Gemeinsam die Natur und die natürlichen Lebensgrundlagen ... · len Schwerpunkte und sind dabei in...

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Gemeinsam die Natur und die natürlichen Lebensgrundlagen schützen. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist, auch eingedenk der Verantwortung für die kommenden Generationen, der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut.“ Artikel 141 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern Runder Tisch Arten- und Naturschutz 2. Dezember 2019 Bericht des Moderators Alois Glück, Landtagspräsident a.D.

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Gemeinsam die Natur und die natürlichen Lebensgrundlagen

schützen.

„Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist, auch eingedenk der Verantwortung für die

kommenden Generationen, der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen

Gemeinschaft anvertraut.“

Artikel 141 Absatz 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern

Runder Tisch Arten- und Naturschutz

2. Dezember 2019

Bericht des Moderators Alois Glück, Landtagspräsident a.D.

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Runder Tisch Arten- und Naturschutz

Bericht des Moderators Alois Glück, Landtagspräsident a.D. 2. Dezember 2019

Inhaltsverzeichnis

1 Danksagung ......................................................................................................... 1

2 Einleitung ............................................................................................................. 2

3 Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern – Runder Tisch Arten-

und Naturschutz ................................................................................................... 4

3.1 Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern „Rettet die Bienen!“ 4

3.2 Einsetzung Runder Tisch und Aufgabenstellung ........................................... 5

4 Sondierungsgespräche ........................................................................................ 6

4.1 Zielsetzung .................................................................................................... 6

4.2 Ergebnisse ..................................................................................................... 6

4.3 Eindrücke aus den Gesprächen ..................................................................... 7

5 Fachgruppen ........................................................................................................ 8

5.1 Einteilung und Aufgaben ................................................................................ 8

5.2 Wesentliche Ergebnisse der Fachgruppen .................................................... 8

5.2.1 Fachgruppe Offene Landschaft, Agrarlandschaft ................................ 9

5.2.2 Fachgruppe Wald .............................................................................. 12

5.2.3 Fachgruppe Gewässer ...................................................................... 14

5.2.4 Fachgruppe Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Räume ... 16

5.3 Abschließende Bemerkungen ...................................................................... 17

6 Fachübergreifende Schlussfolgerungen ............................................................. 18

7 Anhang ............................................................................................................... 25

7.1 Zeitlicher Ablauf des Prozesses ................................................................... 25

7.2 Teilnehmer Runder Tisch Arten- und Naturschutz ....................................... 26

7.3 Teilnehmende Verbände und Organisationen an Sondierungsgesprächen . 28

7.4 Fachtagung vom 22. März 2019 .................................................................. 30

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7.5 Fachgruppen ................................................................................................ 52

7.5.1 Fachgruppe Offene Landschaft, Agrarlandschaft .............................. 52

7.5.2 Fachgruppe Wald .............................................................................. 66

7.5.3 Fachgruppe Gewässer ...................................................................... 83

7.5.4 Fachgruppe Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Räume ... 96

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1 Danksagung

Meinen herzlichen Dank spreche ich allen Beteiligten am Arbeitsprozess des Forums

Runder Tisch Arten- und Naturschutz aus. Sie haben mit ihrem großen Engagement,

ihren Impulsen, ihrer Bereitschaft und ihrer Kompetenz einen herausragenden Bei-

trag für unser gemeinsames Anliegen des Schutzes und der Förderung der Artenviel-

falt geleistet. Die im gesamten Beratungsprozess beteiligten Organisationen sind die

unverzichtbare gesellschaftliche und politische Basis für die Umsetzung der erarbei-

teten Vorschläge.

Mein Dank gilt aber ebenso den vielen Bürgerinnen und Bürgern, privaten Initiativen

und weiteren Organisationen, die sich in unzähligen Schreiben und Mails mit ihren

Ideen und Vorschlägen an mich gewandt haben. Dies spiegelt das steigende gesell-

schaftliche Interesse an unserem gemeinsamen Anliegen und unserer gemeinsamen

Aufgabe wieder, die Vielfalt und Stabilität im Naturhaushalt zu schützen, zu erhalten

und zu verbessern. Die Vielzahl der Zuschriften zeigt, dass sich im Land bereits ein

innovativer Aufbruch entwickelt, den wir zum Wohle der Schöpfung, unserer Heimat

und für die Zukunft unserer nachfolgenden Generationen nutzen sollten.

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2 Einleitung

Der gesamte Prozess des Runden Tisches war zunächst vor allem geprägt vom Ziel,

eine Verständigung zwischen Naturschützern und Landwirten zu erreichen, sowie

Misstrauen, Ängste und Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen. Letztlich gab es

einen großen Verständigungsprozess. Möglich wurde dies vor allem dadurch, dass

alle Beteiligten bereit waren, zuzuhören und den Willen aufbrachten, ihr Gegenüber

zu verstehen, quasi sich auf den Stuhl des Anderen zu setzen. Damit einher ging die

Erkenntnis, dass die andere Seite nicht aus Böswilligkeit argumentiert, sondern ihre

fachlichen Anliegen anbringt.

Ein wesentlicher Baustein zur Verständigung war aber auch die veranstaltete Fach-

tagung Biodiversität zu Beginn des Arbeitsprozesses. Mit der hier gesetzten gemein-

samen Basis zu Veränderungen in der Landschaft, deren Hintergründe, sowie nega-

tiven Veränderungen in der Artenvielfalt war es möglich, sachlich und fachlich zu dis-

kutieren.

Ein solches konstruktives Klima, wie es am Anfang des Prozesses nur schwer er-

reichbar schien, war und ist zwingende Voraussetzung für den notwendigen gesell-

schaftlichen Prozess für mehr Artenschutz.

Es meldeten sich viele Organisationen mit ihrem Interesse, manche auch mit ihrem

Anspruch auf einen Platz am Runden Tisch. Ich habe immer darauf verwiesen, dass

die Zahl der mitarbeitenden Organisationen begrenzt bleiben muss, um arbeits- und

handlungsfähig zu bleiben. Allen Interessenten habe ich den Kontakt und die Mög-

lichkeit zur Mitarbeit eröffnet. Allen Gruppen, die wegen der oben genannten be-

grenzten Kapazitäten, aber auch wegen der begrenzten Zeit nicht am Arbeitsprozess

teilnehmen konnten, habe ich angeboten, ihre schriftlichen Vorschläge und Stellung-

nahmen den Fachgruppen zuzuleiten.

Die im Forum Runder Tisch angesprochenen Themen, Aufgaben und das identifizier-

te Potenzial für mehr Artenschutz gehen weit über die Regelungen des Volksbegeh-

rens Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern hinaus. Dies spiegelte sich auch in den

Arbeitsgruppen wider, von denen drei Fachgruppen Bereiche außerhalb des

Kernthemas Landwirtschaft bearbeiteten. Hierdurch wurden zusätzliche Möglichkei-

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ten identifiziert, die es jetzt zu mobilisieren gilt und die über die reine Fokussierung

auf die Landwirtschaft hinaus gingen.

Der Runde Tisch Arten- und Naturschutz hat die Basis für einen Gesellschaftsvertrag

geschaffen. Nun kommt es entscheidend darauf an, dass daraus ein koordinierter

und entschlossener Handlungsprozess folgt – zur Bewahrung der Schöpfung und der

Naturheimat in Bayern, sowie zum Erhalt der Kulturlandschaft und des bäuerlichen

Engagements. Die zwei wichtigsten Voraussetzungen hierfür sind geschaffen:

Das dafür notwendige Wissen ist vorhanden, sowohl das Fachwissen, wie auch

das gegenseitige Verständnis.

Alle am Projekt Runder Tisch Beteiligten haben Ihre Bereitschaft zum zielstrebi-

gen und systematischen Handeln bekundet.

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3 Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern –

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3.1 Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern „Rettet die Bie-nen!“

Die ÖDP Bayern hat das Volksbegehren Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern

„Rettet die Bienen“ initiiert und gemeinsam mit dem Landesbund für Vogelschutz in

Bayern (LBV) e. V. und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bayern als Trägerkreis des

Volksbegehrens beantragt. Nachdem das Volksbegehren zugelassen wurde, lief die

Eintragungsfrist in den Gemeinden im Zeitraum vom 31. Januar bis einschließlich

13. Februar 2019. Der Landeswahlleiter des Freistaates Bayern hat am

14. März 2019 mitgeteilt, dass für das Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschön-

heit in Bayern“ nach dem endgültigen Ergebnis 1,741 Millionen gültige Eintragungen

geleistet wurden. Damit haben 18,3 Prozent der stimmberechtigten Bürgerinnen und

Bürger in Bayern das Volksbegehren unterstützt. Die für die Rechtsgültigkeit erfor-

derliche Zahl an Eintragungen von mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten

wurde damit überschritten.

Spätestens vier Wochen nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung des amtli-

chen Endergebnisses im Staatsanzeiger (gerechnet ab dem Tag der Veröffentli-

chung der Bekanntmachung vom 14. März 2019 im Staatsanzeiger Nr. 12/2019 vom

22.03.2019) musste die Staatsregierung das Volksbegehren mit einer Stellungnahme

an den Bayerischen Landtag übermitteln, tatsächlich erfolgte dies am 18. April 2019

(wegen des Feiertags am 19. April einen Tag vor Ablauf der gesetzlichen Frist, die

nach Art. 90 Abs. 2 Satz 1 Landeswahlgesetz nicht dadurch verlängert wird, dass der

letzte Tag der Frist auf einen Feiertag fällt). Der Landtag hat das Volksbegehren bin-

nen drei Monaten zu behandeln, also bis spätestens 18. Juli 2019 (3-Monats-Frist).

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3.2 Einsetzung Runder Tisch und Aufgabenstellung

Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL, hat mit der Initiative für den Runden Tisch

Arten- und Naturschutz alle gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen eingela-

den, die verschiedenen Positionen auszutauschen, sowie Schutz und Förderung der

Artenvielfalt und damit die Vielfalt und Stabilität im Naturhaushalt als gemeinsame

Aufgabe zu entwickeln.

Das Ziel des Projektes Runder Tisch war, nach Möglichkeit so viel Übereinstimmung

zu erreichen, dass die ganze Initiative Artenschutz ein gemeinsames und umfassen-

des Projekt für den Artenschutz und die Förderung der Artenvielfalt in Bayern wird.

Das Gremium Runder Tisch tagte erstmalig am 20. Februar 2019 mit 23 Verbänden

und Organisationen (siehe Kapitel 7.2). Daran schlossen sich eine Vielzahl von Son-

dierungsgesprächen (siehe Kapitel 4), eine Fachtagung (siehe Kapitel 7.4), die Arbeit

in Fachgruppen (siehe Kapitel 5 und Kapitel 7.5), sowie weitere Sitzungen des Gre-

miums Runder Tisch an.

Der gesamte Arbeitsprozess war geprägt durch die engen rechtlichen Zeitvorgaben

für das Volksbegehren (siehe Kapitel 3.1).

Der Runde Tisch ist kein Beschlussorgan.

Die Ergebnisse des Arbeitsprozesses haben Empfehlungscharakter für den Gesetz-

geber. Durch Beschluss der Staatsregierung, dem Landtag die Übernahme des

Volksbegehrens Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern vorzuschlagen, ist die poli-

tische Weichenstellung getroffen. In dem geplanten „Begleitgesetz“ können und sol-

len die gemeinsamen Arbeitsergebnisse des Runden Tisches ihren Niederschlag

finden. Gleichzeitig sind die Arbeitsergebnisse aber auch eine entsprechende Emp-

fehlung für die kommunale Selbstverwaltung und für gesellschaftliche Gruppen im

Sinne einer Selbstverpflichtung.

Mit dem Projekt Runder Tisch können Sachverhalte, die auf Bundesebene oder auf

europäischer Ebene geregelt sind, nicht verändert werden. Das Ergebnis der Bera-

tungen formuliert jedoch auch in diesem Bereich Erwartungen und Aufgaben für ent-

sprechendes politisches Handeln über Bayern hinaus.

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4 Sondierungsgespräche

4.1 Zielsetzung

Die erste Arbeitsphase nach der Zusammenkunft des Gremiums Runder Tisch diente

der Bestandsaufnahme von Positionen der verschiedenen gesellschaftlichen Grup-

pen und Organisationen zur Aufgabe Artenschutz, um darauf aufbauend die weitere

Arbeit zu planen. Um Übereinstimmungen und Differenzen auszuloten, gab es hierzu

14 Gesprächsrunden mit insgesamt 34 Organisationen (siehe Kapitel 7.3) und etwa

120 Teilnehmern mit einer Zeitdauer zwischen einer und drei Stunden. Hinzu kamen

noch viele Einzelkontakte, Gespräche und Telefonate. Diese Gespräche waren

durchwegs sehr intensiv und von großem Engagement geprägt, teilweise bereits mit

einem sehr regen Austausch über verschiedene Anliegen und Positionen.

4.2 Ergebnisse

Mit den Initiatoren und Unterstützern des Volksbegehrens und in allen Gesprächs-

runden wurden die Struktur und die Organisation der weiteren Arbeit beraten. Für die

weitere Arbeit wurden vier Fachbereiche und damit auch entsprechende Fachgrup-

pen definiert:

1. Offene Landschaft, Agrarlandschaft,

2. Wald,

3. Gewässer sowie

4. Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Lebensräume.

Der folgenden Arbeit in den Fachgruppen wurde eine Fachkonferenz vorgeschaltet,

die von allen Gesprächsteilnehmern befürwortet wurde (Programm siehe Kapi-

tel 7.4). Hintergrund dieser Tagung war ein gemeinsames Grundverständnis zur Be-

deutung der Artenvielfalt und zur Definition von Biodiversität für sachgerechte Bera-

tungen. Nur wenige werden sich in der Vergangenheit mit der Gesamtthematik inhalt-

lich ausreichend auseinandergesetzt haben. Viele im Naturschutz haben ihre speziel-

len Schwerpunkte und sind dabei in der Gefahr, mit einem „Lieblingsobjekt“, einer

Pflanze, einer Tierart das Ganze zu verbinden – und damit auch entsprechend ein-

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zuengen. Im Kern geht es im gesamten Prozess also darum, dass wir Natur besser

verstehen lernen, nicht nur Landschaft konsumieren.

4.3 Eindrücke aus den Gesprächen

In allen Gesprächen war der Wille feststellbar, die Artenvielfalt gemeinsam zu schüt-

zen und voran zu bringen. Dafür bestehen bereits viele positive Beispiele, die syste-

matisch ausgebaut und über die diversen Organisationen flächendeckend entwickelt

werden können.

Neben diesen positiven Eindrücken gab es aber auch eine sehr bedrückende Erfah-

rung: Die Stimmung in vielen bäuerlichen Familien ist von Enttäuschung und Resig-

nation geprägt. Diese Stimmung ist durch viele Veranstaltungen und Diskussionen im

Zusammenhang mit dem Volksbegehren verstärkt worden, aber nicht erst dadurch

entstanden! Im Kern geht es darum, dass die Bäuerinnen und Bauern den Eindruck

gewonnen haben, ihre Arbeit findet in der Gesellschaft keine Wertschätzung. Sie füh-

len sich reglementiert. Ihre Tätigkeit wird mit Misstrauen und Verdächtigungen be-

gleitet. Es gilt, dieses Lebensgefühl, diese Ängste ernst zu nehmen. Natürlich ist

auch innerhalb der Landwirtschaft eine offene und ernsthafte Diskussion über das

eigene Selbstverständnis und über die Rolle in der Gesellschaft notwendig. Eine

konstruktive Diskussion, auch im Rahmen des Runden Tisches war und ist aber nur

möglich, wenn die Sorgen, die Bedenken und die Ängste ernst genommen werden.

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5 Fachgruppen

5.1 Einteilung und Aufgaben

Die Einteilung in Fachgruppen wurde mit allen beteiligten Organisationen in den

Sondierungsgesprächen besprochen. Gleiches galt für die Berufung der Moderato-

ren, wobei die Entscheidung bei mehreren vorliegenden Vorschlägen durch den Mo-

derator des Gesamtprozesses getroffen werden musste:

Fachgruppen Moderation

Offene Landschaft, Agrarlandschaft Herr Alois Glück, Landtagspräsident a.D.

Wald Herr Dr. Otto Hünnerkopf, MdL a.D.

Gewässer Herr Prof. Dr. Kai Frobel

Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Räume

Herr Dieter Pasch

Die jeweiligen Fachgruppen haben in mehreren Sitzungen getagt (siehe Kapitel 7.5).

Ziel der Fachgruppen war, selbstständig und eigenverantwortlich für die verschiede-

nen Ökosysteme und Lebensräume herauszuarbeiten, welche konkreten Maßnah-

men dem Ziel Artenschutz und -vielfalt jeweils tatsächlich dienen und diese mit den

konkreten Bedingungen der Nutzung in Beziehung zu bringen.

Es lag dabei in der Verantwortung der Moderatoren, dass zum Ende der Beratungen

in schriftlicher Form Übereinstimmungen für gemeinsames Handeln und Differenzen

klar waren.

Die Fachgruppen haben ihre Empfehlungen und Beschlüsse eigenständig erarbeitet.

5.2 Wesentliche Ergebnisse der Fachgruppen

Aufgeführt werden die wesentlichen, z.T. zusammengefassten Ergebnisse, auch der

Kontroverse. Detaillierte Ergebnisse inklusive Abstimmungsvoten – sofern Abstim-

mungen in den Fachgruppen durchgeführt wurden – befinden sich in Kapitel 7.5.

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5.2.1 Fachgruppe Offene Landschaft, Agrarlandschaft

Die – zeitintensive – Priorität der Fachgruppe lag im Abbau der Spannungen zwi-

schen den Trägern des Volksbegehrens und der Landwirtschaft, insbesondere mit

dem Bayerischen Bauernverband.

Ein weiterer wichtiger grundsätzlicher und alle Förderprogramme betreffender Sach-

verhalt war die notwendige Klärung, welche Handlungsspielräume die bayerische

Politik für die Gestaltung von Förderprogrammen hat. Die Staatsministerien für Er-

nährung, Landwirtschaft und Forsten und für Umweltschutz und Verbraucherschutz

haben der Fachgruppe eine entsprechende rechtliche Bewertung vorgestellt. Das

Ergebnis zeigt, dass die Handlungsspielräume für die bayerische Politik sehr eng

sind, da die Europäische Union ihr Mitwirkungsrecht nicht nur auf Programme mit

Einsatz von EU-Mitteln versteht. Über das Beihilferecht werden auch Maßnahmen

geprüft und womöglich interveniert, die ohne EU-Mittel gestaltet sind.

In den Beratungen der Fachgruppe wurde die Vielfalt der Strukturen und Wirt-

schaftsweisen angesprochen, die durch die unterschiedlichen Landschaftsräume und

der damit einhergehenden notwendigen Praxis in der Landwirtschaft geprägt sind.

Sehr unterschiedlich, ja oft gegensätzlich waren damit auch die Erwartungen an die

Politik. Das zeigte sich deutlich, etwa in den sehr unterschiedlichen Erwartungen und

Forderungen – auch innerhalb der Landwirtschaft – an eine Reform der Agrarpolitik.

Abstimmungen zu einzelnen Forderungen wurden in der Fachgruppe nicht durchge-

führt und hätten die ohnehin vorhandenen inneren Spannungen in der Landwirtschaft

in Bayern verhärtet. Mit anderen Worten: Es gibt auch einen hohen Beratungsbedarf

innerhalb der Landwirtschaft zu den unterschiedlichen Erwartungen und Forderun-

gen.

Für die Diskussionen ist vor allem auch die Konkurrenz um Land prägend, was sich

vor allem auf dem Pachtmarkt und in der Einstellung gegenüber der Ausweisung von

Flächen für ökologische Ausgleichsmaßnahmen zeigt. In diesem Zusammenhang

wurde in der Fachgruppe regelmäßig die Begrenzung des Flächenverbrauchs ange-

sprochen. Aufgrund der zeitlichen Verfahrensvorgaben aus dem Volksbegehren war

eine vertiefte und abschließende Diskussion des Flächenverbrauchs nicht möglich.

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Im Rahmen der Beratungen wurden in einem guten Arbeitsklima die verschiedenen

Aspekte sachbezogen diskutiert. Gleichwohl blieben viele verschieden Themen und

Fragestellungen kontrovers.

Beratung zu einzelnen Regelungen des Volksbegehrens zwischen Träger- und

Unterstützerkreis des Volksbegehrens sowie landwirtschaftlichen Verbänden

Im Rahmen der Fachgruppe hat eine Unterarbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern

des Träger- und des Unterstützerkreises des Volksbegehrens und der landwirtschaft-

lichen Verbände (ÖDP, LBV, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BN, LVÖ, AbL, BBV,

BDM, Jungbauernschaft), sowie des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirt-

schaft und Forsten und des Staatsministeriums für Umwelt- und Verbraucherschutz

strittige Regelungen des Gesetzestextes aus dem Volksbegehren diskutiert:

Ökolandbau – Vorgaben für staatliche Flächen

Naturschutz als Aufgabe der Erziehung

Verbot der Mahd von außen nach innen

Verbot, ab 2020 auf zehn Prozent der Grünlandfläche erste Mahd vor dem

15. Juni durchzuführen

Walzverbot nach dem 15. März

Verbot flächenhaften Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf Dauergrünland

Streuobstbestände als Biotop

Arten- und strukturreiches Dauergrünland als Biotop

Die Ergebnisse sind im Anhang (siehe Kapitel 7.5.1) aufgeführt. Es gab hierzu in ei-

nigen Punkten eine, auch im Vorfeld nicht erwartbare Verständigung, bedingt durch

das im Arbeitsprozess erreichte Verständnis für die Hintergründe der Haltungen der

Gegenseite.

Für die im Einvernehmen geklärten Punkte wird empfohlen, die notwendigen Rege-

lungen im Rahmen des geplanten Begleitgesetzes vorzunehmen.

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Positive Leistungen der Landwirtschaft für den Artenschutz und Kooperation

zwischen Landwirtschaft und Naturschutz

In der bayerischen Landwirtschaft ist eine Vielzahl an positiven Aktivitäten für den

Artenschutz festzustellen. Jeder zweite Landwirt nimmt im Rahmen des kooperativen

Umwelt- und Naturschutzes an den Agrarumweltmaßnahmen teil. Damit werden rund

40 Prozent der Flächen nach den Vorgaben des Bayerischen Kulturlandschaftspro-

grammes (KULAP) oder des Vertragsnaturschutzprogrammes (VNP) bewirtschaftet.

Die positiven Beispiele wurden von der Fachgruppe ausdrücklich anerkannt. Bemän-

gelt wurde jedoch zum Teil, dass der betriebene Aufwand nicht zu ausreichendem

Erfolg für die Artenvielfalt führt. Konsens bestand allerdings, dass ein langfristiges

Mehr für die Artenvielfalt nur durch Partnerschaft mit der Landwirtschaft möglich ist

und nicht gegen sie. Dabei gilt es, die landwirtschaftlichen Betriebe in ihren Struktu-

ren zu erhalten und ihnen eine langfristige Perspektive zu geben. Zu den hierfür not-

wendigen Rahmenbedingungen gehört auch, zusätzliche Bürokratie wo immer mög-

lich zu verringern oder zu verhindern.

Zu den weiteren in der Fachgruppe Offene Landschaft, Agrarlandschaft diskutierten

Punkten wird auf Kapitel 7.5.1 im Anhang verwiesen.

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5.2.2 Fachgruppe Wald

Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse der Fachgruppe befindet sich im Kapi-

tel 7.5.2. Unter anderem wurden folgende Ergebnisse erzielt:

Walderhaltung in Zeiten des Klimawandels hat höchste Priorität

Für alle Waldbesitzer steht derzeit die Anpassung des Waldes an den Klimawandel

und damit die Erhaltung des Waldes an oberster Stelle. Auch gesellschaftlich hat

dies höchste Priorität, liegt hierin doch die Grundvoraussetzung nicht nur für die Be-

wahrung der Biodiversität im Wald, sondern auch für alle übrigen Waldfunktionen.

Der Waldumbau wirkt sich somit direkt förderlich für die Biodiversität aus. Dies bedarf

auch angepasster Wildbestände.

Bewirtschaftete Wälder und Prozessschutzflächen ergänzen sich

Nachhaltig bewirtschaftete Wälder und Prozessschutzflächen haben jeweils ihren

eigenen ökologischen Wert und ergänzen sich gegenseitig.

Biodiversität im Privatwald optimieren: Mehr Förderung, mehr Personal

Der naturnah und nachhaltig bewirtschaftete Wald weist in allen Besitzstrukturen be-

reits eine hohe Vielfalt an Lebensräumen für wildlebende Pflanzen und Tiere auf.

