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Inhalt Die Organisatoren 3 Grußwort des Präsidenten der Stiftung Universität Hildesheim, W-U. Friedrich

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Grußwort des Dekans Fachbereich 1, M. Schreiner 6 Schreiben des Landessuperintendenten E. Gorka 7 Zielsetzung des Symposiums 8 Programmübersicht 12 Ausführliches Programm 16 Tagungsstätte Michaeliskloster 54 Namen und Kontaktdaten der Referenten 56 Dank 58

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Die Organisatoren

Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik der Universität Innsbruck: Prof. Dr. Robert Rollinger Dr. Sabine Fick

Institut für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim:

von links: Dr. Felix Hinz, Louise Stevenson, Hinnerk Meyer M.A., Alexander Hundt, Prof. Dr. Michael Gehler, Dr. Peter Müller, Andreas Pudlat M.A., Eva Löw, Andreas

Schimmelpfennig M.A.

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Grußwort des Präsidenten der Stiftung Universität Hildesheim

Sehr geehrte Konferenzteilnehmer, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Namen des Präsidiums der Stiftung Universität Hildesheim begrüße ich Sie sehr herzlich zur internationalen Tagung „Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche“, die unser dynamisches Institut für Geschichte unter der Leitung von Kollegen Gehler ausrichtet. Während die Stadt auf eine mehr als 1000-jährige Geschichte zurückblickt und mit dem Weltkulturerbe Michaeliskirche in diesem Jahr das Millennium feiert, zählt die Universität Hildesheim zu den jungen Hochschulen Deutschlands. Zwar gab es schon im 19. Jahrhundert ein Lehrerbildungsseminar in der Stadt, doch die eigentliche Gründung fand durch die britische Militärregierung 1946 statt, und zwar zunächst im benachbarten Alfeld. Hildesheim war in den letzten Kriegswochen schwer zerstört worden. Im Jahr 1970 erfolgte der Umzug nach Hildesheim. In mehreren Schritten wurde aus der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen, Abteilung Alfeld dann die Abteilung Hildesheim, später die Hochschule Hildesheim und schließlich 1978 die Universität Hildesheim. Neben den Erziehungswissenschaften wurden die Kulturwissenschaften aufgebaut, danach traten Informations- und Kommunikationswissenschaften hinzu. Auf der Basis des Hochschulreformgesetzes von 2002 wurde am 1. Januar 2003 die Stiftung Universität Hildesheim gegründet. Wir sind seitdem eine Universität in staatlicher Verantwortung und in der Trägerschaft einer öffentlichrechtlichen Stiftung. Eine Reihe von Intendanzaufgaben, darunter die Bauherreneigenschaft, wurde der Hochschule übertragen. Das Ministerium führt die Rechtsaufsicht über die Stiftung, die Fachaufsicht wurde delegiert. Die Hochschule erhielt das Berufungsrecht. Seitdem fand ein zügiger Ausbau statt. Die Zahl der Professuren wuchs von knapp 50 auf heute 85, die der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf rund 300. Wir zählen insgesamt knapp 600 Beschäftigte. Die Universität Hildesheim ist in vier Fachbereiche gegliedert: Erziehungs- und Sozialwissenschaften; Kulturwissen-schaften und Ästhetische Kommunikation; Sprach- und Informationswissenschaften; Mathematik, Naturwissenschaften, Wirtschaft und Informatik. Im Wintersemester 2009/10 übersprangen wir erstmals die Marke von 5.000 Studierenden. Wir wollen uns als Profiluniversität in dieser Größenordnung weiterentwickeln. Dazu gehört schwerpunktmäßig die Schärfung des Forschungsprofils. Ich freue mich deshalb außerordentlich, dass das Institut für Geschichte wichtige Impulse gibt. Dazu zählt auch diese Fachtagung. Im Namen des Präsidiums danke ich herzlich Prof. Dr. Michael Gehler, Dr. Felix Hinz und Prof. Dr. Robert Rollinger für die Organisation.

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Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wünsche ich einen guten Tagungsverlauf, interessante Gespräche und wichtige Impulse, Anreize für weitere gemeinsame Forschungsvorhaben und – last but not least – die Möglichkeit zum Besuch der Michaeliskirche und anderer Sehenswürdigkeiten der Stadt. Zum Abschluss erlaube ich mir einen besonderen Hinweis: das Roemer- und Pelizaeus Museum verfügt über eine sehr bedeutende ägyptologische Sammlung und bietet zurzeit mit der Ausstellung „Zypern - Insel der Aphrodite“ einen wunderbaren Einblick in die mediterrane Welt. Noch einmal „herzlich willkommen“! Ihr

(Prof. Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich)

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Grußwort des Dekans Fachbereich 1 Sehr geehrte Tagungsteilnehmende,

als Dekan des Fachbereichs I Erziehungs- und Sozialwissenschaften der Stiftung Universität Hildesheim begrüße ich Sie sehr herzlich zur Tagung „Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche“. Das Institut für Geschichte richtet die Tagung gemeinsam mit dem Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik der Universität Innsbruck aus, einem der vielen nationalen und internationalen Forschungspartner, mit denen Professor Dr. Michael Gehler als Leiter des Instituts für Geschichte und Inhaber des Jean Monnet Chairs für „Vergleichende europäische Zeitgeschichte und die Geschichte der europäischen Integration“ eng verbunden ist. Professor Dr. Gehler hat seit seinem Ruf nach Hildesheim im Jahr 2006 das Institut in eindrucksvoller Weise ausgebaut und seine vielfältigen herausragenden Forschungstätigkeiten weitergeführt, die erst solche bedeutenden Tagungen mit renommierten Historikerinnen und Historikern ermöglichen. Eine epochenübergreifende und globalhistorische Sichtweise spiegelt sich auch in der umfangreichen Vortrags- und Publikationstätigkeit von Prof. Dr. Gehler wider. Mit der außerordentlich gut nachgefragten öffentlichen Vortragsreihe „Europa-Gespräche“ hat Kollege Gehler seit 2007 kontinuierlich das Institut für Geschichte auch über die Universität Hildesheim hinaus in Stadt und Region sichtbar gemacht und als Garant für aktuelle und hochrangige wissenschaftliche Vorträge etabliert, wie nun auch Ihre Tagung zeigt. Es ist mir eine ganz besondere Freude, den Althistoriker Prof. Dr. Rollinger, der zu seinen zahlreichen Wissenschaftspreisen in Kürze nun auch denjenigen des Landes Vorarlberg entgegennehmen darf, hier in Hildesheim als Mitveranstalter der Imperientagung begrüßen zu dürfen. Den passenden Rahmen bietet die wunderbare Tagungsstätte am Weltkulturerbe St. Michaelis. Sie ist nur ein Beispiel für die Stadt Hildesheim als attraktiver geschichtlicher Ort, an dem sich ein Historiker zu Hause fühlen kann, wie Michael Gehler bereits zu seinem Wechsel nach Hildesheim betonte. Dieses Wohlfühlen wünsche ich auch Ihnen als Tagungsteilnehmenden. Ich wünsche Ihnen interessante und anregende Vorträge, Begegnungen und Gespräche sowie einen angenehmen Aufenthalt im nachösterlichen Hildesheim, an den Sie sich hoffentlich oft und gerne erinnern werden. Viel Erfolg und einen herzlichen Dank an das Organisationsteam.

Mit freundlichen Grüßen

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Zielsetzung des Symposiums (M. Gehler, R. Rollinger) I. Einführung in die Thematik Die Beschäftigung mit Imperien und Reichen hat in den letzten Jahren in den Wissenschaften eine merkliche Konjunktur erfahren. Die Gründe sind vielfältig, aber rasch aufgezählt. Es sind im Wesentlichen drei, nämlich (a) fachwissenschaftliche, (b) zeithistorische Konstellationen und gegenwartsgeschichtliche sowie (c) aktuelle Hintergründe, d.h. Motive auch ausgehend von der Beurteilung zukünftiger Möglichkeiten. 1. Das Ende des Kalten Krieges in Europa (1989/90), die Auflösung des Warschauer Paktes und der Zusammenbruch der Sowjetunion (1991), die NATO-Osterweiterung ab Mitte der 1990er Jahre, aber auch Überdehnungen („imperial overstretch“) und Überhebungen der verbliebenen Weltmacht USA im Afghanistan-, Nahost- und Golfkonflikt (2003 ff.) während der Administration von US-Präsident George W. Bush (2000-2008), der Qualitätssprung der Europäischen Union von einer Handels- zu einer Währungsunion (2002) sowie ihre Erweiterung um zehn (2004) bzw. noch einmal zwei weitere neue Mitgliedsstaaten (2007) vornehmlich um die Mitte, den Osten und Südosten des Kontinents sowie die Wiederkehr der russischen Großmachtpolitik in den letzten Jahren unter Vladimir Putin und Dmitri Medwedew waren Anlässe und Motivationen genug, eine intensivere Befassung mit Großreichen und die Erforschung von Imperienbildungen, Hegemonialmacht-Stellungen und

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Reichszerfallserscheinungen zum Gegenstand verstärkter politik- und geschichts-wissenschaftlicher Untersuchungen zu machen. Dass dabei vornehmlich Männer Geschichte machen würden, wurde in der deutschsprachigen Geschichtsschreibung der 1980er und 1990er Jahre noch als anachronistisch und abwegig bewertet, während zeitgleich, im gegenwarts-geschichtlichen Prozess, gerade Männer wieder Geschichte zu machen begannen. Erwähnt seien einerseits Michail S. Gorbatschow, Ronald Reagan und später dann der schon erwähnte Bush (jun.), aber andererseits auch widersetzliche Männer, die Herausforderungen für Imperien darstellten, wie Ayatollah Khomeini, Saddam Hussein und Osama bin Laden. Diese Männer wurden mit der Infragestellung, der Erosion oder gar dem Zusammenbruch von Imperien einerseits, aber auch mit Herausforderungen und Provokationen für die Supermächte andererseits empfun-den. Auf einer anderen Ebene wurden zentrale politische Akteure und Entschei-dungsträger für die Erweiterung von staatlichen Zusammenschlüssen (Kommissions-präsident Jacques Delors, Deutschlands Bundeskanzler Helmut Kohl oder Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand für die Europäische Union), andere wiederum für deren Auflösung (Slobodan Milošević für Jugoslawien) verantwortlich gemacht. 2. In den Historiografien setzte einerseits eine gewisse Übersättigung aufgrund der Fokussierung auf eine Sozial- und Alltagsgeschichte (Geschichte „von unten“) bzw. auch ein Abklingen von postmodernen Tendenzen („anything goes“, interessanterweise zuerst in der US-Historiografie) ein, andererseits erfolgte eine Renaissance von neuen politikhistorischen und neorealistischen Ansätzen in der Geschichts- und Politikwissenschaft der internationalen Beziehungen. Dabei gibt es eine lange und große Tradition von Macht-, Reichs- und Universalgeschichts-schreibungen der großen Mächte und Imperien und ihrer Akteure, wenn man an Leopold von Ranke im 19. Jahrhundert oder Paul Kennedy im 20. Jahrhundert („Aufstieg und Fall der großen Mächte“) denkt, sodass sich an diese Traditionen und entsprechende Vorbilder anknüpfen ließ. 3. Ein indirekter Impetus für die rezente und intensivierte Beschäftigung mit Imperien hängt auch mit der seit Ende des Kalten Krieges einsetzenden Debatte nach der zukünftigen Weltordnung angesichts der vermeintlich einzig verbliebenen Weltmacht USA, vor allem aber aufgrund von sich reetablierenden und neu formierenden Großmächten wie Russland, China, Indien, Brasilien oder EU-Europa zusammen. Diese Prozesse haben gleichzeitig das Interesse an historischen Vorläufern, ihrer Dauer, Erfolg und Scheitern von Welt-Hegemonialmächten geweckt. II. Das Vorhaben: Befunde und Umsetzung Betrachtet man neuere und neueste Forschungen zur Imperiengeschichte, so lassen sich drei Befunde feststellen: 1. Isoliert voneinander wurden und werden einzelne Fallbeispiele von Imperien einer genaueren Untersuchung unterzogen, z. B. die Ursachenforschungen über den raschen Zusammenbruch der Habsburger Monarchie im Zuge des Ersten Weltkriegs 1917/18, der sich nach 1945 vollziehende dahin ziehende Niedergang des britischen Empire – das Thema „decline“ beherrscht seit Jahrzehnten die britische contemporary history –, der rapide Zerfall der UdSSR 1991 und der unter George W. Bush dramatisch zu bezeichnende Glaubwürdigkeitsverlust des „liberal empire“ (Niall

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Ferguson) der Vereinigten Staaten von Amerika und der damit verbundenen massiven Infragestellung ihrer Weltmachtambitionen. 2. Teilweise werden willkürlich und nur vereinzelt historische Reiche und imperiale Mächte gegenübergestellt und analysiert, ohne die größeren historischen Entstehungshintergründe, Entwicklungsstränge sowie die Beziehungen zu dritten Machtfaktoren und die sich daraus ergebenden Konsequenzen und Unterschiede zu reflektieren, d. h. die jeweiligen gesamthistorischen Komplexitäten und machtge-schichtlichen Kontexte einzubeziehen. Ein Beispiel lieferte jüngst eine Darstellung über Imperien, die u. a. auch das Imperium Romanum behandelte, ohne nur ansatzweise das mit ihm konkurrierende Reich der Parther mit-einzubeziehen. 3. Ein großangelegtes, d. h. epochenübergreifendes, interdisziplinäres und vergleichend angelegtes Unternehmen im Sinne einer „histoire totale“ war und ist von Einzelforschern nicht zu bewältigen und bleibt wohl nur im Wege einer konzertierten und umfassenden Aktion einer Reihe von ausgewiesenen Fachexperten möglich. Aufgrund dieser Überlegungen soll im Rahmen dieser breit angelegten internationalen Konferenz einer möglichst großen Zahl bisher historisch bekannter und greifbarer imperialen Ordnungen und Reichsbildungen nicht nur erinnert werden, sondern diese – in einer räumlich flächendeckenden, d. h. interkontinentalen, – zeitlich umfassenden, d. h. epochenübergreifenden und somit in – universalhistorischer Weise systematisch, d. h. vergleichend vorgestellt und nach

einheitlichen Kriterien analysiert werden. Der Bogen soll von der Frühantike bis in die neueste Zeit und weiter in die Gegenwart gespannt werden. Imperien des Altertums, des Mittelalters, der Neuzeit und der Zeitgeschichte ausgehend vom Vorderen Orient, Europa, Amerika, Lateinamerika bis Asien sollen erfasst und gegenübergestellt werden. Dies ist in einer konzertierten Gemeinschaftsaktion eines Netzwerks von rund vierzig Fachleuten im Rahmen eines internationalen Großsymposiums mit fest vereinbarten gleichen Herangehensweisen und verbindlichen Untersuchungskriterien möglich. Die Grobstruktur des Symposiums teilt sich demgemäß in drei Abschnitte bzw. die Reihenfolge der Beiträge des Symposiums gliedert Imperien nach „Ancient History“, „Medival and Modern History“ sowie der „Contemporary History“. Die Beiträge sollten nach Lage der Dinge ausgehend von zwei Hauptzugängen und jeweils fünf einzelnen Subkriterien aufgebaut sein. I. Realgeschichte der Imperien 1. Entstehung (Gründungsmythos?, Machtvakuum?, Apolaritäten?, Nachbarn?, machthistorischer Hintergrund und machtpolitischer Kontext?, antagonistische Mächte? [Charles Maier, S. 23, 26 f.], Polaritäten?); 2. Struktur (Führung, Repräsentanten, Apparate, Heer, soft-power factors, Institutionen, Verwaltung, Zentrum- Peripherie, Zentralisierung-Dezentralisierung); 3. Ausdehnung („beachtliches Herrschaftsgebiet“, Herfried Münkler, S. 23), Expansion (Wachstum von innen nach außen oder von außen nach innen? Maier, S. 69), Etablierung, Integration, Selbstdarstellung (Offenheit, Unbestimmtheit, „die Dynamik instabiler Grenzen“ Maier, S. 48), Heuchelei (als Preis des Imperialismus und der Imperien an die Demokratie, Maier S. 64) und Legitimation, Missionen, Versprechen, Kommunikation nach innen und außen, Reform-, Widerstands- und Regenerationsfähigkeit; Überschreitung der „augusteischen Schwelle“ (Michael

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Doyle, S. 80), Dauerhaftigkeit versus Schnelllebigkeit: longue durée-Reiche oder kurzlebige Kriegsimperien?; 4. Reaktionen und Wahrnehmung durch Dritte, größerer machthistorischer Kontext; 5. Erosion und Zerfall (schleichender und sich ziehender Niedergang, Wechsel der Dynastien, Institutionenverfall) oder abruptes Ende und totaler Zusammenbruch? → Rückwirkung auf Rezeption). II. Rezeptionsgeschichte der Imperien 1. Konkrete Wirkungsgeschichte (Erbe, Hinterlassenschaft und zivilisatorische Leistungen); 2. Imaginierte Rezeptionen (Ausblendungen, Realfiktionen, Vergessenheiten und Vernachlässigungen, Stilisierungen, Überinterpretationen, Unverhältnismäßigkeiten in den Bedeutungszuschreibungen); 3. Bezugnahmen auf geschichtliche Imperien, Vorläufer, Erzeugung von historischem Bewusstsein und Tradition, imperiale Schein-Kontinuitäten); 4. Historiografien (Historiker und ihre Schulen: Wer macht ein Imperium zum Impe-rium, wer schreibt ein Imperium groß?); 5. Moderner Forschungsstand und epochenübergreifender Vergleich (Analogien, Parallelen, Unterschiede).

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Programmübersicht Sonntag, 25. April: Eröffnung Eintreffen der Tagungsteilnehmer 20:00 Uhr Eröffnung des Symposiums

• Eröffnungsworte Martin Schreiner (Dekan des Fachbereichs I, Universität Hildesheim)

• Eröffnungsvortrag zur Tagung in der St. Michaeliskirche, Paul Naredi-Rainer (Innsbruck): St. Michaelis, die romanische Kathedrale und die Idee des göttlichen Imperiums

Montag, 26. April: I. ANTIKE IMPERIEN, Teil 1 09:00 Uhr chair: Josef Wiesehöfer

• Hans Neumann (Münster): Altorientalische Imperien des 3. und 2. Jahrtausends v.Chr.

• Karen Radner (London): The Neo-Assyrian Empire 10:00 Uhr

• Michael Jursa (Wien): Das neubabylonisch-chaldäische Imperium

• Kai Ruffing (Marburg): Rom - Das paradigmatische Imperium

11:30 Uhr Diskussion 12:30 Uhr Mittagessen 14:00 Uhr chair: Hans Neumann

• Monika Schuol (Berlin): Das Reich der Hethiter - ein Imperium?

• Karl Jansen-Winkeln (Berlin): Ägypten im 3. und in der 1. Hälfte des 2. Jahrtausends – ein Imperium?

• Orell Witthuhn (Heidelberg): Ägypten im Neuen Reich: ein Imperium?

15:30 Uhr Kaffeepause 16:00 Uhr

• Miroslavo Salvini (Rom): Urartu - ein Imperium? • Wouter Henkelman (Paris): Elam – ein Imperium?

17:00 Uhr Diskussion 18:30 Uhr Empfang im Rathaus der Stadt Hildesheim 20:00 Uhr Abendessen (Domäne Marienburg) Dienstag, 27. April: II. ANTIKE IMPERIEN, Teil 2 09:00 Uhr chair: Kai Ruffing

• Peter Kehne (Hannover): Das attische Seereich – ein Imperium?

• Christoph Schäfer (Trier): Die Diadochenstaaten: „Imperien“ oder konkurrierende Territorialstaaten?

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10:00 Uhr Kaffeepause 10:30 Uhr

• Josef Wiesehöfer (Kiel): Parther und Sasaniden: Imperien zwischen Rom und China

• Wolfgang Christian Schneider (Hildesheim): Das oströmische Imperium im 5. Jh. und 6. Jh. – Das Imperium Justinians I.

• Robert Rollinger (Innsbruck): Das teispidisch-achaimenidische Imperium

12:00 Uhr Diskussion 13:00 Uhr Mittagessen III. MITTELALTERLICHE UND FRÜHNEUZEITLICHE IMPERIEN 14:30 Uhr chair: Robert Rollinger

• Jaakko Hämeen-Anttila (Helsinki): The Umayyad State – an Empire? [ausgefallen – stattdessen Reserve Felix Hinz]

• Heinz Halm (Tübingen): Die Reiche der Fatimiden, Ajjubiden und Mamluken – Imperien?

15:30 Uhr Kaffeepause 16:00 Uhr

• Hans van Ess (München): China von der Antike bis in die Neuzeit: eine Abfolge von Imperien?

16:30 Uhr Diskussion 18:00 Uhr Abendessen 19:15 Uhr Führung im Roemer- und Pelizaeus-Museum 21:00 Uhr Orgelkonzert in St. Michael (Helmut Langenbruch, Kirchen-

musikdirektor an St. Michael) Mittwoch, 28. April: Tagesexkursion nach Goslar zur Kaiserpfalz Donnerstag, 29. April 09:00 Uhr chair: Hans-Heinrich Nolte

• Hermann Kulke (Kiel): Das gesamtindische Großreich der Mauryas im 4.-2. Jh. v.Chr.

• Dietmar Rothermund (Heidelberg): Imperien in Indien vom Mittelalter bis zur Neuzeit

10:00 Uhr Kaffeepause 10:30 Uhr

• Johannes Gießauf (Graz): Die Mongolen und ihre „Imperien“

• Bert G. Fragner (Wien): Iran in Mittelalter und Neuzeit: ein Imperium?

