Generationen unter der Lupe

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EXTRA Nordost D Dienstag, 2. Juni 2009 in Zusammenarbeit mit der FamExpo Winterthur und der terzStiftung Berlingen MIT GROSSEM KINDER-MALWETTBEWERB! Eine Beilage von Kinder über Grosseltern Simon Stettler (4) Hemishofen SH «Grosi hütet mich oft, was mich immer sehr freut. Sie ist ein super Spielpartner. Ich mag sie gern.» Severin Stucky (17) Scherzingen TG «In meiner Kindheit waren sie für mich wie ein grosses Buch. Sie konnten mich mit ihren Geschichten begeistern. Heute vermitteln sie mir ihre Lebens- erfahrung, woraus ich viel lernen kann. Ich bin froh, dass ich sie habe.» Eltern über Kinder Valerie Brühwiler (40) Müselbach SG «Meine Kinder sind mein Le- ben. Fast alles dreht sich um sie. Wenn es mal Probleme gibt, ist meine Mutter die grösste Stütze in der Not.» Luigi Costa (44) Schaffhausen SH «Eltern zu sein ist eine schwere Aufgabe, die meine Eltern prima ge- meistert haben. Nun versuche ich es ihnen gleich zu tun und meinen Kindern ein guter Vater zu sein. Sie sind immer ein Aufsteller für mich und wir haben viel Spass zusammen.» Grosseltern über Enkelkinder Erich Stillhart (67) Männedorf ZH «Meinen Enkelkindern möch- te ich möglichst viel von mei- nen Erfahrungen in allen Le- bensbereichen weitergeben. Vorallem auch in sozialen und menschlichen Fragen möchte ich ihnen hilfreich zur Seite stehen. In einer Familie ist es wichtig, dass man zusammenhält.» Doris Kiener (61) Frauenfeld TG «Grosseltern zu sein heisst für mich für meine Enkel- kinder da zu sein und sie vorbehaltlos zu geniessen. Ich unternehme sehr ger- ne etwas mit ihnen. Morgen besuchen wir zum Beispiel das Conny Land.» Was Generationen über Generationen denken

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Als Gemeinschaftsprojekt mit der terzStiftung hat die Nordostschweiz, ein Zusammenschluss von Landbote (Winterthur), Schaffhauser Nachrichten und Thurgauer Zeitung, eine Generationenbeilage veröffentlicht.

Transcript of Generationen unter der Lupe

Page 1: Generationen unter der Lupe

EXTRA NordostDie NordostschweizDienstag, 2. Juni 2009

inZusammenarbeitmitderFamExpoWinterthurundderterzStiftungBerlingen

MIT GROSSEM KINDER-MALWETTBEWERB!

EineBeilagevon

KinderüberGrosselternSimon Stettler (4) Hemishofen SH«Grosihütetmichoft,wasmichimmersehrfreut.SieisteinsuperSpielpartner.Ichmagsiegern.»

Severin Stucky (17)Scherzingen TG«InmeinerKindheitwarensiefürmichwieeingrossesBuch.SiekonntenmichmitihrenGeschichtenbegeistern.

HeutevermittelnsiemirihreLebens-

erfahrung,worausichviellernenkann.

Ichbinfroh,dassichsiehabe.»

ElternüberKinderValerie Brühwiler (40)Müselbach SG«MeineKindersindmeinLe-

ben.Fastallesdrehtsichum

sie.WennesmalProbleme

gibt,istmeineMutterdie

grössteStützeinderNot.»

Luigi Costa (44) Schaffhausen SH

«ElternzuseinisteineschwereAufgabe,diemeineElternprimage-meisterthaben.Nunversucheichesihnen

gleichzutunundmeinenKindernein

guterVaterzusein.Siesindimmerein

Aufstellerfürmichundwirhabenviel

Spasszusammen.»

GrosselternüberEnkelkinderErich Stillhart (67)Männedorf ZH«MeinenEnkelkindernmöch-

teichmöglichstvielvonmei-

nenErfahrungeninallenLe-

bensbereichenweitergeben.

Vorallemauchinsozialen

undmenschlichenFragenmöchteichihnen

hilfreichzurSeitestehen.IneinerFamilie

isteswichtig,dassmanzusammenhält.»

Doris Kiener (61)Frauenfeld TG«Grosselternzuseinheisst

fürmichfürmeineEnkel-kinderdazuseinundsie

vorbehaltloszugeniessen.

Ichunternehmesehrger-

neetwasmitihnen.Morgenbesuchenwir

zumBeispieldasConnyLand.»

Was Generationen über Generationen denken

Page 2: Generationen unter der Lupe

interview spezial�

Jede Generation bildet ihre eigene Identität aus, indem sie sich absetzt. Das verhindert aber nicht sehr gute Beziehungen zwischen den vier Gene-rationen der Schweizer Gesellschaft. Das ergab das Interview mit der «Ge-nerationenforscherin» Prof. Dr. Pas-qualina Perrig-Chiello.

als publizistin und leiterin verschie­denerForschungsprojektehatsichpas­qualinaperrigweitüberdielandesgren­zenhinwegeinennamengemacht.

Frau Perrig, was meint der Begriff «Ge-neration» in der Wissenschaft? Und unterscheidet der wissenschaftliche Gebrauch sich wesentlich von un-serem alltäglichen Sprachgebrauch?pasqualina perrig: im alltäglichensprachgebrauch beobachten wir ge­genwärtigeine inflationvonGeneratio­nenbegriffen.allerdingshandeltessichhier meist um «Generationenetiket­ten»:«Goldenagers»etwaoder«silveragers». solche Bezeichnungen habenmit dem Konzept von «Generation» inderwissenschaftwenigzutun.Hierbe­zeichnenwirals«Generation»◼ ein Kollektiv, das aufgrund von

sozialeroder zeitlicherundhisto­rischer positionierung wirksameGemeinsamkeiten hat (wie etwadie«nachkriegsgeneration»)

◼ innerhalb der Familien zur Kenn­zeichnung von abstammungsfol­gen Kinder–eltern–Grosselternge­neration (genealogischer Genera­tionenbegriff)

◼ auf der gesellschaftlichen ebeneeineKohortewieetwadie«wohl­fahrtsgeneration», wenn wir da­vonsprechen,dasssiedafürver­antwortlich sei, dass die jüngereGenerationwirtschaftlichnichtzukurz kommen dürfe (sozialer Ge­nerationenbegriff).

Woher kommt der Begriff «Genera-tion» sprachge-schichtlich gesehen?indirektkommtder Be­griffausdemGrie­

chischen(уєvoμа–gebären,hervor­bringen),direktausdemlateinischenvongenerare–zeugen,erzeugen.zu­erst verwendet wurde der Begriff imbiologischensinn, umdasverhältnisvon erzeugern und erzeugten zu be­schreiben.aufunsMenschenübertra­genwareszuerstderfamilialeGene­rationenbegriff, der verwendet wurde,weilnachkommen inFamilienentste­hen, dann wurde er auf die Gesell­schaft übertragen: Jede Generationträgtihreeigeneidentitätfort.Dastutsie,indemsiesichabsetztvondenvo­rangegangenen.Dassheutediemitt­

lereGenerationmitderganzjungenkonkurriert(etwainspracheund

Kleidung), gefällt dieser garnicht und erschwert es denJungen, den unvermeid­

lichenabsetzungsprozessabzuschliessen.Das istein deutlicher nach­teil unserer «alters­irrelevanten Gesell­schaft».

Haben sich die Generationen-beziehungen in den jüngsten Jahrzehnten

verändert?

Ja, notgedrungen, weil es heute inder Gesellschaft einen viel höherenanteilÄlterergibt,weilwirunsineineechte vier­Generationen­Gesellschaftverwandelt haben. Die längere ge­meinsamelebenszeithatzusammenmitdergeringerenGeburtenratesehrvieleimplikationen.

Welche halten Sie für die wichtigsten Veränderungen?einesehrpositiveauswirkung istdiegelebteGrosselternschaft:weilenkelundGrosselterndurchdievielhöherelebenserwartungheutesehrvielmehrgemeinsameJahreverbringenkönnen,stehendieseGenerationensichnäherals je zuvor. Umgekehrt gibt es aberdieverpflichtung fürdie jüngerenGe­nerationen, sichumdie grösserean­zahlpflegebedürftigerHochbetagterzukümmern.

eineaufgabederGesellschaftunddesstaates istes,dievorhandenenressourcen nicht mehr nur unter«Junge»und «alte» zu verteilen, son­dernunterJunge,Mittelaltrige,Ältereund Hochaltrige oder Betagte. Da­beimussmanberücksichtigen,dassheuteimmerwenigerJungenachkom­men: Diesen Gesellschafts­aufbaubeschreibt die moderne soziologiemit dem «Bohnenstangen­Modell» –dasdünneFundamentdesGeneratio­nen­BausmusswieeineBohnenran­kegestütztwerden,umnicht zukip­pen.esgibtalsoauchimmerweniger

Junge, die für immer mehr alte auf­kommenmüssen.

ein weiterer offensichtlicher Unter­schied zwischen früheren und heu­tigenGenerationenbeziehungenhängtmitderenormgewachsenenMobilitätzusammen:Die Familienmitglieder le­benheutehäufigeringrössererentfer­nung voneinander,manchmal indreiverschiedenen ländern. es gibt einefamiliale nähe, einen zusammenhaltund vielfältige Kontakte aus der Dis­tanz.

Welche Ergebnisse des «Generatio-nenberichts Schweiz» halten Sie für die wichtigsten?amallerwichtigstenscheintmir,dasses den Generationenkrieg, von demeinige Medien berichtet haben, indenschweizerFamiliengarnichtgibt,weilhierdiesolidaritätzwischendenGenerationen noch gut funktioniert.Dass solche informellen leistungenwieetwadieKinderbetreuungimoffizi­ellenDiskursinderschweizerÖffent­lichkeitnichterwähntwerden,hatdieverfasser des Generationenberichtssehrgestört.

tatsächlich haben sich die familia­len Generationenbeziehungen in denvergangenen Jahrzehnten eher ver­bessert als verschlechtert. Kinderbleiben länger zuhause, ziehen erstnach einer langen ausbildungszeit indie eigene wohnung. Das ist augen­scheinlichnichtnureineFolgefinanzi­

ellerÜberlegungen,sondernesgefälltderMehrzahlbeideneltern.auchdieBeziehungenzudenGrosselternsindbesser als je, und auch das hängtnichtnurmitden«Batzen»zusammen,die reichlich verteilt werden, sondernauchdaran,dasssiemehrzeitfürdieenkelhabenalsjeundvielfachalsdieelternselbst.wiesichdasentwickelnwird, wenn Frauen, die die grösstelast innerfamilialerarbeit tragen,we­niger zeit für informelle tätigkeitenhaben werden, weil sie zwangsläufignoch stärker in das Berufsleben ein­gebundenseinwerden,dasistunklar.was allerdings jetzt schon geleistetwird, muss gesellschaftlich honoriertwerden, verdient endlichrespekt: eserspart dem staat enorme aufwen­dungen, dass so viele töchter elternpflegenundsovieleGrossmütteren­kelhüten!

Welche Ergebnisse des Generationen-berichts haben Sie am meisten über-rascht?Dass in Familien viel geleistet wird,dass es einen starken zusammen­halt gibt, dass transferleistungenstattfinden, hatte ich freilich ge­wusst. Das grosse ausmass die­ser leistungen hat mich aber dochüberrascht. Und nicht weniger über­raschendwar fürmich,wie sehr ge­sellschaftliche strukturen fehlen,wiewenigderstaat inder lage ist,Betreuungs­ und pflegeaufgaben zuübernehmen–beispielsweisefehlenannähernd50000Krippenplätze.

ein weiteres überraschendes er­gebnis: es ist viel von «Gerontokra­tie» die rede, von einer Herrschaftderalten.DieBefundesindhierein­deutig:DiemittlereGenerationhatinderschweizdassagen.Dabeireichtdiese «Mitte»nachallgemeinemver­ständnis heute vom 40. bis zum60.lebensjahr.

Treffen die Beobachtungen des Gene-rationenberichts annähernd auch auf Ihre eigene Familie zu?Ja, auch die eigene Familie bestehtausvierGenerationen,wobeiderver­witwete, gesunde fast 90­jährige Ur­grossvater vondenKleinstenvergöt­tertundvondenjungenerwachsenenfür«cool»gehaltenwird.seinealters­weiseGelassenheitistvorbildfürsie.auch das entspricht einem Befunddes Generationenberichts: werthal­tungenwieFriedfertigkeitundverträg­lichkeit werden von Älteren und Jün­gerenstärkergeschätzt,vondermitt­lerenGenerationingeringeremMass.Grundsätzlichunterscheidensiesichzwischen eltern und ihren Kindernstärker als bei den entfernteren Ge­nerationen.