Entsprechend hoch ist die Biodiversität. Dennoch sind weitere Optimierungen mög-

lich und anzustreben. Durch bewährte und weitere zusätzliche Maßnahmen des Ver-

tragsnaturschutzprogramms Wald (VNP Wald) und des Bayerischen Waldbaulichen

Förderprogramms (WALDFÖPR) kann im Privat- und Körperschaftswald (2/3 der

bayerischen Waldfläche) der Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität effektiv

gefördert werden.

Hierfür sind jedoch deutlich höhere Finanzmittel und zusätzliche Fachpersonalstellen

sowohl bei den Unteren Forstbehörden an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft

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und Forsten als auch an den Unteren Naturschutzbehörden bei den Landratsämtern

vom Staat bereit zu stellen.

Vereinfachungen in der Abwicklung der Förderprogramme werden dringend für er-

forderlich gehalten. Eine nicht auf Gebietskulissen beschränkte, sondern möglichst

bayernweite Umsetzung von bereits bewährten Maßnahmen, wie der Erhalt von Bio-

top- und Uralt- (Samen)bäumen sowie von Totholz soll insbesondere auch im Klein-

privatwald die Förderung der Biodiversität in der Fläche bewirken.

Im Staatswald sollen ab 2019 noch mehr Wälder aus der Nutzung gehen

Die flächendeckenden Regionalen Naturschutzkonzepte der Bayerischen Staatsfors-

ten fördern bereits heute die Biodiversität im Staatswald, dem weiteren Drittel der

bayerischen Waldfläche. Dort bietet ein vielfältiges Verbundsystem von naturnahen

alten Wäldern, Biotopen und Biotopelementen, Naturwäldern (Prozessschutzflächen)

und gezielten Schutzmaßnahmen seltenen und bedrohten Arten Lebensraum und

Regenerationsmöglichkeiten. Von den Unterstützern des Volksbegehrens wird in ei-

nem Naturwaldverbundsystem ein wichtiger Baustein für den Schutz der waldspezifi-

schen Biodiversität gesehen. Die Bayerischen Staatsforsten beabsichtigen noch

2019 zu den schon aus der Nutzung genommenen ca. 80.000 ha Staatswäldern

(10,4 Prozent) einige Tausend Hektar zusätzlich aus der Nutzung zu nehmen, um

Lücken zu schließen und so im Spessart, im Steigerwald sowie in den Donau- und

Isarauen das weitreichende Verbundsystem von Naturwäldern noch deutlich zu er-

gänzen.

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5.2.3 Fachgruppe Gewässer

Die Fachgruppe Gewässer hat zu zahlreichen Punkten einstimmige oder mehrheitli-

che Beschlüsse gefasst, von denen nachfolgend einige Beispiele aufgeführt sind. Im

Übrigen wird auf Kapitel 7.5.3 verwiesen, in welchem detailliert Besprechungs- und

Abstimmungsergebnisse aufgeführt sind. Die Abstimmungen spiegeln dabei die ver-

schiedenen Interessenslagen aus dem Teilnehmerkreis wider. Die nur beratend teil-

nehmenden Vertreter des StMELF und des StMUV sind an den Abstimmungen nicht

beteiligt gewesen.

Attraktivere Förderung für extensive oder Nicht-Nutzung von Gewässerrand-

streifen

Die Fachgruppe unterstützt mehrheitlich den Einsatz und die Neuentwicklung von

finanziell attraktiven Förderungen des Vertragsnaturschutzprogramms VNP (Auf-

nahme von Gewässerrandstreifen in die Gebietskulisse) und Kulturlandschaftspro-

gramm KULAP für eine extensive Nutzung oder eine Nicht-Nutzung (natürliche Suk-

zession und Dynamik) von Gewässerrandstreifen und des Gewässerumfeldes.

Gewässerrandstreifen (10m) für ein durchgängiges Biotopverbundsystem

Auf staatlichen Flächen an Gewässern I. + II. Ordnung wird mehrheitlich angeregt,

unter Berücksichtigung von Erholungsaspekten und Unterhaltungsverpflichtungen ein

Zielwert von mindestens 10m breiten Gewässerrandstreifen für den Aufbau eines

durchgängigen Biotopverbundsystems (insbesondere mit nicht genutzter, freier Ve-

getationsentwicklung) anzustreben. Der BBV stimmte einer Erweiterung der Rege-

lung aus dem Volksbegehren nicht zu.

Bei Gewässern III. Ordnung wird mehrheitlich ein besonderes Potenzial – insbeson-

dere zum Aufbau zusammenhängender Biotopverbundstrukturen und der Durchgän-

gigkeit von Gewässern – durch gezielten Einsatz und Bündelung von gewässerspezi-

fischen Kompensationsmaßnahmen gesehen. Entsprechende Maßnahmen sollten

bei der Ökokontobewertung attraktiver ausgestaltet werden.

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Alternativen zum Maisanbau untersuchen

Einstimmig ist die Fachgruppe der Ansicht, dass Alternativen zum Maisanbau wie

Becherpflanze und Blühflächen-/Mischkulturen in verschiedenen Regionen Bayerns

zu erproben und deren positiven Auswirkungen auf Biodiversität, Grundwasser-,

Oberflächengewässer- und Erosionsschutz umfassend zu untersuchen sind.

Besserer Schutz der Moore

Die Fachgruppe ist mehrheitlich für die Umkehrung des in den letzten Jahrzehnten

zunehmenden Umbruchs und der ackerbaulichen Nutzung von Moor- und Anmoor-

standorten. Neue, langfristige Förderinitiativen, Marktanreizprogramme und Beratun-

gen sollen Landnutzern auf kooperativem Weg ermöglichen, innovative Nutzungs-

und Wertschöpfungsmöglichkeiten zu realisieren und durch eine Anhebung der Was-

serstände, Schaffung von Moorwildnis-Gebieten bzw. Moorwäldern oder eine nach-

haltige und klimaverträgliche Bewirtschaftung von Moorböden, z.B. Verzicht auf

Ackernutzung, extensive Grünlandnutzung, Beweidung, Paludikulturen, auch die

Biodiversität dieser Standorte entscheidend zu erhöhen.

Mehr freifließende Gewässer – Durchgängigkeit für Arten und Geschiebe

Die Fachgruppe Gewässer empfiehlt mehrheitlich u.a.:

1. Programme aufzustellen, mit denen die biologische Durchgängigkeit der Gewäs-

ser umfassender als bisher verbessert wird. Funktionslose und fünf Jahre nicht

mehr genutzte Querbauwerke sollen verstärkt rückgebaut werden, um eine un-

eingeschränkte Passage für Organismen und Geschiebe zu ermöglichen.

2. Mit höchster Priorität sind Renaturierungen umzusetzen, bei denen sich Fluss

und Aue als vielfältige, vernetzte und durchgängige Lebensräume mit ihrer typi-

schen Artenvielfalt eigendynamisch entwickeln können. Noch vorhandene dyna-

mische Prozesse haben höchste Priorität in der Erhaltung. Für Auwälder als be-

sonders dynamische Waldgesellschaften sollen natürlich ablaufende Prozesse

als ein Ziel der Waldbewirtschaftung im Staatswald festgelegt werden und im Pri-

vat-/Körperschaftswald besonders gefördert werden.

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5.2.4 Fachgruppe Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Räume

Die Fachgruppe „Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Räume“ haben eine

ganze Reihe von Vorschlägen aus ihrem Themenspektrum erarbeitet, von denen an

dieser Stelle nur einige Beispiele genannt werden. Auf die wesentlich umfangreiche-

re Liste im Kapitel 7.5.4 wird verwiesen.

Empfehlung zu Naturschutzverwaltung, Flächensparen und Klimaschutz

Die Fachgruppe betonte die unverzichtbare Aufstockung der Personalausstattung in

der bayerischen Naturschutzverwaltung und die Wichtigkeit paralleler Maßnahmen

für Flächeneinsparung und mehr Klimaschutz.

Lichtverschmutzung

Die Fachgruppe führte zum Thema Lichtverschmutzung (Art. 11a Sätze 2 und 3 des

Volksbegehrens) folgende Empfehlung aus:

Eine artenschutzfachliche Einzelfallprüfung für Straßenbeleuchtungsanlagen im

Außenbereich erscheint insbesondere vom Aufwand her unangemessen.

Dafür sollten zur Gewährleistung einer artenfreundlichen Straßenbeleuchtung im

Außenbereich generelle Vorgaben gemacht werden (ggf. durch eine Rechtsver-

ordnung).

Kommunen

Für den Bereich der Kommunen empfiehlt die Fachgruppe u.a. die Einrichtung eines

„kommunalen Biodiversitätsförderprogrammes“, das bestehende Förderprogramme

berücksichtig und für interkommunale Zusammenarbeit einen Bonus gewährt. Zudem

wird vorgeschlagen, Aufstellung und Umsetzung ökologischer Entwicklungs- und

Pflegekonzepte für kommunale Grünflächen zu fördern. Ein weiterer Vorschlag sieht

den Ausbau des Städtebauförderprogrammes „Zukunft Stadtgrün“ und der Biodiver-

sität als Querschnittsthema sämtlicher Programme der Städtebauförderung.

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Gärten

Für den Bereich der Gärten empfiehlt die Fachgruppe u.a., die artenreiche Garten-

kultur zu fördern und wieder „unter die Leute bringen“, z.B. durch einen „Tag der of-

fenen Gartentür“. Zudem wurde die wichtige Netzwerkfunktion der Kreisfachberater

Gartenbau in den Bereichen Gartenbau und Biodiversität betont. In allen Landkreisen

sollte zukünftig eine diesbezügliche Schwerpunktsetzung ebenso erfolgen, wie eine

zielgerichtete Fachfortbildung.

Nicht geeint werden konnte die Vorgabe „Mähen statt Mulchen“ für alle kommunalen

Grünflächen.

5.3 Abschließende Bemerkungen

Die Arbeitsergebnisse der Fachgruppen sind gerade auch mit den kontrovers geblie-

benen Themen eine wertvolle Grundlage weiterer Beratungen.

Nochmals: Es ging und geht nicht um eine mehr oder minder erzwungene Verständi-

gung um jeden Preis. Wertvolles Ergebnis ist vielmehr das grundsätzliche Verständ-

nis für die vermeintliche Gegenseite. Immer wieder wurde betont, dass noch nie un-

terschiedliche Positionen, Erfahrungen und Anliegen, etwa zwischen Naturschutz

und Nutzern so intensiv und ausdauernd diskutiert wurden.

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6 Fachübergreifende Schlussfolgerungen

1) Art. 141 der Bayerischen Verfassung ist die Grundlage und die Verpflich-

tung für unser gemeinsames Handeln.

Die Verfassung betont besonders unsere Verantwortung gegenüber den nachfolgen-

den Generationen. Das ist auch die Basis dafür, dass der angestrebte Gesellschafts-

vertrag zum Artenschutz auch ein Generationenvertrag wird. Die Menschen spüren,

dass sich in unserer Natur etwas negativ entwickelt. Die Entwicklung in unserer Na-

tur ist sachlich und politisch eng mit den Sorgen und Ängsten wegen des Klimawan-

dels verbunden.

Ein entscheidender Unterschied zum Klimaschutz ist, dass wir die Situation in unse-

rem Naturhaushalt in Bayern mit unserem eigenen Handeln und mit unserer eigenen

Verantwortung relativ rasch und wirksam verbessern können. Das ist gleichzeitig

aber auch ein wichtiger Beitrag zur Klimapolitik, wie das Beispiel zur Erhaltung der

Moore zeigt.

Dem Verlust an Biodiversität gegenzusteuern und Maßnahmen zum Erhalt der Pflan-

zen- und Tierwelt sind für jeden Einzelnen bereits im Kleinen relativ einfach umsetz-

bar – und Erfolge im Vergleich zum Engagement im Klimaschutz dann auch relativ

schnell sichtbar. Biodiversität ist keine Verpflichtung, die delegiert werden kann und

soll oder für die andere gesellschaftlichen Gruppen alleinverantwortlich sind. Jede

Bürgerin und jeder Bürger im Freistaat kann einen Beitrag dazu leisten, sich für Bio-

diversität aktiv einzusetzen – zu Hause, in den Gemeinden und Städten, in Verbän-

den, zusammen mit anderen Akteuren.

2) Der Artenschwund ist Fakt und alarmierend.

Die Vorträge und die Diskussionen der Fachtagung, die den einzelnen Beratungen

vorausging, hat diese Realität eindrucksvoll und auch bedrückend vermittelt.

Die Ursachen sind vielfältig, für Laien auch z.T. komplex und ganz sicher nicht nur in

Verbindung mit Entwicklungen in der Landwirtschaft zu sehen. Das zeigte sich so-

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wohl in der Fachtagung, wie auch in den Beratungen der Fachgruppen für die ver-

schiedenen Lebensräume. Eine einseitige Fixierung auf die Landwirtschaft ist nicht

sachgerecht. Wir müssen das Muster wechselseitiger Schuldzuweisungen überwin-

den und gemeinsam handeln, um unserer Verantwortung gerecht werden.

Mit anderen Worten: Die Erhaltung der Biodiversität ist mehr denn je ein gesamtge-

sellschaftlicher Auftrag. Staat und Kommunen stehen mit ihrem gesamten Handeln,

sowie ihrem Grundbesitz, in einer besonderen und herausragenden Verantwortung,

diesem Ziel nachzukommen und vorbildlich zu erfüllen. Sie haben eine wichtige Vor-

bildfunktion gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und können mit gutem Beispiel

voran gehen und wichtige Impulse setzen. Für die Erhaltung, zum Beispiel der Arten-

vielfalt als Kernelement der Biodiversität, können Staat und Kommunen im Wald, auf

Wiesen oder Äckern, auf öffentlichem Grün oder an Gebäuden wichtige Impulse set-

zen und Beiträge leisten. Es ist Aufgabe des Staates, fachliche Beratung und Kom-

petenz zu fordern und vorzuhalten, um beispielsweise die Kommunen flankierend bei

Eigeninitiativen und bürgerschaftlichem Engagement zu unterstützen.

3) Wir müssen unsere Leitbilder für die Bewertung der Landschaft verändern!

Der Blick der gesamten Gesellschaft auf unsere Umwelt schärfen: Denn eine struk-

turarme Landschaft geht fast immer einher mit Artenarmut.

Aufgeräumte, entsprechend „gepflegte“ und damit ausgeräumte Landschaften, Wie-

sen, Wälder, Gärten, Grünanlagen, Wegränder sind lebensarme Landschaften! Kei-

ne Lebensräume für die Vielfalt des Lebens in der Natur („Unordentlich! Schlampe-

rei“ entsprechende Vorwürfe an Bürgermeister, Landwirte usw.)!

Nach dem Grundsatz „Mehr Unordnung in der Natur wagen“ – vom Garten des Ein-

familienhauses, den Erholungsflächen um Siedlungen, auf Grünflächen des Hand-

werks- und Industriebetriebes, unter Photovoltaik-Anlagen außerhalb der Dörfer und

Städte, im Begleitgrün der Gemeindeverbindungsstraße, oder entlang von Feldern

oder im Wald: Es gibt eine breite Palette an Beispielen, wo durch mehr „Großzügig-

keit“ im Umgang mit der Natur ein enormes Potenzial vorhanden ist, um artenreiche

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Lebensräume zu entwickeln, neu zu begründen oder zu optimieren. Es bestehen

große Flächenpotenzial und die große Chance, wirkungsvolle Vernetzungsstrukturen

zu schaffen, beispielsweise entlang von Straßen, Feldwegen, Gewässern und Wald-

rändern.

4) Wir müssen Natur verstehen lernen! Das ist eine dringliche Aufgabe für alle

Bereiche der Bildung!

Viele haben ihr „Lieblingsobjekt“, eine Blume, eine Tierart, einen Landschaftsraum –

und glauben, das ist „die Natur“. Wenige haben aber Kenntnisse von der Artenviel-

falt, der Biodiversität und der Zusammenhänge im Leben der Natur.

In Anlehnung an den Satz „Denn nur was wir kennen, werden wir schätzen - und nur

was wir schätzen, werden wir auch schützen“ ist das Verstehen lernen und das Wis-

sen um die Artenvielfalt essentiell.

Das ist die Voraussetzung, um Verhaltensveränderungen als Verbraucher, Landnut-

zer oder in der Freizeit, als Staat oder Kommune überhaupt zu erreichen und Be-

schränkungen zu akzeptieren.

Die Palette an Bildungsorten und Lerninhalten reicht von Berücksichtigung in den

Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen oder in der Erwachsenenbildung bis hin

zur dualen Ausbildung, der professionellen Fortbildung und der Hochschul-

/Universitätsausbildung in den „Grünen Berufen“. Ein besonderer Fokus gilt dabei der

Vermittlung von praktischem Wissen.

5) Das Verhalten in der Natur bei diversen Freizeitaktivitäten ist zu einem zent-

ralen Problem für die Natur geworden. Das gilt besonders für die Entwick-

lung in den Bergen und in Landschaftsräumen mit besonderem Freizeitwert.

Der Einsatz für die Biodiversität und damit für unsere Heimat erfordern auch, beson-

ders sensible Ökosysteme, wie die Alpen oder entlang von Flüssen und Seen vor der

Überbeanspruchung durch stetig steigende Freizeitnutzung zu schützen und die

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Rücksichtnahme jedes einzelnen gegenüber besonders empfindlichen Tier- und

Pflanzenarten. Auch wenn dies weit überwiegend aus Unkenntnis geschieht, wird es

bei absehbar weiter zunehmenden Freizeitaktivitäten in der freien Natur – die sich

früher auf bestimmte Tages- und Jahreszeiten beschränkt haben – unumgänglich

sein, einen breit angelegten politischen Diskussions- und Entscheidungsprozess zu

führen, wie und in welchem Umfang entgegengesteuert werden kann, damit die Na-

tur vor Schäden bewahrt wird.

Es bedarf noch intensiver Beratungen, wie die Politik und der Staat darauf zielfüh-

rend reagieren können und sollen (welche Steuerungsmöglichkeiten gibt es? Sind

Wegegebote erforderlich? Klärung von Haftungsfragen, z. B. in der Almwirtschaft).

Informationen und Aufklärungsarbeit in Zusammenarbeit mit Verbänden und Organi-

sationen, sowie den Medien sind dazu unverzichtbare Instrumente.

6) Regeln schützen den Status quo, Anreize fördern die Entwicklung. Notwen-

digkeit und Grenzen des Instrumentariums Unterschutzstellung und Förde-

rung - positive Entwicklungen durch entsprechende Maßnahmen müssen

neu durchdacht und geordnet werden.

Verbote und damit verbundene entsprechende rechtliche Konsequenzen sind unver-

zichtbare Maßnahmen bei entsprechender Gefährdung von wichtigen Elementen der

Natur oder Lebensgrundlagen, z. B. des Grundwassers. Mit den Verboten und Un-

terschutzstellung sind aber auch zwangsläufig Kontrolle, Überwachung, Regelungs-

dichte und Bürokratie im Vollzug für alle Beteiligten verbunden. Mit diesem Instru-

mentarium kann nur das Bestehende geschützt werden, aber damit entsteht nichts

Neues, es induziert keine zwingend nötige Weiterentwicklung, die durch Anreize, z.B.

für eine verbesserte Produktvermarktung und durch verändertes Verbraucherverhal-

ten ausgelöst werden können.

Das exemplarische Beispiel für diese Konstellation ist aktuell der Schutz der Streu-

obstanlagen, ihre Nutzung als Streuobstwiesen und die Biotopkartierung.

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Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft – Institut für Ökologischen Landbau,

Bodenkultur und Ressourcenschutz stellt dazu fest, dass „eine Unterschutzstellung

allein .. wesentliche Ursachen für den weiteren Zusammenbruch alter Streuobstbe-

stände, z.B. aufgrund ihres erreichten Lebensalters, der fehlenden Pflege, oder der

Nutzungsaufgabe, nicht beheben [wird]. Wir empfehlen deshalb anstelle einer Unter-

schutzstellung der Streuobstbestände bzw. als notwendige Ergänzung dazu die Um-

setzung von Projekten und Maßnahmen auf Landesebene:

zur besseren Unterstützung der Streuobstaktteure und Landwirte vor Ort

zum Ausbau der Erhaltung über die Nutzung und Verwertung von Streuobst.“

Ich plädiere dafür, diesen Ansatz innerhalb der Staatsverwaltung und mit den ein-

schlägigen Verbänden intensiv und ergebnisoffen zu beraten.

7) Die Kommunalpolitik, die Gemeinden, die Städte und Landkreise haben für

die Aufgabenstellung Schutz der Natur und der natürlichen Lebensgrundla-

gen eine zentrale Rolle.

Die Aufgaben des Artenschutzes verwirklichen sich in den jeweiligen Lebensräumen,

und sie können vor allem nur im Zusammenwirken verschiedener gesellschaftlicher

Gruppen und Fachdisziplinen verwirklicht werden. Das zeigen auch die Erfahrungen

aus den Ökomodellregionen in Bayern – in Lebensräumen denken und miteinander

handeln. Das ist der Schlüssel für weitere positive Entwicklungen. Die Kommunalpo-

litik hat die Autorität und das Instrumentarium, um die Kräfte im jeweils zuständigen

Raum miteinander zu verbinden und zu koordinieren. Dafür muss nicht viel Neues

erfunden werden. Es gibt in allen Bereichen eindrucksvolle und überzeugende Bei-

spiele des Handelns, auch der Koordination und der Initiative, etwa in Landkreisen.

Es besteht Konsens, dass die kommunale Daseinsvorsorge ein Eckpfeiler unserer

Gesellschaft darstellt. Die Biodiversität gehört angesichts ihrer Bedeutung heute

auch zu diesem Aufgabespektrum. Gerade auf lokaler Ebene und in der Zusammen-

arbeit mit Nachbarkommunen und Akteuren vor Ort gibt es bereits heute zahlreiche

erfolgreiche und wegweisende Beispiele für den nachhaltigen Schutz und die Pflege

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der natürlichen Lebensgrundlagen, die auf die Eigeninitiative, dem Miteinander und

nicht der gegenseitigen Schuldzuweisung beruhen. Diese Beispiele sind Impulsgeber

für ein flächendeckendes Netz an Vorhaben, unter Beteiligung der Bürgerinnen und

Bürger. Um ehrenamtlich getragene Initiativen in diesem Bereich zu fördern und den

nachhaltigen Erfolg zu sichern, bedürfen sie in angemessener Weise fachlicher und

koordinierender Unterstützung – gefördert von der Gemeinde, der Stadt oder dem

Staat.

Wie sich flächenwirksame Umsetzungsprozesse für ein Mehr an Biodiversität nach

dem bottom up-Prinzip umsetzen lassen könnten, zeigt beispielhaft der seit Jahren

erfolgreiche und gesellschaftlich breit anerkannte Instrumentenfächer der Ländlichen

Entwicklung. Von der Integrierten Ländlichen Entwicklung, den Schulen der Land-

und Dorfentwicklung oder der Dorferneuerung – hier agieren Kommunen, Verbände

und Akteure auf lokaler oder interkommunaler Ebene und entwickeln gemeinsame

Leitbilder und Umsetzungsmaßnahmen im Ländlichen Raum. Hierin liegt ein wertvol-

ler Schatz für weitere Beteiligungsmodelle.

8) Aus vielen guten Einzelbeispielen ein systematisches Handeln entwickeln.

Wir haben in allen Lebensbereichen und Handlungsfeldern des Artenschutzes, des

Schutzes der Natur und der natürlichen Lebensgrundlagen herausragend gute Bei-

spiele. Jetzt geht es darum, flächendeckend und in allen Lebensbereichen ein sys-

tematisches und entsprechend koordiniertes Handeln zu gestalten. Das ist die dring-

liche Aufgabe der Politik, aber auch aller gesellschaftlichen Gruppen und ihrer Orga-

nisationen. Die am Runden Tisch Beteiligten und die vielen engagierten Gruppen im

Arbeitsprozess bieten dafür die entsprechenden Voraussetzungen.

