GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch...

52
GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes

Transcript of GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch...

Page 1: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter – Wohlstand durch teilenSilke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes

Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8, 10117 Berlin www.boell.deISBN 978-3-86928-020-2

Sie sind die großen Unbekannten. Und doch leben wir alle von ihnen. Durch sie vor allem existiert unser Gemeinwesen. Die Rede ist von den Gemeingütern. Von Luft und Wasser, von Wissen, Soft-ware und sozialen Räumen. Und von vielen anderen Dingen, die unser tägliches Leben und Wirtschaften ermöglichen. Doch viele dieser Gemeingüter sind bedroht – sie werden dem Gemeinwesen entzogen, kommerzialisiert, unwiederbringlich zerstört. Stattdes-sen müssten sie kultiviert und erweitert werden.

Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Bedeutung dieser « uns gemeinen Sachen ». Denn ohne sie gibt es keinen Wohlstand und kein Wohlergehen. Gemeingüter brauchen Menschen, die sich für sie stark machen, die sich für sie verantwortlich fühlen. Zahl-reiche Probleme der Gegenwart erwiesen sich als lösbar, wenn wir all unsere verfügbare Energie und Kreativität auf das richten, was unseren Reichtum begründet, was funktioniert und den Menschen hilft, ihre Potenziale zu entfalten. Dieser Report will diese Dinge wie die « Gemeine Peer-Produktion » ins öffentliche Licht rücken.

Page 2: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

Wasser Internet Photosynthese Moore Wald

Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-

trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-

trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt

Licht Meereswellen Bodenschätze Kultur

Meeresboden Energieträger UV-Strahlung

Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-

ken Lesen Schreiben Algorithmen Sprache

Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-

nen MarktPlätze Parks Wikipedia Landschaf-

ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten

Wasser Internet Photosynthese Moore Wald

Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-

trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-

trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt

Licht- und Meereswellen Bodenschätze Kul-

tur Meeresboden Energieträger UV-Strahlung

Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-

ken (Lesen Schreiben Algorithmen Sprache

Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-

nen (Markt-)Plätze Parks Wikipedia Landschaf-

ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten

Page 3: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

1

Inhalt

vorwort 3

Über dIesen report und seInen GeGenstand 4

Zum auftakt 5

GemeInGÜter, Commons, allmende — was Ist das? 6

bausteIne eIner GemeInGÜter arChItektur 11

wIe wIrken GemeInGÜter? 13

exkurs: dIe traGödIe der « traGIk der allmende » 16

exkurs: ICh und dIe anderen 21

wem Gehören GemeInGÜter? 22

GemeInGÜter stärken: Ideen, InItIatIven, InstItutIonen 30

GrundZÜGe eIner GemeInen peer-produktIon 41

Zum sChluss: eIne vIsIon 44

lInks 46

autoren 48

Page 4: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter–Wohlstanddurchteilen

einreportvonsilkehelfrich,rainerKuhlen,Wolfgangsachsundchristiansiefkes

herausgegebenvonderheinrich-Böll-stiftung

BY sa

Gestaltung: blotto,Berlindruck: agit-druck,Berlin

allehauptüberschriftenimheft:«letstrace»vonJamesKilfigerhttp://openfontlibrary.org

isBn978–3–86928–020–2

Bestelladresse:heinrich-Böll-stiftungschumannstraße8,10117Berlin

t +493028534-0F +493028534-109e [email protected]

www.boell.de

Page 5: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

vorWort 3

vorwort

«eineGesellschaftohneGemeingüteristwieeinhimmelohnesonne.»

derBlickrichtetsichindieZukunft.dochdieWiederentdeckungderGemeingüter beschäftigt vielewissenschaftlichedisziplinenschonseitetwa30Jahren.auchdiesozialenBewegungenhabensieentdeckt:derenProtagonistensuchennachalternativenzuunserem zerstörerischen Wirtschaftsmodell und bringen denschutzderGemeingüterwiederindiegesellschaftlichediskussionunddiepolitischeauseinandersetzungein.sodringendasthemaunddasnachdenkenüberdenWertderGemeingüterzunehmendauchinspolitischeFeuilletonundindieöffentlicheWahrnehmungvor.auchdervorliegendereportwilldazueinenBeitragleisten.er erklärt den Facettenreichtum des Begriffs und beschreibt,inwelch vielfältigerWeisedieGemeingüter zu einemleben inFreiheitbeitragenkönnen.eineneubewertungderGemeingüterermöglichtes,dasdominierendeWirtschaftsmodellvomKopfaufdieFüßezustellen.ZahlreicheProblemederGegenwarterweisensichnämlichalslösbar,wennwirdieverfügbarenenergienaufalldasrichten,wasfunktioniertunddenmenschenhilft,ihrePoten-zialezuentfalten.derreportwilldiesedingemitvielenBeispie-leninslichtrücken.ereröffneteineneuePerspektiveaufFra-gen,diejedeGenerationaufsneuebeantwortenmuss.undnichtseltenbedarfeslediglicheinesPerspektivwechselsalsschlüsselzuinnovativenideenundlösungen.dieheinrich-Böll-stiftungbeschäftigtsichseiteinigenJahren

mit demthemaGemeingüter.so geht dieserreport letztlichauchaufimpulseeinigerunsererauslandsbüroszurück,vorallemaberaufdie fruchtbareKooperation,die im interdisziplinärenpolitischensalon«Zeitfürallmende»denkerinnenunddenkerausverschiedenendisziplinenfüreinigeZeitzusammenführte.meindankgilt allenautorendiesesWerks, vor allemaber

silkehelfrichfürihrbesonderesengagement.ichwünscheeineinspirierendelektüre.

Berlin,imdezember2009

Barbaraunmüßigvorstandderheinrich-Böll-stiftung

Page 6: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

üBerdiesenrePortundseinenGeGenstand4

Über dIesen report und seInen GeGenstand

Wassichinaltertraditionres communes nannte–dieunsgemeinensachen–,wurdezugunstendervommarktorganisiertenres privataeunddervomstaatbereitgestell-tenres publicaewennnichtvergessen,sodochverdrängt.als«niemandssachen»,res nullius,wurdensiebehandelt.luftundWassersindprominenteBeispielefürGemein-güter,dietrotzihrerBedeutungvielfachdasschicksalder«niemandssachen»teilen,jenerdingealso,umdiesichniemandkümmert.dassdieskatastrophaleFolgenfürunsallehat,trittheuteüberallzutage.dabeisinddieres communes,imenglischen:«commons»,oderGemeingüter,wie

wirsieimdeutschenvorläufignennenwollen,keineswegs«herrenlos».siekönnenunddürfennichtfürbeliebigeZweckegenutztodergarzerstörtwerden.Fürsiekönnenrechtereklamiertwerden,vonunsallen.Gemeingütersinddiedinge,dieunsnähren,dieunserlauben,miteinanderzukommunizierenundunsfortzubewegen,dieunsins-pirierenundanortebindenunddiewir–nichtzuletzt–alsmüllschluckerfürunsereabgaseundabwässerbenötigen.derklassischeeigentumsbegriff,derinersterliniealsdasrechtdeseinzelnen

verstandenwird,bekommtdurchdieBesinnungaufeingemeinschaftlichesrechtandenGemeingüterneineneuedimension.

WelcheKonsequenzenhates,wennGrundundBodenalsGemeingüterbegriffen ◆

werden?Wieverändertsichderöffentlicheraum,wennernichtmehrdurchWerbung, ◆

lärm,autosoderParkhäuserbeliebigprivatisiertwerdendarf?Wiewärees,wenndiefreienutzungvonWissenundKulturgüterndieregelund ◆

derenkommerziellenutzungdieausnahmewäre?WelcheregelnundinstitutionensindfürdensinnvollenumgangmitGemeingü- ◆

terngut?

dieseFragensindwedertheoretischnochinihrenpraktisch-politischen,sozialenundökonomischenKonsequenzenausdiskutiert.WirversuchenindiesemreportdasPotenzialderGemeingüterauszuloten,wenn

sie angemessen undnachhaltig genutztwerden.Wir ergründen,was ihreexistenzbedroht.Wirschauen,welcheregelnsichinwelchensituationenbewährthabenundwelcheneuzuentwickelnsind.aufdenfolgendenseitenteilenwirmitihnenunsereüberlegungenundGeschichten.Gemeingütersindnichtallegleich,sowenigwiedieinstitutionellenGewänder,die

wirbrauchen,umdievorhandenenressourceningesicherteGemeingüterzuverwan-deln.dieverleihungdesnobelpreisesfürWirtschaft2009andiecommons-theoreti-kerinelinorostromhatderdiskussiondieserFragenweltweitBeachtungverschafft.anregendsindauchdietheoretischenansätzedesÖkonomenYochaiBenklerundseinvorschlag einer «commons-based peer production», also einer «Gemeingüterwirt-schaftdurchGleichgestellte»bzw.einer«GemeinenPeer-Produktion».Gemeingütermüssengestärktwerden,jenseitsundinergänzungvonmarktund

staat.dabei ist jeder aufgefordert, seineverantwortung alsmitbesitzer der «unsgemeinen sachen» wahrzunehmen und somit Freiheit undGemeinschaftlichkeit zugewinnen.Gemeingüterbrauchenmenschen,nichtalleinmärkteundstaatlicheFür-sorgeoderregulierung.derreichtum,derdurchdieGemeingütergegebenist,mussinallenräumen,indenenwirleben,neuundfairverteiltwerden.dieautorinunddieautorensindvielenmenschendankbarfürdiesolidarisch-kri-

tischeunterstützungunddiekreativeBegleitung–insbesonderechristianeGrefe,Jillscherneck,oliverWilling,JacquesPaysanundtonischilling.

silkehelfrich,rainerKuhlen,Wolfgangsachs,christiansiefkes

«etquidemnaturaliiurecommuniasuntomniumhaec:aeretaquaprofluensetmareetperhoclitoramaris.»

«unddurchnaturgegebenesrechtsindinWahrheitdiefolgendenGüterallengemein:dieluft,dasfließendeWasserunddasmeerund–ausdemselbenGrund–dieKüstendesmeeres.»Justinian(535n.c.)

Page 7: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

ZumauFtaKt 5

Zum auftakt

GemeingütersinddasgutgehüteteGeheimnisunseresWohlergehens.Jederbegegnetihnenalletage,trifftsieanvielenortenundnutztsieständiginWirtschaft,Fami-lie,PolitikundFreizeit.siegehören zuden für selbstverständlichgehaltenenvor-aussetzungendessozialenundwirtschaftlichenlebensundbleibendochweitgehendunsichtbar.stattdessenistdieaufmerksamkeitderÖffentlichkeitaufihrejüngerenGeschwister gerichtet: auf die privatenGüter,wie sie von denFertigungshallen zudeneinkaufszentrenunddenKonsumentenströmen,undaufdieöffentlichenGüter,wiesieBürgermeisterundministerpräsidentenlandauf,landabplanenundeinweihen.dasWirtschaftsdenkenistvorallemaufdasaufundniederderanhäufungprivaterGüterfixiert.danebenbleibtnuraufmerksamkeitfürdieebbeundFlutindenstaats-kassen,ausdenenöffentlicheGüterbezahltwerden.GemeingüteraberfristeninderdebatteüberdasWohlergehenunsererGesellschafteinschattendasein–unddochsindsieunabdingbar.

Die Unternehmen brauchen Gemeingüter, um produzieren zu können. Wir alle brauchen sie zum (Über-)Leben.

imoktober2009erhieltmitelinorostromdieweltweitrenommiertestecommons-ForscherindenWirtschaftsnobelpreis.es istdieehrungeineslebenswerks.«lin»ostromhatgemeinsammitmehrerenGenerationenvonstudierendenundForschen-densystematischdieWeltdurchkämmt.siehatuntersucht,wieesmenschengelingt,mitgemeinsamgenutztendingensoumzugehen,dassalleihreBedürfnissebefriedi-genkönnen.auchdieGenerationenvonmorgen.WiekaumeinandererweißostromumdieKreativitätunddieKommunikationsfähigkeitdermenschenbeiderlösungvonProblemen,dieihrlebenunmittelbarbetreffen.Wennmansielässt!mit demnobelpreisostroms rücken dieGemeingüter für einenmoment in den

mittelpunktderaufmerksamkeit.dasisteinehervorragendenachricht.aberauchinfolgederKrisen,diedieWelterschüttern,kehrtdasnachdenkenüberGemeingüterindieÖffentlichkeitzurück.docheskannnichtbeimnachdenkenbleiben.

Das Prinzip der Gemeingüterökonomie: Alle haben den gleichen Einfluss, können sich gleichberechtigt einbringen. Das Prinzip der Kapitalgesellschaften: Das Geld entscheidet. Mehr Geld = mehr Einfluss.

EINFLUSS

EINFLUSS

EINFLUSS

GEMEINGÜTER-ÖKONOMIE

EINFLUSS

EINFLUSS

EINFLUSS¤¤¤

¤¤ ¤¤ ¤¤

¤ ¤ ¤ ¤ ¤ ¤

KAPITAL-GESELLSCHAFT

elinorostromlehrtPolitik-wissenschaftanderindianauniversityinBloomington.imJahr2009bekamsiealsersteFraudenWirtschaftsnobel-preiszugesprochen.ostrombeschäftigtsichinihrerForschungmitWasserversor-gung,Fischerei,holzeinschlag,dernutzungvonWeidelandoderJagdrevieren.dabeiistsieeineGrenzgängerin:ostromarbeitetanderschnittstellezwischensozial-undWirt-schaftswissenschaft–undbereichertsobeidedisziplinen.ihrschlüsselwerkistdasBuchDie Verfassung der Allmende.Foto:oliviermorin,aFP/GettYimaGes

Page 8: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas?6

Das Gleichnis Der lieGestühle

einschiffgehtaufKreuzfahrtvonhafenzuhafen.aufdemoberdeckgibteslie-gestühle,allerdingsdreimalweniger,alsesPassagiereanBordgibt.indeners-tentagenaufFahrtwechselndieliegestühlefortwährendihreBesitzer.sobaldjemandaufsteht,giltderliegestuhlalsfrei;handtücheroderandereBelegsym-bolewerdennichtanerkannt.daswareinezweckmäßigeordnung,dasbegrenzteGebrauchsgut«liegestuhl»wurdenichtknapp.dochnachderausfahrtauseinemhafen,indemeinemengeneuerPassagiereanBordgekommenist,brichtdie-seordnungzusammen.dieneuankömmlinge,untereinanderbekannt,verhaltensichanders.siebringendieliegestühleansichunderhebenfortandauerhaftenBesitzanspruch.diemehrheitderanderenPassagierehatnunmehrdasnachse-hen.Knappheitregiert,streitistandertagesordnung.unddiemeistenGästeanBordsindschlechterdranalszuvor.

nachheinrichPopitz,Phänomene der Macht,tübingen1986

«carnivalcruise»Foto:FlicKr-nutZerJoshBousel

dieGeschichteisteinGleichnisvomverlustanGemeingüterndurchmachtmissbrauch.dieliegestühlestehenzunächstzurverfügung.dochihrangebotistbegrenztunddienachfragegroß;deshalborientiertsichdieGemeinschaftderPassagierezunächstanderregeleinerfreien,aberkurzfristigennutzung.sobaldfreilicheineGruppesichanmaßt, dieliegestühleals exklusivenBesitz inBeschlag zunehmen, funktioniertdiesesstückgeteiltenWohlstandsnichtmehr,undZwistbrichtaus.esherrschteineeinseitigeBereicherungvor,undschließlichhaltensichauchdieausgeschlossenenankeineregelmehr.dabeispielteskeinerolle,obdieBeschlagnahmederliegestühledurchdiemacht derellenbogen, durchdeneinsatz vonGeld seitensderreedereioderdurcheineanordnungdesKapitänserfolgt–fürdiemeistenPassagieregehtdieFahrtnununtereinbußeihrerreisequalitätweiter.dasGleichnislässtsichaufvielesbeziehen:Bildung,Wasser,land,dieatmosphä-

re.sowiediereisequalitätfürallemitdereinseitigenverfügungüberdieliegestühleverloren geht, leidet unserelebensqualität,wennnicht faire undnachhaltigenut-zungsrechteanjenendingenausgehandeltwerden,dieniemandemalleinzustehen.sokomplexundkonfliktreichsolcheaushandlungsprozesseauchsind,siekönnennurimmiteinanderstattimGegeneinanderzutragfähigenlösungenführen.

GemeInGÜter , Commons, allmende — was Ist das?

Page 9: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas? 7

GemeinGüter, commons, allmenDe – was ist Das?

NATUR SOZIALES KULTUR DIGITALERRAUM

Dinge, die gemeinsam genutzt werden, sind das innere Gerüst einer gelingenden Gesellschaft.

inderNatursindallemenschenaufWasser,Wälder,Boden,Fischgründe,artenviel-falt,landschaft,luft,atmosphäremitsamtdendamitverbundenenlebensprozes-senangewiesen.Jedermenschhateinenanspruchaufteilhabeandennaturgütern,unabhängigvomPrivateigentumanihnen.

imSozialen sindPlätze,ParksundöffentlicheGärten,Feierabend,sonntagundFeri-en,aberauchmitfahrgelegenheiten,digitalenetzeodersport-undFreizeittreffseinevoraussetzungdafür,dasssozialbeziehungenflorierenkönnen.WiralleprofitierenvonräumenundZeiten,dieungerichteteundunprogrammierteBegegnungenermög-lichen.sozialeGemeingüterkönnenvielfachvondenbetroffenenGemeinschaftenundBürgerinitiativenselbergepflegtwerden.sie reichenaberauch indenöffentlichenBereichhinein,indemdieöffentlichedaseinsvorsorgeeinewichtigerollespielt.sol-lenkomplexeleistungenwieGesundheitsversorgung,mitbestimmungundeinstabilesFinanzsystemfürallegesichertwerden,sindinnovativeherangehensweisenjenseitsvonmarktundstaaterforderlich.

inderKulturliegtesaufderhand,dasssprache,erinnerung,GebräucheundWissenfürjeglichematerielleundnicht-materiellehervorbringungunabdingbarsind.sowiewirnatürlicheGemeingüterfürdasüberlebenbrauchen,sindkulturelleGemeingüternot-wendigfürunserkreativestun.letztlichstützenwirunsinGeistundGeschickaufdievorleistungenzurückliegenderGenerationen.ingleicherWeisemüssendieleistungenderGegenwartankommendeGenerationenfreizugänglichweitergegebenwerden.

imdigitalen RaumfunktionierenProduktionundaustauschumsobesser,jewenigerderZugangzudenobjektenunddatenbeständenbehindertwird.FürdienavigationindervirtuellenWeltundfüreinekreativekulturelleentwicklungistesunabdingbar,dasssoftware-codessowiederreichtumderhochgeladenentexte,töne,BilderundFilmenichthintereigentumsansprüchenverschlossenwerden.

