Geistiges Leben 2007-1

download Geistiges Leben 2007-1

of 68

Transcript of Geistiges Leben 2007-1

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    1/68

    Das Himmelreich leidet GewaltDas Himmelreich leidet GewaltDas Menschenbild der NeuoffenbarungDas Menschenbild der Neuoffenbarung

    Das Wesen der LiebeDas Wesen der LiebeOffenbarung eines SternenbewohnersOffenbarung eines Sternenbewohners

    Grundstze und bungen in der Gegenwart GottesGrundstze und bungen in der Gegenwart GottesDer Herr ist alles in allemDer Herr ist alles in allem

    Der 300jhrige Maharishi vom KailasDer 300jhrige Maharishi vom KailasDie Heilung eines AusstzigenDie Heilung eines Ausstzigen

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    2/68

    SPENDENKONTENBaden-Wrttemb. Bank AG Bietigheim-Bissingen

    Kto. 7818500173 BLZ 60050101BIC: BWBK DE 6S 605 IBAN: DE27600501017818500173Postgiro Stuttgart Kto. 9096-705 BLZ 600 100 70Kreisspark. Miesbach/Tegernsee Kto. 430 203 240 BLZ 711 525 70Creditanstalt Bankv. Graz (A) Kto 01873 312 101 BLZ 12 000Postscheckkonto Basel (CH) Kto. 80-50414-3

    IMPRESSUMHerausgeber: Lorber-Gesellschaft e.V.Verwaltungsanschrift: Postfach 114

    83731 Hausham / DeutschlandTel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294

    E-Mail-Anschrift: [email protected]: www.Lorber-Gesellschaft.deSchriftleitung: Klaus W. KardelkeRedaktion: Hans-Gerd Fischer, Angelika Penkin,

    Michael Nolten

    INHALTJohann H. Jung-Stilling Wer in dem eignen Seelengrunde S. 2Klaus W. Kardelke Editorial S. 3Jakob Lorber Das Himmelreich leidet Gewalt S. 5Thomas Noack Das Menschenbild der Neuoffenbarung S. 11Jakob Lorber Das Wesen der Liebe S. 21

    Georg Riehle Offenbarung eines Sternenbewohners S. 23Nikolaus von der Fle ber die Heiligung S. 26Jakob Lorber Wo ist dein Schatz? S. 27Bruder Laurentius Grundstze und bung in der Gegenwart Gottes S. 25Madame Guyon Vom wortlosen Beten S. 32Jakob Lorber Der Herr ist alles in allem S. 33Friedrich Heiler Der 300jhrige Maharishi vom Kailas S. 35Jakob Lorber Wrest du mehr in dir zu Hause S. 53Max Lucado Die Heilung eines Ausstzigen S. 55

    Weisheitsgeschichten Der Drahtkorb S. 59Der Rabbi von Alexander S. 60Der Dieb S. 60Das schielende Huhn S. 60

    Verschiedenes S. 61

    Mit Namen des Verfassers versehene Beitrge mssen nicht mit der Auffassung derSchriftleitung bereinstimmen.

    Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich auf freiwilliger Spendenbasis.

    Beitrge richten Sie bitte an die Schriftleitung.

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    3/68

    Jahrgang 27 2007 Heft 1

    - Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -

    Unser lieber Vater, der Du im Himmel wohnst,Dein Name werde allzeit und ewig geheiligt!

    Dein Reich des Lebens, des Lichtes und der Wahrheitkomme zu uns und bleibe bei uns!

    Dein allein heiliger und gerechtester Wille gescheheauf dieser Erde unter uns Menschen also,

    wie in Deinen Himmeln unter Deinen vollendeten Engeln!Auf dieser Erde aber gib uns das tgliche Brot!

    Vergib uns unsere Snden und Schwchen,

    wie auch wir sie denen allzeit vergeben werden,die gegen uns gesndigt haben!

    Lasse nicht Versuchungen ber uns kommen, denen wir nichtwiderstehen knnten, und befreie uns also von allem bel,in das ein Mensch infolge einer zu mchtigen Versuchung

    dieser Welt und ihres argen Geistes geraten kann;denn Dein, o Vater im Himmel, ist alle Macht, alle Kraft,

    alle Strke und alle Herrlichkeit, und alle Himmelsind voll derselben von Ewigkeit zu Ewigkeit!

    (GEJ.10_032,06)

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    4/68

    2 GL 1/2007Wer in dem eignen Seelengrunde

    Wer in dem eignen Seelengrunde

    Wer in dem eignen Seelengrundeder Weisheit Quell zu finden glaubt

    und steht mit Christo nicht im Bunde,ist nicht ein Glied an dir, dem Haupt,

    der findet nichts als Widerspruchund glaubt er sei sich selbst genug.

    Er brauche keiner Offenbarung,und zeugt die Schpfung gleich von dir,so fhrt ihn doch die Selbsterfahrung,

    mein treuer Heiland nicht zu dir.Er irrt im Feld der Sinnlichkeit

    und prangt im Licht der Eigenheit.

    Er glaubt der Weisheit Quell zu kennen,ist stolz in seinem eignen Licht,

    lsst sich der Weisheit Meister nennenund kennt die wahre Weisheit nicht,

    er wird zum Narren immer mehrindem er spottet deiner Lehr.

    Dein Wort, o Herr ist meine Quelleder Wahrheit die mir nicht versiegt,ein strahlend Licht, das immer helle

    mir zeigt, was mir im Wege liegt.In deinem Licht erkenn ich nurden Zweck der ganzen Kreatur.

    Johann Heinrich Jung-Stilling

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    5/68

    GL 1/2007 3

    Editorial

    Als glubige Menschen beten wir tglich, mehr oderweniger, zu Gott, um Seine Gegenwart in uns zu erfahren.Daraus schpfen wir die Kraft fr unseren Alltag, den es zu

    bewltigen gilt.Gerade in unserer heutigen hektischen und unsicheren

    Zeit ist das Gebet notwendiger denn je. berall lauern frden Glubigen Versuchungen und Anfechtungen, sei es inseiner inneren oder in der ueren Welt. Darum ermahnt uns Christuseindringlichst: Wachet und betet, dass ihr nicht in Versuchung fallet!

    Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.(Mk. 14,38)

    Und so werden wir aufgefordert im Gebet zu verharren und mglichstbestndig die Verbindung mit unserem himmlischen Vater zu suchen.Haltet an am Gebet und wachet in demselben mit Danksagung rt unsder Apostel Paulus (Kol. 4,2).

    Und im Laodizerbrief heit es ergnzend: Weichet nicht ab vomGebete, und betet mit Danksagung ohne Unterlass, aber nicht mit den

    Lippen, sondern im Geiste und in der Wahrheit mit aller Einfalt euresHerzens und in der wahrhaftigen Andacht in der Liebe zu Christo dem

    Herrn!(Lao. 3,37)Aber nur aus dem inneren Gebet eines liebenden Herzens und nicht mit

    den ueren Lippen allein erwchst die Kraft zum Leben. Gebete, die nichtaus der Liebe des Herzens aufsteigen, steigen auch nicht zum Himmel auf,dringen nicht zu Gott, denn nur Liebe kann die ewige Liebe berhren.

    Heit es doch schon im Alten Testament: Dies Volk ehrt mich mitden Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir. (Jes. 29,13) Im Herzen undin der Liebe will Gott angebetet werden und nicht im Verstand des Kopfes

    mit leeren Worten.Dennso ihr betet, da betet nicht nach der Elle oder nach der Stunde,sondern im Herzen voll Liebe geistig und wahr. (HiG.03_41.03.05,16)

    Nur in diesem Herzensgebet erwrmt sich das Herz in der Liebe zuGott und zum Nchsten, wird erleuchtet und erfhrt Trost und innereFhrung.

    Diese Gebetshaltung gilt es in den Alltag hinberzutragen und diealltglichen Pflichten aus Liebe zu Gott und zum Nchsten zu verrichten,im Bewusstsein Seiner stndigen Gegenwart in unserem Leben.

    Denn das vollends wahrhafte Gebet besteht in dem, dass ihr GottesGebote haltet und aus Liebe zu Ihm Seinen Willen tut. Wer also betet,der betet wahrhaft und betet ohne Unterlass. (GEJ.07_085,18)

    Editorial

    Klaus W. KardelkeGeschftsfhrender

    Vorsitzender derLorber-Gesellschaft

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    6/68

    4 GL 1/2007Editorial

    Weiter heit es, dass des Gerechten Gebet viel vermag, wenn esernstlich ist. (Jak. 5,16) Wenn aber schon das Gebet eines Gerechten vielvermag, wie viel vermgen dann erst die Gebete vieler gerechter Beter

    auszurichten. Und deshalb ruft uns die Schrift zur Frbitte auf, wenn esheit: Betet freinander (Jak. 5,16). Ist doch die Frbitte auch eine Tatder christlichen Nchstenliebe, in der wir unserer Nchsten mit Liebe undWohlwollen gedenken und Gott anempfehlen.

    Gerade in der Frbitte empfngt der Beter immer mehr als er gibt, dennwer Liebe gibt, macht sich fr Liebe empfnglich und wer da hat, demwird gegeben.

    In der Frbitte ben wir uns in der Nchstenliebe, denn dass dugebetet hast dann und wann, war ja recht. Tue desgleichen nur undanhaltender! Denn der Nutzen wird auf deiner Seite sein, wenn du dichbest in Meiner groen Liebe. (HiG.1_40.07.28,05)

    So wirkt das Gebet der Frbitte auf den Beter zurck und was der Beterst, wird er auch ernten, denn um eurer selbst willen sollet ihr fr siebeten.(HiG.01_40.10.28,17)

    Im gemeinsamen Gebet ist der Herr unmittelbar gegenwrtig, denn dieshat er uns verheien mit den Worten wo zwei oder drei versammelt sindin meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.(Mt. 18,20)

    Da die wenigsten von uns aber die Mglichkeit haben, sich tagtglichgemeinsam zu Gebet und Frbitte zu versammeln, so lasst uns doch einegeistige Gebetsgemeinschaft bilden, in der wir uns jeden Tag um 21.00Uhr eine halbe Stunde im Herzen vereinen und in der Frbitte vorunserem himmlischen Vater freinander eintreten. Im Geiste vereintwerden wir nicht alleine sein, sondern hunderte, ja vielleicht sogartausende lieber Geschwisterherzen werden sich zu derselben Zeit ebenfallsim Gebet befinden und gemeinsam ihre Frbitten vor Gott bringen.

    Dies wre ein kleiner aber ntiger Schritt zur Einheit im Geiste Christi.Im ueren mgen wir anderer Ansichten sein, im Gebet aber werden wiruns wieder vereinen, weil wir dann in der Liebe eins geworden sind.

    Welch ein Segen knnte fr uns alle daraus erstehen, welch einegeistige Erweckung unserer Gemeinschaft und welch ein Gefhl derZusammengehrigkeit als Geschwister eines Herrn wrde unsere Herzenzu neuen Taten der Liebe entflammen.

    Mge der Herr unsere Gebetsgemeinschaft segnen und mit Seinem

    Heiligen Geist der Liebe erfllen, dass wir immer mehr zu Seinen wahrenKindern heranreifen und im Dienst am Nchsten, in Gebet und FrbitteSeine Liebe weitergeben drfen.

    Euer Klaus W. Kardelke

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    7/68

    GL 1/2007 5

    Das Himmelreich leidet Gewalt

    (Der Herr:) Es werden aber Zeiten kommen, in denen Mich die

    Menschen suchen, aber nicht so bald und leicht finden werden, wie dasnun bei euch (meinen Jngern) der Fall war.Wer Mich aber ernstlich suchen wird im Herzen und in der Tat nach

    Meinem Worte, der wird Mich auch finden und eine grte Freude haben,dass er Mich gefunden hat. Wer Mich aber einmal wird gefunden haben,der wird Mich auch nicht mehr verlieren! Auf gewisse Augenblicke, zurgreren Probung seiner Liebe und Geduld, werde Ich wohl noch dannund wann Mein Antlitz vor ihm verhllen, aber ihn deshalb nichtverlassen!

    Wohl aber denen, die Ich recht viel prfen werde; denn aus demwerden sie erkennen, dass Ich sie beraus liebe! Denn wer viel geprftwird und die Prfungen wohl bestehen wird, der wird jenseits in MeinemReiche auch ber Vieles und Groes gesetzt werden; wer aber wenigergeprft wird seiner Schwche wegen, der wird auch ber Wenigeres undGeringeres gesetzt werden.