11:30 Uhr Diskussion 12:30 Uhr Mittagessen

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14:00 Uhr • Evangelos Chrysos (Athen): Byzantium – an empire of longue durée

• Kenan Ínan (Trabzon): The Ottoman Empire 15:00 Uhr Kaffeepause 15:30 Uhr chair: Peter Müller chair: Herbert Reyer

• Roland Steinacher (Wien): Merowinger und Karolinger - Imperien zwischen Antike und Mittelalter

• Christoph Kampmann (Marburg): Das Heilige Römische Reich deutscher Nation – ein Imperium?

• Thomas Vogtherr (Osnabrück): Die europäische Staatenwelt im hohen und späten Mittelalter. Imperien oder konkurrierende Territorialstaaten?

• Jens E. Olesen (Greifswald): Ein Ostseeimperium? Das schwedische Reich

17:30 Uhr Diskussion 18:30 Uhr Abendessen 19:30 Uhr Führung durch St. Michael von Wolfgang Christian Schneider Freitag, 30. April: IV. NEUZEITLICHE UND ZEITGESCHICHTLICHE IMPERIEN 08:30 Uhr chair: Felix Hinz

• Walther L. Bernecker (Erlangen): Das Spanische Reich • Alfred Kohler (Wien): Das Universalreich Karls V. • Michael Broers (Oxford): The Napoléon Empire

10:00 Uhr Kaffeepause 10:30 Uhr chair: Andreas Schimmelpfen- nig

• Robert Aldrich (Sydney): The French Overseas Empire 1830-1962

• Arnold Suppan (Wien): Die Habsburger Monarchie - ein Imperium?

11:30 Uhr Diskussion 12:30 Uhr Mittagessen 14:00 Uhr chair: Michael Gehler

• Hans-Heinrich Nolte (Hannover): Das russländische Imperium (1721-1917)

• Hans-Ulrich Thamer (Münster): Das Dritte Reich • Gerhard Simon (Bonn): Die Sowjetunion

15:30 Uhr Diskussion 16:30 Uhr Kaffeepause 17:00 Uhr chair: Reinhold Bichler

• Peter Wende (Frankfurt am Main): Das British Empire • Hans-Jürgen Schröder (Gießen): Die USA – ein Imperium? • Michael Gehler (Hildesheim): Die Europäische Union – ein

Imperium? 18:30 Uhr Diskussion 19:30 Uhr Abendessen 20:30 Uhr Empfang im Haus Prof. Gehlers

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Samstag, 1. Mai: V. WAHRNEHMUNG UND VERMITTLUNG VON IMPERIEN 09:00 Uhr chair: Michael Gehler

• Reinhold Bichler (Innsbruck): Die Wahrnehmung antiker Imperien am Beispiel Alexander des Großen: Ein Imperium der Imagination

• Christian Lekon (Lefke): Die Wahrnehmung moderner Imperien

• Raimund Schulz (Bielefeld): "Ungeliebte Kinder"? - Imperien in der Geschichte und die Geschichtsdidaktik

10:30 Uhr Diskussion 11:00 Uhr Abschlussbeitrag und -kommentar

• Ulrich Menzel (Braunschweig): Imperien versus Hegemonialmächte: Vergleichende Befunde

12:00 Uhr Ausklang mit Mittagessen 14:00 Uhr Stadtführung durch Hildesheim

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Ausführliches Programm Sonntag, 25. April Eintreffen der Tagungsteilnehmer, Eröffnung des Symposiums Sonntag, 25. April, 20:00 Uhr in der St. Michaeliskirche, Eröffnungsworte des Dekans Fachbereich I, Universität Hildesheim: Martin Schreiner Paul Naredi-Rainer (Innsbruck): St. Michaelis, die romanische Kathedrale und die Idee des göttlichen Imperiums Wer baut, will ordnen. Diese Ordnung legt das jeweilige Welt- und Menschenbild mit den Mitteln der Raumkunst aus. Ein solches Architekturverständnis impliziert die Einsicht, dass Baukunst keineswegs nur aus künstlerischen Voraussetzungen entsteht, sondern dass ihre Formensprache auch Bedeutungen transportiert, deren Sinn aus historischen Zusammenhängen entschlüsselt werden muss. St.Michalis in Hildesheim gehört zu den Bauwerken, die exemplarisch jenen Gedanken verkörpern, der im Zentrum des mittelalterlichen Weltbildes steht: der Gedanke des „ordo“. Bischof Bernward von Hildesheim, der „sapiens architectus“ der Michaeliskirche, führte den Wahlspruch „Ne quid nimis“ – „nichts zu viel“, oder besser: „Alles mit Maßen“ – ein Motto, das einem der sieben Weisen von Griechenland zugeschrieben wird und auch im Inneren des Apollontempels von Delphi angebracht war. In der Ebenmäßigkeit und den perfekten Proportionen der Michaeliskirche klingt nicht nur antikes Gedankengut an, sondern manifestiert sich auch jener ordo-Gedanke, von dem auch die mittelalterliche Idee des göttlichen Imperiums getragen wird. Montag, 26. April I. ANTIKE IMPERIEN, Teil 1 Montag, 26. April, 09:00 Uhr Hans Neumann (Münster): Altorientalische Imperien des 3. und 2. Jahrtausends v.Chr. Historische Voraussetzungen und sozioökonomische Grundlagen In der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v.Chr. kam es zur Herausbildung der beiden ersten größeren Territorialstaaten in Mesopotamien: des Reiches der Könige von Akkade (24.-22. Jh. v.Chr.) und des Reiches der Herrscher von Ur (21. Jh. v.Chr.). Innere, wie äußere Faktoren drängten zur Überwindung des bis zur Jahrtausendmitte im Süden Mesopotamiens vorherrschenden Systems von sog. Stadtstaaten. Politisch zwar nur zeitweise stabil waren die neuen „Reiche“ in Bezug auf die Entwicklung der ökonomischen und geistig-religiösen Grundlagen der sich in einem überregionalen Königtum manifestierenden Staatsgewalt durchaus in Teilen innovativ und in ihrer historischen Wirkung nachhaltig. Seit dem 19. Jh. v.Chr. feststellbare Veränderungen im politisch-sozialen Gefüge in Mesopotamien bedingten u.a. auch Veränderungen im Bereich der macht- und religionspolitischen Grundlagen des Königtums in altbabylonischer Zeit, wie sie sich in den Verhältnissen im Reich der I. Dynastie von Babylon unter Hammurapi manifestierten (18. Jh.

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v.Chr.). Mit der Staatsbildung im 16. Jh. v.Chr. unter den Kassiten, die sich in besonderer Weise legitimatorisch und sozioökonomisch absichern mussten, trat Babylonien zunehmend als Machtfaktor im Rahmen eines ganz Vorderasien umspannenden Beziehungsgeflechts von Großmächten in Erscheinung. Montag, 26. April, 09:30 Uhr Karen Radner (London): The Neo-Assyrian Empire During the Neo-Assyrian period, from the early 9th to the late 7th century BC, the kingdom of Assyria (mat Aššur “country of (god / city) Assur”) has been described as an empire – with good reason. Assyria’s core region in Northern Iraq, in the triangle between the cities of Assur (north of modern Tikrit), Nineveh (= modern Mosul) and Arbail (= modern Erbil), was at that time the political, economic and cultural centre of the Middle East. The Assyrian king and his advisers controlled not only the regions that formally constituted the Assyrian state but also the nominally independent neighbour states. These were much smaller in size and, with some exceptions, under the rule of local dynasts who were bound to the Assyrian king by oath and treaty, accepted his supremacy and supplied him with goods, services, workforce and political support. Clay tablets inscribed in Assyrian and Babylonian language and cuneiform script, most importantly from the royal archives of Nineveh and Kalhu (modern Nimrud), allow us to analyze the organizational setup of the Assyrian Empire and show that its comparative stability and longevity is owed to innovations in administrative technology that afforded the control of a geographical area of unprecedented dimensions. The size of the state made it a necessity that the king delegated local governing power to a second level of imperial control: the provincial governors. Bound by loyalty oaths, their allegiance to the king was further protected by the fact that they were eunuchs, whose family links had been severed and replaced by the patronage of the royal family. This novel and non-hereditary system of delegating power successfully ensured royal hegemony. From the early 8th century onwards, Assyria’s political dominance over its vassals came under threat from the rising powers of Urartu (in Eastern Turkey, Armenia and Northwestern Iran) and Kush (in Sudan and Egypt). As a consequence of the ensuing wars and political struggles in the course of the second half of the 8th century, the Assyrian provincial system was expanded to include most of the former vassal states. During the 7th century BC, Assyrian influence reached far beyond the traditional boundaries of the Mediterranean Sea, the Arabian Desert, the Persian Gulf and the Zagros and the Taurus mountain ranges and influenced, and often dominated, political, cultural and economic affairs between Sudan, Central Anatolia and Iran. But the reorganization of Assyrian Empire had its deepest repercussions within the provinces as the explicit goal was the creation of a unified, economically highly developed culture and society of “Assyrians”: no longer seen as an ethnic label, “Assyrian” was now a cultural designation referring to all the king’s subjects, regardless of their origins.

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Montag, 26. April,10:00 Uhr Michael Jursa (Wien): Das neubabylonisch-chaldäische Imperium Der Vortrag untersucht, was auf der Basis der reichen, aber einseitigen babylonischen Dokumentation über die Struktur des neubabylonischen Reiches ausgesagt werden kann. Insbesondere soll geklärt warden, inwieweit strukturelle Parallelen mit dem assyrischen Imperium einerseits und dem Achämenidenreich andererseits bestehen, und worin das Proprium des neubabylonischen Reiches liegt, das u.a. zu seiner etwa im Vergleich zum neuassyrischen Reich geringen inneren politischen Stabilität trotz beträchtlicher ökonomischer Prosperität geführt hat. Montag, 26. April, 10:30 Uhr Kai Ruffing (Marburg): Rom - Das paradigmatische Imperium In einem ersten Schritt wird auf das Problem einzugehen sein, im Imperium Romanum ein Imperium im Sinne der in der zeitgenössischen Forschung verwendeten Definitionen zu sehen. Gerade im Falle Roms wird dabei auch kurz auf den Reichsbegriff einzugehen sein. Ferner wird auf die spezifisch römische Konnotation des Begriffs Imperium Romanum als territoriale Entität hinzuweisen sein, die sich von den in der Forschung verwendeten Kategorien unterscheidet. Im Anschluss daran soll die Herrschaft der römischen Imperatoren über das Reich am Bespiel der Etablierung der augusteischen Alleinherrschaft näher charakterisiert werden. Dabei wird zu zeigen sein, dass die Begrifflichkeiten ‘Kaiser’ bzw. ‘Princeps’ diesen Charakter nur ungenügend beleuchten, sondern dass man in der Tat von einer militärbasierten Autokratie zu sprechen hat. Dabei wird auch darüber zu sprechen sein, wie diese Autokraten ihrer Herrschaft selbst darstellten und wie die jeweiligen Herrschaften in der antiken Historiographie verargumentiert wurden. Die Etablierung dieser Autokratie brachte freilich die Entwicklung des Imperium Romanum von einem Herrschaftsgebiet des Römischen Volkes zu einem Reich mit sich. Im Zuge dieser Entwicklung setzte ein Prozess der Romanisierung des Herrschaftsgebiets, aber auch der Romanisation der Reichsbewohner ein. Das Ergebnis war die Etablierung einer reichsweiten Gesellschaft, in der eine erstaunliche vertikale Mobilität möglich war. Gerade dieses Charakteristikum machte das Imperium Romanum zu einer historischen Singularität. Nach einer kurzen Erwähnung der Fremdwahrnehmung des Imperium Romanum in chinesischen Quellen sind zum Abschluss kurze Äußerungen zu seiner Rezeption zu machen, was am Beispiel des italienischen Nationalstaats geschehen wird. Montag, 26. April, 11:30 Uhr, Diskussion Montag, 26. April, 12:30 Uhr, Mittagessen Montag, 26. April, 14:00 Uhr Monika Schuol (Berlin): Das Reich der Hethiter - ein Imperium? Ausgehend von der Einwanderung der indogermanischen Ur-Anatolier nach Kleinasien (spätestens um 2300 v.Chr.) wird mein Beitrag zunächst die Aufrichtung der Vorherrschaft des Stadtfürsten von Neša über andere zentralanatolische Fürstentümer und die Etablierung des Hethiterreiches nachzeichnen. Dabei stehen folgende Leitfragen im Vordergrund: Welche politischen Strukturen werden

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geschaffen? Auf welche vor-hethitischen Traditionen stützt sich hethitische Königsherrschaft und -ideologie? Die Aufmerksamkeit gilt dabei auch der Selbstdarstellung der hethitischen Könige in Wort und Bild sowie der Schaffung eines hethitischen Staatskultes. Der Skizzierung der innenpolitischen Konsolidierung des Hethiterreiches schließt sich ein Blick auf die Ausdehnung der hethitischen Einflusssphäre an: Welcher Instrumentarien bedienten sich die hethitischen Könige, um andere Bevölke-rungsgruppen und Königreiche ihrer Oberherrschaft zu unterstellen? Im Mittelpunkt stehen die Treueide gegenüber dem König, die Einsetzung von Provinzgouverneuren in Zentralanatolien, die Etablierung von Sekundogenituren und die Verträge der hethitischen Könige mit nicht-hethitischen Partnern im anatolischen und syrischen Raum. Mit dem Fokus auf den Mächtekonstellationen im Vorderen Orient und dem hethitisch-ägyptischen Vertrag von 1269 v.Chr. wird die Fremdwahrnehmung hethitischer Expansion und Diplomatie diskutiert. Der Schlussteil des Beitrages ist den Faktoren für den Zusammenbruch des Hethiterreiches um 1190 v.Chr., der inneren Instabilität des Reiches sowie dem Expansionsdrang der Assyrer und dem Seevölkersturm, gewidmet. Ein kurzer Ausblick in die Zeit der späthethitischen Kleinkönigreiche (ca. 1180-700 v.Chr.) thematisiert das Nachleben hethitischer Kultur im nordsyrisch-anatolischen Raum. Montag, 26. April, 14:30 Uhr Karl Jansen-Winkeln (Berlin): Ägypten im 3. und in der 1. Hälfte des 2. Jahrtausends – ein Imperium? Durch den Nil als meist schiffbaren Verkehrsweg zwischen Mittelmeerküste und 1. Katarakt ist das Kerngebiet Ägyptens vorgegeben und seit 5000 Jahren nahezu unverändert, und durch die regelmäßige Überschwemmung war es ideal für frühe Formen der Landwirtschaft. Die Besonderheiten dieses Naturraums haben die frühe Herausbildung eines relativ großen „Staates“ mit einer Hoch- und Schriftkultur ermöglicht; zu den Völkern der unmittelbaren Umgebung bestand fast während der gesamten pharaonischen Geschichte ein großes Kulturgefälle. Ägypten hatte durch Größe und Reichtum die Voraussetzungen zu einer Hegemonialmacht, und in seiner Staats- oder Königsideologie hat es sich selbst immer so gesehen. Auch die neuzeitliche Wissenschaft hat schon sehr früh die Epochen, in denen Ägypten ungeteilt war, als „Reiche“ bezeichnet. Zumindest für das 3. und die erste Hälfte des 2. Jahrtausends („Altes Reich“ und „Mittleres Reich“) lässt sich aber feststellen, dass die tatsächliche Reichweite der Macht Ägyptens recht eng begrenzt war: Sie erstreckte sich meist nur auf das unmittelbare Umland (Sinai, Unternubien, angrenzende Ostwüste), dessen Rohstoffe ausgebeutet wurden. Ein Imperium war Ägypten in dieser Zeit gewiss nicht. Montag, 26. April, 15:00 Uhr Orell Witthuhn (Heidelberg): Ägypten im Neuen Reich: ein Imperium? Mit dem 15. Jahrhundert v.Chr. beginnt die größte territoriale Ausdehnung des ägyptischen Reiches unter pharaonischer Herrschaft. Diplomatische wie militärische Vorstöße insbesondere nach Norden und Süden vom ägyptischen Kernland aus bringen die pharaonische Herrscherelite in mittel- und unmittelbaren Kontakt mit anderen vorderasiatischen bzw. afrikanischen Kulturen. Rund 100 Jahre zuvor hatten sich die altägyptischen lokalen Fürsten aus der Thebais gegen ausländische Kleinkönige im Delta, die sog. Hyksos, militärisch

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erfolgreich durchgesetzt. Als Folge erlangten die Ägypter Zugriff auf das technische Wissen der besiegten Ausländer, wie etwa von Pferden gezogenen Streitwagen. Der ägyptischen Kultur bleibt dieses ambivalente Verhältnis gegenüber dem Ausland bzw. gegenüber Fremden erhalten: Besatzung des eigenen Landes auf der einen Seite, Erfolg durch technische Adaptionen auf der anderen Seite. Das ägyptische Selbstverständnis, eingeschlossen das pharaonische Staats- und Herrscherbild, lässt sich in der Entwicklung ausgesuchter terminologischer Begriffe nachzeichnen und gut gegen Bezeichnungen für das Ausland und seine Bewohner abgrenzen. Auf Grundlage dieser Untersuchungen wird das ägyptische „Neue Reich“ in seinem ganzen staatlichen Gefüge eingeschätzt und versucht, mit modernen staatlichen Begriffen zu beschreiben. Montag, 26. April, 15:30 Uhr, Kaffeepause Montag, 26. April, 16:00 Uhr Miroslavo Salvini (Rom): Urartu - ein Imperium? Die Blütezeit des Reiches Urartu dauerte vom letzten Viertel des IX bis zur zweiten Hälfte des VII Jahrhunderts. Alle Parameter, unter denen wir uns in der Weltgeschichte den Begriff „Imperium“ vorstellen, sind in der urartäischen Geschichte zu erkennen. Die Keilinschriften zunächst der assyrischen und später auch der urartäischen Könige lassen uns die Entwicklung von einer Situation der losen politischen Gebilde der Nairi und der Ur(u)atri-Länder bis zur Gründung eines mächtigen Staats verfolgen. Diese verwirklichte sich unter der Herrschaft von Sarduri I., dem wir den ersten mächtigen Bau am Fuße von Van Kalesi, der Hauptstadt Tuschpa, am Ostufer des Van-Sees verdanken. Mit der Einführung der Keilschrift, der Benutzung der assyrischen Sprache und der Verwendung der assyrischen Königstitulatur zeigt Sarduri bereits die Tendenz zu einem dem assyrischen ähnlichen Imperialismus. Dessen Sohn und Nachfolger Ishpuini kräftigte das Reich Urartu mit der Einführung des Kultes einer bislang internationalen Gottheit, nämlich Haldi aus Musasir. Seine Funktion als Nationalgott der Urartäer, ist im Grunde der des Gottes Assur ähnlich. Das Phänomen des Synkretismus spiegelt sich wieder im Felsdenkmal von Meher Kapisi, mit der langen Inschrift, wo alle Götter des Reiches beopfert werden. Mit Ishpuinis Nachfolgern, die die einheimische urartäische Sprache benutzt haben, erweitert sich das Territorium von Urartu beträchtlich: In der Mitte des VIII. Jahrhunderts dominierten die Urartäer ein sehr weites Gebiet, vom Euphrat im Westen bis zum Berg Sabalan im Iranischen Azerbeidjan im Osten, und von dem Sevan-See im Norden bis zu den mannäischen Provinzen südlich des Urmia-Sees. Die jährlichen Feldzüge in alle Himmelsrichtungen, von denen die königlichen Annalen kundtun, der Brauch der Deportation und die Auferlegung von Tributen, unterscheiden sich kaum von den bekannten Verfahren der assyrischen Könige. Auch die Existenz von Statthaltern sowohl im Westen des Reiches (so unter Minua und Sarduri II.), als auch östlich des Zagros zur Zeit Rusas I., sprechen von einer Provinzeinteilung wie in Assyrien. Auf uns sind nur schriftliche Zeugnisse in der Sprache der Herrscher gekommen, aber wir kennen die Namen von heimgesuchten Völkern, Städten, Häuptlingen, die dem urartäischen Reich einverleibt wurden, welche eine Vielfalt von leider unbekannt gebliebenen ethnischen und sprachlichen Elemente darstellten. Rasch, wie es sich gebildet hatte, verfiel Ende des VII Jahrhunderts das Reich Urartu. Hundert Jahre später bildete das alte Urashtu (so in

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der babylonischen Fassung der Felsinschrift von Dareios in Bisutun), nunmehr auch Armina geheißen, eine der Satrapien des neuen achaimenidischen Reiches. Montag, 26. April, 16:30 Uhr Wouter Henkelman (Paris): The Quest for Elamite Empire(s) It is not a novel observation that Elamite and other sources about Elam (southwestern Iran) support the argument that this state was an empire or at least had imperial traits. The matter has never been systematically pursued, however. If the Elamite state can plausibly be described in terms of empire during the second millennium BC, one would particularly like to know how far reaching the changes were that occurred around the turn of the first millennium. The time from 1000 BC (or earlier) until 550 BC may be seen as the 'incubation' period that ended with the rise of the Persian Empire. It is now increasingly acknowledged that Elam and Elamite culture played an important role in the process of Persian ethnogenesis. From that perspective, it is a crucial question whether the Elamite state retained certain imperial traits in the last fase of its history. Did the early Persians know Elam as an empire? Montag, 26. April, 17:00 Uhr, Diskussion Montag, 26. April, 18:30 Uhr, Empfang im Rathaus der Stadt Hildesheim Montag, 26. April, 20:00 Uhr, Abendessen in der Domäne Marienburg Dienstag, 27. April II. ANTIKE IMPERIEN, Teil 2 Dienstag, 27. April, 09:00 Uhr Peter Kehne (Hannover): Das attische Seereich – ein Imperium? Das Attische Seereich entwickelte sich Mitte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts aus dem 478/77 v.Chr. gegründeten Delisch-Attischen Seebund, der bekanntlich eine durch Internationale Verträge konstituierte und von Athen hegemonial geführte Symmachie zunächst allein hellenischer Poleis war. Aufgelöst wurde es am Ende des sog. Peloponnesischen Krieges nach der Kapitulation Athens Sparta gegenüber 404 v.Chr. Struktur und Geschichte des Attischen Reiches werden kurz vorgestellt, um dann anhand derzeit maßgeblicher politik- und geschichtswissenschaftlicher Kriterien für „Imperien“, besonders derjenigen von Herfried Münkler und Hans-Heinrich Nolte zu fragen, ob allein die kurze Existenz des Attischen Reiches seine „Imperiums-Tauglichkeit“ negiert.