Hierzu ein Beispiel: Im Zuge der öffentlichen Diskussion zum Volksbegehren wurden

viele Gartenbesitzer motiviert, in ihrem eigenen Garten Maßnahmen für den Arten-

schutz zu ergreifen. Die Meisten sind gleichzeitig ratlos, was nun hilfreich und sach-

gerecht ist. Ein Ansatzpunkt, um dieses enorme Potenzial in den privaten Gärten zu

heben, sind die vielen aktiven Obst- und Gartenbauvereine, vor allem im ländlichen

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Bereich. Der Bayerische Landesverband für Gartenbau und Landespflege e.V. hat

hierzu eine Projektskizze „Vielfaltsmacher“ beschlossen, um entsprechende Bera-

tungen und damit auch die Mobilisierung für das Anliegen möglich zu machen. Damit

wird für die Artenvielfalt viel Potenzial erschlossen. Gleichzeitig sind die Erfahrungen

im eigenen Garten ein Lernfeld für alle anderen Lebensbereiche.

9) Das Gemeinwohl und die Zukunftsverantwortung müssen die gemeinsame

Orientierung sein.

Die Politik wird ständig mit unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Interessen konfron-

tiert, und damit werden nicht selten entsprechend notwendige Entscheidungen blo-

ckiert. Daher ist die öffentliche Debatte darüber notwendig, was beim konkreten

Sachverhalt „das Gemeinwohl“ ist und die Verantwortung gegenüber den Nachkom-

men erfordert. Dabei ist es nicht nur die Bringschuld der Politik, das Notwendige an

Entscheidungen und Veränderungen verständlich zu machen. Das gilt für alle mei-

nungsbildenden Kräfte in der Gesellschaft, vor allem auch für die Wissenschaft und

eine verantwortungsbewusste Publizistik.

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7 Anhang

7.1 Zeitlicher Ablauf des Prozesses

20. Februar 2019 1. Sitzung Runder Tisch

20. Februar bis 8. März 2019 Sondierungsgespräche mit Verbänden und

Organisationen – Positionen und Anliegen

Vorbereitung des weiteren Arbeitsprogrammes

18. März 2019 2. Sitzung Runder Tisch

22. März 2019 Fachtagung Biodiversität

25. März bis 12. April 2019 Arbeit in Fachgruppen

26. April 2019 3. Sitzung Runder Tisch

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7.2 Teilnehmer Runder Tisch Arten- und Naturschutz

Moderation

Alois Glück, Landtagspräsident a.D.

Staatsregierung

Ministerpräsident Dr. Markus Söder, MdL

Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und

Medien Dr. Florian Herrmann, MdL

Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie Hubert Aiwanger, MdL

Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Michaela Kaniber, MdL

Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Thorsten Glauber, MdL

Bayerischer Landtag

Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ludwig Hartmann, MdL

Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz Rosi Steinberger,

MdL

Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Dr. Leo-

pold Herz, MdL

Stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Martin Schöffel, MdL

Stellv. Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz Eric Beiß-

wenger, MdL

Verbände und Organisationen (in alphabetischer Reihenfolge), i. d. R. vertreten

durch Vorstände bzw. Präsidenten, namentlich genannt:

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Landesverband Bayern e.V.

(AbL) – Josef Schmid

Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbauern – Alfons Zeller, StS a.D.

Bayerischer Bauernverband (BBV) – Walter Heidl

Bayerischer Bezirketag – Landrat Franz Löffler

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Bayerischer Gemeindetag – Erster Bürgermeister Josef Steigenberger

Bayerischer Jagdverband e.V. (BJV) – Prof. Dr. Jürgen Vocke, MdL a.D.

Bayerischer Landesverband für Gartenbau und Landespflege e.V. – Wolfram

Vaitl

Bayerischer Landkreistag – Landrat Thomas Karmasin

Bayerischer Städtetag – Oberbürgermeister Kurt Gribl

Bayerischer Waldbesitzerverband (WBV) – Josef Ziegler

BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) – Richard Mergner

Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM) – Manfred Gilch

Deutscher Alpenverein e.V. (DAV) – Rudolf Erlacher

Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) – Josef Göppel, MdB a.D.

Europäischer Berufsimkerverband – Walter Haefeker

Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern – Kirchenrat Dieter Breit

Familienbetriebe Land und Forst Bayern e.V. – Albrecht Fürst zu Oettingen-

Spielberg

Katholisches Büro Bayern – Prälat Lorenz Wolf

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) – Dr. Norbert Schäffer

Landesfischereiverband Bayern e.V. (LFV) – Prof. Dr.-Ing. Albert Göttle

Landesverband Bayerischer Imker e.V. (LVBI) – Stefan Spiegl

Landesvereinigung ökologischer Landbau in Bayern e.V. (LVÖ) – Hubert Heigl

Ökologisch-Demokratische Partei Landesverband Bayern (ÖDP Bayern) –

Agnes Becker

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7.3 Teilnehmende Verbände und Organisationen an Sondierungsgesprächen

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Landesverband Bayern e.V. (AbL)

Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbauern

Bayerischer Bauernverband (BBV)

Bayerischer Bezirketag

Bayerischer Gemeindetag

Bayerischer Jagdverband e.V. (BJV)

Bayerischer Landesverband für Gartenbau und Landespflege e.V.

Bayerischer Landkreistag

Bayerischer Städtetag

Bayerischer Waldbesitzerverband e.V. (WBV)

Bund Deutscher Landschaftsarchitekten Landesverband Bayern e.V.

BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern

Deutscher Alpenverein e.V. (DAV)

Deutscher Berufs- und Erwerbsimker Bund e.V. (DBIB)

Europäischer Berufsimkerverband

Fachverband Biogas e.V.

Familienbetriebe Land und Forst Bayern e.V.

Fränkischer Klein- und Obstbrennerverband

Kleinbrennerverband des Kreises Lindau e.V.

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV)

Landesfischereiverband Bayern e.V. (LFV)

Landesverband Bayerischer Imker e.V. (LVBI)

Landesverband Bayerischer Schafhalter e.V.

Landesverband Bayerischer Ziegenzüchter e.V. (LBZ)

Landesvereinigung ökologischer Landbau in Bayern e.V. (LVÖ)

Ökologisch-Demokratische Partei Landesverband Bayern (ÖDP Bayern)

Ökologischer Jagdverein Bayern e.V. (ÖJV)

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Südostbayerischer Verband der Obst- und Kleinbrenner e.V.

Verband Bayerischer Pflanzenzüchter e.V.

Verband für landwirtschaftliche Fachbildung in Bayern e.V. (vlf)

Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e. V.

Verein zum Schutz der Bergwelt e.V.

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7.4 Fachtagung vom 22. März 2019

Die Fachtagung war als gemeinsame Basis für das Gesamtverständnis der Bedeu-

tung der Biodiversität für die Stabilität des Naturhaushaltes von großer Bedeutung.

Wie sind die konkrete Situation und die Entwicklung in den verschiedenen Naturräu-

men? Ohne diese gemeinsame Fachtagung wäre der gemeinsame Arbeitsprozess

so nicht möglich gewesen. Die Vorträge der Fachtagung wurden in den von den Au-

toren vorgelegten Kurzfassung auch aus dokumentatorischen Gründen aufgenom-

men. Sie tragen mit dazu bei, den Gesamtprozess des Runden Tisches nachvoll-

ziehbar und verständlich zu machen, auch als Grundlage für das weitere Handeln.

a.) Programm und Ablauf

Leitung: Alois Glück, Landtagspräsident a.D., Moderator Projekt Runder Tisch

Arten- und Naturschutz

Themen: Biodiversität

Referat: Prof. Dr. Gerhard Haszprunar

Direktor der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM)

und Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Zoologie,

Ludwig-Maximilians-Universität München

Landschaft und Agrarlandschaft

Referat: Prof. Dr. Alois Heißenhuber

Emeritierter Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des

Landbaus, Technische Universität München

Gewässer

Referat: Prof. Dr. Jürgen Geist

Inhaber des Lehrstuhls für Aquatische Systembiologie,

Technische Universität München

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Siedlungen

Referat: Prof. Dr. Wolfgang Weisser

Inhaber des Lehrstuhls für Terrestrische Ökologie, Techni-

sche Universität München

Wald

Referat: Dr. Roland Baier

Leiter des Nationalparks Berchtesgaden

b.) Kurfassung der Vorträge

Für das Gesamtverständnis ist von Bedeutung, welche wissenschaftlichen fundierten

Erkenntnisse zum Artenschwund vorliegen. Die Vorträge der Fachtagung wurden in

den von den Autoren vorgelegten Kurzfassungen auch aus dokumentatorischen

Gründen aufgenommgen. Sie tragen mit dazu bei, den Gesamtprozess des Runden

Tisches nachvollziehbar und verständlich zu machen.

Die z.T. von den Autoren angeführten Quellen sind bei den Autoren zu beziehen.

Prof. Dr. Gerhard Haszprunar

Was ist Biodiversität, wozu wird sie gebraucht und warum ist sie gefährdet?

Ausgangslage

Die “Convention of Biological Diversity” (CBD, Rio de Janeiro 1992) definiert Bio-

diversität als Vielfalt an Arten sowie Vielfalt an Ökosystemen. Letztere sind stark ska-

lierbar, reichen sie doch vom Kleinhabitat wie etwa ein toter Baumstamm bis zu

Großökosystemen wie Gebirge oder Ozeane. Bayern hat durch seine geographische

Lage mit einer Vielfalt an Landschaften und Höhenstufen eine besonders hohe Bio-

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diversität und umfasst bei knapp 20% Flächenanteil mehr als 80% aller Tier- und

Pflanzenarten Deutschlands. Damit kommt Bayern auch eine besondere Verantwor-

tung in der Erhaltung dieser Diversität zu.

Es gibt keinen Zweifel mehr, dass die Biodiversität sowohl global gesehen (“6. Mas-

senaussterben”) als auch in Deutschland bzw. Bayern ernsthaft gefährdet ist. Dieser

dramatische, gerade in den letzten 30 Jahren nochmals beschleunigte Rückgang

muss gestoppt werden, will man substanzielle Folgeschäden vermeiden: Denn die

Stabilität und Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen hängt ganz wesentlich von de-

ren Diversität ab. So ist etwa ein Mischwald gegen Dürre, Wind- und Schneebruch

sowie gegen Schädlingsbefall weit robuster als eine Fichten-Monokultur. Jede Art hat

sozusagen einen (oder mehrere ) Beruf(e) im System, der(die) sich mit jenen anderer

Arten überlappen. Ein gewisses Maß an Störung und Artenrückgang wird daher vom

System meist toleriert, fällt aber bei zunehmendem Artenschwund ein “Beruf” ganz

aus, kann das ganze Ökosystem kippen. Nicht zuletzt haben wir als wissende Wesen

auch eine ethische Verantwortung gegenüber einer Schöpfung, die sich in Jahrmilli-

onen zur heutigen Vielfalt entwickelt hat.

Konkrete Ursachen und Maßnahmen

Die Hauptursachen des Artenrückganges in mitteleuropäischen gemäßigten Breiten

sind eindeutig im Bereich der Intensiv-Agrarindustrie vor allem durch Gifteinsatz

(Herbizide, Fungizide, Pestizide) und massive Überdüngung zu suchen, mit Abstand

folgen Bodenversiegelung und Lichtverschmutzung. Beispielsgebend für viele Unter-

suchungen wäre dazu eine Metastudie (Sanchez-Bayo & Wyckhuys 2019: Biol. Con-

servation 232: 8-27) zu nennen, die ca. 60 Studien aus dem EU-Raum zusammen-

fasst: als “main drivers” werden ganz klar (1) “habitat loss for intensive agriculture

and urbanisation” sowie (2) “pollution, mainly by pesticides and fertilisers” aufgezählt.

Es ist daher nicht notwendig, weitere Fakten- und Ursachenforschung zu finanzieren,

viel wichtiger erscheint hingegen Forschung sowie begleitendes Monitoring bezüglich

der Gegenmaßnahmen. Dazu kann die stürmische Entwicklung der DNA-Taxonomie

bzw das bereits einsatzreife aber noch kaum angewandte DNA-Barcoding (siehe et-

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wa http://barcoding-zsm.de/ , https://www.bolgermany.de/ ) auch bei schwierigen

Gruppen schnelle, preiswerte und akkurate Ergebnisse liefern.

Biodiversitätsverlust ist ein Flächenphänomen: Entscheidend ist daher bei allen Ur-

sachenfaktoren aber auch Maßnahmen die Flächenrelevanz:

(1) Fast 50% der Fläche Bayerns wird landwirtschaftlich genutzt, d.h. dass in der

Agrarindustrie die größte (negative wie positive) Wirkung zu erzielen ist. Da-

gegen sind etwa Kieselgärten (“Murenflächen”), Thujenhecken (“Sterilgrün”)

und Rasenroboter - so sehr sie auch dem Insektenschutz widersprechen -

nahezu bedeutungslos. Deutliche Verringerung des Gifteinsatzes aller Art

sowie eine substanzielle Reduktion der Überdüngung sind daher die Gebote

der Stunde. Eine Studie zur Biodiversität großflächig biologischer Anbauflä-

chen aus meinem Haus erbrachte 300% mehr Insekten, 20% mehr Arten und

eine Verdoppelung der Rote Liste Arten im Vergleich zu konventionell bewirt-

schafteten Flächen.

(2) Der Flächenversiegelung kommt mit 7% Flächenanteil und stürmischem

Wachstum aber ebenfalls hohe Bedeutung zu. Warum müssen etwa Groß-

parkplätze stets neben und nicht auf oder unter den Verkaufsflächen liegen?

Einige Städte (z.B. München) haben bereits die Fachdachbegrünung in die

Bauordnung aufgenommen, warum nicht auch für Gewerbegebäude vor-

schreiben?

(3) Die Negativwirkung von Lichtfallen lässt sich mit Zeitschaltuhren, Bewe-

gungsmeldern und Warmton-LED-Einsatz zu über 90% (siehe z.B. Huemer

et al. 2011: Wiss Jahrb Tiroler Landesmuseen 2011: 111-135) ohne Beein-

trächtigung der Lebensqualität reduzieren.

Die Bildungsproblematik

Der Kampf zum Erhalt der heimische Biodiversität wird nicht zuletzt in den Köpfen

der nächsten Generationen entschieden. Dabei ist das “Taxonomic Impediment” (das

„Taxonomische Hindernis“, d.h. der eklatante Mangel an ausgebildeten Artenken-

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nern) in Botanik wie Zoologie ein zentrales Problem. Hier sind zunächst Universitäten

und Fachhochschulen gefragt. Politik und Gesellschaft können diesen autonomen

Institutionen zwar keine Inhalte vorschreiben, wohl aber durch gezielte Angebote

(z.B. Stiftungsprofessuren) Einfluss nehmen.

Nicht minder dramatisch ist die Bildungserosion in der breiten Bevölkerung. Wenn

selbst Abiturent*innen nur mehr 10 deutsche Vogelarten kennen und dabei ganze

Artengruppen zusammenfassen (Amsel, Drossel, Fink und Star....), kann ihnen das

Fehlen der übrigen 490 nicht auffallen: Nur was man kennt, wird man schätzen, und

nur was man schätzt, wird auch geschützt werden, ist eine bekannte Weisheit. Hier

bedarf es Initiativen zu mehr und effizienteren Schulunterricht (so gibt es im gesam-

ten Bildungssektor der bayerischen Fachoberschulen nicht eine einzige Stunde Bio-

logie) ebenso wie den Aufbau und die Förderung außerschulischer Lernorte und

Kurse, wie von Vereinen und Naturkundemuseen angeboten wird. Auch sogenannte

Citizen-Science-Projekte sind geeignet, die breite Bevölkerung an die Gesamtprob-

lematik heranzuführen, und sollten daher gezielt gefördert werden.

Last but not least sei darauf hingewiesen, dass das Konsumverhalten die Produkti-

onsweisen positiv wie negativ beeinflussen kann. Deutschland hat im Begriff der

“Sozialen Markwirtschaft” die soziale Frage als integrativ und gleichberechtigt er-

kannt - der Schritt zur “Ökosozialen Markwirtschaft” (im Nachbarland Österreich be-

reits ein Standartbegriff) steht uns noch bevor - auch das wird ganz wesentlich im

Bildungssektor entschieden werden.

Fazit

Die Lage zum Artensterben ist ernst, in unseren Breiten aber keinesfalls hoffnungs-

los. Es hat ohne Zweifel bereits eine starke Sensibilisierung der Bevölkerung stattge-

funden, gewünschte Veränderungen bedürfen aber der Aufklärung und der Motivati-

on - kluge und zukunftsorientierte Politik sollte dies berücksichtigen.

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Prof. Dr. em. Alois Heißenhuber:

Entwicklungen der Agrarlandschaft

Ausgangslage

Die Landwirtschaft Bayerns ist in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts

durch vielseitig organisierte und relativ flächenarme Familienbetriebe mit kleinen

Tierbeständen gekennzeichnet. Die Agrarlandschaft wird, vor allem in hügeligen Ge-

bieten, durch kleine Flurstücke mit vielen Ranken (Feldterrassen) und Feldrainen

charakterisiert. In den Gunstlagen finden sich aber auch zu dieser Zeit schon deutlich

größere Schläge mit weniger Sträucher und Hecken. Eine enorme Herausforderung

war schon zu jener Zeit die relativ ungünstige Einkommenssituation der in der Land-

wirtschaft beschäftigten Personen. Somit lag es nahe, alle Möglichkeiten zu nutzen,

um diesbezüglich eine Verbesserung zu erreichen. Bei diesen Bemühungen wurde

die Landwirtschaft durch staatliche Hilfen unterstützt.

Entwicklungen

Die Bestrebungen der Landwirtschaft, durch Nutzung der technischen Möglichkeiten

die Einkommenssituation zu verbessern, betreffen auch die Art der Landbewirtschaf-

tung, die wiederum einen wesentlichen Einfluss auf Landschaftsbild, Artenvielfalt und

Qualität der natürlichen Ressourcen hat. Die Landwirtschaft spielt diesbezüglich

schon deshalb eine wichtige Rolle, weil in Deutschland etwa 50 % der Fläche land-

wirtschaftlich genutzt werden. Die Intensität der Landnutzung ist wiederum abhängig

von den natürlichen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen. In Abbil-

dung 1 ist für eine typische bayerische Agrarlandschaft die Entwicklung anhand von

vier Zeiträumen unter dem Einfluss veränderter Rahmenbedingungen dargestellt.

Wesentliche Einflussfaktoren sind u.a. die Mechanisierung der Landwirtschaft, die

steigende Nachfrage nach Lebensmitteln und die staatliche Preisstützung. In den

Hanglagen sorgten ursprünglich Ranken (Feldterrassen) für eine Verringerung der

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Hangneigung, die Bearbeitung mit den Pferden erfolgte quer zum Hang. Auf den

Ranken siedelten sich von selbst Feldgehölze und Sträucher an. Diese boten den

Insekten, den Vögeln und dem Niederwild einen Lebensraum. Typischerweise wur-

den vielseitige Fruchtfolgen betrieben. Im Talgrund fand sich häufig Grünland mit

einem Bachlauf, an dessen Ufern sich Gehölze ansiedelten. Mit Einführung des Trak-

tors stellten die kleinen Flurstücke ein Problem dar. Die staatlich geförderte Flurbe-

reinigung sorgte dafür, dass nun größere Flurstücke mit weniger Arbeitsaufwand be-

wirtschaftet werden konnten. Die Ranken samt Hecken wurden beseitigt. Mit Einfüh-

rung des ertragreicheren Maisanbaues konnte auf Kulturen wie Klee und Kartoffeln

verzichtet werden. Die Bewirtschaftung erfolgte nun in der Falllinie. Mit der Bachbe-

gradigung verschwanden auch die uferbegleitenden Gehölze. Im weiteren Verlauf

erfolgte eine weitere Ausdehnung des Maisanbaues, der mit den neuen Züchtungen

und Techniken auch in Bayern gut möglich war. Sogar Grünland wurde umgebro-

chen und die Ackernutzung bis zum Bachlauf ausgedehnt. Teilweise wurde sogar der

Bach „verrohrt“ und die gesamte Fläche als Acker genutzt. Eine vergleichbare Ent-

wicklung ist in der Tierhaltung abgelaufen. Die Nutzung arbeitssparender Techniken

und Stallsysteme ermöglichte die Ausweitung der Tierbestände. Durch Nutzung zu-

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gekaufter Futtermittel konnte der Viehbestand flächenunabhängig ausgeweitet wer-

den. Der damit verbundene erhöhte Anfall an Gülle wurde anfänglich nicht als Prob-

lem angesehen.

Diese Entwicklung ist typisch für die Landwirtschaft. Im Vordergrund stand das Ziel,

Arbeitszeit einzusparen und die Erträge zu erhöhen um letztlich das Einkommen zu

steigern. Wer diese Entwicklung nicht mitgemacht hat, war nicht konkurrenzfähig und

hat den Betrieb aufgegeben. Die Nebenwirkungen dieser Entwicklung wurden weder

von der Wissenschaft noch von der Politik ausreichend erkannt, zudem traten die

negativen Nebeneffekte erst nach und nach verstärkt auf. Im Laufe der Zeit reifte die

Einsicht, dass die Landwirtschaft neben der Erzeugung von Lebensmitteln noch an-

dere Funktionen hat, also multifunktional ist. In Abb. 2 sind die Kriterien einer multi-

funktionalen Landwirtschaft dargestellt. Bei vielen dieser Indikatoren gibt es gesetzli-

che Mindestanforderungen. Ein darüber hinaus gehendes Niveau an Ressourcen-

schutz könnte z.B. im Rahmen von Umweltprogrammen honoriert werden. In diesem

Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Erreichung einzelner Ziele

untereinander teilweise im Konflikt stehen kann. Typischerweise trifft das z.B. für die

Agrobiodiversität zu, denn tendenziell sinkt mit steigendem Ertrag die Artenzahl.

Ein ganz typisches Beispiel für Änderungen in der Landschaft stellen die Moore dar.

Am Donaumoos lässt sich das gut veranschaulichen. Die Entwässerung der Moore

stellt weltweit eine Möglichkeit dar, die Agrarfläche und damit die Erzeugung von Ag-

rarprodukten auszuweiten. Vor gut 200 Jahren wurde auf staatliche Initiative hin mit

der Urbarmachung, also mit der Entwässerung, des Donaumooses begonnen. Die

Funktionen des Moorkörpers waren noch nicht bekannt bzw. wurden nicht geachtet.

Durch die Trockenlegung kam es als Nebenwirkung zu einem Abbau des Moorkör-

pers (etwa 2 m im Laufe von 200 Jahren), was dazu führt, dass die landwirtschaftli-

che Nutzung langfristig immer schwieriger wird, zudem geht die Funktion der Was-

serspeicherung sukzessive verloren. Der Artenreichtum nimmt ebenfalls ab. Es be-

steht also ein unmittelbarer Konflikt zwischen agrarischer Nutzung und Schutz der

natürlichen Ressourcen, die notwendig Umsteuerung gestaltet sich extrem schwierig.

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Innerhalb der Agrarproduktion wird zwischen dem konventionellen und dem ökologi-

schen Landbau unterschieden. In diesem Zusammenhang wird häufig die Frage ge-

stellt, inwieweit der ökologische Landbau die unterschiedlichen Ziele des Ressour-

censchutzes besser erreicht. In Abbildung 2 sind auch die Ergebnisse einer umfang-

reichen wissenschaftlichen Auswertung eingetragen. Bei vielen Indikatoren weist der

ökologische Landbau im Vergleich zum konventionellen Landbau ein höheres Niveau

bezüglich des Schutzes der natürlichen Ressourcen auf. Es sei aber darauf hinge-

wiesen, dass es sowohl im ökologischen als auch im konventionellen Landbau be-

züglich Ressourcenschutz eine große Bandbreite gibt. Bei einigen wenigen Indikato-

ren ist der Ökolandbau dem konventionellen Landbau unterlegen, insbesondere trifft

das für den Ertrag zu. Aus diesem Grunde sind Ökoerzeugnisse auch teurer, wes-

halb der Anteil der Ökoerzeugnisse im Lebensmittelhandel vergleichsweise klein ist.

Schlussfolgerungen

Die Landwirtschaft hat seit den 50er Jahren eine Entwicklung durchlaufen, bei der

ursprünglich die Ertrags- und Einkommenssteigerung bei gleichzeitiger Einsparung

an Arbeitszeit im Vordergrund stand. Der damit verbundene Rückgang in der Arten-

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vielfalt sowie die zunehmenden Belastungen der natürlichen Ressourcen spielten

anfänglich eine untergeordnete Rolle. Die zwischenzeitlich gestiegenen Anforderun-

gen der Gesellschaft und neue Erkenntnisse über die Bedeutung der Artenvielfalt

und die Notwendigkeit des Schutzes der natürlichen Ressourcen erfordern eine mul-

tifunktionale Landwirtschaft. Die damit verbundenen Anforderungen können von den

Landwirten zu wirtschaftlich akzeptablen Bedingungen nur dann erfüllt werden, wenn

sie für die Erbringung dieser öffentlichen Güter gezielt vom Staat und/oder vom

Markt honoriert werden. Die neuen Herausforderungen müssen auch in Forschung,

Lehre und Ausbildung sowie in der Beratung Berücksichtigung finden. Die staatliche

Förderung ist entsprechend zu reformieren und nicht zuletzt ist auch an die Eigen-

verantwortung zu appellieren.

