Genauigkeiten, Fehler, Ausgleichung Aussage: „GPS liefert ... · Da aber die aufgedruckte Skala...
Transcript of Genauigkeiten, Fehler, Ausgleichung Aussage: „GPS liefert ... · Da aber die aufgedruckte Skala...
Einführung Geoinformatik
Wilfried Linder
Genauigkeiten, Fehler, Ausgleichung
Aussage: „GPS liefert eine Lagegenauigkeit von etwa 10 Metern.“
Was heißt das eigentlich? Naheliegende
Vermutung:
Die x-
und y-Werte weichen um maximal +/-
10 Meter von den wirklichen Werten ab.
Interessant zu wissen wäre, wie groß der „mittlere Fehler“ ist, wie stark die einzelnen Werte gegenüber den tatsächlichen streuen, oder auch, wie viele der gemessenen Werte dabei um nur +/-
1
Meter vom Soll abweichen.
Ebenfalls interessant ist natürlich auch, woher die Fehler stammen und ob und wie man sie erkennen kann.
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Wilfried Linder
Die Begriffe Fehler, (Un-)Genauigkeit
und Toleranz werden oft synonym verwandt und sind nicht scharf voneinander getrennt. „Die Koordinaten sind auf 1 Meter genau“ meint i.d.R. „die Fehler liegen bei maximal 1 Meter“ oder „die Abweichungen von den exakten Werten betragen maximal 1 Meter“.
Fehler = Differenz zwischen Soll-
und Istwert, auch bezeichnet als Messunsicherheit oder Messabweichung (DIN 1319).
Grundsatz: Keine Messung ist fehlerfrei!
Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen, z.B. das Abzählen einer ganzzahligen
Menge („hier im
Raum befinden sich gerade 15 Personen“).
Beispiel: Ein Tisch ist 1.000 m breit, wir messen 0.995 m, der Fehler (die Messabweichung) beträgt 0.005 m.
Frage: Ist der Tisch tatsächlich „genau“ 1.000 m breit?
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Wilfried Linder
Man unterscheidet üblicherweise:
Grobe Fehler
sind z.B. die Folge einer falschen Bedienung der Messeinrichtung. Beispiel Zollstock: Nicht vollständig abgewickelt. Abhilfe: Sorgfältiges Arbeiten.
Systematische Fehler
stammen meist von der Messeinrichtung. Beispiel Zollstock: Gesamtlänge 1.995 statt 2.000 m als Folge von temperatur-
oder altersbedingter Schrumpfung. Abhilfe: Wegwerfen
oder kalibrieren.
Zufällige (nicht-systematische) Fehler
entstehen dagegen meist bei der Messung selbst, trotz sorgfältigen Arbeitens. Hierzu gehört auch die Streuung aufgrund der begrenzten Auflösung der Messeinrichtung. Beispiel Zollstock: Auch bei korrektem Einsatz liegt die Ablesegenauigkeit bei maximal ¼ Millimeter.
Regel: Grobe Fehler vermeiden, systematische Fehler ermitteln und für die Korrektur der Messwerte berücksichtigen.
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Wilfried Linder
Eichen, Kalibrieren
Beim Eichen wird in das Messinstrument eingegriffen. Beispiel Waage: Diese wird so reguliert (justiert), dass eine Anzeige von
500
Gramm innerhalb einer vorgegebenen Toleranz „stimmt“: Das tatsächliche Gewicht liegt dann z.B. zwischen 499 und 501 g.
Bei einer Kalibrierung wird dagegen nicht in das Messinstrument eingegriffen, sondern es wird eine Fehlerkurve bestimmt und diese für eine spätere rechnerische (externe) Korrektur verwendet. Beispiel Waage: Diese habe einen Messbereich von 0 bis 1000 g. Man ermittelt die Abweichungen bei 0, 100, 200, 300, ..., 1000 g, bestimmt daraus ein Ausgleichspolynom und korrigiert damit die gemessenen / angezeigten Werte.
Beispiel Zollstock, vorige Folie (tatsächliche Länge 1.995 m): Der Korrekturfaktor 1.0025 bewirkt, das die volle Länge wieder „stimmt“ und damit jede
gemessene und korrigierte Strecke „genauer“ ist.
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Frage zum Zollstock (*): Ist das wirklich so?
Als erstes haben wir kontrolliert, ob die zu geringe Länge Folge eines fehlenden Stückes ist (abgebrochen, abgesägt; dies wäre ein
grober Fehler). Da aber die aufgedruckte Skala den vollen Bereich 0 … 200 cm zeigt, konnte dies ausgeschlossen werden.
Dann haben wir überlegt, was die Ursache sein könnte. Dabei kam für uns nur eine Schrumpfung in Frage. Sodann haben wir implizit
vorausgesetzt
(!), dass sich die Schrumpfung gleichmäßig (also linear) ausgewirkt hat. Mit anderen Worten: Auf 2 Meter fehlen 5 mm, auf 1 Meter dann also 2.5 mm usw.