ı Mit Pasqualina Perrig-Chiello sprach Dr. Thomas Meyer, terzStiftung Berlingen

Enkel undGrosseltern – sie stehensichnäher als je zuvor

DIE norDoSTSCHwEIzDienstaG,2.JUni2009

eltern­ und nachkommengenerationorientieren sich häufig an verschie­denen werten und sie verfolgen un­terschiedliche interessen. es ist ge­radezu unvermeidbar, dass jede Ge­nerationsichvondervorangehendenabhebt,dassJüngeresichvonÄlterenunterscheidenundablösenwollen.

in der pubertät sind aufeinander­prallende ansichten, verhaltenswei­senundzielevonJugendlichenundeltern täglich erlebte wirklichkeitundnichtsUngewöhnliches.DassesdanebenimmerauchFeldergibt,aufdenen Kinder der Mutter oder demvaternacheifern,siesichzumvorbildnehmen – wie überhaupt vorbilderfür gewöhnlichderälterenGenerati­onentstammen–,auchdasverstehtsich fast von selbst. Unterschied­

licheinteressenkönnenauchimöf­fentlichen raum aufeinander stos­sen – wenn etwa Bewegungsdrangund ruhebedürfnis zusammenpral­len,woeinBolzplatzodereineHalf­pipegebautwerdensollen.sosiehtdie normalität aus, die niemand zudramatisierenbraucht.

Die veränderungen in den Famili­enstrukturen(durchsteigendeschei­dungszahlen, gesunkene Gebur­tenraten, stark gestiegene lebens­erwartung), die deutlich geringereBindung auch der mittleren Gene­rationen an überlieferte werte unddiehoheBeschleunigungderverän­derungen in der alltagskultur durchvielfältigeMedieneinflüssebewirkenmitzahlreichenweiterenFaktorenzu­sammen,dassdieüblichen interes­

senunterschiede zwischen den Ge­nerationen sich verstärken. es warin diesem zusammenhang oft vomGenerationenkriegdierede.DerGe­nerationenbericht schweiz hat klargestellt,dassdieseredeweiseüber­hauptnichtzutrifft.

Die solidarität unter den Genera­tionen, die Unterstützung innerhalbder Familien und die erfüllung dergegenseitigen verpflichtungen ist inwahrheitgross.auchdiefinanziellentransferleistungen sind sehr hoch.DieveränderungeninderschweizerGesellschafthabenunterdenGene­rationenzueiner«näheausDistanz»geführt, zu einem engagement (derGrosseltern oder sogar Urgrossel­tern)ohneeinmischung(indieerzie­hungderenkel).(tm)

GenerationenkonflikteundGenerationenkrieg

Gelebte Grosselternschaft: Enkel und Grosseltern verbringen heute viel gemeinsame zeit miteinander. Bild:adpic

Dr.pasqualinaperrig­Chiello istpro­fessorinam institut fürpsychologieder Universität Bern. leiterin ver­schiedener Forschungsprojekte zudeneinzelnenlebensaltern.schwer­punkteihrerlehr­undForschungstä­tigkeitsindentwicklungspsychologiederlebensspanne,Generationenbe­ziehungen sowie wohlbefinden undGesundheit. sie lebt in Basel, istverheiratetundhatzweierwachsenesöhne.zuihrenjüngerenpublikationenge­hören«zwischendenGenerationen.FrauenundMännerimmittlerenle­bensalter,zürich2001»(zusammenmitFrançoisHöpflinger),«inderle­bensmitte.Dieentdeckungdesmitt­

leren lebensalters, zürich 2008»(mitFotosvonFridolinwalcher)der«Generationenbericht schweiz. Ge­nerationen–strukturenundBezie­hungen», zürich 2008 (zusammenmit François Höpflinger und Chris­tiansuter)sowie «Kindheitund Ju­gend in der schweiz», weinheim2008(mitFranzschultheisundste­phan egger). Bei den beiden letz­ten publikationen handelt es sichum die schlussberichte des natio­nalenForschungsprogramms52zuGenerationenbeziehungen, welchessie leitete. imHerbsterscheint ihrneues Buch (zusammen mit Fran­çois Höpflinger) «Die Babyboomerrevolutionierendasalter».(tm)

zUr PErSon

pasqualinaperrig­Chiello

Page 3: Generationen unter der Lupe

dieneue«alte»generation spezial�

Mit Blick auf den demografischen Wandel muss unser ganzes Han­deln für die Zukunft immer daran gemessen werden, ob es generatio­nenfreundlich und generationenver­träglich ist. Dafür setzt sich in der Schweiz die terzStiftung ein.

gegenwärtig richtet sich die öffent­liche aufmerksamkeit noch viel stär­ker auf Fragen des umweltschutzesals auf solche des demografischenWandels.niemand,derineinemmit­teleuropäischenstaatpolitischeVer­antwortung trägt, bestreitet heutenoch,dasswirvielzulangeraubbauan der natur betrieben haben. Keinschweizernationalratkönnteessichleisten,dennaturschutzgedankenfürunwichtig zu erklären, zumal er hier­zulandemeistensmitdemgefühlsin­tensivenBegriffderHeimatverknüpftist.dieBewahrungderumweltistalsgrosseszielinallenKöpfenfestver­ankert. Mit ressourcen nachhaltigumzugehenistnachallgemeinerein­schätzungdaseinzigsinnvolleVorge­hen.

es ist bereits gelungen, weiteKreise der Bevölkerung für das re­cycling zu gewinnen, viele arbeitenverantwortungsbewusst selbst mit.daneben müssen schäden, die derMenschbereitsangerichtethat,wennirgendmöglich,wieder behobenwer­den. der planet erde ist gefährdet,weil wir in seine natürliche ordnungeingegriffenhaben,jedenfallsistdasgleichgewicht,wiewireskennen, la­bilgeworden.HierkönnennichtmehrdieeinzelnenBürgerdurchprivatean­strengungendasentscheidendeleis­ten,eshandeltsichumglobaleauf­gabenvonaussen­undentwicklungs­politik.

Die Erde für unsere Nachkommen erhaltendie unbestreitbaren tatsachen desdemografischen Wandels haben sichnochlängstnicht ingleicherWeiseöf­fentlichverbreitet.selbstwenigepoliti­kerhabendasausmassderzukunfts­aufgaben erkannt, die sich ergeben.alleinschonderoffenzutageliegendezusammenhang zwischen der Bewah­rungdernatur,dererhaltungeinerum­weltaufdererde,inderMenschenle­benkönnen,undderFragedanach,werdennin30,50oder100Jahrendarinlebenwird,istvielzuseltendeutlichan­gesprochenworden:FürunsereKinder,unsereenkelundderennachkommen

oder jedenfalls angehörige dieser ge­nerationenmüssenwirFlüssesäubern,die luft reinigen und den schadstoff­ausstoss von Maschinen und Kraft­werken verringern. Bedrohte tier­ undpflanzenarten zu retten ist zweifelloseineehrenwertetätigkeit,aberwerret­tet sie nur um ihrer selbstwillen?andieMenschenzudenken,dieeinesta­ges mit ihnen zusammen auf diesemplanetenlebensollten,istkeineswegsverwerflicher «speziesismus». Wennjemand eine rangordnung einrichtensollte, müsste deshalb «generationen­verträglich» der übergeordnete und

«umweltverträglich»deruntergeordneteBegriffsein.

Veränderung der Gesellschaft als GanzesHöherelebenserwartungjedereinzel­nen schweizerin und jedes einzelnenschweizers bei gleichzeitig sinken­der geburtenrate sowie mindestensgleich bleibender immigration – wasbedeutet das für das aussehen dergesellschaft in einigen Jahrzehnten?langlebigkeitundfehlendeKinderge­meinsamwirken sich nicht bloss aufdie systeme der sozialen sicherung

aus.diegesellschaftalsganzeswirdsich zwangsläufig verändern, und da­mit ist nicht nur gemeint, dass diegrauenundweissenHaarschöpfedienaturblondenundvonnaturausdunk­lenweitüberwiegenwerden.

Wenndiezahlderüber64Jahreal­tenpersoneninderschweizbis2050um90prozentzunimmtundgleichzei­tig diezahl der unter20 Jahrealtenpersonen hier um 15 prozent sinkt,wovondasreferenzszenariodesBun­desamtes fürstatistikausgeht,dannleben in der schweiz in 42 Jahrenmehr Menschen, von denen gleich­zeitig weniger erwerbstätig sind alsheute. das hat zwangsläufig auswir­kungen auf die säulen der rentensi­cherung, auf die lebensarbeitszeit,aberauchaufdenarbeitsalltagimBe­trieb,aufdiegesamteWirtschaft,aufdieWohnformenundaufdaszusam­menlebenüberhaupt.eswirdsichaufdie Bildung auswirken, denn immermehrJüngerewerdenhöhereschulab­schlüsse erreichen, aber auch ÄlterewerdendieChancenaufBildungnachder pensionierung wahrnehmen, undauchdasgesundheitswesenwirdsichverändern: z.B. nahrungsergänzungs­mittel und Wellness­präparate wer­dendeutlichzunehmen.dieälterwer­dendegesellschaftwirdeinruhigeresundgelassenerestempoeinschlagen,dieHektik auf denstrassenwirdab­nehmen.

Bildung, Wohnen, PersonalpolitikWerjetztnichtaufgenerationenverträg­liche ansätze für die lösung der auf­gaben im Bildungssektor achtet, der

wird zu grosse primarschulen und zuwenig seniorenakademien oder uni­versitätenmitstudienplätzenfürnach­beruflich studierende einplanen, ganzzu schweigen von innerbetrieblicherFortbildung für langjährige Mitarbei­tende.WerbeiWohnungsbauprogram­mennichtdiegenerationenfreundlich­keit anersterstelle imBlickhat, derbaut amBedarf vorbei.unternehmen,die keinedemografieorientierteperso­nalpolitikbetreiben,diealsojetztnocherfahreneMitarbeitendeentlassenundsämtliche Überlegungen zur genera­tionengerechten arbeitsorganisationund zur gestaltung gesunder arbeits­plätzeverschieben,werdenbaldkeinearbeitskräftemehrfinden,diebeiihnentätig sein möchten. Wohnungseinrich­tungen,aberauchalltagsgeräte,diezuwenig benutzerfreundlich und zu sehrinihretechnikverliebtsind,werdenun­verkäuflichsein.

Klares Fazitnur unternehmen, die auf die Konse­quenzendesdemografischenWandelseingestellt sind, die also Waren unddienstleistungenanbieten,dieauchfürÄltere attraktiv sind, werden sich aufdemMarktbehauptenkönnen.

aus diesen gründen setzt sichdie terzstiftung für generationenver­trägliche lösungen und generatio­nenfreundliche dienstleistungen undprodukteein.dennwasälterenMen­schennützt,kannjüngerenMenschennichtschaden.

ı René Künzli, Präsident der terzStiftung

ı Dr. Thomas Meyer, Leiter Wissenschaft der terzStiftung

«Was älteren Menschen nützt, kannjüngerenMenschennichtschaden»

DiE NoRDoSTScHWEiZdienstag,2.Juni2009

dieterzstiftungsetztsichdafürein,dass der heutige generationenver­trag den veränderten gesellschaft­lichen Verhältnissen so angepasstwird,dasseingerechterlastenaus­gleich zwischen den altersgruppenstattfindet.Kostenundnutzenindergesellschaft müssen so aufgeteiltwerden,dasskeinealtersgruppebe­nachteiligt wird – besonders dann,wenn einmal das durchschnittlichelebensalter sehr viel höher seinwird.allemüssensichsoverhalten,alshättensieeinennotariellbeglau­bigten generationenvertrag unter­

zeichnet: in gemeinsamen Überle­gungen muss eine gerechte Über­gangsregelung gefunden werdenunddanneinvölligneuesrentensy­stem.dassesgenerationengerechtseinmuss,istklar.undgerechtkön­neneingriffeindassystemderaHVnicht sein, wenn eine generationüber ihreKraft hinausbeanspruchtwird.diesolidaritätmussvonallengenerationengeübtwerden.dasbe­deutetauch,dassfreiwilligeWeiter­beschäftigungüberdas65.lebens­jahrhinausüberallmöglichseinsollundwahrgenommenwird.(tm)

FüreinengerechtenlastenausgleichRené und Silvia Künzli mit Nadine (l) und Sina Wyss, zwei ihrer Enkelkinder. Bild:zvg

Die terzStiftung mit Sitz in Berlingen TG vertritt die interessen älterer Men­schen und setzt sich für generatio­nenfreundliche Produkte und Dienst­leistungen ein. Sie ist die einzige ins­titution in der Schweiz, die für alle Al­tersfragen rund um die Uhr eine tele­fonische Anlaufstelle anbietet.