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Dienstag, 27. April, 09:30 Uhr Christoph Schäfer (Trier): Die Diadochenstaaten: „Imperien“ oder konkurrierende Territorialstaaten? Begreift ein Teil der Forschung das Reich Alexanders d.Gr. noch als „kurzlebiges Kriegsimperium“, so scheinen nach dem Tod des Makedonen (323 v.Chr.) durch den sofort ausbrechenden Machtkampf um seine Nachfolge imperiale Strukturen endgültig zu zerbrechen. In den folgenden gut fünfzig Jahren entstanden und vergingen Herrschaftsgebiete und Reiche von Nachfolgern, bis sich die drei hellenistischen Großreiche der Ptolemäer, Seleukiden und Antigoniden endgültig etabliert hatten. Deren durchaus divergierendes Gefüge soll gemäß allgemeiner theoretischer Kriterien auf seinen imperialen Charakter hin überprüft werden. Dies beginnt bei der Frage nach der Entstehung und Legitimierung der Herrschaft, geht weiter über die Institutionalisierung und das Zusammenspiel von Zentrum und Peripherie sowie die Untersuchung der jeweils mobilisierbaren Ressourcen und endet mit der Analyse möglicher Gründe für den Niedergang im 2. und 1. Jh. v.Chr. Dabei sollen Motivation und Ziele der einzelnen Protagonisten untersucht und eingeordnet werden. Kontinuitäten und die Rolle der herausragenden Einzelpersönlichkeit in einem vergleichsweise modernen Machtgeflecht müssen thematisiert werden. Schließlich gilt es, die Territorialstaatlichkeit mit den Kriterien für eine imperiale Architektur des Staatswesens zu konfrontieren und zu bewerten, um so eine epochenübergreifende Einordnung zu ermöglichen. Dienstag, 27. April, 10:00 Uhr, Kaffeepause Dienstag, 27. April, 10:30 Uhr Josef Wiesehöfer (Kiel): Parther und Sasaniden: Imperien zwischen Rom und China Nach dem Ende des Achaimenidenreiches rückten um 250 v.Chr. die seminomadischen Parner in die seleukidische Satrapie Parthia ein. Diese nahmen den Namen der Parther an und gewannen im 3.Jh. v.Chr. durch ihre Reichsgründung unter Arsakes I. (nach ihm heißen die parthischen Könige Arsakiden) geschichtliche Bedeutung. Im Verlaufe des 2. Jh. konnten sie, v.a. unter ihren Königen Mithradates I. und II., ihr Reich bis zum Euphrat ausdehnen. Dort wurden sie zu Nachbarn und militärischen Gegenspielern des Imperium Romanum. Ihre Hauptresidenz war zunächst Nisa im heutigen Turkmenistan, später Ktesiphon in der Nähe Baghdads. Die Sprache der Parther, das Parthische, gehört zu den nordwestiranischen Spra-chen. Das Partherreich (ca. 250 v.–224 n.Chr.) war ein multikulturelles und polyethnisches Großreich mit vielfältigen Transkulturationsphänomenen, dabei noch langlebiger als das der Achaimeniden. Uns vor allem aus der Perspektive der Nachbarn (Rom, China) bekannt und von der griechisch-lateinischen Literatur vornehmlich als militärischer Gegner wahrgenommen, erscheint es in der Forschung immer mehr auch als erfolgreicher ‚Verschmelzer’ parnischer, achaimenidisch-iranischer und hellenistisch-seleukidischer Elemente mit zusätzlicher eigener Note (etwa im Königtum) und als Vermittler von Waren und Ideen zwischen Ost und West (etwa entlang der Seidenstraße). Zuweilen durch Rivalitäten zwischen Mitgliedern des Königshauses und zwischen König und Hochadel ‚gelähmt’ und deshalb vor fremder (römischer) Einmischung nicht gefeit, war die parthische Herrschaft – aufs Ganze gesehen – doch erstaunlich stabil. Dazu beigetragen haben die Flexibilität der

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Beziehungen zwischen Reichzentrum und Reichsperipherie (den ‚Vasallen-königreichen’ Charakene, Elymais, Persis, Adiabene etc.) und die Kampfkraft des parthischen Heeres, aber auch die arsakidische Förderung von Urbanisierung, Landwirtschaft und Handel, die parthische religionspolitische ‚Toleranz’ sowie der parthische ‚Philhellenismus’ aus politischem Kalkül und persönlicher Vorliebe. Die Herrschaft der Arsakiden fand ein eher überraschendes Ende, als nämlich ambitionierte und militärisch fähige ‚Teilkönige’ aus der Persis (Sasaniden) die römisch-parthischen und die innerarsakidischen Konflikte zum Aufbau einer eigenen Machtstellung nutzten. Die Geschichte der Dynastie der Sasaniden (224-651 n.Chr.), die sich auf den eponymen Ahnherrn Sasan zurückführte, ist – unter außen- wie innenpolitischen Gesichtspunkten – in fünf Abschnitte zu unterteilen: a) die Phase der Reichs-aufrichtung unter Pabag, Ardaschir I. und Schabuhr I. (205-272 n.Chr.), in der man sich durchaus an parthischen Vorbildern im Innern orientierte, zugleich aber eine ausgesprochen aggressive Außenpolitik (u.a. gegen Rom) betrieb; b) die Phase der Bescheidung und Herrschaftskonsolidierung von der zweiten Hälfte des 3. bis zum beginnenden 5. Jh. (Rückschläge gegen Rom unter Wahram II. und Narseh; Revirement unter Schabuhr II. bei gleichzeitiger Verfolgung der Christen als ‚fünfter Kolonne’ Roms; danach Zeit des Ausgleichs mit Rom und den Christen, die mit eigener Organisation und später auch eigenem Bekenntnis zu ‚persischen’ Christen werden; ungefähr zeitgleiche Ausbildung einer zoroastrischen Ämterhierarchie nach königlichem Vorbild); c) die Zeit der Krise unter Peroz, Walachsch und Kawad I. (459-531 n.Chr.) mit katastrophalen Niederlagen gegen die Hephthaliten und daraus resultierenden schweren ökonomischen und sozialen Verwerfungen (Mazdakismus); d) die Phase der Reichsreformen Chusros (Husraws) I. (531-579 n.Chr.) auf den Gebieten von Steuerwesen, Administration und Hofhaltung sowie Heerwesen und Kultur bei gleichzeitigen außenpolitischen Erfolgen (gegen Byzanz; in Südarabien); gleichzeitig fanden die Verschriftung des Avesta mit eigenem ‚Alphabet’ als Reaktion auf die universalistisch-missionarischen Ambitionen der Manichäer und Christen und die Erstellung einer offiziösen ‚Nationalgeschichte’ Irans statt; e) die Zeit der größten Ausdehnung des Reiches und des durch ein Bündel von Gründen bedingten überraschenden Zusammenbruchs (Eroberung Ägyptens 619 n.Chr.; Vormarsch bis Konstantinopel (626)) – Gegenoffensive des Herakleios; muslimische Offensiven gegen das Zweistromland und Iran). Als Herrscher mit dezidiert iranischem Bezug („König der Könige von Iran und Nicht-Iran“: mittelpers. Schahanschah Eran ud Aneran) und mit göttlichen Qualitäten gerieren sich die Sasaniden in Wort und Bild als eifrige Förderer des Zoroastrismus, ohne allerdings ihr politisches Handeln gänzlich davon abhängig zu machen oder sich gar den Vorstellungen des zoroastrischen Klerus zu beugen. Nie gab es im Sasanidenreich auch so etwas wie eine zoroastrische ‚Staatsreligion’ im Sinne des römischen Pendants; die Quellen lassen vielmehr sogar unterschiedliche ‚zoroastrische’ Strömungen, Interessen und Praktiken erkennen, die sich kaum mit dem in den Priestertexten gezeichneten ‚offiziellen’ Bild des Zoroastrismus in Einklang bringen lassen. Die Verfolgungen religiöser Minderheiten (mit Ausnahme der Mazdakiten) waren die Ausnahme, in der Regel politisch bestimmt und konnten durch Phasen ausgesprochen engen Zusammengehens (Christen als königliche Berater und Gesandte, als Kunsthandwerker, ‚Gelehrte’ und Vermittler griechischen Wissens; Juden als Experten in Handelsangelegenheiten) abgelöst werden. Konflikte innerhalb der Dynastie und zwischen Königen und Magnaten waren – mit Ausnahme der Reichsgründungs- und der Reformphase des 6. Jh. – wie im Arsakidenreich

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endemisch und lähmten oft genug die Kräfte des Reiches. Wie die Parther sind auch die Sasaniden zu Wissensvermittlern zwischen Ost und West geworden und haben selbst in der Architektur, Toreutik und Textilkunst wichtige Anstöße gegeben. Anders als ihre Vorläufer sind sie jedoch – dank ihrer Prägung der iranischen ‚historisch-mythischen’ Tradition, die (mit gewissen Brechungen) in die perso-arabische Historiographie und die neupersische Epik Eingang fand – zu den iranischen Königen par excellence geworden. Dienstag, 27. April, 11:00 Uhr Wolfgang Christian Schneider (Hildesheim): Das oströmische Imperium im 5. Jh. und 6. Jh. – Das Imperium Justinians I. Das Imperium Romanum hatte im 4. Jh. einschneidende Veränderungen erfahren. Die von Konstantin eingeleitete Christianisierung war mit den Gesetzgebungen des Theodosius 380/381 zum Abschluss gekommen. Da sich das Imperium Romanum jedoch trotz seines zunehmend eigenständigen und schließlich (seit 476) allein in Konstantinopel bestehenden östlichen Kaisersitzes nach wie vor als „römisch“ verstand, war die Notwendigkeit gegeben, die aus dem römischen Staatsverständnis stammenden Prinzipien mit den Prinzipien der christlichen Religion zu verbinden, in Übereinstimmung zu bringen und beide schließlich hinlänglich widerspruchsfrei zu integrieren. Denn das „Römische“ war im Zuge der kognitiven Umschichtungen der Spätantike, dem Aufbau abstrakter Instanzen, zu einer nicht mehr hinterfragten Axiomatik geronnen: zu einem unzerlegbaren Komplex von gesellschaftlichen, politischen und religiösen Vorstellungen. Sichtbarster Ausdruck dieser Aneignungs- und Umbauprozesse, die über das gesamte 5. Jh. Ostroms hin andauerten, sind einerseits die Neustrukturierung des Staatsaufbaus, der lateinische und hellenisch-östliche Einrichtungen und Amtsfunktionen verbindet, andererseits der Aufbau einer neuen, Altes und Neues verbindenden Staatsikonographie, schließlich das Bemühen um einen geschlossenen widerspruchsfreien Rechtsraum und einen ebenso geschlossenen dogmatischen Raum im Religiösen. Den Abschluss dieser Transformation, die dem oströmischen Reich in den Jahren zwischen 395 und 565 einen besonderen Charakter verleiht, erlebte das oströmische Imperium unter Justinian (527-565). Er versuchte auf der neu gefundenen, im vollen Wortsinn als ideologisch verfasst anzusprechenden Grundlage das frühere Imperium Romanum unter rigorosem Zugriff auf alle Ressourcen im alten Umfang wiederzubeleben, was ihm äußerlich zu Teilen gelang. Schon kurz nach Ende seiner Herrschaft aber brach dies großteils zusammen (568), faktisch von einem Staatsbankrott begleitet. Das dann notwendige Neueinsetzen der oströmische Herrschaft am Ende des 6. Jh. ging mit einer gegenüber der früheren römischen Axiomatik entschieden gewandelten Selbstauffassung der Basileia toon Romaioon einher. So verbindet sich im Imperium Romanum des Justinian Restauration und Neubegründung: Beispielhaft tritt das im großen Gesetzeswerk Justinians zutage, das zunächst zweisprachig, lateinisch und griechisch abgefasst war, in den letzten Abschnitten jedoch nur noch griechisch. Dienstag, 27. April, 11:30 Uhr Robert Rollinger (Innsbruck): Das teispidisch-achaimenidische Imperium Grundsätzliches: Das teispidisch-achaimenidische Imperium (ca. 550- 330 v.Chr.) ist eingebettet in das Kontinuum der altvorderasiatischen Imperien, die konventionell in die chronologisch aufeinanderfolgenden Blöcke „Assyrisches Imperium“, „Neuba-

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bylonisch-Chaldäisches Imperium“, „Persisches, i.e. teispidisch-achaimenidisches Imperium“ eingeteilt werden. Über die Grenzen dieser Imperien hinaus lassen sich sowohl historisch-strukturelle Kontinuitäten beobachten, wie sich Diskontinuitäten innerhalb der imperialen Blöcke erkennen lassen. Diese grundsätzliche Beobachtung gilt auch für die dem Persischen Imperien nachfolgende Epoche der Zeit Alexanders III. und der Diadochenstaaten. Das teispidisch-achaimenidische Imperium lässt sich in zwei Teile gliedern, die durch unterschiedliche Herrscherhäuser geprägt sind: das Haus der Teispiden (Kyros, Kambyses, Bardiya), das Haus der Achaimeniden (Dareios I bis Daraios III). Auch diese beiden Teile sind durch Kontinuitäten verklammert und durch Diskontinuitäten getrennt. Der Übergang erfolgte durch einen beinahe das gesamte Imperium erfassenden Bürgerkrieg, den Dareios I. mit seiner Thronbesteigung erfolgreich beenden konnte.

A. Realgeschichte 1. Entstehung:

Die Entstehung des Imperiums kann aufgrund der zum Teil schlechten Quellenlage nur partiell nachgezeichnet werden. Das persische Imperium lässt sich einerseits als Erbe der Vorgängerimperien beschreiben. Einen entscheidenden Schritt stellt in diesem Zusammenhang die Eroberung Babylons durch Kyros im Jahre 539 v.Chr. dar, wodurch das neubabylonische Imperium unter die Kontrolle des Kyros gerät. Andererseits werden die Grenzen dieses Imperiums beträchtlich erweitert und ausgedehnt. Diese Expansionsphase hält bis zum Beginn der Herrschaft der Achaimeniden an, als das Imperium unter Dareios und Xerxes I. von Thrakien und Makedonien in der nördlichen Ägäis bis nach Transoxanien (Usbekistan) und Indien (Pakistan) reicht. Nachbarn, mit denen die persischen Könige auf Augenhöhe verkehrt hätten, lassen sich nicht erkennen. Das persische Imperium verstand sich als Weltreich. Die Grenzen des Imperiums waren identisch mit den Grenzen der Welt.

2. Struktur: Das persische Imperium ist als altorientalische Monarchie beschreibbar. Der König verstand sich als Weltenherrscher. Er konnte sich auf einen ausgebildeten bürokratischen Apparat stützen, dessen Wurzeln wiederum in die Vorgängerimperien zurückreichten. Dabei spielen lokale Traditionen eine wichtige Rolle. Dies drückt sich auch in den verwendeten Schriften und Schriftträgern aus. Wichtige Regionen stellen Susiane und Fars, Babylonien und Syrien, Ägypten sowie Anatolien dar. Über die Gebiete des Ostens sind wir vergleichsweise schlecht unterrichtet. Das Imperium war in zahlreiche Provinzen gegliedert, denen Statthalter vorstanden. Diese hatten juridische und fiskalische Aufgaben wahrzunehmen. Eine Hauptstadt im eigentlichen Sinn ist nicht erkennbar. Der König und sein Hof waren mobil und machten in regelmäßigen Abständen in gewissen Residenzstätten halt. Eine einigende Klammer stellte ein ausgebautes Straßennetz sowie das Aramäische als lingua franca dar. Mit Dareios beginnen sich Königtum und Reichselite zusehends als „persisch“ zu definieren. Eine in den Spitzenpositionen der Reichsbürokratie tätige persische Elite ist sinnfälligerweise als „éthno-classe dominante“ beschrieben worden.

3. Ausdehnung: Die Krise um den Regierungsantritt des Dareios I. 522/1 ließe sich als „augusteische Schwelle“ verstehen. Mit dem persischen Imperium erreichen die altorientalischen Imperien ihre maximale Ausdehnung, die von N-Griechenland/ Bulgarien bis Pakistan und vom Schwarzen Meer bis Ägypten und Kyrenaika reicht. Mit Xerxes I. (485-465) beginnt eine Phase der Konsolidierung und Bewahrung des Eroberten. Nach dem

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Tod Alexanders III. bricht das von den Achaimeniden beinahe 200 Jahre lang zusammengehaltene Reich auseinander.

4. Reaktion und Wahrnehmung: Dieser Aspekt verdient im Zusammenhang mit dem Persischen Imperium besondere Beachtung. Bis in jüngste Vergangenheit deckte sich die Wahrnehmung und Beschreibung des persischen Imperiums weitgehend mit einer Wahrnehmung von außen, indem sich die moderne Forschung vornehmlich auf klassische Quellen stützte. Die dadurch verzerrte Sichtweise betraf das Imperium als Ganzes, seine Strukturen, sein Königtum wie auch seine Kultur. Erst in den letzten 20 Jahren macht sich eine neue Sichtweise Platz, die den autochthonen Quellen den ihnen gebührenden Stellenwert zuweist.

5. Erosion und Zerfall: Drei unterschiedliche Theorien wurden als Erklärungsmodell für den Untergang des Imperiums angeboten: Dekadenztheorie, Zerfallstheorie, Katastrophentheorie. Die ersten beiden Theorien stützen sich stark auf die klassischen Quellen und sind deshalb als problematisch anzusehen. Letztere macht als zentrale Ursache für den Untergang den Eroberungszug Alexanders III und dessen militärische Überlegenheit verantwortlich.

B. Rezeptionsgeschichte 1. Konkrete Wirkungsgeschichte:

Über das mittelbare und unmittelbare Erbe des persischen Imperiums herrscht in der Forschung Uneinigkeit. Dies lässt sich schon an der Person Alexanders ablesen, der entweder als „letzter Achaimenide“ verstanden wird oder eben als Herrscher, mit dem eine neue Epoche beginne. Die vom persischen Imperium geschaffenen Infrastrukturen haben aber gewiss bis weit in die hellenistische Zeit nachgewirkt. Eine vergleichbare Ausstrahlung lässt sich schon während der Existenz des Imperium beobachten, als etwa im Athen des 5. Jahrhunderts zusehends persische Mode Einzug hielt („Perserie“). Stadtgründungen im fernen Osten wie Marakanda (Afrasiab-Samarkand) gehen wohl ebenfalls auf die Perser zurück.

2. Imaginierte Rezeptionen: Hellenistische Könige versuchten zum Teil eine dynastische Anbindung an das persische Königshaus (Kommagene). Eine zentrale Ebene der Rezeption stellt die Vorstellung einer translatio imperii dar, einer Abfolge von Weltreichen, in der das persische Imperium seinen festen Platz hat. Diese Vorstellung geht auf die griechische Historiographie zurück und wird schließlich von der christlichen Universalgeschichtsschreibung übernommen. Sie prägt das abendländische Geschichtsbild bis weit in die Neuzeit.

3. Bezugnahme auf geschichtliche Imperien: Solche Bezüge lassen sich nur indirekt feststellen, sind aber unzweifelhaft vorhanden. Sie äußern sich etwa in der Königstitulatur sowie in der Vorstellung des Königs als Weltenherrscher. Darüber hinaus wurden lokale Kulturen gepflegt und bewahrt. Dies zeigt sich etwa darin, dass der persische König in Babylonien als babylonischer König und in Ägypten als Pharao auftritt. Dieses Verhalten impliziert auch die Pflege der lokalen Kulte.

4. Historiografien und 5. moderner Forschungsstand: An dieser Stelle sei erneut auf den Paradigmenwechsel in der Betrachtung des persischen Imperiums aufmerksam gemacht. Dieser impliziert eine kritische Betrachtung der klassischen Quellen und ist von dem Bemühen getragen, den autochthonen Quellen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.

