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Markus Vogt GenEthik: Ethische Orientierungen im Konflikt um Grüne Gentechnik (Schriften der Katholischen Landvolk Bewegung KLB) Stuttgart 2005 Herausgeber : Internationaler Landvolkdienst e.V.

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Markus Vogt

GenEthik: Ethische Orientierungen im

Konflikt um Grüne Gentechnik

(Schriften der Katholischen Landvolk Bewegung KLB)

Stuttgart 2005

Herausgeber: Internationaler Landvolkdienst e.V.

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Gliederung

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................ 1

Vorwort (KLB [Schleicher?, Kroll-Schlüter?] ............................................. 2

1. Einführung

1.1 Grüne Gentechnik zwischen Interessens- und Überzeugungskonflikten ........................... 4

1.2 Gentechnik im Kontext ambivalenter Landwirtschaftspolitik ............................................ 4

2. Theologische und ethische Orientierungen

2.1 Schöpfungstheologische Option für Gestaltungsverantwortung .................................

2.2 Gentechnik als Handwerk ............................................................................................

2.3 Verantwortung als Methode ........................................................................................

2.4 Gerechtigkeit aus der Perspektive der Schwachen .......................................................

2.5 Risiko-Ethik .................................................................................................................

3. Ethische Analysen aktueller Konflikte

3.1 Unterschiedliche Diskursebenen als Grund für Missverständnisse.............................

3.2 Ziele und erhoffter Nutzen der Grünen Gentechnik..................................................

3.3 Risiken und soziale Kontexte der Grünen Gentechnik.............................................

3.4 Hypothesen über die gesundheitlichen Risiken .........................................................

3.5 Was kann Grüne Gentechnik zur Lösung der Welternährungsprobleme beitragen?.....

3.6 Wie wirkt sich Grüne Gentechnik auf die Biodiversität aus? ..................................

4. Demokratische Legitimation und die Grammatik der Akzeptanz

4.1 Einstellungen zur Grünen Gentechnik in der Bevölkerung ...........................................

4.2 Öffentliche Stellungnahmen kirchlicher Gruppen ........................................................

4.3 Gesetzliche Regelungen zur Frage der Koexistenz .....................................................

4.4 Bedingungen ethischer und demokratischer Legitimation ............................................

4.5 Verantwortung in der Dialektik von Fortschritt und Risiko ...........................................

(5. Quellentexte: kirchliche Stellungnahmen zur Grünen Gentechnik)

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Vorwort KLB

Der Internationale Landvolkdienst (ILD) und die KLB Deutschland setzen sich seit vielen Jahren mit Fragestellungen der Grünen Gentechnik auseinander. In einer Vielzahl verschiede-ner Debatten und Fachseminare wurden die Vor- und Nachteile ausführlich erörtert und dis-kutiert.

Dieser Diskurs erhielt mit dem von der Europäischen Union geförderten ÍLD- Projekt mit dem Titel: „Kann die Gentechnik einen Beitrag zur Verbesserung der Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern leisten?“ eine neue Dimension. Denn damit soll ein qualifizierter Bei-trag zur entwicklungspolitischen Bewusstseinsbildung in der europäischen Öffentlichkeit ge-leistet werden. In der thematischen Auseinandersetzung wurde inzwischen deutlich, dass allein das Abwägen der Argumente nicht sehr viel weiter hilft, weil diese meistens viele verschiedene Dimensio-nen betreffen. Von daher ist die Einordnung der Argumente wichtig. Dabei hilft die Ethik, die ihre Maßstäbe an die verschiedenen Ebenen der Debatte anlegt und so die Diskussion erleich-tert. Aus diesem Grund ist die Veröffentlichung der Schrift von Professor Markus Vogt „Ge-nEthik: Ethische Orientierungen im Konflikt um die Grüne Gentechnik“ ein wichtiger Schritt zur Versachlichung der Diskussion und zur Erklärung der Standpunkte. Sie befasst sich nicht nur mit den Auswirkungen der Grünen Gentechnik auf den landwirtlichen Verbraucher in Europa, sondern geht ausführlich auf ihre Auswirkungen in Südländern ein. Sie zeigt außer-dem die Bedeutung der Debatte über die Grüne Gentechnik für die öffentliche Meinungsbil-dung. Das Buch liefert Kriterien aus Sicht der Ethik, an denen sich die Grüne Gentechnik messen lassen muss. Dies fördert die Differenzierung der Diskussion. Genau das wünscht sich der Internationale Landvolkdienst. Wir danken Herrn Prof. Markus Vogt ganz herzlich dafür, dass er uns seine hohe Fachkompe-tenz in Fragen der Ethik der Grünen Gentechnik zur Verfügung stellt und sie damit einer brei-ten Öffentlichkeit zugänglich macht. Der EU-Kommission danken wir dafür, dass sie dafür die fínanziellen Mittel zur Verfügung stellt.

