Gefährdungsbeurteilung in der Praxis - agv- · PDF fileNACHGELESEN Mai 2015 Frage, mit...

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Informationen für Mitglieder und Partner der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen Mai 2015 „Wir möchten Ihnen heute die Gefährdungsbeurteilung schmackhaft machen.“ Mit einem klaren Ziel vor Augen eröffnete Diplom-Ingenieur Christian Schulte das Seminar „Gefährdungsbeurteilung in der Praxis“. Gemeinsam mit seinen Kollegen Marc Rockhoff und Claus Pachurka von der Berufsgenossen- schaft Holz und Metall (BGHM) hatte er ein straffes Programm geplant – inklusive einem Rundgang durch die Deutsche Arbeitswelt-Ausstellung (DASA) in Dortmund. Gefährdungsbeurteilung in der Praxis Verbandsingenieur Dirk Zündorff organisierte die Veranstaltung, an der rund 30 Personen aus den Mit- gliedsunternehmen teilnahmen. „Die erste Veranstal- tung dieser Art ist von unseren Mitgliedern derart nachgefragt worden, dass wir uns für einen Folge- termin entschieden hatten“, sagte Dirk Zündorff zu Beginn, denn das Thema Gefährdungsbeurteilung ist aktueller denn je. 2013 erfolgte eine Änderung des Arbeitsschutzgesetzes. Da sich Gefährdungen auch durch psychische Belastungen bei der Arbeit ergeben, sind diese im Rahmen der betrieblichen Gefährdungs- beurteilung ebenfalls zu ermitteln und zu beurteilen (§ 5 Arbeitsschutzgesetz, kurz: ArbSchG). Zunächst aber stand eine Führung durch die DASA auf dem Programm – immer im Hinterkopf dabei: welche Gefährdungen liegen bzw. lagen früher an ent- sprechenden Arbeitsplätzen vor. Es wird schnell anspruchsvoll Zurück im Seminarraum folgte eine theoretische Einführung in das Thema – und wurde schnell recht anspruchsvoll. Die Definition an sich bereitet keine Schwierigkeiten, denn mit einer Gefährdungsbeurtei- lung können die mit der Arbeit verbundenen Gefähr- dungen für die Beschäftigten ermittelt und beurteilt werden. Das gilt für alle Arbeitsplätze in einem Unternehmen und für alle Tätigkeiten. Nicht mehr so einfach ist es jedoch bei der Frage: Wann ist eine Gefährdungsbeurteilung in Ordnung? „Die Pflicht, eine Beurteilung durchzuführen, besteht bereits seit 1996. Wir haben mit der GDA-Leitlinie Gefähr- dungsbeurteilung und Dokumentation einen klaren Bemessungsgrundsatz“, sagte Christian Schulte. Er und seine Kollegen, die vor Ort in den Unternehmen beratend und prüfend im Einsatz sind, empfehlen: „Das kleine Einmaleins des Arbeitsschutzes sollten Sie immer machen und der ORGAcheck ist hierfür eine hilfreiche Selbstkontrolle.“ Weitere Arbeitsprogramme der GDA sind Muskel-Skelett-Erkrankungen (GDA-MSE) und Psychische Erkrankungen (GDA-Psyche), um festzustellen, in wie weit das Thema bereits in den Betrieben umgesetzt ist. „Das Arbeitsschutzgesetz bezog von Anfang an alle Gefährdungen – auch die psychischen – mit ein. Psychische Gefährdungen sind jedoch schwer zu er- mitteln“, sagte Marc Rockhoff, der bei der BGHM das Thema Psychische Belastungen bearbeitet. Im Jahr 2013 machten psychische Erkrankungen 14,7 % aller Krankentage aus. „Im Vergleich zu den 1970er Jahren hat sich der Anteil dieser Erkrankungsart deutlich erhöht“, zeigte Marc Rockhoff anhand von Statistiken der Betriebskrankenkasse. Das Problem in der Praxis beschrieb Rockhoff im Seminar wie folgt: „Bei der Fortsetzung auf Seite 2 „Das kleine Einmaleins des Arbeitsschutzes sollten Sie immer machen und der ORGAcheck ist hierfür eine hilfreiche Selbstkontrolle.“ CHRISTIAN SCHULTE

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Page 1: Gefährdungsbeurteilung in der Praxis - agv- · PDF fileNACHGELESEN Mai 2015 Frage, mit welcher Methode psychische Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen sind, läßt der Gesetz-geber

Informationen für Mitglieder und Partner der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen Mai 2015

„Wir möchten Ihnen heute die Gefährdungsbeurteilung schmackhaft machen.“ Mit einem klaren Ziel vor Augen eröffnete Diplom-Ingenieur Christian Schulte das Seminar „Gefährdungsbeurteilung in der Praxis“. Gemeinsam mit seinen Kollegen Marc Rockhoff und Claus Pachurka von der Berufsgenossen-schaft Holz und Metall (BGHM) hatte er ein straffes Programm geplant – inklusive einem Rundgang durch die Deutsche Arbeitswelt-Ausstellung (DASA) in Dortmund.