Plaza statt shoPPinG mall

aufderzentralenPlazahidalgoincoyoacán,mexicocity,wimmeltdasleben.diecafés sind voll, touristen undeinheimische lassen sich von Farben,Gerüchen undKlängenverführen.Wermag,kannverweilenundimschattenderBäumeaufeinerParkbankdemtreibenzuschauen.mankommtgernundimmerwieder.solcheplazasgehörenzumreizvielerlateinamerikanischerstädte.dennamen

teilensiemitanderenplazas,vernachlässigtenöffentlichenortenoderüberdimensi-onierteneinkaufspassagen.inderhauptstadtelsalvadorsbeispielsweisegeltendiezahllosenshoppingmallsals«einzigsichereFlaniermeile».elternsindberuhigt,ihrefast erwachsenenKinderdortundnicht imheruntergekommenenstadtzentrumzuwissen.dochhier,inden«malls»,patrouilliertderprivateWachdienst,nichtdiePoli-zei.hierherrschthausrechtstattBürgerrecht.

Page 10: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas?8

auchimZentrumsansalvadorsgibtesPlätzezumverweilen.diestadtverwal-tunghateinProgrammaufgelegt,umsiemitParkbänkenundtelefonhäuschenzuverschönern,dochmitdemFeierabendderinformellenhändlerverschwindetimweni-genminutenauchdasöffentlicheleben.andenlauenabenden,dieinsansalvadorzeitighereinbrechen,sinddiesePlätzeunbelebt.mankommtseltenundnochseltenerwieder.in einer repräsentativenumfrage des sozialwissenschaftlichen Forschungsinsti-

tutsFlacsovon2006antworten90ProzentderBefragtenaufdieFrage,obdasstadtzentrumvonsansalvadorfürsieeinenhistorisch-kulturellenWerthätte,mit«Ja».rund80Prozentmeintengar:«Ja,dasistunserPlatz.ergehörtdeneinwoh-nernvonsansalvador».aufdieFrageaber,obsiedasZentrumauchbesuchten,umsichdortzutreffen,antwortenrund60Prozent:«selten,undwenn,dannnur,wennichdortvorbeikomme.»Gut70ProzentwürdenalteGebäudeabreißenundsiedurchParkhäuser ersetzen. die verloren gegangeneBindung zum eigenen ort siehtmandemstadtzentrumsansalvadorsan.siewirdzerriebenzwischenvernachlässigung,investoreninteressenodersachzwängenderKommunalverwaltungen.

aberauchindermitteBerlinswerdenParksaufgelöstundstraßenzügeumgelegt,um«PlätzedesKonsums»zuerweitern.WerhatdieBürgergefragt,denendiestraßenundPlätzegehören?

Städtische Gemeingüter sind Orte voller Leben, an denen gewachsene Muster sichtbar werden, wie die berühmten Berliner Kieze, die Menschen selbst gestalten können und für die sie einzutreten bereit sind. Die Neuentdeckung des Gemeinguts öffentlicher Raum, kann die Städte wieder lebenswert machen.

zur Geschichte Des beGriffs GemeinGüter

dieideederGemeingüteristvieleJahrhundertealt.angesichtsihrerverdrängungausdemöffentlichenBewusstseinistesaufschlussreich,sichzuerinnern,dassvorrund1500JahrenimspätrömischencodexJustinianumeinetypologiedereigentumsfor-menformuliertwordenwar,diedemheutigenpopulärenverständnisvoneigentumanKomplexitätüberlegenist.vierBereichewurdendaunterschieden,dieGegenstandvoneigentumwerdenkönnen. ◆ Res nulliuswarenjenedinge,welchekeineneigentümerhattenunddeshalbvonjedermannnachBeliebenbehandeltwerdenkonnten.

«siehabendasParadiesgepflastertundeinenParkplatzdarausgemacht.»Jonimitchell,1970

einPlatzohneleben,Berlin-mitteFoto:FlicKr-nutZerteoruiZ

Page 11: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas? 9

◆ Res privataehingegenumfasstenjenedinge,welchesichimeigentumvoneinzel-nenoderFamilienbefanden.unterdie ◆ res publicaewurdendiedingegezählt,welchevomstaatfürdenöffent-lichenGebraucherrichtetwerden,wieetwastraßenoderöffentlicheGebäude.

unddieletzteKategorieweistaufunserthemahin:als ◆ res communesgaltenjenenaturgüter,diegemeinsameseigentumallermen-schensind,wiedieluft,dieFließgewässerunddasmeer.

DIEGEMEINGÜTER

NATUR LUFT WASSER PHOTOSYNTHESE MUTTERERDE ELEKTROMAGNETISCHE WELLEN DNS MINERALIEN TIERE PFLANZEN ANTIBIOTIKA OZEANE FISCHGRÜNDE AQUIFER STILLE FEUCHTGEBIETE WÄLDER FLÜSSE SEEN SONNENENERGIE WINDENERGIE SAMEN

KULTUR SPRACHE PHILOSOPHIE PHYSIK MUSIKINSTRUMENTE KLASSISCHE

MUSIK JAZZ BALLETT HIP-HOP ASTRONOMIE ELEKTRONIK INTERNET FREQUENZBEREICHE

MEDIZIN BIOLOGIE RELIGION MATHEMATIK CHEMIE OPEN SOURCE SOFTWARE

GEMEINSCHAFT STRASSEN SPIELPLÄTZE KALENDER UNIVERSITÄTEN BIBLIOTHEKEN SOZIALVERSICHERUNG GESETZE BILANZIERUNGSRICHTLINIEN KAPITALMÄRKTE MUSEEN POLITISCHE INSTITUTIONEN GELD AGRARMÄRKTE FLOHMÄRKTE CRAIGSLIST FEIERTAGE

* GRUND- ODER MINERALWASSER ENTHALTENDE ERDSCHICHT

NATUR LUFT WASSER PHOTOSYNTHESE MUTTERERDE ELEKTROMAGNETISCHE WELLEN DNS

MINERALIEN TIERE PFLANZEN ANTIBIOTIKA OZEANE FISCHGRÜNDE AQUIFER* STILLE

FEUCHTGEBIETE WÄLDER FLÜSSE SEEN SONNENENERGIE WINDENERGIE SAMEN

GEMEINSCHAFT STRASSEN SPIELPLÄTZE KALENDER UNIVERSITÄTEN

BIBLIOTHEKEN SOZIALVERSICHERUNG GESETZE BILANZIERUNGSRICHTLINIEN KAPITALMÄRKTE

MUSEEN POLITISCHE INSTITUTIONEN GELD AGRARMÄRKTE FLOHMÄRKTE CRAIGSLIST FEIERTAGE

dieseunterscheidungensindallesanderealsüberholt;siehelfennochheute,zueinerdifferenziertenWahrnehmung dereigentumsformen in derGesellschaft zu finden.dochdieFragenachdemWesenderGemeingütergehtweitüberdieeigentumsfragehinaus.dieres communesmüssenheutegroßzügigerverstandenwerden.sogehörenetwa

jenedingedazu,diediemenschenalskollektiveKulturleistunghervorbringen.oderjene,diesieindendigitalenWeltengemeinsamschaffen.

diedreiZuflüssezumstromderGemeingüter.GraFiKnachPeterBarnes

Gut zu wissen

Gemeingüter sind keine öffentlichen Güter, aber einige Gemeingüter teilenbestimmteeigenschaftenmitöffentlichenGütern.soistesschwierig,jemandenvondernutzungmancherGemeingüterwiederPhotosynthese,derWikipediaoderderalgorithmenauszuschließen.dasselbegiltfüröffentlicheGüter.FürandereGemeingüterwieWasserundBodengiltesnicht.einwesentlicherunterschiedzudenklassischenGütereinteilungenbestehtdarin,dassGemeingüterererbtsind:siesindentwederGabendernaturundwurdenalssolchegepflegt,odersiewur-denvonnichtimmereindeutigidentifizierbarenPersonenundGruppenhergestelltundweitergegeben.daskanneinhistorischlangerProzesssein(Kulturlandschaf-ten, sprache) oder ein sehr kurzer (Wikipedia, Freie software). Gemeingüterentstehen auch dadurch, dass sie von einzelnenmenschen hergestellt und zumGemeingut bestimmtwurden (wie dieseitenbeschreibungssprache des internethtml und das internetprotokoll http oder objekte unter einer freien lizenz).KeinPolitiker,keinstaathatdarüberbefunden.überdieherstellungöffentlicherGüterwirdhingegenmeistinstaatlichenins-

titutionenentschieden.dagehtesumdieversorgungmitstraßen,umdaslichteinesleuchtturmsoderumdieFrage,mitwelchenmittelnöffentlichesicherheitherstellbarist.undesgehtumdaseinsvorsorgeundinfrastruktur.

Öffentliche Güter bedürfen einer starken Rolle des Staates. Gemeingüter bedürfen vor allem mündiger Bürger. In einer Kultur der Gemeingüter leben heißt, das Leben in die eigene Hand nehmen.

selbstredendsindGemeingüterbzw.diemitihnenverbundenenrechtedermen-schenoftauchaufdenschutzdesstaatesangewiesen.sosinddieBewahrung

Page 12: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter,commons,allmende—Wasistdas?10

undFörderungglobalerGemeingüterkaumohnezwischenstaatlichevereinbarun-genzuerreichen.Gemeingütersinddanngerechtundnachhaltigverwaltet,wenngeteiltwird,

wasallenbegrenztzurverfügungsteht,undwennallenZugangzudendingenoffensteht,dieinFüllevorhandensind.Wennmeerundluftraumsoparzelliertwürdenwiedasland,müsste sich

jederstaathinreichendvielezusammenhängendemeeresgrundstückesichernunddiese als «Wasserstraßen» ausweisen, um den eigenenschiffen freie Fahrt zugewähren.nurwohlhabendenländerngelängedies.auf«fremden»Wasserstra-ßenmüsstenmautgebührenentrichtetwerden,undaußerhalbderWasserstraßendürftensichschiffeohneGenehmigungnichtbewegen.Fischernbliebennursee-grundstücke,die ihnenselbstgehören; fürtaucherundWassersportlergäbeeskeineBetätigungsmöglichkeiten,außerindafürabgetrenntenexklusivenlagen.

Das Meer ist Gemeingut. Alle haben das Recht, es zu befahren. Mobilität wäre ohne Gemeingüter nicht denkbar.

ZurwirtschaftlichennutzungbeanspruchendiemeistenstaatenexklusivrechtefürgroßeFlächenvorihrerKüste,währendschiffeüberallungehindertpassie-renkönnen,sofernsieinfriedlicherabsichtunterwegssind.dieParzellierungderoffenenseeistbislangunterblieben.dasselbegiltfürdenluftraum.imJahre1954klagteeinKanadiergegendas

überfliegenseinesGrundstücks.seinerargumentationzufolgegehörezueinemGrundstückauchdieerdedarunter–biszumerdmittelpunkt–unddieluftdar-über–unendlichweitbisinsall.Flugzeugemüsstendemnachseineerlaubnisein-holen,bevorsie«seine»luftdurchquerten.dochderrichterurteilte,dassluftundWeltraumnichteigentumsfähigsind,sondernzurKategoriederres omnium communisgehören.

Sie sind ein gemeinsames Erbe der Menschheit.

Lesetipp silkehelfrich;heinrich-Böll-stiftung(hrsg.):Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter,2.auflage,münchen2009

«oceanandreef»Foto:FlicKr-nutZeraliWest44

Page 13: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

BausteineeinerGemeinGüterarchiteKtur 11

bausteIne eIner GemeInGÜter arChItektur

Gemeingüter fügen sich zusammenausdreiGrundbausteinen: denBaustoffen, denmenschensowiedenregelnundnormen,dieesermöglichen,alleKomponentenzuverbinden.

FUNDAMENT=

RESSOURCEN

MENSCHEN=

COMMUNITIES

RAHMEN=

REGELN

Der erste Baustein ist materiell.erbeziehtsichaufdieressourcenselbst:dasWas-ser,denBoden,dengenetischenunddensoftwarecode,dasWissen,diealgorithmenundkulturelletechniken; ebensoaufdieZeit,überdiewirverfügen,undnatürlichdieatmosphäre.alldassind«Gemeinressourcen»oder«allmenderessourcen»(engl.«commonpoolresources»).Jedermenschhatdasgleicherecht,siezunutzen.

Der zweite Baustein ist sozial.erverweistaufdiemenschen,diedieseressourceninanspruchnehmen.dieideederGemeingüter istohnedieBindungankonkrethan-delndemenschen inbestimmtensozialenumgebungennichtdenkbar.Wissenkannvonmenschengenutztwerden,z.B.umeinediagnosezustellenoderumzuheilen.Kulturtechniken können genutzt werden, um neues zu produzieren. die Gemein-schaft(«community»)oderallejenemenschen,diegemeinsameineressourcenutzen,machenressourcenzuGemeingütern.

Der dritte Baustein ist regulativ.erumfasstdieregelnundnormen,dieimumgangmitGemeingüterngelten.allerdingsisteseinunterschied,obdienutzungvonBytesundinformationengeregeltwerdenmussoderjenenatürlicherressourcenwieWas-serundWald.derumgangmitalldiesendingennimmtunterschiedlicheFormenan.dochgemeinsamistihnen,dasssievonjedernutzergemeinschaftweitgehendselbstbestimmtwerdensollten.dasgelingtnur,wenneineGruppevonmenscheneingemein-samesverständnisvomumgangmiteinerressourceentwickelt.denkomplexensozi-alenProzessdahinterbezeichnetderhistorikerPeterlinebaughals«commoning».inderWissenschaftwirddasalsinstitutionalisierungderGemeingüteraufgefasst.ausdiesem«commoning»ergebensichdieinoftkonfliktreichenProzessenauszuhandeln-denregelnundnormen.

REGELN+

NORMEN

GEMEIN-GÜTERRESSOURCEN

GEMEIN-SCHAFTEN

«thereisnocommons,withoutcommoning.»(«esgibtkeineGemeingüterohnegemeinsamestun.»)PeterlineBauGh

Page 14: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

BausteineeinerGemeinGüterarchiteKtur12

in vielenGegenden derstadtBoston in denusagibt es einWinterritual.sobaldderersteschneefällt,werdenKisten,mülltonnenundstühlenachdraußengetragen.stühle sollen«schützen»,waseinigeBewohnerals«ihr»stückstraßebetrachten.elinorostromsagtdazu:«dasisteincommons!»Warum?invielenviertelnBos-tonsbestehteinigkeitdarüber,dass,werimmereinenParkplatzvomschneebefreit,berechtigtist,dortzuparkenbisderschneeschmilzt.mitdenstühlensignalisierendieBewohnerihrtemporäresnutzungsrechtdesvomschneebefreitenParkplatzes.hier–wieschonaufdemKreuzfahrtschiffmitdenliegestühlen–gibteseineeinfachelösung: vorübergehende nutzungsrechte statt schranken- und zeitlose verfügung.auchumeinfachelösungenwirdhäufiglangegerungen.

ParkenimwinterlichenBostonFoto:FlicKr-nutZerandWat

Page 15: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WieWirKenGemeinGüter? 13

wIe wIrken GemeInGÜter?

GemeinGüter schaffen lebensqualität

GemeingütersindQuellenvonWertundWerten–undzwaraußerhalboderinergän-zungzumärkten.esistfürmenscheninvielfacherWeisevonvorteil,wennsienebendenleistungen desmarktes und desstaates auch aufGemeingüter zurückgreifenkönnen.dasistoffensichtlich,wo–wieinzahllosendörfernimsüdenderWelt–gemein-

schaftlich genutzte naturgüter wieWeideland,Wasser, seen,Wälder, Felder undsaatgutdieBasisfürdenlebensunterhaltbilden.GemeinschaftsrechtesicherneinenunentgeltlichenZugangzuüberlebenswichtigenressourcen,dermitdermünzevonKooperationundsolidaritätbezahltwird.sobalddieleistungendieserressourcen–nahrung,Futter,Baumaterial,medizin,WärmeundWerkstoff–mitGeldgekauftwerdenmüssen,rutschendiemenscheninselend,daesihnenanKaufkraftfehlt.

Gemeingüter gestatten es den Armen, über die Runden zu kommen. Sie machen den Unterschied aus zwischen einer Existenz im Elend und einem Leben in Würde.