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Dienstag, 27. April, 12:00 Uhr, Diskussion Dienstag, 27. April, 13:00 Uhr, Mittagessen III. MITTELALTERLICHE UND FRÜHNEUZEITLICHE IMPERIEN Dienstag, 27. April, 14:30 Uhr Jaakko Hämeen-Anttila (Helsinki): The Umayyad State – an Empire? The definition of the Umayyad state (661–750) is wrought with difficulties. Was there an abrupt change in the concept of state between the first four "rightly-guided" Caliphs and the Umayyads or a gradual change from a loosely-organized conqueror state into a well-organized empire? Should we rather speak of a Zubayrid empire during the second civil war -- which dynasty held the real power during these years? When did the Islamic state solidify and become an empire? The reception history of the Umayyads is equally complicated and full of intricacies. Their history was mainly written by their enemies, the ulama' and the Abbasids, and few contemporary sources have survived. What do we really know about their politics, ideologies and practices? Should we see the Umayyad state in terms of an Arab kingdom or an Islamic Caliphate? The paper will discuss the main problems of the material history and the reception history of the Umayyad empire and seek to answer some of these questions. [leider ausgefallen] Dienstag, 27. April, 15:00 Uhr Heinz Halm (Tübingen): Die Reiche der Fatimiden, Ajjubiden und Mamluken – Imperien? Nach der arabisch-islamischen Eroberung 640 war Ägypten zunächst eine Provinz des Kalifenreichs und erhielt seine Gouverneure aus Damaskus und später Bagdad. Erbliche Gouverneursdynastien bereiteten die Ablösung von der Zentralregierung vor, die allerdings erst 969 erfolgte, als die aus dem Maghreb kommenden Fatimiden mithilfe berberischer Krieger das Nilland übernahmen und mit der Gründung von Kairo ein neues Zentrum islamischer Herrschaft schufen. Das Kalifat der Fatimiden, ein schiitisches (ismailitisches) Gegenkalifat zu dem sunnitischen in Bagdad, vertrat von Anfang an einen universellen Anspruch auf die Lenkung der gesamten islamischen Welt, der sich in eindeutig imperialen Bestrebungen äußerte und auf territoriale Expansion aus war. Zur Zeit der Kreuzzüge – im 12. Jahrhundert – schrumpfte das fatimidische Kalifat jedoch auf den Rang einer Regionalmacht und wurde 1171 durch den sunnitischen Ayyubiden Salâh ad-Dîn (Saladin) beseitigt. Die von ihm begründete Dynastie der Ayyubiden (1171-1250) gliederte sich wieder in das Kalifenreich von Bagdad ein, während die folgende Herrschaft der Mamluken (1250-1517), importierter Kriegssklaven türkischer oder tscherkessischer Herkunft, infolge der Invasion der Mongolen wieder Spielraum für eigene Selbständigkeit gewannen, die dann neue imperiale Bestrebungen zur Folge hatte. 1517 ging Ägypten im Imperium der Osmanen-Sultane auf. Dienstag, 27. April, 15:30 Uhr, Kaffeepause

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Dienstag, 27. April, 16:00 Uhr Hans van Ess (München): China von der Antike bis in die Neuzeit: ein Abfolge von Imperien? Der China-Vortrag argumentiert, dass das chinesische Kaiserreich zwar über einen Zeitraum von 2000 Jahren eine beachtliche Kontinuität auf dem Gebiet der Institutionen aufwies, dass es aber gleichzeitig zu langen geschichtlichen Brüchen kam. Diese waren so stark, dass es sehr fraglich ist, ob es vernünftig ist, für die gesamte chinesische Geschichte ein Reich zu postulieren. Der Gedanke dazu war zweifelsohne gegeben, doch entsprachen die Gegebenheiten nur in drei Epochen – dem Zeitalter der Qin/Han, der Tang und der Qing – einem Zustand, für den der Begriff „Reich“ oder „Imperium“ gerechtfertigt erscheint. Wichtiger ist, dass sich China gerne auf seine imaginierte Geschichte beruft und dass auch in einem Zeitalter, das von einer Ideologie geprägt ist, die sich die wissenschaftliche Betrachtung der Geschichte auf ihre Fahnen geschrieben hat, Mythen das offizielle Geschichtsbild bestimmen: Die „fünftausendjährige Geschichte“, welche heute auch in Reden hoher Parteikader immer wieder erwähnt wird, ist nämlich ein Konstrukt, das einer genaueren Prüfung nicht standhält. Dienstag, 27. April, 16:30 Uhr, Diskussion Dienstag, 27. April, 18:00 Uhr, Abendessen Dienstag, 27. April, 19:15 Uhr, Führung im Roemer- und Pelizaeus-Museum Dienstag, 27. April, 21:00 Uhr, Orgelspiel in St. Michael (Helmut Langenbruch) Mittwoch, 28. April Tagesexkursion nach Goslar zur Kaiserpfalz

Kaiserpfalz Goslar, Foto FH

Einige Hintergrundinformationen zur Geschichte Goslars: Seit römischer Zeit war der Harz als Bergbauregion für den Erzabbau wichtig, sodass sich hier auch früh Siedlungen bildeten, in denen Metalle verarbeitet und veredelt wurden. Aus einer am Nordrand des Harzes gelegenen Siedlung ging das von 922 Heinrich I. gegründete Goslar hervor. Im 11. Jahrhundert ließ Heinrich II. dort eine von Heinrich III. erweiterte Kaiserpfalz

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errichten, die sich bald zur größten Pfalz der Salier entwickelte. Zu dieser Zeit war das nahe Silberbergwerk Rammelsberg eine wichtige lokale Einnahmequelle, und Silbermünzen aus Goslar gelangten über die damaligen Handelswege bis auf die Faröerinseln. Für Goslar bedeutete dies, dass es zu einer der wichtigsten Stätten fränkischer Herrschaft erwuchs, in der mehrere Reichstage stattfanden. Kaiser Heinrich IV. gewährte der Stadt schließlich die Reichsunmittelbarkeit, d.h. sie wurde direkt dem Kaiser unterstellt. 1253 wurde Goslar zur freien Reichs- und Hansestadt. Für Goslar bedeutete dies Selbstständigkeit. Erst als die Könige und Kaiser an Einfluss verloren, war es Wolfenbüttel, Braunschweig und Lüneburg möglich, die Stellung Goslars zu schwächen und die mehr als einhundert Jahre an die Stadt verpfändeten Erzbergwerke Rammelsberg im 16. Jahrhundert wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Goslar stand während des Dreißigjährigen Krieges zunächst auf kaiserlicher Seite. Mit dem Restitutionsedikt von 1629 übernahmen die Jesuiten den Dom und die Kaiserpfalz, wofür die Stadt 1632 vom schwedischen König Gustav II. Adolf wegen „Konspiration mit dem Feind“ bestraft wurde. Im „Goslarer Akkord“ 1642 wurde es vom Kaiser abgetreten und fiel den Welfen zu. Durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 verlor Goslar seinen Status als freie Reichsstadt und wurde vorübergehend preußisch. 1807 kam die Stadt durch den Frieden von Tilsit zu dem von Napoléon gegründeten Königreich Westphalen. Im Zuge des Wiener Kongresses 1815 wurde Goslar dem Kurfürstentum bzw. Königreich Hannover zugesprochen. Im 19. Jahrhundert lag die Stadt wirtschaftlich am Boden. Viele historische Gebäude wurden abgerissen, darunter auch der Dom. Erst durch Entdeckung des „neuen Lagers“ im Erzbergwerk Rammelsberg ging es wieder aufwärts. Von 1936 bis 1945 trug Goslar den Titel „Reichsbauernstadt“. Die Stadt war in der Zeit des „Dritten Reiches“ Sitz rüstungsrelevanter Betriebe und Einrichtungen. Während des Zweiten Weltkrieges arbeiteten etwa 5.000 Menschen aus dem europäischen Ausland, zumeist Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, in der Stadt und ihrer Umgebung. Nach 1945 gehörte Goslar zur britischen Besatzungszone. Das Silbererzbergwerk Rammelsberg (635 m über NN) wurde im Jahre 1988 stillgelegt. Heute befindet sich dort ein Museum und Besucherbergwerk. Seit 1992 sind die mittelalterliche Altstadt von Goslar und der Rammelsberg UNESCO-Kultur- und Naturerbe der Menschheit. (M. Gehler) Donnerstag, 29. April Donnerstag, 29. April, 09:00 Uhr Hermann Kulke (Kiel): Das gesamtindische Großreich der Mauryas im 4.-2. Jh. v.Chr. Das Reich der Mauryas ging aus einem Prozess kontinuierlicher, frühstaatlicher Entwicklung in Nordindien seit dem 8./7. Jh. v.Chr. hervor. In seiner nahezu den gesamten indischen Subkontinent umfassenden Größe stellt es nicht nur den Höhepunkt frühindischer staatlicher Entwicklung dar, sondern auch deren Abschluss. Bis in die Zeit britischer Herrschaft blieb die Geschichte Indiens von

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regionalstaatlicher Entwicklung geprägt, die nur zeitweise unter den Guptas (4./5. Jh. n.Chr.), dem Delhi-Sultanat (14. Jh.) und dem Mogul-Reich von gesamtindischer Entwicklung unterbrochen wurde. Es wird daher darzustellen sein, warum, bzw. in welchem Maße das Maurya - Reich eine Ausnahme von dieser „Regel“ darstellte. Im Mittelpunkt wird dabei die Herrschaft Ashokas, des dritten und letzten großen Herrschers der Mauryas, stehen. Nach seinem blutigen Kalinga-Feldzug in Ostindien überzog er erstmals in indischer Geschichte sein Reich mit einem Netz von Inschriften, in denen er seine buddhistische Dharma-Ethik verkündete. Inhalt und regionale Schwerpunkte dreier unterschiedlicher Inschriftenarten an insgesamt ca. sechzig Orten zeigen deutlich Strukturen und Herrschaftsideologie eines Großreiches auf, das jedoch bereits wenige Jahrzehnte nach seinem Tod wieder zerfiel. Donnerstag, 29. April, 09:30 Uhr Dietmar Rothermund (Heidelberg): Imperien in Indien vom Mittelalter bis zur Neuzeit Imperien sind raumübergreifende Herrschaftssysteme von zeitlicher Dauer, die mehrere Generationen umfassten. Nach dem antiken Großreich der Mauryas war es in Indien das Reich der Gupta-Dynastie (AD 320-497), das einen neuen Herrschaftsstil prägte und auch kulturell Akzente setzte, die die mittelalterlichen indischen Königreiche über Jahrhunderte beeinflussten. Die Guptas beherrschten Nordindien, doch ihre Interventionsreichweite ging bis tief nach Südindien hinein. Im Hochmittelalter erreichte dann das Delhi-Sultanat der islamischen Reiterkrieger eine ähnliche Herrschaftsdimension (AD 1206-1526). Zeitgleich stieg in Südindien die Chola-Dynastie auf, die nach Sri Lanka ausgriff und eine Flottenexpedition gegen Srivijaya (Sumatra) sandte. Auch das Chola-Reich (AD 985-1279) hatte imperialen Charakter, so auch das südindische Reich von Vijayanagar (AD 1346-1565). In Nordindien wurde 1526 das Mogulreich gegründet, als Baber, der erste Großmogul, den letzten Sultan des Delhi-Sultanats besiegte. Dieses Reich gehörte zu den „Schießpulverreichen“ (Osmanen, Safawiden), die man besser „Feldartillerie-imperien“ nennen sollte. Die Großmoguln unterwarfen sich in zwei Jahrhunderten nahezu ganz Indien. Sie fielen dem „imperial overstretch“ zum Opfer. Die Briten errichteten dann ihr Kolonialreich auf dem durch die Großmoguln errichteten Fundament. Donnerstag, 29. April, 10:00 Uhr, Kaffeepause Donnerstag, 29. April, 10:30 Uhr Johannes Gießauf (Graz): Die Mongolen und ihre „Imperien“ An der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert gelang es dem mongolischen Stammesführer Temüdschin, sich vom Einer steppennomadischer Verbände zum programmatischen Herrscher über ein Steppenreich und als Tschinggis Khan zu dessen absoluten Herrscher aufzuschwingen. Die in den ersten drei Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts lawinenartigen Einfälle in die der Steppenregion benachbarten Reiche Sesshafter führten einerseits zum Aufbau einer Reichsstruktur und -verwaltung, die der Sicherung der Eroberungen diente. Andererseits entwickelte Tschinggis Khan mit Fortgang seiner Erfolge eine Reichsideologie und einen mit einem göttlichen Auftrag begründete Weltreichsideologie, die zum Ausgangspunkt weiterer Eroberungen und Expansionen nach seinem Tod 1227 wurden. Seine Nachfolger (Ögödei, Güyük, Möngke und Khublai Khan) dehnten nicht nur die

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Grenzen des vom Reichsgründer ererbten Herrschaftsraumes zu ungeahnten Dimensionen aus, sondern setzten die von Tschinggis Khan angestoßenen Anpassungen steppennomadischer Eroberer an Modelle imperialer Herrschafts-struktur zum Teil sehr konsequent weiter fort – etwa in Hinsicht auf die Anlage einer Reichshauptstadt in Karakorum, Steuerwesen und Verwaltungsstrukturen. Die schrittweise Akkulturation der Herrschaftsträger an die Bevölkerung der von ihnen regierten Gebiete verwässerte allerdings bald die imperiale Ideologie und schuf regionale Sonderwege der Machtausübung. Zudem barg die Legitimation der Herrscher durch die von ihrem vergöttlichten Ahnherrn Tschinggis Khan ausgehenden Geblütsheiligkeit einen weiteren Keim des Scheiterns der Großreichsidee, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter dynastischen Vorzeichen zur Auflösung der Reichseinheit und zur Ausprägung von vier Teilkhanaten führte. Dabei stellt sich die Frage, ob diese vier Teilreiche – das Zentralkahnat Yüan, das Khanat Tschagtai, das Ilkhanat und das Khanat der Goldenen Horde – jeweils selbst wieder als imperial zu verstehen sind. Zudem gilt, es zu beleuchten, wie die sesshafte Umwelt in Ost und West mit der für sie überraschenden Transformation plündernder Barbaren zu Reichsgründern, existentieller Bedrohung und letztlich interessanten Handels- und Bündnispartnern umgingen. Donnerstag, 29. April, 11:00 Uhr Bert G. Fragner (Wien): Iran in Mittelalter und Neuzeit: ein Imperium? Der möglicherweise von manchen als kryptisch empfundene Titel bezieht sich auf den Umstand, dass wir mit einiger Gewissheit von iranischen/ persischen Reichen in der Antike einschließlich des frühen Mittelalters sprechen können, diese Begriffssicherheit für die islamische Zeit (etwa ab dem 7. oder 8. Jahrhundert) zunächst jedoch nicht gegeben zu sein scheint. Das Reich der Sasaniden wurde nach der Eroberung durch die muslimischen Araber (Mitte des. 7. Jh.) in das Kalifat eingegliedert. Zwar ging die kollektive Erinnerung an dieses Reich nie verloren – man denke nur an die verbreitete Wirkung des „Königsbuches“ des Ependichters Ferdousi – es herrschte jedoch ganz allgemein die Überzeugung, dass dieses Reich der Vergangenheit angehörte. Erst unter der Herrschaft der tschinggisidischen Mongolen (13. und 14. Jh.) setzte ein komplizierter Legitimationsprozess ein, an dessen Ende – schon längst nach dem Untergang der Mongolenherrschaft im Iran – der Erfolg der Revitalisierung des traditionellen “Iran“-Begriffs als eines politischen Konzepts stand. Diese Revitalisierung war wiederum die Voraussetzung dafür, dass so etwas wie eine „Reichsbildung“ im Iran überhaupt in Angriff genommen werden konnte. Zu diesem Versuch kam es dann im frühen 16. Jh. unter der Dynastie der „Safaviden“ (1502-1732). Konnten die Safaviden unsere Erwartungen an ein „Imperium“ erfüllen? Lässt sich das auch für die Nachfolgestaaten der Safaviden sagen? Diesen Fragen wird in dem Vortrag nachzugehen sein. Vor allem soll auch ein struktureller Vergleich zwischen dem Osmanischen Reich und dem Iran wenigstens angedeutet werden. Eventuell wird das Mogulreich in Indien in diesen Vergleich einzubeziehen sein. Donnerstag, 29. April, 11:30 Uhr, Diskussion Donnerstag, 29. April, 12:30 Uhr, Mittagessen

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Donnerstag, 29. April, 14:00 Uhr Evangelos Chrysos (Athen): Byzantium – an empire of longue durée In the long discussion of imperia viewed diachronically, what distinguishes Byzantium from other empires is the combination of the following features: 1. The constituent elements of its statehood [res publica] were all Roman. Byzantium was not only the successor empire to Rome, but it was also a continuation of Rome’s polity itself, its direct development into the medieval period. This statement conforms not only to Byzantium’s self-perception through the centuries but it also reflects the image of state structure attested through the available sources. The new urbs regia on the Bosporus, Constantinopolis, often described as Nova Roma, was its center and capital, and many other political institutions that developed there in later periods emerged out of and functioned within this Roman imperial structure. 2. The Byzantine raison d’ état was directed towards serving the main axiom of preserving the Roman empire’s territory and winning back any lost territory. The continuous contraction from the initial extension of the Roman borders from the Heraclean Gates at the Atlantic to the Tigris river, and the Danube in the north and Nubia at the cataracts of Nile in the south in the fourth century, to a minor-sized state around Constantinople in the fifteenth century characterises an empire living in constant peril. Thus the history of Byzantium is the story of survival of Rome, and in this sense it was indeed the history of the decline and fall of the Roman Empire, as conceived by Edward Gibbon. This defensive attitude, which was described by Dimitri Obolenski as ‘defensive imperialism’, means actually - in Roman terms - the system of defense of the empire rather than an imperialist behaviour of a state in the modern terms of the word. 3. Rhetorically this essential and constitutive element of Byzantium’s persistence is presented in terms of its ecumenical perception; but ecumenical in the sense of the orbis Romanus rather than the orbis terrarum. The Byzantine oecumene embraced in theory whatever had been Roman at any time, not ‘the whole inhabited world’ in cosmological broadness. Donnerstag, 29. April, 14:30 Uhr Kenan Ínan (Trabzon): The Ottoman Empire The Ottoman state was established around 1300 as a small frontier principality which devoted itself to the gaza, Holy War, on the frontiers of the Seljukid Sultanate in Anatolia and of the Byzantine Empire. The Ottomans followed governmental traditions of earlier Turkic and Islamic states of near east and middle Asia. They successfully accommodated different religious, cultural, and ethnic elements. By the end of the 16th century, the Ottomans, with their tradition in governmental administration, economic structure, land and military system was one of the strongest world powers which deserved attention. The Ottoman expansion started in the Balkans by the middle of the 14th century and resulted in strong opposition by the central European powers. The struggle began on a large scale when the Ottomans, taking advantage of the divisions arising from the appearance of Protestantism and national monarchies in Europe, launched a series of sustained attacks against the Habsburgs in Central Europe and the Mediterranean. During the period 1528-78, the Ottomans pursued an active diplomacy in Europe. In addition to concerted military expeditions, the Ottomans supported friendly nations in Europe by granting commercial privileges. Another activity of the Ottoman diplomacy at this time was to avoid a two front war. In

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particular, the Ottomans did not wish to go into war with Iran when engaged in Western Europe. The treaty of Zsitva-Törok with the Habsburgs in 1606 represents the beginning of the decline in the Ottoman Empire. Following that in the same century the Ottoman monetary system collapsed and the European powers replaced Venetians in the Levant. The main Ottoman retreat started by the failure of the second siege of Vienna after which the Ottomans started reform movements which continued for the next two hundred years. 1 Donnerstag, 29. April, 15:00 Uhr, Kaffeepause Donnerstag, 29. April, 15:30 Uhr Roland Steinacher (Wien): Merowinger und Karolinger - Imperien zwischen Antike und Mittelalter Die noch stark der barbarischen Spätantike verbundene merowingische Dynastie wurde 751 n.Chr. durch Pippin den Jüngeren abgelöst. Sein Bündnis mit dem Papst verband das fränkische Königtum in besonderer Weise mit dem Christentum und stellte es auf eine Grundlage, die für das gesamte Mittelalter bestimmend werden sollte. Die Kirchenorganisation war Teil der fränkischen Expansion und Herrschaftsansprüche und bedingte bedeutende politische Grundstrukturen großer Gebiete des heutigen Europa. Wie das römische Reich zuvor hatte das expandierende fränkische Großreich seine Peripherie, seine Barbaren. Die Beziehungen zu Sachsen, Awaren, Slawen und später Normannen lassen sich durchaus mit dem römischen Grundmuster der Verhältnisse zu barbarischen Nachbarn vergleichen, sie sind aus Sicht der Franken ‚imperial’. Als der letzte Merowinger Childerich III. von Pippin in ein Kloster verbannt wurde, bestanden großflächige postimperiale (poströmische) Strukturen. Wie keine andere barbarische Kriegerelite hatten es die fränkischen Großen geschafft, außerhalb des alten Zentrums des Westens Italien einen neuen politischen Schwerpunkt in der Gallia zu bilden. Nach Caesar und der Offensive des Drusus bis an die Elbe (9 v.Chr.) war die territoriale Begrifflichkeit Germania vorhanden und wurde wie Gallia, Hispania oder Italia verwendet. In der Merowingerzeit konnte diese Germania von der Gallia aus beherrscht werden, ein altes römisches Vorhaben. Im 9. Jahrhundert wurden die fränkischen, rechtsrheinischen Gebiete aus westfränkischer bzw. päpstlicher Perspektive ebenfalls mit dem alten römischen Begriff bezeichnet. So konnte Ludwig II. als rex Germaniae oder rex Germanorum tituliert und sein Herrschaftsbereich Germania genannt werden. Erst seit dem 18. Jahrhundert ist der die Quellen missdeutende Beiname „der Deutsche“ für Ludwig II. verwendet worden. Donnerstag, 29. April, 16:00 Uhr Christoph Kampmann (Marburg): Das Heilige Römische Reich deutscher Nation – ein Imperium? Es ist bekannt, dass das Heilige Römische Reich deutscher Nation, das Sacrum Imperium Romano-Germanicum, auch nach dem Ende des Mittelalters in der so genannten Frühen Neuzeit, bis 1806, fortexistiert hat. Die Einschätzung der Bedeutung des frühneuzeitlichen Sacrum Imperium hat sich in den vergangenen Jahren in der Forschung stark gewandelt. Lange Zeit galt das römisch-deutsche Reich in der Frühen Neuzeit nur als relativ kraftloses Relikt, als Sinnbild des 1 In the construction of the abstract some information is taken from An Economic and Social History of the Ottoman Empire, 1300-1914. Ed. By H. İnalcık & D. Quataert, Cambridge 1994, pp. 8-25.