Prof. Dr. Jürgen Geist

Biodiversitätsschutz in Gewässern: von Einzelarten zu integrativem Prozess-

Schutz

Ausgangslage/Entwicklung

Süßgewässer sind „Hotspots“ der Biodiversität. Gleichzeitig kam es gerade dort zu

einem überproportional starken Rückgang der biologischen Vielfalt, insbesondere bei

Muscheln, Krebsen, Fischen und Insekten, von denen z.B. Stein-, Eintags- und Kö-

cherfliegen den Großteil ihres Lebenszyklus im Wasser durchlaufen. Die politischen

Ziele im Gewässerschutz sind klar formuliert und z.B. im Zuge der Europäischen

Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (Natura

2000) geregelt. Ein Erreichen der Zielmarke der WRRL eines „guten ökologischen

Zustands bzw. Potenzials“ der Oberflächengewässer bis 2015 bzw. spätestens 2027

erscheint in Deutschland und Bayern allerdings unrealistisch.

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Ein besonders starker Rückgang der Biodiversität fand in Fließgewässern statt. Die-

se sind natürlicherweise vierdimensionale Systeme, die nicht nur longitudinal Quell-

und Mündungsregion verbinden, sondern auch lateral mit dem Einzugsgebiet und

vertikal dem Grundwasser eng verknüpft sind. Zudem sind sie (jahres-)zeitlich cha-

rakteristischen Änderungen unterworfen. Eine Beeinträchtigung der vierdimensiona-

len Konnektivität beeinflusst stark die biotischen und abiotischen Prozesse, die öko-

logische Funktionen bestimmen. Querbauwerke, z.B. in Zusammenhang mit der

Wasserkraftnutzung, verringern die Konnektivität, die insbesondere für Wanderfische

wichtig ist. Veränderungen im Abflussregime, z.B. durch Schwallbetrieb und Sedi-

mentation in Staubereichen, führen zu nachteiligen Veränderungen der Habitatquali-

tät in Fließgewässern, insbesondere für strömungsliebende und kieslaichende Arten.

Zu den wichtigsten Gefährdungen der Biodiversität in Gewässern zählen

(1) Übernutzung,

(2) Verschmutzung,

(3) Invasionen gebietsfremder Arten,

(4) Habitatdegradierung und

(5) Veränderung von Abflussregimen sowie

(6) der Klimawandel:

(1) Mit der fischereilichen Nutzung von Gewässern durch Berufs- und Angelfi-

scher ist die Pflicht zur Hege verbunden. Bei sachgemäßer Ausübung soll

damit einer Übernutzung und der Entwicklung nicht angepasster Fischbe-

stände vorgebeugt werden. Die Praxis des fischereilichen Managements,

der Einfluss größenselektiver Fischerei und die Effekte von Besatzmaß-

nahmen mit in der Aquakultur aufgezogenen Fischen werden derzeit inten-

siv diskutiert. Verbesserungen können u.a. durch eine stärkere Berücksich-

tigung wissenschaftlicher Erkenntnisse, eine transparente Diskussion unter

Einbeziehung aller Akteure und die darauf abgestimmte und zielorientierte

Verwendung verschiedener Förderinstrumente (z.B. Fischereiabgabemittel

und Naturschutzmittel) erreicht werden.

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(2) Konkrete Fälle des Umkippens von Gewässern durch akute Verschmutzung

sind mit Ausnahme von Unfällen, z.B. bei Biogasanlagen, durch den Bau

von Kanalisationen und die Verbesserung der Abwasserreinigung in Bayern

selten geworden. Neben einzelnen Substanzklassen (Pflanzenschutzmittel,

Löschschäume, Mikroplastik, Pharmaka und hormonell wirksame Substan-

zen) liegen vor allem zur Mischtoxizität und chronischen Wirkungen bislang

wenige Kenntnisse vor. Forschungsbedarf besteht vor allem in Bezug auf

die realistische Risikobewertung für wichtige Fließgewässerarten, z.B. se-

mi-aquatische Insekten.

(3) Gebietsfremde Arten aus nahezu allen taxonomischen Gruppen wandern in

bayerische Gewässer teils als blinde Passagiere (z.B. mit dem Ballastwas-

ser von Schiffen) ein, werden über den Aquaristik-Handel verbreitet oder

z.T. auch aktiv ausgebracht und durch die strukturellen und klimatischen

Veränderungen gefördert. Einige dieser Arten können die aquatischen Nah-

rungsnetze massiv verändern, wie sich am Beispiel invasiver Grundeln an

oberer Donau und Main oder an der Dominanz nicht-heimischer Krebse in

Bayern eindrucksvoll belegen lässt. Verbesserungen lassen sich durch ein

systematischeres Monitoring dieser Arten, der besonderen Beachtung ge-

netischer Identitätsnachweise bei Artenhilfsprogrammen, eine bessere Kon-

trolle des Aquaristik-Handels und eine Integration gebietsfremder Arten in

das Biodiversitäts-Management erzielen.

(4) Die wesentliche Gefährdung der Biodiversität in bayerischen Gewässern,

insbesondere den Fließgewässern, liegt ursächlich in deren massiven struk-

turellen Veränderungen begründet. Durch Begradigungen und durch Drai-

nieren der Einzugsgebiete, verbunden mit einer Eintiefung der Gewässer,

fand ein Wandel der Landnutzung in den Talauen von Grünlandwirtschaft

hin zu Ackerbau statt. Verstärkte Erosion im Einzugsgebiet und verringerte

Transportkapazität von Feinsediment im Gewässer führen zu Deposition

verbunden mit der Kolmation der Gewässersohle. Ein integratives Einzugs-

gebiets-Management mit dem Ziel einer verbesserten Wasserspeicherung

und der Erosionsminderung, die Etablierung von multifunktionalen Puffer-

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streifen auch an den Nebengewässern und die Umsetzung evidenzbasierter

Restaurierungsansätze sind daher zu empfehlen.

(5) Die strukturellen Veränderungen in Fließgewässern und deren Auen resul-

tieren auch in Veränderungen der Abflussregime, an die sich Arten ange-

passt haben. Sowohl die Homogenisierung von Abflüssen als auch kurzzei-

tig starke Schwankungen, z.B. bei Schwallbetrieb an Wasserkraftanlagen,

sind als ungünstig für die Biodiversität zu bewerten. Innovative Konzepte

zur Darstellung zeitlich angepasster und dynamischer Abflüsse in Haupt-

und Umgehungsgewässern (environmental flows, e-flows) werden in ande-

ren Ländern bereits erfolgreich umgesetzt.

(6) Der Klimawandel resultiert in erhöhten Wassertemperaturen, was zu gerin-

gerer Sauerstofflöslichkeit, stabilerer Schichtung von Seen, Verschiebung

von Fließgewässerregionen, aber auch zu veränderten Eintragsprozessen

von Nährstoffen und Feinsediment aus den Einzugsgebieten führt. So

prognostizieren aktuelle Studien eine Zunahme der Regenerosivität und

damit verstärkten Feinsedimenteintrag ebenso wie eine Zunahme hydrolo-

gischer Extreme (Trockenheit, Hochwasser). Bereits 2018 trockneten zahl-

reiche Oberläufe von Fließgewässern aus, z.B. in Nordbayern. Solche hyd-

rologischen Extreme sind nicht als Einzelereignisse zu verstehen, sondern

sie werden langfristig und zunehmend wiederkehren. Daher muss der Stei-

gerung der Systemresilienz und den Anpassungsstrategien besondere

Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Beschattung von Gewässern (klei-

nere Fließgewässer) sowie der Wasserrückhalt im Einzugsgebiet haben

dabei besondere Bedeutung.

In der Vergangenheit fokussierte der Schutz der Gewässerbiodiversität, z.B. über

Artenhilfsprogramme, meist auf einzelne Arten oder Artengruppen. Bei Arten mit be-

sonderen Funktionen im Ökosystem (sog. Schlüsselarten) und bei Arten, für die

Bayern eine besondere Verantwortung besitzt, erscheint dies sinnvoll (Beispiel

Flussperlmuschel und Koordinationsstelle Muschelschutz). Allerdings wird dies allein

nicht der Multifunktionalität und Komplexität der Gewässer gerecht. Evidenzbasierte

und systemische Ansätze, die sich am Prozess-Schutz (z.B. Abflussdynamik in

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Fließgewässern) orientieren und Zielkonflikte sowie eine räumliche Priorisierung von

Lebensräumen unter zukünftigen Klimaszenarien berücksichtigen, sollten verstärkt

verfolgt werden.

Fazit/Schlussfolgerungen

Die hohe Biodiversität in Gewässern und ihr überproportionaler Rückgang sind in der

Öffentlichkeit weniger bekannt, als dies für terrestrische Ökosysteme der Fall ist. Als

Senken in der Landschaft sind Gewässer von nahezu allen Einflüssen in ihren Ein-

zugsgebieten betroffen, was einen systemischen Ansatz im Gewässerschutz unter

Einbeziehung der Landnutzung erforderlich macht. Der Schutz bzw. das Manage-

ment der Gewässerbiodiversität sollte sich vom Schutz einzelner Arten hin zum evi-

denzbasierten Prozess-Schutz mit klarer Priorisierung entwickeln. Dabei sind alle

Ebenen der Biodiversität, von den Lebensräumen über Lebensgemeinschaften und

Arten bis zur genetischen und funktionellen Diversität gleichermaßen wichtig. Der

Schutz der wenigen, nahezu intakten Gewässersysteme (was ihre Einzugsgebiete

einschließt) sollte dabei höchste Priorität haben, hochgradig strukturell veränderte

Systeme die geringste. Spezialisierte Arten mit komplexen Entwicklungszyklen erfor-

dern die Restaurierung qualitativ unzureichender Schlüsselhabitate und deren Ver-

netzung, wobei ein systemisch-evidenzbasierter Restaurierungsansatz unter Einbe-

ziehung eines adaptiven Managements am zielführendsten ist.

Wegen der vielfältigen Nutzungsansprüche an Gewässer ist deren Management im-

mer ein Kompromiss – allerdings lassen sich in vielen Fällen (z.B. Hochwasser-, Bo-

den-, Klima- und Biodiversitätsschutz) Synergien nutzen, die durch transdiziplinäre

Ansätze erkannt und genutzt werden sollten.

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Prof. Dr. Wolfgang W. Weisser

Biologische Vielfalt in Siedlungen und urbanen Lebensräumen

Ausgangslage

Die biologische Vielfalt in der Stadt – auch Stadtnatur genannt – ist erst in den letz-

ten Jahren zunehmend beachtet worden. Noch vor einigen Jahren war die Meinung,

dass die Stadt, der Lebensraum des Menschen, streng vom Lebensraum der Tiere

bzw. der Natur („Wildnis“) getrennt ist bzw. sein sollte. Heute ist bekannt, dass viele

Arten auch in der Stadt leben können und dass das Zusammenleben von Mensch

und Tier für beide Vorteile haben kann.

Wer lebt in der Stadt?

Die Stadtnatur kann in unterschiedliche „Naturen“ bzw. Artengruppen untergliedert

werden:

Arten, die in den Habitaten leben, die an der Stelle vorkamen, wo heute die

Stadt ist, also Arten aus „übriggebliebenen natürlichen Habitaten“. Ein

Beispiel sind naturbelassene Flussauen, die durch die Städte verlaufen, wie

etwa die Isaraue in München oder Reste der Donauaue (Auwald) in Ingolstadt,

oder auch Niedermoore.

Arten, die in Resten der ursprünglichen Kulturlandschaft leben. Beispiele

sind viele Pflanzen- und Tierarten, die in München nur in der Garchinger Hei-

de vorkommen, die ein Relikt der Kulturlandschaft ist, die ehemals den ge-

samten Norden der Münchner Schotterebene bedeckte. Die Flächen wurden

früher als Weideland oder auch als Mähwiesen genutzt.

Arten, die schon früher mit dem Menschen zusammengelebt haben, als die

Siedlungen noch klein und bäuerlich waren (alte Kulturfolger). Dazu gehört

z.B. der Haussperling, der eigentlich ein Steppenvogel ist.

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Arten, die in den Bedingungen der modernen Stadt ihre normalen Le-

bensbedingungen finden, wie etwas Felsenbrüter (Stadttaube= Felsentau-

be, Dohle). Für diese bieten hohe Kirchen und Hochhäuser neue Felsland-

schaften, die sie besiedeln können. Hierzu gehören auch viele invasive Pflan-

zen, die sich in den häufig gestörten Böden behaupten können.

Arten, die sich an die moderne Stadt angepasst haben (neue Kulturfolger)

und z.B. ihre Scheu vor dem Menschen verloren haben (z.B. Fuchs)

Arten aus der Umgebung der Stadt, von denen einige Individuen auch in-

nerhalb der Stadtgrenzen vorkommen

Arten, die der Mensch gezielt ansiedelt, wie unsere Zierpflanzen oder

Stadtbäume.

Die Stadtnatur besteht also aus Arten unterschiedlicher Herkünfte, dies macht sie so

artenreich. Viele andere Arten können aber nicht in der Stadt leben, weil sie zu scheu

sind, ihre Nahrung oder der Brutplatz fehlt. Dies betrifft z.B. viele Insekten

Sind Städte artenreicher als andere Lebensräume?

Nein. Viele Untersuchungen zeigen, dass die Artenvielfalt in der Stadt geringer ist als

die Artenvielfalt an der Stelle, wo heute die Stadt steht. Falls heute jedoch die Um-

gebung der Stadt sehr artenarm ist, z.B. durch intensive agrarische Nutzung, dann

kann die Artenvielfalt in der Stadt höher sein als in der Umgebung.

Geht die Artenvielfalt in der Stadt zurück?

Ja, so wird zB. auch der Spatz immer seltener. Ein Hauptgrund ist die starke Ver-

dichtung, die auf Kosten der Grünräume geht. Zu den Grünräumen gehören nicht nur

Naturschutzgebiete, sondern auch Parks, Vorgärten, Straßenbegleitgrün oder ein-

zelne Bäume. Zusätzlich gehen Brutmöglichkeiten an den Fassaden verloren, u.a.

durch die Dämmung. Schließlich führt die intensive Pflege durch die Bauhöfe und

Privatpersonen zum Rückschnitt von Bäumen, Hecken und Wiesen. So können we-

niger Tiere brüten oder in Pflanzen überwintern.

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Die Naturschutzgesetze verhindern dies nicht. Die Eingriffsregelung (§13ff.

BNatSchG) greift in der Stadt nicht, der besonderer Artenschutz (§44 Abs.1

BNatSchG) wird kaum kontrolliert und schützt nur wenige Arten. Die Stadtnatur ist im

Wesentlichen rechtlich ungeschützt.

Warum sollten wir die Artenvielfalt in der Stadt fördern?

Für den Menschen in der Stadt. Die Stadtnatur ist die Natur, die Stadtbewohner täg-

lich erleben können. Die meisten Bürgerinnen und Bürger möchten im Grünen woh-

nen und sich an der Natur, an Bäumen, singenden Vögeln und Arten wie dem Eich-

hörnchen erfreuen. Es gibt auch zunehmend Hinweise, dass Stadtnatur Gesundheit

und Wohlbefinden der Bürger positiv beeinflusst. Wenn Stadtbewohner in die Umge-

bung fahren müssen, um Natur zu erleben, sinkt die Umweltgerechtigkeit.

Wie könnte die Artenvielfalt in der Stadt gefördert werden?

Vermeidung von Zerstörung der Stadtnatur

Bauen nicht dort, wo wichtige Habitate sind oder alte Bäume stehen

Bauliche Fallen vermeiden, die Tiere töten (Glasfronten, Kellerschächte)

Eingriffsregelung auch in der Stadt anwenden (§13b BauGB, der Stadtgrün für

den Bau freigibt, streichen)

Baumpflege und Mahd nur dort, wo zwingend notwendig, sonst schonend, al-

so nur eine sehr späte Mahd. Das Mahdgut liegen lassen und erst nach einem

Tag abfahren – Mulcher sind eine schlechte Lösung.

Förderung der Stadtnatur

Förderprogramme von Gemeinden und Städten für Stadtnatur (z.B. Zuschüs-

se, Wettbewerbe, Auktionen um Baugebiete usw.).

Auflagen von Gemeinden und Städte für eine „qualifizierte Begrünung“ bei

Bebauungen statt Standardlösungen mit Kirschlorbeer, Cotoneaster und Na-

delbäumen im Kiesbett.

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Existierende Ideen und Methoden nutzen (z.B. „Kommunen für biologische

Vielfalt“, „Kommunen für Nachhaltigkeit“ (www.iclei-europe.org), „Eh-Da Flä-

chen“, „Animal-Aided Design“ und viele andere).

Fazit und Schlussfolgerungen

Neue Erkenntnisse zeigen, dass die Stadtnatur für den Menschen wichtiger ist als

früher gedacht. Ohne gezielte Förderung und Schutz wird sie aber zunehmend ver-

schwinden. Die Kommunen haben viele Möglichkeiten und können mit gutem Bei-

spiel vorangehen. Vorbilder gibt es auch im Ausland (z.B. Toronto, Kanada).

Dr. Roland Baier

Wald - Artenvielfalt verstehen, erhalten und verbessern

In dem Fachbeitrag werden in knapper Form die steuernden Einflussgrößen auf die

Artenvielfalt im Wald dargestellt. Gleichzeitig werden Maßnahmen aufgezeigt, um die

Artenvielfalt im Wald zu erhalten und zu verbessern. Im Zuge der aktuellen Diskussi-

on ist wohl unbestritten, dass die großen Veränderungen hinsichtlich der Biodiversität

in den vergangenen rund 50 Jahren in der Agrarlandschaft stattgefunden haben.

Gleichzeitig gilt der Wald mit seiner langen Lebensdauer bzw. die Forstwirtschaft oh-

ne Dünger- und Pestizideinsatz als eine der naturnähesten Formen der Landnutzung

in Mitteleuropa. Gleichwohl haben im Wald Bayerns Artenverluste stattgefun-

den, jedoch vergleichsweise weit zurück, ca. um das Jahr 1800. Aus diesem

Grund hat die Gesellschaft eine ebenso große Verantwortung zum Erhalt der

Artenvielfalt im Wald.

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Waldgeschichte - Lebensgemeinschaften im Urwald

Nach der letzten Eiszeit begann vor ca. 15.000 vor Christus die Wiederbewaldung

Bayerns aus den südlich der Alpen gelegenen Refugien. Die waldspezifischen Arten

sind hierbei mit den Bäumen eingewandert. Heute geht man davon aus, dass ca. 90

% der Fläche Bayerns von Natur aus bewaldet wäre, mit überwiegend Buchen-

Waldgesellschaften. Im Rahmen der Co-Evolution der Arten hat sich ein hohe Ab-

hängigkeit zu Totholz herausgebildet. So sind 30 % aller Käferarten und 50 % aller

Pilzarten auf Totholz angewiesen, darunter viele Rote Liste- und FFH-Arten. Wichtige

Referenzflächen für den Zusammenhang zwischen Waldstrukturen und der Arten-

ausstattung, bilden die Buchen-Urwälder in den Karpaten Osteuropas (Rumänien,

Ukraine) und die Hyrkanischen Buchen-Urwälder im Iran, beides heute Weltnaturer-

begebiete. Entscheidend für eine hohe Artenvielfalt ist stets eine hohe Habitat-

Diversität, die sich aus einer große Totholzmenge im Raum und baumspezifi-

sche Strukturen (z.B. Mulmhöhlen) ergibt, sowie einer ungebrochenen Habi-

tattradition, d.h. einer Persistenz der wichtigen Waldstrukturen bis in die Ur-

waldphase.

Vom Wald zum Forst - Einfluss des Menschen auf die Artenvielfalt

Der Mensch hat die Artenvielfalt im Wald entscheidend beeinflusst. Ca. 5000 vor

Christus begann die Nutzung der Wälder durch erste Siedler, d. h. bereits vor An-

kunft der Baumart Buche wurden bereits lichte Waldstrukturen geschaffen, die das

Überleben lichtbedürftiger Arten im Wald ermöglichten. Ca. 800 vor Christus hat

schließlich bereits ein flächendeckender Einfluss des Menschen auf den Wald statt-

gefunden. Dennoch waren bis ca. 1500 nach Christus Urwälder in Bayern mit ihrer

vollen Artenausstattung vorhanden. Erst mit der frühindustriellen Holznutzung zur

Versorgung der Salinen, Eisen- und Glashütten begann ein enormer Einfluss auf den

Wald, dessen Baumartenzusammensetzung und Waldstrukturen und damit auf die

Artenvielfalt. So zeigen alte Forstbeschreibungen und –planungen, dass ca. um 1750

der Wald weit übernutzt und auf ein Minimum zurückgedrängt und viele Waldstandor-

te unbestockt waren. Mit der Einführung der Nachhaltigkeit 1713 und im Zuge der

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aufkommenden Forstwissenschaft (Hartwig 1808), fanden Empfehlungen zur Wie-

derbewaldung und zu einer strikten Waldhygiene Verbreitung. Im Folge kam es zu

großen Aufforstungen und Waldsanierungsprogrammen vom Gebirge bis in den

Spessart. Totholz- und Biotopbäume wurden konsequent im Zuge der Waldhygiene

entnommen. Diese enorme Leistung der planmäßigen und modernen Forstwirtschaft

führte in Summe zu dichteren Wäldern, einer Abnahme an wichtigen Waldstrukturen

(z.B. an beschädigten Bäumen), einer deutlichen Überbetonung der Nadelbäume

und eines starken Anstiegs der Holzvorräte in Bayern. Eine Studie von Seibold et al.

(2014) kam daher zum Ergebnis, dass Arten des Flachlandes, große Arten, die an

starkes Totholz gebunden sind, Arten die an Laubholz gebunden sind und Arten die

an besonntes Totholz gebunden sind, ein erhöhtes Aussterberisiko aufweisen. Die

Studie spiegelt damit eindeutig den Einfluss der Forstwirtschaft (hohe Bewirtschaf-

tungsintensität im Flachland, Zurückdrängen des Laubholzes, Entnahme von Tot-

holz) auf die Gefährdung von Arten wider. Auch die beiden Analysen von Meyer et al.

(2018) und von Müller & Bußler (2007) zeigten einen deutlichen Verlust an Urwald-

Reliktarten in unseren bewirtschafteten Wäldern. Insgesamt sind damit, das zeigt

auch eine Studie von Hilmers et al. (2018) unsere Wälder heute zu dicht, zu tot-

holzarm und zu nadelholzreich. Wichtige Phasen für die Biodiversität, wie die

des Zerfalls und die frühe Regenerationsphase, kommen in unseren Wäldern

dagegen nur selten vor.

Artenvielfalt im Wald heute - Wirtschaftswald und Schutzgebiete im Vergleich

Aufgrund der weiten Verbreitung umfassen Wirtschaftswälder weit mehr Lebensräu-

me als Schutzgebiete. Unsere Wirtschaftswälder bieten jedoch häufig wenig geeig-

nete Habitat für bedrohte Waldarten (siehe oben). Heute sind sehr gute Waldnatur-

schutzkonzepte erarbeitet und es finden sich lokal eine Reihe positiver Beispiele der

Umsetzung. Zudem zeigen aktuelle wissenschaftliche Studien, dass Maßnahmen

(zum Beispiel flächige Anreicherung von hohen Totholzmengen) innerhalb kurzer

Zeit greifen und sich die Artenzusammensetzung erholen kann. Es muss jedoch die

flächendeckende Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen im Wald forciert

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werden, da die Populationen der meisten hochbedrohten Arten isoliert und zu

klein sind und damit ihr langfristiges Überleben heute nicht gesichert ist (Kli-

mawandel!).