Gefährdungsbeurteilung in der Praxis

Verbandsingenieur Dirk Zündorff organisierte die Veranstaltung, an der rund 30 Personen aus den Mit-gliedsunternehmen teilnahmen. „Die erste Veranstal-tung dieser Art ist von unseren Mitgliedern derart nachgefragt worden, dass wir uns für einen Folge-termin entschieden hatten“, sagte Dirk Zündorff zu Beginn, denn das Thema Gefährdungsbeurteilung ist aktueller denn je. 2013 erfolgte eine Änderung des Arbeitsschutzgesetzes. Da sich Gefährdungen auch durch psychische Belastungen bei der Arbeit ergeben, sind diese im Rahmen der betrieblichen Gefährdungs-beurteilung ebenfalls zu ermitteln und zu beur teilen (§ 5 Arbeitsschutzgesetz, kurz: ArbSchG). Zunächst aber stand eine Führung durch die DASA auf dem Programm – immer im Hinterkopf dabei: welche Gefährdungen liegen bzw. lagen früher an ent-sprechenden Arbeitsplätzen vor.

Es wird schnell anspruchsvollZurück im Seminarraum folgte eine theoretische Einführung in das Thema – und wurde schnell recht anspruchsvoll. Die Definition an sich bereitet keine Schwierigkeiten, denn mit einer Gefährdungsbeurtei-lung können die mit der Arbeit verbundenen Gefähr-dungen für die Beschäftigten ermittelt und beurteilt werden. Das gilt für alle Arbeitsplätze in einem Unternehmen und für alle Tätigkeiten. Nicht mehr so einfach ist es jedoch bei der Frage: Wann ist eine Gefährdungsbeurteilung in Ordnung? „Die Pflicht, eine Beurteilung durchzuführen, besteht bereits seit 1996. Wir haben mit der GDA-Leitlinie Gefähr-dungsbeurteilung und Dokumentation einen klaren Bemessungsgrundsatz“, sagte Christian Schulte. Er und seine Kollegen, die vor Ort in den Unternehmen beratend und prüfend im Einsatz sind, empfehlen: „Das kleine Einmaleins des Arbeitsschutzes sollten Sie immer machen und der ORGAcheck ist hierfür eine hilfreiche Selbstkontrolle.“ Weitere Arbeitsprogramme der GDA sind Muskel-Skelett-Erkrankungen (GDA-MSE) und Psychische Erkrankungen (GDA-Psyche), um fest zustellen, in wie weit das Thema bereits in den Betrieben umgesetzt ist.

„Das Arbeitsschutzgesetz bezog von Anfang an alle Gefährdungen – auch die psychischen – mit ein. Psychische Gefährdungen sind jedoch schwer zu er-mitteln“, sagte Marc Rockhoff, der bei der BGHM das Thema Psychische Belastungen bearbeitet. Im Jahr 2013 machten psychische Erkrankungen 14,7 % aller Krankentage aus. „Im Vergleich zu den 1970er Jahren hat sich der Anteil dieser Erkrankungsart deutlich erhöht“, zeigte Marc Rockhoff anhand von Statistiken der Betriebskrankenkasse. Das Problem in der Praxis beschrieb Rockhoff im Seminar wie folgt: „Bei der

Fortsetzung auf Seite 2

„Das kleine Einmaleins des

Arbeitsschutzes sollten Sie

immer machen und der

ORGAcheck ist hierfür eine

hilfreiche Selbstkontrolle.“

CHRISTIAN SCHULTE

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NACHGELESEN Mai 2015

Frage, mit welcher Methode psychische Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen sind, läßt der Gesetz-geber den Unternehmen freie Hand. Was tatsäch-lich beurteilt werden soll, ist ebenfalls oft unklar. Das erschwert eine fundierte Bewertung vor Ort im Betrieb zusätzlich.“ Bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen stehe nicht die Wirkung auf den einzelnen Beschäftigten im Fokus, sondern nur die Einflussfaktoren aus der Arbeit. Außerberufliche Belastungen blieben dabei unberücksichtigt.