«zukunftistnichteinfachdas,wasaufunszukommt.sieistimmerauchdasergebnisunsererideen,absichtenundHandlungen», meint stiftungspräsi­dentrenéKünzli.nachseinerpensio­nierunghatergemeinsammitseinerFrausilviainBerlingentgdieterzstif­tung gegründet, ummit dafür zu sor­gen, dass Menschen in der schweizso lange wie möglich selbstständigundsicherlebenkönnen.

dieFörderungvonselbstständigkeitgewinntanBedeutung:dieMenschenwerden immerälter, deralltag immerkomplexer. produkte und dienstleis­tungen für ältere Menschen werdensich künftig auch daran messen las­sen müssen, ob sie zu einem leich­terenumgangmitdieserKomplexitätbeitragenkönnen.

die gemeinnützige und nicht ge­winnorientierteterzstiftungbezweckt,

Menscheninderdritten lebens­phase inalltags­fragen zu unter­stützen. sie ver­steht sich alsansprechpart­ner für Fra­gen aus denBereichenpräventionund ge­sundheit,leben undWohnen, Fi­nanzen undrecht, Mobi­lität und ak­tivität. Für ih­ren Jahresbeitrag(CHF 130.– alseinzelperson bzw.CHF195.–alspaar)stehtden«gönnern»derstiftungunteran­derem rund um dieuhr eine telefonischeanlaufstelle für alle altersfragen un­ter der gratisnummer 0800123333zurVerfügung.dasterzservice­Centergibtauskünfte,lässtFragenabklären

und vermittelt wei­ter an spezialistenaus den vier ge­nanntenBereichen.erstberatung undVermittlung sind

für gönner kos­tenlos.eswirdaber nochmehr gebo­ten: zumBeispieldasgönnerma­gazin«terz»,das sechs­mal jährlich

erscheintund wertvolle

informationenund tipps zum

selbständigbleibenenthält, Kurse fürmehr selbststän­digkeit oder medi­zinische Beratungüberdasterzservice­Center. zudem gibt

es interessante angebote, die ge­meinsammit den partnern gestaltetwerden, und ein teil der gönner­Bei­träge fliesst in einen Fonds, der ge­

nerationenübergreifendeprojekteun­terstützt.dieterzstiftungbindetWirt­schaft, Verbände und institutionenfürdieunterstützungdesselbststän­digbleibens in ihr Kompetenznetz­werk ein. alle partner wollen diesengrundgedanken der terzstiftung un­terstützen und generationenfreund­liche dienstleistungen und produktefürgönneranbieten.

45 Jahre ErfahrungdasstifterpaarsilviaundrenéKünz­li hat annähernd45 Jahre für ältereMenschen gearbeitet. sie führtenrehabilitationseinrichtungen, pfle­geheime undresidenzen. «in dieserzeithabenwirvermutlichalleFragenkennengelernt,diesichimBlickaufdasalternstellen.Wirsindmitnahe­zuallensituationenkonfrontiertwor­den, in die jemand im alter gerät»,sagtrenéKünzli.«dadurchhabenwirgelernt,wasesbedeutet,älterzuwer­den.undwirhabengelernt,wiewich­tig es ist, jemanden zu haben, dersichauskenntunddeshalbeinefach­kundige auskunft geben kann odereinfachnurda ist, derhin­ statt nurzuhört, der beherzt hilft, wo rascheunterstützung von aussen nötig ist,

oderdortschweigtundanteilnimmt,womansprachlosist.»

Fürsprecherin bei Altersfragenob es sich um persönliche anlie­gen oder grundsätzliche Benachteili­gungenhandelt:dieterzstiftungwirdaktiv. dabei richtet sie sich an denWerten selbstbestimmung und ei­genverantwortung,Freiheitbeigrösst­möglicher sicherheit sowie genera­tionengerechtigkeit und ­verträglich­keit aus. sie ist «Fürsprecherin» beialtersfragen. in dieser rolle möchtesie impulse indiegesellschaft,poli­tik und Wirtschaft geben, um einebessere alterspolitik, generationen­freundliche produkte und dienstleis­tungenzufördern.(tsb)

ı Weitere informationen beim terzService­center unter 0800 123 333 oder im internet unter www.terzstiftung.ch

selbständigbleiben–dafürsetztsichdieterzstiftungein

Gönner stehen bei der terzStiftung im Mittelpunkt. Sie versteht sich als schweizerisches Pioniermodell für

Selbstständigkeit im Alter.

Ein schweizerisches Pioniermodell rund um «selbstständig bleiben im Alter»

Page 4: Generationen unter der Lupe

Selbstständig zu bleiben ist ein be-sonders wichtiges, vielleicht das vorrangige Ziel älterer Mitteleuropä-erinnen und Mitteleuropäer. Die Ver-antwortung für ihren Alltag, für ihr tägliches Leben möchten sich die we-nigsten im Alter abnehmen lassen.

Kaum jemand teilt hier die eher «süd­ländische» Ansicht: Nun habe ich ge­nug gesorgt und anderen geholfen, von jetzt an lasse ich mich umsorgen und bin zufrieden, wenn möglichst kei­ner mehr etwas von mir erwartet. Im Gegenteil möchten die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz auch im Al­ter wenn irgend möglich noch von an­deren unabhängig für sich selbst sor­gen, mindestens jedoch selbst dar­über bestimmen, auf welchem Feld des Alltagslebens und in welchem Um­fang ihnen geholfen wird.

Verantwortung für die ZukunftVerantwortung übernehmen wir grund­sätzlich für zurückliegendes Handeln, für etwas, das wir bereits getan ha­ben. Erst seit dem 20. Jahrhundert ist es ein üblicher Gebrauch des Be­griffs «Verantwortung», ihn auf die Zu­kunft, auf geplantes und noch nicht ausgeführtes Handeln, ja für die ab­sehbaren Folgen dieses zielgerichte­ten Handelns anzuwenden. Ebenso war es lange Zeit üblich, nur dann von «Verantwortung» zu sprechen, wenn es eine Institution gab, der gegenüber je­mand sich für sein folgenreiches Han­deln verantworten musste.

Bei der Eigenverantwortung ist diese Instanz kein Gericht und keine sonstige Autorität. Zuerst schulde ich mir selbst Rechenschaft über mein Tun, also auch über die Gestaltung der Lebensum­stände im Alter. Damit ist nicht das ziemlich Banale: «Erst denken, dann handeln» gemeint. Vielmehr sollte ich möglichst jeden Schritt begründen kön­nen, den ich zurückgelegt habe oder beabsichtige zu setzen. Freilich gibt es Menschen, die in ihrem ganzen Leben eher «spontan» gehandelt haben und von denen man nicht erwarten kann, dass sie gerade im Alter damit begin­nen werden, Punkt für Punkt für sich selber zu begründen, warum sie genau das tun, was sie gerade tun – so wie sie es tun. Aber sie dürfen dann nicht Fehlleistungen und Schwierigkeiten nur immer anderen anlasten. Solange je­mand beansprucht, selbstständig zu le­ben, muss er oder sie bereit sein, die Konsequenzen der Selbstständigkeit auf sich zu nehmen.

Das Gleichgewicht stabilisierenDas betrifft nicht nur jeden einzelnen Menschen in seinem Alltagsleben, son­

dern die gesamte Menschheit als Gan­zes: Weil die Menschen in der Lage sind, verantwortlich zu handeln und weil sie mit ihrer Hochtechnisierung Verant­wortung für das Gleichgewicht auf dem Planeten Erde auf sich geladen haben, sind sie nun auch verpflichtet, im Sinne des Fortbestandes dieses Gleichge­wichts zu handeln. Die Menschen kön­nen nicht mehr so tun, als sorgte die Natur für ihr eigenes Gleichgewicht. Sie haben sich entscheidend eingemischt, nun müssen sie die Konsequenzen so weit sie können absehen, auch so weit in die Zukunft, wie sie irgend können. Wir sind überzeugt, dass der Wert der Generationenverträglichkeit noch höher steht als der Umweltschutz. Das ist die höchste Verantwortung von uns Men­

schenwesen auf dieser Erde: dafür zu sorgen, dass noch unvorstellbar viele Generationen nach uns hier gut leben könnten.

Menschenwürdig lebenDas klingt nach einem sehr abstrakten Wert. Es hat aber Auswirkungen auf den Alltag von uns allen. Soweit wir selbst­ständig sind, müssen wir die Aufforde­rung beachten, immer nur das zu tun, was mit dem Fortbestand von mensch­lichem Leben auf der Erde unter mög­lichst guten Bedingungen vereinbar ist – auch wenn wir diese Aufforderung nicht ununterbrochen im Kopf haben. Schrankenloser Egoismus kann nie ge­nerationenverträglich sein. Umgekehrt: Wer will, dass menschliches Leben

auf der artenreichen und stabil klima­tisierten Erde fortbesteht, muss gene­rationenverträglich handeln. Das ist der höchste Sinn von Eigenverantwortung.

Wenn jemand in seinen alltäglichen Lebensverrichtungen eingeschränkt und deshalb auf die Hilfe Dritter ange­wiesen ist, beispielsweise beim Auf­stehen, Einkaufen, Kochen oder bei der Körperpflege – dann ist die Selbst­ständigkeit eingeschränkt. Das gibt al­lerdings keinem anderen das Recht, die Möglichkeiten der Selbstbestim­mung über das unvermeidliche Mass hinaus einzuschränken. Zur Förderung einer selbstbestimmten und eigenver­antwortlichen Lebensführung zu Hau­se muss jemandem mit solchen Ein­schränkungen das Recht eingeräumt werden, die eigene Unterstützung ver­stärkt in eigener Kompetenz zu organi­sieren. Die Betroffenen sollten selber über Zeitpunkt und Art der benötigten Hilfestellungen bestimmen und die Personen, die sie unterstützen, selber auswählen können.

Grössere SelbstständigkeitEs ist eine eigene Art von Lernen, sich die Kompetenz zu erhalten oder zu er­werben, den eigenen Alltag zu bewälti­gen: die Alltagskompetenz. Die Betrof­fenen selbst und diejenigen, die sie im täglichen Leben unterstützen, müssen sich jeweils überlegen, welche Hilfe­stellung förderlich ist und welche nur neue Abhängigkeiten schafft. Neue Abhängigkeiten schränken bloss die Selbständigkeit oder die Selbstbestim­mung über den Umfang der Hilfe ein.

Wenn beispielsweise die betreuende Tochter ihrer Mutter abends eine starke Schlaftablette anbietet, damit diese durchschläft, ist das zunächst sinnvoll und hilfreich, erleichtert die Versorgung: Die Mutter wird in der Nacht nicht in ih­rer Wohnung herumwandern, was mit der Gefahr eines Sturzes verbunden ist. Die Tochter wird sich darüber keine Sor­gen machen müssen. Allerdings wird die Mutter möglicherweise auch dann nicht aufwachen, wenn sie eigentlich die Toilette aufsuchen müsste. So wird es unvermeidlich, dass sie jede Nacht Nässeschutz­Einlagen trägt, die anson­sten nicht erforderlich wären. Und sie wird Schwierigkeiten mit dem Wachwer­den bekommen, was die Beweglichkeit am Morgen verringert, die Sturzgefahr erhöht. Das Beispiel zeigt als eines von vielen die Zweischneidigkeit von Hil­fe im Alter. In jedem Einzelfall müssen Betreuende und Betreute gemeinsam überlegen, ob die Einbusse an Selbst­bestimmung den Gewinn an Sicherheit wert ist.

ı Dr. Thomas Meyer, terzStiftung

So selbstständig wie möglich, mit so viel Hilfe wie nötig

Richtige Hilfe zur richtigen Zeit: Ein wertvoller Beitrag zur Selbstständigkeit. Bild: adpic

Anfang dieses Jahres führten die terz-Stiftung und die Universität St. Gallen gemeinsam eine Studie durch, um die Anforderungen zu ermitteln, die äl-tere Menschen an Dienstleistungen haben. Die Ergebnisse unterstrei-chen, wie wichtig ein auf die indivi-duellen Anforderungen abgestimmtes Angebot an verschiedenen Services ist, damit ältere Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben können.

Die insgesamt 126 Studienteilnehmer zeigen ein in Summe beachtliches In­teresse an verschiedenen Dienstleis­tungen, insbesondere an haushaltsun­terstützenden Diensten wie Wohnungs­reinigung (circa 40 Prozent), Hauswart­dienst (18 Prozent), Bügel­ oder Ein­kaufservice (je 16 Prozent). Weiterhin wichtig für ältere Menschen sind Mo­bilitätsdienste öffentlicher Verkehr (30 Prozent), Fahrdienst (10 Prozent) so­wie ein Hausnotrufdienst (14 Prozent).

Insbesondere jüngere Ältere zeigen ein hohes Interesse an Einkaufs­ sowie Wäschediensten, weshalb bei diesen Services mit einer in der Zukunft stei­genden Nachfrage älterer Menschen gerechnet werden darf.

Damit Anbieter möglichst pass­genaue Leistungen bereitstellen kön­nen, verfolgte die Untersuchung das Ziel, die Detailanforderungen älterer Menschen an verschiedene Dienstleis­tungen zu ermitteln. Es ist bekannt, dass ältere Menschen keine homo­gene Gruppe mit einheitlichen Anfor­derungen und Erwartungen sind.

