 Steenokkerzeel - 4 Gefangene brechenaus dem geschlossenen Asylzenter aus.10/01 Brssel - Am Regie der Gebude wer-den Fenster eingeschlagen. Es wird der Slo-gan Die Revolte von Merksplas verfolgt Dichangebracht.12/01 Hasselt - Drei Wrter werden verwun-det, nachdem sie ein Zusammenkommen ei-ner Familie zu verhindern versuchten.13/01 Hasselt - Ein Besucher fllt fnf Wr-ter an. Am Abend besetzen 130 Gefangeneden Innenplatz.

    15/01 Hasselt - Im Stadtzentrum erscheinenSlogans gegen das Gefngnis.19/01 Hasselt - Gefangene besetzen den In-nenplatz erneut.19/01 Kortenberg - Brandstiftung in der psy-chiatrischen Einrichtung.22/01 Leuven - Fenster der Oberheitsge-werkschaft werden eingeschlagen.24/01 Gent - Die Rder eines Autos von,Denys (eine Firma, die sich an der Renovie-rung des Gefngnisses Gent beteiligte) wer-den plattgestochen. Die Fenster werden zer-strt und das Wort ,Rache darauf gesprayt.4/02 Antwerpen - 2 Gefangene brechen aus.18/02 Ittre - Aufstand im Gefngnis, Be-schdigungen und Brandstiftung.18/02 Merksplas - 6 Gefangene brechen ausdem Asylcenter aus.21/02 Brssel - Riots nach der Festnahme ei-nes Jugendlichen, verschiedene Autos wer-den in Brand gesteckt.28/02 Wortel - Ein Gefangener bricht ausdem Gefngnis aus.10/03 Brssel - Ungefhr 30 Bezahlautoma-ten des ffentlichen Verkehrs werden sabo-tiert, um gegen Razzien und Abschiebungenzu protestieren.

    25/03 Brssel - Brandbombe gegen das Ge-bude des nationalen Zentrums fr elektro-nische berwa-chung und derStrafaus-fhrungsrechts-bank.27/03 Gent - Ein

    Auto von ,Denyswird in Brand ge-steckt.entnommen ausdem Heft ,Risse inder Mauer - Texte

    gegen die Knsteund die Welt, diesie bentigt - vonund aus Belgien

    Uns erreicht erst jetzt ein Referat von einemehemaligen Gefangenen aus dem KollektivGRAPO/PCE(r), das auf einer Veranstal-tung zur Todesnacht in Stammheim am 20.Oktober in Berlin vorgetragen wurde. Wirdokumentieren es trotz der zeitlichen Ver-zgerung, weil es Aufschluss darber gibt,wie im Ausland auf die Ereignisse reagiertwurde, und weil sie deshalb zur Aufarbei-tung der Geschichte gehrt.

    Beitrag aus Spanienvon einem ehemaligenGefangenenDie PCE(r) hat die RAF als einen echten Ver-such verstanden, mit der faschistischen Kon-tinuitt der BRD zu brechen und revolutionre

    Vernderungen voranzutreiben. Die PCE(r)hatte verschiedene Kritikpunkte an der RAF,die auf unterschiedlichen Analysen und stra-

    tegischen Vorgehensweisen beruhten, jedochdenken wir, dass heute - zum 18.10. - nichtder Moment ist, diese zu debattieren und zureflektieren. Die Kritikpunkte, die es gab, wur-den immer als solidarische Kritik innerhalbder revolutionren Bewegung verstanden. Esgab immer eine tiefe Verbundenheit und So-lidaritt zum Kampf der RAF, sie waren un-sere GenossInnen.Wir mchten uns in diesem Beitrag weni-

    ger an der Entstehungsgeschichte und Ent-wicklung der RAF abarbeiten, als vielmehr aufunsere Perspektive und unser Verhltnis zumOktober 77 eingehen. Um diese nachvollzie-hen zu knnen, mssen wir einen kurzen Blickauf die damalige Situation in Spanien wer-fen.

    Spanien befand sich im bergang zur sogenannten Demokratie nach Francos Tod.Diese Zeit war durch zwei Dinge charakteri-siert:

    1. die groe antifaschistische Arbeiterbe-wegung, die versuchte, wirklich demokrati-sche Rechte und Freiheiten zu erkmpfen

    2. die groen traditionellen Parteien ver-einbarten mit verschiedenen faschistischenStrmungen einen sanften bergang von der

    Diktatur zu einer Demokratie westlicher Pr-gung. Dabei achtete der alte faschistische Ap-parat darauf, den Transformationsprozess zukontrollieren. Vielen Francisten war klar, dasses so nicht weitergehen konnte, und siewollten revolutionre Situationen un-ter allen Umstnden vermeiden.

    Die PCE(r) schtzte diese Situation alsErneuerung des Faschismus in einemneuen Gewand ein. Ihre Politik undPraxis richtete sie danach aus, dieseMachenschaften zu entlarven: 1. DasRegime will nur eine Erneuerung derFassade 2. Es werden keine wirklich de-

    mokratischen Freiheiten kommen, und3. nicht einmal der Repressionsapparatwird von Folterern gesubert.