Schutzgebiete mit Prozessschutz und ihrer natürlichen Störungsdynamik fördern die

Struktur- und Nischenvielfalt für bedrohte Arten. Von der natürlichen Dynamik profi-

tieren waldspezifische Naturnähezeiger und Urwald-Reliktarten, wie unsere beiden

bayerischen Nationalparke eindeutig belegen. Seltene Arten stabilisieren sich dort

und bilden Quellpopulationen für ihre Umgebung. Dabei muss betont werden, dass

sich Schutz und Nutzung teilweise ausschließen (zum Beispiel bei der Notwendigkeit

von sehr hohen Totholzmengen von > 100 m³/Hektar für bestimmte Arten). Die Pro-

zessschutzflächen bilden zudem unverzichtbare Lernorte (für die Wissenschaft und

als Erfahrungsraum für den Menschen) für natürliche Prozesse. Große Schutzge-

biete (in „Hotspots“ nicht pauschale Ausweisungen in der Fläche) und Pro-

zessschutz wirken nachweislich gegen Artenverluste.

Ansätze für Bayern zum Erhalt und der Verbesserung der Artenvielfalt im Wald

Maßnahmen in Wäldern: Maßnahmen in Wäldern, wie der Erhalt alter Wälder (>200

Jahre), die Anreicherung von Totholz auf 30-40 m³/Hektar oder der Schutz von Höh-

lenbäumen und bestimmter Waldbiotope sind heute bereits weitgehend in die Natur-

schutzkonzepte integriert. Bedeutender ist daher die Umsetzung dieser Maßnahmen

in der Landschaft: Die Gesamtdiversität im Wald kann sicher nur über Großschutz-

gebiete (Nationalparke und weitere Prozessschutzgebiete mit rechtlich verankerten

Schutzstatus und einer Größe von 500-1000 ha) in Kombination mit kleineren

Schutzgebieten (Naturwaldreservate und Naturschutzgebiete ohne Holzproduktion

mit entsprechenden Schutzstatus) und Naturschutzmaßnahmen in bewirtschafteten

Wäldern erhalten werden.

Die Maßnahmen sollen vorrangig im Staatswald Bayerns umgesetzt werden. Heute

liegen ca. 50 % der Hiebsruheflächen von BaySF im Gebirge. Nimmt man hier noch

den Wald in der Kernzone des Nationalparks Berchtesgaden hinzu, so wird deutlich,

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dass Wälder im Gebirge bei den Schutzmaßnahmen bislang deutlich überrepräsen-

tiert sind. Ergänzend müssen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse

zur Gefährdung von Arten (siehe vorne) dringend im Flachland Prozessschutz-

gebiete und dort in Hotspots (Artenausstattung und Habitattradition) diverser

Laubwaldgesellschaften ausgewiesen werden. Hierzu folgender Vorschlag mit

entsprechender Flächenbilanz: Ein Laubwald-Nationalpark von ca. 10.000 Hektar, 20

Schutzgebiete mit Prozessschutz von jeweils ca. 1000 Hektar und weitere Natur-

waldreservate von in Summe 2000 Hektar. Mit diesen 32.000 Hektar wären zu den

bestehenden Schutzgebieten (Nationalparke mit in Summe 22.000 Hektar, Schutz-

gebiete mit 2400 Hektar und Naturwaldreservate mit 6400 Hektar) insgesamt rd.

63.000 Hektar oder rund 8 % des Staatswaldes fachlich sinnvoll für den Erhalt der

Artenvielfalt aus der Nutzung genommen.

Zusätzlich wird geraten, die Forschung zur Biodiversität im Wald zu intensivieren, ein

Biodiversitätsmonitoring „Wald“ zu etablieren und die bestehenden Vertragsnatur-

schutzprogramme zu optimieren. Wichtig für die Umsetzung der Naturschutzstrate-

gien in Bayerns Wäldern ist die Sicherstellung der Freiwilligkeit und der Betonung,

dass Flächenstilllegungen nicht den Privatwald betreffen werden, auch nicht in Zu-

kunft! Insgesamt sollen durch Umweltbildung und Waldpädagogik die Zusammen-

hänge zum Artenschutz im Wald vermittelt und das Image der Forstwirtschaft (z.B.

zu Notwendigkeit der Holznutzung) verbessert werden.

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7.5 Fachgruppen

7.5.1 Fachgruppe Offene Landschaft, Agrarlandschaft

a.) Teilnehmerverzeichnis (in alphabetischer Reihenfolge)

Almwirtschaftlicher Verein Oberbayern e.V. (AVO)

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Landesverband Bayern e.V.

(AbL)

Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbauern

Arbeitsgemeinschaft der amtlichen Fachreferenten für Naturschutz und Land-

schaftspflege in Bayern e.V.

Bayerischer Bauernverband (BBV)

Bayerischer Jagdverband e.V. (BJV)

Bayerische Jungbauernschaft e.V.

Bayerischer Städtetag

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft u. Forsten

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern

BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM)

Deutscher Berufs- und Erwerbs Imker Bund e.V. (DBIB)

Deutscher Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL)

Europäischer Berufsimkerverband

Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern

Familienbetriebe Land und Forst Bayern e.V.

Fachverband Biogas e.V. (nur Teilnahme Unterarbeitsgruppe Mahdtechnik)

Landtagsfraktion CSU

Landtagsfraktion Freie Wähler

Katholisches Büro Bayern

Kuratorium Bayerischer Maschinen- und Betriebshilfsringe e.V. (KBM, nur

Teilnahme Unterarbeitsgruppe Mahdtechnik)

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Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV)

Landesfischereiverband Bayern e.V. (LFV)

Landesverband Bayerischer Imker e.V. (LVBI)

Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ)

Ökologisch-Demokratische Partei Landesverband Bayern (ÖDP Bayern)

Verband kommunaler Unternehmen e.V. Landesgruppe Bayern

b.) Sitzungstermine

25. März 2019

01. April 2019

05. April 2019

08. April 2019

12. April 2019

c.) Ergebnisse der Beratungen zwischen den Initiatoren des Volksbegehrens

und dem Bayerischen Bauernverband (BBV)

Hinweis: Nachfolgend Reihenfolge entsprechend Volksbegehren (VB) „Artenviel-

falt & Naturschönheit in Bayern („Rettet die Bienen!“)“

Ökolandbau – Vorgaben für staatliche Flächen

Text Volksbegehren: Art. 1a Artenvielfalt

1Über § 1 Abs. 2 BNatSchG hinaus verpflichtet sich der Freistaat Bayern zur dauerhaften Sicherung und Entwicklung der Artenvielfalt in Flora und Fauna da-rauf hinzuwirken, deren Lebensräume zu erhalten und zu verbessern, um einen weiteren Verlust von Biodiversität zu verhindern. ²Ziel ist, die landwirtschaftlich genutzten Flächen des Landes nach und nach, bis 2025 mindestens 20 Prozent und bis 2030 mindestens 30 Prozent, gemäß den Grundsätzen des ökologischen Landbaus gemäß der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 und des Gesetzes zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäi-schen Union auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus (Öko-Landbaugesetz – ÖLG) in der jeweils geltenden Fassung zu bewirtschaften. ³Staatliche Flächen sind bereits ab 2020 gemäß diesen Vorgaben zu bewirtschaften.

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Die Vertreter der Staatsregierung erklären, dass für die staatlichen Aufgaben

Ausbildung und Fortbildung Flächen mit konventionellem Anbau unverzicht-

bar sind. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sehen sie in der Formulie-

rung des Gesetzestextes.

Dieser rechtlichen Interpretation widerspricht der Trägerkreis VB. Der Trä-

gerkreis akzeptiert aber die inhaltliche Begründung der Staatsregierung für

den Bedarf an Flächen für konventionelle Bewirtschaftung. Gleichzeitig wird

von der Staatsregierung erwartet, dass sie zeitnah eine Aufstellung über die

Fläche in staatlicher Nutzung und über die geplante Nutzungsverteilung öko-

logischer Landbau und konventionelle Nutzung übermittelt.

Einvernehmlich wurde betont, dass geltende Pachtverträge vom Anspruch

auf Umnutzung nicht betroffen sind. Bei auslaufenden Pachtverträgen wer-

den die bisherige Praxis der Weiterverlängerung auch vom Trägerkreis VB

akzeptiert, wenn wegen entsprechender Investitionen sonst soziale Härten

entstehen würden (Härtefallregelung).

Der BBV weist darauf hin, dass bei der Umsetzung nach der Rechtsauffas-

sung des Trägerkreises erhebliche Verwerfungen auf dem Pachtmarkt be-

fürchtet werden. In diesem Fall besteht Dissens.

Naturschutz als Aufgabe der Erziehung

Text Volksbegehren: Art. 1b Naturschutz als Aufgabe für Erziehung

1Die Ziele und Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden bei der pädagogischen Aus- und Fortbildung, in den Lehr- und Bildungsplänen und bei den Lehr- und Lernmitteln berücksichtigt. ²Insbesondere sind die Folgen des Stickstoffeintrages, die Auswirkungen von Schlaggrößen, die Bedeutung der Fruchtfolge-Entscheidungen und die Auswirkungen des Pestizideinsatzes und weiterer produktionsintegrierter Maßnahmen auf den Artenreichtum und das Bodenleben darzustellen. Der BBV machte geltend, dass diese Darstellung einseitig und unausgewo-

gen ist.

In den weiteren Beratungen erfolgte eine Einigung auf folgenden Textvor-

schlag für den Gesetzgeber:

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Im Sinne eines umfassenden Bildungsauftrages werden die Aufgaben und

die Leistungen der Landwirtschaft für die Kulturlandschaft und die Gemein-

wohlleistungen für die Vielfalt in der Natur und ebenso Probleme, die durch

intensive Landnutzung entstehen, vermittelt. Das ist zu integrieren in einen

allgemeinen Bildungsauftrag, in dem Zusammenhänge und Wechselwirkun-

gen in der Natur und die Bedeutung der Biodiversität vermittelt werden.

Verbot der Mahd von außen nach innen

Text Volksbegehren: Art. 3 Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft

(4) 1Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist es verboten […]

5. bei der Mahd auf Grünlandflächen ab 1 Hektar von außen nach innen zu mähen, davon unberührt bleibt stark hängiges Gelände,

[…]

²Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes sind alle auf natürliche Weise entstan-denen Grünlandflächen, sowie angelegte und dauerhaft als Wiese, Mähweide oder Weide genutzte Grünlandflächen und deren Brachen. ³Nicht auf Dauer an-gelegte Ackerfutterflächen sind kein Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes.

Die Vertreter der Landwirtschaft betonen, dass der Schutz der Bodenbrüter

und des Wildes auch ihr Anliegen ist.

Für die Landwirtschaft sind aber Mähverfahren wichtig, mit denen eine Ver-

schmutzung des Futters so weit wie möglich vermieden wird. Entsprechend

der unterschiedlichen Geländeformen und der Flächenzuschnitte sind daher

verschiedene Verfahrensmöglichkeiten notwendig.

Aus der naturschutzfachlichen Sicht ist der Beginn der Mahd der Flächen an

den Grundstücksenden unbedenklich.

Weitere Vorschläge/mögliche Verfahren (entsprechend den unterschied-

lichen Grundstückssituationen) sollen in gemeinsamen Beratungen von Na-

turschutz, Landwirtschaft und Jagdverband erarbeitet werden.

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Verbot, ab 2020 auf zehn Prozent der Grünlandfläche erste Mahd vor dem

15. Juni durchzuführen

Text Volksbegehren: Art. 3 Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft

(4) 1Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist es verboten

[…]

6. ab dem Jahr 2020 auf zehn Prozent der Grünlandflächen der Landesflä-che Bayerns die erste Mahd vor dem 15. Juni durchzuführen,

[…]

²Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes sind alle auf natürliche Weise entstan-denen Grünlandflächen, sowie angelegte und dauerhaft als Wiese, Mähweide oder Weide genutzte Grünlandflächen und deren Brachen. ³Nicht auf Dauer an-gelegte Ackerfutterflächen sind kein Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes.

In vielen Diskussionen war unklar, ob die Maßgabe für den Einzelbetrieb gilt.

Die Fachgruppe stellt einvernehmlich klar, dass diese Maßgabe als Zielbe-

stimmung für den Staat gilt und damit für den Einzelbetrieb nicht verbindlich

und damit nicht förderschädlich ist.

Walzverbot nach dem 15. März

Text Volksbegehren: Art. 3 Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft

(4) 1Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist es verboten

[…]

7. ab dem Jahr 2020 Grünlandflächen nach dem 15. März zu walzen und

[…]

²Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes sind alle auf natürliche Weise entstan-denen Grünlandflächen, sowie angelegte und dauerhaft als Wiese, Mähweide oder Weide genutzte Grünlandflächen und deren Brachen. ³Nicht auf Dauer an-gelegte Ackerfutterflächen sind kein Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes.

Die Fachgruppe ist übereinstimmend der Meinung, dass wegen der nach

Regionen und Landschaftsräumen unterschiedlichen Vegetationsperioden

(und damit zeitlich unterschiedlichen Voraussetzungen) eine entsprechende

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Regionalisierung notwendig ist. Dafür sind entsprechende Indikatoren zu de-

finieren, z.B. die Wuchshöhe von Gras (Ausführungsverordnungen).

Die Veröffentlichung der zeitlichen Regelungen für das Walzen erfolgt über

die regionalen Medien und die Fachstellen, (z.B. Homepage des Amtes für

Landwirtschaft und Forsten, des Landratsamtes u. ä.). Dem einzelnen Land-

wirt entsteht kein bürokratischer Aufwand.

Schäden durch aktuelle Ereignisse, (z.B. Unwetterschäden, Wildschäden,

Fahrspuren, Trittschäden auf Weiden, o.ä.) können auch in der Zwischenzeit

durch Walzen bereinigt werden.

Verbot flächenhaften Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf Dauergrünland

Text Volksbegehren: Art. 3 Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft

(4) 1Bei der landwirtschaftlichen Nutzung ist es verboten

[…]

8. ab dem 1. Januar 2022 auf Dauergrünlandflächen flächenhaft Pflanzen-schutzmittel einzusetzen.

[…]

²Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes sind alle auf natürliche Weise entstan-denen Grünlandflächen, sowie angelegte und dauerhaft als Wiese, Mähweide oder Weide genutzte Grünlandflächen und deren Brachen. ³Nicht auf Dauer an-gelegte Ackerfutterflächen sind kein Dauergrünland im Sinn dieses Gesetzes.

Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

erklärt, dass die Ampferbekämpfung mittels Rotowiper als Einzelpflanzen-

bekämpfung und nicht als flächige Behandlung gilt.

Der BBV weist darauf hin, dass die Regelung auf Grünland, das nicht in

staatlichen Umweltprogrammen ist, ein Verbot des flächigen Pflanzenschut-

zes zur Folge hätte. Die vorgesehene Ausnahmeregelung für giftige, invasive

oder sonstige problematische Pflanzenarten ermöglicht nur die „punktuelle

Beseitigung“ und ist damit nicht ausreichend.

Hier besteht ein Dissens.

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Streuobstbestände als Biotop

Text Volksbegehren: Art. 23 Gesetzlich geschützte Biotope

(1) Gesetzlich geschützte Biotope im Sinn des § 30 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG sind

auch

[…]

6. Extensiv genutzte Obstbaumwiesen oder -weiden aus hochstämmigen Obstbäumen mit einer Fläche ab 2.500 Quadratmetern (Streuobstbestände) mit Ausnahme von Bäumen, die weniger als 50 Meter vom nächstgelegenen Wohngebäude oder Hofgebäude entfernt sind

Für betriebswirtschaftlich veranlasste Veränderungen und Erweiterungen der

Hofstelle (einschließlich hofnaher wichtiger Anlagen, wie z.B. Silos) können

Obstbäume gerodet werden. Dafür ist an anderer Stelle ein 1:1-Ausgleich zu

schaffen.

Im Streuobst übliche Pflege- und Erneuerungsmaßnahmen unterliegen kei-

ner Beschränkung.

Für besondere Schadenssituationen kann auf der Grundlage einer zu erlas-

senden Ausführungsverordnung auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln

erfolgen (Erläuterung: Ähnliche Situation/Verfahren, wie bei Bekämpfung von

Fruchtfliegen bei Kirschen).

Arten- und strukturreiches Dauergrünland als Biotop

Text Volksbegehren: Art. 23 Gesetzlich geschützte Biotope

(1) Gesetzlich geschützte Biotope im Sinn des § 30 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG sind

auch

[…]

7. arten- und strukturreiches Dauergrünland. Es besteht Einigkeit, dass die notwendige Definition von „arten- und struktur-

reichem Dauergrünland“ über FFH-Lebensraumtypen in Ausführungsbe-

stimmungen klargestellt und allgemeinverständlich erläutert werden muss,

(z.B. über Flächenerfassung durch Biotopkartierung). Hier bedarf es im Sinne

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von Rechtsklarheit zu den geschützten Biotopen einer Festlegung, die Dau-

ergrünland als Wirtschaftswiesen/-weiden zur Gewinnung von hochwertigem

Futter ausschließt.

Der BBV erklärt, dass - ohne diese Informationen - Auswirkung und Reich-

weite auf das allgemeine Dauergrünland nicht abgeschätzt werden kann.

Daher kann an dieser Stelle derzeit keine Aussage zu einem Konsens, bzw.

möglichen Dissens, getroffen werden.

Der Trägerkreis VB erklärt, dass intensiv genutzte Wiesen und Weiden aus

ihrer Sicht kein arten- und strukturreiches Dauergrünland darstellen.

d.) Weitere wesentliche Diskussionspunkte der Fachgruppe

Fachliche Aus- und Fortbildung, sowie allgemeine Bildung

Die Anforderungen an den Ausbildungsberuf des Landwirts unterliegen steigen-

den Anforderungen. Neben ökologischen und gesellschaftlichen Ansprüchen tre-

ten hier auch neue Entwicklungen in der Digitalisierung. Eine ganzheitliche Aus-

und Fortbildung in der Landwirtschaft, sowohl im Hinblick auf die Fachkenntnisse,

wie auch das notwendige Wissen der Gesamtzusammenhänge in der Natur, ist

für einen langfristigen Erfolg zum Erhalt der Artenvielfalt zwingend notwendig.

Gleichzeitig ist das Verständnis über Naturzusammenhänge, aber auch über Pro-

duktionsweisen unserer Lebensmittel, Grundvoraussetzung für einen sorgsamen

Umgang mit unserer Natur, aber auch mit unseren Lebensgrundlagen durch je-

den Einzelnen von uns. Anders gesagt: Wir dürfen Natur nicht nur konsumieren,

wir müssen sie auch verstehen lernen. Es wird empfohlen, das Verständnis über

Landwirtschaft, Zusammenhänge und Wechselwirkungen in der Natur und die

Bedeutung der Biodiversität in einen allgemeinen Bildungsauftrag zu fassen.

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Beratung und Forschung

Wesentliche Voraussetzung für flächenwirksame Maßnahmenumsetzungen im

Bereich Artenschutz und Biodiversität ist eine fundierte staatliche Beratung der

Landwirte mit ausreichender Personalkapazität. Sowohl das Fachwissen zur

Landwirtschaft, als auch das Wissen zum Naturhaushalt und zur Artenvielfalt,

müssen dabei in die Beratungstätigkeit integriert werden. Spezialisierte Beratung

zu einzelnen Fachthemen ist wichtig. Empfohlen wird jedoch, die Aufteilung in-

nerhalb der Beratung, beispielsweise auf konventionelle Landwirtschaft und öko-

logischen Landbau, zu überprüfen.

Da über die Beratung ein wesentlicher Wissenstransfer fachlicher und gesell-

schaftlicher Kompetenz erfolgt, wird ebenso empfohlen, die entsprechende Aus-

richtung der Wissenschaft und damit die Ausbildung der Beratungskräfte zu über-

prüfen.

Extensive Grünlandbewirtschaftung

Der Rückgang an Grünland seit den 1970er Jahren liegt bei rund 30 Prozent.

Trotz zahlreicher Agrarumweltprogramme ist hier die Trendumkehr beim Arten-

verlust noch nicht erreicht. Gerade in den extensiv bewirtschafteten Grünlandflä-

chen bestehen hohe Potenziale für die Artenvielfalt. Einigkeit bestand deshalb in

der Fachgruppe über die Notwendigkeit, die extensive Grünlandbewirtschaftung

attraktiver zu gestalten. Insbesondere in der Schaf- und Ziegenhaltung, sowie in

extensiven Formen der Rinderhaltung, bedarf es verbesserter wirtschaftlicher

Grundlagen. Andiskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch, die Sorgen der

Weidetierhalter hinsichtlich der weiteren Ausbreitung des Wolfes ernst zu neh-

men. Im Rahmen des Runden Tisches war eine ausführliche Klärung der Fragen

rund um den Wolf jedoch aufgrund der Zeitvorgaben nicht möglich. Festzuhalten

ist, dass eine Aufgabe dieser Bewirtschaftungsformen erhebliche negative Aus-

wirkungen auf die Artenvielfalt hätte. Es wird deshalb empfohlen, für extensive

Beweidungsformen wie die Schaf- und Ziegenhaltung zusätzliche Unterstützung

vorzusehen, um diese Bewirtschaftungsformen zu erhalten.

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Berglandwirtschaft

Die bayerischen Almen und Alpen sind ein Hotspot der Biodiversität. Beispiele

aus den Chiemgauer Alpen zeigen, dass eine Aufgabe der Beweidung bzw. eine

verringerte Bestoßdichte der Alm- und Alpflächen, zu Verbuschung und damit zu

einem Rückgang der Artenvielfalt auf den extensiv bewirtschafteten Grünlandflä-

chen führt. Es war daher ein gemeinsames Anliegen der Fachgruppe, die Berg-

landwirtschaft zu erhalten, da andernfalls massive Auswirkungen auf die Arten-

vielfalt im Berggebiet zu erwarten sind. Die Erhaltung der Alm- und Alpwirtschaft

ist nur möglich, wenn auch der Talbetrieb entsprechende Rahmenbedingungen

als Grundlage hat.

Für den Bereich der Berglandwirtschaft wurden zwei Unterarbeitsgruppen einbe-

rufen, die im Anschluss an die 3. Sitzung des Runden Tisches vom 26. April 2019

ihre Arbeit aufnahmen. Vertreten waren hierin Teilnehmer des BBV, der Arbeits-

gemeinschaft Bayerischer Bergbauern, des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu,

des Deutschen Alpenvereins, des Vereins zum Schutz der Bergwelt sowie des

Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und des Staatsmi-

nisteriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Innerhalb der Unterarbeitsgruppe

bestand Einigkeit, dass zum Erhalt der Artenvielfalt in den bayerischen Alpen

elementare Grundvoraussetzung ist, die Almen und Alpen ausreichend zu bewei-

den. Wesentliche Maßnahmen hierfür sind aus Sicht der Unterarbeitsgruppe zu-

sätzliche Anreize für die Beschickung der Almen/Alpen mit Weidetieren von den

Talbetrieben sowie der Erhalt und Ausbau der Beratung. Die Beratung soll dabei

auch Fragen der Diversifizierung, also zusätzlicher Einkommensmöglichkeiten

(z.B. Urlaub auf dem Bauernhof, Weiterverarbeitung der hofeigenen Produkte)

beinhalten, damit die Betriebe zusätzliche Stabilisierungsfaktoren aufbauen kön-

nen. Ebenso sollen Vermarktungsstrukturen vorangetrieben und neue Vermark-

tungskonzepte (Produkte vom Berg) entwickelt werden, um die hohe Qualität der

Erzeugnisse aus dem Berggebiet mit hoher Wertschöpfung verbinden zu können

Angesichts steigender Herausforderungen für die Berglandwirtschaft durch zu-

nehmenden Tourismus bzw. Freizeitnutzung im Alpengebiet wurde zudem eine

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weitere Unterarbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit dem Thema Mountainbike

und Wegeeignung beschäftigte. Die Unterarbeitsgruppe setzte sich aus Teilneh-

mern von Seiten des Deutschen Alpenvereins, des Vereins zum Schutz der

Bergwelt, des Bayerischen Bauernverbands, der Arbeitsgemeinschaft Bayeri-

scher Bergbauern, des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu, des Bayerischen

Waldbesitzerverbands, der Deutschen Initiative Mountainbike sowie des Staats-

ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, des Staatsministeriums

für Umwelt und Verbraucherschutz und des Staatsministeriums der Justiz zu-

sammen. Grundlage der Diskussion der Diskussion der Unterarbeitsgruppe waren

Art. 141 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 der Bayerischen Verfassung, die das grund-

sätzlich freie Betretungsrecht der freien Natur und den pfleglichen Umgang mit

Natur und Landschaft regeln. Gesetzliche Regelungen zur Erholungsnutzung

müssen mit diesem in der Bayerischen Verfassung verankerten „Betretungsrecht“

vereinbar sein. Dazu zählt auch das Radfahren auf Wegen. Bei der Ausübung

des Betretungsrechts müssen wiederum die verfassungsrechtlichen Grenzen der

Rechtsausübung (Natur-, Gemein- und Eigentümerverträglichkeit) beachtet wer-

den. Die an der Unterarbeitsgruppe beteiligten und darüber hinaus relevanten Or-

ganisationen wollen an einer umfassenden Information und Aufklärung über die

Rechtslage und natur- und sozialverträgliches Verhalten mitwirken (z.B. Verzicht

auf Nachtfahrten).