Ähnlichverhältessichinstädten.auchhiererweisensichdieGemeingüteralsver-mögensbestand,ausdemdingegeschöpftwerden,diesonstnurdurchdenKaufvonreise-,unterhaltungs-oderGastronomieleistungenverfügbarwären.sosind(spiel-)Plätze,höfeundParkanlagenZonendererholung,ortederGeselligkeitundBühnenderselbstdarstellung.Jedermenschhateinrechtaufsie,unddiePolitikistimmerdaran zu erinnern, dass sie uns nicht genommenwerden dürfen.GemeinschaftlichkönnensiegegenmöglicheKommerzialisierungverteidigtwerden.dochnichtselten–unddasistdiewirkliche«tragikderallmende»(siehes.16–trittdieBildungnicht-monetärerWertedurchGemeingütererst insBewusstsein,wenn jeneGemeingüterbereitsimverschwindenbegriffensind.soistzumBeispielstädtischedichteeinstückreichtum,dersichofterstnach

seinemverlusterschließt.KurzeWegeerlaubensparsamkeit,indemeinkäufezuFußerledigtwerdenkönnenoderKinderkeinentransportzurschulebrauchen.räumli-chenähestimuliertvernetzungundZusammenarbeit,etwafürselbstverwalteteKin-derkrippen,nachbarschaftshilfeodergemeinsamenGartenbau.injedemdieserFällelässtsichdieGleichungskizzieren:

KOOPERATIONSCHÖPFUNG

VON WERTENOHNE GELD

GEMEIN-RESSOURCEN

GEMEIN-SCHAFTEN

«sieundihreFamiliesindwohlhabender,alssiedenken.siehabenteilandenGemein-gütern.»harrietBarloW,onthecommons

Page 16: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WieWirKenGemeinGüter?14

GemeinGüter ermöGlichen teilhabe

«Gemeinschaftsgärten–dasist50%Gartenarbeitund100%lokalepolitischeorga-nisation»,meintKarllinn.linnistimpulsgeberdernordamerikanischenBewegungcommunityGarden.auchindeutschlanderlebenGemeinschaftsgärteneinerenais-sance.Besondersbemerkenswertistdieentwicklungder«interkulturellenGärten»,davonexistiereninzwischenfast100in55städten.Weitere50sindimentstehen.diemeistvonvereinengetragenenBürgerinitiativennutzenbrachliegendeGrundstü-ckefürdeneigenanbauvonlebensmittelnundalsortsozialerintegrationvonmig-rantinnenundmigranten.Gemeinsamhackendundgrabend,gewinnensieimwahrs-tensinnedesWortesneuenBodenunterdenFüßen.interkulturelleGärtensindortedernachbarschaftlichkeitunddesinterkulturellenaustauschs.dieBeteiligtenteilenraumundZeit,sietauschenWissenausundschlichtenKonflikte.siesindproduktivundkönnendabei auf starrehierarchischestrukturen verzichten.nachbarschafts-gärten,Klein-,Kraut-undGuerilla-Gärten:überallblühtdielustanurbanerland-wirtschaft.soentsteheninnerstädtischeoasen,indenenauchinnovationgedeiht.imhannoveranerstadtteilsahlkampbeispielsweiselebenmehrerehundertFamilienausunterschiedlichennationen.nebenarbeitslosigkeit prägen Jugendgewalt unddro-genmissbrauchdashochhausbebauteQuartier.dieerwachsenensindoftisoliertundnehmen,jenseitsihrerethnischennetzwerke,kaumamgesellschaftlichenlebenteil.dochinsahlkampverwandeltensieindenletztenJahrendiedächervontiefgaragenzukleinenGartenparadiesen.

urbanelandwirtschaftisteinwichtigeselementkünftigerstadtentwicklung.nochvorhandene innerstädtische Gartenbau- und landwirtschaftsbetriebe werden nichtlängerals«überreste»vorindustriellerZeitengelten,sondernalsBausteinederstadt-gestaltungvonmorgen.«hierwirdvorweggenommen,wasdiekünftigeentwicklungim großen stil erfordert: nachhaltige lebensstile und neue Wohlstandsmodelle»,schreibtdiestiftunginterkultur,diebundesweiteKoordinierungsstelledesnetzwerksinterkulturelleGärten.

Dabei geht es um Lebens- und Gestaltungsformen, die das Leben in immer komplexer und anonymer werdenden Städten lebenswert machen. Werden neue Gemeingüter geschaffen, müssen für sie aber neue Umgangsregeln und verbindliche Vereinbarungen zu deren Einhaltung gefunden werden.

BalticstreetcommunityGarden,BrooklynnYFoto:FlicKr-nutZerFlatBushGardener

Page 17: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WieWirKenGemeinGüter? 15

GemeinGüter bieten Plattformen für Kreativität unD KooPeration

dassKooperationenormproduktivseinkann, istaltbekannt. inderdigitalenWeltkonnten sich ganz neue kooperative Formen entwickeln. dank elektronischer ver-netzungsindz.B.tausendevonmenschen inderlage,andererstellungvonfrei-enBetriebssystemenoderanderenfreiensoftwareprogrammenmitzuwirken.inderWissenschaftsindkollaborative,globalverteilteundselbstorganisiertearbeitsfor-menselbstverständlichgeworden,ebensoimelearning.Kreativitätbekommtimdigi-talenZeitaltereineneue,überindividuelleBedeutung.oftstelltsichheraus,dassenthusiasmusundgesammelteKompetenzderhobby-

istendemKenntnisstandderexperten,z.B.ausdenkommerziellensoftware-Firmenodermedienunternehmen, innichtsnachstehen, ihnnicht seltensogarübertreffen.vierKöpfedenkenmehralszwei.indenimmerzahlreicherenanwendungenimWeb2.0wietwitter,WikisundBlogswirdmitneuenFormenderZusammenarbeitunddesteilensvonWissenexperimentiert.dasinternethatdasPotenzial,Plattformenfürkollaborativeintelligenzunddezentraleneinfallsreichtumzuentwickelnundfürallebereitzuhalten.nichtnursoftware,sondernauchProjektederForschung,Film-odertonproduktionenoderganzelexikaentstehenausdenBeiträgeneinervielzahlvonPersonen.«onlinecommunities»sindinderlage,überbreiteBeteiligunghochwerti-geProdukteunddiensteherzustellen,dieauchmonetärenWerthabenkönnten.

Entscheidend für diese Ökonomie des Teilens und der Beteiligung ist, dass alles für alle frei zugänglich ist. So ist garantiert, dass daran weiter gearbeitet wird, und was daraus entsteht, das sind neue Gemeingüter.

DIGITALERESSOURCEN

KOOPERATION

OFFENE FORMATE

+STANDARDS

FREIER AUSTAUSCH

+ WEITERENT-WICKLUNG

GEMEINGÜTER IN ELEKTRONISCHEN

UMGEBUNGEN

infastallenGesellschaftenmischensichWettbewerb,Planungundsolidarität.dochdie relativenanteile verschieben sich imlaufederGeschichte.deraustauschvonWaren über denmarkt stellt – so allumfassend und selbstverständlich er für unsgeworden ist– lediglicheineFormderGüterversorgungdar.mindestenszweiwei-tere tretenandieseitedesmarktes:diestaatlichorganisierteProduktionunddieProduktionundverteilunginGemeinschaften.WährendaufdemmarktdasPrinzipdesWettbewerbsherrschtundderstaatdasPrinzipderPlanungnutzt,stehtindenGemeinschaftendieGegenseitigkeitimvordergrund.Zeitenundräumesindgeschrumpft,indenenvertrauen,wechselseitigeanerken-

nungundengagementfürgemeinsameZieledentonangeben.Zugleichdeutetman-chesdaraufhin,dasssichgegenwärtigdiesuchenacheinerneuenBalancezwischenFreiheit und Bindung immer weiter ausbreitet. das Bedürfnis nach Gemeinschaft-lichkeitundfreierKooperationscheintsichnebendemWunschnachungebundenheiterneutGeltungzuverschaffen.diesemBedürfniskommteinestärkungderGemein-güterentgegen.soerfordertetwadiegemeinsameBewirtschaftungvonFischgrün-denanderkanadischenatlantikküsteeinausgeklügeltessystemderKooperation,wieauchdiekollektiveWeiterentwicklungvonoffenzugänglichenWissensquelleninderGemeingüter-Wirtschaft(«Peer-Produktion»)vomengagementfürgemeinsamePro-jektelebt.

Die Lösung der gegenwärtigen Probleme besteht nicht darin, dass sich der Staat zurücknimmt, um dem Markt Platz zu schaffen, sondern dass er vortritt, um den Gemeinschaften die Rechte an ihren Gemeingütern zu sichern.

«WarumsingtFigaro,warumschreibtmozartmusik,dieFigarosingt,warumerfindenwiralleneueWorte?Weilwireskönnen.homoludenstriffhomofaber.diesozialeBedingungglobalerverbin-dungen,diewirdasinternetnennen,ermöglichtunsallen,kreativzuseinaufeineneueundnieerträumteWeise.Wennwirnurnichtdas‹eigentum›dazwischenfunkenlassen.»eBenmoGlen,deranar-chismustriumPhiert

Page 18: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

ExkursexKurs:dietraGÖdieder«traGiKderallmende»16

exkurs: dIe traGödIe der « traGIk der allmende »

derus-amerikanischeBiologeGarretthardinsetzte1968einemachtvolle metapher in die Welt. im renommierten Wissen-schaftsmagazin Science veröffentlichte er den aufsatz «thetragedyofthecommons»(«dietragikderallmende»).hardinsBildvonderWeide,aufdiealleherdenbesitzerihreschafetrei-ben,hatKarrieregemacht.nachhardintutjederherdenbesit-zerangesichtsdersichbietendenGelegenheit,sichanderWeideschadloszuhalten,dasselbe:erfügtseinerweidendenherdeeinschafhinzu,dannnocheinsundnocheinsusw.demeinzelnenscheint der augenblickliche Gewinn schnell fassbar. ein sattesschafmehr,einanteilmehr,einvorteilmehr.dieKostenaberwerden für ihn erst allmählich spürbar, denn siewerdendurchallegeteiltundindieZukunftverschoben.hardinwarüberzeugt,dassdiesedynamikunvermeidlichsei.siewirkesolange,bisdieWeideüberweidetistundniemandesschafmehrernährt.Garretthardinbeschreibtdiesalsunvermeidlichesschicksal;die«tragikderallmende»seitechnischnichtlösbarunderfordereangesichtssteigenderBevölkerungszahlendrastischemaßnahmen.einnie-derschmetterndesFazit.das Bild der übernutzten allmendeweide wurde seit den

1970er Jahren unkritisch auf zahlreiche situationen kollekti-verressourcenbewirtschaftungübertragen.eshielteinzugindie sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen lehrbücher undprägtedasdenkenganzerstudentengenerationen.dabeiwuchsdievorstellungder«tragikderallmende»zueinemunausrott-barenmythos.daran änderte auch derKommentar desÖko-nomenParthadasguptawenig.dasguptameintzummaßgeb-lichen abschnitt des hardinschen essays: es sei «schwierigeinePassagevergleichbarerlängeundBerühmtheitzufinden,diesovieleFehlerenthält»(Parthadasgupta,The control of Resources,oxford1982).erstdiezahlreichenForschungenausdemumfeld derWirtschaftsnobelpreisträgerinelinor ostromhabendieGrobschlächtigkeitdes«tragik»-argumentserkennenlassen.hardin hat dazu beigetragen, der engen Perspektive vom

menschenalshomo oeconomicus,alsbloßernutzenmaximie-rer,nahrungzugeben.schon1954hattescottGordonange-

«dererste,welchereinstücklandumzäunte,sichindensinnkommenließzusagen:diesistmein,undeinfältigeleuteantraf,dieesihmglaubten,derwarderwahrestifterderbürgerlichenGesellschaft.»Jean-JacQuesrousseau

Page 19: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

ExkursexKurs:dietraGÖdieder«traGiKderallmende» 17

sichtsderdrohendenüberfischungdermeeredasniemandslandmitdem«eigentumaller»gleichgesetzt.dersatz«Jedermannseigentum istniemandeseigentum»erlangteBerühmtheit.sofolgte einKurzschluss demanderen.dietragik derallmendeseizwangsläufig,solangealleZugangzuihrhaben,solangesiejedermannsunddamitniemandeseigentumsind.hardinsahsichJahrespäterzuKorrekturenveranlasstund

bezeichnetenunseinenessaygenaueralseineanalyseder«tra-gikderunverwaltetenGemeingüter».tatsächlichbeschrieberinseinemursprünglichenessayeinesituationdesungehinder-tenZugangszuland,dasniemandemgehört.erverwechselteGemeingütermitniemandsland.

Doch Gemeingüter sind kein Niemandsland. Sie entstehen aus der Fähigkeit der Nutzergemeinschaften, Zugangs- und Nutzungsregel festzulegen, die allen dienen. Niemandem zugehörig zu sein ist untypisch für die Allmende.

Zudemginghardinoffenbardavonaus,dassdieherdenbesitzernichtmiteinanderreden.abermenschen,dienatürlicheressour-cengemeinsambewirtschaften,tauschensichständigaus.

Gemeingüter entstehen und entfalten sich aus der Kommunikation in lebendigen sozialen Netzen.

schließlichnahmhardinan,dassmenschenvorwiegendfürdenverkaufundmitentsprechenderGewinnerwartungproduzieren.

«dorfangerGroßarmschlag»Foto:KonradlacKerBecK,WiKimediacommons

«Fürhardinistdieallmendeeinschlaraffenland,dasleergefressenwird.FürseineKritikerehereingemeinsamesPicknick,zudemjederwasbeiträgtundwosichjederinmaßenbedient.»BernhardPÖtter,lemondediPlomatiQue,auGust2009,s.10

Page 20: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

ExkursexKurs:dietraGÖdieder«traGiKderallmende»18

stattdessenbenötigenwirdieFüllederGemeingütervorallemfürunsselbst.istdasgesichert,musseinekommerziellenutzungnichtausgeschlossensein.die sogenannte «tragik derallmende» ist immer eine tra-

gikdermenschlichenGemeinschaft–einversagen,vernünftigeregeln für denumgangmit denGemeingütern zu entwickelnunddurchzusetzen.

Nirgends wird das deutlicher als dort, wo es tatsächlich ungeregelten Zugang zu natürlichen Ressourcen gibt oder wo die Kooperation innerhalb der Gemeinschaft aus verschiedenen Gründen nicht existiert. Die dramatische Übernutzung der Atmosphäre und die drohende Ausrottung der weltweiten Fischbestände offenbaren das bisherige Scheitern zahlloser Versuche, uns als Weltgemeinschaft miteinander auf sinnvolle Regeln zu verständigen. Das muss und kann anders sein.

Page 21: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WieWirKenGemeinGüter? 19

GemeinGüter ermöGlichen es, Gemeinsam mehr unD besseres zu erreichen

im Jahre 1991 hatte der finnische informatikstudent linus torvalds die idee, einBetriebssystemzuschreiben,alsoeinesoftware,diedenrechnersteuert.ZunächstwolltetorvaldsnurfehlendeFunktionenfürseinenneuerworbenenrechnernachrüs-ten,dochnachmonatelangerBasteleimerkteer,dass«sein»systemauchanderennützlichwerdenkönnte.«icharbeiteaneinem(freien)Betriebssystem(nureinhob-by…)»–schrieblinustorvaldsiminternet.erbatumrückmeldungenundfragte,welcheeigenschaftensichdieanderenvoneinemsolchensystemwünschten.Wochenspäterstellteerdiesoftwareinsnetz.dasermöglichtejedem,torvaldscodeherun-terzuladen,zuverwendenundbeientsprechendenProgrammierkenntnissendeneige-nenBedürfnissenanzupassen.dieankündigungstießaufgewaltigesinteresse,denndiedamaligenBetriebssys-

temekonntenentwederwenig(wiedos),odersiewarenteuer.ZudemwurdensievonFirmenentwickelt,aufdiedienutzerkeineneinflusshatten.dasvorgehenvonlinustorvaldswareinesensation.ermachtealleQuelltexteöffentlichzugänglich,batdienutzerexplizitumrückmeldungenundmitarbeitundstelltedieergebnisseallenzurverfügung.esdauertenurzweiJahre,bisüberhundertleutelinustorvalds’sys-temmitentwickelten,dasinanlehnunganseinenschöpfer«linux»getauftwurde.damalshattedasvonrichardstallmaninitiierteGnu-Projekt(siehes.39f.)bereitsvielefreieBetriebssystemkomponentenentwickelt.durchdieKombinationmitdemvontorvaldsgeschriebenenKernentstandeinpraktischnutzbaresundkomplettfreiesBetriebssystem:Gnu/linux.diefreielizenzGnuGPl(GeneralPubliclicense)sorg-tedafür,dieFreiheitunddamitdenGemeingutcharakterdessystemszuschützen.

heutegehörtlinuxnebenWindowsundmacoszudendreiamweitestenverbreite-tensystemen.eswirdmillionenfachverwendet.nochbeliebteralsbeiPrivatanwen-dernistlinuxbeiFirmen,dieesinsbesonderefürservereinsetzen,diedauerhaftundzuverlässiglaufenmüssen.auchwodieleistungsanforderungenbesondershochsind,wirddasfreieBetriebssystemgerneeingesetzt.solaufenetwa90Prozentder500schnellstensupercomputerunterlinux.dererfolgvonlinuxbasiertnichtnurdarauf,dassdiesoftwareselbstGemeingut

ist,erbasiertvorallemaufdercommunity,diehinterseinerentwicklungsteht.dieoffene,dezentraleundscheinbarchaotischeartundWeise,indertorvaldsundmit-streiterzusammenarbeiten,istals«Basar»-modellindiesoftware-Geschichteeinge-gangen–imGegensatzzumhierarchischen,sorgfältiggeplanten«Kathedralenstil»,dernichtnurdenBaumittelalterlicherKathedralen,sondernaucheinenGroßteilderinFirmenentwickeltensoftwareprägte.

die Beteiligung an Projekten für Freie software wird oft mit der 90–9–1-regelbeschrieben:90Prozentnutzendassystemnur,etwa9ProzenttragengelegentlichzurWeiterentwicklungbei, undnur1Prozentbeteiligt sich regelmäßigund inten-siv.deraufstiegmanchernutzerzusporadischenoderauchintensivenmitentwick-lernerfolgtper«selbstauswahl»–esgibtkeineBeteiligungsverpflichtung,aberauchwenighindernisse. Jeder sucht sich selbstaus, obundwie viel er tunmöchte.oftbeginntBeteiligungdamit,dassjemandeinen«bug»meldet–etwas,dasnichtrichtigfunktioniert;eventuellschreibterdanacheinen«patch»,einen«softwareflicken»,umdenFehlerzubeheben,oderertestetdassystemunddokumentiertdieProbleme–undschonwirdzurWeiterentwicklungdesGemeingutsbeigetragen.erfahrenereBeteiligtebegutachtendensoentstandenencode.sieentscheiden,ob

erinssystemaufgenommenwerdenkann,ohneBisherigeszuzerstören,oderobkor-rigiertwerdenmuss.Beilinuxgibtesungefährhundertdiesersogenannten«main-tainer».sieübernehmenverantwortungfürbestimmteteilsystemeundsorgendafür,dassallesläuft.Jelängerundintensiverjemandmitarbeitet,destounproblematischerwerden seine Änderungen von den zuständigen maintainern übernommen. selbstmaintainerzuseinbedeutetzwarmehrverantwortungundeinflussaufdieweitereentwicklungdesProjekts,aberesbringtkeinemachtüberandere.vielmehrsinddiemaintainerstetsaufdiefreiwilligenBeiträgederanderenangewiesen.

«tux»derlinux-PinguinvonlarrYeWinG

linustorvaldslinusmaG.com

dererfolgvonlinuxbasiertnichtnurdarauf,dassdiesoftwareselbstGemeingutist,erbasiertvorallemaufdercommunity,diehinterseinerentwicklungsteht.