Höchste Anforderungen an TierbetreuungWie die Studie ergab, bestehen aber nicht nur Unterschiede zwischen den einzelnen Personen, sondern auch zwischen den Erwartungen einzelner Teilnehmer an verschiedene Dienst­leistungen. So spielt beispielsweise die exakte Berücksichtigung von kun­

denindividuellen Wünschen bei Woh­nungsreinigungsdiensten nur eine un­tergeordnete Rolle, während sie bei pflegerischen Diensten erwartungs­gemäss deutlich wichtiger bewertet wird. Die höchsten Anforderungen an die Individualisierung der Leistung ha­

ben ältere Menschen im Durchschnitt aber an Tierbetreuungsdienste. Auch bei anderen Qualitätsmerkmalen wie Reaktionszeit, zeitliche Flexibilität, Ausbildungsstand der Leistungser­bringer oder persönlicher Kontakt zum Dienstleister zeigen sich deutliche Un­terschiede in den Erwartungen älterer Menschen an verschiedene Dienstlei­stungen.

Komplexität vom Kunden fernhaltenDiese Erkenntnisse sind deshalb wich­tig, weil die unterschiedlichen Anfor­derungen Grenzen für die Bereitstel­lung aller Dienstleistungen «aus einer Hand» bilden. Aufgrund der verschie­denen Erwartungen bedarf es spezia­lisierter Anbieter für unterschiedliche Services. So genannte «Service­In­tegratoren» müssen aber die «admi­nistrative Komplexität» vom Kunden fernhalten und zum Beispiel eine Ge­samtabrechnung für alle bezogenen

Dienste und eine zentrale Informa­tions­ und Beschwerdestelle bieten. Dass gegenwärtige Angebote die An­forderungen älterer Menschen noch unzureichend erfüllen, zeigen die Nut­zungszahlen. Diese liegen für alle Dienstleistungen deutlich unter dem kommunizierten Interesse.

ı Philipp Osl, Kompetenzzentrum Independent Li-ving, Universität St. Gallen

Optimale Dienstleistungen: Das A und O im Alter

Vor Veröffentlichung haben 20 Se­niorScouts der terzStiftung den Fragebogen getestet. Alle Lese­rinnen und Leser dieser Beilage «Generationen», die noch nicht an der Studie teilgenommen haben, sind herzlich eingeladen, den Fra­gebogen unter www.terzstiftung.ch (Aktuelles) noch auszufüllen. (pos)

Studie: Mitmachen!Die optimale Betreuung des Haustieres: Ein grosses Anliegen älterer Menschen. Bild: Nana do Carmo

In der Schweiz wohnen immer mehr ältere Personen, und sie wohnen im­mer häufiger alleine – auch im Alter. Dafür gibt es unauffällig eingepasste technische Haushaltshilfen, die das autonome Leben in der eigenen Wohnung erleichtern, auch wenn die Kräfte nachlassen. Es beginnt mit zusammengeschalteten Ein­/Aus­Funktionen etwa für Licht, Jalousien und Herd, sodass mit einem Befahl sämtliche Lichter gelöscht, alle Ja­lousien heruntergelassen und der Herd ausgeschaltet werden können. So besteht keine Gefahr, beim Ver­lassen der Wohnung etwas zu ver­gessen. Medizinische Fernversor­gung ist ein anderes Beispiel oder die Vernetzung des eigenen Haus­halts mit einem Dienstleistungsun­ternehmen, das auf Wunsch über­wacht, ob der Bewegungsmelder im Schlafzimmer einen Sturz oder ru­hige Bewegungen anzeigt, sodass es notfalls ein Team schicken kann, das nachsieht, ob Hilfe nötig ist.

Stark erklärungsbedürftig

Dass bediente Bahnschalter die kun­denfreundlichste Lösung sind, um an Billette zu kommen, ist unbestreitbar. An die Automaten mit Tastatur hatten die Bahnreisenden sich in 20 Jahren gewöhnt. Die neuen Touchscreen­Bil­lettautomaten, die sie allmählich er­setzen, sind stark erklärungsbedürf­tig. Sie haben zahlreiche Sonderfunk­tionen. Aber meistens will man daran einfach nur ein Billett lösen – weder Routen planen noch sein Handy auf­laden. Es ist also erforderlich und gut, dass die SBB Kundenberater einsetzen, um vor allem den älteren Bahnreisenden Unterstützung beim Anwählen und Ausdrucken zu bieten.

Wer daran gewöhnt ist, dass «Funktionalität» bedeutet, dass ein Automat genau die Arbeit effektiv verrichtet, für die er gebaut wurde, dem fällt es schwer, spielerisch mit einem Gerät umzugehen. Während Jugendliche ausprobieren wollen, was man damit alles machen kann, befürchten Ältere, sie könnten das Hauptziel, ein Billett zu lösen, aus den Augen verlieren – oder sogar et­was kaputt machen. Das sind wirk­lich verschiedene Kulturen. (tm)

Nachvollziehbar: Die Angst vor dem Ticket­Automaten

SBB-Touchscreen-Ticketautomat.

� SPEZIAL LEBEN & WOHNEN DIE NORDOSTScHWEIZ DIENSTAG, 2. JUNI 2009

Page 5: Generationen unter der Lupe

LEBEN&WOHNEN spEziaL�

Auf der Suche nach der altersfreund-lichsten Stadt im Dreieck Frauenfeld, Schaffhausen Winterthur zeigt sich ein frohmachendes Bild. Alle bieten viel persönliche Freiheit und selbst-bestimmtes Leben mit Wärme und Esprit für die ältere Generation. Eine Uniformität darf es dabei nicht ge-ben, das wäre Stillstand.

DieinnereKonstruktiondesMenschenbringtesmitsich,dassersichbeson-dersbeimÄlterwerdendortaufhaltenwill, wo er sich zuhause fühlt. Wenndies fehlt, fehlt die innere Kraft, dieGelassenheit,dieRuhe,diezufrieden-heit.«anderVorstellunginschaffhau-sen alt werden zu können überzeugtmich die Möglichkeit in meinen eige-nenvierWändendieDienstleistungenundUnterstützungen zu erhalten, dieich brauche um selbstbestimmt al-ternzukönnen»,bringtMonicastuder,Bereichsleitung Betreuung der stadtschaffhausen, ihre persönliche sichtaufdenpunkt.

DaspolitischeCredoderstadtschaff-hausen: «Die Bevölkerung der stadtschaffhausenlebtundwohntineinerstadt,indereinselbstbestimmtesal-tern, ambulant und oder auch statio-när, gewährleistet ist.» Dieses CredohabenauchdiestädteWinterthurundFrauenfeld.DasVertrauenindieKraftder Notwendigkeiten ist in allen dreistädten in politischen Grundsätzen,zielenundMotiveneineDauerheraus-forderung. Der feste Wille eine guteGemeinschaftzwischendenGenerati-onenzuschaffenfördertdieallgemei-neLebensqualität,soderGrundtenorderdreizentren.

«Wir in schaffhausen bieten ver-schiedene Wohnformen in den stati-onärenEinrichtungenwiezimmermitKochgelegenheit, Wohngruppen, pfle-gewohngruppen,WohngruppenfürDe-mente, alterswohnungen, pflegeabtei-lungenundbetreutesWohnen,spitex,private pflegedienste, Quartierdienst-

leistungen, Vernetzung der Versor-gungskette», listet studer auf. NeueWohnformenimalterseien inschaff-hausennochwenigvorhanden,initiati-venvonprivatenwürdenabervonderstadtunterstützt.

Regine sauter, Departementssekre-tärindesDepartementessozialesWin-terthur, ist stolz darauf, dass in Win-terthur die Versorgung der älteren Be-völkerung mit Wohnangeboten, Dienst-leistungenrundumdieGesundheitsver-sorgung sowie das soziale Netz eben-falls auf hohem Niveau gewährleistetsind.«praktischalleindiesemBereichtätigenOrganisationensind im«alters-

forumWinterthur»(www.alter-winterthur.ch)zusammengeschlossenunddadurchmiteinandervernetzt.Durchdaszusam-menwirkenderstädtischenundprivatenOrganisationenistdieabstimmungderangebotegewährleistet.» inseinenLe-gislaturschwerpunkten2006bis2010hält der stadtrat von Winterthur unteranderemfest:«BetagteMenschensol-leninWinterthureindifferenziertesan-gebotanWohn-,Betreuungs-undpfle-gemöglichkeitenvorfinden,sodassihrepersönliche Lebensqualität so langewiemöglicherhaltenbleibt.»

Die häufigste Wohnform ältererMenschen in Winterthur ist das pri-vate Wohnen zu Hause. im 2007lebten83prozentder80jährigenundälterenMenscheninprivatenHaushal-ten. «Dieser Quotient ist gegenüberdem gesamtschweizerischen Durch-schnittumrund3prozenthöher.Dies

entsprichtauchdemzielderstadträt-lichen politik – ambulant vor statio-när»,betontsauter.speziellistinWin-terthur die GaiWO, Genossenschaftfür alters- und invalidenwohnungen,die zahlenmässig die meisten alters-wohnungenanbietet.DieGaiWOsetztauch kontinuierlich das Konzept desbegleitetenWohnensum,umfasstei-nen24-stunden-Notruf,diesiedlungs-begleitungunddenReparaturdienst.

Frauenfelds stadträtin Elsbeth ae-pli,zuständigfürdieVerwaltungsabtei-lungGesundheit,betont,dassFrauen-feldsehr innovativ ist.Neuwerdege-radederBauvon70alterswohnungen

mit modulartigen Dienstleistungen inangriffgenommen;idealauchfürEhe-paare, wo nur ein partner pflegebe-dürftigist.Tendenziellgebeesderzeiteher zuwenigpflegeplätze in Frauen-feldundUmgebung.Dasausgezeich-netespitexnetz und engagierte seni-orenmitFreiwilligenpool,dieOrganisa-tion55plusundanderesorgendafür,dassdieälterenMenschenaktivmit-einbezogenwerdenundnichtnurkon-sumieren,erklärtaepli.«Unserestra-tegiegruppe alter setzt sich regelmä-ssig mit den Bedürfnissen fürs alterauseinander,mitdemzielautonomieundWohnwert zu fördern.Ganzwich-tigistbeiunsderseniorenrat.Dieserbringt die anliegen ein und wir vomstadtrathabenimmereinoffenesOhr.UnserNetzwerkfunktioniert.»

ı Margrith Pfister-Kübler

Wie altersfreundlichsind«unsere»städte?DiE norDoStSchWEizDiENsTaG,2.JUNi2009

Enge Vernetzung in Winterthur: Praktisch alle im Seniorenbereich tätigen oranisationen (im Bild die Seniorenresidenz Konradhof) sind im «Altersforum Winterthur» zusammen-geschlossen. Doch auch Schaffhausen und Frauenfeld verfügen über gut funktionierende Alterskonzepte. Bild:KonradhofWinterthur

Das selbständige Wohnen in den eige-nen vier Wänden ist für reifere Men-schen das zentrale Anliegen. Das zeigt sich eindrücklich in ihrem Ausgaben-verhalten: Ausgaben für das Wohnen sind mit Abstand die höchsten.

Dienächstwichtigenausgabenhabenmitsicherheit,Mobilitätundpräventi-onzu tun.Dochhäufigsinddie inve-stitionennichtgenügendzielgerichtet.JemehrsichältereMenschenindeneigenenvierWändenaufhalten,destogrösser ist der Wunsch nach Wohn-komfort,Barrierefreiheitundbediener-freundlichenEinrichtungen.

Vielen von uns erscheint es frei-lichzulangeselbstverständlich,dasswir wohnen wie wir wohnen. WarumsolltenwirunsGedankendarüberma-chen? Wir leben ja seit Jahrzehntenam gleichen Ort. Diese und ähnlichesätzehabeichinden45Jahrenmei-ner Berufstätigkeit vor allem von Äl-terenoftgehört.

neue Wohnformen gefordertMitdemWohnenimalterbeschäftigeichmichseitdemBeginnmeinesbe-ruflichenWerdegangs.FastzweiJahr-zehntehabe ich zusammenmitmei-nerFraudieTertianum-Gruppegeführtund mich ganz besonders für neueWohnformeneingesetzt,diedasselb-ständige Wohnen bis ins hohe alterfördern.WarumichneueWohnformengefordert habe? aus einem einzigenGrund:VielederheutigenHäuserundWohnungensindnichtvorbereitetaufihreältergewordenenBewohner.

sprecheichmitmeinenalterskolle-genundmitFreunden,sohöreichim-

mereins:WirwollensolangeesgehtindeneigenenvierWändenbleiben.MeinesicheretwasuncharmanteFra-ge lautet immer: Was tut ihr dafür?Die antwort: zuerst fragende BlickeunddanndieErwiderung:WiemeinstDudas?Unddannerläutereich,wasesausmeinersichtheisst,dieWoh-nungaufdasaltervorzubereiten:◼ 1.sich rechtzeitigdamitbeschäfti-

genundbeginnen.◼2.DasBadzuerst.ambesteneine

bodengleiche Dusche einbauen.Diesistderbesteschutzvorstür-zen.