    Ihr alle aber werdet um Meines Namens und der Wahrheit willen auchnoch gar manche Proben zu bestehen bekommen, und eure Geduld, die in

    euch noch der schwchste Geist ist, wird der Feuerprobe nicht entgehen.Wenn aber solches ber euch kommen wird, so denket, dass Ich euchsolches zum voraus verkndet habe; aber denket auch im Herzen, dass Ichda im Geiste zu euch kommen, euch strken und krftiglichst helfenwerde! Dieses alles merket euch alle auch besonders wohl!Denn in diesenTagen und auch in den knftigen Zeiten leidet das Reich Gottes Gewalt,und die es mit Gewalt an sich reien, die werden es auch besitzen. In denknftigen Zeiten aber wird es also sein, wie Ich euch das nun durch ein

    Gleichnis zeigen werde. (GEJ.08_103,10-13)Es war ein Mensch, den es in der Nacht auf dem Wege sehr zuhungern begann. Da kam er nahe in der Mitternachtsstunde in einen Ort.Da war ein Haus, das einer Herberge glich, aber alles schlief schon imHause. Der Wanderer aber fing an die Haustr und auch an die Fenster zu

    pochen an, und da er eine Zeitlang pochte, so ward der Herr der Herbergewach, ging ans Fenster und fragte mit unwilliger Stimme den sptenWanderer, was es denn sei, darum er in so spter Nachtstunde gar sounverschmt an Tren und Fenster poche.

    Der Wanderer aber sagte: ,O Herr, ich komme weiten Weges, habe denganzen Tag ber nichts zu essen und zu trinken bekommen, da auf dem

    Das Himmelreich leidet Gewalt

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    8/68

    6 GL 1/2007

    ganzen Wege durch die Wste kein Haus und keine Herberge anzutreffenwar; darum bitte ich dich, dass du dich nun meiner erbarmen und mir einBrot geben mchtest, dass ich mich sttigen und strken kann, sonst

    verschmachte ich!Da sprach der Herr der Herberge: ,Was fllt dir denn ein, in so spterStunde der Nacht von mir ein Brot zu verlangen! Warte, bis der Tagkommen wird!

    Der Wanderer aber lie sich mit diesem Bescheide nicht abfertigen,sondern bat den Herbergsherrn noch viel mehr und um vieles dringenderum Brot.

    Da gab der Herbergsherr denn doch nach, und so er dem Wanderergewisserart auch nicht aus Erbarmung das verlangte Brot gab, so gab er esihm doch des in so spter Nacht unverschmten Bittens wegen.

    Und sehet, aus diesem Bilde knnet ihr entnehmen, wie ein Mensch,der seinen ganzen Erdenlebenstag auf dem Wege durch die Wste desweltlichen Irrsals sicher kein Brot zum Leben seiner Seele finden und

    bekommen konnte, dabei in die tiefe Lebensnacht hineinkommend, amEnde doch noch in der Nacht, dieweil er doch den Weg fortwanderte, aneine Herberge kam, von der er wenigstens dahin berzeugt war, dass sichdarin ein Brot des Lebens vorfinden werde!

    Da fing er denn auch an zu pochen und zu bitten, und es ward ihm amEnde seiner Zeit doch noch zuteil, was er in der Wste der Welt langevergeblich gesucht hatte.

    Und sehet, das heit denn in diesen Tagen und noch mehr in denknftigen finsteren Zeiten das Reich Gottes mit Gewalt an sich reien;denn wer da suchen wird, der wird auch finden, so er auf dem noch soden Wege nicht stehen bleibt. Wer an die Tre pochen wird, wenn auchschon in der Nacht, dem soll dennoch aufgetan werden, und wer da bitten

    wird mit Beharrlichkeit, dem wird auch gegeben werden, um was ergebeten hat! Habt ihr dieses Bild nun wohl verstanden? (GEJ.08_104,1-8)So du lebendig an Mich glaubest, so wird dir auch allzeit werden, was

    du den Vater in Mir in Meinem Namen bitten wirst, und dazu bedarf esMeiner persnlich sichtbaren Gegenwart nicht, da Ich im Geiste berallgegenwrtig bin und alles sehe und hre und um alles vom Grten biszum Kleinsten auf das allergenaueste und klarste wei.

    So du denn im Geiste und in der vollen Wahrheit Mich um etwas

    bitten wirst, so werde Ich dich sicher auch hren und erhren; aber eineBitte, wie sie mit den Lippen in rtselhaften Worten bei euch gang undgbe ist, erhre Ich nicht.

    Weit du ja doch auch, was Gott durch den Mund eines Propheten zu

    Das Himmelreich leidet Gewalt

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    9/68

    GL 1/2007 7

    dem Volke geredet hat, als dieser der damaligen Bedrngnisse wegen sichdahin zu Ihm gewendet hatte, dass Er die Bitten desselben erhren mchte:,Ich kenne dich und das Volk, das Mich mit den Lippen ehrt und bittet,

    sein Herz aber ist ferne von Mir! Sieh, also wird auch von nun an keinpures Lippengebet, und am allerwenigsten ein bezahltes, je erhrt werden!Wer aber voll lebendigen Glaubens im Herzen Mich um etwas

    Rechtes bitten wird, dem wird auch werden, um was er gebeten hat.Wer aber in Meinem Namen nach Meiner Lehre lebt und handelt der

    betet wahrhaft ohne Unterlass, und es wird ihm darum auch allzeitgegeben werden, wessen er bedarf. (GEJ.09_86,9-13)

    Sagten darauf einige Meiner Jnger: Herr, es wre schon alles recht,so der Mensch in dieser Welt keinen Versuchungen zur Begehung einerSnde ausgesetzt wre! Wenn der Mensch irgend in einer schwachenStunde dann doch sehr leicht mglicher Weise eine oder die andere Snde

    begeht, so wird er dadurch in seinem Vertrauen und Glauben schongeschwcht; und so er auch die begangene Snde bereut und irgendeinendurch sie verursachten Schaden vllig gutgemacht hat, so bleibt doch eineScheu in der Seele, vermge der er sich nicht so glaubensvoll zu Dir zuwenden getraut, als htte er nicht gesndigt.

    Was soll dann solch ein Mensch tun, um Dich also um etwas zu bitten,

    dass er es voll glaubete, dass Du ihn erhren werdest?(Der Herr:) Der soll wissen, dass Ich erstens kein zorniger und

    rachgieriger, sondern ein geduldiger und liebevollst sanftmtiger Gott bin,wie das schon durch den Mund der Propheten ist gesagt worden und Ichnun zu allen Sndern rufe: Kommet alle zu Mir, die ihr mhselig und mitSnden belastet seid; denn Ich will euch alle erquicken!

    Und zweitens sollen sich die Menschen im wahren Beten allzeit benund darin nicht lass werden; denn ein rechtes und festes Vertrauen wird

    dem Menschen auch durch eine rechte bung eigen, die noch stets demJnger in was immer fr einem Fache zur Meisterschaft verholfen hat.Ein mit allen diesirdischen Gtern wohlversehener Mensch verlernt

    leicht das wahre und glaubensvolle Beten. Kommt endlich einmal eine Notber ihn, so fngt er wohl auch an, durchs Beten bei Gott Hilfe zu suchen;aber er hat bei sich zu wenig Vertrauen dahin, dass er bei Gott werdeErhrung finden, und der Grund liegt offenbar im Mangel an der bungdes lebendig vollen Vertrauens zu Gott.

    Wodurch aber kann der Mensch sein Vertrauen zu Gott wohl besserkrftigen als durch die bung, bestehend im Beten und Bitten ohneUnterlass? Worin aber hauptschlich das Beten und Bitten ohne Unterlass

    besteht, habe Ich euch schon gezeigt.

    Das Himmelreich leidet Gewalt

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    10/68

    8 GL 1/2007

    Hier sahen die Jnger einander an, und Andreas sagte: Herr, icherinnere mich noch gar wohl an das Bild, das Du uns bei einer hnlichenGelegenheit zeigtest, in dem von einem unverschmten Bettler in der

    Nachtzeit die Rede war, dem der Hausherr am Ende doch um die Mitte derNacht Brot zum Fenster hinaus gab, mehr um vor dem weiteren Jammernund Geilen Ruhe zu haben, als aus wahrer Barmherzigkeit.

    Ich habe so bei mir selbst ber dieses etwas sonderbare Bild wohlschon recht oft nachgedacht, konnte es aber mit Deiner hchsten Liebe undErbarmung noch nicht in eine rechte Vereinigung bringen. Aber nun erstfngt mir die Sache klarer zu werden an, wo Du jetzt von dem Beten undBitten ohne Unterlass und auch von der bung im Glauben und Vertrauenzu Dir geredet hast.

    Durch das Bitten in der Mitternacht ums Brot hast Du sicher wohl auchdas ben im Glauben und Vertrauen zu Dir bezeichnet, indem Du durchden anfangs auch etwas harthrigen Hausvater Dich Selbst und durch denBettler aber uns Menschen so darstelltest, wie wir vom Beten und Bittennicht abstehen sollen, wenn wir bei Dir auch nicht alsogleich Erhrungfinden.

    Du Selbst willst es also, dass wir Dir durch unser unablssiges Betenund Bitten ordentlich lstig werden mssen, bevor Du uns erhrest, denn

    dadurch willst Du unser Vertrauen zu Dir in einer steten undweiterschreitenden bung erhalten, durch die wir endlich zu jener Strkegelangen knnen, durch die wir in unseren eigenen Tag des Lebens,welcher da ist Dein Reich in uns, gelangen, im selben jede Hilfe und Kraftals in Deinem Geiste und Willen im Herzen unserer Seele als DeineKinder selbst tragen und frder nicht ntig haben sollen, Dir bestndigdurch Betteln in der Nacht unseres Lebens lstig zu werden. Denn derMensch muss nun in seiner Lebensnachtschwche Hilfe suchen; ist er

    einmal durch Deine Gnade selbst stark und mchtig geworden, so kann ersich selbst helfen! Herr, habe ich Dein damals aufgestelltes Bild wohlder Wahrheit gem verstanden? (GEJ. Bd. 9, Kap 87,1-10)

    (Der Herr:) Du hast das Bild ganz richtig und wohl und wahraufgefasst, und es war ganz am rechten Platz, dass du es mit wenigenWorten hier wieder zum Vorschein gebracht hast. Auf dass aber allda ein

    jeder das von dir angezogene Bild noch klarer verstehe nach dem Urteilder eigenen Vernunft, so will Ich, da uns noch die Zeit gnstig ist, euch ein

    anderes Bild geben, in dem ihr noch klarer ersehen sollet, wie ein rechterMensch im Beten und Bitten nicht lass werden soll, so er in sich zurwahren Kraft Meines Reiches in sich gelangen will. Und so hret denn!(Luk.18,1)

    Das Himmelreich leidet Gewalt

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    11/68

    GL 1/2007 9

    Es war ein Richter in einer Stadt, der frchtete sich nicht vor Gott undscheute sich auch vor keinem Menschen. (Luk.18,2) Es war aber auch eineWitwe in derselben Stadt; die kam zu ihm und sprach: ,O du gerechter

    Richter, rette mich vor meinem Widersacher; denn siehe, so und so stehendie Sachen vllig gerecht auf meiner Seite! (Luk.18,3)Der gerechte Richter sah das wohl auf den ersten Blick ein; aber er war

    nicht gelaunt und wollte der Witwe Prozess nicht annehmen. Die Witweaber lie nicht nach, kam zu wiederholten Malen zum Richter und bat ihnauf den Knien, sich ihrer anzunehmen.

    Da dachte der Richter bei sich selbst: ,Was will ich da machen? Ob ichmich schon vor Gott nicht frchte und auch keinen Menschen scheue, damir diese Witwe nun schon so viele Mhe macht, so will ich sie retten, aufdass sie am Ende nicht noch zu fteren Malen wiederkommt und mich mitihren Bitten vollends betubt! (Luk.18,4.5)

    Habt ihr aus diesem Bilde wohl vernommen, was der Richtergesprochen und auch getan hat? Wenn aber schon ein nach dem Gesetzestreng gerecht richtender Richter das anhaltende Bitten einer bedrngtenWitwe wohl erhrt und ihr hilft, sollte dann Gott nicht noch eher SeineAuserwhlten retten, die Tag und Nacht zu Ihm rufen, und sollte Er etwaweniger Geduld und Liebe mit und zu ihnen haben, als solches der Richter

    mit und zu der Witwe hatte? (Luk.18,6.7)Wahrlich sage Ich euch, Er wird sie erhren und erretten in Krze, und

    das nun in dieser Zeit, wie auch in der fernen, allwann Er alsMenschensohn, wie nun, auf diese Erde wiederkommen wird!

    Aber so in jener Zeit des Menschen Sohn in diese Welt wiederkommenwird, meinet ihr wohl, dass Er Glauben finden werde? (Luk.18,8)

    Sagte Andreas: Herr und Meister, da ich schon frher geredet habe, sowill ich auch diesmal weiter reden, so Du mir das gestatten wollest!