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Überkommenen und des Traditionellen in einer Epoche, die von neuen Kräften bestimmt worden sei. Ein Imperium schien dieses Reich nur dem Namen nach zu sein. Inzwischen setzt die Geschichtswissenschaft hier neue Akzente. Am Beginn der Neuzeit, im 16. Jahrhundert, stand nicht der schleichende Abschied vom universal verstandenen Imperium, sondern ein in vielerlei Hinsicht sehr brisantes „Revival of universalist ideology“. In diesem Zusammenhang kam dem Sacrum Imperium auf einmal neue, politisch brisante Bedeutung zu. In dem Vortrag werden die geistig-politischen Ursachen und die weitreichenden Folgen dieser Entwicklung in den Blick genommen. Dabei wird über das 16. Jahrhundert hinaus auch auf den Wandel des (Selbst-)Verständnisses des römisch-deutschen Reichs im 17. und im 18. Jahrhundert geschaut: Es wurde nun immer stärker zum partikularen Reichsstaat der Deutschen, ohne sich je ganz von dem Anspruch zu verabschieden, nicht nur ein Imperium, sondern sogar das eine Imperium zu sein. Donnerstag, 29. April, 16:30 Uhr Thomas Vogtherr (Osnabrück): Die europäische Staatenwelt im hohen und späten Mittelalter. Imperien oder konkurrierende Territorialstaaten? Die Frage, was eigentlich ein mittelalterliches „Imperium“ sein könne, muss angesichts des Fehlens einschlägiger Überlegungen in der Forschung einen erheblichen Teil des Vortrags ausmachen. Konkret wird es um den Versuch gehen, vorliegende Definitionen – etwa aus Münklers „Imperien“ (2005) – auf ihre Anwendbarkeit für das Mittelalter zu überprüfen. Einer der Ansatzpunkte wird der Versuch einer Geistes- und Begriffsgeschichte von „Imperium“ im Mittelalter sein, verbunden mit Aussagen zur Position der mittelalterlichen Römischen Kaiser im Verhältnis zu den übrigen Königen Europas, wie sie sich etwa in der Vorstellung von der „Familie der Könige“ abbilden. Ein zweiter Ansatzpunkt wird die Untersuchung von Herrschaftsgebilden sein, die mehr als nur ein Königreich umfassten, beginnend mit einem unerlässlichen Rückblick auf das Karolingische Großreich des 9. Jahrhunderts und seine Nachfolgestaaten über die kurzlebige Union zwischen Dänemark und England zu Anfang des 11. Jahrhunderts bis zu Überlegungen zur Stellung Mittelosteuropas im Kontext kaiserlicher Politik des 10.-12. Jahrhunderts. Für das Hochmittelalter von Interesse sind auch Bezeichnungen von Königen als „imperatores“, wie sie etwa aus England und Spanien überliefert sind. Aus dem Spätmittelalter werden vor allem Beispiele von Personalunionen diskutiert werden, so die Kalmarer Union in Skandinavien. Es wird das wesentliche Ergebnis des Vortrages sein, dass die bisher vorliegenden Definitionen des modernen Imperien-Begriffes für die mittelalterlichen Strukturen nicht anwendbar sind. Statt dessen entsteht im mittelalterlichen Europa eine Staatenwelt, innerhalb derer sich auf Zeit jeweils hegemoniale Mächte herausbilden und behaupten. Donnerstag, 29. April, 17:00 Uhr Jens E. Olesen (Greifswald): Ein Ostseeimperium? Das schwedische Reich Durch Eroberungen im Ostseeraum konnte sich Schweden in der Frühen Neuzeit zu imperialen Macht entwickeln. Die Grundlagen dafür wurden bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Regierungszeit Gustav I. Vasas gelegt. Die Auflösung der mittelalterlichen Mächte (die Kalmarer Union, der Deutsche Orden und

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die Hanse) erleichterte Schweden diesen Aufstieg. Im Jahre 1561 übernahm Schweden die Kontrolle über Reval (Tallinn) und leitete damit die imperiale Epoche ein. Durch Reformen und Durchsetzung der Reformation entwickelte sich das auf Agrarproduktion basierendes Land zu einem zentralisierten frühneuzeitlichen Staat, besonders die Erneuerungen König Gustav II. Adolfs bedeutete eine Festigung des Machtstaates. Ab 1617 kontrollierte Schweden den Zugang russischer Waren nach Westeuropa, und 1621 gelangte Riga unter schwedischer Oberhoheit. Im Jahre 1629 wurde der Krieg gegen Polen vorläufig beendet. Im Jahr darauf stieg Gustav II. Adolf in den 30-jährigen Krieg ein. Die Sicherheitsprobleme Schwedens und die territorialen Gewinne waren früh an den Kampf um das Dominium Maris Baltici gegen Dänemark geknüpft. Die Friedensschlüsse von 1660 bezeichnen einen Höhepunkt schwedischer imperialer Macht im Ostseeraum. Für die Gegner war Schweden sowohl Feind- als auch Vorbild, und dies leitete den Zerfall und das Ende des schwedischen imperialen Experiments ein. Nach dem Großen Nordischen Krieg 1700-1720/21 war Schweden wie Dänemark eine Macht auf mittlere Ebene geworden und konnte die Ostseepolitik nicht länger selbständig gestalten. Donnerstag, 29. April, 17:30 Uhr, Diskussion Donnerstag, 29. April, 18:30 Uhr Abendessen Donnerstag, 29. April, 19:30 Uhr Führung durch St. Michael (Wolfgang-Christian Schneider)

Detail Bernwardssäule in St. Michael, Hildesheim, Foto FH

Freitag, 30. April IV. NEUZEITLICHE UND ZEITGESCHICHTLICHE IMPERIEN Freitag, 30. April, 08:30 Uhr Walther L. Bernecker (Erlangen): Das Spanische Reich Bei der Suche eines Seewegs nach Indien waren Christoph Columbus und die Katholischen Könige ursprünglich offensichtlich vom portugiesischen Modell eines Systems von festen Stützpunkten und Faktoreien inspiriert; interessiert waren die Spanier primär an Gold, Sklaven und Gewürzen. Zur Absicherung und Legitimierung

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der Unternehmungen ließen sich die katholischen Könige vom Papst in mehreren Bullen das Eroberungsmonopol geben, das mit einem Missionsauftrag verbunden war. Die Bedeutung der Mission für das spanische Herrschaftssystem erschöpfte sich dabei nicht in der Integration und Disziplinierung der indianischen Untertanen; sie diente auch der Sicherung und Erweiterung der Grenzen. Ausdehnung und Beschaffenheit der neu entdeckten Länder in Amerika machten es bald erforderlich, regelrechte Siedlungskolonien einzurichten. Statt kurzfristiger Gewinnmaximierung durch Ausweitung des Handelsraums (wie bei den Portugiesen) wurde langfristige Gewinnmaximierung durch Ausweitung des Herrschaftsraums das Ziel spanischer Politik. Zugleich wurde diese Aufgabe für kastilische Privatinitiative geöffnet. Goldgier wurde zur augenfälligsten Triebkraft der Eroberung Amerikas. Die Eroberung erfolgte nach bestimmten Verlaufsschemata, die man als „Technik der Conquista“ bezeichnen kann. Legitimiert wurde das Vorgehen durch den Herrschaftsanspruch der spanischen Könige über die Neue Welt. Staatsrechtlich handelte es sich bei den amerikanischen Territorien um selbständige Teilreiche der Krone Kastiliens. Verwaltet wurden sie von Zentralbehörden in Spanien und einer spanisch beherrschten Administration in Amerika. Die Kirche befand sich als eine Art Staatskirche fest in der Hand der Krone. Das spanische Kirchenregiment in Amerika zeigte die unverkennbare Handschrift des Absolutismus. Tendenzen zur Bildung von Feudalherrschaften wurde rasch ein Riegel vorgeschoben. Statt dessen errichtete ein privilegiertes Berufsbeamtentum eine bürokratisch-zentralistische Herrschaft des damals modernsten Typs. Dank der bestehenden Herrschaftsverhältnisse konnte die Wirtschaft des spanischen Amerika mit politischen Mitteln auf den Export von Edelmetallen und anderen Rohstoffen nach Europa ausgerichtet werden. Der Vortrag zum spanischen Weltreich thematisiert die Träger der spanischen Expansion und ihre Zielsetzungen, sodann die Etappen der spanischen Kolonisation Iberoamerikas, die Rechtfertigung und Methoden der Conquista, das koloniale Herrschaftssystem der Spanier, die Eingeborenenpolitik Spaniens, die Erosion der spanischen Herrschaft im späten 18. Jahrhundert, die Unabhängigkeitskämpfe in Iberoamerika, schließlich die Rückwirkungen der europäischen Expansion nach Iberoamerika. Freitag, 30. April, 09:00 Uhr Alfred Kohler (Wien): Das Universalreich Karls V. Das Weltreich Karls V. (1500-1558) ist aufgrund eines dynastischen Zufalls zustande gekommen. Deswegen bestand dieses Reich aus einzelnen Herrschaftsgebieten, die in ihren Traditionen höchst verschieden waren, und bis dahin nie unter einem Herrscher gestanden waren: Es handelt sich um die Burgundischen Niederlande, die spanischen Königreiche Kastilien und Aragón, einschließlich der außereuropäischen Gebiete der Krone Kastiliens (Amerika und die Molukken in Südostasien) und der süditalienischen Gebiete der Krone von Aragón, sowie um das Erbe Maximilians I., d.h. die österreichischen Länder, die Karl V. allerdings 1521/22 an seinen Bruder Ferdinand I. abtrat. Seit 1519 hatte Karl V. die Kaiserwürde des Heiligen Römischen Reiches inne. Symptomatisch für das Universalreich Karls V. ist die Diskrepanz zwischen der ideellen Stilisierung und der Realität der Herrschaft: Die Idee einer „Monarchia universalis“, von der sich der Begriff des „Universalreiches“ ableitet, wurde von Großkanzler Mercurino Gattinara wohl stark propagiert, aber kaum realisiert, etwa durch die Schaffung zentraler Institutionen. So ließ sich der administrative Riss zwischen Spanien, den Burgundischen Niederlanden und dem

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Heiligen Römischen Reich nie beseitigen. Gattinara gebrauchte allerdings auch den Begriff des „Dominium mundi“, also der Weltherrschaft, und überdies passte die Devise „Plus ultra“ – „Darüber hinaus“, eine burgundische Devise, auf Karl V. seit seinem Herrschaftsantritt in Spanien (1517) und seit der Kaiserwürde (1519) nur zu gut. Das Reich Karls V. verfügte über keine zentrale Residenz, vielmehr über mehrere Herrschaftszentren in den Burgundischen Niederlanden wie in den spanischen Königreichen; im Heiligen Römischen Reich hingegen besaß Karl V. keine einzige Residenz, was ein Nachteil war. Karl V. kann wohl als letzter „Reisekaiser“ bezeichnet werden. Seit 1519 hatte Karl V. im französischen König Franz I. und später in dessen Sohn Heinrich II. entschiedene Gegner – Franz I. war als Kandidat bei der Kaiserwahl unterlegen. Im Heiligen Römischen Reich traf Karl V. als Kaiser auf eine starke Ständemonarchie, deren Reibeflächen sich im Zuge der Reformation erheblich vergrößerten. Im Verhältnis zu Frankreich und im Zuge der irreversiblen Entwicklungen der Reformation im Reich entschied sich das Scheitern der Herrschaft Karls V., die in dessen einzigartiger Abdankung kaum deutlicher zum Ausdruck kommen könnte. Das Universalreich Karls V. fand jedoch in modifizierter Weise und unter anderen Bedingungen im Weltreich Philipps II. (1556-1598) seine Fortsetzung. Freitag, 30. April, 09:30 Uhr Michael Broers (Oxford): The Napoléon Empire The main purpose of this paper is to analyse the Napoleonic Empire first, in the context of the controversy that surrounds it, which has polarised scholars around two extreme views: that it was the founding moment in the institutional history of modern Europe, as opposed to the view that it was merely the ad hoc result of spontaneous responses by Napoleon to the acquisition of foreign conquests made for conquest sake. My main purpose is to try to find the geographical core of the empire, to define areas where either the former or the later interpretation of its character prevailed. To this end, I have divided the paper into three sections: growth, geography and governance. Freitag, 30. April, 10:00 Uhr, Kaffeepause Freitag, 30. April, 10:30 Uhr Robert Aldrich (Sydney): The French Overseas Empire 1830-1962 With more than eleven million square kilometers in territory, and a population of citizens and subjects that ultimately exceeded one hundred million, France claimed the second largest of modern empires. This paper identifies some of the key traits of France’s empire – its global expanse (North Africa and the Middle East, sub-Saharan Africa, Southeast Asia, and the Indian, Pacific, and Atlantic oceans), the French policy of direct rule and potential if limited granting of full citizenship to the colonized, the relative lack of European settlement in the colonies, the slow and painful disengagement of France from its empire in the 1950s and 1960s, the particular legacy that the imperial experience left to France and the countries over which it ruled, and the contemporary ‘return of the colonial’ in public life in France. Throughout its complex modern history, the possession of an empire played a major

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role in French nation-building, policy-making, definition of citizenship and political entitlement, and the construction of the French identity. Freitag, 30. April, 11:00 Uhr Arnold Suppan (Wien): Die Habsburger Monarchie - ein Imperium? Am 1. Jänner 1901 schrieb die „Reichenberger Zeitung“, eine der bedeutendsten Regionalzeitungen in den böhmischen Ländern, dass die Habsburgermonarchie unter den „denkbar ungünstigsten Vorzeichen“ in das 20. Jahrhundert eintrete: Der Doppelstaat sei dabei, wirtschaftlich zurückzufallen, sei aber unfähig, sich aus seiner Lethargie aufzuraffen und mit den umliegenden Staaten wettzueifern. Dazu komme die politische und nationale Verwirrung, die kürzlich über ihm zusammengeschlagen sei und es zum europäischen Gespött gemacht habe. Der Nationalitätenstreit habe der Monarchie mehr Schaden zugefügt als der höchst unglücklich verlaufene Krieg des vergangenen Jahrhunderts (gemeint war 1866); und, was vielleicht das Schlimmste sei, die Deutschen Österreichs seien untereinander entzweit und scheinen auf Selbstzerstörung aus zu sein. Aus den Zeichen, die überall von Stagnation und Rückgang kündigten, erwarteten „die Bewohner des alten Kaiserstaates mit berechtigtem Pessimismus“ des Vaterlandes künftige Entwicklung.2 Der im Jahre 1900 zum österreichischen Ministerpräsidenten ernannte Ernest von Koerber hatte in einem Bericht an Kaiser Franz Joseph den Sprachenstreit bereits als „hauptsächlichste Ursache des auf allen Gebieten öffentlicher Wirksamkeit eingetretenen Stillstandes“ bezeichnet. Er sei der „Kernpunkt allen politischen Zwistes, die Basis eines nicht genug zu beklagenden Radicalismus, für welchen sonst nur die bescheidensten Voraussetzungen in Österreich vorhanden wären. […] Die einzelnen Volksstämme unterordnen ihm alles, selbst ihre wichtigsten Interessen.“ Daher verwirre und erschwere er jede staatliche Administration, weil deren Tätigkeit kaum mehr meritorisch, sondern bis in die kleinsten Details sprachenrechtlich beurteilt werde. – Das Dilemma zwischen der „Gleichberechtigung aller Landessprachen“ und der Postulierung einer „Staatssprache“ wie in Ungarn blieb in der österreichischen Reichshälfte ungelöst.3 Bereits in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatte in der Habsburgermonarchie durch den Eisenbahnbau, die Aufhebung von Zollgrenzen, die Grundentlastung, die Einführung der allgemeinen Schul- und Militärpflicht sowie der Implementierung moderner Verwaltungsstrukturen eine Verdichtung des Raumes stattgefunden, die nun auch die mehrheitlich bäuerlichen Gesellschaften in die neuen industriell-dienstleistungsbezogenen Kommunikationsnetze einzuordnen begann. Damit wurden aber – im Unterschied zu Frankreich, Großbritannien und Deutschland – auch auf unterstaatlicher Ebene günstige Voraussetzungen für die Formierung nationaler Gesellschaften geschaffen, vor allem in der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. In Verbindung mit den Nationalitätengesetzen in Österreich 1867 (mit der Anerkennung der „Volksstämme“ als politische Subjekte) und Ungarn 1868 entwickelte sich „eine nicht zu unterschätzende Schulung für bewusstes Eigenleben nationaler Gruppen, ohne eigenen Staat, für ihre Selbstintegration ohne staatliche Zwangsgewalt, ja oft gegen sie. So war die zweite Phase der Entwicklung der

2 Reichenberger Zeitung, 1. Jänner 1901; zitiert nach: Mark CORNWALL (Hg.), Die letzten Jahres der Donaumonarchie. Der erste Vielvölkerstaat im Europa des frühen 20. Jahrhunderts (Wegberg ²2006) 13. 3 Gerald STOURZH, Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848-1918 (Wien 1985) 89-98; Alfred ABLEİTİNGER, Ernest von Koerber und das Verfassungsproblem im Jahre 1900 (Wien 1973) 198-200.

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Nationalitätenfrage, die der Nationalstaaten, in jener ersten Phase der übernationalen Staatsbildungen bis zu einem gewissen Grad vorbereitet.“4 Tatsächlich konnten bereits vor 1914 nicht nur die Tschechen in den böhmischen Ländern und die Polen in Galizien, sondern auch die Slowenen in Innerösterreich und die Kroaten in Kroatien-Slawonien autonome Netzwerke aufbauen und ihre nationale Gruppenzugehörigkeit immer offensiver herauskehren. Gerade diese allgemeine nationale Mobilisierung führte aber zu einer immer konfliktträchtigeren Nationalisierung, da sich die verschiedenen nationalen Gruppen in den wachsenden Städten und Industrieregionen denselben Raum teilten und nun um die Vorherrschaft ihrer Sprache im öffentlichem Raum (Politik, Verwaltung, Gerichte, Eisenbahnen, etc.), aber auch um jedes Schulkind zu kämpfen begannen. Die Koexistenz verschiedener nationaler Netzwerke, führte nicht zuletzt dazu, Teilgesellschaften autonom zu mobilisieren, was allerdings dem Anspruch des modernen Staates widersprach, eine komplexer werdende (Industrie-)Gesellschaft von einem politischen Zentrum aus zu regieren. Bereits vor 1914 waren aber auf dem Boden der multiethnischen Habsburgermonarchie neue Nationen entstanden, die von den alten master nations (Lewis B. Namier) nicht mehr integriert werden konnten, ja mehr noch: sie konnten bereits weitgehend für sich selbst existieren. Daher griffen sie während des Ersten Weltkrieges auch mit zunehmender Intensität die von Wilson und Lenin propagierte Formel vom Selbstbestimmungsrecht der Völker auf.5 Aber schon der im Zweiten Weltkrieg mit der slowenischen „Befreiungsfront“ kooperierende Historiker Fran Zwitter stellte auf dem internationalen Historikerkongress in Stockholm 1960 fest, dass „der lange Bestand der Monarchie“ allein mit dem Legitimismus der Armee, der Beamtenschaft, des Adels und der römisch-katholischen Kirche nicht erklärbar sei, sondern dass für ihr langes Überleben auch ein gewisser Konsens unter ihren Nationalitäten notwendig gewesen sein müsse. Für die Deutschen und die Ungarn soll die Monarchie demnach vor allem das Mittel für die Erringung je eigener nationaler Ziele gewesen sein, während die übrigen Nationalitäten sie als das kleinere Übel betrachteten, im Vergleich zu den Gefahren, die ihr Zerfall mit sich gebracht hätte: Die Tschechen und Slowenen hätten sich vor Großdeutschland gefürchtet, die Polen und Rumänen vor dem russischen Zarenreich, die Südslawen an der Adria vor der italienischen Irredenta. Die Habsburgermonarchie hätte – nach Zwitters Meinung – nach 1848 durchaus die Möglichkeit gehabt, sich in eine Föderation der Nationen umzuwandeln, diese „demokratische Idee“ hätte aber wegen der großen (entwicklungsgeschichtlichen) Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen zahlreiche Probleme verursacht und sei nie die Idee jener gewesen, „die an der Macht waren“. Erst mit Beginn des Ersten Weltkrieges sei der innere Konsens zu Ende gegangen und der Untergang der Monarchie unausweichlich gewesen.6 Österreich war in den Kriegen zwischen 1683 und 1718 eine europäische Großmacht geworden, stabilisierte sich als solche freilich erst mit dem Ende des Siebenjährigen

4 Charles S. MAİER, Transformations of Territoriality, 1600-2000, in: G. Budde – S. Conrad – O. Janz (Hgg.), Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien (Göttingen 2005) 32-55; Eugen LEMBERG, Nationalismus, 2 Bde. (Reinbek bei Hamburg 1964), Bd. 1, 187; vgl. Karl W. DEUTSCH, Nationalism and Social Communication (Cambridge ²1966). 5 Arno J. MAYER, Politics and Diplomacy of Peacemaking. Containment and Counterrevolution at Versailles, 1918-1919 (London 1968) 3-30; Gerhard SCHULZ, Revolutionen und Friedensschlüsse 1917-1920 (dtv-Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts 2, München 1967) 103-105; Jan KŘEN, Dvě století střední Evropy [Zwei Jahrhunderte Mitteleuropa] (Praha 2005) 187-233; Michael MANN, The Dark Side of Democracy. Explaining Ethnic Cleansing (Cambridge 2005) 69. 6 Fran ZWITTER – Jaroslav ŠIDAK – Vaso BOGDANOV, Les problèmes nationaux de la Monarchie des Habsbourg (Belgrade 1960); Peter ŠTIH, Vasko SIMONITI, Peter VODOPIVEC, Slowenische Geschichte. Gesellschaft – Politik – Kultur (Graz 2008) 301-305.