    Die GRAPO unternahm in dieser Zeitstarke Aktivitten, weil sie davon aus-

    ging, dass es mglich ist, durch eine Kombi-nation verschiedener Widerstandsformen(wie Streiks, Demos, bewaffnete Aktionen)das Regime zu zwingen, eine wirkliche De-mokratisierung durchzufhren bzw. diesedurchzusetzen.

    In diesem Rahmen haben manche Zeitun-gen Informationen ber Stammheim vermit-telt, das heit die offizielle Selbstmordversi-on angezweifelt und haben gesagt, dass es

    Grnde und Ungereimtheiten gibt, die dafrsprechen, dass der Tod der Genossinnen undGenossen durch Dritte verursacht wurde.Durch diese Informationen und durch Ver-bindungen zur Solidarittsbewegung in derBRD gab es auch Reaktionen der spanischen

    Arbeiterklasse.Die PCE(r), die ein Ausdruck dieser Bewe-

    gung ist, verfasste unter anderem Flugbltter,in denen sie .. sagte, dass die Gefangenen am18.Oktober vom deutschen Staat hingerichtetworden seien, um die revolutionre Bewe-gung zu schwchen und einzuschchtern.Schon vor dem 18.Oktober habe es Morddro-

    hungen gegen Gudrun, Andreas und Jan ge-geben, es gab Diskussionen um Erschieun-gen von revolutionren Gefangenen und derStaat hatte schon den Tod von Holger Meins,Siegfried Hausner und Ulrike Meinhof zu ver-antworten. Aktivitten als Reaktion auf die-se Ereignisse gab es in allen greren Std-ten Spaniens. Auch die GRAPO reagierte undgriff mehrere deutsche Einrichtungen an.

    Ende der 70er Jahre importierte der spani-sche Staat das Modell Stammheim und rich-tet Knste nach diesem Vorbild ein. DiesesModell wurde anfangs in Herrera de la Man-cha eingefhrt. Als Reaktionen gegen diesesneue Knastregime begannen die Gefangenenaus der PCE(r) und GRAPO einen harten Hun-gerstreik, bei dem unser Genosse Crespo Gal-lende starb. Nur durch den Widerstand derGefangenen konnten wir das Modell Stamm-heim vorlufig stoppen. Nach 1977 wurde in

    verschiedenen Knsten den Gefangenen im-mer wieder mit der so genannten deutschenLsung gedroht Diese Drohungen warenkeine Einzelmeinungen von Schlieern, son-dern hatten System und waren von oben ge-deckt.Auch wenn ich heute nicht persnlich an

    dieser Veranstaltung teilnehmen kann, hoffeich, euch mit diesem Beitrag das Verhltniszur RAF und zum 18.10.77 bei uns hier inSpanien nhergebracht zu haben.

    Beerdigung von Baader, Ensslin und Raspe

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #337

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    Brief von JuanAntonio SorrocheFernandez, ItalienJuan wurde verhaftet, weil er Parolen ge-gen die Einweisung einer Obdachlosen indie geschlossene Psychatrie gesprht ha-

    ben soll. Der Fall der eingewiesenen Frauhat in ganz Italien fr Proteste u.. gesorgt.

    Hallo ihr alle,ich schreibe euch aus dem Poggioreale-

    Gefngnis in Napoles/Italien und sitze zurZeit im EIV-Flgel, einer Art Isolati-onstrakt, in dem ich besonders stark ber-wacht werde. ich schreibe, um euch bermeinen Hungerstreik zu informieren, denich am Montag, den 14.4.2008, antretenwerde, bis ich es fr richtig erachte, ihn zubeenden. Meine wesentlich Motivation zie-he ich aus der Solidaritt mit meinem in-

    haftierten Genossen Mauro, der mit erheb-lichen gesundheitlichen Beschwerden zukmpfen hat und nicht die ntige Versor-gung erhlt, die er bentigt. Weiterhin verweigert mit die Knastlei-

    tung seit 2 Monaten Briefe in spanischerSprache. Sie verweigern mir die Briefe mitdem Argument, dass erst der bersetzerkommen msse. Sie sagen: Wir haben an-gerufen, aber wenn keiner kommt .... Faktist, dass ich nun seit einem Monat nur re-de, um diese Probleme zu beseitigen, dochdaraus wurde nichts. Nun kann ich meinenFreunden und Familienmitgliedern nichtschreiben, und dies ist der einzige Weg, mitihnen zu kommunizieren.

    Dazu gibt es hier in diesem Flgel vieleDinge, die die Isolation noch isolierendermachen. Fakt ist, dass EIV sehr einschrn-kend ist, es gleicht praktisch 41bis.(A.d..:italienischer Iso-Knast-Artikel) Die Essens-rationen sind nahezu unverdaulich (stellteuch vor, jemand hat irgendeine Krankheitund braucht etwas zu Essen, doch hat keinGeld), und es gibt auch nichts zu kaufen(von allen Gefngnissen, in denen ich war,ist dies das schlimmste), du bekommst nur

    fundamentale Dinge wie Mehl und kleineRationen Gemse, deren Qualitt allerdingsknnt ihr euch vorstellen. Wir knnen unsnur zwei Mal in der Woche duschen, die,die Sport machen oder sich an anderen Ta-gen waschen wollen, mssen dies in derZelle tun, doch sitzen viele zu dritt in Zel-len, was das unmglich macht. Vernnftige Pltze fr Sport wie eine

    Sporthalle oder ein Platz existieren nicht,es ist uns nicht erlaubt, uns in der groenHalle zu treffen, wir drfen nur in 5er-6er-Gruppen in einen kleinen, bauflligen In-nenhof, zwei Stunden am Tag.