Im weiteren Verlauf des Seminars stellte Claus Pachurka die konkreten Arbeitsschritte bei der Erstel-lung einer Gefährdungsbeurteilung vor. Nach einer Vorbereitung und Übersicht geht es um die Ermitt-lung der Gefährdungen für jeden Arbeitsplatz. Eine Liste mit Gefährdungsfaktoren hilft, nichts zu ver-gessen. Im nächsten Schritt müssen die Gefährdun-gen bewertet werden. Mithilfe eines Arbeitsblattes kann das Risiko einer konkreten Tätigkeit einge-schätzt werden. Daraus ergeben sich Maßnahmen, die abhängig vom Gefährdungspotential zu ergreifen sind. Je höher die Gefährdung, desto weitreichen-der sind die jeweiligen Maßnahmen. Am besten ist jedoch die Beseitigung der Gefahrenquelle. „Wichtig ist außerdem, die Wirksamkeit der Maßnahmen nach ihrer Umsetzung regelmäßig zu kontrollieren“, sagte Claus Pachurka und fügt an: „Wiederholen Sie die Schritte einer Gefährdungsbeurteilung in regelmäßi-gen Abständen. Eine Gefährdungsbeurteilung ist nie abgeschlossen, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der sich mit dem Unternehmen weiterentwickelt.“

Mit dem Handwerkszeug für eine erfolgreiche Gefähr-dungsbeurteilung ausgerüstet, teilten sich die Semi-nar-Teilnehmer in vier Gruppen auf, um Arbeitsplätze der DASA einer Gefährdungsbeurteilung zu unterzie-hen. „Mit konkreten und praktischen Elemente wird die Theorie in der Praxis angewendet. Das verankert das Gelernte in den Köpfen besonders nachhaltig“, sagte Dirk Zündorff.

Gefährdungen selbst beurteiltZurück in großer Runde stellten die Teilnehmenden ihre Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilungen vor. Die zu bewertenden Tätigkeiten waren ein „Leuch-tenwechsel in der Stahlhalle bei laufendem Publi-kumsverkehr“, die „Glasreinigung der Außenfronten der DASA per Fremdvergabe“, die „Tätigkeiten am Infoschalter der DASA“ sowie der „Gabelstaplertrans-port von Stahlrollen“. Beim Leuchtenwechsel galt es die Gefährdungen durch bewegte Transport- und Arbeitsmittel zu berücksichtigen. Das Arbeiten auf einer Hubarbeitsbühne macht zudem das Absperren des Arbeitsbereichs notwendig. Weitere Maßnahmen,

die von der Gruppe vorgestellt wurden, waren das Aufstellen von Warnschildern, das Anlegen von Sicherheitsgeschirr oder die Rücksprache mit der Haustechnik. Auch die anderen drei Gruppen stellten aufgabenspezifische Maßnahmen zur Gefährdungs-vermeidung vor. „Alle Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmer haben das am Vormittag Gelernte gut angewendet“, resümierte Christian Schulte. Er und seine Kollegen fassten abschließend die wichtigsten Eckpunkte für das Gelingen einer Gefährdungsbeur-teilung kurz zusammen. „Solange die Unterlagen den Ansprüchen an eine ordnungsgemäße Gefährdungsbe-urteilung entsprechen und Sie sich hieran orientieren, sind Sie auf einem guten Weg für Mehr Sicherheit am Arbeitsplatz“, so Christian Schulte. Auch wenn die Gefährdungseinschätzung nicht immer einfach sei: „Wenn Sie nach einem Unfall eine nachvollziehbare Gefährdungsbeurteilungen vorlegen können, erspart Ihnen das viel rechtlichen oder auch gerichtlichen Ärger. Und an Rechtssicherheit sollte auch in diesem Zusammenhang jedem Unternehmer gelegen sein“, sagt Schulte. „Sollten Sie Fragen haben oder nicht mehr weiter wissen, stehen auch wir als Verband in Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandte Arbeitswissenschaft gerne zur Verfügung“, beendete Dirk Zündorff die Veranstaltung.

Impressum: Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen, Königsallee 67, 44789 Bochum, Verantwortlich für den Inhalt: Dipl.-Soz.-Wiss. Alexander Füten, Fon: 0234 / 5 88 77-79, Fax: 0234 / 5 88 77-70, Mail: [email protected], www.agv-bochum.de

„Wiederholen Sie die Schritte

einer Gefährdungsbeurteilung

in regelmäßigen Abständen.

Eine Gefährdungsbeurteilung

ist nie abgeschlossen, sondern

ein kontinuierlicher Prozess,

der sich mit dem Unterneh-

men weiter ent wickelt.“

CLAUS PACHURKA

„Bei der Frage, mit welcher

Methode psychische Belas-

tungen zu ermitteln und

zu beurteilen sind, läßt

der Gesetzgeber den Unter-

nehmen freie Hand. Was

tatsächlich beurteilt werden

soll, ist ebenfalls oft unklar.“

MARC ROCKHOFF