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Krieges – im übrigen wie Russland und Preußen. Erst Maria Theresia fasste als Erzherzogin von Österreich sowie Königin von Ungarn und Böhmen das Konglomerat an verschiedenen Ländern durch eine neue Zentralverwaltung und eine neue Steuergesetzgebung zusammen und stärkte es durch den Aufbau eines modernen Schulwesens. Dennoch war das Imperium 1809 durch Napoleon und 1848/49 durch die Revolutionen in Wien und Ungarn wieder gefährdet. Und mit den Niederlagen 1859 gegen Frankreich und Piemont sowie 1866 gegen Preußen büßte die Habsburgermonarchie ihre internationale Rolle stark ein. Als wesentlich für das habsburgische Imperium sieht der britische Historiker Dominic Lieven bestimmte Werte und Haltungen an:

1) Die Verbindung zwischen feudalen Traditionen der Aristokratie, der Gegenreformation und der katholischen Barockkultur, die eine ”Homogenisierung” eingeleitet habe;

2) der starke Ausbau des Schulwesens unter Maria Theresia mit über 6000 Schulen und 200.000 Schülern;

3) die Übernahme der Industriellen Revolution in den böhmischen und einem Teil der österreichischen Länder;

4) die soziale Rückständigkeit gegenüber Nordwesteuropa. Erstaunlicherweise betrachtet Lieven die Habsburgermonarchie ebenso zur ”Second World” gehörig wie Russland!7

Lieven registriert eine schwierige geopolitische Lage und gewisse Schwächen der Habsburgermonarchie in der militärischen Stärke – zuerst gegenüber dem Osmanischen Reich, dann gegenüber Frankreich, dann gegenüber Preußen, schließlich gegenüber Russland. Daher habe Österreich immer eine kluge Koalitionspolitik benötigt – wie unter den Staatskanzlern Fürst Kaunitz und Fürst Metternich. Katastrophal sei aber die Außenpolitik während des Krimkrieges, 1859 und 1866 gewesen. Die russische und italienische Außenpolitik vor 1914 sei schließlich für die Habsburgermonarchie immer gefährlicher geworden. Zu den innenpolitischen Krisenelementen der Habsburgermonarchie zählt Lieven die starken Traditionen der Länder der Stephans- und Wenzelskrone, die Verbindung dieser historischen Identitäten mit ethnischen und sprachlichen Traditionen, Widerstandshaltungen im ungarischen Protestantismus, panslawische Sympathien und verschiedene Irredentahaltungen. Eine fundamentale Schwäche der österreichischen-ungarischen Monarchie vor 1914 bestand allein in der Tatsache, dass sechs der elf Nationalitäten – die Deutschen, Polen, Ukrainer, Rumänen, Serben und Italiener – in ihrer Mehrzahl außerhalb der Habsburgermonarchie lebten. Vier der Genannten besaßen vor 1914 auch schon einen eigenen Nationalstaat. Die deutsche Frage an Österreich war spätestens seit 1848 gestellt und wurde 1879 vorläufig mit dem Zweibund beantwortet. Einerseits waren die Deutschen in Österreich-Ungarn nicht nur die ”modernste” Nationalität, sondern in Ungarn und in Innerböhmen durchaus auch Magyarisierung und Tschechisierung ausgesetzt. Andererseits stellten sie gemeinsam mit den Magyaren fast 44 % der Gesamtbevölkerung – beinahe den Prozentsatz der Großrussen im Zarenreich 1897.8 Der bedeutendste Nationalitätenkonflikt in der Habsburgermonarchie war nach Lieven der deutsch-tschechische: Die historischen Interpretationen der beiden Nationen in Böhmen standen sich diametral gegenüber; der Konflikt war ein 7 Dominic LIEVEN, Empire. The Russian Empire and Its Rivals (London 2000) 164. 8 Andreas KAPPELER, Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall (München ²1993) 323.

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moderner ”middle-class” Konflikt, d.h. zwischen dem Bildungsbürgertum und seinem jeweiligen Anhang in der unteren Mittelschicht. Obwohl in der sich modernisierenden Industriegesellschaft die staatliche, regionale und kommunale Bürokratie immer wichtiger wurde, waren die Deutschen auch 1897 nicht bereit, ausreichend Tschechisch zu lernen. Hingegen begannen sie seit den 1880er Jahren die Teilung des Kronlandes Böhmen zu fordern, womit ein Trennungsprozeß zwischen den bei-den Nationalitäten einsetzte. Diesen förderten auch die Tschechen durch einseitige sprachenpolitische Maßnahmen in Prag und anderen Gemeinden. Nichtsdestoweniger, die Nationalisten konnten protestieren und toben; die habsburgische Kultur entwickelte sich über den Rechtsstaat, die Bürgerrechte und die politische Repräsentation. Daher gab es auch keine größeren bewaffneten Konflikte oder gar einen Kleinkrieg!9 Die modernen Massenparteien der Christlichsozialen und Sozialdemokraten versuchten im Sinne des Staatsganzen zu wirken, blieben loyal zur Dynastie – auch die Sozialdemokraten, die den Großstaat verteidigten (!) – und entwickelten moderne Lösungsmodelle, vor allem das Brünner Programm 1899. Die Austromarxisten entwickelten darin praktisch ein modernes nationales Millet-System. Die ungarische Elite favorisierte zwar das zentralistische, homogenisierende französische Nationalstaats-Modell, sicherte aber dennoch allen Nationalitäten die bürgerlichen Rechte, das Privateigentum und ein ausgebautes privates Schulwesen. Freilich, der Unterschied zum österreichischen Nationalitätenrecht 1867 mit der grundsätzlichen Gleichberechtigung aller ”Volksstämme” war eklatant.10 Die Habsburgermonarchie war seit dem Ausgleich 1867 eine Doppelmonarchie, bestehend aus zwei Teilstaaten mit eigenen Verfassungen, Regierungen und Parlamenten, aber mit einem Monarchen (Kaiser von Österreich und König von Ungarn), einem Gemeinsamen Ministerrat – dem der k.u.k. Außenminister, der k.u.k. Kriegsminister, der k.u.k. Finanzminister und die beiden Ministerpräsidenten angehörten –, einer gemeinsamen Außenpolitik, einer k.u.k. Armee (dazu gab es zwei Landwehren), einem Zoll- und Handelsbündnis, einer Österreichisch-Ungarischen Bank und einer Währung. Bei allen Privilegien für die österreichische, böhmische, galizische, ungarische, kroatisch-slawonische und italienische Aristokratie, bei allen Vorteilen für das deutsch-österreichische, deutsch-böhmische, italienische und jüdische Wirtschaftsbürgertum, gab es für alle Staatsbürger in beiden Reichshälften ein hohes Maß an Rechtssicherheit, einen allgemeinen Wohlstandsanstieg, sozialpolitische Leistungen wie sonst nur im Deutschen Reich und in der Schweiz, relativ weit gesteckte Bildungschancen und eine erfreuliche Aufstiegsmobilität. Auch die Meinungsfreiheit war bei deutlich abnehmenden Zensureingriffen immer besser gesichert, sogar die Freiräume für zum Teil verletzende Kritik öffneten sich. Unterschiedlich geregelt war die politische Partizipation, sowohl auf staatlicher, als auch auf regionaler und kommunaler Ebene. Wurde in Cisleithanien das zensusorientierte Kurienwahlrecht (Großgrundbesitz, Städte, Handelskammern, Landgemeinden) schrittweise erweitert, bis 1906 auf staatlicher Ebene das allgemeine Wahlrecht für Männer eingeführt wurde, so blieb Ungarn weit davon entfernt. Auf regionaler Ebene erhielt etwa Galizien mehr Rechte als Kroatien-Slawonien, während auf kommunaler Ebene die österreichische Gemeindeautonomie zum Tragen kam. Trotz klassenspezifischer Beschränkungen hatten sich in den fünf Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg die Lebens-, Aufstiegs- 9 LIEVEN, Empire, 185; vgl. Otto URBAN, Die tschechische Gesellschaft 1848 bis 1918, 2 Bde. (Wien-Köln-Weimar: Böhlau, 1994). 10 STOURZH, Gleichberechtigung, 56.

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und Partizipationschancen vieler Angehöriger der elf Nationalitäten („Volksstämme“) spürbar verbessert und waren kaum durch besondere gesellschaftliche Gefahren bedroht.11 Österreich-Ungarn stellte ein gemeinsames Wirtschafts-, Währungs- und Zollgebiet dargestellt, das von der Arbeitsteilung, dem Austausch von Produkten und dem Kapitalfluss zwischen den einzelnen Regionen profitierte. Da es eine Reihe von gut entwickelten und sich ergänzenden Industrie- und Agrargebieten sowie moderne Dienstleistungszentren (Wien, Budapest, Prag, Triest) besaß, stellte der innere Markt für viele Wirtschaftssektoren einen großen Vorteil dar, der manche Nachteile gegenüber den großen Industrie- und Exportnationen USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich aufwog. Zwischen 1900 und 1910 erzielte die Habsburgermonarchie etwa deutliche Produktionssteigerungen bei Eisenerz, Roheisen, Steinkohle, Braunkohle, Lignit, Salz, Zucker, Hafer, Roggen, Gerste, Weizen, Wolle, Baumwolle und Tabak. Trotz des ausgedehnten Großgrundbesitzes in den böhmischen Ländern und Galizien sowie des umfangreichen Aktienkapitals bei den Großbanken und Großindustrien besaßen in der österreichischen Reichshälfte im Durchschnitt der Jahre 1911-1913 die Industrieangestellten und –arbeiter sowie die staatlichen Beamten, Angestellten und Arbeiter 44,1 % des Nationaleinkommens, die Unternehmer und Hausbesitzer 25,5 %, die kleinen Bauern (unter 40 ha) und landwirtschaftlichen Arbeiter 21,6 %, die staatlichen Betriebe 5,4 %, die Großgrundbesitzer aber nur 3,3 %. Hierbei waren die Steigerungsraten zwischen 1903 und 1913 in den Alpenländern, in Nieder- und Oberösterreich, in den böhmischen Ländern, in Galizien und der Bukowina sowie in den Küstenländern durchaus ähnliche. Deutliche Entwicklungsrückstände – für die nach vielfacher nationalistischer Propaganda die Wiener Regierungen verantwortlich gewesen seien – waren daher unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg lediglich in Ostgalizien, in der Karpato-Ukraine, im Osten Siebenbürgens, in Westkroatien (in den Gebieten der ehemaligen Militärgrenze), in Bosnien-Herzegowina sowie im Hinterland von Dalmatien zu erkennen. Die Arbeitslosigkeit war in den westlichen Industriezentren wie Wien, Prag, Pilsen, Brünn, Reichenberg, Graz und Triest unter drei Prozent, allerdings waren zwischen 1908 und 1912 1,034.813 Personen emigriert, freilich 401.802 allein aus den USA wieder zurückgekehrt. Von einem „economically stagnating and politically rotten empire“ – wie in der englischsprachigen Literatur nach 1914 öfters behauptet (nicht zuletzt von Emigranten aus der Habsburgermonarchie) – konnte daher keine Rede sein.12 Die Habsburgermonarchie löste sich erst nach der weitestgehenden Erschöpfung ihrer materiellen Kräfte auf, als die drei Westalliierten Frankreich, Großbritannien und 11 Helmut RUMPLER und Peter URBANİTSCH (Hgg.), Verfassung und Parlamentarismus, 2 Teilbde. (Die Habsburgermonarchie 1848-1918, VII/1, 2, Wien 2000); vgl. David GOOD, Der wirtschaftliche Aufstieg des Habsburgerreiches 1750-1914 (Graz 1986); John KOMLOS, Die Habsburgermonarchie als Zollunion. Die Wirtschaftsentwicklung Österreich-Ungarns im 19. Jahrhundert (Wien 1986); Roman SANDGRUBER, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Wien 1995); Helmut RUMPLER und Martin SEGER unter Mitarbeit von Peter Urbanitsch, Ulrike Harmat, Andreas Gottsmann, Anatol Schmied-Kowarzik, Renate Banik-Schweitzer, Rupert Klieber, Mario Kollegger und Melissa Aichholzer. Kartographische Umsetzung: Walter Liebhart, Soziale Strukturen: Die Gesellschaft der Habsburgermonarchie im Kartenbild. Verwaltungs-, Sozial- und Infrastrukturen. Nach dem Zensus von 1910 (Die Habsburgermonarchie 1848-1918, IX/2, Wien 2010). Besonders kritisch: Oscar JÁSZİ, The Dissolution of the Habsburg Monarchy (Chicago and London ²1961); vgl. Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914-1949, 4. Bd.: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914-1949 (München ³2008) 203. 12 Frederick HERTZ, The Economic Problem of the Danubian States. A Study in Economic Nationalism (London 1947) 20-57. Im Jahre 1913 betrug der Außenhandel Österreich-Ungarns pro Kopf der Bevölkerung lediglich 13,8 US-Dollar (Import) bzw. 11,8 US-Dollar (Export), während das Deutsche Reich auf 39,3 bzw. 36,9, Großbritannien auf 69,8 bzw. 55,5 und Frankreich auf 41,5 bzw. 33,9 US-Dollar kamen.

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die USA, die im August 1914 bzw. im Dezember 1917 Wien den Krieg erklärt hatten, ab Mai 1918 einen Strategiewechsel vornahmen. Da nach der Sixtus-Affäre und dem Canossagang Kaiser Karls nach Spa am 12. Mai 1918 (mit Abkommen über eine engere wirtschaftliche und militärische Kooperation) klar geworden war, dass sich die Habsburgermonarchie auch nach dem Ausscheiden Russlands aus dem Krieg nicht aus dem Bündnis mit dem Deutschen Reich werde lösen können, begannen die Westalliierten die nationalen Aspirationen der politischen Führer der slawischen und romanischen Völker immer offizieller zu unterstützen. Die Auflösung Österreich-Ungarns sollte eine Neuordnung Ostmitteleuropas nach dem westlichen Konzept des nation building ermöglichen, mit dem vor allem Frankreich den neuen Staaten Polen, Tschechoslowakei und Jugoslawien sowie einem stark vergrößerten Rumänien eine neue Rolle zuweisen wollte: Frankreich, das mit Russland seinen östlichen Verbündeten verloren hatte, strebte nach alliés de remplacement und wollte eine barrière de l’Est schaffen, mit der Deutschland in Schach und von Russland getrennt gehalten werden sollte. Daher vollzog sich die Auflösung der Habsburgermonarchie im Herbst 1918 gleichzeitig mit dem Sieg der Westalliierten über das Deutsche Reich. Dem war freilich ein innenpolitischer Zerfallsprozess voraus gegangen, der im letzten Kriegsjahr nur mehr mit verstärktem Einsatz des Militärs im Hinterland, an der „inneren Front“, eingedämmt werden konnte.13 Freitag, 30. April, 11:30 Uhr, Diskussion Freitag, 30. April, 12:30 Uhr, Mittagessen Freitag, 30. April, 14:00 Uhr Hans-Heinrich Nolte (Hannover): Das russländische Imperium (1721-1917) Während Rang (und Übersetzung) von „Zar“ strittig blieben (auch wenn der Titel von Caesar kam - die Tatarenkhane nannte man im 15. und 16. Jh. „Cary“), bedeutete der Imperator-Titel 1721 den klaren Anspruch auf Gleichstellung mit dem Kaiser in Wien. Nach dem Ende der Beratungsgremien des Moskauer Russland war am Beginn des 18. Jh. in St. Petersburg ein absolutistischer Staat mit umfangreicher Bürokratie nach westeuropäischen (v. a. schwedischen) Mustern institutionalisiert worden, und mit einem dienstgewohnten Adel und staatlich geförderter Rüstungsindustrie wurde das Land eine europäische Großmacht. Allerdings entsprach dem imperialen Status ein „schwacher Staat“ im Innern - keine Konfessionalisierung, keine Sozialdisziplinierung. Dabei umfasste Russland niemals „eine Welt“ (wie das imperiale Rom oder China), sondern war stets – wie die Staaten des europäischen Systems, aber auch die tatarischen Khanate – auf andere bezogen, durch Konfigurationen geprägt. Russland war ein Imperium zweiter Ordnung, nicht nur politisch als Mitglied des Konzerts, sondern auch religiös als abweichende christliche Konfession (in steter Auseinandersetzung mit Rom), ökonomisch als Lieferant von Rohstoffen und Halbfertigwaren vor allem für England und intellektuell durch den Willen, einzuholen („nunmehro wird die Reihe an uns

13 Fritz FELLNER, Der Zerfall der Donaumonarchie in weltgeschichtlicher Perspektive, in: Richard G. Plaschka und Karlheinz Mack (Hgg.), Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (Wien 1970) 32-42; Georges-Henri SOUTOU, Le deuil de la puissance (1914-1958), in: Dominique de Villepin (Éd.), Histoire de la diplomatie française (Paris 2005) 754; Piotr S. WANDYCZ, Die Großmächte und Ostmitteleuropa vom Berliner Kongreß bis zum Fall der Berliner Mauer (1878-1989), (Leipzig 2006) 24 f.; vgl. Richard G. PLASCHKA – Horst HASELSTEİNER – Arnold SUPPAN, Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918, 2 Bde. (Wien 1974); Mark CORNWALL, The Undermining of Austria-Hungary. The Battle of Hearts and Minds (London 2000).

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kommen“ meinte Peter I. 1714) oder doch aufzuholen. Der Imperiumsrang wurde auch durch die Herrschaft über viele Königreiche (Kasan, Sibir etc., 1815 – 1864 Polen) und autonome Provinzen (Baltikum, Finnland etc.) legitimiert. Russlands Rolle im Konzert war vor allem militärisch – ohne Russland hätte Napoleon vielleicht doch das Gleichgewicht der Mächte zerstört und ein gesamteuropäisches Empire errichtet. Allerdings führte Russlands Rolle als „Befreier Europas“ in eine „Militarisierungsfalle“ – „Imperium“ stand von der zweiten Hälfte des 19, Jahrhundert an deshalb immer mehr für eine „strategische Überdehnung“ der Mittel, die auf Kosten spontaner Entwicklungen ging. Freitag, 30. April,14:30 Uhr Hans-Ulrich Thamer (Münster): Das Dritte Reich Das Imperium, das Hitler in kürzester Zeit errichtete und das 1942 seine größte Expansion erreichte, war im Verständnis von Hitler die zweite Etappe der nationalsozialistischen Revolution. Obwohl das Ziel der Nationalsozialisten, „Herren in Europa“ zu werden, fast erreicht zu sein schien, war das „Großgermanische Reich“ jedoch zu keiner dauerhaften Herrschaftsbildung fähig. Das nationalsozialistische Politik- und Herrschaftsverständnis, das für die kurzfristigen Erfolge im Inneren wie in der Außenpolitik mitentscheidend war, beschleunigte zugleich den Zerfall des Reiches. Denn wie im Inneren die charismatische Herrschaft Hitlers trotz der raschen Machtmonopolisierung und der anhaltenden Massenzustimmung zu keiner dauerhaften Institutionalisierung der nationalsozialistischen Herrschaft fähig war, so erlaubte das nationalsozialistische Konzept der rassistischen Neuordnung und der Ausplünderung der im Lebensraumkrieg eroberten Völker auch keine dauerhafte Imperiumsbildung. Die Mechanismen, die zu Machteroberung und Machtverfall führten, waren durch die polykratischen Strukturen des NS-Regimes und sein sozialdarwinistisches Politikverständnis bestimmt, das zwar kurzfristig eine bis dahin ungekannte Dynamik und Radikalisierung entwickelte, aber auf der Auflösung rationaler Formen von Herrschaft und Politik basierte, die dann auch neben allen machtpolitischen und militärischen Realitäten den inneren Machtverfall beschleu-nigten und den Untergang nicht nur von Hitlers Imperium, sondern auch des Deutschen Reiches herbeiführten. Freitag, 30. April, 15:00 Uhr Gerhard Simon (Bonn): Die Sowjetunion Die Sowjetunion bestand 70 Jahre – vom Ende des Bürgerkriegs bis 1991 – eine vergleichsweise kurze Lebensdauer für ein Imperium. Die Sowjetunion war die Wiedererrichtung des Russländischen Imperiums durch die in Revolution und Bürgerkrieg siegreichen Bolschewiki. Sie entwickelten besondere Instrumente und Strategien, die verhinderten, dass das russländische Vielvölkerreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterging wie die Habsburger Monarchie oder das Osmanische Reich. Die Instrumente, die die Sowjetunion zusammenhielten, waren die Kommunistische Partei und der Sowjetföderalismus. Die Kommunistische Partei übte das Machtmonopol aus und schuf einen extrem zentralisierten Machtapparat, der Autonomie und Separatismus unmöglich machte. Der Sowjetföderalismus schuf im Gegenteil den Schein föderaler Teilhabe und entwickelte eine Staatsorganisation, in der alle großen Völker der Sowjetunion über nach ihnen benannte Republiken, Staatssymbole, kulturelle und sprachliche Rechte verfügten.