Page 22: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WieWirKenGemeinGüter?20

derlinux-communityistesgelungen,einenfreienundoffenenstildersoftware-entwicklungzufinden,dermitwenigenFormalitäten(richtlinien)undohneBefehls-strukturenauskommt.siehatdabeidasfürdieklassischesoftware-entwicklunggel-tende«BrookscheGesetz»widerlegt,dasseinevergrößerungdesteamsübereinenbestimmtenPunkthinausdieentwicklungdersoftwareverlangsamt,daderKommu-nikationsaufwandüberproportionalansteigt.FürdieentwicklungimBasar-stilgilt:

« Unter der Voraussetzung, dass der Entwicklungskoordinator ein Medium zur Verfügung hat, dass wenigstens so gut ist wie das Internet, und dieser Koordinator weiß, wie man ohne Zwang führt, werden viele Köpfe zwangsläufig besser arbeiten als nur einer. » (Eric Raymond)

Lesetipp ericraymond:Die Kathedrale und der Basar.http://gnuwin.epfl.ch/articles/de/Kathedrale/

GemeinGüter sichern Den sozialen zusammenhalt

auchamBeispieldergrößtenunszurverfügungstehendenallmenderessource,dererdatmosphäre,wirdindiesenJahrenderZusammenhangvonmateriellemGutundGemeinschaftsbildungaugenfällig:umdieatmosphärevoneinemniemandslandzueinemGemeinschaftsgutzumachen,sinddienationendererdegezwungen,sicheinstückweit alsWeltgemeinschaft zukonstituieren.WeilGemeingüter «Kümmerer»brauchen,diefürderengedeihlichenutzungsorgetragen,begründensieneueFor-menderZusammenarbeit.mitanderenWorten:

Gemeingüter halten den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft lebendig, und liefern damit auch einen fundamentalen Beitrag zum Funktionieren von Markt und Staat.

Gut zu wissen

nichtallesistGemeingut,abervieleskannGemeingutwerden.Gemeingüterkennzeichnet…

dasseineressource,gleichobWasseroderWissen,dauerhaftgemeinsam ◆

genutztwird,stattsiezuverbrauchenoderanderenvorzuenthalten

dasssicheineidentifizierbareGruppeumdieentsprechenderessourceküm- ◆

mertundsiepflegt,stattsiederFreibeutereizuüberlassen

dassdieseGruppesichaufangemesseneundtransparenteregelnverständigt, ◆

stattregellosigkeitzuakzeptieren

dassderumgangmitdenressourcenweitgehendselbstorganisiertist,statt ◆

fremdbestimmtzusein

dassallenutzermitgestaltenundmitbestimmenkönnen,stattsichimmernur ◆

vertretenzulassen

dassdernutzensichverteilt,stattsichzukonzentrieren ◆

Page 23: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

ExkursexKurs:ichunddieanderen 21

exkurs: ICh und dIe anderen

«dieFreiheitdeseinenendetdort,wodieFreiheitdesanderenbeginnt.»dieseideeunterstellt,dasswiralsindividuumisoliertsind; dasswir inKonfliktmit den interessen anderer geraten,wennwirunsereinteressen(oderdievonFamilienundFreunden)verfolgen.dochdieFreiheitderanderenistnichtunbedingtdasendeunsererFreiheit.sieistvielmehrderenBedingung.Gemeingütersindnichtstatisch.siesindinständigerverän-

derungbegriffenundgebenauskunftdarüber,wieeineGrup-pevonmenschennutztundreproduziert,wasniemandemalseinzelperson zusteht. die vielfalt und vitalität der Gemein-güter sagt deshalb viel über unsereGesellschaft. ohne aktivemenschen,diesorgefürdieGemeingüter tragen,gibteskeinGemeingut. täglich benötigte ressourcen würden verbraucht,künstlichverknapptoderzumniemandsland.

Wer sich für Gemeingüter einsetzt, nutzt nicht nur sich selbst, sondern zugleich den anderen. Wer die Gemeingüter schädigt, schadet auch sich selbst.

sichaufKostenandererzuentfalten,stelltsichalsillusionheraus,denndieentfaltungdeseinzelnenistBedingungfürdieentfal-tungallerundumgekehrt.individuellentfaltenwiruns,indemwirdingetun,diefürunsundanderenützlichseinkönnen.ichkannnurvorankommen,wennauchdieanderenvorankommen.dasunterscheidetdieselbstentfaltungvonderselbstverwirklichung.dieeinenschreibenfreiesoftwareundmachenfreiemusik,dieanderenengagierensichinderumweltbewegung,füreineninter-kulturellen Garten oder öffentliche räume, die Gemeingüternchancenbieten.Wasimmerdereinzelnetut,erwirdmehrundBessereserreichen,wennsichauchanderebeteiligen.

Lesetipp stefanmertenundstefanmeretz:Freie Software und Freie Gesellschaft ,opensourceJahrbuch2005,s.293–309.www.opentheory.org/ox _osjahrbuch _2005/ text.phtml

Page 24: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter?22

wem Gehören GemeInGÜter?

wem Gehört Der himmel? wem Die stille? wem Das lanD?

Jedermensch–inGegenwartundZukunft–hatdasgleicherecht,alldaszunutzen,wasniemandemindividuellzuschreibbarist.darauserwächstdienotwendigkeit,die-sedingeinunverminderteroderbessererQualitätweiterzugeben.

Verantwortung für Gemeingüter rührt auch aus der Verantwortung für eine erträgliche Zukunft. Dafür, dass auch andere in der Zukunft gut leben können.

dieKontrolleüberdenumgangmitWasserundWald,softwarecodeundsaatgut,urbanen räumen und Kulturtechniken obliegt der Gesellschaft, denn Gemeingüterbleibenunsnurdannalssolcheerhalten,wennesgelingt,diesenumgangtransparentundiminteressederallgemeinheitzugestalten.

Staat oder private Akteure sind nur (vorübergehende) Treuhänder oder Sachwalter der Gemeingüter.

Wemdabeiwelcherollezukommt,wird–jenachpolitischereinstellung–sehrunter-schiedlichbeantwortet.WereinenBelegdafürsucht,dassderstaatnichtimGemein-interesseverwaltet,wasallenzusteht,wirdihnfinden.sicherfindeterauchBeispiele,wosichderstaatalsgutertreuhändererweist.Werprivate,ammarktorientierteakteurefürdiePlünderungderGemeinressourcenoderfürungerechteZugangsbe-schränkungenverantwortlichmacht,kannungezählteBeispielenennen.modelle,beidenensichmarktakteurealstreuhänderderGemeingüterbewähren,sindeherselten;aberesgibtsie,zumBeispielbeimWald.Werschließlichdenmenschenselbstver-antwortunggibt,wirdebensoGeschichtendesscheiternsunddeserfolgshinzufügenkönnen.

Sicherung der Gemeingüter ist eine immerwährende Herausforderung, für die es kein Patentrezept gibt.

Der neue Griff nach lanD

1,3millionenhektarmadagassischesFarmlandwolltedassüdkoreanischeunterneh-mendaewoologisticsaufJahrzehntepachten.KoreabrauchtGetreide.aufderafri-kanischeninselwardieempörunggroß.sieschürtejeneunruhen,dieimFrühjahr2009eineregierungskriseauslösten.amendeerloschdasProjektmitdemsturzdesregierungschefsmarcravalomanana.dochmitdennachrichtenausmadagas-karwurdedeutlich:dieserangriffaufeinederexistenziellenGemeinressourcen,denBoden,war alles andere als eineinzelfall.unternehmen undregierungenchinas,Japans,malaysias, saudi-arabiens, Kuwaits oder Ägyptens sind auf «großer ein-kaufstour»,umsichriesigeagrarflächenzusichern.Geplantoderschonbesiegeltsei-enlandkäufevonugandabisBrasilien,vonPakistanbiszurukraine,recherchiertedienichtregierungsorganisationGrain.auch imsudan,womillionenhungern,hatnördlichvonKhartumdiesaudische

Firmaadcofür95millionenus-dollarmehrals10.000hektarlandgepachtet,umWeizenundGemüsefürdieeigeneBevölkerunganzupflanzen.das Wort vom neuen Kolonialismus macht die runde. es sind besonders die

regierungenderschwellenländer,diedenKonkurrenzkampfumlandschüren.ihreBevölkerungenwachsen,immermehrmenschenkonsumierenimmermehrveredeltelebensmittelwieFleischundmilch.Zudembestehtdiesorge,dassniederschlagsar-meGebieteimeigenenlandwegendesKlimawandelsnochmehraustrocknen.auchdieagrarspritproduktionmeintimmerneueFlächenbeanspruchenzudürfen.WeltweitgehteindramatischerstrukturwandelinderverfügungüberdenBoden

unter unseren Füßen vonstatten. dieswird von der rasanten technologischenent-wicklungangetrieben.diesynthetischeBiologieversprichteineWelt,inderdieinderlandwirtschaftgewonneneGlukoseextrahiert,fermentiertundzuhochwertigenroh-

«allemenschensindursprünglich[…]imrecht-mäßigenBesitzdesBodens,[…]siehabeneinrecht,dazusein,wohinsiedienatur[…]gesetzthat.dieserBesitz[…]istgemein-samerBesitz,wegendereinheitallerPlätzeaufdererdfläche,alsKugelfläche[…].»immanuelKant

«esgibtBeispielefürerfolg-reichesunderfolglosesressourcenmanagementvonregierungen,kommunalenvereinigungen,Kooperativen,Freiwilligenorganisationen,Privatpersonenoderunter-nehmen.»elinorostrom

Page 25: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter? 23

stoffen fürdiepharmazeutischeundchemische industrie verarbeitetwerdenkann.sich selbst vermehrende synthetische mikroben (lebende chemiefabriken) werdenkünftigeineenormemengeBiomasseverbrauchen,diebishernichtverwertetwurdeoderdenGemeinschaftenzurverfügungstand.siewerdendarausProdukteerzeugen,vondenenandereprofitieren.dieeinhegung(«enclosure»)derGemeingütererreichtdamiteineneuedimension.

Für den ideologisch unverdächtigen immanuel Kant ist der Boden gemeinsamerBesitz.dochwasbedeuteteskonkret,denBodendenGemeingüternzuzurechnen?esistinunsererGesellschaftkaumvorstellbar,dassGrundundBodennurzurvorüber-gehendennutzunginBesitzgenommenwerdensoll–undsomitquasizumGebrauchlizenziertwird.dennochdarfdieserGedankekeintabusein,dennrichtigbleibt:

Grund und Boden sind in ihrer Verfügbarkeit begrenzt; die Nutzungsrechte Einzelnder finden in den Nutzungsrechten aller «ursprünglich rechtmäßigen Besitzer» ihre Begrenzung.

Lesetipp christophstrawe:Das Ringen um ein modernes Bodenrecht.www.sozialimpulse.de/pdf-dateien/Bodenrecht.pdf

ein nachhaltiger, fairer und kreativer umgangmit Gemeingütern entscheidet sichnichtalleinanderFragedereigentumsrechte.entscheidend ist,vonwemundwieeigentumsrechte,vorallemZugangs-undnutzungsrechte,konkretausgestaltetwer-den.Werdefiniertdiespielregeln?Werdefiniertdieseregelnso,dasssieFairnessundverantwortung aus sich selbst heraus erzeugen?Wer kontrolliert ihreeinhal-tung?WassinddieBedingungendafür,dassGemeingüterauchmorgennochinFüllezurverfügungstehen?einPatentrezeptgibtesnicht,dochesgibtGrundsätze,dieeinlebentragen,indemGemeingütergedeihen.eineinfacherGrundsatzleitetsichausunserennutzungsrechtenab:

Exklusive, andere vollkommen ausschließende private Eigentumsrechte an Gemeingütern darf es nicht geben.

Der schutz Der micKey mouse

inKongressundsenatderusagabesversuche,denschutzdesurheberrechtsfürunaufhebbarzuerklären.derindenusasehrbekannteentertainerundspäterePoli-tikersalvatorePhillip«sonny»Bonowollte–daraufverwiesseineWitwe,dieseinenKongresssitzübernommenhatte–die«unendliche»Gültigkeitimcopyrightactver-ankertsehen,aberdaswarausverfassungsrechtlichenGründenunmöglich.dieWit-webrachtedahereinenvorschlagdesFilmindustrielobbyistenJackvalentiinsspiel.

madagaskarFoto:FlicKr-nutZerlucleGaY

«selbsteineganzeGesell-schaft,einenation,jaallegleichzeitigenGesellschaftenzusammengenommen,sindnichteigentümerdererde.siesindnurihreBesitzer,ihrenutznießer,undhabensiealsbonipatresfamilias[guteFamilienväter]dennachfol-gendenGenerationenverbes-sertzuhinterlassen.»Karlmarx:dasKaPital,Band3

Page 26: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter?24

dieser hatte, sicher ironisch, denKompromissvorschlag unterbreitet, dasurheber-rechtkönne«fürimmerminuseinentag»gelten(«foreverlessoneday»).dersenathatdiesemGesetzentwurfvon1997nichtzugestimmt.allerdingsverabschiedeteer1998einGesetz,durchdasdieverschiedenenlaufzeitendescopyright-schutzesumjeweils20Jahreverlängertwurden.indenmeistenFällenbedeutetedasfortan70Jahrecopyright,beivonunternehmengeschaffenenWerkensogarbiszu120Jahre.ZuehrendesverstorbenenentertainersheißtdiesesGesetz«sonnyBonocopyrighttermextensionact», in derÖffentlichkeit kritisch etikettiert als «mickey-mouse-schutzgesetz».

doch nicht nur die interessen derWaltdisneycorp. standen auf demspiel, auchdierechteanWerkenvonernesthemingwayoderandermusikvonGeorgeundiraGershwinbliebensofür20weitereJahredenrechteverwerternerhalten.ericeldred,dereinefreizugänglicheonline-Bibliothekaufbauenwollte,legtegegendasGesetzverfassungsbeschwerdeein.seinargument:esverstoßegegendas«rechtderfreienrede».dochderobersteGerichtshofschlosssichderBeschwerdenichtan.eldredverlor.«derobersteGerichtshoffälltgegendiemächtigeninteressenkeinurteil»–sospäterderanwalteldredsundGründervoncreativecommons,lawrencelessig.

dieGeschichtedes«mickeymouseProtectionact»kannverallgemeinertwerden:diePolitikhatindenletztenJahrenvorzugsweisedieindividuellenrechtederurhebersowiediekommerziellenrechtederWissensindustriegestärkt.BeruhtabernichtdererfolgWaltdisneysinhohemmaßedarauf,dassdisneyausdemschatzdermärchenundsagenundausinzwischengemeinfreienliterarischenvorlagenschöpfte?disneyhat,wieandereauch,dieausgangsfigurenwieschneewittchen,diekleinemeerjung-frau,PeterPanoderaliceimWunderlandzuneuemlebenerweckt.erhatsiever-ändert,«remixed»,undmitneuemversehen.mitdemergebnisverdientdisneyGeld.derkommerzielleerfolgberuhtalsoauchaufdemrückgriff auf eingemeinsameskulturelleserbe.darausentstehteine«rückgabepflicht»andieallgemeinheit.odersollenexklusiveverwertungsrechteandem,wasausunsererKulturentstandenist,wirklichbiszu120Jahre–alsoweitüberdentodderKreativenhinaus–beanspruchtwerdendürfen?disney könnte stattdessendonaldduck odermickeymouse in dieGemeinfreiheitentlassen,dieinvestitionensindvielfacheingespielt.

Eine Gesellschaft braucht Vertrauen in die unendliche Kreativität, neue Figuren und Geschichten zu erschaffen. Kreative sind auf die Möglichkeit angewiesen, aus der Fülle der kulturellen Allmende frei zu schöpfen. Unsere Kultur ist ein unerschöpfliches Reservoir an Geschichten, Bildern, Musik und vielem mehr – wenn der Zugang zu diesen Gütern nicht verschüttet oder verknappt wird. Kultur ist darauf angewiesen, dass man wieder « einzahlt » und nicht unbillig – « für immer minus eins » – auf privaten Rechten an Kulturgütern beharrt.

«disneyinfinitecopyright»-symbolWiKimediacommons

Page 27: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter? 25

egal,obdiedingematerielleroderimmateriellernatursind,obsiedernatürlichen,kulturellenodersozialensphärezugehören–umübernutzungundunternutzungzuvermeiden,istjedeeigentumsformanzweiBedingungenzumessen:Zumeinenmussbeijedernutzunggewährleistetsein,dassGemeingüternichtin ◆

ihremBestandzerstörtoderverbrauchtwerden.Zumanderenmussgewährleistetsein,dassniemand,deranspruchsberechtigt ◆

oderaufdiejeweiligenGemeingüterangewiesenist,vonZugangundnutzungausgeschlossenwird.

Lesetipp Manifest Gemeingüter stärken. Jetzt!www.boell.de/demokratie/demokratie–7144.html

«Wennichweitersehenkonnte,sodeshalb,weilichaufdenschulternvonriesenstand.»isaacneWtonineinemBrieFanroBerthooKe

Gut zu wissen

GemeineiGentum ist etwas anDeres als GemeinGut (« commons »)

GemeineigentumisteineFormkollektiveneigentums.imunterschiedzumPri-vateigentumgehörendinge,diesichinGemeineigentumbefinden,nichteinerein-zigen, sondernmehrerenPersonen.das könnenGenossenschaften,erbgemein-schaften,aberauchaktiengesellschaftensein.WiebeimPrivateigentumwerdenbeimGemeineigentummenschen(dienichteigentümer)vonZugangundnutzungeinersacheausgeschlossen;imunterschiedzueinersituation,inderniemandvomZugangausgeschlossenwird.diesebezeichnetmanals«openaccess»-regime.