    (Der Herr:) Rede nun du nur immerhin; denn dir ist eigen dazuVernunft und Mut und Mund!Sagte darauf Andreas: Was das Bild selbst anbelangt, so besagt es

    vllig dasselbe, was das von mir ehedem wiedererzhlte Bild von demHausherrn und von dem Brotbettler in der Nacht besagt hat; nur ist dieStellung Gottes gegenber den bei Ihm Hilfe suchenden Weltmenschen inihrer Lebensnachtbedrngnis noch entschiedener bezeichnet als in demandern von mir wiedererzhlten Bilde. Denn da steht Gott gewisserart

    auer allem Verbande blo als ein gerechter Richter da, der denBedrngten wohl allzeit helfen kann, wenn Er das will; Er hilft ihnen aberauch, aber erst dann, wenn sie Ihm durch ihre unaufhrlichen Bittenordentlich lstig geworden sind.

    Das Himmelreich leidet Gewalt

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    12/68

    10 GL 1/2007

    Aber auch hier handelt es sich pur um die bung im Glauben undVertrauen; ist dieses einmal zu einer gewissen unbeugsamen Kraft gelangt,so ist die Erhrung und die Hilfe auch schon da.

    Der Nachsatz, in dem Du sagtest, dass Gott Seine Auserwhlten, dieschon in der Kraft des Glaubens und Vertrauens stehen, sicher als einliebevollster Vater wohl noch eher erhren werde, so sie an ihrem schonerreichten inneren Lebenstage, wie in ihrer noch so dann und wann leichtmglich zurckkehrenden Nacht zu Ihm um Hilfe rufen, stellt Dich nichtmehr als einen schwer erbittlichen Weltrichter, der als Selbstgott einenGott nicht zu frchten und ebenso keinen Menschen zu scheuen hat,sondern als den Vater derer dar, die sich schon im inneren Lebenstage

    befinden. Ich habe die Sache also aufgefasst und bin der Meinung, michnicht geirrt zu haben.

    Wir alle aber stehen nun noch nicht schon vllig im innerenLebenstage, sondern teilweise auch mitunter noch sehr in unserer altenLebensnacht und haben Dich noch um gar vieles zu bitten, um uns dadurchim Glauben und Vertrauen zu ben und dadurch zu strken; aber Du hastuns eine sichere und baldige Errettung verheien, und wir glauben auchungezweifelt fest, dass jede Deiner Verheiungen in Erfllung gehen wird.

    (Der Herr:) Du hast dies heutige Bild auch ganz wahr, wohl und gut

    aufgefasst und hast dadurch Meinem Herzen eine rechte Freude gemacht.So ihr alle auch also tuet, da wird die volle Errettung eurer Seelen vomJoche der Materie dieser Welt und ihren Anreizungen auch wahrlichnimmer lange auf sich warten lassen. (GEJ.09_87,1-88,16)

    Wie das Gold sich im Feuer bewhrt und erst darin zu seinem hohenWerte gelangt, also muss es auch der Fall sein bei euch allen, die ihrwahrhaft Meine Jnger und Nachfolger sein wollet; denn Mein Reich,

    fr das wir alle nun arbeiten, ist ja nicht von dieser Welt, sondern vonjener groen, die auf dieses irdische, materielle, kurze Probeleben alsewig unvergnglich folgt!

    Und deshalb gebe Ich euch fr diese Welt auch keinen Frieden,sondern das Schwert; denn durch den Kampf mit der Welt und mitallem, was sie euch bietet, msst ihr euch des ewigen Lebens Freiheiterringen! (GEJ.01_201,3-5)

    Das Himmelreich leidet allezeit Gewalt, und nur diejenigen werden

    es besitzen, die es mit eiserner Gewalt an sich reien. Diese eiserneGewalt ist aber keine andere als die Gewalt der Liebe. Denn die Liebevermag alles! (HiG.01_40.11.15.a,17)

    Das Himmelreich leidet Gewalt

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    13/68

    GL 1/2007 11

    Das Menschenbild der NeuoffenbarungThomas Noack

    Das Menschenbild der Heiligen SchriftSchon vor tausenden von Jahren sangen die Kinder

    Israels:Wenn ich die Himmel sehe, deiner Finger Werk was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?(Psalm 8.4f).

    Beim Anblick des gestirnten Himmels drngt sich demMenschen unwillkrlich die Frage nach der eigenen Existenzauf. Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst? Was derPsalmendichter nur ahnen konnte, wird in der

    Neuoffenbarung durch Jakob Lorber zur Gewissheit:Die Betrachtung desHimmels fhrt nicht von ungefhr zur Erkenntnis des Menschen.

    Jakob Lorber kannte das mchtige Gefhl, das uns beim Anblick desgestirnten Himmels beseelt, und er ging ihm nach. Sein Biograph, KarlGottfried Ritter von Leitner, berichtete:

    Aber bei seinem mchtigen Drange nach hherer Erkenntnis zog ihndoch die hehre Tiefe des gestirnten Himmels von jeher unwiderstehlich an.

    Mit einem Fernrohr bewaffnet bestieg der fromme Mann den

    Schlossberg in Graz. Dort betrachtete er den narbenvollen Mondball, denJupiter mit seinen Trabanten, den Saturn mit seinem Lichtringe, diebrigen Planeten und den sich wunderbar auftuenden Sternenhimmel vonMyriaden leuchtender Weltkrper, zu welchen sich die Milchstrae unddie Nebelflecke vor dem Objektivglase seines Tubus in das Unendlicheauseinander breiteten.

    Ahnte er damals schon den Zusammenhang zwischen der groenSchpfung, dem so genannten Weltall, und der kleinen Schpfung, dem

    Menschen? Jahre spter offenbarte ihm die innere Stimme dieVerwandtschaft der beiden Welten. Damit wurde ein Menschenbild in dieWelt gesetzt, dessen Konsequenzen noch nicht berschaubar sind.Kosmologie und Anthropologie mssen in Zukunft zusammen bedachtwerden. Sie sind die berhmten zwei Seiten ein und derselben Medaille.

    Die Erforschung der ueren Welt wird durch die Erforschung derinneren Welt neue Impulse erhalten. Weise wird sein, wer den innerenKosmos durchdringt, denn die uere Welt ist nur ein Spiegelbild derinneren. Was ntzt es dem Geist die stummen Zeugen der ueren Weltanzuglotzen, ohne die Stimme der inneren Welt zu hren. Sie erst gibtallen Dingen den wahren Namen und lsst den homo faber (Handwerker)zu homo sapiens (weiser Mensch) werden.

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

    Thomas NoackPfarrer der NeuenKirche in Zrich

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    14/68

    12 GL 1/2007

    Der Psalmendichter sah die Gre des Himmels und erkannte dieGre des Menschen. Wie fremd ist uns dieses Denken geworden! Dermoderne Mensch nimmt die Weite des Universums zum Anlass, ber das

    Staubkorn Erde zu philosophieren. Wir haben leider eine gewisse Lustentwickelt, so gering wie mglich ber uns zu denken. Ganz anders dieAntwort des Psalmisten auf die Frage nach dem Menschen.

    Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des MenschenKind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedrigergemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrnt. Duhast ihn zum Herrn gemacht ber deiner Hnde Werk, alles hast duunter seine Fe getan.(Ps. 8.5-7).

    Diese Antwort hat das jdisch-christliche Denken geprgt. Dieentscheidenden Vorstellungen sind die Gottesebenbildlichkeit und derHerrschaftsauftrag. Sie sind schon im ersten Kapitel der Heiligen Schriftenthalten.

    Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottesschuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Und Gott segnete sie undsprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und fllet die Erde undmachet sie euch untertan. (Gen 1.27f).

    Der Mensch ist also imago dei und dominium terrae. Das ist die Summe

    des biblischen Menschenbildes. Wir werden sehen, dass sich unter diesenbeiden Begriffen auch das Denken der Neuoffenbarung zusammenfassenlsst. Es wird sich zeigen, dass die Verbindung dieser beiden Ideen, dieStellung des Menschen im Schpfungsganzen und damit den Menschenselbst zutreffend beschreibt.

    Zum Menschbild der Bibel gehrt auch der Sndenfall (Genesis 3) undder Tod. Wie diese Vorstellung in der Neuoffenbarung aufgegriffen ist,werde ich jedoch nicht untersuchen. Das bedeutet freilich nicht, dass sie in

    der Neuoffenbarung keine Rolle spielt. Ganz im Gegenteil! Man denke nuran die Haushaltung Gottes, wo das ganze Drama der Ursnde Adamsgenauestens entfaltet wird. Selbst die Idee der Erbsnde - dem Abendlanddurch Augustin vertraut - fehlt in der Neuoffenbarung nicht (GEJ.02_224.11).Der Schwerpunkt dieses Aufsatzes wird jedoch bei der Gotteseben-

    bildlichkeit und dem Herrschaftsauftrag liegen. Die Neuoffenbarung greiftdiese uralten Ideen auf, ohne sie jedoch einfach nur zu wiederholen. Die

    Neuoffenbarung ist nicht in der Weise neu, dass sie etwas vllig Neues

    lehrt, wohl aber in der Weise, dass sie das Alte neu interpretiert.

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    15/68

    GL 1/2007 13

    Das Menschenbild der Moderne

    Mit der Skularisation und dem Untergang des Gottesglaubens ist dasbiblische Menschenbild in eine Krise geraten, die die Suche nach neuen

    Antworten notwendig macht. Insbesondere die imago dei will demmodernen Menschen nicht mehr einleuchten. Lieber sieht er sich alsnackter Affe.

    STANISLAV GROF beschreibt in seinem Buch Geburt, Tod undTranszendenz drei geistesgeschichtliche Revolutionen, die zum modernenMenschenbild gefhrt haben.

    Es wird wiederholt hervorgehoben, dass den Menschen durch dreiwichtige Revolutionen in der Wissenschaftsgeschichte der rechte Platz im

    Universum zugewiesen wurde. Die erste war die KopernikanischeRevolution, durch die der Glaube zerstrt wurde, dass die Erde imMittelpunkt des Weltalls steht und die Menschheit darin eine besondereStellung einnimmt. Die zweite war die Darwinsche Revolution, durch dieder Vorstellung ein Ende gesetzt wurde, die Menschen wrden sichgrundlegend von den Tieren unterscheiden. Und schlielich gab es nochdie Freudsche Revolution, durch die die Psyche zum Abkmmling nied-riger Instinkte reduziert wurde. (316).

    Durch die Reduktion des Menschseins auf die biologischen Grund-funktionen ist der Mensch nicht besser geworden. Der Herrschaftsauftragist in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch den Raubbau an der Naturin Misskredit geraten. Die Ideologie vom grenzenlosen Wachstum erweistsich als verheerender Irrtum. Es zeigt sich, dass sich die materielle Kulturohne eine entsprechende Geisteskultur selbst zerstrt (vgl. die Kulturkritik inGen 4).

    In den Augen der Wirtschaft ist der Mensch ein Verbraucher, dessenDaseinszweck der Konsum ist. In den Augen Gottes ist der Mensch jedoch

    ein Gebraucher, d.h. ein weiser Beherrscher und Benutzer der Natur. DerKonsum kann nicht Sinn und Zweck des Lebens sein. Der Umgang mit derMaterie muss einem hheren Ziel dienen. Doch welchem?

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

    Grundstzlich ist zum Verhltnis des Menschenbildes der Neuoffen-barung zu dem der Bibel folgendes zu bemerken. Die Neuoffenbarungbesttigt im wesentlichen die Ideen der Heiligen Schrift, stellt sie aber auf

    eine vllig neue geistige Grundlage, deren Wert vor allem darin besteht,dass sie berzeugend ist. Mit anderen Worten: In den Ergebnissen undKonsequenzen sind sich die Neuoffenbarung und die Bibel erstaunlich

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    16/68

    14 GL 1/2007

    hnlich. Doch der weltanschauliche Hintergrund ist ein anderer.Nach den Aussagen des Schpfungsberichtes (Gen 1) wird der Mensch

    am 6.Tag als letztes Werk Gottes geschaffen. Der Mensch ist daher die

    Krone der Schpfung. Das besttigt uns auch die Neuoffenbarung.Allerdings ist der Mensch nur bezogen auf die materielle Schpfung derenKrone. Bezogen auf die geistige Schpfung ist er der Anfang einerunermesslichen Entwicklung.

    Der Mensch ist das Endziel der gesamten Schpfung Er ist dasendlich zu gewinnende Produkt all der Vormhen Gottes. (GEJ.02_222.4).Im Menschen liegt der Grund und der Zweck aller Schpfung im end-losen Raume. (GEJ.08_140.5). Der Mensch lebt als Schlussstein derueren, materiellen Schpfung, in der er als die Krone der Schpfunggepriesen und genannt wird, das andere Mal als der Anfangspunkt der reingeistigen Welt, die mit ihm die erste Stufe der vollstndig freienSelbsterkenntnis erreicht hat. (GEJ.11_9.8). (Vgl. auch HGt. III.13.3ff.)