    Ich wei dass es viele Leute gibt, die sichin totaler Isolation befinden, wo es keineEIV-Flgel (A.d.:wohl eine abgeschwch-te Form der Isohaft) gibt, diese Isolationenexistieren, um Menschen auszulschen,

    und deshalb ist dieser Hungerstreik auch ei-ne Aktion gegen jede Art der Isolationshaft(FIES, CELL F, 41bis, EIV und andere) undfr die sofortige Freilassung aller Gefange-ner mit chronischen oder tdlichen Krank-heiten.

    Ich mchte Gre an Diego, Marco, Rafa,Joaquin, Jose, Gabriel und Thomas senden,welche gegen diese Dinge protestiert haben,und an all die, die dies von drauen tun,

    als wrden sie selbst von diesen Bedin-gungen betroffen sein!Gre an all die, die mir aus Spanien

    schrieben, speziell an Rafa John Bala(eingeknastet in Puerto3, Spanien)CheersFr Punk - nichts bereuen - fr ein starkesRckgrat

    Aus dem Gefngnis PoggiorealeJuan Sorroche

    Schreibt Juan:Juan Sorroche.Juan Antonio Sorroche Fernandez

    C.C. Poggiorealevia Nuova Poggioreale 17780143 NapoliItaly

    Griechenland

    Freispruch vs.kollektive SchuldIn Griechenland begann am 7. Mai das Be-rufungsverfahren im Fall Revolutionrer

    Volkskampf, ELA

    ber dreieinhalb Jahre nach Ende des ei-nen und fast drei Jahre nach Urteilsspruchim zweiten erstinstanzlichen Verfahren be-gann am Mittwoch das Berufungsverfah-ren gegen vier mutmaliche Mitglieder dergriechischen StadtguerillaorganisationRevolutionrer Volkskampf, ELA.

    Christos Tsigaridas, Irini Athanasaki, An-geletos Kanas und Kostas Agapiou warenim Oktober 2004 mit dem vorher auch nach

    griechischen Rechtsverstndnis unzulssi-gen Mittel der kollektiven Schuld zurzulssigen Hchststrafe von jeweils 25 Jah-ren Gefngnis wegen Beihilfe in 41 Bom-benanschlgen und einem versuchtenBombenanschlag sowie einem Mord und 48Mordversuchen schuldig gesprochen wor-den. Zwar war der Anklagepunkt der Mit-gliedschaft in einer kriminellen Vereini-gung bereits verjhrt, da der ELA nach1995 aufgehrt hatte zu existieren. Aus derdennoch als erwiesen erachteten Mitglied-schaft hatte das Gericht damals jedoch dieBeteiligung der Angeklagten - in welcher

    Form auch immer - an allen dem ELA zu-geschriebenen Anschlgen abgeleitet. Alseinzigen Beweis konnten sich die dreiRichter dabei auf die Aussage der Haupt-belastungszeugin Sofia Kyriakidou sttzen.

    Diese hatte ihren Ex-Ehemann AngeletosKanas sowie die beiden MitangeklagtenKonstantinos Agapiou und Irini Athanasa-ki beschuldigt, fhrende Mitglieder des ELAzu sein. Allerdings hatte die Zeugin beiihren verschiedenen Vernehmungen durchdie Polizei und Staatsanwaltschaft im Vor-feld des Prozesses sowie bei der Befragungdurch Richter und Verteidiger vllig wider-sprchliche Berichte ber die Verstrickung

    der Angeklagten in die Aktionen des ELAgeliefert. Mal wollte sie zwei, mal drei derAngeklagten, mal in dieser, mal in jener Wohnung beim gemeinsamen Bomben-bauen gesehen haben. Mehrmals konnte siesogar der Lge berfhrt werden. So hattesie sich mit ihren Beschuldigungenzunchst an einen angeblich ihr nicht be-kannten Polizisten gewandt. Die Verteidi-gung dagegen wies nach, dass die Zeuginmit dem Polizisten die Schulbank gedrckthatte. Noch whrend der erste Prozess lief,beschloss die griechische Justiz die Erff-nung eines zweiten Verfahrens. In ihm soll-

    te den Angeklagten die Beteiligung an 10weiteren Anschlgen zur Last gelegt wer-den, die nicht Gegenstand des ersten Pro-zesses gewesen waren. In der Substanz warder zweite Prozess nichts weiter als eine

    Wiederholung des ersten. Da dem Gerichtauch hier wieder jegliche Indizien fr dieTeilnahme der Angeklagte