Page 28: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter?26

wie KnaPP wirD, was nicht KnaPP ist: ein stuDentenbericht zum moDernen urheberrecht

ichhabeiminternetfüreinehausarbeitüberGemeingüterrecherchiertundwur-defündig.unkompliziertkonnteichmireinigetexteherunterladen,sowiegeeig-netePassageninmeineentwürfeeinarbeiten.Bisichaufeineninteressantentextaufmerksamwurde,derkostenpflichtig istbzw.nur ineinerBibliothek,diedierechtedafürerworbenhat,eingesehenwerdendarf.«KeinProblem»,denkeich,dieuniversitätsbibliothekhängtamnetz,somitauchihrKatalog.undtatsäch-lich – der imnetz nachgewieseneartikelwird vomBibliothekskatalog als «inelektronischerFormvorhanden»ausgewiesen.dochbeimversuch,diesenherun-terzuladen,kommtdieFehlermeldung.«diesearbeitistnurindenräumenderBibliothekeinsehbar.»ichstutze.Wiesodenndas?ichfahrealsomitdemBuseineknappestundeindiestaatsbibliothekundfragemichzudenonline-lese-plätzendurch.dortbekommeichüberdenonline-Katalogdiegewünschtearbeitnachgewiesen.WiedereinemeldungaufdemBildschirm:«dergewünschtesam-melbandartikelwirdmomentanvoneinemanderenBenutzereingesehen.dieBib-liothekhatjedochnureinensammelbandkäuflicherworbenunddarfnachdemPrinzipderBestandsakzessorietätzeitgleichnursovieleartikelfürdienutzungelektronischfreigeben,wiesierechteandergekauftenvorlagehat.eineaus-nahmevondieserregelsehenwirinihremFallnicht.»ichstutzeschonwieder.

«Bestandakzessorietät»habeichzwarnichtverstanden,aberwasdarausfolgensoll,schon.ichmusswarten!Warumeigentlich?hatteichnichtneulichineinemseminargelernt,dasselektronischeressourcennicht-rivalisierendimGebrauchseien?meinGebrauchbeeinträchtigtnichtdeneinesanderen.Wasesbedeutet,dasssolchedinge–wiedielektüreeinestextes–entgegendertheorienundochverknapptundausschließbargemachtwerden,wirdmirschlagartigbewusst.nunja,einKaffeeistimmergut…nachdemKaffeeendlichfreiehand!derarti-kelistallerdingsrechtlang,alsowillichihnfüreinespäteregründlichelektüreaufmeinenusB-stickschreiben.«saveas»–ichstutzezumdritten.diesesmalbesagtdiemeldung,dassdertextnichtgespeichertwerdenkann.notgedrungenbeginneichdentextzulesen.dannwillichwissen,anwelcherstellesichdiefürmichzentralenBegriffe«commons»oder«Gemeingut»befinden.ergebnis:«Kei-neFundstelle».merkwürdig,esistdocheinFachtext!ichtesteeinalltagswort.«Keine Fundstelle». die suchfunktion im volltext funktioniert nicht. entnervtbeschließeich,nureinenwichtigensatz,denichalsZitatnutzenmöchte,indenZwischenspeicherzukopierenundinmeinenstickzuladen.auchhierFehlanzei-ge.schließlichfindeichdenentscheidendenhinweis:«dasisteindrm-geschütz-

dieöffentlicheBibliothekalsFaradayscherKäfig.Foto:FlicKr-nutZerslaBmaGaZine

Page 29: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter? 27

tesPdF,allerechtegehörendemverlag.siekönnenihnnuraufdemBildschirmlesen.siedürfensichnotizenmachen.»einesolchetechnischeschutzmaßnahmehatteichineineröffentlichenBibliotheknichterwartet.Fürmichhießdas:ent-wederverbringeichdienächstenzweistundenamBildschirmundexzerpiere,wieesjahrhundertelanginderGutenberg-Weltususwar.oder:ichverlassedenlese-saalundbeschließe,diegewünschtearbeitfürunwichtigzuerklären.diedrittemöglichkeit,denartikelzuhauseonlinebeimanbietendenverlagfür30eurozukaufen,verwerfeich,zumalichdamitnureinelizenzfürmeinenpersönlichenGebrauchaufmeinempersönlichenrechnererwerbenwürde.achja,derschutzüberdigitalrightsmanagement(drm)seiinmeinemeigeneninteresse,sagtdiemeldung.ichhabeaufdenartikelverzichtet,dochichwolltezumindestwissen,warum

dasallessoist.urheberrechtundcopyrighthatteichbislangmitdemstreitumdienutzungvonmusik,videos,spielenundunterhaltungsliteraturinverbindunggebracht.aberForschung,lehreundstudium?icherinnertemichanart.5desGrundgesetzes.

Artikel 5 des Grundgesetzes: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern

und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. […]

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. […]

eine öffentliche Bibliothek, die die anschaffung der dort verfügbaren Werkebezahlthat,istallgemeinzugänglich–aberungehindertenZuganghatteichnicht.undhatteichauchdasmitderWissenschaftsfreiheitmissverstanden?alsichmei-nenProfessordaraufanspreche,erfahreich,dassdierechteimGrundgesetzunddieexplizitineinemGesetzformuliertenrechteunddereneinschränkungenganzverschiedenedingeseien.meinFallseiüberdasurheberrechtgeregelt,unddiesesschützevorallemdenurheberbzw.denjenigen,derdierechtevomurheberzumZweckederPublikationundverwertungübernommenhat.sicherlichgäbeesimöffentlicheninteresseaucheinschränkungendieserumfassendenurheber-bzw.verwerterrechte,sokönnemandurchausdienutzungelektronischermaterialienüberdieBibliothekenauchohneerlaubnisderrechteinhaberermöglichen.WennderGesetzgeberdassoverfügt!Warumgeschahesdannnicht?meinProfessorwiesmichauf§52bdesurheberrechtsgesetzeshin,derdiese«WiedergabevonWerkenanelektronischenleseplätzeninBibliotheken[…]»regelt.dorthabeichalldasalsGesetzesnormgefunden,wasmichgehinderthat,inderBibliotheksozuarbeiten,wieichdasiminternetgewohntbin.ehrlichgesagt,ichversteheesnicht.WarumverabschiedenunsereParlamentariereinGesetz,dassesstudentenundProfessorenschwerermacht,anWissenundinformationenzukommenalsimGutenberg-Zeitalter?ZumaldieProduktiondiesesWissensinderregelmitöffentlichenmittelngeschieht.ichfinde,dasisteineverfassungsklagewert.einethesefürmeinehausarbeitstehtjedenfallsfest:

Was öffentlich war oder öffentlich finanziert ist, muss öffentlich zugänglich bleiben.

«einegutausgebauteWissens-allmendeistfürdasdenken,aberauchfürdasProduzierenoderheilensowichtigwiedieluftzumatmen.»attac-Basistext15–Wissensallmende

Page 30: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter?28

KrieG GeGen Die fische

WirschreibendasJahr2048.dieglobalenthunfischbeständewarenvor40Jahrenkollabiert,ebensowieeindrittelallerkommerziellgenutztenFischar-ten.Fischfanglohntesichnichtmehr.dieGrundschleppnetzfischerei–einesogrobeFangmethode,alswürdemanWälderabholzen,umdesWildeshabhaftzuwerden–hattezudemdiemeeresbödenfürJahrhundertegeschädigt.dieFischerundFischereipolitikerwarenzwarseitden1990erJahrenalarmiert,docheinumsteuernscheiterteeinumsanderemalanderKurzsichtigkeitderakteure.inzwischenistweltweitderKollapsallerkommerziellnutzbarenFisch-beständeeingetreten,wievonexpertenimJahr2006vorausgesagt.diemeerewerdenvonQuallendominiert,diekeinenatürlichenFeindemehr

haben.dertourismusandenKüstenkämpftezweiJahrzehntelangumsüber-leben.inden2030ernkamerzumerliegen.millionenFischersowiemenschenim fischverarbeitenden Gewerbe und in den Küstenorten haben ihre arbeitverloren. die sozialen spannungen in diesen regionen nehmen zu. intensivbewirtschafteteaquakulturen–ursprünglichalsalternativegedacht–hatteninwenigenJahrzehntenganzeKüstenstreifenverödet.dieBödensindbelas-testvomKotderZuchtfischeundvonantibiotika,siesindversalztundnutzlos.umdieverbliebenenFischgründe,inbiszu3000meterntiefe,konkurrierenzweiinternationaleKonzernemitihrenhightechtrawlern.ihrmonopolaufdieseltenundteuergewordenendelikatessenwirdeinzigvonbewaffneten,illega-lenschiffenbedroht.dieseschiffewurdenaufdemhöhepunktderKrisevonPiratengekapert, justalsdieuneinen letztenverzweifeltenversuchunter-nahm,die rücksichtslosehochseefischereivordenKüstenderentwicklungs-ländereinzudämmenunddieglobaleFangmengezuverringern.dieFolgenfürdiemenschensinddramatisch.soistderzeitdieGrundversorgungmiteiweißeinessechstelsderWeltbevölkerungakutgefährdet.hungerrevolten sindandertagesordnung,immermehrmenschenfliehen.derKrieggegendieFischewurdezumKrieggegendiemenschen.

FischereifahrzeugFoto:FlicKr-nutZermaritimus

Page 31: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

WemGehÖrenGemeinGüter? 29

buntes leben im meer unD an lanD

WirschreibendasJahr2048.dieFischereipolitikerlebte2012,demJahrderreformderGemeinsamenFischereipolitikdereu,einespektakuläreWende.es gelang, innerhalb eines Jahrzehnts die globalenFangmengen von damals90millionentonnenzuhalbieren.dabeiwurdendieQuotenempfehlungendesinternationalenrateszurerforschungdermeere(ices)regelmäßigunterbo-ten, dennderglobaleraubzuggegendieFischehatteschlagzeilengemachtund die Bevölkerung entsetzt. Politikern, die für ein «Weiter so» standen,drohte ein massiver verlust ihres ansehens. die verbraucher boykottiertennahezu alle Produkte, die nicht das siegel des marine stewardship coun-cil trugen.diehälftederFangfahrzeuge–etwa6000schiffe–wurdestill-gelegt, der treibstoffverbrauch der verbleibendenFlotte drastisch reduziert.WerderGrundschleppnetzfischereiüberführtwurde,verlorseineBetriebsge-nehmigung.dievergabederverfügbarenFangquotenverbandsichfortanmitstrengen Kriterien zur Fangqualität. vorzug erhielten FischereiunternehmenundKooperativen,dienatürlichereproduktionszyklenberücksichtigten,wenigBeifangnachweisenkonntenundProduktfrischegarantierten.auchdieanzahlundsicherheitderarbeitsplätze,eingeringerenergieverbrauchunddiestär-kungkommunitärerstrukturendurchdiereinvestitionvonGewinnenspieltein der Quotenvergabe eine rolle. die Fischpiraterie ist dank internationalerKooperation eingedämmt.maritime schutzgebiete sichern die KinderstubenderFische.endeder2020erJahrewarendie letzten industriellenaquakul-turenverschwunden.esfolgteeinBoominnovativeraquakulturtechnik–mitgeschlossenenKreisläufen,solarversorgungundfischmehlfreiemFutter.auchintouristenregionenkommtnurfrischer,einheimischerFischaufdentischderrestaurants.dasgehörtzumgutenton.WoBeständegefährdetsind,bestehtverkaufsverbot.FischerwerdeninsbesondereinfangarmenZeiteninnachhal-tigenFangmethodengeschult.siewerdenfürPflegeleistungenhonoriertoderinderumrüstungderhightech-Flotteneingesetzt.indenentwicklungsländernsindKüstenfischereiundnachhaltigeFischzuchtwiederzueinerlangfristigenPerspektivegeworden.dermigrationsdrucksinkt.

aufgenommeninmadagaskarvonJonathontalBot,Worldresourcesinstitute

Page 32: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen30

Gut zu wissen

es Gibt Kein PatentrezePt

einesinnvolleBewirtschaftungvonGemeingüternhängtvonvielenFaktorenab: Vom Charakter der Ressourcen: ◆ dinge,derenQualitätsichdurchdenGebrauchmindert–wieWasser,Waldunddieatmosphäre–brauchenZugangsbe-schränkungen.dinge,diesichdurchdienutzungvielermenschenmehren–wiesprache,Wissenundtraditionen–entfaltensicherstdurchfreienZugang(openaccess). Von der territorialen Bindung und Größe: ◆ esisteinunterschied,obwirvonlokalen,regionalenoderglobalensystemenreden.Fürdendorfbrunnenistdiedorfgemeinschaftzuständig.FürdasWassereinzugsgebietdieanrainerunddieentsprechendenregionalenundüberregionalenBehörden,fürdenglo-balenWasserhaushaltunddasKlimadieWeltgemeinschaftundinternationaleorganisationen.GlobalenatürlicheGemeingütergibtesnurwenige,dochsiesindfürdas

überlebendermenschheitbesonderswichtig:dieozeane,dasKlima,derglobaleWasserhaushalt,diebio-genetischevielfaltdererde.diedamitver-bundenenProblemesindsokomplex,weildirekteKommunikation,vertrau-ensbildungundverlässlichkeitaufinternationalerebeneungleichmühsamerherstellbarsindalsineinerdorfgemeinschaft.abersiesinddochunabding-bar.leichterscheinenglobalekulturelleGemeingüterhandhabbar,vorallemdasWisseninBildungundWissenschaft,weildieProduktion,dieverbrei-tungunddienutzungvonWissenohnehininternationalorganisiertsind.dasbegründetunteranderemdenweltweitenerfolgvonopenaccess(siehenächsteseite). Von den Erfahrungen und Verdiensten der Menschen: ◆ sostehenetwadenindi-genenGemeinschaftenimamazonas,dieüberJahrhundertedieurwälderalsglobalesGemeinguterhaltenhaben,besonderenutzungsrechtezu. Von den historischen, kulturellen und natürlichen Bedingungen: ◆ Wosichaktiveundlebendige(staats-)Bürgerschaftentfaltenkonnte,dawerdenanderecommons-institutionenhervorgebrachtalsinGegenden,woumdenrespektelementarermenschenrechtegerungenwerdenmuss–sowieesindürrege-bietenandereBewirtschaftungsformenfürdenumgangmitWassergibtalsinregenreichenGebieten.

GemeInGÜter stärken : Ideen , In I t IatIven , InstI tutIonen

dort,woimmermehrmenschenumWasserundland,FischgründeundWaldkon-kurrieren,kannsichnichtjederwieimschlaraffenlandverhalten.WieabergelingtKooperation?Wiekannhonoriertwerden,dassmenschen in ihremhandelnandieanderenundanmorgendenken?Gemeingüterforschunghateineantwortdarauf.siezeigt:menschentendierendazu,Gemeinressourcenzuübernutzen,wennsiesichnichtkennen.dagegen sindGruppen,die regelmäßigmiteinanderkommunizieren, inderlage,fastoptimaleergebnisseinderressourcenbewirtschaftungzuerzielen.dasdilemmakann vermiedenwerden, indemvertrauen aufgebautwird.es ist

derschwierigste,aberzuverlässigsteWeg,umzugewährleisten,dassdieeigeneein-schränkungvomGegenüberhonoriertwird.

Gemeingüter schützen, schaffen und erweitern muss einträglich sein und mehr Reputation bringen als eine geradlinige Karriere oder ein gefülltes Bankkonto.

Page 33: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 31

oPen access – Die bereicherunG Durch GemeinGüter folGt einem einfachen PrinziP

openaccesswird inderWissenschaft zunehmendrealität.einmeilensteindieserentwicklungwardieBerlinererklärungvon2004.siebeschreibtdiebeidenvoraus-setzungen,dieopen-access-veröffentlichungenerfüllenmüssen:

«1.dieurheber und dierechteinhaber solcherveröffentlichungengewähren allennutzernunwiderruflichdasfreie,weltweiteZugangsrecht[…]underlaubenihnen,dieseveröffentlichungeninjedembeliebigendigitalenmediumundfürjedenverant-wortbarenZweckzukopieren, zunutzen, zuverbreiten, zuübertragenundöffent-lichwiederzugebensowieBearbeitungendavonzuerstellenundzuverbreiten,soferndieurheberschaftkorrektangegebenwird.WeiterhinkannvondiesenBeiträgeneinegeringeanzahlvonausdruckenzumprivatenGebrauchangefertigtwerden.

2.einevollständigeFassungderveröffentlichungsowieallerergänzendenmateri-alien, einschließlich einerKopie der oben erläutertenrechte,wird in einemgeeig-netenelektronischenstandardformat inmindestenseinemonline-archivhinterlegt(unddamitveröffentlicht),dasgeeignetetechnischestandards(wiedieopen-archive-regeln)verwendetunddasvoneinerwissenschaftlicheneinrichtung,einerwissen-schaftlichenGesellschaft,eineröffentlicheninstitutionodereineranderenetabliertenorganisationindemBestrebenbetriebenundgepflegtwird,denoffenenZugang,dieuneingeschränkteverbreitung,dieinteroperabilitätunddielangfristigearchivierungzuermöglichen.»

das war und ist revolutionär. die Wissensproduzenten, die in der Wissenschaftzugleichauchnutzersind,habenangesichtsüberzogenerPreisefürwissenschaftlicheZeitschriftenzurselbsthilfegegriffenundderWeltdesPublizierensneueregelnundeineneuerealitätgegeben.durchopenaccesswirdeinGroßteildesWissens,dassichbislangdieverlagswirtschaftrechtmäßigüberverträgeangeeignethat,direktindasreservoirderGemeingüterüberführt.durch open access entstehen keine res nullius, sondern res communes (siehe

s.8f.).dieregelung ist klar und einfach:diestifter des publiziertenWissens, dieurheber,werdeninihrenPersönlichkeitsrechtenandenWerkennichteingeschränkt.aberjedeundjederdarfopen-access-Werkefreinutzenundweiterentwickeln.

http://oa.mpg.de/openaccess-berlin/Berliner_erklaerung _

dt _version _07–2006.pdf

Von der Existenz und Verlässlichkeit der Institutionen: ◆ staatlicheinstitutionenkönnentreuhänder,streitschlichterundKooperationspartnersowieinter-essenvertreteraufinternationalerebenesein.nurwennsiedemokratischlegitimiert,transparentundvondenmenschenanerkanntsind,sindsieindieserFunktiondurchsetzungsfähig.Korrupteoderfragilestaaten,aberauchregierungenundinstitutionen,diekurzfristigenwirtschaftlicheninteressenPrioritäteinräumen,werdenwenignützen. Vom Stand der technologischen Entwicklung: ◆ dietechnikermöglichtneuedimensionenderentfaltungderGemeingüter,aberauchneuedimensionenderverknappung.Wasbislangschnellknappwurde–etwadieverfügbarkeitdeselektromagnetischenspektrums–istdurchdiedigitalisierungvielfältigernutzbargeworden.einoffenesspektrumistmöglich!umgekehrtwirddurchneuetechnologienkünstlichverknappt,was,ohnedieQualitätderressourcezumindern,allenzurverfügungstehenkann:sowiefrüherstacheldrahtundmauerndaslandeinzäunten,wirdheutemitKopierschutzmechanismenein«digitalerZaun»umWissen,ideenundKulturgezogen.