    Meine Schpfungen haben nimmermehr irgendein Ende. Allenthalbenwirst du die Einrichtungen fr dich wunderbar verschieden finden undneue Formen allenthalben von nie geahnter Majestt und Pracht. Nur dieForm des Menschen allein ist die bleibende und berall gleiche. Unterdiesen zahllos vielen Bewohnern der verschiedenen Welten gibt es nur

    Abstufungen bezglich der Gre, Liebe, Weisheit und Schnheit. Aberallen diesen Abstufungen liegt dennoch die unvernderte Menschenformzugrunde, indem sie alle Mein Ebenma haben. Die Weisesten sind dieschnsten, und die mit Liebe Erfllten sind die zartesten und herr-lichsten! (BM 51.6-7).

    Gottesebenbildlichkeit

    Als Krone und somit Schlussstein der materiellen Schpfung steht der

    Mensch am Anfang einer geistigen Entwicklung, deren Ziel es ist, dieGottesebenbildlichkeit herauszuarbeiten oder die Kindschaft Gottes zuerwerben. Dazu ist dem Menschen ein gttlicher Keim ins Herz gelegt.Dieser Keim - Geistfunke genannt - ist das Ebenbild Gottes im Menschen.

    Der Mensch ist ganz nach dem Ebenma Gottes erschaffen, und wersich selbst vollkommen kennen will, der muss wissen und in sicherkennen, dass er als ein und derselbe Mensch eigentlich aus drei

    Persnlichkeiten besteht! (GEJ.07_24.6). Sie heien bei LORBER Leib,

    Seele und Geist. Wenn wir das Leben und Sein der Seele fr sich nochnher betrachten, so werden wir auch leicht finden, dass sie als auch nochein substantielles Leibmenschwesen fr sich um nichts hher stnde als

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    17/68

    GL 1/2007 15

    allenfalls die Seele zum Beispiel eines Affen. Sie wrde wohl eineinstinktmige Vernunft in einem etwas hheren Grad innehaben als eingemeines Tier, aber von einem Verstand oder einer hheren freien

    Beurteilung der Dinge und ihrer Verhltnisse knnte da nie eine Rede sein.Dieses hhere und eigentlich hchste und Gott vllig hnliche Vermgenin der Seele bewirkt ein rein essentiell geistiger dritter Mensch, eben in derSeele wohnend. Durch ihn kann sie Wahres vom Falschen und Gutesvom Bsen unterscheiden und kann frei nach allen erdenklichen

    Richtungen hin denken und vllig frei wollen, wodurch sie sich selbstdem in ihr woh-nenden Geiste nach und nach vllig hnlich macht. (GEJ.08_24.11f).

    Der Geist ist das gttliche Erbe im Menschen. Seine Wirkungen in derSeele sind das Unterscheidungsvermgen und die Freiheit des Denkensund Wollens.

    Im Unterschied zur kirchlichen Dogmatik betont die Neuoffenbarungdie Freiheit des Willens, obwohl sie andererseits die Einschrnkungen derFreiheit durch die Snde nicht verkennt. Dennoch ist die Lehre vomunfreien Willen eine Fehlentwicklung, weil sie unweigerlich zurPrdestinations-lehre fhrt.

    Auch das Ewige und Unendliche im Menschen ist ein Zeugnis seiner

    Verwandtschaft mit Gott. und doch sage Ich dir, dass ein jeder Mensch, so wie der ewige

    ihn umgebende Raum, Unendliches und Ewiges in sich birgt, und zwarin jeder Fiber seines materiellen Leibes, geschweige in seiner Seele und

    ganz besonders in seinem Geiste.(GEJ.05_211.1).

    Die Universalitt der Menschenform

    Die Gottesebenbildlichkeit wird in der Neuoffenbarung jedoch noch

    viel grundstzlicher gefasst. Denn Gott selbst ist der eigentliche Mensch.Gott Selbst ist der hchste und allervollkommenste, ewigste Urmensch

    aus Sich Selbst (GEJ.04_56.1). Bevor alle Engel und Menschen waren,war Ich [der Herr] von Ewigkeit her wohl der erste Mensch(GEJ.02_39.3).Aber Ich zeigte dir dann auch, wie Gott Selbst ein Mensch ist, und wieaus diesem einzigen Grunde auch du und alle dir hnlichen WesenMenschen sind. (GEJ.01_155.5).

    Von ihm aus senkt sich das Menschliche in alle Bereiche der

    Schpfung hinab. Daher hat zunchst das geistige Universum die Formeines Menschen.

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    18/68

    16 GL 1/2007

    Wenn ihr hinauf in Meine [des Herrn] unendliche Sphre tretenknntet, so wrdet ihr das ganze unendliche Reich der Himmel nur alseinen Geistmenschen erblicken. (GS I.8.11).Aber des Menschen Form ist

    aller Formen Grenz- und Schlussstein, und seine Gestalt ist eine rechteGestalt des Himmels; denn der ganze Himmel ist auch ein Mensch,und jeder Verein der Engel ist ebenfalls ein ganz vollendeter

    Mensch. (GEJ_04_55.9). (Vgl. auch GEJ_02_222.4-5) Im Angesichte desHerrn dehnt sich da die Liebessphre eines solchen seligen Geistes wie zueinem zweiten groen Menschen aus. Und diese Sphre ist an und fr sichso ganz eigentlich ein solcher Himmelsverein (GS II.65.10).

    Eine der erstaunlichsten Enthllungen der Neuoffenbarung ist die, dassauch das materielle Universum Menschenform hat. Es wird durch LorberWeltenmensch (GEJ_06_246.1) oder der groe Schpfungs-mensch (GEJ.08_57.1) genannt.

    Alle die zahllos vielen Hlsengloben stellen in ihrer Gesamtheit einenungeheuren, fr eure Begriffe endlos groen Menschen dar. (GEJ.05_114.4).(Vgl. auch GEJ.06_245.16; Hg I.311.11) Mir ist es bekannt, dass alleWeltkrper samt ihren Bewohnern mit einem vollkommenen Menschenin vollkommener unabnderlicher Korrespondenz stehen, und zwar also,dass eine Welt entspricht einem Gliedteile, eine andere wieder einem

    anderen; und so korrespondieren zahllose Welten mit zahllosenEinzelheiten, aus denen ein vollkommener Mensch durch die Macht dergttlichen Weisheit geschaffen ist. (GS II.60.5).

    In diesem (materiellen) Universum ist der Mensch die Krone derSchpfung, weil in ihm die Schpfung ihre Urform wieder gefunden hat.Im geistigen Universum hingegen ist der Mensch die erste Stufe dergeistigen Entwicklung.

    Der HerrschaftsauftragDer Herrschaftsauftrag war nicht als Freibrief zur Ausbeutung der Erde

    gedacht, was schon daran deutlich wird, dass er vor dem Bericht vomSndenfall steht. Die Herrschaft, die der Mensch ausben soll, ist in ersterLinie die Herrschaft ber sich selbst. Die Selbstbeherrschung ermglichtden weisen Umgang mit der Natur. Ist aber der Mensch sich selbstentglitten, dann wandelt er sich zu einem Raubtier. Gott wurde Mensch,damit der Mensch wieder der gerechte Herr ber alle Kreatur sein kann.

    Ich [der Herr] bin darum in diese Welt gekommen, um die Menschheit wieder auf denjenigen Urzustand zurckzufhren, in

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    19/68

    GL 1/2007 17

    welchem die ersten Menschen als wahre Herren aller Kreatur sichbefanden. (GEJ_04_210.2).

    Im Anschluss an diese Worte demonstrieren unverdorbene Mohren ihre

    Herrschaft ber die Natur. Sie ist die direkte Folge ihrer geordnetenSeelenausbildung, die darin besteht, dass sie erst das Gemt und dann denVerstand ausbilden. So wird der innere Mensch in die Lage versetzt, berden ueren zu herrschen. Die Beherrschung des ueren, unwieder-geborenen Menschen wird in der Neuoffenbarung als der erste Grad derLebensvollendung bezeichnet.

    Wer durch den festen und lebendigen Glauben, durch die Liebezu Gott und zum Nchsten und durch die ungezweifelte Hoffnung alledie argen Leidenschaften seines Fleisches bekmpfen kann und sonachvllig Herr ber sich wird, der wird dann auch bald Herr der ganzenueren Natur und befindet sich eben dadurch, dass er vollkommen

    Herr ber sich geworden ist, schon im ersten Grade der wahren, innerenLebensvollendung(GEJ.07_155.6).

    Diesem ersten Grad schlieen sich noch zwei weitere an, die hierjedoch nicht genannt werden sollen.

    Der Mensch, ein Brger zweier Welten

    Der Mensch ist ein Brger zweier Welten. Zwischen Gott und Erde istder Mensch die Klammer. Diese Stellung im Schpfungsganzen ist seinSchicksal und seine Aufgabe. Die Neuoffenbarung beschreibt sieeindrucksvoll mit den folgenden Worten:

    Es ist schon oft genug gesagt worden, dass die menschliche Seele auskleinsten Anfngen besteht, welche, wachsend und zu immer hherenBewusstseinssphren sich entwickelnd, schlielich im Menschen wiederdiejenige Form erlangen, welche eben als irdische Form nicht weiter mehr

    entwicklungsfhig ist, wohl aber in ihrer seelischen. Deswegen begegnensich im Menschen zwei Prinzipien: das Ende des materiellen Lebens alshchst ausgeprgtes Selbstbewusstsein und der Anfang eines seelischen,unwandelbaren Lebens in der hchsten errungenen Formenvollendung.

    Deswegen kann der Mensch auf dieser Messerschneide des irdischen

    Lebens sich dem Bewusstsein, dass er lebt, wohl nicht verschlieen - denn

    dessen ist er sich selbst Beweis -, aber dennoch gar keine Ahnung davon

    haben, dass er an der Schwelle eines geistigen Lebens angelangt ist,

    welches nun in der unwandelbar bleibenden Menschenform seinen Anfangnimmt (GEJ_11_75.3).

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    20/68

    18 GL 1/2007

    Das Todesbewusstsein als Folge der falschen Lebensrichtung

    Kennzeichnend fr diese Stellung ist, dass zwar das Bewusstsein desbiologischen Lebens ausgebildet ist, das Bewusstsein des geistigen Lebens

    aber noch unterentwickelt ist. Dieses eigentliche Lebensbewusstsein kannsich nur dann entfalten, wenn der Mensch das Todes- oder

    Nichtigkeitsbewusstsein abstreift. Das lebenshemmende Bewusstsein desTodes wird berwunden, indem sich der Mensch nicht in das Gericht derMaterie hineinziehen lsst, sondern die Weite des Geistes sucht.

    Ja, dein Leib als Materie ist freilich ein Nichts; darum soll aber auchder groe und unsterbliche Mensch nicht fr sein zeitliches und materielles

    Nichts sorgen, sondern fr sein geistiges Alles, und er wird dann frder

    nimmer sagen knnen, dass er ein Nichts des Nichtses sei, sondern in undmit Mir ein Alles des Alles. (GEJ.06_247.8).Nach Paulus ist der Tod der Snde Sold (Rm. 6.23). Der Vlkerapostel

    denkt hierbei an Genesis 2.17, wo es heit: aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bsen sollst du

    nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todessterben.

    Man darf diesen Text jedoch nicht missverstehen und meinen, derbiologische Tod an sich sei die Strafe der Snde. Nicht der Tod ist unserVerhngnis, sondern das Bewusstsein, mit dem wir ihm begegnen, derWahn, mit dem Tod sei alles aus. Dieser Wahn hat sich, Angst undSchrecken verbreitend, tief in unsere Seele hineingefressen. Er ist derSnde Sold. Das Sterben an sich ist harmlos. Dass der biologische Tod zuunserem Feind wurde, ist die Folge der verkehrten Lebensausrichtung:unsere Seele lebte sich in die Materie hinein und leidet nun an deren

    Nichtigkeit und Vergnglichkeit.

    Einige praktische KonsequenzenWas sind Weltbilder, aus denen sich keine praktischen Konsequenzen

    ergeben? Sie sind wie Menschen ohne Arme und Beine. Deswegen seiabschlieend ein ethischer Ausblick gestattet.

    Freiheit als Auftrag zu sinnvoller Lebensfhrung

    Die Freiheit erhebt den Menschen ber die gerichtete Natur. Sie istZeugnis seiner gttlichen Abstammung. Sie ist die Himmelsluft, die eratmen darf. Doch was soll er mit seiner Freiheit anfangen? Fr sichgenommen ist sie wie ein leerer Raum, der eingerichtet werden will. DerSinn der Freiheit ist die Entwicklung des inneren Kosmos. Dieser

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    21/68

    GL 1/2007 19

    wiederum wurzelt in dem Funken gttlicher Essenz, d.h. in der Liebe desHerzens. Wir sahen, dass die Freiheit gleichsam die Aura des Geistfunkensist. Daher kann nur die Liebe unsere Freiheit sinnvoll ausfllen. Doch zu

    dieser Entscheidung kann der Mensch nicht gezwungen werden. Selbst derallmchtige Gott kann den menschlichen Geist nicht zur Vollkommenheitzwingen. Denn nur was in Freiheit gewonnen wird, kann ewig bewahrtwerden. Daher wird das irdische Leben in der Neuoffenbarung alsFreiheitsprobe (GEJ.01_165.9) bezeichnet. Der Sinn der Freiheit ist dieEntscheidung fr den Geist.