◼3.ausreichendLicht.VordemHausundbeiderHaustüre.auchmichär-gertedassuchennachdemschlüs-selloch.JetzthabeicheineguteBe-leuchtungundfühlemichsicher.

◼4.stolperfallenbeseitigen.Vonmei-ner Mutter hatte ich einen Teppichgeerbt - über dessen aufstehendeEcke bin ich mehrfach gestolpert.JetzthängteranderWand.sokannichmichimmernochdaranerfreuen.

◼5. Eine elektrische steuerung derRolllädenundeinzentralschalterfüralleElektrogerätekommenzwarman-chenwieMännerspielzeugvor.aberwenn ichdasHausverlasse,mussich nur noch einen Knopf drückenund alles ist aus. Der KühlschrankunddieHeizungnatürlichnicht.DassindüberzeugendeVorteile.

Das sichere Wohnumfeldsicherheit ist ein zentrales Thema,wenn es um das selbständige Le-benundWohnengeht.Wasistzube-

achten, um Bedrohungsgefühlen imWohnumfeldzubegegnen?Dazueini-geallgemeineHinweise:◼sicheresQuartier◼guterschlosseneWohnanlage,auch

inderNacht◼Hilfs-undBetreuungsangebotedurch

FamilieoderDienstleistersolltenvor-handensein

◼die Wohnungen sollten sicherheit,schutz und Funktionsgerechtigkeitbieten

◼die Einbindung in ein zwischen-menschlichesNetzwerkistganzwich-tig(Vereinsamung!)

◼technische Geräte für Notruf oderalarmbietensicherheit

◼hellesundwarmesLichtsowieBe-wegungsmeldererhöhenwesentlichdiesicherheit

◼alleinstehende Frauen bewohnenmehrheitlich nicht gerne parterre-wohnungen.

Wissen Sie, dass... ◼1. ...die Erwartungen an die Wohn-

raumgrösse in den vergangenen 20JahrenpropersonundJahrumrundeinenQuadratmetergestiegensind.

◼2. ...der Trend zursingularisierungund Vereinsamung das interessean innovativen gemeinschaftlichenWohnformen und nach Communityverstärkt.

◼3....flexiblereWohnformen,welcheprivate Unabhängigkeit und anpas-sungsmöglichkeiten im Falle redu-zierter selbständigkeit garantieren,immerstärkergefragtsind?

Bauten müssen vor allem auf sol-che Trends und Bedürfnisse zuge-schnitten sein. Das ist keine Fragedes alters. Denn von den wachsen-den anforderungen der Generation«50plus» profitieren insbesondereauch jüngere Menschen: sie erhal-ten mehr Komfort und können einenneuen Lifestyle geniessen. Gefragtsind generationenfreundliche, flexibleund intergenerative Wohnformen, de-renMietervonvielfältigenambulantenDienstleistungenfürjungundaltprofi-tierenkönnen.DasentsprichtdenBe-dürfnissenvonerwerbstätigensingleswieälterenMietern.

ichwünscheihnenhoheWohnquali-tätunddenMut,wennnötigDingezuverändern.

ı ihr rené Künzli, Präsident der terzStiftung

Wohnen: komfortabelundbarrierefrei

herr Künzli, welche Wohnformen empfehlen Sie, wenn eine Person eines älteren Paares pflegebedürf-tig wird?René Künzli, präsi-dent der terzstiftung:Wirmüssenprivat imsinne einer umsich-tigen planung immermitdemschlimmstenFall rechnen. Je län-ger jemehr reagierenauch Gemeinden auf diese Lebens-umständeund errichten in derNähevon alters- und pflegeheimen Klein-wohnungen,diemanzumTeilkaufen

kann. Eine weitere alternative sindprivateseniorenresidenzen, indenensowohl pflegeabteilungen wie auchWohnungen angeboten werden. Dieterzstiftungsetztsichdafürein,dasssichmöglichstvieleMenschenimal-termöglichstlangedieselbstständig-keit erhaltenkönnen.Deshalbmöch-teichimUmfeldsolcherWohnbautenDienstleistungenfördern,diemanbeiBedarfabrufenkann.

An welche Dienstleistungen denken Sie?René Künzli: Das können einer-seitsdieDienstederspitalexternen

pflege sein. andererseits könntenaber auch ganz praktische Hand-reichungen im alltag hilfreich sein,zumBeispieleinWäschedienst,einMahlzeitendienst von Restaurantsoder ein Ferienabwesenheitsdienst.VieleWohneigentümerimaltersindbereit,füreinzelneDienstleistungenzu bezahlen und dankbar, dass sienichtdenganzenGrundserviceeinesHeims oder einer Residenz mitbe-zahlenmüssen.DamitzahltsichdieinvestitionineinneuesHeimselbstimaltermehralsaus.

ı interview: roman Salzmann

DienstleistungenimWohnumfeldfördern

�Winterthur: Gut abgestimmte Angebote

�Schaffhausen: Ver- schiedenste Wohnformen

�Frauenfeld: Ältere aktiv einbeziehen

Page 6: Generationen unter der Lupe

Finanzen+Recht spezial�

Welchen finanziellen Spielraum je-mand nach der Pensionierung hat, entscheidet sich viele Jahre früher. Dr. Alfred Bachmann, Mitglied des Stiftungsrates der terzStiftung und früheres Direktionsmitglied der Win-terthur Versicherungen, über die fi-nanzielle Planung des dritten Lebens-abschnitts.

Herr Bachmann, selbstständig bleiben im Alter ist auch eine Frage von finan-zieller Sicherheit. Was ist nach Ihrer Erfahrung die grösste Bedrohung von finanzieller Sicherheit im Alter?alfredBachmann:Wennsich jemanddas gesamte alterskapital oder ei­nenteildavonauszahlenlassenwill,kanndaszugrossenproblemenfüh­ren. er geht in diesem Moment dasvolle anlagerisiko ein. Möglicherwei­se erweist sich seine strategie imlaufe der zeit als falsch – zumBei­spiel aufgrund einer ungünstigen Ri­sikoverteilung. Wird der aktienanteilübermässig hoch gewichtet, könnendie erträge und auch das Vermögensehrstarkzurückgehen.FürdasVer­mögenkanndasmiterheblichenein­bussenverbundensein. istmanaufdiese erträge angewiesen, könnensich daraus grosse schwierigkeitenergeben.

Zu welchem Zeitpunkt sollte man sich über das Thema «Finanzen im Alter» verstärkt Gedanken machen?alsichinsBerufslebeneingestiegenbin, habe ich mir zum ziel gesetzt,möglichstschnellfinanziellunabhän­gig zu sein. ich habe gespart undinvestiert in Wertschriften. Je nachpersönlicher zielvorstellung für diezeit nach der pensionierung mussman sehr früh damit beginnen, sichdaraufauszurichtenundzielgerichte­teMassnahmenzutreffen.Wiemansich finanziell positionieren möchte,muss von langer hand geplant wer­den. Man sollte deshalb möglichstfrüh damit beginnen, spätestens

aberfünfbiszehnJahrevorderpen­sionierung.

Was hilft bei der systematischen Bud-get-Planung für den dritten Lebensab-schnitt?esbedarfeinergrundlegendenausle­geordnung.DabeistehtdieFrage imVordergrund,wie ichmirmeinlebennachderpensionierungvorstelle.Umeine Vorstellung vom Finanzbedarfzubekommen,sollteeinGrobbudgetmitdenKosten fürWohnen,lebens­unterhalt, Ferien, Mobilität, hobbys,usw.erstelltwerden.aufderanderenseitemüssendieeinnahmengeklärtwerden: Welche finanziellen Mittelstehen mir zur Verfügung – aus der

ahV, 2.säule, privater Vorsorge, an­wartschaften, usw. Finanzbedarf undeinnahmenmüssendanninÜberein­stimmung gebracht werden. schön,wenndiesohneproblemevonstattengeht. es kann aber auch sein, dassdie erwartungen nicht mit der Reali­tätübereinstimmen.Vielleicht istesdannnötig,Konsumverzichtzuüben,um die angestrebten ziele zu errei­chen.

Worauf ist bei der Vermögensanlage im Alter besonders zu achten?Grundsätzlich darf man das prinzipdersicherheitnieausdenaugenver­lieren. es stellt sich die Frage, wiemansichvormöglichenVerlustenab­sichertundausseinemVermögenei­nen kontinuierlichen ertragsfluss er­zielt. Massgeblich bei der Risikover­

teilung istdiehöhedesVermögens:BeiwenigenhunderttausendFrankensollte der aktienanteil niedrig gehal­ten werden. Beträgt das Vermögenbeispielsweise mehrere MillionenFranken, kann man auch höhere Ri­sikeneingehen.

Inwiefern können Kurse zur Vorberei-tung auf die Pensionierung die Ent-scheidungsfindung unterstützten?ichhabeselbstKursezurVorbereitungauf die pensionierung besucht undfindesiegut.siekönneneinenwert­vollenBeitragzurKlärungoffenerFra­genleistenundaufproblemstellungenrundumdiepensionierunghinweisen.positivfindeichauch,dassmansichansolchenKursenaustauschenkann– mit dem Referenten und mit Men­schen,diesichinderselbensituationbefinden.

Was heisst «Selbstständig bleiben» für Sie ganz persönlich?selbstständigbleibenimalterheisstfür mich, möglichst lange unabhän­gigvonDritteneinenerfülltenlebens­abendzugeniessen.Dabeikannmanauchtechnischehilfsmittelundärzt­liche Ratschläge in anspruch neh­men. erst wenn ein Mensch dauer­haftaufdiehilfeDritterangewiesenist, verliert er aus meiner sicht sei­neselbstständigkeit.sprengtderBe­darfanhilfediefinanziellenMöglich­keiten,könnensichschwierigesitua­tioneneinstellen.selbstständigblei­ben imaltersetztvoraus,dassmangesund ist. ich gehe beispielsweisekeineunnötigenRisikenein,esseundtrinkemässig,machekeinelangstre­ckenflügemehrund treibe regelmäs­sig sport. im Winter steht skilang­laufundimsommerJoggenaufdemprogramm. ausserdem besuche icheinmalproWocheeinKonditionstrai­ning.Mankannsehrvielfürseineei­geneGesundheittun.

ı Interview: Jürgen Kupferschmid, terzStiftung

Von langer Hand planen: Finanziellesicherheitnachderpensionierung

DIe norDoStScHWeIzDienstaG,2.JUni2009

Dr.alfredBachmann,geboren1942inWinterthur,studiumanderUniversitätzürich, abschluss des Ökonomiestu­diums – schwerpunkt Betriebs­ undVolkswirtschaft –, 34 Jahre bei derWinterthurVersicherunginstabs­undlinienfunktionen tätig, war Verwal­tungsratu.a.beiderteRtianUMMa­nagementaGundbeiderteRtianUMneutal aG, seit 2007 Mitglied desstiftungsratesderterzstiftung.(jk)

zurperson

Wer älter als 70 Jahre ist, muss sich nach Art. 7 Abs. 3b der Schweizer Ver-kehrszulassungsverordnung alle zwei Jahre daraufhin untersuchen lassen, ob er die medizinischen Mindestanfor-derungen für die Fahreignung erfüllt. Darin sieht die terzStiftung eine unge-rechtfertigte Benachteiligung.

nach neueren studien verursachenFahranfängerbeinahefünfmalsovieleschwere autounfälle wie die 65­ bis74­Jährigen. Diese lassen nur wenignach imVergleichzuden35­bis64­Jährigen.GanzoffensichtlichgleichenRoutine,erworbenesKönnenundrich­tigeselbsteinschätzungdiemeistensmit dem alter einhergehenden dege­nerativenVeränderungen(insbesonde­rebeimsehenundbeiderReaktions­geschwindigkeit) mehr als aus. Vondem Gefahrenpotenzial her, das dieÄlterenimstrassenverkehrdarstellen,isteinesonderbehandlungüberhauptnichtgerechtfertigt.

Schärfere tests?insbesondere stimmt die häufig ge­äusserteBehauptung,seniorenseienbesondersoftals «Geisterfahrer»aufautobahnen unterwegs, erwiesener­massen nicht: es sind die alkoholi­sierten lenker zwischen 20 und 50,diehierdiestatistikanführen.senio­ren fallenvielseltenerdurchalkohol­fahrten auf, auch auf der Gegenspurderautobahn.trotzdemfordernimmerwieder Berufene und Unberufene dieVerschärfung der tests für über 70­Jährige oder gar generell, dass nie­mandüber75denausweisbehaltendürfe.

Die terzstiftung hält demgegen­überfest:alterslimiten,dieentgegenallenstatistikenundauchentgegenden Feststellungen der schweize­rischenBeratungsstellefürUnfallver­hütung(BfU)dielenkermitüber70Jahrenbenachteiligen,sinddiskrimi­nierendunddeshalbverfassungswid­rig. Wie viele hervorragende erfah­renelenkerwürdendurchdieseBe­

stimmungvomstrassenverkehraus­geschlossen?