Das Management der Gemeingüter ist ein komplexer sozialer Prozess, der andere Ansprüche stellt, als die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger, Käufer und Verkäufer.

Page 34: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen32

Weiterersprengstoffentstehtdadurch,dassdieBerlinererklärungzuopenaccessnicht auf wissenschaftliche Publikationen beschränkt ist, sondern alle kulturelleninhalteeinbezieht.dasbedeutetkeineswegs,dassKreative,dieaufeinkommenausihrenWerken angewiesen sind, alles freigeben sollen. GroßeWissenschaftsorgani-sationenwie diedeutscheForschungsgemeinschaft (dFG)haben zurecht auf denunterschied zwischenWerkenhingewiesen, die in öffentlicherumgebung odermitöffentlicherFinanzierungentstandensind,undWerkenvonfreischaffendenKünstlernundJournalisten.dochauchletzterewerdenauslotenmüssen,ob sienichtbesserfahren,wennsiediePotenzialedesinternetnutzen,stattweiterhinaufdieimregel-fallgeringenanteiligeneinnahmenausdenkommerziellenverwertungsmodellenzuvertrauen.

Open Access ist ein Nutzen stiftendes Paradigma für die Gemeingüter in elektronischen Räumen. Es muss gestaltet werden.

ZudenPersönlichkeitsrechtenderurhebergehören:dasrechtaufanerkennung/nennungderautorschaft ◆

dasrechtzuentscheiden,ob,wannundwieveröffentlichtwird ◆

dasrechtaufschutzvorentstellungdesWerks ◆

soüberzeugendderGedanke–umdiekonkreteumsetzungmussgerungenwerden:WerkommtfürdieKostenauf,dieauchbeiopenaccessentstehen?dürfenwissen-schaftlicheinstitutionenihreautorenverpflichten,Werke,diemitöffentlichenmit-telnunterstütztwurden,parallelodermitgeringerZeitverzögerungzurPublikationaufdemmarkt ineinöffentliches«repository»zustellen?sollesüberhauptnochkommerziellePublikationenwissenschaftlicherWerkegeben, derenentstehungdieÖffentlichkeitimGrundeerstermöglichthat?ParadigmenwechselsindschwierigeGeburten.aberdieideedesopenaccesskann

nichtmehramerwachsenwerdengehindertwerden.dasWissenderWeltwirdinsehrüberschaubarerZeitfreiverfügbarsein.Wissenwirdzudem,wasesimmerseinsoll-te:Gemeingut.openaccessmussnichtausschließen,dassdieGesellschaftauchdiekommerzi-

elleverwertungdiesesWissenserlaubt.nurwürdenjetztnichtmehrkommerziellerechteverwerterderGesellschaftnutzungslizenzenerteilen,sondernumgekehrt–dieGesellschaft erteilt den kommerziellen verwertern beschränkte nutzungslizenzen.Freilich gebunden an das bewährte «riparian principle» aus demWasserrecht:esmussimmernochgenugfüralleanrainerverfügbarsein.inFragenvonWissen,soft-wareundKultursindwiralle«anrainer».

Das riParian-PrinziP

nachdiesemPrinzipdarf,werlandbesitzt,aufdemsicheineWasserquelleodereinanderesWasserreservoirbefindet, dienutzungsrechtederanderenanrainernichteinschränken.solltenichtgenugWasserfüralleverfügbarsein,werdendienutzungsrechteinderregelanteilig(jenachlandbesitz)aufgeteilt.dieseWas-sernutzungsrechtekönnennichtallein,sondernnurinverbindungmitdemdazu-gehörigenlandveräußertwerden.undWasserdarfnichtausdementsprechendenWassereinzugsgebietexportiertwerden.dasPrinzipstammtausdemenglischencommonslaw.inKanada,australienundimostenderusaistesteildermoder-nenGesetzgebung.

«riverdochart»Foto:macieKleW,WiKimediacommons

Page 35: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 33

es ist an derWirtschaft, das Paradox derGemeingüter aufzulösen: Je freier undnachhaltigersiebleiben,destomehrkanndamitauchwirtschaftlicherGewinnerzieltwerden. in der Geschichte sind institutionelleübereinkünfte durchaus nicht unbe-kannt,denGebrauchdernaturumdesGemeinwohlwillenszubegrenzen:viehdurftenurnachbestimmtenregelnundZyklenaufdieWeide,holzeinschlagwurdedurchdieobrigkeitbeschränkt,undamoberlauf vonFlüssenwarverschmutzungunter-sagt.auchheute existieren solcheregeln, aber angesichts derGlobalisierung sindsieungleichumfassenderundkomplexer.dasGemeinwohlverlangt,denstoffwechselzwischenmenschheitundBiosphäresozubegrenzenundneuzuordnen,dasswederdienaturökonomieheruntergewirtschaftetwird,nochsozialeKonfliktesichverschär-fen.dabeigehtesimPrinzipumdreiherausforderungen:

dieentnahmevonrohstoffenaufeinemerneuerbarenniveauzustabilisierenund ◆

emissionenaufeinemunschädlichenniveauzuhaltendenumfangdervonmenschengenutztenlandflächeaufeinemfürdieanderen ◆

lebewesenzuträglichenniveauzubelassendieverhältnisseineinerWeiseneuzuordnen,dassnichteinzelneBevölkerungs- ◆

gruppenaufKostenandererleben

umdieBeziehungendermenschenzurnaturzuregeln,gibtesbislangkeineneinheit-lichentypusvoninstitutionen.auchbeidenpolitischeninstitutionenhatdienatur–sowieandereGemeingüter–keineneigenenFürsprecher.

Gemeingüter haben weder Sitz noch Stimme in den Gremien der Willensbildung und Entscheidung.

Gewiss, es gibt nationales und internationales umweltrecht, doch geht dabei dieregelsetzunggewöhnlichausdemoftungleichenKampfzwischeninteressengruppenhervor.esdominierenkurzfristigeinteressenderheutigenGeneration.daheristnichtüberraschend,dassderschutzderÖkosystemeeinumsanderemaldasnachsehenhat.hiergewinntdasnachdenkenübereinenneuentypunabhängigerGemeingut-vertretungenanGewicht.

Neue und innovative Institutionen für Gemeingüter sind notwendigerweise so divers wie die Gemeingüter selbst.

derus-amerikanischeautorundunternehmerPeterBarneshatdieeinrichtungvon«commonstrusts»vorgeschlagen,alsovontreuhandorganisationen,denendiesorgefürdaslangfristigeWohlergehenderGemeingüteraufgetragenist.dieseorganisa-tionenhabendieaufgabe, treuhänderisch fürheutigeundzukünftigeGenerationennutzungsgrenzenfürnatürlicheGemeingüterzubestimmen,nutzungslizenzengegenGeldauszugebenunddieeinnahmendenBürgern,auchzukünftigenGenerationen,alsdenkollektivenBesitzernzugutekommenzulassen.damitgewinntdasGemein-schaftseigentumeinestärkererechtsposition.eszubeanspruchenkosteteinenPreiswiejeglicheBeanspruchungfremderleistungoderfremdenBesitzes.denkbarsindtreuhand-institutionen für das management von Fisch- oder Waldbeständen, vonBoden,saatgut,Grundwasserundmetallen,undfürco2undandereschadstoffemis-sionen.denkbarsindsieauchaufregionaler,nationalerundglobalerebene.mitinsti-tutionenwieeinermeeres-treuhand,einersaatgut-treuhand,einerBoden-treuhand,einerKlima-treuhandodergareinerreklame-treuhandkönntenleitplankenfürdieKapitalakkumulationeingezogenwerden.diehegemoniedesKapitalsüberdienaturwäregebrochen.

Page 36: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen34

Klima-treuhanD oDer Der himmel ist für alle Da

demtreuhand-Gedankenamnächstenkommtdasmodelleinessky-trust,einerKli-ma-treuhand.derGrundgedankediesesvorschlages,derzunächstfürdieusaentwi-ckeltwurde,erklärtalleBürgerinnenundBürgerzumiteigentümernderatmosphäre,genauer:jenesteils,derdenusazusteht,gemessenanihrerBevölkerung.ZunächstwirddieobergrenzederBelastungdurchco2-emissionenfestgelegt.dasrechtdernutzungwird in quantitativeneinheiten versteigert.anteile kostenumsomehr, jestärker dieverschmutzungsrechte begrenztwerdenmüssen, und zwar solange dieatmosphäredurch immermehrmenschenund immerhöhereenergetischeansprü-chebelastetwird.durchdieseemissionskostensteigendiePreisevonProduktenunddienstleistungen.Gleichzeitigentstehenhoheerträge.siewerden,nachabzugdesfürdenerhaltdesGemeinguteserforderlichenanteils,analleBürgerinnenundBür-gergleichmäßigverteilt.

EMITTENTEN

SKY TRUST

BÜRGER-INNEN

+BÜRGER

Wervielkonsumiert,autofährt,fliegt,zahltalsomehr,alsererhält;wermäßigkon-sumiertundenergiespart,bekommtzurück,wasermehrausgebenmusste,oderstehtsogarbesserdaalsbislang.dersky-trusthatdamitaucheinesozialeKomponente.armeundGeringverdienendeerhalteneinenvorteil,weilsiewenigenergieverbrau-chen.luxusoderunbedachterKonsumdagegenwirderheblichbelastet.soversuchtdasmodelldessky-trusteinGemeingutzuschützen,indemesdieatmosphäreentlas-tetundzugleichdiedamitverbundenenverteilungskonflikteausgleicht.Gemeingüterfallennichtvomhimmel.siekönnenimmerwiederneugeschaffen

underweitertwerden.aufdenfolgendenseitenwerdennebenderKlima-treuhandweitere ideen vorgestellt, deren umsetzbarkeit vom Gestaltungswillen der Gesell-schaftabhängt.überintelligentesteuerungderGemeingüterkannmanerstdannsinnvollreden,

wennGemeingüteralssolchewahrgenommenundbenanntwerden.dochmitGemein-güternverhältessichwiemitmangelndenFremdsprachenkenntnissen:Wirwerdenunsihrererstbewusst,wennwirspüren,wiesehrwiraufsieangewiesensind,nämlichwennunsereideenundmittelversagen,unsereeigenenGemeingüterdurchdasaus-weichenaufdieGemeingüteranderermenschendurchGeldodermachtzuersetzen.

Lesetipp Wuppertalinstitut:Zukunftsfähiges Deutschland in einer globa-lisierten Welt,Frankfurt2008,s.285f.PeterBarnes:Kapitalismus 3.0 Ein Leitfaden zur Wiederaneig-nung der Gemeinschaftsgüter,hamburg2008

Page 37: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 35

reKlame braucht Grenzen

Werbung stört und zerstört.sieproduziertlärmundmüll.die«dunkleseitedesüberflusskapitalismus» (Peter Barnes) flutet unsere Briefkästen und unsere vor-stellungen. dafür zahlenwir zunächstmit aufmerksamkeit, sodann an derKasse,währenddieGesellschaftfürdiewerbeverursachtenumwelt-undsozialkostenauf-kommt. «nochkeinediktaturwar so gut gelauntwie diese»,meint der Journalisthannorauterberg.«Wirwerdenbestückt,beduftet,bespamtundbeschallt,einwah-rer«anschlagaufdiesinne.»us-amerikanischeKinderhabenbiszumaltervon fünfJahren imdurchschnitt

100000Fernsehwerbeanzeigengesehen.Jährlich landen33kgWerbewurfsendun-genineinemdurchschnittlichendeutschenBriefkasten.vondortwandertdergrößteteil direkt indiemülltonne.dieherstellungderWerbesendungenverschlingtJahrfürJahr2,7millionenBäume,1,157millionenkWhstromund4,62milliardenliterWasser, ohnenützliches für dasleben zu produzieren.dochWerbung verbrauchtnichtnurnatürlicheressourcen,siegräbtsichauchinunserementalenFreiräume.inZeitschriftenkannsieübersehenwerden,imFernsehenweggezappt,deswegenistinzwischen jedernurdenkbareöffentlicheortzumWerbeträgermutiert.Gebäude,Plätzeundganzelandschaftendienenalsanzeigetafel.Kommunenundinstitutio-nenallercouleurverkaufenihresymbolträchtigstenorteandieWerbeindustrie–umklammeKassenzufüllenoderProjektezufinanzieren.damitkönnenWerbeeinnah-menzwarfürgemeinnützigeZweckeverwendetwerden,demanschlagaufdiesin-neundderKommerzialisierungdesöffentlichenraumsentkommenwirabernicht.einzelnewehrensichmitrobinsonlisten,spam-Filtern,tv-Werbeblockernoderdemschlichten«keineWerbungbitte».mancheländerverbietenWerbungwährenddesKinderprogramms.dieus-BundesstaatenarkansasundmainediskutierenGesetzes-vorlagenzurBesteuerungvonWerbemaßnahmen.Großstädtewiemoskau,ParisundsãoPaulogehenmitverbotengegendie«optischeverschmutzung»durchGroßwer-betafelnvor.dasistgutso,dennunsereaufmerksamkeitgehörtuns.umdenanreizzurver-

müllungunsererlebensräumeundmußestundenzusenken,sollderjenigezurKassegebetenwerden,dersiezuWerbezweckennutzenwill.JemehrWerbung,destoteurerfürdiewerbendenunternehmen.

treuhänderischeorganisationenkönntenobergrenzenfürdiezulässige«Gesamtstör-menge»festlegenundwerbewilligenunternehmenhandelbareWerbegenehmigungenverkaufen.unserepsychischenKostenfändensoihrendirektenniederschlagindenBilanzenderWerbeagenturen.dieideeisteinfach:WenigerWerbung–mehrseelen-frieden–mehrGeldfürwerbefreiesenderunddieBelebungwerbefreieröffentlicherräume.

Lesetipp hannorauterberg:Werbung und Öffentlichkeit – Du kannst uns nicht entkommen!dieZeit,47/2008

«unseregeistigeumweltisteinGemeingutwiedieluftunddasWasser.WirmüssensievormissliebigemZugriffschützen.»Kallelasn

«Billboard»Foto:FlicKr-nutZersimonscott

Page 38: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen36

walDKaffee – eine Kleine revolution

«Kaffas Wälder bluten!» mesfin tekele stammt aus dem süden Äthiopiens, dortbeherbergenmächtigeurwaldriesennochimmereinartenreichesParadies.dochdieBilanz desForstwirts ist bitter:allein zwischen1980 und2000 seien43ProzentdesgrünenBandesverschwunden.seitherhabesichdieZerstörungimBongaForestvermutlichehernochbeschleunigt,meinenexperten.unddabeiistderdschungelvonKaffaeinerderletztenÄthiopiens:nochinden1970erJahrenlagen40Prozentdeslandesuntereinerdichtenvegetationsdecke–heutesindesnochrundzweiProzent.siesindnichtnurihrerschönheitundmannigfaltigkeitwegensokostbar;dieWäl-

dersindaucheineexistenzielleressourcefürallesleben,allesWirtschafteninderregion.mehrnoch:überdenewigenKreislaufausWasserspeicherungundverduns-tungkühlensiedas lokaleKlima.siespeisendie fruchtbarenÄckerdessüdwestli-chenhochlandesmitFeuchtigkeitundnährenausdenmoorenundFeuchtgebieteninihrertiefedenGojeb-Fluss,derindieafrikanischelebensaderomomündet.Ganzzuschweigendavon,wievielKohlenstoffdieüppigePflanzenweltundderWaldbodenbinden.

Diese Wildnis zu erhalten, ist eine Überlebensfrage, nicht nur für die indigenen Völker und Bauern, die in und von ihr leben. Sie ist ein lokales wie globales Gemeingut, für das auch die Weltgemeinschaft Verantwortung trägt.

KaffasBäumefallen,weilunternehmerPlatzfürPlantagenfreimachenwollen.siewerden aber auch gerodet, weil Familienwachsen oder zuwandern undackerlandbrauchen.Werwollteihnenihrenüberlebenswillenvorwerfen?dabeiwirdmitdemWaldzugleicheineunmittelbarwichtigelebensquellefürdiemenscheninderregionzerstört.sieessenseineFrüchte,sienutzenheilkräuter,honigundholz.dieFrageinKaffa–wieimKongo,inindonesienoderimamazonas–lautet:Wie

kannmanallengerechtwerden;menschen,menschheitundWald?Weil sich die Natur, die Kulturen und rechtlichen Bedingungen überall unterscheiden, können die Lösungen nur vielfältig sein.

im Kaffa-Forest von Bonga haben «Geo schützt den regenwald» und ein kleinesunternehmennamens«originalFood»begonnen,denBauerndendoppeltenPreisfüreineinzigartigesProduktzubezahlen:Waldkaffee.dennKaffaistdieursprungsre-gionderedlenBohne,hierimWaldwächsterwildundinimmenserartenvielfalt.anderabnahmedergesammeltenJahreserntezueinemfestensatzkönnendieFarmernichtnurbesserverdienen,sieentwickelnzugleicheingrößeresinteresseamWald-schutz.dennnunwirdderdschungelnichtmehrdurchraubbauzureinkommensquel-le,sonderndurchmöglichstlangfristigenutzung.esgenerierteineinkommen,dasinderabgelegenenKaffa-regionmittlerweile6600Kleinbauernmit ihrenmeist sehrgroßenFamilieneinauskommenermöglicht.umdievermarktungdesKaffeesauchlangfristigtragbarzugestalten,habensichWaldbewohnerunddorfgemeinschaftenzuWaldnutzer-organisationen zusammengeschlossen.sie stecken, oft unteranlei-tunginternationalerorganisationen,einGebietabundlegengemeinsamrechteundregelnundeinenmanagementplanfest.«Participatoryforestmanagement»isteinklassischesGemeingut-verfahren.

Entscheidungsprozesse und Sanktionen bei Konflikten müssen von den Betroffenen selbst bestimmt werden – das ist vielerorts eine kleine Revolution. In Kaffa ist den Bauern diese kleine Revolution bisher gelungen.