    Ich aber sage dir, dass Ich allein das wohl sicher am allerbesten undklarsten einsehe, wie eine Seele zum Behuf ihres kurzen, diesirdischenProbelebens in ein rechtes Gleichgewichtzwischen die Welt der Materieund jene der reinen Geister zu stellen ist, damit eben dadurch die volleFreiheit ihrer Liebe und ihres Willens bedungen wird. Dass fr eine jede

    Seele die Materie ein gewisses bergewicht haben muss, das ist darumso verordnet, auf dass die Seele dadurch gentigt wird, ttig gegen daskleine bergewicht der Materie zu werden, um so von der Freiheit ihresWillens den rechten Gebrauch machen zu knnen; um aber das tun zuknnen, ist ihr die Lehre zu allen Zeiten klar aus den Himmeln gegeben,welche die Seele in eine vollkommene Freischwebe zwischen Geist und

    Materie stellt. (GEJ.09_181.89).

    Die Liebe ist das Leben des Menschen und das Ewige in ihm

    Es gibt einen unsterblichen Kern im Menschen. Daher ist unser Tunund Lassen nicht sinnlos, denn etwas Ewiges in uns berdauert den Tod.Dieses Ewige, das vorerst noch in einer vergnglichen Schale eingehlltist, ist die Liebe des Menschen. Sie ist sein eigentliches Leben. Sie ist dasEwige im Vergnglichen.

    Solches msst ihr wissen, dass die Liebe des Menschen sein Lebenist(GS I.34.18).

    Sinnvolles Tun als Weg geistigen Wachstums

    Die Entwicklung des Geistes geschieht auf dem Wege des sinnvollenTuns. Der moderne Mensch ist vielfach seiner Arbeit entfremdet und suchtdas Heil daher im trgen Genuss. Freizeit und Nichtstun werden zumhchsten Kulturgut. Diese Entwicklung wird jedoch in einer Sackgase

    enden. Der Ausweg kann nur in der Rckgewinnung der Arbeit liegen.Nach dem Sndenfall wurde die Arbeit verflucht; daher empfinden wir sieals Last. Aber der Himmel, der ja der Zustand der hchsten

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    22/68

    20 GL 1/2007

    Vollkommenheit ist, ist ein Himmel der sinnvollen Beschftigung.Deswegen sollte man nicht nach immer mehr Freizeit lechzen, sondernauch in seiner Freizeit einer sinnvollen Beschftigung nachgehen.

    Wer da jetzt empfngt ein Amt, dem wird es bleiben frder hier unddort; wer aber nun so ganz unbekmmert daneben einhergeht, wo dasLeben weht, vor dem auch wird das Leben vorberwehen, und dann wird'smatt um seine Lebensgeister stehen! (HGt II.126.4).

    Herzdenken

    Wer sich bemht, wirklich sinnvoll - und nicht nur wohlmeinend -ttig zu sein, der wird merken, dass das nur im Gebet oder in der

    Versenkung des Herzens mglich ist. Denn wer sagt mir denn, waswahrhaft sinnvoll ist? Wer hat den weiten Blick, das Ewige vomVergnglichen zu unterscheiden? Die matte Leuchte des Verstandes sichernicht. Alles Groe entsteht in der Stille des Herzens und wird erstallmhlich nach auen sichtbar.

    Deswegen besteht die wichtigste Konsequenz des neuenMenschenbildes darin, das Denken im Herzen zu ben. Wir ernten heutedie Saat des drren Intellektualismus. Einige weit blickende Menschenerkennen bereits, dass nur die Kraft des Herzens die Not der Zeitberwinden kann. Wenn im Herzen das Ebenbild Gottes ruht, dann drftees die wichtigste Aufgabe des Menschen sein, die Kraft des Herzens zuentfalten und somit das gttliche Bewusstsein zum Vorschein zu bringen.Wir brauchen eine neue Geisteskultur, die auch das Erziehungswesenerneuern wird. Nicht die Verstandesbildung sollte immer weitervorgezogen werden, sondern die Gemtsbildung sollte intensiver gebtwerden. Das Kreuz des Menschen ist die Verselbstndigung des Intellektsgegenber der Liebe.In der Liebe des Herzens ruht die Flle des Seins.

    Suchet nur im Herzen die Weisheit und die rechte Offenbarung ausMir, so werdet ihr sie leicht begreifen und fr euer ganzes Leben und frewig behalten!

    Habe Ich doch schon oft zu euch gesagt, dass ihr nicht im Kopfe,sondern nur im Herzen sollet Gedanken zu fassen anfangen, um zurWahrheitsflle zu gelangen, die euch wahrhaft lebensfrei machenwrde! Warum tut ihr denn das nicht und bleibet lieber bei der Materie,die nichts hat und nichts geben kann?!

    Tut, was Ich euch lehre, dann werdet auch ihr reden in wahrerWeisheit! (GEJ.03_184,6+9)

    Das Menschenbild der Neuoffenbarung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    23/68

    GL 1/2007 21

    Das Wesen der LiebeDer erste Grund von allem ist die Liebe. Wie spricht sich aber die

    Liebe inwendig aus?Die Liebe spricht sich stets mit einem begehrendenZuge aus, das heit, sie will alles an sich ziehen! Dieser edle Zug siehtnach allen Seiten um sich her, und was seinem Auge begegnet, das ergreifter in der Art, wie es ist, und bemht sich, den erschauten Gegenstand sichstets nher zu bringen und endlich gar mit sich zu vereinen.

    Dieser Zug wird bei euch die Begierde genannt. Was liegt denneigentlich in dieser Begierde? Nichts als das Bedrfnis, sich stets mehr zuerfllen mit dem, was eben dieser Begierde vollkommen harmonischzusagt. Diese Begierde ist aber somit auch eine fortwhrend lebendige

    Empfindung, durch welche eben die Begierde in sich das Bedrfniswahrnimmt, sich stets mehr und mehr zu erfllen.

    Nun habet acht! Die Liebe zum Herrn und daraus zum Nchstenempfindet demnach das Bedrfnis nach dem Herrn und nach allem dem,was des Herrn ist.

    Bse Liebe aber ist, wie ihr wisst, in allem das Gegenteil. Wenn nundie gute, edle Liebe in sich die stets wachsende Erfllung mit demempfindet, was ihr ein einziges Bedrfnis ist, so fhlt sie in sich eine

    Sttigung. Und diese Sttigung ist das sich wonniglich selbstbewussteGefhl, welches eben durch seine Sttigung und die aus dieser Sttigungbewirkte Lebensttigkeit das Licht der Liebe in sich hervorbringt. Indiesem Lichte wird alles in sich Aufgenommene wie plastisch und geht inharmonische Formen erhabenster Art ber.

    Aus dem Bewusstsein der Sttigung und aus der Anschauung derlebendigen Formen in sich geht dann erst jenes wonnige Gefhl hervor,welches ihr unter dem Begriffe: Die Seligkeit des ewigen Lebens kennet.

    Nun gebet ferner acht! Wenn die lebendige Liebe einmal auf dieseWeise gesttigt und in ihr Licht bergegangen ist, so findet sie dann einzweites Bedrfnis, nmlich die Mitteilung. Und diese Mitteilung ist danngleich der Nchsten- oder Bruderliebe, welche aber nie eher vollkommenda sein kann, als bis der Mensch in seiner Liebe zum Herrn eben vomHerrn diese gerechte Sttigung berkommen hat.

    Daher ist auch die wahre Ordnung der Nchstenliebe nur diejenige,so jemand seinen Bruder aus dem Herrn liebt. Im Gegenteil aber, wenn

    jemand den Herrn liebt aus seinen Brdern, ist das dann eine umgekehrte

    Ordnung, welche mit der ersten Ordnung in keinem harmonischenZusammenhange steht. Warum denn? Weil es doch hoffentlich natrlicherist, in dem, in dem alles ist, auch alles zu suchen, als in dem, da noch bei

    Das Wesen der Liebe

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    24/68

    22 GL 1/2007

    weitem nicht alles ist, das vollkommenste Alles zu suchen. Oder nochdeutlicher gesprochen:

    Es ist doch sicher geordneter, in Gott alle seine Brder zu suchen, als

    in seinen Brdern den unendlichen Gott! In Gott wird sogar ein jederalles finden, aber in seinem Bruder drfte es wohl manchmal sehr stark imZwielichte stehen, das allerhchste Wesen Gottes zu finden. Er findet eswohl auch; aber es ist ein groer Unterschied zwischen dem Finden undFinden.

    Diesen Unterschied knnet ihr irdischermaen also bemessen, als so ihrda httet ein gutes Fernrohr. Sehet ihr am rechten Orte durch dasselbe, d.h.dass ihr das groe Objektivglas nach auen wendet und die kleinenOkularglser ans Auge setzet, so werdet ihr damit die Gegenstnde, die ihr

    beschauet auch in der natrlichen Vergrerung finden; denn hier schauetihr wie aus dem Zentrum des Objektivglases Strahlenweite hinaus. Wennihr aber das Fernrohr umkehrt, so werdet ihr zwar wohl auch dieGegenstnde erblicken, welche ihr frher erblickt habt; aber dieseGegenstnde werden ums eben so Vielfache verkleinert erscheinen, als sieehedem vergrert dastanden, und ihr werdet euch eine ganz entsetzlichgroe Mhe nehmen mssen, wenn ihr nur einigermaen entfernteGegenstnde werdet erblicken und dieselben vllig erkennen wollen.

    Ihr fraget, ob das geistig genommen gesndiget ist oder nicht. O nein!Gesndigt ist es durchaus nicht. Denn wenn ihr durch ein umgekehrtesFernrohr die Gegenden betrachtet, so werden sie euch auch gar schn undwunderlieblich vorkommen, nur wird es euch, wie gesagt, sehr viele Mhekosten, sie nur einigermaen zu erkennen als das, was sie sind.

    Also ist es auch mit der Liebe zum Herrn aus dem Nchsten. Der Herrist wohl in einem jeden Bruder, denn Er ist ja das Leben Selbst in einem

    jeden, aber im kleinsten Abbilde, also, wie der Mensch selbst des ganzen

    unendlichen Himmels kleinstes Abbild ist, oder - der Mensch ist einHimmel in kleinster Gestalt.Wer aber aus dem Herrn den Bruder liebt, der schaut aus dem Zentrum

    des Strahlenbrennpunktes, vom Objektive seines Fernrohres ausgehend,alle seine Brder liebend an und sieht da in seinen Brdern viel mehr, alswas er ehedem gesehen hat.

    Ehedem sah und gewahrte er eigentlich vielmehr, dass in seinenBrdern ein gttlicher Funke wohne, und sah somit eine Menge gttlicher

    Fnklein. Jetzt aber sieht er in seinen Brdern, dass der Herr in ihnen allesin allem ist, und statt der Fnklein sieht er jetzt groe Sonnen in seinenBrdern flammen, aus deren Lichte sich fortwhrend neue herrlicheFormen gleich wunderbaren Schpfungen Gottes entwickeln.(GS.02_5,3-15)

    Das Wesen der Liebe

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    25/68

    GL 1/2007 23

    Offenbarung eines Sternenbewohners

    Georg Riehle (1872-1962)

    Ein Bewohner einer fernen Sonne spricht:Nehmt es wahr, nehmt es jeden Augenblick wahr,

    behaltet sie nur stets im Auge, die Liebesverschmelzung miteurem Vater, den ihr Jesus Christus nennt. Wir fhlen unsschon selig, wenn wir uns der Erde nhern, geschweigedenn ihren heiligen Boden betreten, und noch mehr, dasHeiligste, was ihr erlebt, vernehmen drfen. Myriaden vonWelten kreisen im unendlichen Raume, und dieser armselige

    Planet hat den Vorzug, diesen unermesslichen Gott alsMensch getragen zu haben und die Bewohner der Erde zu Kindern, zuFreunden und Brdern zu erheben. Wir werden belehrt von den Engelnber eure Wesenheit und erwarten, dass ihr auch unser dereinst gedenkt,wenn ihr Sein heiliges Leben dereinst gefunden habt in eurer Brust unddieses euch zu Kindern Gottes erhebt, denen der Vater alles gibt, was sieerbitten von Ihm.

    Es gibt kein Erdenwort, zu schildern die Schnheit unserer Welt und die

    Vollkommenheit unseres Daseins. Bei uns gibt es keinen Lebens-widerspruch, der die Harmonie unserer Welt strt. berall Friede. Docheins geht uns ab: Unser Leben ist von einer Grenze umschlossen; wir sindnur das, was wir sein mssen, ihr hingegen seid das, was ihr werdenwollt.