Zu der Frage, ob die bestehende Gesetzeslage ausreichend deutlich ist oder ob

es Änderungen des Bayerischen Naturschutzgesetzes benötigt, um Fahren ab-

seits von Wegen zu verbieten bzw. Regelung des Erholungsverkehrs durch Ver-

ordnungen der Unteren Naturschutzbehörden zu ermöglichen, konnte in der Un-

terarbeitsgruppe keine Einigkeit erzielt werden. Hier bedarf es der rechtlichen Klä-

rung durch die Staatsregierung.

Mahd

In der Untergruppe zu einzelnen Regelungen des Volksbegehrens hat sich insbe-

sondere beim Verbot der Mahd von Außen nach Innen eine intensive Diskussion

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über naturschutzfachliche Hintergründe und Notwendigkeiten aus der landwirt-

schaftlichen Praxis ergeben. Diese Frage wurde auch in der gesamten Fachgrup-

pe thematisiert. Naturschutzfachlich notwendig bei der Mahd ist, Fluchtmöglich-

keiten für Tiere zu erhalten. Problematisch wird in diesem Zusammenhang auch

die Entwicklung der Technik hin zu größeren Mähwerken und höheren Mahdge-

schwindigkeiten gesehen. Die landwirtschaftlichen Vertreter betonten hier ihr ei-

genes Interesse, Tierverluste zu vermeiden. Gleichzeitig wurde verdeutlicht, dass

durch Mähverfahren Futterverschmutzung (u.a. zum Erhalt der Nutztiergesund-

heit) verhindert werden sollen. Es bestand insgesamt Einigkeit, dass eine Defini-

tion des Verbots der Mahd „von außen nach innen“ notwendig ist.

Eine Unterarbeitsgruppe hat sich im Nachgang zur 3. Sitzung des Runden Ti-

sches vom 26. April 2019 mit dem Thema der Mahd auseinandergesetzt. Die

Teilnehmer kamen aus dem Kreis der Fachgruppe sowie darüber hinaus aus dem

Kuratorium der Bayerischen Maschinenringe (KBM) e.V. und dem Fachverband

Biogas.

In der Unterarbeitsgruppe zur Mahdtechnik haben sich die Teilnehmer auf einen

von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft erarbeiteten Entwurf für ei-

nen sogenannten Mäh-Knigge als wertvolle Praxishilfe für die Landwirte verstän-

digt. Er zeigt praktikable Wege auf, wie Grünland nach den neuen rechtlichen

Vorgaben aus dem Volksbegehren als Futter genutzt werden kann und gleichzei-

tig bei dessen Mahd Wildtieren die Flucht besser ermöglicht wird. In dem mittler-

weile im Internet auf der Homepage der Landesanstalt für Landwirtschaft veröf-

fentlichten Mäh-Knigge (https://www.lfl.bayern.de/ ) wurden Anregungen aus der

Unterarbeitsgruppe wie schematische Beispiele zur Mahd nicht idealtypisch aus-

geformter Grünlandparzellen aufgenommen und auf einstimmig getragenen Vor-

schlag der Unterarbeitsgruppe textliche Klarstellungen eingearbeitet. Nach ein-

heitlicher Meinung der Verbände ist darüber hinaus eine deutliche Intensivierung

der staatlichen Forschungstätigkeit zum Thema Mahdtechnik und Wildtierschutz

nötig.

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Digitalisierung

Die Digitalisierung hält auch immer stärker in die Landwirtschaft Einzug. In der

Fachgruppe wurde wiederholt auf Chancen und Möglichkeiten in diesem Bereich

auch für den Artenschutz hingewiesen. Beispielhaft genannt seien hier die Mög-

lichkeiten, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch sogenannte Agrarroboter

deutlich zu reduzieren. Durch Setzen der notwendigen, auch rechtlichen Rah-

menbedingungen, könnte in Bayern in diesem Bereich Innovation und Entwick-

lung beschleunigt werden.

Reform der Europäischen Agrarpolitik

Die Europäische Agrarpolitik (GAP) setzt die wesentlichen Rahmenbedingungen

für die Landwirtschaft. Es gab innerhalb der Fachgruppe Forderungen, die euro-

päische Förderpolitik mehr an Gemeinwohl- und Umweltleistungen zu orientieren

und gleichzeitig den Intensivierungsdruck aufgrund des weltweiten Wettbewerbs

zu vermindern. Eine Ausgestaltung der europäischen Förderung ausschließlich

als Kompensation für tatsächliche Nachteile verhindere eine In-Wert-Setzung von

Gemeinwohlleistungen. Innerhalb der Landwirtschaft wurden hier die Erwartun-

gen und Befürchtungen gleichermaßen artikuliert. Eine Umschichtung der För-

dergelder von der sogenannten 1. Säule der Direktzahlungen in die sogenannte

2. Säule zur Förderung der Ländlichen Entwicklung würde zu Geldverlusten für

bayerische Bauern führen. Aufgrund des derzeitigen Preisniveaus für landwirt-

schaftliche Produkte könnten sich Landwirte eine Reduzierung der Direktzahlun-

gen nicht leisten, da diese direkt einkommenswirksam seien.

Aufgrund der aktuellen Diskussionen rund um den EU-Finanzhaushalt und den

Brexit wird davon ausgegangen, dass die neue GAP nach 2020 erst ab 2023

wirksam wird. Die Weichenstellung für die Ausrichtung der GAP erfolgt allerdings

in den kommenden zwei Jahren.

Innerhalb des Forums Runder Tisch sind Änderungen weder an bundes- noch eu-

roparechtlichen Regelungen möglich. Die Umsetzungsempfehlungen aus der

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Fachgruppe beschränken sich insofern auf bayerische Regelungskompetenzen.

Gleichwohl steht als Empfehlung der Fachgruppe für die Politik, sich bei der Aus-

gestaltung der zukünftigen europäischen Agrarpolitik für Lösungen einzusetzen,

die die landwirtschaftliche Bewirtschaftung in Bayern und damit die Versorgung

mit gesunden Lebensmitteln sichern und die gleichzeitig einen wirksamen Beitrag

zum Erhalt unserer Heimat, unserer Natur und der natürlichen Lebensgrundlagen

leisten.

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7.5.2 Fachgruppe Wald

a.) Teilnehmerverzeichnis (in alphabetischer Reihenfolge)

Bayerische Staatsforsten AöR

Bayerischer Bauernverband

Bayerischer Gemeindetag

Bayerischer Jagdverband e.V. (BJV)

Bayerischer Städtetag

Bayerischer Waldbesitzerverband e.V. (WBV)

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft u. Forsten

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern

BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern

Familienbetriebe Land und Forst Bayern e.V.

Landtagsfraktion Freie Wähler

Katholisches Büro Bayern

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV)

Landesverband Bayerischer Imker e.V. (LVBI)

Ökologisch-Demokratische Partei Landesverband Bayern (ÖDP Bayern)

Ökologischer Jagdverein Bayern e.V.

b.) Sitzungstermine

28. März 2019

05. April 2019

12. April 2019

c.) Ergebnisse

1. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse:

- Für alle Waldbesitzer steht derzeit die Anpassung des Waldes an den Kli-

mawandel und damit die Erhaltung des Waldes an oberster Stelle. Auch

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gesellschaftlich hat dies höchste Priorität, liegt hierin doch die Grundvo-

raussetzung nicht nur für die Bewahrung der Biodiversität im Wald, son-

dern auch für alle übrigen Waldfunktionen. Der Waldumbau wirkt sich so-

mit direkt förderlich für die Biodiversität aus. Dies bedarf auch angepasster

Wildbestände.

- Nachhaltig bewirtschaftete Wälder und Prozessschutzflächen haben je-

weils ihren eigenen ökologischen Wert und ergänzen sich gegenseitig.

- Der naturnah und nachhaltig bewirtschaftete Wald weist in allen Besitz-

strukturen bereits eine hohe Vielfalt an Lebensräumen für wildlebende

Pflanzen und Tiere auf. Entsprechend hoch ist die Biodiversität. Dennoch

sind weitere Optimierungen möglich und anzustreben. Durch bewährte und

weitere zusätzliche Maßnahmen des Vertragsnaturschutzprogramms Wald

(VNP Wald) und des Bayerischen Waldbaulichen Förderprogramms

(WALDFÖPR) kann im Privat- und Körperschaftswald (2/3 der bayerischen

Waldfläche) der Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität effektiv ge-

fördert werden.

Hierfür sind jedoch deutlich höhere Finanzmittel und zusätzliche Fachper-

sonalstellen sowohl bei den Unteren Forstbehörden an den Ämtern für Er-

nährung, Landwirtschaft und Forsten als auch an den Unteren Natur-

schutzbehörden bei den Landratsämtern vom Staat bereit zu stellen.

Vereinfachungen in der Abwicklung der Förderprogramme werden drin-

gend für erforderlich gehalten. Eine nicht auf Gebietskulissen beschränkte,

sondern möglichst bayernweite Umsetzung von bereits bewährten Maß-

nahmen, wie der Erhalt von Biotop- und Uralt- (Samen)bäumen sowie von

Totholz soll insbesondere auch im Kleinprivatwald die Förderung der Bio-

diversität in der Fläche bewirken.

- Die flächendeckenden Regionalen Naturschutzkonzepte der Bayerischen

Staatsforsten fördern bereits heute die Biodiversität im Staatswald, dem

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weiteren Drittel der bayerischen Waldfläche. Dort bietet ein vielfältiges

Verbundsystem von naturnahen alten Wäldern, Biotopen und Biotopele-

menten, Naturwäldern (Prozessschutzflächen) und gezielten Schutzmaß-

nahmen seltenen und bedrohten Arten Lebensraum und Regenerations-

möglichkeiten. Von den Unterstützern des Volksbegehrens wird in einem

Naturwaldverbundsystem ein wichtiger Baustein für den Schutz der wald-

spezifischen Biodiversität gesehen. Die Bayerischen Staatsforsten beab-

sichtigen noch in 2019 zu den schon aus der Nutzung genommenen ca.

80.000 ha Staatswäldern (10,4 %) einige Tausend Hektar zusätzlich aus

der Nutzung zu nehmen, um Lücken zu schließen und so im Spessart, im

Steigerwald sowie in den Donau- und Isarauen das weitreichende Ver-

bundsystem von Naturwäldern noch deutlich zu ergänzen.

- Vom einzelnen Biotopbaum über kleinere und größere Trittsteine, einem

angemessenen Totholzanteil in der Fläche bis zu Waldsäumen und Fließ-

gewässern als Verbindungs-Korridore – auch ins Offenland – dienen all

diese Maßnahmen dazu, die Biodiversität im bewirtschafteten Wald optimal

weiter zu entwickeln. Im Staatswald werden diese Maßnahmen zur Ver-

besserung der Artenvielfalt im Rahmen der vorbildlichen Waldbewirtschaf-

tung und im Rahmen von "besonderen Gemeinwohlleistungen" erbracht,

im Körperschafts- und Privatwald kann durch verbesserte Beratung und

Förderprogramme die Bereitschaft für freiwillige Maßnahmen noch ver-

stärkt werden.

- Sowohl die genutzten Wälder als auch die Wälder, in denen die Nutzung

zugunsten des Prozessschutzes eingestellt wird bzw. eingestellt wurde,

müssen durch umfangreiche Forschungsprojekte ausführlich untersucht

werden, denn die Kenntnisse über die Zusammenhänge in der Natur, vor

allem auch im Wald, weisen noch erhebliche Lücken auf. Ebenso sollte im

Bereich Wildtiermanagement die Forschung wieder deutlich verstärkt wer-

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den. Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald müssen ei-

nen hohen Stellenwert für die Forschung haben.

- Über Bildungsmaßnahmen müssen die Menschen naturnahe Zusammen-

hänge wieder kennenlernen und ihr Verhalten im Alltag entsprechend än-

dern (Aspekt ‚Alltagskompetenz‘). Die zahlreichen staatlichen, kommuna-

len und privaten Wald-pädagogik- und Umweltbildungseinrichtungen müs-

sen noch mehr dazu beitragen, die Kenntnisse über Natur und Umwelt zu

vermitteln. Auch dies erfordert eine adäquate Mittel- und Personalausstat-

tung.

- Eine konzertierte Kommunikationsoffensive aller Beteiligter – vom Staat,

über die Kommunen und Kirchen, die privaten Waldbesitzer bis hin zu den

Naturschutzorganisationen – ist erforderlich, damit jeder Grundbesitzer und

jeder einzelne Bürger, jede einzelne Bürgerin erkennt, was sein/ihr Beitrag

sein kann, bei der großen Herausforderung, die Biodiversität in unserem

Land nicht nur zu sichern, sondern weiter zu Verbessern.

2. Detaillierte Ergebnisse

1. Vorbemerkungen zum Text des Volksbegehrens

Im Gesetzentwurf des Volksbegehrens wird Bezug zum Wald genommen, in-

dem das Bayerische Naturschutzgesetz (BayNatSchG) in Art. 3 wie folgt ge-

ändert werden soll: „Die Forstwirtschaft hat die Vorschriften des Waldgesetzes

für Bayern und die sonstigen für sie geltenden Regelungen zu beachten, wo-

bei im Staatswald das vorrangige Ziel zu verfolgen ist, die biologische Vielfalt

des Waldes zu erhalten oder zu erreichen“.

Nach Auffassung der Vertreter der Wald- und Grundbesitzer, der Kommunen,

der Kirchen und der Forstverwaltung sollten aber auch weiterhin alle Funktio-

nen des Waldes gleichrangig berücksichtigt werden. Einer einzelnen Funktion

den Vorrang zu geben, entspricht nicht den Vorgaben des Waldgesetzes.

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Auch wird befürchtet, dass internationale Vereinbarungen zum Erreichen der

Klimaschutzziele nicht eingehalten werden können, wenn nicht auch die Be-

wirtschaftung des Waldes ebenbürtiges Ziel bleibt. Im oben genannten Text

wird nur für den Staatswald die Vorrangigkeit der biologischen Vielfalt des

Waldes gefordert. Da es in der Begründung zum Antrag des Volksbegehrens

aber heißt, dass die Neufassung im Art. 3 Abs. 2 Satz 2 „… zunächst auch für

den Staatswald das Ziel festlegt, die biologische Vielfalt zu erhalten…“, wird

von Seite der Waldbesitzerverbände befürchtet, dass diese Forderung auch

auf andere Waldbesitzarten übertragen werden kann.

Diese Auffassung bzw. diese Befürchtungen werden von den Vertretern der

Naturschutz-verbände und des StMUV nicht geteilt. Aus Sicht der Unterstützer

des Volksbegehrens soll mit dem Volksbegehren im Staatswald der Schutz

der spezifischen biologischen Vielfalt des Waldes einen deutlich höheren Stel-

lenwert bei der naturnahen Bewirtschaftung der Wälder durch die Schaffung

eines repräsentativen Naturwaldverbundsystems bekommen.

Die im Volksbegehren angesprochenen Hecken, Feldgehölze, Säume, Baum-

reihen oder auch Alleen sind unbestritten ökologisch wertvolle Verbindungs-

elemente vom Wald in die freie Flur. Diese Biotope müssen jedoch nach na-

turschutzfachlichen Erkenntnissen gepflegt, z. B. "auf den Stock gesetzt" wer-

den, wenn sie dauerhaft ihre Funktionen erfüllen sollen.

Die Forderung, wonach diese Gehölzstrukturen nicht zu "beeinträchtigen"

sind, kann nur so verstanden werden, dass der Bestand bzw. die Substanz

dieser Strukturen erhalten und gesichert werden muss, Pflegemaßnahmen

aber möglich bleiben.

2. Grundsätzliche Statements zum Thema Wald und Biodiversität

Die Wälder Bayerns erfüllen auf ihrer gesamten Fläche eine Vielzahl unver-

zichtbarer Funktionen für die Gesellschaft. Doch auch im Wald soll nach For-

derungen der Unterstützer des Volksbegehrens durch bewährte und neue Na-

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turschutzmaßnahmen die hohe Biodiversität in allen Waldbesitzstrukturen wei-

ter optimiert werden.

Den Wald zu erhalten bzw. den Wald umzubauen ist nach Aussage aller

Waldbesitzer und Waldexperten der Verbände derzeit die größte Herausforde-

rung, weil es durch den Klimawandel zum Ausfall von immer mehr Baumarten

kommt (bisher v. a. Fichte, Kiefer, aber auch Laubbaumarten).

Die Auswirkungen des Klimawandels sind in der Zwischenzeit nach Aussage

der Waldbesitzer und Waldexperten der Verbände existenzbedrohend für viele

Wälder. Die Veränderung der Struktur des Waldes und der Verlust an Baum-

arten wirken sich aber auch entscheidend auf die Biodiversität des Waldes

aus. Die Klimaanpassung durch Waldumbau mit klimatoleranten Baumarten

verlangt derzeit von allen Waldbesitzern daher größte Anstrengungen und

verdient größere Unterstützung der Staatsregierung.

Im integrativ bewirtschafteten Wald, ob im Privatbesitz, im Besitz von Kör-

perschaften, Kirchen, Kommunen oder Staat, haben die nachhaltige, naturna-

he Bewirtschaftung und die vielfältigen und zeitlich versetzten Nutzungsfor-

men eine hohe Vielfalt an Lebensräumen bewirkt. Eine sehr große Vielfalt an

Tier- und Pflanzenarten hat sich daraus ergeben. Nach übereinstimmender

Auffassung der Wald- und Forstvertreter kann nach dem Grundsatz des

"Schützens und Nutzen" aus diesen Wäldern der Holzbedarf weitgehend ge-

deckt werden, gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen für eine hohe

Biodiversität sichergestellt und noch verbessert. Man war sich einig, dass es

neben naturnaher Waldbewirtschaftung auch Naturwälder braucht, um sehr

anspruchsvolle Waldarten, wie Urwaldreliktarten besser zu fördern.

Mit einer entsprechenden Finanzausstattung des Waldförderprogramms

(WALDFÖPR) und des Vertragsnaturschutzprogramms (VNP Wald) könnten

auf dem Wege der Freiwilligkeit vielversprechende Maßnahmen, wie sie seit

Jahren schon mit den sog. "Trittsteinkonzepten" (Regionale Naturschutzkon-

zepte) im Staatswald umgesetzt werden, in allen Waldbesitzstrukturen Bay-

erns voran gebracht werden. Um dies zu erreichen, ist es unabdingbar, die da-

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für notwendigen Stellen für Fachleute deutlich zu erhöhen, um die erforderli-

che Beratung und Förderabwicklung zu ermöglichen. Ebenso ist auch die Mit-

telausstattung angemessen zu erhöhen. Die Abwicklung soll vereinfacht, eini-

ge Kernmaßnahmen wie der Erhalt von Biotop- und Samenbäume oder Tot-

holz möglichst bayernweit umgesetzt und insbesondere auch im Kleinprivat-

wald eine bessere Abdeckung erreicht werden.

Die Unterstützer des Volksbegehrens verweisen dagegen darauf, dass es ne-

ben naturnaher Waldbewirtschaftung auch Naturwälder braucht, weil im Wirt-

schaftswald die Ansprüche anspruchsvoller Waldarten, wie Urwaldreliktarten,

i.d.R. nicht erfüllt werden können.

Der Anteil von ca. 10 % Naturwäldern bzw. Prozessschutzflächen, wie er

nach dem Koalitionsvertrag in Bayern im Staatswald (BaySF, Naturschutzver-

waltung, Wasserwirtschaft) zu erbringen ist, hat zweifellos eine hohe Bedeu-

tung für die Biodiversität, gerade für viele waldtypischen Arten und Reliktarten.

Es besteht in der Fachgruppe darüber Konsens: Nachhaltig genutzte Wälder

sowie Flächen mit natürlicher Waldentwicklung haben ihre jeweils eigene öko-

logische Wertigkeit und ergänzen sich. Die Mitglieder der FG Wald sehen die

flächendeckenden Regionalen Naturschutzkonzepte der BaySF in allen Forst-

betrieben positiv. Sie umfassen den Schutz alter Wälder, anspruchsvolle Tot-

holz- und Biotopbaumkonzepte, Pflege der Waldränder, Waldlichtungen und

Blühflächen, Feuchtbiotopen und Mooren sowie gezielte Artenschutzprojekte.

Im Staatswald sind bereits 10,4 % der Staatswälder aus der Nutzung genom-

men, angestrebt wird jedoch eine Weiterentwicklung der Naturwälder, z. B.

hinsichtlich Größe und Anzahl sowie eine stärkere Verteilung in den unter-

schiedlichen Naturräumen Bayerns. Von Seiten der Unterstützer des Volksbe-

gehrens wird die Weiterentwicklung als wichtigen Schritt sehr begrüßt, um die

Repräsentanz zu verbessern. Die Ankündigung der BaySF, im Spessart, im

Steigerwald, in den Donau- und in den Isarauen größere Naturwälder jeweils

im Bereich über 500 Hektar vorzuschlagen und damit die Repräsentativität zu

erhöhen, wird von den Teilnehmern der Fachgruppe Wald, auch von der Un-

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terstützern des Volksbegehrens, sehr begrüßt. Dies wird als echter Fortschritt

gesehen. Konkrete Planungen, die mehrere Tausend Hektar Naturwaldflächen

umfassen sollen, werden noch im Laufe des Jahres 2019 vorgestellt. Die

Ausweisung weiterer Naturwaldflächen ist ein dynamischer Prozess, der noch

zusätzliche Möglichkeiten eröffnen kann. Über die konkrete Weiterentwicklung

werden letztlich der Landtag und die Bayerische Staatsregierung entscheiden.

Der Vorschlag der Naturschutzverbände, bei den BaySF ein Geschäftsfeld

„Naturwald“ einzurichten, wird geprüft.

Darüber hinaus weisen die Unterstützer des Volksbegehrens darauf hin, dass

sie ein noch weitreichenderes Verbundsystem von Prozessschutzflächen be-

fürworten. Danach sollen die verschiedenen Waldgesellschaften, Standorte

und Lebensraumtypen Bayerns repräsentativ abgebildet (Repräsentanz) so-

wie alle Regionen und Landkreise vertreten (Kohärenz, Biotop-

/Naturwaldverbund) sein.

Bei dem von den Naturschutzverbänden vorgeschlagenen Umfang von Na-

turwäldern ist zu berücksichtigen, dass dies nach Auffassung der Wald- und

Forstvertreter erhebliche negative Auswirkungen auf die mittelständische

Laubholzsägewirtschaft, die nachgelagerte Wirtschaft und auf die Arbeitsplät-

ze im ländlichen Raum hätte. Zudem sind viele der Vorstellungen der Natur-

schutzverbände schon im Konzept der BaySF berücksichtigt.

Die Unterstützer des Volksbegehrens weisen darauf hin, dass bisher bereits

ein Strukturwandel bei den bayerischen und deutschen Sägewerken stattge-

funden hat, ohne dass Naturwaldflächen groß ausgeweitet wurden.

In Bezug auf Naturwälder haben aber auch die Kommunen und die Kirchen

eine hohe Verantwortung. Sie können eigenständig und auf freiwilliger Basis

kleinere und größere Flächen naturschutzfachlich aufwerten und so das Na-

turwald-Netz bayernweit ergänzen und voranbringen.

Die Forderung nach Ausweisung von Naturwäldern ist explizit nicht an die Ad-

resse der Privatwaldbesitzer gerichtet. Gleichwohl können auch sie diese Idee

freiwillig aufgreifen und unterstützen. Der Vertreter des Bayerischen Waldbe-

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sitzerverbandes gibt zu bedenken, dass strukturelle Defizite und Bewirtschaf-

tungshemmnisse im Kleinprivatwald bereits zu einer fortschreitenden Aufgabe

der Nutzung geführt haben.

3. Maßnahmen zur weiteren Förderung der Biodiversität im Privat- und

Körperschaftswald

Im Waldpakt 2018 haben Staatsregierung und die Verbände der Waldbesitzer

niedergeschrieben, dass durch die aktive Bewirtschaftung Bayerns Wälder

grundsätzlich einen hohen naturschutzfachlichen Wert aufweisen. Wenn die

Biodiversität auf der Fläche in ganz Bayern noch erkennbar gesteigert werden

soll, so müssen vor allem auch für den Privat- und Körperschaftswald (zu-

sammen ca. 2/3 der Waldfläche Bayerns) weitere Anreize geschaffen bzw.

verstärkt werden, damit auch hier mehr für die Biodiversität erreicht werden

kann.