WildkaffeeisteinewichtigeeinkommensquelleinKaffa,ÄthiopienFotos:naBu/s.Bender-KaPhenGst

Page 39: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 37

enerGie in unsere hänDe

alssichdiehamburgerGrünen(Gal)nachderlandtagswahlanfang2008entschie-den,mitdercdudieregierungzubilden,versichertensieihrerBasis:mitunswirdeskeinneuessteinkohlekraftwerkgeben!dochwenigemonatespäterwarklar:dierechtslage ließ nur die Genehmigung zu, dasWahlversprechen musste gebrochenwerden.dieumweltsenatorinanjahajdukundihremitarbeiternahmendienieder-lage als ansporn: sie beschlossen, ein eigenes energieversorgungsunternehmen zugründenundzumprivatenenergielieferantenvattenfallinKonkurrenzzutreten.sowerdendieverhältnissewiedervomKopfaufdieFüßegestellt.unterdemdachdesBetriebshamburgWasser,derinkommunalemBesitzist,sollendieseneuenstadt-werkeausschließlichstromaus erneuerbarenenergienanbieten.WenndieBürgeremsigÖkostromnachfragen,kannderKohlestrompotenziellandenranddesmark-tesgedrängtwerden.dieinitiatorenwarensichdersympathienderBürgergewiss,denninnerhalbvondreiJahrenhatteeineunmissverständlichemehrheitperPlebiszitvetogegenPrivatisierungeneinesKrankenhauses,derhamburgerWasserwerkeundeinesteilsderberuflichenBildungeingelegt.

nichtnurinderhansestadterlebenöffentlicheversorgungsunternehmeneinerenais-sance.derimpulskommtausderGesellschaft:KoalitionenausBürgern,organisati-onenundoftauchoppositionsparteienzogenimmerwiedergegendieabsichtihrerstadtregierungen zuFelde, kommunaleseigentumumkurzfristigervorteilewillenzuverkaufen.Fast90ProzentderstimmberechtigtenverhindertenbeieinemBür-gerbegehreninleipzig,dassteilederstadtwerkeandenfranzösischenKonzernGazdeFranceverkauftwurden.auchinQuedlinburg,meißen,FreiburgundzahlreichenbayerischenGemeindenwurdenstädtischeWohnungen,sparkassenoderstadtwerkeverteidigt.diebreiteunterstützungfürdierekommunalisierungderenergieerzeugungoder

gardieübernahmederselbeninBürgerhand,wieimniedersächsischenBioenergiedorfJühnde,imbaden-württembergischensuppingenoderbeidenFreiburgerGenossen-schaftlernvon«energieinBürgerhand»zeigen:vielemenschenwollenmehralseineöffentlicheverwaltungihrerenergieproduktion.siewollenPrioritätenundPreisge-staltungmitbestimmen.miteinemüberzeugendenenergiesparkonzept,effizienterKraft-Wärme-Kopplung

undderumstellungauflokalverfügbareerneuerbareenergienkanndieenergiepro-duktionheuteanjeneGemeinschaftenrückgebundenwerden,diestromundWärmeverbrauchen.radikaldezentral.

Wenn Energie wieder zum Gemeingut wird, dann bedeutet das: weniger Abhängigkeit von den Energiegiganten und mehr Möglichkeiten, nachhaltig zu wirtschaften.

Lesetipps JohnByrneetal:Relocation energy into the social commons. Bulletin of Science, Technology & Society,volume29,number2,april2009,s.81–94.www.energie-in-buergerhand.dewww.bioenergiedorf.de

BioenergiedorfJühndeWWW.BioenerGiedorF.de

Page 40: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen38

KommuniKation selbstorGanisiert

derZugangzumtelefonnetzoder internetgelingtnormalerweise so:manschließteinenvertragmiteinertelefongesellschaftodereinemProviderundbekommtZuganggewährt.Frühergabesnureinenanbieter,diestaatlicheBundespost.heutegibteseinehandvoll großer und allerhand kleinereKonkurrenten. viel geändert hat sichdadurchnicht–dernutzeristlediglichKunde.inzwischenhatdietechnikalternativeneröffnet.Wlanstelltschnelledrahtlose

verbindungenzwischencomputernher.dietechnikistauskeinemlaptopmehrweg-zudenken.Wlan-router,dieFunksignaleandiecomputerinihrerumgebungüber-tragenkönnen, sindgünstigzuhaben.mitderverbreitungvonWlanentstandenschonbaldfreieFunknetze:netzevonmenschen,dieihrenWlan-routernichtnurdazubenutzen,kabellosimeigenenGartenzusurfen,sondernauchdazu,alleninihrerumgebungfreienZugangzuminternetzugewähren.FreieFunknetzeermöglichenzudemdirekteKommunikationzwischenallenbetei-

ligtenrechnern.sokönnenauchdortKommunikationsstrukturenaufgebautwerden,wogarkeininternetzugangexistiert–z.B.inländlichenGebietenvonentwicklungs-ländern.die«100-dollar-laptops»des«onelaptopPerchild»-Projekts,dasmög-lichstvielenKinderneinenlaptopalslern-undKommunikationswerkzeugzurverfü-gungstellenwill,sinddadurchinderlage,sichmitallenrechnerninFunkreichweitezueinemspontanennetzwerkzusammenzuschließen.Jederweitererechnervergrö-ßertdiereichweitedesnetzwerks,daallecomputer,dieperFunkerreichbarsind,wiederumteildesnetzwerkswerdenkönnen.WoherkömmlicheKommunikationska-nälefehlenoderzuteuersind,istdaseineattraktivealternative.dasnetzwerknutztallen,undalletragenihrenteildazubei.nochbeliebteralse-mailundanderecomputerbasiertemedienistdasgutealte

telefon–aberauchdafürmussdienötigeinfrastrukturvorhandensein.dasvillagetelcoProjectunddasFreetelephonyProjectarbeitengemeinsamdaran,freiehard-wareundsoftware fürdenkostengünstigenBetrieb lokalertelefonnetzezuentwi-ckeln.dieideeist,gerademenscheninentwicklungsländern,dievonkommerziellenKommunikationsmedienoftausgeschlossensind,alternativenzuerschließen.überallarbeitenmenschenandiesenundanderenideen.dieergebnisseihrerarbeit–freiesoftwareundBauplänefürfreiehardware–teilensiemitunsallen.

Links ZumthemaFreifunk:http://start.freifunk.netonelaptopPerchild:www.olpc-deutschland.devillagetelco:www.villagetelco.orgFreetelephonyProject:www.rowetel.com/ucasterisk

D4t – ein aiDsmeDiKament aus öffentlichen labors

der Wirkstoff d4t wurde in den 1960er Jahren am detroit institute of cancerresearch(usa)aufdersuchenacheinemKrebsmedikamententwickelt.alsinden1980erJahrenaidsausbrach,beganndiefieberhaftesuchenachgeeignetenmedi-kamentenzurtherapiederhiv-infektion.anderYaleuniversitätbesannmansichdesd4tund führtemitFinanzierungderusnational institutesofhealthweitereuntersuchungendurch.1986meldetedieYaleuniversitätd4tzuraids-Behandlungzum Patent an. Für die weitere Produktentwicklung erhielt das Pharmaunterneh-menBristol-myerssquibb(Bms)eineexklusivlizenzundbrachtedasmedikamentschließlich1994als«Zerit»aufdenmarkt.dieuniversitäterhieltalsPatentinhabereineGewinnbeteiligung.Baldwurdedeutlich,dassaidsvorallemfürdassüdlicheafrikazueinerKatastro-

pheungeahntenausmaßeswurde.dieKostenfürmedikamentewarenjedochsohoch,dassdiehilfsorganisationensiekaumtragenkonnten,geschweigedenndieBetrof-fenenselbst.deshalbfragtedieorganisationÄrzteohneGrenzen(msF)imFebruar2001 bei deruniversität an, obman bereit sei, eine freiwilligelizenz auf d4t zu

Foto:FlicKr-nutZersuttonhoo

Foto:WiKimediacommons-nutZerPÖllÖ

Page 41: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen 39

vergeben,umherstellungundimportgünstigerGenerikanachsüdafrikazuermögli-chen.dieuniversitätsleitungverwiesaufdievertraglicheBindungandieexklusivli-zenzfürBmsundlehnteab.diesereaktionführtezuunmutanderuniversität.stu-dierendeundWissenschaftlerempörtensich,wie–auskommerziellenGründen–einlebensrettendesmedikamentimBesitzderuniversitätdenBedürftigenvorenthaltenwerdenkönne.esgabunterschriftenaktionen,Presseberichteundöffentlichedebat-ten.imJuni2001lenktederlizenznehmerBmseinundunterschriebeinenverzichtaufseineexklusivenrechte inafrika.dieswareinwichtigerBeitragfürdieenormePreissenkungderaidstherapie.

freie lizenzen unD Das coPyleft-PrinziP

WerproprietäresoftwareanFreundeoderBekannteweitergibt,machtsichstrafbar.dennwerdastut,hateineKopieerzeugt,unddaserzeugenvonKopienistlauturhe-berrecht verboten.diesoftware in irgendeinerWeise zu verändern, ist auchnichtmöglich;dafürbräuchtemandenQuelltext,dieversiondesProgrammcodes,dienichtnurmaschinen,sondernauchmenschenverstehen.aberderQuelltextwirdnormaler-weisenichtmitgeliefert.dochselbstwemesgelänge,diesoftwarezuverändern,derdürftedieverbesserteversionnurpersönlichnutzen–sieanandereweiterzugeben,istschließlichverboten.richardstallman,ein«hacker»(alsoeinbegnadeterProgrammierer)derersten

stunde,leuchtetedasnichtein.erwolltedennutzernseinersoftwarediegenanntenmöglichkeiteneinräumen,underselbstwolltenursoftwareverwenden,dieihmundanderendiesemöglichkeitengibt.stallmanprägtedenBegriff«Freiesoftware»fürsoftware,dieallihrennutzernfolgendeFreiheitengewährt:

Freiheit 0 ◆ dieFreiheit,dasProgrammfürjedenZweckeinsetzenzudürfen.(informatikerhabendieseltsameGewohnheit,von0stattvon1beginnendzuzählen.) Freiheit 1 ◆ dieFreiheit,untersuchenzudürfen,wiedasProgrammfunktioniert,undesdeneigenenBedürfnissenanzupassen. Freiheit 2 ◆ dieFreiheit,dasProgrammanandereweiterzugebenundKopienfüranderemachenzudürfen. Freiheit 3 ◆ dieFreiheit,dasProgrammverbessernzudürfenunddieseverbesse-rungenzumallgemeinenWohlzugänglichzumachen.

Freiheiten1und3setzendabeidenZugangzumQuellcodevoraus.undFreiheiten2und3siehtdasurheberrechtnichtvor,sofernmannichtdieexpliziteZustimmungdesurhebers(autors)dersoftwareeingeholthat.stallmanschriebdahereinelizenz,dieerdenvonihmgeschriebenenProgrammenbeilegtunddieallennutzerndieviergenanntenFreiheiteneinräumt.Wirmüssenalsonichtmehrdieerlaubnisdesurhe-berseinholen,wirhabensieschon.dochstallmanerkannte schnell,dassdievierFreiheitennichtausreichen,denn

jeder,dereinProgrammverändertodererweitertundindiesererweitertenFormwei-tergibt,wirdzummitautordersoftware.somitmüsstendienutzernunauchdes-senerlaubnis einholen, umdie veränderteFassungbearbeitenundweitergeben zukönnen.hättederneueautordieerlaubnisverweigert,wäreesumdieFreiheitdernutzererneutschlechtbestellt.umsicherzustellen,dassalleversionen,dieaufseinersoftwarebasierten,freiblieben,nahmstallmaninseinelizenz–dieGNU General Public License (kurzGPl)–einPrinzipauf,daser«copyleft»nannte.dascopy-leftdrehtdieursprünglicheintentiondescopyrights(bzw.desurheberrechts)um.Währenddasurheberrechtnormalerweisedieautorenzunichtsverpflichtetunddennutzernfastnichtserlaubt,machtdascopyleftdasGegenteil:eserlaubtdennutzernsehrviel,indemesihnendiegenanntenvierFreiheitengewährt,undverpflichtetallekünftigenautoren,dennutzernihrereigenenverbessertenversionendieselbenrech-teeinzuräumen,wiejene,diesieselbstgenossenhaben.

Quelle:BuKoPharma-Kam-pagne,med4all:medizinischeForschung–derallgemeinheitverpflichtet,nr.1/2009s.8/9,gekürzt

Page 42: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüterstÄrKen:ideen,initiativen,institutionen40

dieautorenerhaltenalsodieFreiheit,dasProgrammzuverändernunddieseverän-derungenzuveröffentlichen(Freiheit3)nurunterderBedingung,dasssiedieverän-derteFassungebenfallsunterGPlveröffentlichenundgleichzeitigdennutzerndenZugangzumQuellcodeermöglichen,dennohneQuellcodeisteinveränderndesPro-grammsnichtmöglich.

Die Freiheit der unter GPL veröffentlichten Software ist damit für alle Zeiten und für alle Weiterentwicklungen gesichert.

diese idee der umkehrung der intentionen des copyrights (das Basis aller freienlizenzen ist)zumcopyleftwarsehrerfolgreich.dieGPlistheutedieammeistengenutztelizenzfürFreiesoftware.siewirdfüretwazweidrittelallerFreiensoft-wareprogrammegenutzt.Was fürsoftware funktioniert, kann auch für andereWerkewie texte,Bilder,

musiksinnvollsein–daswardieideedes Creative-Commons-Projekts (kurzcc),dasfürsolcheWerkeeineganzeFamilievonlizenzenentworfenhat,ausdenensichjederautordiejenigeaussuchenkann,dieseinenBedürfnissenambestenentspricht.dabeimussmansichentscheiden,obeinemdascopyleft-Prinzip,hier«sharealike»genannt,wichtig istodernichtundobmankommerziellenutzungenerlaubenoderverbietenwill.esgibtzudemdieoption,veränderungendesWerksganzzuuntersa-gen.dahergewährennichtallecc-lizenzendievierFreiheiteninvollemumfangundfür beliebigeZwecke; zumindest die nichtkommerzielleWeitergabe ist aber immererlaubt.dasistdierichtigerichtung.

Lesetipps Wikipedia-artikelzucopyleft,creativecommons,Freiesoftware,GnuGeneralPubliclicense,richardstallmanGnu-Projekt:diedefinitionFreiersoftware:www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html

creativecommons«attributionsharealike»

Page 43: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GrundZüGeeinerGemeinenPeer-ProduKtion 41

GrundZÜGe eIner GemeInen peer-produktIon

WasheutenochalsschwächederGemeingütererscheinenmag,könntesichinnichtallzufernerZukunftalsihrestärkeerweisen:Geldspielteinenachgeordneterolle.Was Gemeingüter auszeichnet, ist die Zusammenarbeit zum Gedeih des geteiltenBesitzes,nichtKonkurrenzumderindividuellenBereicherungwillen.Gewöhnlichsindmonetäreanreizehöchstensamrandewichtig,wichtigersindmotivewiegemein-samernutzen,Kompetenzerfahrung,Geselligkeit oderreputation.die sphäre derGemeingüteristindiesemsinneeinwaren-freierraum.

Es handelt sich um eine Ökonomie des Teilens und der Beteiligung, nicht der Akkumulation und Ausgrenzung.

ohne eine solche Ökonomie des teilens ist eine wachstumsbefriedete Wirtschaftundenkbar.dennleistungen,dieausGemeinsinn,interesseandersacheodersoli-daritäterbrachtwerden,schaffendiemöglichkeit,BedürfnissemiteinemgeringerenGeldeinsatzverwirklichenzukönnen.sowiedasWerkderWikipediaunerschwinglichwürde,wennallenBeiträgerneinhonorarbezahltwerdenmüsste,soerbringenaucheindutzendälteremenschenineinemco-housing-Projektuntereinandersorgeleis-tungen,welchedieöffentlichePflegefinanzierungüberfordernwürden.mitanderenWorten:WasindieGemeingutsphäreeingebrachtwird–vielerortsalssozialkapitalbezeichnet–,istgenaubesehen«geldeffizient».PereinheitanleistungistwenigeraufwandanGeldkapitalerforderlich.GenaudiesistzentralfüreinWirtschaftssys-tem,dasohneWirtschaftswachstumauskommenmuss,aberdennochfunktionierensoll.

Weil Geldeffizienz in diesem Sinne als Säule für eine Postwachstumsökonomie gelten kann, ist eine Neuerfindung der Gemeingüter Voraussetzung für eine zukunftsfähige Wirtschaftsordnung im 21. Jahrhundert.