Diese Voraussetzung haben wir genutzt, um dann die Korrektur mit einem einzigen Streckfaktor zu berechnen! Mathematisch gesprochen haben wir das Ausgleichspolynom auf die lineare Gleichung f(x) = 1.0025*x reduziert.
(*) nach DIN/ISO übrigens „Gliedermaßstab“!
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Ausgehend von vorigem Beispiel wollen wir uns einige Grundlagen der Ausgleichsrechnung ansehen.
x
f(x)2.000 m1.995 m
Annahme (!):Der Schrumpf f(x) ist linear –
daher benötigen
wir zur Bestimmung der Geradengleichung
nur 2
Messwerte.
Messwerte
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Zur Sicherheit lesen wir nun zusätzlich den Zollstock bei 1 Meter Soll- Länge ab…
x
f(x)2.000 m1.995 m
1.008 m
… und haben ein Problem.
?
Ausgleichsgerade
Polynom 2. Grades
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Falls
der Schrumpf tatsächlich linear ist, stecken in unseren Messungen ein oder mehrere Fehler. Diese Tatsache können wir erkennen, können aber den oder die Fehler nicht lokalisieren (welche Messung/en ist/sind zu ungenau?)
Möglicherweise
ist der Schrumpf aber gar nicht linear! Dann wäre die Frage, wie wir ihn mathematisch am besten beschreiben können –
z.B. exponentiell? Besser: Erst einmal Informationen
darüber beschaffen, welches Schrumpfverhalten das Material (Holz, Kunststoff) aufweist.
Denn: Wenn wir jetzt einfach von einer Ausgleichsgeraden abgehen und statt dessen ein Polynom n-ten
Grades zulassen, wird es noch
komplizierter… Um dies zu verdeutlichen, beschaffen wir uns zusätzlich weitere Messwerte.
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x
f(x)
Abweichungen Soll-Ist
Merke: Mit einem Polynom genügend hohen Grades biegen wir uns alles passend zurecht!
Aber:
Ist es von den physikalischen Eigenschaften des Materials her zulässig, den Schrumpf über das dargestellte Polynom zu modellieren?
Ausgleichspolynom
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Gehen wir nun als Beispiel davon aus, dass der Schrumpf tatsächlich linearen Charakter hat, und betrachten wir drei Messungen:
x
f(x) Ausgleichsgerade
Restfehler (Residuen)
Die Differenzen zwischen den gemessenen Werten und den Funktionswerten der Ausgleichsgeraden deuten auf einen oder mehrere Messfehler hin.
Aber: Welcher
Punkt ist falsch?
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Wiederum beschaffen wir uns weitere Messwerte...
x
f(x) Ausgleichsgerade
Restfehler (Residuen)
... und können jetzt aufgrund der guten Überbestimmung einen Messfehler (Ausreißer) lokalisieren und entfernen.
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Fassen wir zusammen:
Bevor ein Ausgleichspolynom gerechnet wird, ist unbedingt zu klären, welchen Grad dieses Polynom aus sachlichen Gründen haben darf.
Zur Bestimmung eines Polynoms vom Grad n sind n+1 Messwerte nötig: f(x) = a0
+ a1
x + a2
x2
+ a3
x3
+ ...
Hat man genau n+1 Punkte, ist die Lösung eindeutig und daher ungeeignet zum Auffinden von Fehlern. Bei geringer Überbestimmung findet man zwar heraus, dass u.U. fehlerhafte Messwerte vorliegen, kann diese aber nicht lokalisieren. Erst bei guter Überbestimmung ist das Auffinden einzelner Messfehler (Ausreißer, Peaks) mit Hilfe der Residuen möglich!
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Wichtig:
Wir haben gesehen, dass es gefährlich ist, den Grad des Polynoms zu hoch anzusetzen! Damit kann man zwar die verbleibenden
Fehler (Residuen) beliebig klein rechnen und so eine hohe Scheingenauigkeit erreichen, lügt sich dann aber selbst etwas vor.
Übrigens: Eine wichtige mathematische Grundlage der Ausgleichsrechnung ist die Methode der kleinsten Quadrate, bei der die Summe der Fehlerquadrate minimiert wird. Auch sie stammt von C.F. Gauß (der Mann vom 10-Mark-Schein). Mit Hilfe dieser Methoden werden die Ausgleichspolynome bestimmt.
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Streuung (Verteilung) von Fehlern
Eine Angabe über den maximalen Fehler von Messwerten (z.B. +/- 10 m) sagt noch nicht alles aus über die Qualität der Werte.