Mit einer entsprechenden Finanzausstattung des Waldförderprogramms

(WALDFÖPR) und des Vertragsnaturschutzprogramms (VNP Wald) könnten

auf dem Wege der Freiwilligkeit vielversprechende Maßnahmen im Privat- und

Körperschaftswald voran gebracht werden, wie sie seit Jahren schon mit den

sog. "Trittsteinkonzepten" (Regionale Naturschutzkonzepte) im Staatswald

umgesetzt werden. Um dies zu erreichen, ist es unabdingbar, die dafür not-

wendigen Fachstellen für Fachleute in der Forstverwaltung und in der Umwelt-

verwaltung deutlich zu erhöhen, um die erforderliche Beratung und Förderab-

wicklung zu ermöglichen. Ebenso ist auch die Mittelausstattung wieder zu er-

höhen. Die Abwicklung soll vereinfacht, einige Kernmaßnahmen wie der Erhalt

von Biotop- und Samenbäume oder Totholz möglichst bayernweit umgesetzt

(ohne Beschränkungen auf Förderkulissen) und insbesondere auch im Klein-

privatwald eine bessere Abdeckung erreicht werden.

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3.1 Naturschutzmaßnahmen zur Förderung der Biodiversität im Wald im

Privat- und Körperschaftswald

Siehe: „Zusammenfassung „Verbesserungen zur Förderung der Biodiversität

im Wald“ (Anhang)

3.2 Anregungen und Forderungen zu den staatlichen Fördermaßnahmen

nach dem Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm Wald (VNP

Wald) und dem Waldförderprogramm (WALDFÖPR)

Intensiv diskutiert wurde die Notwendigkeit, die beiden Förderprogramme

WALDFÖPR und VNP Wald zu vereinfachen und praxisnäher zu gestalten.

Die Förderung nach VNP Wald findet nur in einer bestimmten Gebietskulisse

statt (insbesondere Natura2000-Flächen und ausgewiesene Schutzgebiete).

Als förderlich für deutlich mehr Maßnahmen in der Fläche wird ein Wegfallen

der Gebietskulisse gesehen.

Die Forstverwaltung ist grundsätzlich für die Beratung der Waldbesitzer und

für die verwaltungstechnische Abwicklung des VNP Wald (Antragstellung, Be-

scheid, Bindefristkontrollen) zuständig, die Naturschutzverwaltung ist Verord-

nungsgeber und verwaltet das Finanzbudget. Auch wenn die Zusammenarbeit

normalerweise gut läuft, ist die Abstimmung zwischen den zwei Verwaltungen

aufwändig. Von allen Vertretern des Eigentums und der Waldbesitzer wird die

Doppelzuständigkeit von Naturschutzverwaltung und Forstverwaltung als nicht

besonders förderlich für die Akzeptanz und eine zügige Umsetzung gesehen.

Vor allem bei den Waldbesitzern stößt auf Unverständnis, dass der beratende

Förster nicht unmittelbar vor Ort eine Fördermaßnahme zusagen kann. Dies

schmälert die Akzeptanz.

Es wird daher empfohlen, zumindest einzelne Fördertatbestände – nach einer

Grundabstimmung zwischen den Verwaltungen – in alleiniger Zuständigkeit

den beratenden Förstern zu übertragen – ggf. in Verbindung mit einer Stich-

proben-Kontrolle durch die Umweltverwaltung. Dafür eignen sich insbesonde-

re alle Maßnahmen, die einzelne Bäume und Strukturen sowie kleinere

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Baumgruppen betreffen (Biotopbaum-Förderung, Förderung von Totholz). Für

flächig wirksame Maßnahmen, u. a. auf Offenflächen im Wald, Nieder-/ Mittel-

wald, Waldsäume, Waldwiesen, Äcker, Lagerplätze, Sonderbiotope usw. sol-

len sich hingegen beide Verwaltungen wie bisher schon abstimmen.

Diesem Vorschlag der Waldbesitzer, Eigentümer, Kommunen und Kirchen

wollen jedoch die Vertreter des StMUV sowie die Unterstützer des Volksbe-

gehrens nicht zustimmen. Sie verweisen auf Beispiele für positive Umsetzung,

die in Bayern existieren. Die Unterstützer des Volksbegehrens und das StMUV

befürworten es aber, die Umsetzung der Fördermaßnahmen zu vereinfachen.

Da das Anliegen auch schon im Waldpakt 2018 „Zukunft für Bayerns Wälder“

thematisiert ist, bleibt es den politischen Entscheidungsträgern vorbehalten,

diesbezüglich eine Regelung zu treffen.

Die Waldeigentümer, Grundbesitzer und Kirchen-Vertreter verweisen zudem

darauf, dass die Förderung nach dem WALDFÖPR in Zuständigkeit der

Forstverwaltung liegt, und im Gegensatz zum VNP Wald nicht auf eine Ge-

bietskulisse begrenzt ist. Das WALDFÖPR hat derzeit allerdings das Problem,

dass der Maßnahmenbereich "integrative Waldbewirtschaftung" nicht „geöff-

net“ ist. Wenn wirklich mehr für die Biodiversität im Wald erreicht werden soll,

sind die vielen hervorragenden Fördermöglichkeiten des WALDFÖPR zu-

nächst zu öffnen und mit einer angemessenen Finanzierung auszustatten.

Dies tragen die Unterstützer des Volksbegehrens nicht uneingeschränkt mit.

3.3 Weitere Anregungen zum VNP Wald und zum WALDFÖPR

• Die Höhe der Fördersätze sollte überprüft und ggf. gesteigert werden.

• Diskutiert wurde auch eine Verlängerung der bisherigen Bindefrist von 12

Jahren; i. d. R. soll aber die anschließende Vertragsverlängerung - sofern

vom Waldbesitzer gewünscht - angestrebt werden, bzw. die Regel sein.

Auch der Ankauf von Einzelbäumen sollte als Möglichkeit der langfristigen

Sicherung von Biotopbäumen ermöglicht werden.

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• Die Baumdurchmesser-Grenzen als Förderkriterium für Einzelbäume soll-

ten überdacht werden, d. h. auch schwächere Bäume sollten in begründe-

ten Fällen bereits gefördert werden.

• Das Thema Bagatellgrenze sollte überprüft werden, um auch Klein- und

Kleinstwaldbesitzer in die Förderung einbeziehen zu können. Insbesonde-

re hier könnten Maßnahmen zur Verfahrensvereinfachung effektiv greifen.

• Aspekt "Rückhol-Klausel": nach Ende der Bindefrist ist z. B. ein Biotop-

Baum wieder zur Nutzung freizugeben, d. h er darf nicht weiter als Biotop-

baum fixiert sein. Die Verfügungsgewalt des Besitzers über seinen Wald

soll durch den Biotopbaumstatus nicht eingeschränkt werden. Möglichkei-

ten und Grenzen – im Hinblick auf den Artenschutz (BNatSchG) – müssen

den Waldbesitzern klar kommuniziert werden.

4. Forschung – Monitoring

Unstrittig ist in der Fachgruppe, dass die waldbezogene Forschung zum The-

ma Biodiversität und Klimawandel in jeder Hinsicht verstärkt werden muss.

Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen weiter in genutzten Wäldern sowie in

den Naturwaldreservaten bzw. auf den Schutzgebiets- und Prozessschutzflä-

chen gewonnen werden. Gerade auch vergleichende Untersuchungen zwi-

schen Wirtschaftswald und Prozessschutzflächen sind für eine sachliche Dis-

kussion wichtig.

Der Themenkomplex Waldnaturschutz, Waldbiodiversität und integrative

Forstwirtschaft ist bereits jetzt ein Schwerpunkt der forstlichen Forschungsför-

derung. Diese Thematik soll in Zukunft ausgebaut werden und somit der Be-

schluss des Bayerischen Landtags vom 25.04.2017, Drs. 17/16596 "Waldfor-

schung zum "Bayerischen Weg" intensivieren" umgesetzt werden.

Insbesondere zu den Auswirkungen unterschiedlicher Waldbewirtschaftungs-

formen und Nutzungsintensitäten (von ungenutzten bis intensiv genutzten

Wäldern) auf die Biodiversität sowie deren Beeinflussung durch dynamische

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Prozesse (z. B. Klimawandel, Stoffeinträge) sind weitere Forschungsarbeiten

notwendig.

Ein weiterer Aspekt, der verstärkt erforscht werden soll, ist das Thema Jagd

und Wildtiermanagement.

5. Fortbildung und Öffentlichkeitsarbeit – Kommunikationsoffensive

Mehr Wissen über die Natur und vor allem die Biodiversität kann und muss

noch stärker durch die zahlreichen Bildungsanstalten des Freistaates Bayern

sowie durch die Naturschutz- und Fachverbände erreicht werden.

Einrichtungen wie Walderlebniszentren, Umweltbildungsstationen, die Akade-

mie für Naturschutz und Landespflege (ANL), die Bildungs- und Informations-

einrichtungen der Bayerischen Nationalparke und Biosphärenreservate, aber

auch kommunale waldpädagogische Einrichtungen sowie die Waldbauern-

schule usw. sind gefordert, durch eine verstärkte Kommunikationsoffensive

und gezielte Öffentlichkeitsarbeit ökologisches Grundwissen bis hin zu spezi-

ellem Wissen zu den verschiedenen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen

zeitnah zu vermitteln.

Die Unterstützer des Volksbegehrens schlagen eine Naturschutzoffensive vor,

die die Umweltverwaltung gemeinsam mit der Forstverwaltung für mehr Bio-

diversität im Wald gemeinsam durchführen soll. Zielgruppe sind Waldbesitzer,

Politiker und Verbände.

6. Sonstige Anregungen:

Thema Jagd und Wald

Angepasste Schalenwildbestände sind unabdingbar für einen erfolgreichen

Waldumbau. Nach den im dreijährigen Turnus erstellten Gutachten zur Situa-

tion der Waldverjüngung ist nach wie vor in 47 % der Hegegemeinschaften in

Bayern die Verbissbelastung durch Schalenwild zu hoch. Eine ausreichende

und vielfältige Verjüngung der Wälder ist unter diesen Umständen in vielen

Wäldern nicht zu erreichen.

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Vorgeschlagene Lösungsansätze:

Insgesamt soll eine neutrale staatliche Wildforschung wieder verstärkt werden

(Ersatz für Lehrstuhl von Prof. Wolfgang Schröder).

Waldumbau und Walderhalt muss Vorrang haben („Wald vor Wild“). Dies soll

aus Sicht zahlreicher Verbandsvertreter erreicht werden durch:

- Synchronisieren der Bejagungszeiten unterschiedlicher Schalenwildarten

(u. a. zur Erleichterung revierübergreifender Bewegungsjagden und zur

Reduktion der Beunruhigung des Wildes durch die Jagdausübung)

- Einhalten der Abschusspläne und körperlicher Nachweis, wenn in Hege-

gemeinschaften dauerhaft gesetzlich vorgegebene Ziele verfehlt werden,

weil die Verbissbelastung anhaltend zu hoch ist

- Abschaffung der verpflichtenden Trophäenschau

- Angepasste Strategien in dauerhaft „roten“ Hegegemeinschaften

- Lebensraumverbesserungen insbesondere in der Feldflur (z. B. Blühflä-

chen, Gehölzstrukturen anlegen, Waldrandgestaltung)

- Verpflichtende revierweise Aussagen und gezielte Festlegung geeigneter

Maßnahmen für alle Jagdreviere

- Wildschadensrecht vereinfachen (einvernehmliche Regelung zwischen

Geschädigtem und Pächter)

- Keine systematische Änderung des Forstlichen Gutachtens

- Genehmigungsvorbehalt für Notzeit-Fütterung

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) im Wald

Der flächige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird schon jetzt soweit wie

möglich vermieden. Aktuell erfolgt der Einsatz vor allem in Eichenbeständen

zum Schutz gegen Absterben v. a. durch Schwammspinner, Eichenwickler

und Eichenprozessionsspinner.

Vertreter der Naturschutzverbände bestreiten ein flächiges Absterben der Ei-

chen auch bei mehrjährigem Kahlfraß und verweisen auf aus ihrer Sicht feh-

lende Belege. Sie kritisieren, dass viele Artengruppen durch die PSM-Einsätze

betroffen sind (Fledermäuse, Insekten, Vögel) und dass andere blattfressende

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Insektenarten, v.a. Schmetterlingsraupen (Nicht-Zielorganismen) durch den

PSM-Einsatz getötet werden.

Vertreter der Waldbesitzer und der Forstverwaltung begründen die Notwen-

digkeit der Schädlingsbekämpfung damit, dass Bäume durch wiederholten

Kahlfraß massiv geschwächt werden und in der Folge Waldbestände flächig

absterben können. Sie stellen klar, dass nur Teilflächen behandelt sowie sen-

sible Bereiche heraus genommen werden. Der PSM-Einsatz wird von Wald-

besitzervertretern bei bestandsbedrohenden Kalamitäten weiter für unver-

meidbar und erforderlich angesehen.

Man sieht in folgendem Vorgehen eine Lösung:

(1) So zurückhaltend wie möglich Pflanzenschutzmittel einsetzen.

(2) Laufende Forschungsarbeiten konsequent weiterführen und generell

stärken.

(3) Weitere Minimierung des Einsatzes von PSM nach Erkenntnissen von

den Forschungsergebnissen.

Die Unterstützer des Volksbegehrens halten die flächigen PSM-Einsätze in

den artenreichen Eichenwäldern vor dem Hintergrund des Volksbegehrens Ar-

tenvielfalt für nicht mehr zeitgemäß.

Waldbiotopkartierung

Seitens der Naturschutzverbände und des StMUV wird eine Aktualisierung ei-

ner Biotopkartierung im Wald für erforderlich gehalten, die auch Grundlage für

die waldbauliche Beratung und für VNP-Maßnahmen sein kann. Dabei wird

Biotopkartierung viel weiter gefasst als lediglich die Erhebung der geschützten

Waldbiotope nach § 30 BNatSchG. Die Vertreter des Eigentums und des

Waldbesitzes sehen diese Notwendigkeit jedoch nicht, u. a. da sich Biotope

ständig auch wieder verändern und zudem erhebliche Bedenken hinsichtlich

des Datenschutzes bestehen.

Unabhängig davon soll es ein flächiges Monitoring von nachhaltig bewirtschaf-

tetem Wald und Prozessschutzwald geben.

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Waldboden

Man ist sich einig, dass sich die Bedingungen für eine gute Bodenbildung seit

Aufgabe der Streunutzung oder einer fast vollständigen Holzentnahme aus der

gesamten Waldfläche deutlich verbessert haben. Man war sich einig, dass es

für eine zielgerichtete naturnahe Waldbewirtschaftung eine entsprechende

Feinerschließung der Wälder (Rückegassensysteme) braucht. Die Natur-

schutzverbände bringen vor, dass durch die verschiedenen Rückesysteme in

den letzten Jahren nennenswerte Teile des Waldbodens durch Maschinen be-

fahren wurde und stellen die Frage, ob und wie beispielsweise die Holzernte-

technik und ihr Einsatz das Bodenleben, die Entwicklung und Ausbreitung von

Bodenpilzen beeinflusst oder wie sich der flächige Stickstoffeintrag aus der

Luft auf den Waldboden und das Bodenleben auswirkt.

Weil intakte Waldböden auf der ganzen Fläche elementar sind, wird auch hier

eine Intensivierung der Forschung für ganz wichtig erachtet.

Historisch alte Wälder

Der Vertreter des LBV regte an, sogenannte „Historisch alte Wälder“ verstärkt

zu erforschen.

Waldbeirat

Es wurde diskutiert, ob sich die Mitglieder der Fachgruppe in einer Art „Wald-

beirat“ gelegentlich treffen sollten. Daraufhin wurde als sinnvoller Anlass für

ein nächstes Treffen von den Vertretern des Waldbesitzerverbandes eine Ex-

kursion angeboten. Ein fester Beirat wurde jedoch nicht als notwendig erach-

tet.

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3. Anhang: Verbesserungen zur Förderung der Biodiversität im Wald

Maßnahme Förderprogramm

1. Maßnahmen, die bereits bisher gefördert werden, aber deutlich attraktiver gestaltet werden können´

Pflanzung und Pflege blühender Bäumen insbesondere Wil-dobstbäume

WALDFÖPR

Anlage und Pflege blühender Waldränder WALDFÖPR

Erhalt und Förderung von Weichlaubhölzern WALDFÖPR

Schutz und Erhalt von Biotop-Bäumen und größeren Altbaumgruppen

VNPWald

Förderung von Mittelwald, Niederwald und Hutewald VNPWald

Totholzanreicherung (unterschiedliche Baumarten; stehendes und liegendes Holz; in der Sonne/im Schatten)

VNPWald

2. Maßnahmen, die es in bestehenden Richtlinien bereits gibt, aber aus finanziellen Beschränkungen heraus nicht angeboten werden können

Erhalt seltener Baumarten und alter Samenbäume WALDFÖPR

Schutz und Pflege von Waldbiotopen (Moore, Quellen, Blockschutthalden, Sanddünen udgl.)

WALDFÖPR

3. Neue Maßnahmen

Erhalt alter Wälder und Trittsteinflächen

Steigerung der Baumartenvielfalt im Zuge des Waldumbaus

Störungs- und Sukzessionsflächen

Förderung von besonders anspruchsvollen Waldbeständen wie insb. Eichenwäldern, aber auch Trockenkiefernwälder oder Bergmischwälder

Ansaat und Pflege von Blühflächen/Blühwiesen

Entwicklung und Pflege naturnaher Bestockung an Fließ- und Stillgewässern

Anlage von begleitenden Waldbiotopen bei der Walder-schließung/Waldwegbau

Aufstellen von Bienenhäusern bzw. Bienenstöcken im Wald

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7.5.3 Fachgruppe Gewässer

a.) Teilnehmerverzeichnis

Bayerischer Bauernverband (BBV)

Bayerischer Bezirketag

Bayerischer Gemeindetag

Bayerischer Jagdverband e.V. (BJV)

Bayerischer Landkreistag

Bayerischer Städtetag

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft u. Forsten

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern

BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

Landtagsfraktion Freie Wähler

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV)

Landesfischereiverband Bayern e.V. (LFV)

Ökologisch-Demokratische Partei Landesverband Bayern (ÖDP Bayern)

Verband Bayerischer Berufsfischer e.V.

Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW)

Verband kommunaler Unternehmen e.V. Landesgruppe Bayern

Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V.

b.) Sitzungstermine

28. März 2019

05. April 2019

12. April 2019

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c.) Beschlüsse

1. Uferstreifen

1.1. Die Fachgruppe Gewässer unterstützt den Einsatz und die Neuentwicklung

von finanziell attraktiven Förderungen des VNP (Aufnahme von Gewässerrand-

streifen in die Gebietskulisse) und KULAP für eine extensive Nutzung oder eine

Nicht-Nutzung (natürliche Sukzession und Dynamik) von Gewässerrandstreifen

und des Gewässerumfeldes.

Meinungsbild zu 1.1.:

Zustimmung: 10

Ablehnung: 1

Enthaltung: 1

Zusatz VWB in Bayern: Die natürliche Sukzession und Dynamik sind zu streichen.

1.2. Auf staatlichen Flächen an Gewässern I. + II. Ordnung regt die Fachgruppe

Gewässer an, unter Berücksichtigung von Erholungsaspekten, sowie Nutzungsas-

pekten angrenzender Nutzer und Unterhaltungsverpflichtungen ein Zielwert von

mindestens 10m breiten Gewässerrandstreifen für den Aufbau eines durchgängi-

gen Biotopverbundsystems (insbesondere mit nicht genutzter, freier Vegetations-

entwicklung) anzustreben.

Meinungsbild 1.2.:

Für die Formulierung ohne den Zusatz „sowie Nutzungsaspekten angrenzender

Nutzer“ im ersten Satz stimmen 8 Personen. Für die Aufnahme dieser Formulie-

rung sprechen sich 3 Personen aus. Es existiert eine Enthaltung.

Zusatz BBV: Weshalb bedarf es bei diesem Punkt eine Ausweitung des Volksbe-

gehrens? Die gelb hervorgehobene Passage ist aufzunehmen, um Auswirkungen

auf angrenzende landwirtschaftliche Flächen zu berücksichtigen und Hand-

lungsoptionen zu ermöglichen.

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1.3. Die Fachgruppe Gewässer sieht bei Gewässern III. Ordnung ein besonderes

Potential - insbesondere zum Aufbau zusammenhängender Biotopverbundstruktu-

ren und der Durchgängigkeit von Gewässern - durch gezielten Einsatz und Bünde-

lung von gewässerspezifischen Kompensationsmaßnahmen. Entsprechende

Maßnahmen sollten bei der Ökokontobewertung attraktiver ausgestaltet werden.

Dabei können Synergieeffekte, vor allem mit der WRRL, entstehen.

Meinungsbild 1.3.:

Zustimmung: 11

Ablehnung: 1

Enthaltung: 0

Zusatz BN, ÖDP: Die im Volksbegehren geforderte Berichtspflicht soll ein Kapitel

über bereits gesetzlich vorgeschriebene, aber noch nicht umgesetzte Kompensa-

tionsmaßnahmen enthalten.

Zusatz Bayer. Landkreistag und BBV: Neben dem Ausgleich für Gewässereingriffe

sollen auch erforderliche Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in anderen Be-

reichen an das Gewässer gelegt werden können. Das Wort "gewässerspezifisch"

sollte daher gestrichen werden.

Zusatz VWB in Bayern: In diesen Gewässerrandbereichen ergeben sich Möglich-

keiten, um Fischpassiermöglichkeiten zu schaffen.

2. Wasserschutzgebiete

Die Schutzzonen I von Wasserschutzgebieten haben eine enorme Bedeutung für

die Biodiversität, insbesondere für artenreiches Grünland. Ihr Potential soll durch

ein- bis zweijährliche Mahden landesweit ausgeschöpft werden.

Als innovativ und nachahmenswert für Wasserversorger, bei denen ähnliche recht-

liche Voraussetzungen gegeben sind, sieht die Fachgruppe das „Augsburger Mo-

dell“ (Trinkwasser Regenio), wo ein von den privaten Abnehmern freiwillig geleis-

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teter Aufschlag auf den Wasserpreis für örtliche und direkt nachvollziehbare Maß-

nahmen zur Förderung der Biodiversität eingesetzt wird.

Meinungsbild 2.:

Zustimmung: 7

Ablehnung: 0

Enthaltung: 5

Zusatz StMUV: Die Schutzzone I kann auch im Wald liegen.

Zusatz VBEW: Es bestehen Unklarheiten über den Umgang in Schutzzone II.

Auch hier ist Klarheit über das weitere Vorgehen wünschenswert.

Zusatz VWB in Bayern: Die Hygiene im Trinkwasser hat absoluten Vorrang, Ver-

unreinigungen, z.B. durch Kolibakterien im Trinkwasser, bewirken nachhaltige

Schäden. („einmal Kolibakterien – immer Kolibakterien“).

Zusatz Bayer. Gemeindetag: Bis auf Ausnahmen bildet die Schutzzone I nur sehr

geringes Potential, da i.d.R. nur der unmittelbare Fassungsbereich in diese fällt.

Meinungsbild Augsburger Modell:

Zustimmung: 6

Ablehnung: 2

Enthaltung: 6

Zusatz Bayer. Gemeindetag und Bayer. Landkreistag: Der Bayerische Gemeinde-

tag und der Bayerische Landkreistag weisen darauf hin, dass ein solcher Auf-

schlag bei einer gebührenfinanzierten Wasserversorgung im Rahmen der Gebüh-

ren nicht möglich ist. Eine Rechtsgrundlage für ausschließlich naturschutzfachlich

begründete Maßnahmen auszubauen, die nicht im Zusammenhang mit Wasser-

schutzgebieten stehen, besteht in Bayern nicht. Es bestehen rechtliche Bedenken.

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3. Alternativen zum Maisanbau

Alternativen zum Maisanbau, wie Becherpflanze und Blühflächen-/Mischkulturen,

sind in verschiedenen Regionen Bayerns zu erproben und deren positiven Auswir-

kungen auf Biodiversität, Grundwasser-, Oberflächengewässer- und Erosions-

schutz umfassend zu untersuchen. Der Differenzbetrag bei der Nutzung für Biogas

zum Ertragsniveau zu Mais soll über eine spezielle KULAP-Förderung für die

Landwirte ausgeglichen werden.