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Zu den politischen Strategien gehörten eine flexible und wechselnde Nationalitätenpolitik sowie der Terror - während des Bürgerkrieges und in der Stalinzeit der Massenterror - der sicherstellte, dass die Entscheidungen der Parteiführung durchgesetzt wurden. Instrumente und Strategien wurden überwölbt durch eine für alle verbindliche Sowjetideologie, nach der es in der Sowjetunion keine nationalen und politischen antagonistischen Gegensätze gab und das nationale Problem gelöst sei. Die gleichen Instrumente, die einmal den Zusammenhalt der Sowjetunion gewährleistet hatten, führten später in den Untergang: Das Machtmonopol der KP wurde von der Partei selbst infrage gestellt; der Terror war nicht mehr anwendbar, weil die Nomenklatura eine Garantie für Leib und Leben verlangte; die Ideologie wurde von niemandem mehr geglaubt; der Sowjetföderalismus verwandelte sich vom Schein in die Realität und sprengte das System. Das System war nicht in der Lage, neue Strategien für die Aufrechterhaltung des Imperiums zu entwickeln. Es gab sie wohl auch nicht. Freitag, 30. April, 15:30 Uhr, Diskussion Freitag, 30. April, 16:30 Uhr, Kaffeepause Freitag, 30. April, 17:00 Uhr Peter Wende (Frankfurt am Main): Das British Empire Das Britische Empire ist aufgrund seiner räumlichen und zeitlichen Ausdehnung (1600–1950) das einzige echte Weltreich der Epoche der Neueren Geschichte; darüber hinaus bezüglich seines Erbes und seiner langfristigen Wirkungsgeschichte nur dem Imperium Romanum vergleichbar. Zugleich, entsprechend seiner Genese (das Produkt einer „private-public partnership“) kein staatliches oder auch nur statisches, sondern ein im Laufe seiner langen Geschichte vielfältigem Wandel unterworfenes komplexes Gebilde, - ein pulsierendes, von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusstes Beziehungsgeflecht zwischen Metropole und Peripherie. Auf dem Höhepunkt seiner Weltmachtstellung im 19. Jh. verdrängte ein zivilisatorischer Missionsauftrag ursprüngliche ökonomische Interessen als Legitimationsideologie einer in unterschiedlichen Formen ausgeübten überseeischen Herrschaft. Deren reale Basis ist die maritime Vormachtstellung eines kleinen Inselstaates, die unter dem Druck der globalen Konflikte des 20. Jahrhunderts nicht aufrechterhalten werden kann. Da Großbritannien jedoch niemals ein Weltreich war, sondern ein Weltreich besaß, übersteht es dessen Auflösung. Freitag, 30. April, 17:30 Uhr Hans-Jürgen Schröder (Gießen): Die USA – ein Imperium? Die Geschichte der USA ist eine Geschichte der Expansion. Die kontinentale Ausbreitung mündete in eine Expansion nach Übersee. Der Etablierung eines American Empire über Lateinamerika folgte im Verlauf des 20. Jahrhunderts das imperiale Ausgreifen in andere Regionen der Welt. Dabei stützt sich die Washingtoner Politik zunächst primär auf indirekt-informelle Methoden. In geschickter Weise haben es amerikanische Politiker und Intellektuelle in der Selbstdarstellung verstanden, antikolonialistische Propaganda und imperialistische Praxis miteinander zu verknüpfen und damit den falschen Eindruck zu erwecken, die USA verfolgten keine imperiale Politik. An ausgewählten Beispielen soll gezeigt werden, dass die

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USA bis zur Gegenwart immer wieder die indirekt-informelle und als ultima ratio auch die direkt-formelle Herrschaft durch bewaffnete Intervention anstreben, partiell auch verwirklichen konnten und mithin ein American Empire - im Sinne einer „supreme power over several countries“ - etabliert haben. Dabei ist die Verbreitung amerikanischer Ordnungsvorstellungen nicht Selbstzweck, sondern Basis bzw. Vorwand zur Entfaltung amerikanischer Hegemonie: Hegemonie durch Demokratie. Die in zwei Weltkriegen verteidigten demokratischen Grundwerte führten vor allem in Europa zeitweilig zu großer Akzeptanz amerikanischer Vorherrschaft. Das belegen Begriffe wie „irresistible empire“ (Victoria de Grazia) oder „empire by invitation“ (Geir Lundestad). Der überwiegend liberal-imperialistische Charakter der amerikanischen Hegemonialpolitik des 20. wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch unverhüllte Machtpolitik und einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg überlagert. George W. Busch kommt in diesem Kontext das zweifelhafte „Verdienst“ zu, auch der amerikanischen Öffentlichkeit die Existenz des amerikanischen Imperiums vor Augen geführt zu haben. Und die Rhetorik des gegenwärtigen Präsidenten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der imperiale Anspruch der USA keineswegs aufgegeben wurde. Indirekt wird dieser imperiale Anspruch in der gegenwärtigen „declinism“-Diskussion bestätigt und namentlich der Furcht, den USA könnte der weltpolitische Abstieg drohen wie anderen Imperien im Laufe der Geschichte. Diese vergleichende Perspektive eröffnet die Möglichkeit die spezifischen Komponenten des American Empire herauszuarbeiten. Freitag, 30. April, 18:00 Uhr Michael Gehler (Hildesheim): Die Europäische Union – ein Imperium? Die europäischen Staaten formten nach Ende des Kalten Kriegs die aus den Römischen Verträgen (1957, in Kraft 1958) durch Fusionsvertrag die Europäischen Gemeinschaften (1965, in Kraft 1967) und den dann folgenden Vertrag von Maastricht (1991, in Kraft 1993) die „Europäische Union“. Unter Kommissionspräsident Jacques Delors setzte sich die EG mit der weitgehenden Realisierung des Binnenmarkts und der Anvisierung der Währungsunion ambitionierte Ziele, die sie auch erreichte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entwickelte sich seit den 1970er Jahren zum Motor für mehr Konvergenz vereinheitlichten EU-Rechts. Trotz der in den letzten zwei Jahrzehnten erreichten (größten) Erfolge in der Geschichte der europäischen Integration mit der Realisierung der „Vier Freiheiten“ (1993), der Einheitswährung „Euro“ als Buchgeld (1999) und dem konkreten Zahlungsmittel (2002), der Vereinigung des Kontinents durch die umfassendste Erweiterung in seiner Geschichte von 15 auf 25 bzw. 27 EU-Staaten (2004/07) und des von 25 Staaten beschlossenen „Verfassungs-vertrags“ (2005) erschienen der Zustand und die weitere Entwicklung der Europäischen Union zwiespältig: Die Ambivalenz findet Ausdruck in der einschlägigen Literatur: Haben wir es mit einer Neugründung („second founding“) der Europäischen Union (Ludger Kühnhardt) zu tun oder mit „den letzten Tagen Europas“ (Walter Laqueur)? Die Bilanz fällt gemischt aus: Die EU ist nach wie vor eine Welthandels- und Weltwirtschaftsmacht. Sie ist eine Teil-Währungsunion ohne Wirtschaftsunion und ihre Außen- und Sicherheitspolitik unterliegt dem Einstimmigkeitsprinzip. Die EU stellte sich zuletzt als Produkt geschwächter und bedeutungslos gewordener Nationalstaaten dar, die ihr aber nach wie vor ihren Willen aufzwingen können. Die EU ist aufgrund ihrer Attraktivität und ihrer Lebenschancen mit großem Immigrationsdruck, einer alternden und sterbenden Bevölkerung und einer

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Arbeitslosigkeit großen Ausmaßes konfrontiert. Das Europa der Gemeinschaften hat seit 1989/90 den Kalten Krieg überwunden. Die EU verspricht als Befriedigungs- und Stabilisierungsprojekt nach ihren historischen Leistungen in West- und Südeuropa nun auch in der Mitte und im Osten des Kontinents ein Garant für Demokratie, Sicherheit und Wohlstand zu sein, wobei der Beweis noch anzutreten ist. An ihren Südost- und Ostgrenzen, in der Balkan-, der Kaukasus- und der Schwarzmeer-Region (Georgien, Aserbeidschan, Armenien) gab es militärische und politische Konflikte, während in Asien der Kalte Krieg (Korea, Taiwan und China-Japan) fortbesteht. Gestärkt durch die Einheitswährung hielt die EU Schritt mit der Weltentwicklung. Außen-, sicherheitspolitisch und militärisch ist sie eine vernachlässigbare Größe, die weder von China, den USA noch Russland ernst genommen wird. Die USA erwiesen sich zweimal als Integrationssponsor für die Einigung der europäischen Staaten: erstens mit dem Marshall-Plan (1948-1952) zur Stärkung der Ökonomien Westeuropas und zweitens mit der NATO-Osterweiterung (1999 ff.) zur bündnis- und sicherheitspolitischen Flankierung der „EU-Osterweiterung“ und damit zur Absicherung der wirtschaftlichen Vereinigung des Kontinents im kapitalistisch-privatwirtschaftlich-westlichen Sinne. Das Verhältnis zwischen EU und USA ist bei aller handelspolitischer, ökonomischer und unternehmerischer Verbundenheit und Verflechtung konfliktreicher und konkurrenzorientierter geworden. Militär- und sicherheits-politisch ist die EU von einem „burden sharing“ weit entfernt, was das Verhältnis nicht erleichtert. Mit der Stabilisierung Südosteuropas scheint die Union derzeit an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gelangt. Europa muss aus seiner militärischen Unterlegenheit keine Schwäche ableiten, sondern kann darin Chancen sehen: Nicht militärische Expansion, sondern wirtschaftliche Integration und kulturelles Angebot mit Verbindungsmöglichkeiten schufen stabile politische Konstellationen und Strukturen von längerer Dauer nicht nur im Inneren, sondern auch an den Peripherien, wobei im Vergleich zu anderen historischen Vorläufern ohne militärische Expansionsfähigkeit ausgehend von einem starken Zentrum die Existenz von Riesenreichen nicht möglich gewesen wäre. Zur konkreten Umsetzung der Tagungskonzeption: A Realgeschichte der Europäischen Union 1. Die Europäische Union ist aus der Montanunion (1952) entstanden. Es gab zwar einen Gründungsmythos („Schuman-Plan“ zur Verschmelzung von Kohleförderung, Eisen- und Stahlproduktion als Friedensziel in Europa mit der „deutsch-französischen Aussöhnung“). Daraus erwuchs aber keine breitenwirksame und dauerhafte europäische Identitätsbildung. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) ist nicht ohne den Kontext des Kalten Kriegs sowie die Besetzung und Beherrschung Mittel- und Osteuropas durch die Sowjetunion zu erklären. Die UdSSR unter Stalin, Chruschtschow und Breschnew sah die EGKS und die EWG als gegen sich gerichtet an und trat als antagonistische Macht auf. 2. Die Organstruktur der Europäischen Gemeinschaften bestand von Anfang an aus zwischenstaatlichen („intergouvernementalen“) Organen (Ministerrat, Rat der EU, Ständige Vertreter) und überstaatlichen („supranationalen“) Organen (Gemeinsame Versammlung, dem späteren Europäischen Parlament, Kommission und Gerichtshof). Die Führung der EU war auf verschiedene Schultern verteilt, getragen von einem Institutionenverbund und einer überschaubaren Bürokratie. Es gab und gibt kein einziges starkes Zentrum, sondern Herrschaftsteilung, Machtverteilung und verschiedene Sitz-Orte (Brüssel, Straßburg, Luxemburg).

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3. Über verschiedene Stufen weitete die EU ihren Mitgliederbestand aus, durch die Norderweiterung (1972), die Süderweiterung (1981, 1986), die Neutralen (1995) und gegen den Osten, das Mittelmeer und den Südosten (2004/07), womit sie ein „beachtliches Herrschaftsgebiet“ (Herfried Münkler) erzielte und die Überschreitung der „augusteischen Schwelle“ (Michael Doyle) gegeben scheint. Die Expansion war sowohl durch ein Wachstum von innen nach außen (durch Attraktivität und Übernahme von EU-Recht) als auch von außen nach innen (durch steigende handelspolitische Abhängigkeit, Beitrittsanträge und -verhandlungen) erreicht worden. Die Etablierung der Integrationsprojekte der EU war auch mit einer Etikettenproblematik verbunden, die ihre Legitimation und ihr Versprechen infrage stellte. Die Kommunikation funktionierte nur bedingt nach innen und außen. Reform-, Widerstands- und Regenerationsfähigkeit folgten aufeinander und standen stets zur Diskussion. Mit der Perspektive eines Beitritts der Türkei wird eine kulturelle Überforderung (Hans-Ulrich Wehler) verbunden, ja mehr noch die Selbstbehauptung Europas in Gefahr gesehen und als „Selbstenthauptung“ (Helmut Schmidt) eingestuft. Die Dauerhaftigkeit der EU scheint durch die im jüngsten Vertrag von Lissabon (2009) verbriefte Austrittsmöglichkeit sowie die Erschütterung der Irreversibilitätsgläubigkeit infrage gestellt. 4. Die entscheidenden Wahrnehmungen und entsprechend relevanten Reaktionen durch Dritte waren zunächst von der Sowjetunion, sodann durch die Vereinigten Staaten und zuletzt auch in Asien (China, Japan) gegeben: In der erwähnten Reihenfolge spielte im weltmachthistorischen Kontext ein Denken in verschärfter und dann reduzierter Gegnerschaft, in wachsender und zuletzt gesteigerter Konkurrenz sowie in bewunderter, gesuchter und übernahmebereiter Modellhaftigkeit eine Rolle. 5. Die EU ist noch ein junges Gebilde. Erosion und Zerfall sind zwar (noch) nicht gegeben, aber deutliche Anzeichen von Überhöhung ihrer globalen Ansprüche und Überdehnung ihres tatsächlichen Geltungsbereichs erkennbar, was sich in Formen einer harten Kernbildung (Binnenmarkt und Eurozone), Mitgliedschaften „plus minus xy-%“, steigender Zahl an Beitrittskandidaten und neuer Konzepte in der Art von Nachbarschaftsarrangements äußert. B. Rezeptionsgeschichte der Imperien 1. Die konkrete Wirkungsgeschichte der Europäischen Gemeinschaften war von Erfolgen (z. B. Wettbewerbsrecht 1958, Zollunion 1968, Währungssystem 1978, Binnenmarkt 1993 und Einheitswährung 1999), aber auch von Krisen und Rückschlägen gekennzeichnet (z. B. Ablehnung einer Europaarmee 1954, Politik des „leeren Stuhls“ 1965 und Beibehaltung der Einstimmigkeitsregel seit 1966, Scheitern des „Verfassungsvertrags“ 2005). 2. Imaginierte Rezeptionen (Ausblendungen, Realfiktionen, Vergessenheiten und Vernachlässigungen, Stilisierungen, Überinterpretationen und Unverhältnis-mäßigkeiten in den Bedeutungszuschreibungen) finden sich vielfach in der Geschichte der EU, wie die Bezugnahme auf den Zollverein von 1834, die Paneuropa-Union von 1922, die Briand-Initiativen 1929/30 oder die Züricher Rede von Churchill 1946. Die gesetzten Projektziele und -realisationen stimmten nicht immer mit der Etikettenwahrheit überein (ein „Gemeinsamer Markt“ existierte vor 1993 nicht; eine „Wirtschafts- und Währungsunion“ gibt es bis heute nicht, der „Verfassungsvertrag“ bedeutete keine Verfassung für Europa). Nationalstaatliche Interessen werden bis zuletzt durch europäische Politik verdeckt. Anfängliches, eigentliches und immer noch anhaltendes Ziel der europäischen Integration war die Integration von Teilen Deutschlands zur Verhinderung eines neuen deutschen Imperiums.

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3. Bezugnahmen auf geschichtliche Imperien, Vorläufer, die Erzeugung von historischem Bewusstsein sowie die Tradition und imperiale Schein-Kontinuitäten erfolgten seit dem Unionsvertrag von Maastricht und verstärkt durch die „EU-Osterweiterung“ in der philosophisch-politischen Debatte (Peter Sloterdijk sprach von einem „non-imperial empire“, EU-Kommissionspräsident Barroso sieht „Dimensionen eines Imperiums“, Jean Ziegler geißelt es aufgrund von Negativbefunden als „Imperium der Schande“), der Journalistik und Bestseller-Publizistik (Jeremy Rifkin mit dem „European Dream“ und Alan Posener mit dem „Imperium der Zukunft“) wie auch in der politik- und sozialwissenschaftlichen Forschung (Elmar Altvater/Birgit Mahnkopf, Jan Zielonka). 4. Historiografien (Historiker und ihre Schulen: Wer macht ein Imperium zum Imperium? Wer schreibt ein Imperium „groß“?) haben zur Thematik der EU als Imperium bisher noch keinen nennenswerten Niederschlag gefunden. Historiker/innen versuchen die europäische Integration differenziert zu sehen. Sie würdigen die Erfolge, ignorieren aber auch nicht die Fehlschläge und Misserfolge und analysieren diese. 5. Mit Blick auf den modernen Forschungsstand und den epochenübergreifenden Vergleich (Analogien, Parallelen, Unterschiede) lässt sich vorerst vorsichtig konsta-tieren, dass die Europäische Union ein Herrschaftsgebilde mit imperialen Zügen eigener und vor allem neuer Art ist. Sie agiert und erscheint als „dezentrales, territorial differenziertes, von Eliten dominiertes transnationales Verhand-lungssystem“ (Ulrich Beck/Edgar Grande), welches über eine eigene Rechtsordnung und arbeitsteilig aufgestellte Institutionen verfügt. Ein eigener Staat ist die EU nicht, sondern ein kosmopolitisch ausgerichtetes Unternehmen, das normative Kräfte entwickelt und Normen setzt. Dieses andere „empire by integration“ agiert als neues attraktiveres „empire by invitation“ (so Geir Lundestad noch für die Vereinigten Staaten) für andere Staaten. Mit der Sowjetunion und den USA ist die EU als Imperium unvergleichbar. Es verzichtet auf militärische Macht, besitzt kein starkes politisches Zentrum und hat nur ein bescheidenes Budget. Es ist die Summe von Nationalstaaten, die sich immer noch als „Herren der Verträge“ begreifen. Die EU ist deshalb keine reaktionsschnelle und entscheidungseffiziente Militär- und Interventionsmacht, aber eine nachhaltig wirkende Handels-, Wirtschafts- und Währungsmacht, dessen gemeinsamer Rechtsbestand weltweiten Vorbildcharakter und dessen Kultur starke Ausstrahlungs- und Anziehungskraft besitzt. Freitag, 30. April, 18:30 Uhr, Diskussion Freitag, 30. April, 19:30 Uhr, Abendessen Freitag, 30. April, 20:30 Uhr, Empfang im Haus Prof. Gehlers

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Samstag, 1. Mai V. WAHRNEHMUNG UND VERMITTLUNG VON IMPERIEN Samstag, 1. Mai, 9:00 Uhr Reinhold Bichler (Innsbruck): Die Wahrnehmung antiker Imperien am Beispiel Alexander des Großen: Ein Imperium der Imagination Was wir das Alexanderreich zu nennen pflegen und in historischen Atlanten als feste Größe veranschaulicht finden, bestand als ein geschlossenes Herrschaftsgefüge nur wenige Jahre. Die Diskrepanz zwischen der Kürze seines Bestehens und der Dauerhaftigkeit seines Nachruhms stellt ein faszinierendes Rezeptionsphänomen dar. Schon in der Antike wurden nicht nur Alexanders Taten ins Legendäre überhöht, sondern seine Herrschaft als eine potentielle Weltherrschaft erfasst und seinem Eroberungszug große Pläne zum künftigen Wohl der Menschheit unterlegt und langfristige Wirkungen zugeschrieben. Als Vergleichsmaßstab „imperialer“ Größe fiel dem kurzfristigen Königreich Alexanders eine bedeutende Rolle zu und im konzeptionellen Gefüge eines weltgeschichtlichen Verlaufs nahm es einen überragenden Platz ein. – Aus diesem antiken Erbe speiste sich das geschichts-wissenschaftliche Urteil über das „Alexanderreich“ über Jahrhunderte und speist sich im Grunde noch heute. Aller Schärfung des quellenkritischen Urteilens gegenüber bleibt die Persönlichkeit Alexanders ein Gegenstand faszinierter Reverenz. Trotz intensiver wissenschaftsgeschichtlich-kritischer Forschungen und trotz aller methodisch-theoretischen Bedenken gegenüber den Formen der großen Geschichtserzählung dauert die Diskussion um Alexanders weltgeschichtliche Bedeutung und um die Einschätzung der langfristigen Folgen seines Wirkens unvermindert an und zeigt dabei in einer erstaunlichen Konstanz – vom Beginn der Verwissenschaftlichung der Geschichte bis in unsere Gegenwart – immer wieder ähnliche Argumentations-Muster und Formeln des historischen Urteils, Formen und Formeln, die oft noch ihre antiken Vorbilder erkennen lassen. Samstag, 1. Mai, 09:30 Uhr Christian Lekon (Lefke): Die Wahrnehmung moderner Imperien Im Bereich der kulturorientierten Studien von Imperien gibt es eine Debatte zwischen dem Ansatz von Edward Said und einer revisionistischen Schule. Said vertritt die These, dass moderne Imperien konzeptionell auf einem binären Gegensatz beruhten, in dem ein rationaler, dynamischer und freier Westen einem irrationalen, statischen und despotischen Orient gegenübergestellt wurde. Die Revisionisten behaupten, dass es genau die scheinbar archaischen und traditionellen Elemente der nicht-europäischen Welt waren, die den Respekt von konservativ orientierten Repräsentanten europäischer Imperien erhielten. Beide Ansätze müssen nicht im Widerspruch zueinander stehen. Sowohl hinter der forschen Annahme einer angeblichen Überlegenheit des Westens als auch hinter der rückwärts gewandten Vision eines romantischen Ostens lag eine bestimmte Denkordnung (oder Episteme): die der Moderne. Die moderne Episteme betonte den historischen Wandel sowie kausale und/oder funktionale Erklärungsweisen. Sie penetrierte auch die Wahrnehmung von Imperien; deren Zentren wurden als transformatorische Akteure identifiziert während deren Peripherien lediglich passiv auf den Wandel zu reagieren schienen.