    Die heilige Liebe des ewigen Urgeistes, den ihr Vater nennt, hat es euchermglicht, mit der Wurzel Seines heiligen, groen Lebens eins zuwerden. Da wir wissen, dass Er durch Seine Menschwerdung euer Brudergeworden ist und Sein Leben fr euch hingegeben hat, so offenbart sich

    uns das Grte und Heiligste fr die ganze Schpfung durch Seine Kinder.Ihr seid von einem Licht umgeben in diesem Augenblick, welches sich

    nach eurem Erdenausdruck als Glanz bezeichnet und dieses Licht mitseinem Glanz sucht die Mitte eures Herzens, um sich dort zukonzentrieren, um dann von eurem Herzen auszugehen durch alle Rumeder Unendlichkeit, wodurch dann auch unsere Welt mit berhret wird. Esgibt keinen Begriff fr euren Menschenverstand dafr, wie weit unsereWelt von euerer Erde entfernt kreist, und was ich finde in eurer

    Lebensverbundenheit mit eurem Jesus, was ich in und durch die weitenFernen trage von dem Boden, der jetzt meine Fe trgt (Erde), um esmeinen Brdern dort kund zu tun: Der groe Geist hat mich auf die Erde

    Offenbarung eines Sternenbewohners

    Georg Riehle(1872-1962)

    Ein Mann Gottes inunserer Zeit

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    26/68

    24 GL 1/2007

    getragen und hat mein Auge geffnet bis in die Lebenstiefen SeinerFreunde.

    Was ich geschaut in eurer Mitte, steht in keinem Vergleich zu den

    Unvollkommenheiten dieser Erde. Darum habt ihr Grund, euch zu freuenund zu blicken auf das Dunkel, das euch umgibt und das sich uernmuss, um erlst zu werden.

    Wohl euch, wenn euch dieses Leben berhrt, da seid ihr durchdrungenvon hherer Kraft. Doch wenn sich dieses Leben auswirkt zum Heil allerMenschen und Vlker eurer Welt, dann tretet ihr in Verbindung mit derWurzel dieses heiligen Lebens, wovon ein einziger Strahl, wenn er uns

    berhrt, uns beglckt und fr uns eine Lebensflle enthlt, dass frwahrdas Lichtreich, das mich als Geschpf trgt, weit zurckbleibt.

    Ich mchte euch mit Donnerstimme zurufen: Die Tage gehen dahin,ewig mahnt das Ziel, und euer Herz schlgt noch auf dieser Erde; docheinmal kommt der letzte Schlag und die Hlle fllt. Sie kann fallen, dennsie wird dann nicht mehr gebraucht. Denket an eine Frucht der Erde.

    Nehmen wir an, eine Nuss. Sie entwickelt sich in der Hlle ihrer Schale.Sie braucht diese Hlle zu ihrer Reife, denn wrde man ihre Schalenehmen vor der Reife, was wrde dann aus der Frucht werden? Wenn sieaber reif ist, sprengt sie ihre Schale und sie verbindet sich nicht mit dem

    Baume, sondern mit dem Licht und fllt reif vom Baume. So soll es sein.Suche, das morgen zu erreichen, was dir heute beim Abschluss diesesTages verloren gegangen ist. Wenn auch viele Tage dahin sind, die nichtim Sinne der ewigen Liebe vergingen, so wisse, dass die ewige Liebeeures heiligen Vaters in den letzten Tagen euch noch eine Lebenskost zugeben vermag, um reif zu werden, um euren Vater zu verherrlichen.

    Was wird es fr eine Freude werden, wenn ich von eurer Welt erzhle.Ein Bote Gottes reichte mir die Hand, als ich im Begriff war, im Tempel

    meiner Welt vor dem Altar zu rhmen den groen Geist. Nur einen Hauchvon der Flle und Gnade, die euch besonders zu Teil wird, nehme ich mit,und ich wei, alle Bewohner meiner Welt werden vor Ehrfurchtniedersinken, wenn sie hren, was ich erlebt habe in eurer Mitte. Dereinstwerde ich euch danken mit allem, was unsere Welt bietet! Wir werden eseuch dereinst - ich kann aus dem Herzen meiner Brder und Schwesternsprechen - so danken, dass wir einstimmig eure Nachfolger sein wollen.

    Und so weilen viele Reprsentanten groer Welten hier, um zu hren

    und aufzunehmen, und bedenket:Ihr seid von Gott gelehrt! Er lehrte euchfr Seine groe Schpfung, die kein Ende hat. Myriaden und onen, undalles lebt und wartet auf das Leben der Liebe ihres Gottes, des Urgeistesund Schpfers, durch Seine Kinder. Amen.

    Offenbarung eines Sternenbewohners

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    27/68

    GL 1/2007 25

    Das haltet fest:Ihr seid nicht fr euch hier, ihr seid fr uns, fr dasGanze da, um Trger Seines heiligen Lebens zu werden. Ihr seid fr unsda. um uns zu erlsen von den Ewigkeitsgesetzen, wiewohl wir keine Not

    kennen und alles besitzen im berfluss; aber wir fhren ein unfreies Sein,abgeschlossen von den groen Schpfungen. Aber euer Leben ist einMittelpunkt alles Lebens, alles Erreichbaren, nicht durch eine fremdeMacht, sondern durch den Reichtum, den eure Brust einschliet, als euereigenes Gottesleben.

    Darum hat euer Herz Grund zum Erglhen fr Ihn aus Dankbarkeit, ausheiligster, ergebenster, tragender Liebe bis zum Abschluss euresErdendaseins. Amen.

    Der Geist erforschet alle Dinge, selbst die Tiefen der Gottheit, und aufdieser Lichtbahn fhrte mich ein Diener seines groen Vaters in eureMitte. Sonst wre es nicht mglich. Die Liebe muss die Wege schaffen biszum Herzen des Ewigen. Wie Er fr Seine Kinder die Wege schuf bis anSein Vaterherz.

    Ja, du Bruder, durch deine Liebe zu Jesu so reich begnadeter Bruder,leuchte hinein in die Herzen deiner Umgebung, die der Herr als fhrenderwhlt hat, fhrend fr die Unendlichkeit, wenn ihr Seinen Willenverkrpert. Damit gibt Er Sein Herz Seinen Kindern und schenkt ihnen

    Himmel und Erde, darum, dass sie Ihn ber alles lieben! Was Ihm alleSchpfungen nicht bringen knnen, das vermag ein Kind der Erde. DasHren dieser Wahrheit ist der Wegweiser zur Lebensvollendung, in der ihrdann erschauet alle Schpfungen.

    Mit einem Gru aus unserer Welt trete ich wieder zurck.

    (Fnfzig Jahre Bahnbrecher der gttlichen Liebe, Lorber-Verlag)

    *******Der Schpfer bleibt nur den Geschpfen unsichtbar und

    unerforschlich. Denn die Geschpfe sind gerichtet in desSchpfers Macht und knnen nie vor Ihn hintreten, Ihn schauenund vernehmen Seine Stimme.

    Aber ganz anders steht es mit den Kindern, die Ich als Schpferund nunmehr Vater frei gestellt habe durch Wort und Lehre.

    Diese knnen Mich sehen und sprechen, wann sie wollen vorausgesetzt, dass ihre Herzen sich in der Ordnung Meiner Lehrebefinden! (Bischof Martin 184,9)

    Offenbarung eines Sternenbewohners

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    28/68

    26 GL 1/2007

    ber die Heiligung

    Nikolaus von der Fle (1417-1487)

    Beobachte dich in deinem Innern, wenn du dich selbstund die Scheidewand zwischen dir und Gott kennen lernenwillst. Die Snde ist's, die deiner Vereinigung mit Gott imWeg steht. Denn deiner Seele fehlt nur eines - ihr Gott. Sollsie aber Gottes teilhaftig werden, so muss sie von der Sndefrei sein. Und von der Snde gereinigt und vor Snden

    bewahrt werden, kann sie nur durch die Barmherzigkeit Gottes und desVerdienstes Jesu Christi. Denn, wie dir Gott das natrliche Leben auslauter Huld gegeben hat, so schenkt Er dir auch das geistliche Leben aus

    freier Gnade. Um aber dieses Leben zu empfangen, musst du deinenWillen in Seinen Willen hingeben und dir alles wohlgefallen lassen, wasEr ber dich kommen lsst.

    Ohne Leiden und innere Schmerzen kann dieses Leben nicht in dirgeboren werden, um dadurch dieses bernatrliche Leben der Gnade zuerhalten, so musst du von Snde und Untugend, von Eigenliebe,Eigenwillen, Selbstgeflligkeit und allen unordentlichen Begierden desFleisches gelutert werden.

    Deine Gebrechen entstehen nur daraus, dass dich deine unordentlicheBegierde immer aus dir selbst hinaustreibt. Kehre in dein Inwendigeszurck und trage deine Gebrechen gelassen. Lerne mit dir selbst Geduldhaben, so wirst du deine eigenen und fremde Gebrechen tragen knnen.

    Es kann dir niemand schaden als du selbst. -Darum frchte du nurimmer dich selbst und traue dir selbst in keinem Fall. Weise undvorsichtig bist du nur dann, wenn du in dir selbst bleibst und deineKrankheit, dein Unvermgen, deine Gebrechen, Schwachheiten, dein

    Nichts ins Auge fassest. Wenn du nicht betrogen werden willst, so haltedich an diese grndliche Wahrheit, dass du von dir selbst nichts bist - unddass dir nicht anders geholfen werden kann, als wenn Gott selbst in deineSeele einkehrt und dein Leben ordnet.

    Du hast fnf Krfte der Seele, drei hhere, zwei niedere.Die (erleuchtete) Vernunft muss vorangehen und die Krfte in Ordnung

    halten. Wenn die Begierde vorluft, so reit sie die anderen Krfte inUnordnung mit sich fort, denn wo sie die Deichsel hinwendet, da laufendie vier Rder nach. Bleibt die Deichsel in der Mitte stehen, so geht keinRad aus dem Weg.

    Bei deinem natrlichen Lichte kannst du dich selbst nicht erkennen,und so gibt sich dir Gott auch nicht zu erkennen. Denn das natrliche Lichtin dir leuchtet wie der Mond, es nimmt ab und zu. Aber das Licht vonoben, die Gnade, leuchtet wie die Sonne und bertrifft an Glanz, Klarheit

    ber die Heiligung

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    29/68

    GL 1/2007 27

    und Reinheit alle anderen Lichter.Du kannst Gott nicht gefallen durch deine Werke. Denn was du von

    Natur tust, in dem suchst du nur die Natur - dich selbst, und das kann Gottnicht gefallen. Suchst du aber Gott, so findest du Gott, und Er gibt dir eingerechtes Leben; Er erhlt dich in der Gerechtigkeit, die darin besteht, dassdu wahrhaftig bekennst, dass Er Gott ist und du aus dir selbst nichts bist.Was dich von Gott und Gott von dir trennt und Ihn so lange hindert,

    Sein Werk in dir zu wirken, ist dieses, dass du etwas sein und durchdeine Werke Gott gefallen willst. Er will Sein Werk. Und daher all deineAngst und Not.

    Die Neigung zum Guten, weil es gut (angenehm) ist, Ihn zu besitzen, istEigenliebe, Lust zur Lust. So sollst du weder Gott noch Menschen lieben.

    Du musst die Wahrheit um der Wahrheit willen - die Gerechtigkeit selbstlieben.Wende dich zum Vaterherzen Gottes - und vertraue allein auf die teuren

    Verdienste Jesu. Das Kreuz sei dein Schirm. Wirf dich in deinem Gemtezu den Fuen Jesu und suche da deine Reinigung und Rechtfertigung indeinem ganzen Leben. Amen.

    Wo ist dein Schatz?

    Wo dein Schatz sein wird, da wirst auch du sein mit deinem Herzen, indem der Hauptschatz wohnet.

    Bin Ich dir ein kstlicher Schatz geworden in deinem Herzen, wahrlich, so sollst du Meiner ewig nimmer ledig werden; denn da Ichwohne in der Liebe, da bin Ich eigentlichst zu Hause und ziehe ewignimmer aus aus solcher Wohnsttte!

    Lasse Mich daher fortwhrend wohnen in deinem Herzen und Ichwerde fr dich in keiner Verborgenheit wohnen!

    Denn nur die Liebe allein kann Meine Gegenwart ertragen, wie einFeuer das andere!Alles aber, was nicht Feuer ist, das wird vom Feuer zerstrt und

    verzehrt.Darum auch ziehe Ich Mich vor der Welt zurck, auf dass sie Mein

    Feuer nicht ergreife und zerstre!Frage aber ja nie: ,Herr! wo bist Du? Da werde Ich dir nicht sagen:

    ,Hier bin Ich! sondern frage sorgfltig dein Herz, ob es Mich liebt, und

    Ich werde in deinem Herzen, das Mich liebt, zu dir rufen:,Hier bin Ich zu Hause in aller Flle Meiner Liebe, Gnade undErbarmung! (Jugend Jesu 247,15)

    Wo ist dein Schatz?