Meinungsbild 3.:

Zustimmung: 12

Ablehnung: 0

Enthaltung: 0

Keine Zusätze

4. Fischteiche

Die Fachgruppe Gewässer spricht sich für die Prüfung einer finanziell deutlich er-

höhten Grundförderung für Fischteiche aus, um diese historische Nutzungsform

langfristig zu erhalten (Existenzsicherungsprogramm) und mehr Artenvielfalt bei

dieser traditionellen Nutzungsform zu gewährleisten. Damit können auch die bis-

lang mit hohem bürokratischem Aufwand verbundenen Einzelentschädigungen bei

problemverursachenden Tierarten abgelöst werden.

Meinungsbild 4.:

Zustimmung: 12

Ablehnung: 0

Enthaltung: 0

Zusatz Bayer. Bezirketag, ÖDP: Trotz Zustimmung wird darauf hingewiesen, dass

Satz 2 bei der Forellenzucht nicht umsetzbar ist.

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Zusatz BN: Es ist zu klären, ob „Hobby“-Teichwirte eine Förderung über

VNP/KULAP erhalten können, da derzeit nur angemeldete Betriebe eine Förde-

rung erhalten.

5. Kooperativer Klimaschutz durch angepasste Nutzung organischer Böden

Die Staatsregierung hatte am 9.4.2019 Umsetzungsvorschläge für „Moore noch

besser schützen und renaturieren“ vorgelegt: „Umkehrung des in den letzten Jahr-

zehnten zunehmenden Umbruchs und der ackerbaulichen Nutzung von Moor- und

Anmoorstandorten. Schutz von Moor- und Anmoorstandorten über das vom

Volksbegehren vorgesehene Verbot, Grundwasser in Nass- und Feuchtgrünland

abzusenken, hinaus. Ziel: Verdreifachung der Moorrenaturierung in Bayern. Der

Fachplan „Masterplan Moore“ soll neu ins Bayerische Naturschutzgesetz aufge-

nommen werden, insbes. Maßnahmen zur Renaturierung von Mooren, sowie für

moorvertragliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung.“

Ergänzender Beschluss der Fachgruppe:

Intakte Moore haben das Potential, große Mengen Kohlenstoff zu binden. Ein

Großteil der Moorböden befindet sich in land- und forstwirtschaftlicher Nutzung.

Obwohl Moorböden nur ca. 6 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche ausma-

chen, verursachen diese über ein Drittel der Emissionen der Landwirtschaft. Daher

sollte eine Umkehrung des in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Umbruchs

und der ackerbaulichen Nutzung von Moor- und Anmoorstandorten erfolgen.

Neue, langfristige Förderinitiativen, Marktanreizprogramme und Beratungen sollen

Landnutzern auf kooperativem Weg ermöglichen, innovative Nutzungs- und Wert-

schöpfungsmöglichkeiten zu realisieren und durch eine Anhebung der Wasser-

stände, Schaffung von Moorwildnis-Gebieten bzw. Moorwäldern oder eine nach-

haltige und klimaverträgliche Bewirtschaftung von Moorböden (z.B. Verzicht auf

Ackernutzung, extensive Grünlandnutzung, Beweidung, Paludikulturen) auch die

Biodiversität dieser Standorte entscheidend zu erhöhen.

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Bei den bayerischen Wasser- und Bodenverbänden ist das Satzungsziel „Entwäs-

serung“ entsprechend anzupassen und um Gesichtspunkte der Biodiversität und

des Klimaschutzes zu ergänzen.

Meinungsbild 5.:

Zustimmung: 11

Ablehnung: 0

Enthaltung: 1

Zusatz BBV: Lösungen sind im Einvernehmen mit den Eigentümern zu suchen.

Ein intelligentes Wassermanagement soll erprobt werden. Zur Förderung für den

Produktabsatz sind Marktanreize zu schaffen.

6. Erhalt und Neuschaffung freifließender Gewässer; Durchgängigkeit für Ar-

ten und Geschiebe, Gewässerentwicklungsräume

6.1. Durchgängigkeit:

Die Fachgruppe Gewässer empfiehlt Programme aufzustellen, mit denen die bio-

logische Durchgängigkeit der Gewässer i.S.v. § 34 WHG umfassender als bisher

verbessert wird. Funktionslose und 5 Jahre nicht mehr genutzte Querbauwerke

sollen verstärkt rückgebaut werden, um eine uneingeschränkte Passage für Orga-

nismen und Geschiebe zu ermöglichen.

Für den Rückbau sind entsprechende Mittel vorzusehen. Die wasserrechtlich ge-

gebenen Möglichkeiten zur Schaffung der Durchgängigkeit im Zusammenhang mit

Altrechten sind besser durchzusetzen. Ein Einsatz von Kompensationsmaßnah-

men ist möglich, sofern keine gesetzliche Verpflichtung besteht. Dabei sollten die

Kompensationswerte die weit über den früheren Stauraum hinausgehende Posi-

tivwirkung berücksichtigen.

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Meinungsbild 6.1.:

Zustimmung: 7

Ablehnung: 0

Enthaltung: 7

Keine Zusätze

6.2. Anbindung und Wiederherstellung Seitengewässer (Altwässer, Auen-

tümpel, Seigen):

Zur Verbesserung der Durchgängigkeit sind Seitengewässer in der Aue aufgrund

ihrer wichtigen Vernetzungsfunktion ggf. wiederherzustellen und wenn fachlich

sinnvoll besser anzubinden. Darunter fallen sowohl Fließgewässer, wie auch Alt-

gewässer, die infolge anthropogener Einflüsse vom Hauptgewässer abgekoppelt

wurden. Da Altwässer in all ihren Entwicklungsstadien aufgrund der weitestgehend

fehlenden Dynamik kaum noch von selbst entstehen, sind diese mit Blick auf die

ökologische Vernetzung vorrangig zu entwickeln. Mit höchster Priorität sind Rena-

turierungen von Auen zur Wiederherstellung der auetypischen Vielfalt anzustre-

ben.

Meinungsbild 6.2.:

Zustimmung: 7

Ablehnung: 1

Enthaltung: 6

Keine Zusätze

6.3. Geschiebe:

Wo immer möglich, ist der natürliche Geschiebetrieb und die natürliche Mobilisie-

rung von Geschiebe wieder in Gang zu bringen. Speziell für ausgeprägt geschie-

beführende Flüsse ist ein Geschiebe-Management zu entwickeln, um natürliche

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ökologische Prozesse wieder zuzulassen und so auch der fortschreitenden Ge-

wässereintiefung entgegenzuwirken.

Ebenso wie bei der Durchgängigkeit wird empfohlen, geschiebeförderliche Maß-

nahmen für die Kompensation durch Dritte zugänglich zu machen und die hohe

Wertigkeit solcher Maßnahmen festzustellen.

Meinungsbild 6.3.:

Zustimmung: 8

Ablehnung: 0

Enthaltung: 6

Keine Zusätze

6.4. Gewässerentwicklungsräume:

Mit höchster Priorität sind Renaturierungen umzusetzen, bei denen sich Fluss und

Aue als vielfältige, vernetzte und durchgängige Lebensräume mit ihrer typischen

Artenvielfalt eigendynamisch entwickeln können. Noch vorhandene dynamische

Prozesse haben höchste Priorität in der Erhaltung.

Für Auwälder als besonders dynamische Waldgesellschaften sollen natürlich ab-

laufende Prozesse als ein Ziel der Waldbewirtschaftung im Staatswald festgelegt

werden und im Privat-/Körperschaftswald besonders gefördert werden.

Die Einführung von „Gewässer- und Auenentwicklungsräumen“ in die wasserwirt-

schaftliche und raumplanerische Gesetzgebung ist zur Etablierung von Rauman-

sprüchen für die Gewässerentwicklung anzustreben.

Meinungsbild 6.4.:

Zustimmung: 9

Ablehnung: 1

Enthaltung: 3

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Zusatz zu 6.1. 6.2., 6.3., 6.4.: Die hohe Zahl an Enthaltungen ergibt sich aus Be-

denken an der späteren fraglichen Zuständigkeit bei der Umsetzung. Zusätzliche

Aufgaben ohne weitere Mittel und Stellen auf kommunaler Ebene werden befürch-

tet. Auch werden ggf. negative Auswirkungen der Maßnahmen auf öffentlichen

Flächen auf private Angrenzer befürchtet. Grundsätzlich stehen die Beteiligten, die

sich aber enthalten haben, den Vorschlägen positiv gegenüber.

Zusatz BN: Eine Verdreifachung ist anzustreben, um eine eindeutige politische

Zielaussage zu hinterlegen.

7. Wasserrückhalt in der Fläche

Der Wasserrückhalt in der gesamten Landschaft sollte nachhaltig verbessert wer-

den. Für Projekte zur dezentralen Wasserrückhaltung, vor allem Systeme von

landschaftsangepassten Grünbecken im Oberlauf, Einbezug von Teichen, Feucht-

gebieten, Mooren und natürlichen Stillgewässern, Gewässerrenaturierungen oder

Sedimentbecken, ist ein neues Förderprogramm „Wasserrückhalt im Ländlichen

Raum“ zur Bündelung und Koordination der bereits bestehenden Möglichkeiten

und gerade auch für die Umsetzung an Gewässern III. Ordnung für die bayeri-

schen Kommunen aufzulegen, das im Zusammenwirken von Gemeinden, Land-

wirtschaft und den betroffenen Verbänden und Behörden umgesetzt werden kann.

Die Ämter für Ländliche Entwicklung sind prädestiniert für die Umsetzung in der

Fläche und daher mit der Erstellung und Koordination derartiger Konzepte und de-

ren Umsetzung zu beauftragen und entsprechend personell auszustatten. Das

ermöglicht ausgesprochen hohe Synergieeffekte von Fließgewässerrenaturierung,

Naturschutz, Biotopverbund, Hochwasserschutz, Moorschutz oder Bodenschutz.

Meinungsbild 7.:

Zustimmung: 10

Ablehnung: 0

Enthaltung: 3

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Zusatz BN: Rückhaltemaßnahmen für HQ100 sind differenzierter zu betrachten.

Eine finanzielle Unterstützung für niedrigere HQ ist aufzustellen.

8. Modellprojekte „boden:ständig“

Die Modellprojekte „boden:ständig“ konnten in Bayern örtliche Initiativen von

Landwirten und Kommunen zum Erosions- und Bodenschutz sehr gut aktivieren.

Zur Erhöhung der Wirksamkeit und Akzeptanz fordert die Fachgruppe Gewässer

für diese örtlichen Initiativen eine über die Beratungsleistung und die Mitwirkung

der Fachbehörden mit ihren Fördermöglichkeiten hinausgehende Ausstattung mit

eigenen finanziellen Mitteln für die rasche Umsetzung örtlicher Einzelmaßnahmen.

Meinungsbild 8.:

Zustimmung: 13

Ablehnung: 0

Enthaltung: 0

Keine Zusätze

9. Mikroschadstoffe in Gewässern

Die Belastung mit neuartigen Substanzen, wie hormonell wirksamen Stoffen, Me-

dikamentenrückständen oder Mikroplastik ist genau zu überwachen. Die For-

schungen von bayerischen Landesanstalten und Universitäten zu den Eintrags-

wegen und Auswirkungen von Mikroschadstoffen auf die Fischfauna und Gewäs-

serökosysteme sind daher erheblich auszuweiten und gezielt zu fördern.

Es sind Strategien zu entwickeln, um den Eintrag von Mikroschadstoffen zu mini-

mieren. Es sind nur Stoffe und Produkte zu verwenden, die, sofern sie in die Um-

welt gelangen, dort oder in Kläranlagen schnell mineralisiert werden und vollstän-

dig abbaubar sind.

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Es ist weiterhin zu erforschen, zu erproben und ggf. zu fördern, ob zusätzlich zu

den bestehenden mechanischen, biologischen und chemischen Verfahren eine

kostenaufwändige vierte Reinigungsstufe in Kläranlagen zur Reduzierung von Mik-

roschadstoffen erforderlich ist.

Meinungsbild 9.:

Zustimmung: 10

Ablehnung: 1

Enthaltung: 1

Zusatz Bayer. Gemeindetag: Eine 4. Reinigungsstufe stellt eine hohe Investition

dar, die auf die Bürger umgelegt werden muss. Vor einer solchen ist eine Kosten-

Nutzenanalyse durchzuführen. Unklar bleibt der Beitrag einer solchen für die im

Volksbegehren gestellte Forderung nach Artenvielfalt.

10. Ruhezonenkonzept für Vögel und Fischschonbezirke

Die großen bayerischen Seen und RAMSAR-Gebiete sind Brut- und Rastgebiete

für hunderttausende von Wasservögeln. Ein in den Natura 2000-

Managementplänen bzw. Verordnungen verankertes Ruhezonenkonzept und Ru-

hezeitenkonzept für Wasservögel auf staatlichen Seenflächen sind zu erarbeiten.

Analog dazu sind an fischfaunistisch bedeutsamen Gewässern entsprechend dem

Fischereigesetz Fischschongebiete auszuweisen.

Meinungsbild 10.:

Zustimmung: 8

Ablehnung: 1

Enthaltung: 3

Zusatz LFV: Die Artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung (AAV) ist mit einzu-

beziehen.

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11. Stellenbedarf

Um die von der Fachgruppe Gewässer vorgeschlagenen Maßnahmen umzuset-

zen, sowie die Ziele des VB zu realisieren, sind mehr Stellen in der öffentlichen

Verwaltung, wie WWA, z.B. Betreuer für Gewässer III. Ordnung, UNB, HNB, Fi-

schereifachberatung, AELF, ALE, LfU, LfL und bei Kommunen unabdingbar.

Die Staatsregierung wird aufgefordert, eine Stellenbedarfsplanung zur Umsetzung

dieser Maßnahmen und Ziele vorzulegen, sowie eine Unterstützung, insbesondere

für die Kommunen, bei der Abwicklung von Förderprogrammen zur Verfügung zu

stellen.

Meinungsbild 11.:

Zustimmung: 12

Ablehnung: 0

Enthaltung: 0

Keine Zusätze

Protokollnotiz (kein Beschluss):

Zeitnahe Bearbeitung des Mindestwasserleitfaden

Die Fachgruppe appelliert an die Staatsregierung, die künftige Festlegung der

Vorgaben zur Errechnung von Mindestwassermengen in Ausleitungsstrecken

fachlich so anspruchsvoll bemessen, dass es zu einer Förderungen der aquati-

schen Biodiversität kommt und dass für die Biodiversität nötige dynamische Pro-

zesse in Gewässer und Aue verbessert ablaufen können.

Die bisherige Regelung aus dem Jahr 1999 ist nicht mehr anwendbar. Der Bear-

beitungsprozess für den Mindestwasserleitfaden läuft derzeit. Die betroffenen

Verbände sind bisher eingebunden gewesen, momentan findet der Fakten- und

Praxischeck statt.

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7.5.4 Fachgruppe Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Räume

a.) Teilnehmerverzeichnis (in alphabetischer Reihenfolge)

Bayerischer Gemeindetag

Bayerischer Jagdverband e.V. (BJV)

Bayerischer Landesverband für Gartenbau und Landespflege e.V.

Bayerischer Landkreistag

Bayerischer Städtetag

Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern

Bund Deutscher Landschaftsarchitekten Bayern (bdla)

BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

Deutscher Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL)

Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern

Katholisches Büro Bayern

Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV)

Landesverband Bayerischer Imker e.V. (LVBI)

Ökologisch-Demokratische Partei Landesverband Bayern (ÖDP Bayern)

Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Bayern e.V.

b.) Sitzungstermine

28. März 2019

05. April 2019

10. April 2019

12. April 2019

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c.) Detaillierte Ergebnisse

Präambel

Die deutliche Zustimmung zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ und der breite

gesellschaftliche Konsens ermöglichen es, im Rahmen des Runden Tisches und

mit Blick auf das geplante „Versöhnungsgesetz“ für mehr Biodiversität in Bayern

jetzt entscheidende Veränderungen anzupacken und effektive Maßnahmen auf

den Weg zu bringen.

Als eine von vier Fachgruppen unterstützt die Gruppe „Garten, Siedlungen,

kommunale und urbane Räume“ die Arbeit des Runden Tisches. Die Experten

präsentieren im Folgenden eine Reihe von Vorschlägen aus ihrem Themenspek-

trum, das gar nicht Bestandteil des Volksbegehrens war und dessen immense

Potenziale als Beiträge umso wichtiger sind.

Zugleich betonen die Experten zum einen die unverzichtbare Aufstockung der

Personalausstattung in der bayerischen Naturschutzverwaltung, zum anderen

die Wichtigkeit paralleler Maßnahmen für Flächeneinsparung und mehr Klima-

schutz. So können die Vorschläge der Fachgruppe die Forderungen der anderen

drei Fachgruppen wirkungsvoll unterstützen und flankieren und wirkungsvolle

Akzente in ganz Bayern setzen.

Kommentierung des Volksbegehrens

Die Fachgruppe „Garten, Siedlungen, kommunale und urbane Räume“ bittet den

Moderator Landtagspräsident a.D. Alois Glück zum Thema Lichtverschmutzung

(Art. 11a Sätze 2 und 3 des Volksbegehrens) Folgendes an die Staatsregierung

zu übermitteln:

• Eine artenschutzfachliche Einzelfallprüfung für Straßenbeleuchtungsanlagen

im Außenbereich erscheint insbesondere vom Aufwand her unangemessen.

• Dafür sollten zur Gewährleistung einer artenfreundlichen Straßenbeleuch-

tung im Außenbereich generelle Vorgaben gemacht werden (ggf. durch eine

Rechtsverordnung).

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Ergebnisse und additive Forderungen

Defizite beheben

Vollzugs- und Kontrolldefizite bei der Umsetzung von Ausgleichsflächen müs-

sen dringend behoben werden;

naturschutzfachliche Planungs- und Datengrundlagen müssen laufend aktua-

lisiert werden.

Kommunen und Kirchen

Kommunen sind die entscheidende Ebene im Biodiversitätsschutz:

Einrichtung eines „kommunalen Biodiversitätsförderprogrammes“:

o Konzepterstellung und Umsetzung (kommunales Biodiversitätsma-

nagement),

o unter Berücksichtigung bestehender Förderprogramme (ggf. Zusam-

menlegung),

o zwingend finanzielle Aufstockung und Erweiterung der Landschaftspfle-

ge- und Naturparkrichtlinien (LNPR) und Aufstockung der Personalres-

sourcen bei den Naturschutzbehörden, insbesondere als zentrale An-

laufstelle zur Beratung und Abwicklung der verschiedenen Förderin-

strumente,

o mit Bonus bei interkommunaler Zusammenarbeit,

o mit aktiver Bewerbung;

Förderung der Aufstellung und Umsetzung ökologischer Entwicklungs- und

Pflegekonzepte für kommunale Grünflächen (Finanzierung 70:30-Land-

Kommune);

Aktualisierung, Stärkung, Förderung (innovative Pilotprojekte) und zeitnahe

Umsetzung der kommunalen Landschaftsplanung als wichtiges Steuerungs-

instrument; Einführung eines verstärkten Dialogprozesses zur Biodiversität mit

allen lokalen Akteuren (Öffentlichkeit, Bürger, örtliche Landwirtschaft, ggf.

Ombudsmänner);

Optimierung der kommunalen Planung von Ausgleichsmaßnahmen, Einbin-

dung in das kommunale Ökokonto, unbedingt auch interkommunal;

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Leitfaden für Kommunen für eine ökologische Gestaltung von Siedlungs- und

Gewerbeflächen, sowie einer artenschutzgerechten Beleuchtung, (z.B. Be-

bauungsplan mit Grünordnungsplan, Gestaltungssatzungen, städtebauliche

Verträge, ökologischer Kriterienkatalog für Grundstücksvergaben);

Erweiterung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts der Gemeinde (Art. 39

BayNatSchG) auf ökologisch wertvolle und aufwertbare Flächen;

Handreichung mit Empfehlungen für ökologische Auflagen, (insbesondere

Verzicht von chemisch-synthetischem Pflanzenschutz) bei der Verpachtung

von kommunalen Flächen und verbindlich für staatliche Flächen;

zwingende personelle Verstärkung auf allen staatlichen Ebenen der Natur-

schutzverwaltung (UNB, HNB und StMUV), u. a für die Biodiversitätsberatung,

Vorgabe einer Mindestquote für die Bioversorgung (möglichst regional) in

kommunalen Einrichtungen, in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenver-

bänden;

dringende Empfehlung an die Kirchen, ihre Vorbildfunktion wahrzunehmen,

insbesondere Aufstellung und Umsetzung ökologischer Entwicklungs- und

Pflegekonzepte für kirchliche Flächen und Gebäude und Empfehlung von öko-

logischen Auflagen, (insbesondere Verzicht von chemisch-synthetischem

Pflanzenschutz) bei der Verpachtung von kirchlichen Flächen;

Urbane Räume

Ausbau des Städtebauförderprogrammes „Zukunft Stadtgrün“ und der Bio-

diversität als Querschnittsthema sämtlicher Programme der Städtebauförde-

rung (Bezug: Weißbuch „Grün in der Stadt“);

Erstellung einer Handreichung für innerörtliche Freiraumentwicklungskonzepte

mit multifunktionalen Nutzungen;

Förderung der „Grünen Infrastruktur“;

bei einschlägigen Bau- und genehmigungspflichtigen Sanierungsvorhaben:

verbindliche Maßnahmen gegen Vogelschlag, zugunsten artenfreundlicher

Beleuchtung, sowie zugunsten von Möglichkeiten für Quartiere für Fledermäu-

se und Gebäudebrüter.

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Gärten

artenreiche Gartenkultur fördern („G’Artenvielfalt“) und wieder „unter die Leute

bringen“, z.B. Neuausrichtung als Werbekampagne durch „Tag der offenen

Gartentür“;

vorhandene Gartenpädagogen der bayerischen Gartenbauverbände an all-

gemeinbildenden Schulen einsetzen;

Anlage von und Umbau von Kreislehrgärten als ökologisch geführte

Schaugärten;

Verkauf von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel nur gegen Sach-

kundenachweis; Bundesratsinitiative für ein generelles Verkaufsverbot

glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel für den Privatverbrauch;

gesellschaftliche Verantwortung der Gartenmärkte (auch Baumärkte) wecken:

gezielte Kampagne für naturnahe Gärten initiieren;

dringend notwendiges Anpassen der Bestimmungen im Bundeskleingartenge-

setz (hier wird eine LANA-Initiative Bayerns dringend empfohlen, um dem Ar-

tenschutz entgegenlaufende Vorgaben und Regelungen zu ändern oder zu

entfernen;

Die Kreisfachberater Gartenbau sind wichtige Netzwerker in den Bereichen

Gartenbau und Biodiversität. In allen Landkreisen sollte zukünftig eine diesbe-

zügliche Schwerpunktsetzung ebenso erfolgen, wie eine zielgerichtete Fach-

fortbildung.

Für alle kommunalen Grünflächen muss zukünftig „Mähen statt Mulchen“ gel-

ten (nicht von Gemeinde- und Städtetag mitgetragen). Parallel dazu bedarf es

einer Änderung des Abfallrechtes, wonach Mähgut kommunaler Flächen bis-

her als Sondermüll klassifiziert ist.

Das Verbot torfhaltiger Substrate sollte zeitnah umgesetzt werden.

Für alle Kernbereiche dieser Facharbeitsgruppe ist eine enge Zusammenarbeit

verbunden mit einer Stärkung der Bayerischen Landschaftspflegeverbände anzu-

streben.

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Bildung, Schulung, Fortbildung

Bildungs- und Fortbildungsoffensive für

o Bauhofmitarbeiter,

o kommunale Amtsträger,

o Dienstleister für Landschaftsbau und

o Lehrerinnen und Lehrer;

bayerische Umweltbildungseinrichtungen stärken und Vernetzung mit Schulen

fördern;

Unterrichtsmodule Biodiversität in die Lehrpläne einbauen und Lehrmaterialien

bereitstellen;

Intensivierung der Forschungsaktivitäten;

verstärkte Einbindung der und Kommunikation mit den Bürgern („Bürgerbetei-

ligung“, Gemeinschafts- und Identifikationspotenzial);

jährliche Prämierung der besten Biodiversitätsmaßnahmen (für Sicherung der

Nachhaltigkeit und Aufmerksamkeit);

Besucherlenkung in (Nah-)Erholungsgebieten; Anleinpflicht für Hunde in sen-

siblen Gebieten;

Einrichtung einer Vernetzungsplattform für Best-Practice-Beispiele