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Unterschiedliche normative Bewertungen der Moderne durchbrachen die Trennlinien zwischen den pro- und anti-imperialen Lagern. Diejenigen, die sich voll der Moderne verschrieben, sahen in den Imperien wohlwollende Pioniere des Fortschritts (oder kritisierten sie dafür, dass sie dem Fortschritt entgegenstanden). Diejenigen, die der Moderne mit einer resignierten Haltung gegenüberstanden, schätzten Imperien als Erhalter von wertvollen Traditionen (oder lamentierten deren destruktive Einwirkung auf diese Traditionen). engl.: Within the field of cultural studies of empire, there is a debate between the approach of Edward Said and a revisionist school. Said maintains that modern empires were conceptually rooted in a binary opposition, pitting a rational, dynamic and free West against an irrational, static and despotic Orient. In contrast, the revisionists claim that it was precisely the seemingly archaic and traditional features of the non-European world that attracted the respect of conservative-minded representatives of the European empires. Both approaches need not be incompatible. After all, behind both the boisterous feelings of alleged Western superiority and the backward-looking vision of a romantic East lay one single way of thinking (or episteme): that of modernity. The modern episteme put the emphasis upon historical change as well as causal and/or functional explanations. It also permeated the perception of empires; their centres were identified as transformatory agents while their peripheries were seen as passively responding to change. Different normative evaluations of modernity were cross-cutting the pro- and anti-imperial camps. Those embracing modernity whole-heartedly saw empires as a benevolent harbingers of progress (or, alternatively, castigated them for not blocking progress). Those who observed modernity in a resigned mood applauded empires for preserving valuable traditions (or, alternatively, decried their destructive impact upon those traditions). Samstag, 1. Mai, 10:00 Uhr Raimund Schulz (Bielefeld): "Ungeliebte Kinder"? - Imperien in der Geschichte und die Geschichtsdidaktik Der Vortrag geht aus von dem Befund, dass in der geschichtsdidaktischen Diskussion der letzten fünfzig Jahre das historische Phänomen der Imperien eine marginale Rolle gespielt und keine grundlegende didaktische Durchdringung erfahren hat, obwohl die schulische Unterrichtspragmatik aller größerer Epochen nach wie vor wesentliche Imperiumsbildungen wie das Römische Reich, das Frankenreich oder das British Empire beinhaltet. Ein Blick in die Schulbuchliteratur und Rahmenpläne zeigt, dass Imperien bzw. Imperiumsbildungen in der Regel lediglich als Rahmen für alltagsgeschichtliche, kulturgeschichtliche oder politikgeschichtliche Themen und/ oder als chronologische „Anker“ verwendet werden, ohne dass jedoch aus den Einzelelementen die Struktur eines Imperiums als ein universalhistorisch auftretendes Herrschaftsmodell herausgearbeitet werden kann. Kategoriale Erkenntnisse sowie ein epochenübergreifender Zuwachs an komparativem Wissen (in Form eines Spiralcurriculums) sind auf diese Weise kaum möglich wohl auch gar nicht intendiert. Der Vortrag zeigt demgegenüber das didaktische Potential sowie die lebensweltliche Relevanz einer intensiveren Beschäftigung mit Imperien auf und formuliert Konzeptionalisierungsvorschläge, um das Thema in einem stärker weltgeschichtlich perspektivierten Geschichtsunterricht zu verankern.

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Samstag, 1. Mai, 10:30 Uhr, Diskussion Samstag, 1. Mai, 11:00 Uhr Abschlussbeitrag und -kommentar Ulrich Menzel (Braunschweig): Imperien versus Hegemonialmächte: Vergleichende Befunde Typologie von Hegemonie und Imperium

Hegemonie

Imperium

Herrschaftsform

See-/Luftmacht

Landmacht

Kontrolle von

Strömen und Netzknoten

Räumen und Grenzen

Reichweite

eher global, offen

eher regional, geschlossen

Leistung

internationale

öffentliche Güter

Clubgüter

Instrumente zur Machtausübung

eher Softpower

eher Hardpower

Finanzierung

eigene Ressourcen,

Tribute

Mechanismen

Akzeptanz

Zwang

Gründe für Niedergang

nachlassende

Innovationskraft

Herrschaftskosten übersteigen Tribut

Auflösung der

internationalen Ordnung

langsam

rasch

Übergang

eher friedlich

eher kriegerisch

Hegemonialmächte sind eher See- bzw. heutzutage See-, Luft- und Raummächte, Imperien eher Landmächte. Hegemonialmächte kontrollieren Netzknoten und Ströme, Imperien Räume und Grenzen. Die Reichweite von Hegemonien ist in der Tendenz global und offen, die von Imperien, wenn die Expansionsgrenze erreicht ist, regional und geschlossen. Hegemonialmächte errichten und stabilisieren ihre Ordnung nicht nur durch Hardpower, sondern auch durch die Attraktivität ihrer Softpower. Ihre Leistung besteht in der Offerierung internationaler öffentlicher Güter. Imperialmächte liefern nur Clubgüter für ihre Vasallen. Sie stützen sich auf ihre Hardpower bzw. deren Organe aus Armee, Polizei, Geheimdienst und Bürokratie. Hegemonialmächte sind wirtschaftlich überlegen und finanzieren die internationale Ordnung aus eigenen Ressourcen, Imperialmächte eher durch den Tribut, der den Vasallen abverlangt wird. Im Extremfall können sie sogar wirtschaftliche Rückständigkeit kompensieren. Beispiele wären die Mongolen gegenüber den Song, die Spanischen Habsburger gegenüber den Niederlanden oder die Sowjetunion gegenüber der DDR. Der grundlegende Mechanismus hegemonialer Ordnung ist Akzeptanz und Gefolgschaft, derjenige imperialer Ordnung Zwang und Vasallentum. Die Grenzen hegemonialer Ordnung sind erreicht, wenn die Innovationskraft nachlässt, die eigene Ressourcenbasis zu knapp wird, der relative Niedergang einsetzt. Die Grenzen imperialer Ordnung sind erreicht, wenn der Tribut nicht mehr zum Unterhalt des Systems ausreicht. Hegemoniale Überdehnung resultiert aus Problemen des Hegemons selber, imperiale Überdehnung aus Problemen mit den Vasallen. Hegemonialer Niedergang ist ein schleichender Prozess, der (zeitweise) durch Kooperation der Geführten kompensiert werden kann, imperialer Niedergang ist ein rasch ablaufender Prozess, der durch die Verweigerung der Kooperation durch die Vasallen beschleunigt wird. Deshalb ist auch die Auflösung der hegemonialen

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Ordnung ein gradueller Prozess, der den hegemonialen Übergang kaschiert. Die Auflösung der imperialen Ordnung überstürzt sich, wenn die Dämme gebrochen sind. Imperialer Übergang, da auf Zwang beruhend, muss gewaltsam ablaufen. Alle Fallstudien, auf die sich dieser Abstract bezieht, sind einsehbar unter: http://www-public.tu-bs.de:8080/~umenzel/inhalt/dienstleistungen/hegemonie.html Samstag, 1. Mai, 12:00 Uhr, Ausklang mit Mittagessen Samstag, 1. Mai, 14:00 Uhr, Stadtführung durch Hildesheim Reserve [zum Einsatz gekommen Dienstag, 27. April, 14:30 Uhr] Felix Hinz (Hildesheim): Der aztekische Bund – ein Imperium? Bei Ankunft der spanischen Conquistadoren unter Hernán Cortés 1519 umfasste der aztekische Herrschaftsbereich große Teile des heutigen Zentralmexikos. Bevor der Frage nachgegangen werden kann, wie diese Gebiete staatlich organisiert waren, ist in einem ersten Teil des Vortrags zu klären, was unter dem Begriff „Azteken“ zu verstehen ist. Seit den Olmeken (ab ca. 1000 v.Chr.) hatten sich im zentralmexikanischen Raum wiederholt Reiche herausgebildet, die anschließend von nomadischen Zuzüglern aus dem Norden verdrängt und übernommen wurden. Dies gilt auch für die Nahua-Stämme, die im 13. Jh. die Tolteken politisch wie kulturell beerbten. Verschiedene Nahua-Herrschaften, zumeist Stadtstaaten, schlossen Bünde, von denen derjenige zwischen Tenochtitlán, Texcoco und Tlacopán als die „Azteken“ anzusprechen ist. Ohne in einem zweiten Schritt auf die omnipräsente Staatsreligion mit ihrem markanten Opferkult einzugehen, ist die sich hieraus ergebende Notwendigkeit nach zunehmend größeren Tributeinnahmen nicht verständlich. Diese wiederum führte ab ca. 1430 zur Expansion des Dreibundes und zur Ausformung der kriegerischen und streng hierarchisch geprägten Gesellschaft, die die Spanier im 16. Jh. in Tenochtitlán antrafen. Abschließend wird gezeigt werden, inwiefern sich dieses Staatswesen – auch im Vergleich zu anderen altamerikanischen Reichen – nur bedingt als ein „Imperium“ begreifen lässt.

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Tagungsstätte Michaeliskloster

A = Tagungsstätte Michaeliskloster, Hildesheim

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Kontaktdaten der Tagungsstätte: Tagungsstätte im Michaeliskloster Hildesheim –Evangelisches Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik Hinter der Michaeliskirche 5 31134 Hildesheim TEL:++49-(0)5121-6971-300 FAX:++49-(0)5121-6971-320 E-Mail: [email protected] [email protected]

Die Imperien-Tagung findet im Auditorium statt. Im Auditorium mit Bühne und Empore für bis zu 100 Personen sowie neuester technischer Ausstattung, die sich unter anderem für Musikaufnahmen eignet, können Sie Konzerte (Konzertflügel) und Vorträge veranstalten. Die Bühnentechnik bietet sogar Möglichkeiten für Theaterworkshops und Lichtseminare. Das Auditorium ist zentral, quasi im Herzen unseres Klosters gelegen, ein Fensterdurchbruch eröffnet schöne Ausblicke in den Kreuzgang. Zu den Mahlzeiten, aber auch bestens für Feiern geeignet, erwarten wir Sie im lichten Refektorium. Von hier aus haben Sie einen unvergleichlichen Blick auf die Michaeliskirche und den historischen, neu restaurierten Kreuzgang. (Auszug aus der Homepage der Tagungsstätte) Bei allen praktischen Fragen rund um die Tagung und Ihren Aufenthalt in Hildesheim wenden Sie sich bitte an das Tagungsbüro, bzw. an unsere „Hotline“:

M 0175 – 12 43 519

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Namen und Kontaktdaten der Referenten Aldrich, Robert, Prof. Dr., Europäische Geschichte, Universität Sydney,

[email protected] Bernecker, Walther L., Prof. Dr., Auslandswissenschaft, Universität Erlangen-

Nürnberg, [email protected] Bichler, Reinhold, Prof. Dr., Alte Geschichte und Altorientalistik, Universität

Innsbruck, [email protected] Broers, Michael, Dr., Lektor für Neuere Geschichte, Universität Oxford,

[email protected] Chrysos, Evangelos, Prof. DDr., Byzantinische Geschichte, Universität Athen,

[email protected] Ess, Hans van, Prof. Dr., Sinologie und Zentralasienkunde, Ludwig-Maximilians-

Universität München, [email protected] Fragner, Bert G., Prof. em. Dr., Iranistik, Österreichische Akademie der

Wissenschaften, [email protected] Gehler, Michael, Prof. Dr., Neue Geschichte unter bes. Berücksichtigung europ.

Zeitgeschichte, Stiftung Universität Hildesheim, [email protected]

Gießauf, Johannes, Prof. Dr., Mittelalterliche Geschichte, Universität Graz, [email protected]

Halm, Heinz, Prof. Dr., Islamwissenschaften, Universität Tübingen, [email protected]

Hämeen-Anttila, Jaakko, Prof. Dr., Arabistik und Islamwissenschaften, Universität Helsinki, [email protected]

Henkelman, Wouter Franklin Merijn, Dr., Wissenschaftlicher Angestellter, Freie Universität Amsterdam, [email protected]

Hinz, Felix, Dr., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Geschichtsdidaktik und Frühe Neuzeit, Stiftung Universität Hildesheim, [email protected]

Inan, Kenan, Prof. Dr., Geschichte, Karadeniz Teknik Universität, Trabzon, [email protected] Jansen-Winkeln, Karl, Prof. Dr., Ägyptologie, Semitistik und Allgemeine

Sprachwissenschaft, Freie Universität Berlin, [email protected] Jursa, Michael, Prof. Dr., Orientalistik, Universität Wien, [email protected] Kampmann, Christoph, Prof. Dr., Frühe Neuzeit, Philipps-Universität Marburg,

[email protected] Kehne, Peter, Dr., Wissenschaftlicher Angestellter, Alte Geschichte, Gotthold

Wilhelm Leibniz Universität Hannover, [email protected] Kohler, Alfred, Prof. Dr., Neuere Geschichte, Universität Wien, alfred.kohler@

univie.ac.at Kulke, Hermann, Prof. Dr., Asiatische Geschichte, Christian-Albrechts-Universität zu

Kiel, [email protected] Lekon, Christian, Dr., International Relations Department der European University

of Lefke (Nordteil Zyperns), [email protected] Menzel, Ulrich, Prof. Dr., Internationale Beziehungen und Vergleichende Regier-

ungslehre, TU Braunschweig, [email protected] Naredi-Rainer, Paul, Prof. Dr., Kunstgeschichte, Universität Innsbruck,

[email protected] Neumann, Hans, Prof. Dr., Altorientalische Philologie und Vorderasiatische

Altertumskunde, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, [email protected]

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Nolte, Hans-Heinrich, Prof. em. Dr., Osteuropäische Geschichte, ehem. Gotthold Wilhelm Leibniz Universität Hannover, [email protected]

Olesen, Jens E., Prof. Dr., Nordische Geschichte, Universität Greifswald, [email protected]

Radner, Karen, PD Dr., Dozentin für Alte Geschichte des Nahen Ostens, University College London, [email protected]

Rollinger, Robert, Prof. Dr., Alte Geschichte und Altorientalistik, Universität Innsbruck, [email protected]

Rothermund, Dietmar, Prof. em. Dr., Geschichte Südasiens, ehem. Universität Heidelberg, [email protected]

Ruffing, Kai, PD Dr., Akademischer Rat, Alte Geschichte, Philipps-Universität Marburg, [email protected]

Salvini, Miroslavo, ehem. Direktor des Istituto di Studi sulle Civilà dell´ Egeo e del Vicino Oriente, [email protected]

Schäfer, Christoph, Prof. Dr., Alte Geschichte Universität Trier, [email protected]

Schneider, Wolfgang Christian, Prof. Dr., Geschichte und Kunstgeschichte, Stiftung Universität Hildesheim, [email protected]

Schröder, Hans-Jürgen, Prof. em. Dr., Zeitgeschichte, ehem. Justus-Liebig-Universität Gießen, [email protected]

Schulz, Raimund, Prof. Dr., Allgemeine Geschichte unter bes. Berücksichtigung der Alten Geschichte, Universität Bielefeld, [email protected]

Schuol, Monika, PD Dr., Privatdozentin an der FU Berlin (Friedrich-Meinecke-Institut, Abteilung Alte Geschichte), Lehrstuhlvertretung in Rostock (Heinrich-Schliemann-Institut, Abteilung Alte Geschichte), [email protected]

Simon, Gerhard, Prof. Dr., Osteuropäische Geschichte, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, [email protected]

Steinacher, Roland, Dr., Forschungsassistent am Institut für Mittelalterforschung der Österr. Akademie der Wissenschaften, [email protected]

Suppan, Arnold, Prof. Dr., Osteuropäische Geschichte, Universität Wien, [email protected]

Thamer, Hans-Ulrich, Prof. Dr., Neuere und Neueste Geschichte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, [email protected]

Vogtherr, Thomas, Prof. Dr., Geschichte des Mittelalters, der Universität Osnabrück, [email protected]

Wende, Peter, Prof. em. Dr., Neuere Deutsche Geschichte, ehem. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M., bis 2000 Direktor des Deutschen Historischen Instituts in London

Wiesehöfer, Josef, Prof. Dr., Alte Geschichte, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, [email protected]

Witthuhn, Orell, M.A., Dozent für Ägyptologie an der Philipps-Universität Marburg, Lehraufträge am Katholisch-Theologischen Seminar und in der Klassischen Archäologie, [email protected]

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Dank Die Organisatoren des Symposiums sind sich nur allzu bewusst, dass sich eine solche Veranstaltung nicht ohne vielfältige Unterstützung ausrichten lässt. Ohne erhebliche Geldmittelbewilligungen wäre die Tagung nicht zu verwirklichen gewesen. Wir danken allen voran der Stiftung Niedersachsen, die den größten Anteil bereitgestellt hat. Außerdem gilt unser Dank der Sparkasse Hildesheim, der Universität Innsbruck, der Universitätsgesellschaft Hildesheim, dem Land Vorarlberg, dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Wien) und der Ranke-Gesellschaft. Wir danken auch dem Präsidenten der Universität Hildesheim, Prof. Dr. Wolfgang-Uwe Friedrich, für das Abend-essen in der Domäne Marienburg am 26. April. Die Hauptlast der umfangreichen Korrespondenz und Detailorganisation ruhte auf den zuverlässigen Schultern Frau Eva Löws, der Sekretärin des IfG Hildesheim. Ohne ihren nimmermüden Einsatz wäre die Umsetzung der Planungen kaum realisierbar gewesen. Unsere Anerkennung gilt zudem Frau Kathrin Vornkahl, die das gelungene Plakat und den ansprechenden Flyer des Symposiums entworfen hat. Sehr verdient gemacht hat sich des Weiteren Alexander Hundt, studentische Hilfskraft des IfG. Er konzipierte die Homepage der Tagung und passt sie bis zu deren Ende dem jeweiligen Planungsstand an. Zudem danken wir unseren Wissenschaftlichen Mitarbeitern, Dr. Sabine Fick (Innsbruck) und Dr. Felix Hinz (Hildesheim) für Ihre Unterstützung und Initiativen. Danken möchten wir auch herzlich Herrn Helmut Langenbruch, Kirchenmusikdirektor an St. Michael, der sich gegen eine geringe Spende für die dortige neue Orgel großzügig bereit erklärte, für uns ein kleines Konzert zu geben. Dank auch Herrn Prof. Dr. Wolfgang-Christian Schneider, der uns kundig durch eben diese Kirche führen wird. Für ein internationales Symposium wie dieses sind verlässliche Simultanübersetzungen, eine sehr schwierige Aufgabe, unabdingbar. Danken möchten wir daher unseren Dolmetscherinnen Louise Stevenson, Tanja Bellack, Marieke Tönjes, Rebecca Freimann und Birte Meyer. Dank auch an die in der Broschüre genannten Chairs, an die Korrekturleser/-innen und alle, die einen der unzähligen, hier aus Platzgründen gar nicht alle erwähnbaren Beiträge zum guten Gelingen des Symposiums geleistet haben. Last but not least gilt dies für alle Redner dieser Tagung: Danke, dass Sie alle den Weg nach Hildesheim gefunden haben und die Imperientagung zu einem – hoffentlich! – ganz besonderen Ereignis werden lassen. Ihre

(Prof. Dr. Michael Gehler, Prof. Dr. Robert Rollinger)

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Notizen

Broschüre erstellt von F. Hinz

„Europa“ und „Integration“ sind in aller Munde. „Europa“ ist nicht mehr nur Vision und Uto-pie wie in der Vergangenheit, sondern Realität und Praxis in der Gegenwart. Das Europa der „Europäischen Union“ ist mit dem Vertrag von Maastricht eine Wirklichkeit geworden, von der Bürgerinnen und Bürger der Union alle in jeder Hinsicht betroffen sind. Europas Geschichte im weiteren und die Geschichte der europäischen Integration im engeren Sinne als Forschungs- und Vermittlungsauftrag zu begreifen, ist Aufgabe dieser Reihe. Sie veröffentlicht Monographien, Ergebnisse von themenspezifischen Workshops und wissenschaftlichen Tagungen sowie syste-matische Zeitzeugenbefragungen. Ohne Kenntnis der Vergangenheit ist weder die Gegenwart zu verstehen, noch eine Aussicht für die Zukunft zu gewinnen. Die Reihe steht daher im Zeichen von Erfahrung aus der Geschichte, Verortung der Gegenwart und Erwartung hinsichtlich der Zukunft. Mit einer kompetenten europageschichtlichen und integrationshistorischen Expertise stellt sie notwendiges Erfahrungs- und unentbehrliches Orientierungswissen bereit.

Lieferbar:

Band 1 | Romain KirtEuropa — Die Weltmacht der Herzen. Zukunftsszenarien für das 21. Jahrhundert. 2009. 188 S. ISBN 978-3-487-14239-5 € 29,80

Band 2 | Michael Gehler / Andreas Pudlat (Hrsg.)Grenzen in Europa. 2009. 378 S. ISBN 978-3-487-14240-1 € 39,80

Soeben erschienen:

Band 3 | Kurt GritschInszenierung eines gerechten Krieges? Intellektuelle, Medien und der „Kosovo-Krieg“ 1999.2010. 533 S. ISBN 978-3-487-14355-2 € 58,00

HistoriscHe europa-studien

Geschichte in erfahrung, Gegenwart und Zukunft

Herausgegeben vom Institut für Geschichte

der Stiftung Universität Hildesheim unter der Leitung von Michael Gehler

Olm

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