Willkürlich an der teilnahme gehindertDurch steuern und abgaben tru­gen und tragen die über 70­jährigenschweizerinnenundschweizererheb­lich dazu bei, dassstrassen gebautundinstandgehaltenwerdenkönnen.

esistgarnichteinzusehen,dasssieanderteilnahmeamstrassenverkehrwillkürlich gehindert werden sollen.nur bei körperlichen Defiziten oderVerhaltensänderungen, welche dieFahreignung eindeutig herabsetzen,dürfenauflagen–analleVerkehrsteil­nehmerundungeachtetdesalters–fürdaslenkeneinesMotorfahrzeugsgemachtoderderFührerausweisent­

zogen werden. Das höhere kalenda­rischealteralleindarfkeinKriteriumsein.

Wer medikamentenabhängig oder­süchtigist,kannnichtandersbehan­delt werden als jemand, der wegenalkohols fahruntauglich ist. niemanddarf wegen seines alters verdächtigtwerden, er sei auf Medikamente an­gewiesen, die seine Fahreignung ein­schränken. aber andererseits darfauch niemand, der solche Medika­mentewirklichbenötigt,denstrassen­verkehrgefährden.

WersichnachweislichnichtanOrd­nungsvorschriftenhaltenkann,deristauchnicht inderlage,diestrassen­verkehrsregeln einzuhalten. solchepersonenhabensicherlichnichtshin­terdemsteuerverloren.

Gleicher Massstab für alleJemand, der mehrere Verkehrsverge­hen begangen hat (Wiederholungs­täter), die als krasse Verkehrsverlet­zungenqualifiziertwerdenmüssen,dersolldurchendgültigenentzugdesFüh­rerausweises aus dem Verkehr gezo­genwerden.alledieseBestimmungenmüssenohnedenBlickaufalterslimi­tenfürangehörigeallerGenerationengelten.Wennbeiälterenlenkerndieanforderungen einseitig angehobenwerdenundnur fürsiestrengereBe­stimmungen gelten sollten, ist dasausdersichtderterzstiftungeinekla­re Verletzung der Gleichbehandlungund eine Diskriminierung älterer Ver­kehrsteilnehmer.

ı rené Künzli, terzStiftung

ı Dr. thomas Meyer, terzStiftung

Werdenältere Verkehrsteilnehmerdiskriminiert?

Freie Fahrt im Strassenverkehr: Für über 70-Jährige in der Schweiz nur mit einschränkungen möglich. Bild/Fotomontage:susannBasler

70

Dr. Alfred Bachmann Bild:silviaKünzli

«�Mein Ziel beim Ein-stieg ins Berufsleben:

Möglichst schnell finanzi-ell unabhängig werden»

Dr.alfredBachmann

Finanzielle Sicherheit: ein wichtiges element für einen erfüllten Lebensabend. Bild:adpic

Page 7: Generationen unter der Lupe

Die Reiselust älterer Menschen macht sie zu begehrten Gästen. Von diesem Trend profitieren auch die Vertreter jüngerer Generationen – zum Beispiel in Form von Ausbildungs- und Arbeits-plätzen in der Tourismusbranche.

Mit Blick auf den demografischen Wandel weist der Seniorenmarketing-Pionier Andreas Reidl darauf hin, dass der Bereich «Reisen und Freizeit» zu den Gewinnerbranchen der Zu-kunft zählen wird. «Ältere Menschen sind reiselustiger denn je – und sie sind bereit, dafür Geld auszugeben», schreibt er in seinem Buch «Senioren-marketing». Neben einem stark wach-senden Gesundheitstourismus pro-gnostiziert der Freizeitforscher Horst W. Opaschowski in diesem Zusam-menhang auch ein stark wachsendes Interesse an Berg- und Wandertouris-mus sowie an Veloreisen.

Alterung der Gesellschaft eröffnet neue ChancenZahlreiche Beispiele aus den Schwei-zer Medien beweisen, dass die Verant-wortlichen den demografischen Wandel nicht tatenlos abwarten wollen, son-dern verstanden haben, dass die Alte-rung der Gesellschaft neue Chancen eröffnet: «Mit 80 Jahren um die Welt: Senioren sind in der Reisebranche die am schnellsten wachsende Kunden-gruppe», schreibt Kathrin Kocher in den «Schaffhauser Nachrichten». «Die neue Generation der sogenannten jungen Alten sieht Reisen als Selbstverständ-lichkeit an», zitiert sie Walter Kunz, Ge-schäftsführer des Schweizerischen Rei-sebüro-Verbands. Der «Zürcher Bauer» sieht in älteren Gästen eine attraktive Zielgruppe für den Agrotourismus: «Der demografische Wandel kann verheis-sungsvoll sein, zum Beispiel für An-bieter im Tourismus. Das Angebot und die Begriffe müssen aber stimmen.» Die «Klosterser Zeitung» zitiert im Ok-tober 2008 den Tourismusdirektor von Davos Klosters, H.-K. Schwarzenbach: «Wir müssen künftig noch mehr dar-auf achten, dass unsere Produkte der neuen, jungen alten Generation ange-passt sind.» Und die Zeitung «Pöscht-li» schreibt über eine Podiumsdiskus-sion zur Zukunft des Albulatals. An diesem Anlass wurde angeregt, einen

Wirtschaftszweig rund ums Alter auf-zubauen und den Tourismus für Ältere zu fördern. Was die Schweizer Touris-musbranche anbelangt, können auch die Vertreter jüngerer Generationen von der Reiselust der Älteren profitieren – zum Beispiel in Form von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen.

Erfahrene KonsumentenVerglichen mit der jüngeren Generation spielt der Preis bei älteren Kunden zwar eine geringere Rolle. Der Verkaufserfolg wird künftig aber daran zu messen sein, ob man dem Qualitäts- und Servicebe-wusstsein älterer Menschen Rechnung trägt. Ältere Konsumenten sind erfah-rene Konsumenten: 30, 40 und 50 Jah-re Konsumerfahrung haben sie geprägt. Die Kundenbeziehungen zu den Konsu-menten über 50 müssen ihren Erwar-tungen und Bedürfnissen entsprechen: Umfassend, individuell, fundiert und vor allem vertrauenswürdig müssen die Be-ratungen sein. Nur wenn diese Voraus-setzungen erfüllt sind, wird diese Ziel-gruppe auch bereit sein, tatsächlich ei-

nen höheren Preis zu bezahlen. Diese Aspekte sollten auch in der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden in der Tourismusbranche Beachtung finden.

Positive AltersbilderDazu sind positive Altersbilder in den Köpfen von oft jungen Mitarbeitenden

im Marketing unerlässlich. «Alt wer-den ist normal und macht glücklich», schreibt das Gottlieb-Duttweiler-Insti-tut in der Studie «Generation Gold». Damit geht die Forderung einher, neue Geschichten über das Alter zu erzäh-len und neue Bilder im kollektiven Un-bewussten zu verankern. Mit Blick auf den demografischen Wandel ist ins-besondere auch die Werbung gefragt, den Blick auf die Realität nicht zu ver-stellen und angemessene Altersbilder zu zeichnen. In der Tat werden die Un-terschiede von kalendarischem Alter und gefühltem Alter immer grösser: Es ist wissenschaftlich belegt, dass Menschen über 70 sich durchschnitt-lich 13 Jahre jünger fühlen.

Letztlich steht und fällt der Ver-kaufserfolg in Zukunft auch damit, ob generationenfreundliche Dienstleis-tungen und Produkte angeboten wer-den können: Denn was älteren Men-schen nützt, kann jüngeren Menschen nicht schaden.

ı Jürgen Kupferschmid, terzStiftung

Reisen und Freizeit über 50: Die Gewinnerbranche der Zukunft

Sturzrisiko: Aktive Menschen bleiben durch stetes Training mobilerAuch im Alter selbstständig zu blei-ben entspricht einem grossen Wunsch der Menschen. So lange alles gut läuft, ist die persönliche Selbststän-digkeit nicht bedroht. Aber was ist, wenn nicht alles läuft? Die Gefahr zu stürzen kann die Selbstständigkeit mit zunehmendem Alter bedrohen. Prävention kann Stürze vermeiden und die Mobilität erhalten.

Nach einer Studie der Schweize-rischen Beratungsstelle für Unfallver-hütung (BfU) verunfallen jährlich mehr als 70 000 ältere Menschen im Be-reich Haus und Freizeit.

Verschiedene AnfälligkeitJeder Dritte im Alter von über 65 Jah-ren stürzt einmal pro Jahr, wovon 3 Prozent einen Knochenbruch erlei-den. Dabei verteilt sich das Risiko ge-schlechtsspezifisch unterschiedlich: Die Frage, wer für Stürze besonders anfällig ist, lässt sich nach einem Blick auf die Statistik der Frakturen in der Schweiz ganz eindeutig beantworten: Es sind Frauen im Alter zwischen 75 und 79 Jahren. Sie brechen sich nach Stürzen fast viermal so oft wie gleich-altrige Männer den Oberschenkelhals-knochen. Es sind Frauen, die viel häu-figer als Männer im Alter alleine leben,

es sind Frauen, die ein erhöhtes Os-teoporose-Risiko tragen (jede Dritte im Vergleich zu jedem fünften Mann) und es sind Frauen, die mehr Medika-mente einnehmen als Männer. Des-halb sind es wesentlich mehr Frauen als Männer, die sich nach Stürzen den Oberschenkelhalsknochen brechen.

Lebensfreude und VitalitätReto W. Kressig, Chefarzt Akutgeriat-rie am Universitätsspital Basel, emp-fiehlt in einem Bericht der «Baselland-schaftlichen Zeitung» Tanzen als ideale Sturzprävention – neben Faktoren wie einer Kalzium- und Vitamin-D-reichen Ernährung, Training zur Stärkung der Muskulatur oder einer umgestalteten Wohnsituation zur Erhöhung der Sicher-heit. Dem stimmt die terzStiftung vor-behaltlos zu: Tanzen ist Ausdruck von Lebensfreude und Vitalität. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen wei-sen darauf hin, dass regelmässiges Tanzen die Gesundheit in besonde-rem Masse fördert. Es macht nicht nur Spass – es stärkt die Muskeln, formt die Figur, schult Feinmotorik, Koordina-tion und Gleichgewichtssinn, erhält die Beweglichkeit, trainiert die Ausdauer, stärkt Herz und Kreislauf, steigert die Merkfähigkeit, fördert die Kreativität und schüttet Glückshormone aus. Pro-

fessor Ingo Füsgen, Inhaber des Lehr-stuhls für Geriatrie an der deutschen Universität Witten/Herdecke, weist dar-auf hin, dass durch Musik und Tanz ein hohes Mass an Lebensfreude erhalten bleibt, oder – wenn verloren – wiederge-wonnen werden kann. Tanzen trainiert somit einen sicheren Gang und ist Aus-druck von Mobilität und Aktivität. Aktive Menschen bleiben durch ihr stetes Trai-ning auch mobiler –und vermindern da-durch das Sturzrisiko.

Soziale Kontakte intensivierenExperten weisen auch auf die Sturz-angst hin, die weitreichende Folgen nach sich ziehen kann: «Die älteren Menschen sehen den Sturz als Zei-chen der Schwäche, die sie lieber ver-stecken möchten. Gleichzeitig kann sich eine Angst vor weiteren Stürzen – auch Post-fall-Syndrom genannt – ent-wickeln. Dies führt leicht zu sozialer Isolation», erklärt Martin Conzelmann (Chefarzt des Geriatrischen Kompe-tenzzentrums im Felix-Platter-Spital in Basel) in einem Interview. Sturz-angst ist damit auch Ausdruck des wissenschaftlich längst überholten de-fizitären Altersbildes, das die älteren Menschen in der Schweiz verinner-licht haben, sodass sie sich selbst als schwach und hinfällig ansehen.

Intensiv gelebte soziale Kontakte sind ein wichtiger Faktor, um sich im Alter seine Gesundheit zu bewahren. Den Zusammenhang zwischen selbst-bestimmtem Leben, sozialen Kontak-ten und gesundheitlichem Wohlbefin-den zeigt der Bericht über «Gesund-heit im Alter» des Instituts für Sozi-al- und Präventivmedizin der Universi-tät Zürich in aller Deutlichkeit auf. Er trifft zahlreiche Feststellungen, welche die Gesundheitspolitik nicht bloss im Kanton Zürich künftig prägen werden: Noch lange nach der Pensionierung schätzt die überwiegende Mehrheit der älteren Bevölkerung ihre eigene Gesundheit als gut oder sehr gut ein. Erst Hochbetagte leiden stärker un-ter gesundheitlichen Einschränkungen oder gar Multimorbidität.

Gesundheit selber fördernWer diese Chancen ergreift, bewahrt sich seine Selbstständigkeit und bleibt nachweislich länger gesund. Wer zum Tanzen geht, Sport treibt, Bildungs-veranstaltungen besucht, offen ist für neue Möglichkeiten der Telekommuni-kation, fördert selbst seine Gesund-heit.