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    30/68

    28 GL 1/2007

    Grundstze und bung in der Gegenwart Gottes

    Bruder Laurentius (1614-1691)

    Von der Vergegenwrtigung GottesDie Vergegenwrtigung Gottes ist eine Erhebung unseres Gemts zu

    Gott oder ein Gedenken an den gegenwrtigen Gott.Ich kenne jemand, der seit 40 Jahren die Vergegenwrtigung Gottes bt,

    die er verschieden zu benennen pflegt. Bald nennt er sie eine helle,lebendige Erkenntnis Gottes, bald einen liebevollen Aufblick zu Gott, einAndenken an Gott, eine Aufmerksamkeit auf Gott, einen stummenUmgang oder ein Gesprch mit Gott, ein Vertrauen zu Gott, das Leben

    und den Frieden der Seele. Kurz, er sagt, dass alle diese Arten derGegenwart Gottes eins sind und ein und dieselbe Sache bedeuten und dassdiese Vergegenwrtigung ihm jetzt natrlich sei. Und das geschah auffolgende Weise:

    Durch vielfltige wiederholte bung, durch die er seinen Geist so oft indie Gegenwart Gottes zurckgerufen hat, ist bei ihm eine so festeGewohnheit entstanden, dass sein Geist gleich nach jedem uerlichenGeschft, oft auch mitten darin, auch wenn er am meisten darin vertieft ist,

    sich zu Gott erhebt und ber alle Dinge in Ihm, als in seinem Mittelpunktund dem Ort seiner Ruhe, gleichsam hngen und unbeweglich stehenbleibt, ohne dass er selbst etwas dazu tut. In dieser Erhebung fhlt erseinen Geist fast immer, durch die Mithilfe des Glaubens, womit er sichaber begngen lsst. So lebt er nun, als ob niemand auer Gott und ihm inder Welt wre. Er unterredet sich allenthalben mit Gott, bittet von Ihm,was er ntig hat usw.

    Man muss aber wissen, dass dieser Umgang mit Gott im Grund undMittelpunkt der Seele statthabe.Da redet die Seele mit Gott vom Herzen

    zum Herzen, und zwar allezeit in einem groen und tiefen Frieden, densie in Gott geniet. Alles, was auerhalb diesem inwendigen Grundevorgeht, betrachtet sie blo als ein Strohfeuer, das ebensobald erlscht, alses zu brennen anfngt, so dass dadurch ihr innerer Friede fast nie oderselten gestrt werden kann.

    Um aber wieder auf unsere Gegenwart Gottes zu kommen, so sage ich,dass dieses stille, liebevolle Anschauen Gottes in der Seele unvermerkt eingttliches Feuer anzndet, das sie in der Liebe Gottes so brnstig macht

    und entflammt, dass sie Mhe hat, es zu migen.Gott hat an diesen Unterredungen so groe Freude, dass Er der Seele

    alles gibt, was sie nur verlangt und oft ohne ihr Verlangen und Zutun die

    Grundstze und bung in der Gegenwart Gottes

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    31/68

    GL 1/2007 29

    lieblichste, schmackhafteste Speise fr sie in ihrem Innern bereitet, wennsie nur in ihrem Grund stets bei Ihm drin bleibt.

    So ist ja die Gegenwart Gottes das Leben und die Nahrung der Seele, die

    man durch Gottes Gnade wohl erlangen kann.

    Das eine Notwendige des geistlichen Lebens

    1.Die heiligste, die einfachste und notwendigste bung im Leben desGeistes ist die Vergegenwrtigung Gottes; du sollst nmlich deine Freudean Seiner gttlichen Gesellschaft haben und dich an sie gewhnen, indemdu Ihn demtig ansprichst, dich mit liebevoller Neigung des Herzens mitIhm unterredest, und zwar zu jeder Zeit, ja alle Augenblicke, ohne dich an

    eine Regel oder an ein Ma zu binden, besonders aber zur Zeit derAnfechtung, der Widerwrtigkeit, der Drre, der Betrbnis undVerlassenheit, ja wohl auch in unseren Snden und Untreuen.

    2. Wir mssen uns zu jeder Zeit befleiigen, alle unsere Geschfteohne Unterschied in kleine Unterredungen mit Gott zu verwandeln, dochohne Knstelei, in Einfalt des Herzens.

    3. In allem unserem Tun mssen wir mit Gewicht und Ma zu Werkegehen, ohne Ungestm und bereilung, was Zeichen eines zerstreuten

    Geistes sind. Wir mssen unsere Arbeit stille, ruhig und liebreich mit Gottverrichten und Ihn bitten, dass Er sie Ihm gefallen lasse. Durch dieses steteAufblicken zu Gott und Andenken an Ihn zertreten wir der Schlange denKopf und machen, dass dem Teufel die Waffen aus der Hand fallen.

    4. Unter unserer Arbeit, unter dem Lesen und Schreiben und anderenVerrichtungen, ja selbst unter uerlichen Andachtsbungen undmndlichen Gebeten mssen wir, sooft wir knnen, ein Augenblickchenaussetzen, um Gott im Grund unseres Herzens anzubeten und Ihn daselbst,wenn gleich nur im Vorbergehen und verstohlenerweise, zu genieen.Denn da wir wissen, dass Gott bei uns gegenwrtig ist, unter unserenGeschften und dass Er im Grund und Mittelpunkt unserer Seele ist, warumsollen wir nicht bei allen unseren Verrichtungen, auch beim mndlichenGebet, ein wenig stillhalten, um Ihn inwendig in uns anzubeten, zu loben,anzurufen?

    Kann Gott etwas angenehmer sein, als dass wir also tausendmal denTag hindurch alle Geschpfe verlassen, um uns in unser Inwendiges zu

    Ihm einzukehren, um Ihn da anzubeten? Ich will nichts davon sagen,

    dass dadurch die Eigenliebe gettet wird, die immer unter den Geschpfenihr Leben findet, von der uns aber eben diese Einkehr ins Inwendige zuGott nach und nach unvermerkt losmacht.

    Grundstze und bung in der Gegenwart Gottes

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    32/68

    30 GL 1/2007

    Kurz, wir knnen unsere Treue gegen Gott nicht besser beweisen, alswenn wir tausendmal den Geschpfen entsagen und sie gering achten, umeinen Augenblick den Schpfer zu genieen.

    Ich will damit nicht sagen, dass man das uere ganz verlassen soll,sondern nur, dass viele geistliche Personen irren, wenn sie nicht bisweilenwenigstens das uere verlassen, um Gott inwendig in ihnen selberanzubeten und allda Seine gttliche Gegenwart einige Augenblicke imFrieden zu genieen.

    5. Alle diese Anbetungen mssen in und durch den Glauben geschehen,dass Gott wahrhaftig in unseren Herzen gegenwrtig ist, dass er im Geistund in der Wahrheit angebetet und geliebt werden msse; dass Er allessieht, was in uns und in allen Kreaturen geschieht; dass Er von nichtsabhnge, alle Kreaturen aber von Ihm abhngen; dass Er unendlich inSeinen Vollkommenheiten ist; dass wir Ihm wegen Seiner unendlichenErhabenheit und Herrlichkeit alle unsere Gedanken, Worte undWerke von Rechts wegen schuldig sind.

    6. Wir mssen sorgfltig untersuchen, welche Tugenden uns amntigsten und am schwersten zu erlangen sind, in welche Snden wiram ftesten fallen. In der Gelegenheit und im Streit selbst mssen wirmit vlligem Vertrauen zu Gott in Seiner Gegenwart fest stehen

    bleiben, Ihn demtig anbeten, unsere Schwachheit Ihm vorstellen usw.So werden wir in Ihm alle Tugenden finden, ohne dass wir selber eineeinzige haben.

    Mittel, die Gegenwart Gottes zu erlangen

    1. Das erste Mittel, Gottes Gegenwart zu erlangen, ist eine groeReinheit des Lebens, indem man andchtig wacht, dass man nichts tut,nichts redet oder denkt, was Gott missfallen knnte. Ist etwas dergleichengeschehen, so muss man Ihn demtig um Vergebung bitten und sich

    bessern.2. Man muss sich mit aller Treue in der Vergegenwrtigung Gottes

    ben, d. h. stets im Glauben inwendig auf Gott schauen, auf eine sanfte,demtige und liebreiche Weise, ohne einer Strung und Unruhe in sichPlatz zu geben.

    3. Man muss sich sorgfltig hten, kein uerliches Geschftanzufangen, ohne dass das innere Anschauen Gottes in uns vorher-

    gegangen ist, und wenn es auch nur auf einen Augenblick wre, dass diesunsere Geschfte stets begleite, und dass dann auch alle damit endigen.Man muss den Mut nicht verlieren, wenn schon viel Zeit und Mhe dabei

    Grundstze und bung in der Gegenwart Gottes

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    33/68

    GL 1/2007 31

    erfordert wird, diese bung vollkommen zu erlangen. Denn, hat man eseinmal zur festen Gewohnheit gebracht, so ist alles leicht.

    4. Fr Anfnger in dieser bung wird es sehr zutrglich sein, wenn sie

    sich einiger Worte inwendig bedienen, z. B.: Mein Gott, ich bin ganzDein Eigentum! - O Gott der Liebe! - Ich liebe Dich von ganzem Herzen! -Herr, mache mich nach Deinem Herzen! oder andere Worte, die uns dieLiebe ohne anstrengendes Nachdenken eingibt. Doch muss man sichhten, dass der Verstand sich nicht zerstreue und zu den Kreaturenzurckkehre, sondern man muss ihn auf Gott allein festhalten.

    5. Um zu diesem Stand der festen Gegenwart Gottes zu gelangen, wirddie Ttung der Sinne vorausgesetzt und erfordert, denn eine Seele, dienoch mit Lust an den Kreaturen hngt, kann unmglich diese gttlicheGegenwart vollkommen genieen. Wer bei Gott sein will, muss notwendigdie Kreaturen verlassen.

    Frchte der Gegenwart Gottes

    Die Vergegenwrtigung Gottes ist zwar anfangs mhsam, wenn man sieaber mit ausharrender Treue bt, so bringt sie wunderbare Wirkungen imVerborgenen der Seele hervor.Sie wird eine reichliche Quelle der GnadeGottes fr die Seele und fhrt sie zur Anschauung Gottes.

    1. Der Glaube wird lebendiger und krftiger in allen Lagen unseresLebens, besonders in Nten, weil wir durch diese bung den Beistand derGnade in allen Versuchungen und in dem unvermeidlichen Umgang mitden Kreaturen sehr leicht erlangen. Denn da diese Seele dadurch an diebung des Glaubens gewhnt wird, so sieht und fhlt sie durch ein bloesAndenken ihren Gott gegenwrtig und kann Ihn deswegen leicht undkrftiglich anrufen und von Ihm erhalten, was sie ntig hat.

    Man kann sagen, dass sie dadurch in einen Zustand gesetzt wird, der

    mit dem Zustand der Seligen im Himmel etwas hnliches hat. Und jeweiter sie fortschreitet, desto lebendiger wird ihr Glaube. Er wird endlichso durchdringend, dass sie sagen kann:Ich glaube nicht mehr, sondernich sehe und erfahre.

    2. Diese bung der Gegenwart Gottes strkt unsere Hoffnung, dieimmer nach dem Ma unserer Erkenntnis wchst. Wie nun aber derGlaube durch diese bung in die verborgenen Geheimnisse der Gottheitimmer mehr eindringt, so entdeckt er auch eine immer grere Schnheit

    in Gott, die nicht nur alle irdische Schnheit, sondern auch die dervollkommensten Geister im Himmel bertrifft. Dadurch aber wchst undstrkt sich unsere Hoffnung, denn die Herrlichkeit des groen Gutes, das

    Grundstze und bung in der Gegenwart Gottes

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    34/68

    32 GL 1/2007

    sie schon einigermaen geniet, unterhlt und sttigt sie.3. Sie bewirkt in dem Willen eine Verachtung der Kreaturen und zndet

    ein Feuer der heiligen Liebe in ihm an. Denn Gott, der ein verzehrend

    Feuer ist, vernichtet in der Seele, die sich immer bei Ihm aufhlt, alles, wasIhm nicht gefllt.Die von Liebe brennende Seele kann nicht anders mehrleben als in der Gegenwart ihres Gottes, wodurch in ihrem Herzen eineheilige, brennende Begierde, ein heiliger Trieb und ein gewaltigesVerlangen erweckt wird, diesen ihren Gott von allen Kreaturen geliebt,erkannt und angebetet zu wissen.