Zweifellosisteshöchstfahrlässig,weiterhinaufeinsteigendesvolkseinkommenzusetzen.dasGegenteilzutun,nämlichaufwirtschaftlichestabilitätundKonsumbe-schränkungzusetzen,hatmehrvernunftfürsich.dieGründedafürsindausreichendbekannt:Klimachaos,schwindendeÖl-undGasreserven,wachsendeschuldenbergeund verstärkteressourcenansprüchean verschiedenenortenderWelt.esgenügt,daraufhinzuweisen,dass esbald– vielerorts schon jetzt–nichtmehrumWachs-tum,sondernumzivilisiertesüberlebengeht.daraufsindwederdieökonomischePra-xisnochdieökonomischetheorie vorbereitet.sie stehen ratlosvorderFrage,wiedielebensumständeverbessertwerdenkönnten,auchwennderKuchennichtmehrwächst.umWirtschaftsformennachvornezubringen,dieeingedeihlichesbzw.aus-kömmlichesWirtschaftenermöglichen,istdiestabilisierungeinervielfältigenarchi-tekturderGemeingüterelementar.als erster erkanntewohlderus-amerikanischeÖkonomYochaiBenkler,dass eineProduktions- und Wirtschaftsweise, die auf Gemeingütern aufbaut, sich von her-kömmlichenvorstellungenvonProduktionbeträchtlichunterscheidet.Benklerpräg-te denBegriff «commons-based peer production», denman aufdeutsch etwamit«GemeinePeer-Produktion»wiedergebenkann.eineGemeinePeer-ProduktionfindetimGegensatzzurProduktionfürdenmarkt

nichtfürdenverkauf,sondernfürdiedirektenutzungstatt.Peer-ProjektehabeneingemeinsamesZiel–softwareherstellen,musikmachen,einenGartenpflegen–,undalleteilnehmerinnenundteilnehmertragenaufdieeineoderandereWeiseetwaszudiesemZielbei.undzwarmeistensnicht,umGeldzuverdienen,sondernweilsiedieZieledesPro-jektsteilenundwollen,dasseserfolgreichist–odereinfachweilsiegerntun,wassietun.einesolcheGemeinePeer-ProduktionerzeugtneueGemeingüteroderpflegtundver-bessertdievorhandenen.hierarchischeBefehlsstrukturensinddiesenPeer-Projektenweitgehendfremd.dasheißtkeineswegs,dasssieunstrukturiertwären(oftgibtesetwamaintaineroderadministratoren,dieeinProjektaufKurshaltenundentschei-den,obBeiträgeintegriertoderzurückgewiesenwerden),aberniemandkannanderenbefehlen,waszutunist.derumgangmitdiesenGüternistnichtregellos.dieregeln

Page 44: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GrundZüGeeinerGemeinenPeer-ProduKtion42

entstehen aus dem Konsens der «Peers». in dieser Gemeingüterwirtschaft durchGleichgestelltegibteskeinenZwangundkeineBefehle.esbestehtfreiwilligeKoope-rationzwischenGleichberechtigten.Jederwirdauseigenemantriebinitiativ.main-tainerkönnennurdieBeteiligtendavonüberzeugen,dasseinebestimmteaktivitätsinnvollist.diesführtzueinemmaximumanFreiheitfüralleBeteiligten.

eineGemeine Peer-Produktion findet immer imrahmen von «communities», alsoGemeinschaften,statt,indenensichmenschenmitgemeinsameninteressenodernuraufgrundvonnachbarschaftzusammenfinden.WiedasBeispiellinuxzeigt,könnendieseräumeundGemeinschaftendurchausauchglobalgefasstsein.dievirtuellenWeltenmachenmöglich,dassneue,territorialunabhängigeFormenvonGemeinschaftentstehen.

In offenen, niemals abgeschlossenen Prozessen entwickeln die Gemeinschaften die Regeln, Organisations- und Institutionalisierungsformen, die der Erreichung ihrer Ziele am besten entsprechen.

einBeispieldafür,wieinnovativundproduktiveinesolcheGemeingüterwirtschaftseinkann,liefertdiedynamikderinternetinnovationnachdemdot-com-crashimmärz2000.damalswurdedasvorläufigeendedertechnologischenentwicklungimnetzvorausgesagt,dennmitdemcrashgingdasKapitalverloren.aufdennächsteninno-vationsschubmüssemanlangewarten,sodievoraussagenderexpertendermarkt-wirtschaft.dochdasistnichtpassiert.stattdessenentstandeninrasantemtempodieinnovationendesWeb2.0.indemmoment,alsdiefinanziellenmittelknappwurden,hatsichdieentwicklungdesinternetsnichtverlangsamt,sondernbeschleunigt.dasistnichtparadox,sondernbestätigtdasinnovationspotenzialderGemeingüterundgemeinsamerFormenderPeer-Produktion.inden1970erJahrengabesinKalifornieneinenaufstrebendensektorfürerneu-

erbareenergien.doch«start-ups»,diesichindiesemBereichengagierten,wurdenaufgekauft, als ineffizient definiert und klassischenBetriebsstrukturen einverleibt.dasbrachteinvestitionenundinnovationenfürerneuerbareenergienoderalternativeantriebsformenimautomobilsektorzumerliegen.derGrundisteinfach:materielleProduktionbasiertvorallemaufWissen,Konzepten,ideenunddesigns.Wersichdie-seaneignetundwegschließt,sichertsichmacht.dendringendbenötigteninnovationsschubfürerneuerbareenergienhatesvor30

Jahrennichtgegeben,weildiedesignsproprietärwaren;nurdie«eigentümer»konn-tensienutzen.dasergebnisisteineKatastrophefürsKlimaundeineKatastrophefürdiemenschheit.

YochaiBenklerFoto:FlicKr-nutZerJoi

Page 45: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GrundZüGeeinerGemeinenPeer-ProduKtion 43

Wer Ökologie und Ökonomie verbinden will, braucht offene designs.mobilität,energieversorgung,KommunikationundGebrauchsgütervonmorgenbrauchenoffe-nenZugangzudenBauplänen.ZwarhatsichdieGemeinePeer-ProduktionvoralleminderWissens-undsoft-

wareproduktionentwickelt,dochihrePrinzipiensindauchaufdieherstellungmateri-ellerGüterübertragbar.dasbedeutet:

«dasProblemzuerkennenistnichtsoschwer.WirlebenineinerGesellschaft,dieoffenbardavonausgeht,naturseiimüberflussda.soproduzierenwir,undsoentsorgenwir.aberdasisteinPseudo-überfluss,esgibtihnnicht.WährendinderimmateriellenWelttat-sächlichüberflussherrscht,dochderwirdkünstlicheinge-zäunt.»michelBauWens

WissenundnatürlicheressourcensindGemeingüter,diegrundsätzlichallen ◆

zustehen.Zuihrernutzunggibtesregeln,dieFairnessgewährleisten.dieProduktionphysikalischerGüterbasiertauffreiendesigns(Bauplänen), ◆

diejederweiterentwickelnunddeneigenenBedürfnissenanpassenkann.diephysischeProduktionistdezentralorganisiert,siefindetzumeistortsnah ◆

statt.dieProduktionistnutzen-undnutzerorientiert:eswirdproduziertfürdas ◆

leben!dasengagementderBeteiligtenerfolgt–wiebeiFreiersoftware–per ◆

«selbstauswahl»:mansuchtsichaus,wieundwomansichbeteiligenmöch-te.dieserforderteinhohesmaßanabstimmung,bringtaberauchmehrZufriedenheit.Peer-Produktionbasiertaufeinschluss,nichtaufausschluss.Zwargibtes ◆

regeln,diesichdieGemeinschaftenselbergebenundandiesichjederhaltenmuss,aberdieeinstiegshürdensindgering.Beteiligungwirdleichtgemacht.

Das Prinzip ist: Ich tue etwas für die anderen, und die anderen tun etwas für mich.

WährendindermarktwirtschaftdieGemeingüter–obwohllebenswichtig–nahezuunsichtbargewordensind,solltesichdasverhältnisineinerGemeingüterwirtschaftumkehren:märkte, wie sie heute in derWarenwirtschaft organisiert sind, spielenkünftigeinegeringererolle,währenddieGemeingüter,diecommons,unddieoffenenGemeinschaftendercommonersimmittelpunktdeslebensstehen.dafürmusseinneuesverständnisvonmarktundeinneuesverständnisvonWirtschaftenentwickeltwerden,beidemGemeingüternicht inersterlinieGegenstandprivateraneignungsind,sondernzumvorteilallergenutzt,bewahrtundweiterentwickeltwerden.

Lesetipps YochaiBenkler:The Wealth of Networks.YaleuniversityPress,newhaven2006.http://cyber.law.harvard.edu /wealth_of _networkschristiansiefkes:Beitragen statt tauschenaGsPaKBücher,neu-ulm2008.www.peerconomy.org

Page 46: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

44

Eine Vision

einevision

Zum sChluss: eIne vIsIon

Wirbrauchenveränderung,und

wirkennendierichtung.viele

menschensindbereitsunterwegs.

dieserreportzeigt:dieideeder

Gemeingüterkanndieunterschied-

lichenBewegungenzusammen-

bringen.dasistihrestärke.

sieerlaubt,dievielfaltderprak-

tischenansätzeundProjektezu

einergemeinsamenstrategiezu

bündeln,ohneaufweltanschauli-

chevielfaltzuverzichten.

«KonservativeerfreutdasBewahrendeundGemein-schaftlicheandencommons,liberaleerfreutdiestaats-ferneunddienichtvölligemarktinkompatibilität,anar-chistendieselbstorganisation,sozialistenundKommunistendergemeinsamkontrollierteBesitz.»BenniBÄrmann

Page 47: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

Eine Vision

45einevision

Wirkönnenunsereenergien,institutionenundtalentedirektaufdieGemeingüterundderenKernrichten:dievielfaltdeslebens.

WirkönnenjedesProjekt,jedeideeundjedewirtschaftlicheaktivitätdaraufbefragen,obsiemehrfürdieGemeinschaften,dieGesellschaftunddieumwelttut,alssieihnennimmt.

Wirkönnenprimärjenehandlungenanerkennenundmateriellfördern,dieallgemeinverfügbaresgenerieren,pflegenundvermehren.

Wirkönnendiemultipleundfai-reteilhabeandenGabendiesererdeunddengemeinschaftlichenleistungenvonvergangenheitundGegenwartzuminstitutionalisier-tennormalfallwerdenlassen.

Wirkönnentransparente,partizi-pativeundfreieentscheidungsver-fahren,Kommunikationsformenundtechnologienanwendenundfüralleverbessern.

Wirkönnendievorzeichenumkeh-ren:indemwirunsGrenzensetzenundnatürlicheressourcennachhaltignutzen,abermitideenverschwenderischumgehen.sokommtbeideszuunszurück.

WirkönnenintelligenteWegefinden,dasvorankommenallerzufördern,stattunsnuraufdasindividuellevoran-kommenzukonzentrieren.

4.

3.

2.

1 .

5.

6.

7.

Page 48: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

46 linKs

l Inks deutsChspraChIG

Aufruf des Weltsozialforums zur Wiedergewinnung der GemeingüterFünfsprachigeinternetseite,dieimergebnisdes9.WeltsozialforumsvomJanuar2009inBélemdoPara(Brasilien)entstand.deraufrufisteineeinladungzurdebatteundunterzeichnung.

http://bienscommuns.org

CommonsblogFundsachenvonderallmendewiese–weltweit!

www.commonsblog.de

Creative Commonsentwickeltmusterlizenzverträge,mitderenhilfeurheber/innenihrenschöpfungenauchFreiheitenmitgebenkönnen:«mancherechtevorbehalten»statt«allerechtevorbehalten».

http://de.creativecommons.org/index.php

GNUdasGnu-Projektwurde1984ausdertaufegehoben,umeinkomplettes,unix-artigesBetriebssystemzuentwickeln,dasFreiesoftwareist.esbasiertaufdemlinux-Kernel.

www.gnu.org/home.de.html

iRights.infosindPrivatkopiererverbrecher?machtsichstrafbar,wereinecdoderdvdkopiert?dasinformationsangebotzumurheberrechtinderdigitalenWelthilftbeiderorientierung.

www.irights.info/index.php?id=58

Keimform.deaufdersuchenachdemneuenimalten:kollektivesBlogzuemanzipatorischenProjekten,themen,theorien,ausführlichediskussionenzuGemeingüterwirtschaft.

www.keimform.de

Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgüternwww.mpg.de/instituteProjekteEinrichtungen/ institutsauswahl/recht _ gemeinschaftsgueter/index.html

Page 49: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

47linKs

l Inks enGl IsChspraChIG

Center for Genetics and Societynichtregierungsorganisation,diesichdemverantwortlichenumgangmitdemhumangenetischenerbewidmet.

http://geneticsandsociety.org

Barcelona Charter for Innovation, Creativity and Access to Knowledgestatementzahlreicherinternationaler«commoners»gegeneinerückwärtsgewandtenetzpolitikundfüreinegemeingüterbasierteKulturpolitik.

http://fcforum.net

ETC Groupnichtregierungsorganisation,Kanada,mexikoundGroßbritannien.Forschung,vernetzung,lobbyarbeitzumenschenrechten,nachhaltigeentwicklungderkulturellenundbiologischendiversität.KritischeBeobachtungneuertechnologien.

www.etcgroup.org/en

Free Software Foundation EuropestiftungzurFörderungvonFreiersoftwareineuropa.

www.fsfeurope.org

IASCinternationalassociationforthestudyofthecommons.

www.indiana.edu/~iascp

International Journal on the CommonsWissenschaftsjournalfüreinbesseresverständnisdercommonsundderenmanagement.eineinitiativederiasc.alleartikelonlineverfügbar.

www.thecommonsjournal.org/index.php/ijc

Knowledge Ecology International (KEI)nichtregierungsorganisation,usa;Forschung,Öffentlichkeitsarbeitundmonitoringbzgl.ZugangzuWissenundtechnologieindermedizin.

www.keionline.org

On the CommonsFacettenreiches,interdisziplinäresBlogrundumdieGemeingüterinPolitik,Wirtschaftundalltag.

www.onthecommons.org

P2P FoundationWebsitezuPeer-to-Peer-technologie,Peer-to-Peer-ProduktionundderPeer-to-Peer-Gesellschaft.

www.p2pfoundation.net / The _ Foundation _ for _ P2P _ Alternatives

Page 50: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

48 autoren

autoren

silKe helfrich

Bis1989studiumromanischersprachen–FranzösischundPortugiesisch–inleipzig,seitBeginnder1990erJahreentwicklungspolitischengagiert.indenJahren1999–2007Büroleiterinderheinrich-Böll-stiftungfürmittelamerika,mexiko,Kuba.lebtundarbeitetderzeitalsfreiePublizistininJenaundbetreibtseit2007eindeutsch-sprachigesBlogzumthemaGemeingüter:www.commonsblog.de

« In der Auseinandersetzung mit Gemeingütern liegt ein Schlüssel zum Verständnis der gesellschaftlichen Verhältnisse. Jede Gesellschaft muss zu jeder Zeit diesen Begriff für sich neu bestimmen. »

Prof. Dr. rainer Kuhlen

Forschungs- und lehrschwerpunkte: information retrieval, informationsmarkt,informationsethik,-politikund-recht;kollaborativesWissensmanagementime-lear-ning,commons-theorien.seit1980lehrstuhlfürinformationswissenschaft,univer-sitätKonstanz;mitglieddesFachausschusses«Kommunikationundinformation»derdeutschenunesco-Kommission(duK);deutscherunescochair incommunica-tions(orBicom);vorsitzenderdesvereinsnethicse.v.(informationsethikimnetz);sprecherdesaktionsbündnisses«urheberrechtfürBildungundWissenschaft»;sach-verständiger für verschiedene Bundestagsausschüsse und enquete-Kommissionen;mitglied zahlreicher Beiräte/Kommissionen in deutschland (für BmBF und dFG),Österreich,derschweizundindereu.

« Die Anerkennung der sozialen, politischen und ökonomischen Bedeutung der Gemeingüter hebt die Debatte um Ökologie und Nachhaltigkeit auf eine neue, zukunftsweisende Stufe. »

Prof. Dr. wolfGanG sachs

hat theologie, soziologie und Geschichte studiert. seit 1993Wissenschaftler amWuppertalinstitutfürKlima,umwelt,energieGmbh.JährlichGastdozentamschu-macher college, england, sowiehonorarprofessor an deruniversität Kassel.mit-glieddesclubofrome.Zahlreicheveröffentlichungenimin-undauslandzuumwelt,Globalisierung,neueWohlstandsmodelle,zuletztleitenderautordervonBund,eedundBrotfürdieWeltherausgegebenenstudiedesWuppertalinstitutsZukunftsfähi-ges Deutschland in einer globalisierten Welt,Frankfurt2008.

« Wie sollen wir ‹commons› im Deutschen nennen? Gemeingüter? Allmende? Gemeinheit? Wo kein Name, da keine Wahrnehmung, das ist die Tragik der Commons im deutschen Sprachraum. »

Dr. christian siefKes

studiumderinformatikundPhilosophie.lebtalsfreiberuflichersoftware-entwicklerundautorinBerlin.KoautordesGemeinschaftsblogskeimform.dezumemanzipatori-schenPotenzialvonFreiersoftwareundanderenFormenvonGemeingüterwirtschaft;veröffentlichungenu.a.Beitragen statt tauschen,neu-ulm2008.

« Eine auf Gemeingütern basierte Produktionsweise hat das Potenzial, wesentliche Begrenztheiten und Probleme der heutigen Gesellschaft zu überwinden, ohne dabei hinter ihre positiven Errungenschaften zurückzufallen. »

Page 51: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

Wasser Internet Photosynthese Moore Wald

Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-

trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-

trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt

Licht Meereswellen Bodenschätze Kultur

Meeresboden Energieträger UV-Strahlung

Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-

ken Lesen Schreiben Algorithmen Sprache

Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-

nen MarktPlätze Parks Wikipedia Landschaf-

ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten

Wasser Internet Photosynthese Moore Wald

Luft Wiesen Gesundheit Weiden Frequenz-Spek-

trum Periodensystem Gene Boden Eis Elek-

trizität Feuer Bildung Heide Artenvielfalt

Licht- und Meereswellen Bodenschätze Kul-

tur Meeresboden Energieträger UV-Strahlung

Ozonschicht Riffe Software Kulturtechni-

ken (Lesen Schreiben Algorithmen Sprache

Stille Märchen Wissen Musik Tänze Traditio-

nen (Markt-)Plätze Parks Wikipedia Landschaf-

ten Zeit soziale Netze Kochrezepte Gezeiten

Page 52: GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer ......GemeinGüter – Wohlstand durch teilen Silke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes Heinrich-Böll-Stiftung

GemeinGüter – Wohlstand durch teilenSilke Helfrich Rainer Kuhlen Wolfgang Sachs Christian Siefkes

Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8, 10117 Berlin www.boell.deISBN 978-3-86928-020-2

Sie sind die großen Unbekannten. Und doch leben wir alle von ihnen. Durch sie vor allem existiert unser Gemeinwesen. Die Rede ist von den Gemeingütern. Von Luft und Wasser, von Wissen, Soft-ware und sozialen Räumen. Und von vielen anderen Dingen, die unser tägliches Leben und Wirtschaften ermöglichen. Doch viele dieser Gemeingüter sind bedroht – sie werden dem Gemeinwesen entzogen, kommerzialisiert, unwiederbringlich zerstört. Stattdes-sen müssten sie kultiviert und erweitert werden.

Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Bedeutung dieser « uns gemeinen Sachen ». Denn ohne sie gibt es keinen Wohlstand und kein Wohlergehen. Gemeingüter brauchen Menschen, die sich für sie stark machen, die sich für sie verantwortlich fühlen. Zahl-reiche Probleme der Gegenwart erwiesen sich als lösbar, wenn wir all unsere verfügbare Energie und Kreativität auf das richten, was unseren Reichtum begründet, was funktioniert und den Menschen hilft, ihre Potenziale zu entfalten. Dieser Report will diese Dinge wie die « Gemeine Peer-Produktion » ins öffentliche Licht rücken.