ı Jürgen Kupferschmid und Dr. Thomas Meyer terzStiftung

Für die Tourismusbranche besonders interessant: Die Generation der sogenannten jungen Alten. Bild: Swiss Image

Wer möchte schon alle seine kilobe-kämpfenden Rohrkrepierer auflisten? Niemand. Wenn unsere Bio-Intuition nicht von selbst funktioniert und die Pfunde besonders mit zunehmendem Alter nicht mehr fallen wollen, hilft beim Richtungswechsel professio-nelle Ernähungsberatung.

«Crashdiäten helfen kurzfristig, verspre-chen das Blaue vom Himmel und füh-ren auf Dauer zu Frust», sagt Yvonne Meier, diplomierte Er-nährungsbe-raterin HF und Leiterin der Ernährungs-beratung der Schaffhauser Spitäler. Wenn auf Werbebil-dern der wohl-gerundete Po einfach nichts mit der Form des eigenen zu tun hat, entsteht aus wachsender Aufmerksamkeit ein klassischer Fall von Schneeball-Dynamik. Willkommen in der alterslosen Gesellschaft. «Oft ha-ben die Klienten zu hohe Erwartungen an sich selbst, aber auch an uns Bera-terinnen. Wenn der Entscheid für eine Gewichtsreduktion gefällt wird, dann sollte es in den Augen des Klienten innert kürzester Zeit zu einem grösst-möglichen Gewichtsverlust kommen. Oftmals wird vergessen, dass Abneh-men ein langer Prozess ist, anstren-gend ist und sehr viel Disziplin abver-langt. Nur eine kontinuierliche und in-dividuelle Ernährungs- und Lifestyleum-stellung kann den Weg zum Wohlfühl-gewicht ebnen», so Yvonne Meier aus Erfahrung.

Das richtige MassWille, Motivation, Ehrgeiz, Stärke, Be-stimmtheit, Hartnäckigkeit und Selbst-vertrauen, alles Eigenschaften, die aus der emotionalen Ecke kommen, die-nen als Treibstoff für die Gesundheit. Genauso wichtig ist aber das richtige Mass. Dieses verlangt eine strate-gische Qualität, Sensibilität, Situati-onen richtig einzuschätzen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Manch-mal passe aber auch der Zeitpunkt zum Abnehmen nicht, so bei Problemen und Stress, sagt Meier: «Um Klienten auch bei Misserfolg bei der Stange zu behal-ten ist Fachwissen aber auch psycholo-gisches Gespür gefragt.»

Beim Hinterfragen von der richtigen Ernährung mischt auch die soziale Her-kunft oder die finanzielle Situation mit. «Hier sehe ich einen wichtigen Ansatz-punkt auch bei bescheidenen Mitteln eine ausgewogene Ernährung anbie-ten zu können. Immer wieder können wir in der Beratung beobachten, dass die Erziehung eben auch am Familien-tisch abläuft. Wird hier auf eine ange-passte Ernährung geschaut, überneh-men die Kinder diese und führen sie im Erwachsenenalter weiter. Vorbild-funktionen spielen bei der Ernährung eine tragende Rolle.»

Ein Bewusstseinswandel habe in den letzten Jahren echt stattgefunden, bestätigt Yvonne Meier: «Die Leute er-nähren sich bewusster und werden so auch zu kritischen Konsumenten.»

ı Margrith Pfister-Kübler

Top-Ernährung beginnt am Familientisch

Ernährungstipps für Jung und Alt: Das Angebot ist riesig, hingegen funktioniert langfristig nur die individuelle Lösung. Bild: Susann Basler

Yvonne Meier Bild: Walter De Ventura

10 SPEZIAL MOBILITÄT / AKTIVITÄT / GESUNDHEIT DIE NoRDoSTSChWEIz DIENSTAG, 2. JUNI 2009

«Bei den älteren Menschen spielt das Reisen als erfüllter oder uner-füllter Lebenswunsch eine zentra-le Rolle. In Befragungen der letz-ten Jahre wird immer wieder deut-lich: Wenn Berufstätige sich ihre Pensionierung vorstellen, wenn bereits Pensionierte danach ge-fragt werden, was sie gerne noch häufiger täten, ist es immer das Reisen, das genannt wird.»

ı Andreas Reidl, Geschäftsführer der terzKom AG Berlingen

Der Reisewunsch

Page 8: Generationen unter der Lupe

generationen-porträt spezial11

Ziel: Familienleben, generationenüber-greifend. Hindernis: Grenzen setzen. Familienverband ist Einschränkung und Schutz zugleich. Entscheidend ist die richtige Balance. Bei den Familien Hinnen und Peter in Rickenbach bei Winterthur ist alles aussergewöhn-lich. Sogar das selbsterbaute Wohn-haus. Das grösste Plus im Mehr-Gene-rationenleben: Positives Denken.

glücklichsein.esbrauchtnichtvielda-für im Familienverband mit Wohnsitzaufdemlandineinemgrosszügigge-bautenHausmitvielUmland,mitgar-ten und tierhaltung. in der nachbar-schaft ebenfalls Familienangehörige.spontane Distanz und nähe. Hilfsbe-reitschaft, aufgabenteilung und ge-danken, die mal abheben, sich nichtfestkrallen an problemchen und einernatur,diesichdemknüppelhartenall-tag zu stellen vermag. «Miteinanderkannmanunendlichviel leisten.aberesbrauchtdierichtigeDosisausnäheundDistanz,esbrauchtvonallenFlexi-bilität»,strahltdasehepaarrobertundManuelaHinnen-peter,währendsiezu-friedendendreisöhnenvonderterras-se aus auf dem gegenüberliegendensportplatzbeimtschuttenzuschauen.

Mit den Füssen auf dem Bodenrobert Hinnen, 40 Jahre alt, ex-Kan-tonspolizist (15 Jahre), heute leiterlogistik bei Hasler & Co. Winterthur:«DerBerufalsKantonspolizistundmei-neheutigeaufgabealslogistik-Verant-wortlicherbrachtenmireineriesigeHo-rizonterweiterung.» er ist dazu mit an-deren Familienmitgliedern Mitinhaber

derzeltagmbH,zeltefüralleanlässe,Fest-organisatorinperson,unterande-rem vomKantonalen turnfestWiesen-dangen,vomeidgenössischenturnfestFrauenfeldusw.«Ursprünglichhabeichauf dem strickhof Wülflingen landwirtgelernt.DieFestzeltvermietungistmeinHobby,dashatsichsoergeben,dahilftdieganzeFamilie.Miteinanderistvielesmöglich»,platziertrobertHinnendichteBegeisterung,unkompliziert,direkt.

«Wirsindhaltalleturner», fügtehe-frauManuelaselbstbewusstan.Manu-elaHinnen-peter,37Jahrealt,Hausfrau,turnerin, schwimmlehrerin, vor demHausfrauendasein in verschiedenenFunktionenbeimVolg tätig,Mitglied inweiterenVereinen,spielttennisundistKoordinatorinvomMittagstisch.Diedrei

söhnerobby(13),Jan(12)undtobias(10) haben ihre klaren rollen. robby:«Wenneslangweiligwird,kannmanzudengrosseltern.grossmamikochtfei-nesessenundmitdemgrossvaterfa-hrenwirmitdemtraktorindenWald;erhataucheinenpinzgauer.»HiergehtesumdieelternvonManuela,turipeter,ChefHeizung-lüftungimKantonsspitalWinterthur,Marathon-undWaffenläufer,

kurzvorderpensionierung,undMarian-nepeter,ebenfallsnochberufstätigimspital.«WirhabenallevierUrgrossmüt-terundeinenUrgrossvaternocherlebt»,werfendieBoysein.BeidenUrgrossel-terngabs immerguetzli inderKüche.ManuelaHinnen ist fasziniert vompo-tenzial, das in einer grossen Familien-gemeinschaft steckt. «Dahilftmanei-nander. Da braucht es keine Krippe;diegrosselternhütendieKinder.»DerÜbergangvomBerufsleben indiepen-siongiltmit so vielennebenaufgabenalsideal.Dagibteskeinelangeweile,keinBeschäftigungsloch.

Leistung und GegenleistungDass das ehepaar Hinnen schon alsjungeFamilieeineigenesHausbauenkonnte, ist auch der zusammenarbeitin der grossfamilie zu verdanken. Dagibt es eine Vielfalt vonBegabungen.«selbstdasgeländerunddiegaragen-tür,allesistselbergemacht»,sorobertHinnenundlobtdieKunstvonschwa-gerMarkuspeteralsschlosser.erhilftalsgegenleistungbeimeinrichtendesComputers. Mit Blick zur HauswandmeintManuelaHinnen:«UnddieHaus-wändestehenwirklichallesenkrecht.»nach intensiver zusammenarbeit wiebeimgemeinsamenHausbaubraucheesdanachwiederetwasabstand,umdenalltagzunormalisieren,erklärtro-bertHinnenundblicktaufdiezeitzu-rückalser27-jährigundseineFrau24-jährig mit halbjährigem sohn im Jahr1996insneueHauseingezogensind.

Wenn die Basis stimmt ...Doch niemand scheut sich, diese Fa-milienbande auch mal kritisch zu hin-terfragen.Werdieeigenepositionunddiederanderen fortlaufendalsverän-derbarerlebe,alsoverbesserbar,lernegut mit dem leben fertig zu werden,lautetdieBotschaft.WenndieBasisinordnungsei,werdenauchKorrekturenoderärgernichtallzuschmerzhaft.Wer

esschafft,amendeübersichselbstzulachen,habesowiesogewonnen.

robert Hinnen sieht als alterskon-zept ein Mehrfamilienhaus für Jun-ge undalte. «Fürmich ist ein alters-heimeineHorrorvorstellung,allesnuralte leute. es ist doch besser wenndie verschiedenen generationen mit-einander leben können.» robert Hin-

nens Vater, der 73-jährige Hans Hin-nen, pensioniert seit10 Jahren,wur-dealsingenieurbeiderswissairnochaufdiepensionierungvorbereitet.«ichsehe noch das Beispiel von meinemVater.arbeitenbiszurpensionierung,dann ging das Fallmesser runter.»DankguterVorbereitungkonnteHansHinnen mit seiner pensionierung gutumgehen;16JahrewarerdazuBehör-denmitglied inderzivilgemeindeWie-sendangen. nach der pensionierungblieb ihm noch die Bezirksführung.Dann hat er ein Buch «erinnerungenan die zivilgemeinde – 200 Jahre»geschrieben. Bei Winzer Kindhauserist er jetzt in eine «wunderbare Win-zerwelt eingestiegen», er arbeitet mitBegeisterung in den reben. Fitnessstehtauchaufdemprogramm.«sonstgeniesseichdiezeitmitmeinerFrauelisabeth, sie ist jetzt auch pensio-niertundhatfrüherimspitalalslabo-rantingearbeitet.»auchdiesebeidentragen bei zur gut funktionierendengrossfamilie.

ı Margrith Pfister-Kübler

Mehr-Generationenleben: FlexibilitätvonallenbringtdierichtigeBalance

DiE noRDoStScHWEiZDienstag,2.JUni2009

Drei Generationen ziehen am gleichen Strick (v.l.): Eltern Robert und Manuela Hinnen, Grosseltern turi und Marianne Peter mit den Kindern Robby, Jan und tobias. Bilder:patrikettlin

Wenn es etwas anzupacken gibt, ist auch Markus Peter mit seiner Familie da: Er ist nachbar, Schwager, Bruder und Freund zugleich.

«�Grossmami kocht feines Essen und mit dem Gross-vater fahren wir mit dem

Traktor in den Wald»robbyHinnen

Das phänomen des funktionie-renden Mehr-generationenlebenserklärt sich daraus, dass es die-sen Familien gelingt, aus der si-tuation heraus richtig zu handeln,auch in anderengruppen.sower-den sie gemocht, als liebenswertangesehen,alsnichtselbstsüchtigundverantwortungsbewusst,gleich-zeitigsindsiesichaberauchüber

ihre eigenen Bedürfnisse klar, undniemandkannsieherumschubsen.DieJüngstengewinneneinegesun-de,nichtzwanghafteeinstellungzurautoritätundwerdensoguteteam-mitglieder. Die Kinder bekommendas richtige Feedback. generatio-nenübergreifendes Familienlebenist hier eine sehr zuverlässigeKarte.(kü)

ausdersituationherausrichtighandeln

«�Wer es schafft, am Ende über sich selbst zu lachen, der hat sowieso

gewonnen»robertHinnen

nachgefragtMeine Grosseltern sind für mich ...Dominik Keller (15), Dörflingen

«Meine gross-eltern bedeutenmirviel.siesindimmer für michda, wenn meineeltern mal wegsind. sei es fürein Mittagessenoder für einenlängeren Ferien-

aufenthalt, bei ihnen bin ich immerherzlichwillkommen.»

Vanessa Marriott (21), Andelfingen«Dameinegross-elterninenglandwohnen und ichsie nur einmalpro Jahr sehe,sind die zusam-mentreffen be-sonders schön.Wir haben unsjedes Mal viele

neue, interessante erlebnisse undgeschichtenzuerzählen.»