    4. Durch diese stete Vergegenwrtigung und dieses innerlicheAnschauen Gottes wird die Seele so vertraut mit Gott, dass ihr ganzesLeben beinahe nichts anderes ist als eine lautere bung der Liebe, derAnbetung, der Reue, des Vertrauens, der Danksagung, der Ergebung, derAnrufung und aller christlichen Tugenden.

    Ich wei zwar wohl, dass wenige Seelen zu diesem Grade desunvernderlichen Anschauens Gottes gelangen und dass dies eine

    besondere Gabe der mildreichen Hand Gottes ist, nur fr einigeauserwhlte Seelen; aber doch gibt Er sie gewhnlich solchen, die sichihrer empfnglich machen, und jeder kann doch durch Gottes Gnade undtreue bung einen Stand des Gebets erreichen, der diesem unvernder-

    lichen Anschauen sehr nahe kommt.(Quelle: Gerhard Tersteegen - Leben heiliger Seelen)

    Vom wortlosen BetenMadame Guyon

    Mein Gebet war immer das Gleiche; nicht ein Gebet, das in mir wre,sondern in Gott, sehr einfach, sehr rein und sehr klar. Es ist kein Gebet

    mehr, sondern ein Zustand, von dem ich wegen seiner groen Reinheitnichts sagen kann. Ich glaube nicht, dass es auf der Welt etwas Einfacheresund Einigeres geben kann. Es ist ein Zustand, von dem man nichts sagenkann, weil er allen Ausdruck bertrifft: ein Zustand, in dem die Kreatur soganz verloren und versunken ist, dass sie, mag sie auch auen frei sein,innen nichts mehr besitzt. So ist denn auch ihr Glck unwandelbar.

    Alles ist Gott, und die Seele wird nur noch Gottes gewahr. Sie hatkeine Vollkommenheit mehr zu verlangen, hat kein Streben mehr, keinenZwischenraum, keine Vereinigung, alles ist in der Einheit vollzogen, aberin einer so freien, so leichten, so natrlichen Weise, dass die Seele in Gottund von Gott lebt, so unbefangen, wie der Krper von der Luft lebt, die ereinatmet.

    Vom wortlosen Beten

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    35/68

    GL 1/2007 33

    Der Herr ist alles in allem

    (Der Herr:) Kindlein, sehet Mich an in euren Herzen, und ihr werdet

    mit erleuchteter Seele erschauen, dass Ich, euer Vater von Ewigkeit, es bin,der Ich nun zu euch sage, dass ihr Meine Kindlein seid!Ihr habet euch alle nun bis auf einen vor Mir in der Liebe eingefunden

    und habet erkannt Mich, euren ewigen Gott und Vater, auch in dieserarmen Gestalt.

    Doch aber sage Ich euch, dass Ich nur also arm erscheine dem Armen,und dem Reichen aber unendlich reich.

    Arm aber waret ihr in euren Herzen, da in selben wenig Liebe wohnteund Ich euch dann nicht anders erscheinen konnte also nur, wie ihr

    Mich hattet in eurem Herzen, nmlich arm und beraus drftig.Denn arm war eure Erkenntnis und arm eure Liebe; darum konnte Ich

    euch nun auch in der Wahrheit nur also erscheinen, wie ihr selbst in euchgegen Mich bestellt waret in euren Herzen.

    Wret ihr aber reich gewesen, wahrlich, ihr httet Mich auch reicherschaut! Denn Ich bin arm den Armen, reich den Reichen, barmherzig denBarmherzigen, sanft den Sanften, mild den Milden, gerecht den Gerechten,gndig den Lichtdurstigen, ein liebevollster Vater den Mich Liebenden,

    mchtig den Mchtigen, stark den Starken, ein Richter den Richtern, dasLeben den Lebendigen, tot den Toten, ein Feuer dem Feuer, ein Sturm demSturme, ein Zorn dem Zorne, ein Gericht dem Gerichte, der Himmel denHimmeln, ein Schpfer den Geschpfen, ein Vater den Kindern, ein Gottdem Weisen, und den rechten Brdern bin Ich sogar Selbst ein rechterBruder!

    Also bin Ich alles in allem! Wie eines Menschen Herz beschaffen ist,also bin auch Ich beschaffen fr ihn; und Ich will ewig nicht anders fr

    den Menschen Mich gestalten, als wie er Mich selbst gestaltet hat insich!Denn es hat niemand eine Kraft, noch eine Macht des Lebens in sich als

    die nur, die Ich ihm verliehen habe; aber auf dass der Mensch selbstndigsei, gab Ich ihm aus Mir auch einen vllig freien Willen und machte alledie ihm verliehenen Lebenskrfte untertan diesem freien Willen, der davon Meinem gttlichen Grundwillen ganz gleich einem zweiten Gotte anund fr sich vllig getrennt ist. Wie aber der Wille frei ist, also ist es auchseine Liebe und dann all seine Erkenntnis.

    Warum aber habe Ich denn den Menschen also eingerichtet? - Weil Ichihn Mir zu einem vollkommenen Ebenmae setzte und er sich dann Mirgegenber vollstndig selbst bilden sollte, das heit: der Mensch soll Mich

    Der Herr ist alles in allem

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    36/68

    34 GL 1/2007

    in sich bilden dann nach seinem Mae, wie Ich ihn zuvor gebildet habenach Meinem Mae.

    Also bildet Mich auch der Mensch in sich nach seinem Mae, verzerrt

    aber Mein ihm zuvor gegebenes Grundma oft so sehr, dass diese neueBildung im Menschen nicht die allerleiseste hnlichkeit mit MeinemGrundmae mehr hat!

    So bildet der eine Mich, als allzeit die ewige Liebe, zu einem Richter,ein anderer zu einem Rachegott, ein dritter zu einer Buhldirne, ein vierterzu einem alleinig Weisen, ein fnfter zu einer unerbittlichen ewigenAllmacht, ein sechster zu einem Fatum, ein siebenter zu einemWeltenlenker, ein achter zu einem unmig erhabenst groen Knige undHerrn Himmels und der Erde, ein neunter zu einem Zornfeuer, ein zehnterzu einer ewig unendlichen Kraft, ein elfter versenkt Mich gar in dieMaterie - und ein zwlfter gar in seinen Bauch!

    Und so bildet Mich der eine bald in dies und der andere bald in jenes;aber nur wenige geben sich die Mhe und bilden in ihren Herzen Mich alsden heiligen und ewig und allzeit liebevollsten Vater aus.

    Nun hret, Meine Kindlein! Da der Mensch aber nicht ewig auf derErde leben kann und darf, sondern diese Scheinunterlage wieder verlassenmuss, so wird sich dann in und an seinem Geiste alsbald zeigen, wie er

    Mich in sich bei diesen seinen Erdenlebenszeiten ausgebildet hat.Zum Vater werden dann nur jene kommen, die Ihn wohlausgebildet

    in ihren Herzen mitbringen werden, und diese auch werden nurimstande sein, das wahre Urangesicht des ewigen Vaters zu erschauen.

    Wie aber ein jeder andere Mich in sich verbildet hat nach seinemBehagen, also auch soll er Mich haben frder, und es soll die Liebe dieLiebe, die Erbarmung die Erbarmung, die Weisheit die Weisheit, der Zornden Zorn, der Richter den Richter, das Gericht das Gericht, der Tod den

    Tod, das Feuer das Feuer, die Hlle die Hlle und so weiter getreu finden!Ihr aber waret alle arm, und so kam Ich denn auch arm zu euch, weilIch arm in euch bin; werdet aber reich in der Liebe zu Mir und allen eurenBrdern und Schwestern, so werde Ich reich sein in euch!

    Und so ihr zu Mir kommen werdet, da werdet ihr auch treffen einenberreichen Vater; und so Ich zu euch kommen werde, da werde Ich nichtals ein Armer zu euch kommen, sondern auch als ein berreicher Vater!

    (HGt.02_259,03-19)

    Und es sind mancherlei Krfte; aber es ist ein Gott,der da wirket alles in allem.

    (1. Kor. 12,6)

    Der Herr ist alles in allem

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    37/68

    GL 1/2007 35

    Der 300jhrige Maharishi vom Kailasals Prophet biblischer Wahrheiten

    Prof. Friedrich Heiler

    Nach authentischen Dokumentenund glaubwrdigen Augenzeugenberichten

    von Sadhu Sundar Singh (1889-1928)

    Vorbemerkung

    Anlsslich meiner Schweizer Reise im Sommer 1954wurden mir Aufzeichnungen berreicht, die vor Jahrenwhrend der Unterhaltungen in privaten Kreisen mit SadhuSundar Singh stenographisch festgehalten worden waren.Der Sadhu wollte damals seine Erzhlungen nichtverffentlicht wissen. Jetzt, so viele Jahre nach seinemsicheren Tode und dem Heimgang der meisten der damalsanwesenden Personen, bergibt mir ein noch lebenderAugenzeuge Material ber den Maharishi vom Kailas aus den damaligenUnterhaltungen, das im zweiten Teil Verwendung findet.

    Wichtig fr den objektiven Beobachter und Leser ist, dass sich dieeindrucksvollen Gesichte des Maharishi decken mit den Erlebnissen vonSundar Singh, Emanuel Swedenborg, Jung-Stilling, Joseph Hahn, vorallem aber mit der Bibel. Es liegt also kein Grund vor, an der Echtheit zuzweifeln.

    Vergleicht man hierzu noch die theologischen Ausfhrungen einesPastors D. theol. Le Seur in seinem wertvollen Buch Nach dem Sterben,so gibt die Gesamtdarstellung ein gigantisches Panorama von der

    jenseitigen Welt und ihrer Zustnde, das einzigartig ist.Es ist aber sowohl nach seiner visionren Erscheinung, als auch nach

    der des logischen Verstandes eine absolute Selbstverstndlichkeit, dass diedarin zum Ausdruck kommende Harmonie zwischen gttlicherOffenbarung und menschlicher Erkenntnis in Verbindung mit

    persnlichem Erleben bei jedem gereiften Christen die Grundlage bedeutetfr die lebendige Hoffnung auf die unser wartende zuknftige Welt.

    rtlichkeit

    Der Himalaja ist das hchste Gebirge der Erde. Es trennt denwestlichen Teil der hinterindischen Halbinsel vom nrdlich gelegenentibetanischen Hochland und erreicht eine Hhe von 8882 Metern.

    Der 300jhrige Maharishi vom Kailas

    Prof. Friedrich Heiler(18921967)

    DeutscherReligionswissenschaftler

    aus Mnchen

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    38/68

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-1

    39/68

    GL 1/2007 37

    Wir knnen in dieser Beziehung viel lernen aus dem Leben derTierwelt, z. B., dass langsames Atmen das Leben verlngert. Ein Elefantatmet viel langsamer als ein Affe, lebt auch viel lnger. Einige groe

    Schlangen atmen bedeutend langsamer als etwa ein Hund. Ihr Leben istlnger als das eines Hundes.Nun gibt es aber auch Lebewesen, sogar unter Sugetieren, die

    zeitweilig das Atmen fast vllig einstellen, wie z. B. Fledermuse, Igel undgewisse Bren im Himalaja, die ihren Winterschlaf halten und wochenlangkaum einen Atemzug tun bis zu ihrem Erwachen. Ihr Leben bleibterhalten. Der Tod ist demnach nur eine besondere Erscheinungsform undGewohnheit des Leibes. Daraus ergibt sich, dass durch allmhlichesAnhalten des Atems auch das Leben im Krper zurckgehalten werdenkann.

    Uns Europer mutet dies vllig fremd an und scheint uns unmglich zusein, aber auf Grund diesbezglicher Kenntnisse und Erfahrungen sindEingeweihte dazu imstande und belehren uns darber, dass ein Menschfhig werden kann, sein

    Leben durch Selbsterziehung zu verlngern.

    In den NeilgherryBergen Indiens leben solche Weisen. Nie verlassensie ihren Wohnort. Ein solcher lebt in einer Hhle des oberen Himalaja invlliger Einsamkeit. Diese Menschen verachten die Welt, leben alsAsketen und sind imstande, ihr Leben um Jahrzehnte, wenn nichtJahrhunderte zu verlngern.

    Auffallend ist, dass diese tibetanischen Einsiedler von jeher mitVorliebe in Hhlen hausen, wie einst Zarathustra, 600 Jahre vor Chr.(Religionsstifter der Perser und Inder), Mohammed (Begrnder des Islam)u. a. Hhlen bieten eine sichere Zufluchtssttte vor Temperaturwechsel

    und Unbilden der Witterung. Das matte Licht und die tiefe Stillebegnstigen die Meditation. Dazu bewirkt die abgeschlossene Luftderartige Appetitlosigkeit, dass dem Krper kaum noch Bedrfnisseentstehen.

    Ein solcher indischer Weiser ist der Maharishi vom Kailas, der schonber 300 Jahre alt sein soll aber durchaus keine Phantasiefigur darstellt.

    Die Festste