Lage von GPS-Punkten
Verteilung der Lage- fehler
(„Gaußsche
Glockenkurve“ bei Normalverteilung)
Sollposition
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Die Streuung der Fehler kann man veranschaulichen über die empirische Standardabweichung:
Hierbei sind n die Anzahl der Punkte, xi
die Abweichungen und x deren arithmetisches Mittel. In der Geoinformatik ist hierfür auch der Begriff „root
mean
square
deviation“ oder kurz RMS verbreitet.
Je kleiner dieser Wert, desto geringer ist die Streuung (Breite der Normalverteilung).
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Die Diskussion um die Streuung von Fehlern führt zu zwei weiteren Aspekten:
Die nicht-systematischen (zufälligen) Fehler sind umso geringer, je höher die Präzision
der Messeinrichtung ist. Der Begriff „Präzision“
bezieht sich dabei immer auf das Messgerät und bedeutet soviel wie Wiederholgenauigkeit.
Und: Mehrfachmessungen
in Verbindung mit der Bildung des arithmetischen Mittels erhöhen die Genauigkeit! Allerdings steigt der Aufwand, denn n unabhängige Messungen bewirken eine Verringerung des mittleren Fehlers um den Faktor √n.
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Sofern die (nicht-systematischen) Fehler einigermaßen normalverteilt
sind, kann man als Maß für die Übereinstimmung von
Soll-
und Istwerten den Korrelationskoeffizienten berechnen:
[Quelle: http://www.statistics4u.info/fundstat_germ/cc_corr_coeff.html]
n = Anzahl der zu vergleichenden Werte, x z.B. die Sollwerte, y dann die Messwerte. Rechte Formel ohne Mittelwerte.
r liegt im Intervall [-1, 1], wobei der Wert 1 für vollständige Identität steht. Beispiele: r = 0.9 bedeutet hohe Übereinstimmung, r = 0.1
geringe.
oder
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Zwei Regeln zur Notation von Messwerten:
Die Anzahl der signifikanten Stellen (Dezimalstellen) sollte der Genauigkeit entsprechen. Beispiel: GPS-Koordinaten auf 10 Meter
genau, dann bitte nicht
x = 2563411.982 m schreiben!
Bei Messwerten ist die Genauigkeit immer
anzugeben, ebenso natürlich die Einheit. Beispiel: x = 2563410 +/-
10 m.
Negativbeispiele (so bitte nicht):
x = 2563410x = 2563411.982 +/-
10 m
x = 2563410 +/-
0.02 m
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Zum Abschluss ein Beispiel:
Eine historische topografische Karte, Maßstab 1:25000, soll in digitale Form gebracht werden, um dann in der digitalen Karte Koordinaten zu messen. Welche Genauig-
keiten
können wir in Bezug auf diese Koordinaten erwarten?
Vorüberlegung: Welche Art von Fehlereinflüssen gibt es?
Genauigkeit der Papierkarte (Wie genau waren die per
Vermessung ermittelten Koordinaten der einzelnen Objekte? Mit welcher Genauigkeit wurden diese in die Karte übertragen? Papierverzug?)
Qualität des Scanners (Auflösung, optische und geometrische
Qualität) Genauigkeit, Anzahl und Verteilung der Referenzpunkte Messgenauigkeit dieser Punkte am Bildschirm Gewähltes mathematisches Verfahren zur Transformation
Fehlerarten (systematisch / zufällig)?
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Nehmen wir nun an, dass die Einpassung der digitalisierten Karte auf die Referenzpunkte mit einer Standardabweichung von 0.1 mm
in x und y möglich war. Wie sieht es jetzt aus mit der Genauigkeit von Koordinaten, die wir in der Karte messen?
Maßstab 1:25000 0.1 mm entspricht 2.5 Meter im Gelände („Weltkoordinaten“).
Ein Pixel in der digitalen Karte entspricht einem Quadrat im Gelände. Die Kantenlänge hängt offensichtlich von der Auflösung des Scanners sowie dem Kartenmaßstab ab.
Scanauflösung
1000 dpi
Pixel-Kantenlänge 0.0254 mm in der Karte bzw. 0.635 Meter im Gelände, dies ist deutlich weniger als die o.g. Standardabweichung.
Fazit: In der digitalisierten Karte gemessene Koordinaten werden eine Genauigkeit von ca. 2.5 Meter haben.
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Wilfried Linder
Zur Vertiefung…
http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/scripts/Fehlerrechnung_Uni-Karlsruhe.pdfhttp://www.uni-magdeburg.de/exph/mathe_gl/regression.pdfhttp://www.mathe.tu-freiberg.de/~ernst/Lehre/Numerik_I/Folien/num1Kapitel4.pdfhttp://www.math.ethz.ch/~grsam/MultLinAlgSS07/group3.pdf
… und zum Feierabend:
Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt. Rowohlt-Verlag, ISBN 3 498 03528 2.