Meine Kinder sind für mich ...Patricia Lehm (50), Lommis

«Meine Kindersind alles fürmich. Wir ha-ben ein sehrgutesVerhältnisund obwohl sieschon erwach-sen sind, kom-men sie mit ih-ren ‹sörgeli› im-

mernochzumir.Mitmeinenelternhabe ichgutenKontaktundsieha-benebenfallsimmereinoffenesohrfürFragen.»

Martin Jäger (60), Walzenhausen«Meine Kindersind mir natür-lichsehrwichtig.Das schöne anihnen ist, dassman sie ein le-ben lang hat.Wir eltern sindauch ihr wich-tigster sponsor.

MeineeigenenelterngeniessenbeimirhoheWertschätzung.sievermit-telnsicherheitundstellenaucheinzufluchtsortdar.»

Grosseltern zu sein heisst für mich ...Ursula Mongin (64), Winterthur

«es ist lässigund wunder-schön grossel-ternzusein. ichunterstütze mei-ne enkel gerne.ausserdem hüteichsieundspielemitihnen.esistauch immerwie-

der eine Freude, etwasmit ihnen zuunternehmen. Dann gehen wir zumBeispielindentierparkoderzoo.»

Rudi Jaspers (75), Weiningen«grosseltern zusein heisst fürmich Mitverant-wortung für dienächstegenera-tionzuüberneh-men. es istmirwichtig,dassichmeinen enkelnhelfen kann in

dieser schwierigen Welt aufzuwach-senundzubestehen.»

ı Aufgezeichnet von Ramon Beerli und Marius Hösli

Page 9: Generationen unter der Lupe

«Grüezi, ich bin ihre Lehrerin», strahlt Gianna, 12-jährig. Frau Diefenbacher, ihre Schülerin, ist 60 Jahre älter. Gianna gibt ihrer Schülerin ein Han-dy und erklärt ihr das Gerät und des-sen Benutzung bis ins Detail. Gianna wurde zusammen mit ihren 21 Klas-senkollegen auf ihre Arbeit als Com-piSternli vorbereitet.

Das Handy ist für viele Menschen im heutigen Alltag unentbehrlich gewor­den. Gerade ältere Personen, die vor allem im Bereich der Sicherheit davon profitieren könnten, haben diese Ent­wicklung häufig verpasst und finden den Anschluss nicht mehr.

Kinder wechseln die RolleAn diesem Punkt setzt das Projekt «Mobile» ein: Kinder bringen älteren Personen die Grundlagen am Han­dy bei: Telefonieren, Nummern spei­chern, Lautstärke verändern, eventu­ell sogar SMS schreiben. Je ein Kind schult eine ältere Person. Das Kind ist speziell gefordert: Es sollte einen Ab­lauf ausschliesslich verbal erklären, ohne mit seinen Händen etwas vorzu­zeigen. Schulklassen lassen sich mit dem Verein CompiSternli auf ein he­rausforderndes, spannendes, genera­tionenübergreifendes Projekt ein: Die Kinder wechseln die Rolle, sie überneh­men die Rolle der Lehrpersonen. Ihre «Schüler/innen» sind ältere Menschen. Die Kinder zeigen beim Erklären oft viel Geduld. Sie wissen aus täglicher Erfah­rung, was Lernen konkret bedeutet.

Bedürfnisse erkennenBei diesem Projekt geht es keines­wegs darum, die Kinder ans Handy zu «locken», im Gegenteil: Die Kinder er­lernen einen sinnvollen Umgang mit dem Handy. Sie überlegen sich, wann der Einsatz des mobilen Telefons wirk­lich Sinn macht. Die Kinder werden im Voraus intensiv auf ihre Aufgabe vor­bereitet. Swisscom stellt Geräte zur Verfügung, mit denen die Kinder üben können. Die Kinder versuchen, die Be­dürfnisse von älteren Menschen zu er­kennen. Welche Auswirkungen hat es, wenn ein Mensch nicht mehr gut hört? Wie geht man mit Personen um, wel­che nicht mehr so schnell lernen? Wie und wann lobe ich? Das Projekt, das unter anderem von der terzStiftung ge­

fördert wird, deckt verschiedene Be­reiche ab. In Rollenspielen üben die Kinder das korrekte Verhalten gegen­über der älteren Generation. Sie ver­suchen, die üblichen Anstandsregeln korrekt anzuwenden. Die Kinder profi­tieren auf verschiedenen Ebenen: Sie stärken ihr Selbstwertgefühl auf eine gesunde Art; sie lernen, mit älteren Personen respektvoll umzugehen.

Schwierige KontaktaufnahmeDer Austausch zwischen verschie­denen Generationen wird immer rarer, damit schwindet das gegenseitige Ver­ständnis. Grosseltern wohnen meis­tens an einem andern Ort als ihre En­kelkinder. Die Kinder schreiben von sich aus keine Briefe mehr, die ältere Generation kann weder mailen noch SMS­schreiben. Die Kontaktaufnahme wird immer schwieriger.

Viele ältere Personen haben heute noch keinen Zugang zu den Informa­

tions­ und Kommunikationstechnolo­gien (IKT) gefunden. Wenige wagen diesen Schritt, der oft riesig und nicht machbar erscheint, viele Ängste birgt und während des Lernprozesses einen (vermeintlichen) Gesichtsverlust pro­voziert. Die Möglichkeiten der neuen

Technologien werden immer ausgeklü­gelter und komplexer; Der sogenannte «digitale Röstigraben» wächst ständig, die Wissenskluft wird immer grösser. Verschiedene Randgruppen können die neueren Technologien noch nicht anwenden. Häufig haben unsere Com­piSternli – Kursteilnehmende bereits Computerkurse besucht – und sind kläglich gescheitert. In vielen Anfän­gerkursen wird bereits ein generelles Wissen vorausgesetzt. Die metho­dische und didaktische Anpassung an diese Zielgruppe wird vernachlässigt, weshalb die Kurse ihre Wirkung ver­fehlen – oder sogar die Abwehrhaltung noch verstärken. (cst.)

Projektstart CompiSternli ComputerAugust 2009: Eschenbach, Romanshorn, Zürich Kreis 9, Bern, St. Gallen RotmontenOktober 2009: Rapperswil­Jona

Projektstart CompiSternli MobileSeptember 2009: LuzernOktober 2009: Basel

CompiSternli: Kids fördern Senioren

Die CompiSternli­Initiantin Rahel Tschopp ist eine Ostschweizerin und ist in Amriswil aufgewachsen. Sie hat in Romanshorn die Mittel­schule absolviert, in Kreuzlingen das Primarlehrerinnendiplom er­langt. Seit einigen Jahren wohnt sie in Davos, wo sie die Idee der CompiSternli aufleben liess. Durch den Gewinn von mehreren Wettbe­werben konnte sie das Projekt ge­samtschweizerisch lancieren. (cst.)

Rahel Tschopp

Neue Erfahrungen dank CompiSternli: Der Umgang mit modernen Kommunikationsmitteln, von einem Kind erklärt. Bild: CompiSternli

Weil Hans und Johanna sehr wohl noch lernen können, was Hänschen und Hanni in der Jugend nicht gelernt haben und was im Lauf des Berufsle-bens vielleicht zu kurz kam, gibt es Bildungseinrichtungen speziell für Äl-tere – auch in der Nordostschweiz.

Das Recht auf Weiterbildung im Al­ter muss garantiert sein, und es ist geknüpft an das Gebot der Eigenver­antwortung für ein lebenslanges Ler­nen. Auch in späteren Jahren kann jeder Mensch sich Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen, denen er frü­her fern stand. Dies gilt auch für den Umgang mit neuen Medien wie Com­puter und Internet. Die Lernvorgänge verlaufen bei älteren Menschen an­ders, manches dauert wohl länger als zur Schulzeit. Aber auch nach dem 75. Lebensjahr kann man grundsätzlich noch eine Fremdsprache lernen oder ein «Orchideenfach» studieren.

Nicht gewinnorientiertIm Kanton Thurgau haben René und Silvia Künzli, die Stifter der terzStif­tung, 1993 die Seniorenakademie Berlingen gegründet. Hans Rudolf Dä­niker (aus Dachsen im Kanton SH), gegenwärtig Präsident des Vorstands, erklärt: «Rechtlich ist die Seniorena­kademie eine gemeinnützige Stiftung und als solche nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet. Sie wird getra­gen von Frauen und Männern, die im Stiftungsrat und im Vorstand ehren­amtlich mitarbeiten.»

Die Seniorenakademie Berlin­gen unterscheidet sich von den zahl­ losen Vortragsveranstaltungen da­durch, dass in einer Vortragsreihe ein übergeordnetes Thema von allge­meinem Interesse behandelt wird. Ein «Zyklus» besteht hier aus vier Vortrags­nachmittagen, in denen verschiedene Aspekte beleuchtet werden. Es ist nicht das Ziel, ein Thema abschlies­send zu behandeln. Die Vorträge ver­mitteln primär auch Denkanstösse. In der anschliessenden Diskussion brin­gen die Teilnehmerinnen und Teilneh­mer durch ihre Fragen und Kommen­tare eigene Erfahrung ein. Die Kurs­nachmittage mit Vortrag, Pause für so­ziale Kontakte und Diskussion bilden so jeweils eine in sich geschlossene Einheit.

Die Seniorenakademie ist im Grun­de genommen auch ein Begegnungs­zentrum für neugierig gebliebene äl­tere Menschen. Ein guter Dialog zwi­schen den Teilnehmern in der Pause und anschliessend mit dem Vortra­genden im Plenum befruchtet alle. Obwohl ein Auftreten hier den Refe­renten – meist Hochschullehrern von Universitäten auch aus Deutschland – keinen grossen Ruhm bringt, sind fast alle von der Ambiance der Berli­nger Seniorenakademie sehr angetan. Viele von ihnen engagieren sich immer wieder gerne für diese Sache.

Abschlüsse werden nicht angezieltNeben den Seniorenakademien gibt es neun Senioren­Universitäten, die

sich in der Schweizerischen Vereini­gung der Senioren­Universitäten zu­sammengeschlossen haben. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Organi­sationsformen. Basel ist zum Beispiel an die Volkshochschule angeschlos­sen. Eine selbstständige Einheit der Universität bildet einzig Zürich. Aber jede hat eine «Mutteruniversität», die sie betreut und woher die Dozenten stammen. In Schaffhausen gibt es die SeniorenUni mit Dozenten von der Uni­

versität St. Gallen sowie Persönlich­keiten der kulturellen und politischen Öffentlichkeit als Vortragenden. Sie ist allerdings kein Mitglied der Verei­nigung.

Auch Senioren­Universitäten haben spezielle Angebote und sind nicht da­rauf ausgelegt, dass die älteren Stu­dierenden dort akademische Abschlüs­se erwerben. Das erklärt der Präsi­dent der Schweizerischen Vereinigung der Senioren­Universitäten, Dr. Peter

Luder. Sie hören stattdessen an den Senioren­Universitäten Vorträge oder in sich geschlossene Vortragsreihen, die sich quer durch die Fakultäten ziehen. Man kann Senioren nicht einfach mit Wissen anfüllen und fortschicken. Sie wollen über die Vorträge diskutieren – auch untereinander. Auf diese Weise verarbeiten sie das Gehörte und prä­gen es sich ein.

ı Dr. Thomas Meyer, terzStiftung

Begeisterung für das lebenslange Lernen

Aufmerksames Zuhören: Seniorinnen und Senioren an der Seniorenakademie Berlingen. Bild: zvg

12 SPEZIAL MOBILITÄT & AKTIVITÄT DiE NoRDoSTSCHWEiZ DIENSTAG, 2. JUNI 2009

NachgefragtMeine Grosseltern sind für mich ...Nora Komposch (16), Herdern

«Früher waren meine Gross­eltern ein idea­ler Ferien­ und Freizeitplatz für mich. Wir unter­nahmen viele lu­stige Dinge zu­sammen, wobei sie mich auch

immer wieder mit spannenden Ge­schichten überraschten.»

Meine Kinder sind für mich ...Barbara Tappolet (58), Schaffhausen

«Ich habe viel Freude an mei­nen Kindern. Sie sind bereits erwachsen und haben sich ohne Probleme sehr gut entwickelt. Es ist spannend, sie auf ihrem Le­

bensweg zu beobachten und zu be­gleiten. Meine eigenen Eltern sind für mich seit jeher sehr wichtig.»

Grosseltern zu sein heisst für mich ...Gertrud Kornmayer (74), Schaffhausen

«Grosseltern zu sein ist schön. Obwohl mei­ne Enkelkinder schon erwachsen sind, besuchen sie mich immer noch gerne und ich besuche na­türlich auch ger­

ne sie. Meine Enkeltochter sagte zu uns Grosseltern einmal: «Früher wart ihr für uns da, jetzt sind wir für euch da». Das ist einfach wunderbar. »

ı Aufgezeichnet von Ramon Beerli und Marius Hösli