Hermann Kroll-Schlüter Vorsitzender des ILD Az:1.9.2

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1. Einführung 1.1 Grüne Gentechnik zwischen Interessens- und Überzeugungskonflikten Die Auseinandersetzungen um Biotechnologie und Grüne Gentechnik (Nutzung gentechni-scher Verfahren in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelherstellung) bilden einen höchst vielschichtigen und spannungsreichen Diskurs, in dem die oft hart und unvermittelt aufeinander treffenden Positionen nur dann einigermaßen rational bearbeitet werden können, wenn die unterschiedlichen Argumentationsebenen klar differenziert und einander zugeordnet werden. Wie in einem Brennglas spiegeln sich in diesem Diskurs zentrale Fragen der Tech-nik- und Risikobewertung, der Globalisierung, der Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung, des Naturverhältnisses von Mensch und Gesellschaft, der Beziehung zwischen Wissenschaft, E-thik und Öffentlichkeit sowie nicht zuletzt der Abwägung zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten.

Die Bewertung der Gentechnik ist also eine Querschnittsaufgabe, die sowohl natur- als auch sozialwissenschaftlichen Sachverstand erfordert und letztlich nur im Rahmen eines umfassen-den Werthorizontes vorgenommen werden kann. Sie geht in besonderer Weise auch die Öf-fentlichkeit an, da die Erforschung und Anwendung der Gentechnik nicht auf den Raum von Labors und isolierten Wirkungsketten beschränkt bleibt, sondern letztlich alle mit ihren (posi-tiven und negativen) Folgen leben müssen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständ-lich, dass in der Debatte um die Grüne Gentechnik nicht nur Interessenkonflikte ausgetragen werden, sondern ebenso Überzeugungskonflikte hinsichtlich einer zukunftsfähigen Technik und Gesellschaft.1

Überzeugungskonflikte können im Unterschied zu Interessenkonflikten nur in sehr einge-schränkter Weise durch Kompromisse gelöst und nach den Kriterien der Gerechtigkeit ausge-handelt werden. Sie führen vielmehr in der Regel zu Auseinandersetzungen, in denen die Kontrahenten einander unerbittlich mit dem Anspruch auf Wahrheit gegenübertreten. Denn Wahrheit oder vermeintliche Wahrheit lässt sich nicht teilen. Überzeugungskonflikte tragen daher Charakterzüge eines Glaubenskonfliktes. Strukturell neu ist bei den großen modernen Technikkonflikten, wie dem Streit um Kernenergie sowie dem um Gentechnik, dass sie sich nicht privatisieren lassen und daher politisch das Lösungsmodell der Toleranz in wesentlichen Punkten versagt. Da es um das Gemeinwohl geht und potentiell alle von den wirklichen oder vermeintlichen Risiken betroffen sind, scheint für die einen das Gewährenlassen und für die anderen der Verzicht auf die mit der Technik verbundenen Möglichkeiten jeweils keine trag-bare Lösung. Die Frage der Technik ist hier sowohl aus Sicht vieler Befürworter als auch erst recht aus Sicht ihrer Gegner konstitutiv für das Gemeinwohl. So wird die Gentechnik zu ei-nem kollektiven Überzeugungskonflikt, der die Fähigkeit der Politik im Umgang mit Dissens vor neue Herausforderungen stellt.

Die Debatte ist keineswegs nur von theoretischer Relevanz, sondern steht mitten im Kontext einer dritten „grünen Revolution“, die durch die fortschreitenden Entwicklungen der Grünen Gentechnik in Landwirtschaft und Ernährung weltweit ausgelöst wurde.2 Mit einer Wachs-tumsrate von ca. 20 % pro Jahr3 gehört die Grüne Gentechnik derzeit zu den erfolgreichsten 1 Zur Differenzierung zwischen Überzeugungs- und Interessenkonflikten vgl. Korff, W.: Die Energiefrage.

Entdeckung ihrer ethischen Dimension, Trier 1992, 232-235. 2 Vgl. Ignacio Nunez: Opportunities and Risks of Genetically Modified Organisms, in: Promotiae Iustitiae Nr.

79, 3/2003, 7-10, hier 8. Die ersten beiden „grünen Revolutionen“ sind für Nunez die Einführung der Inten-sivdüngung und Maschinisierung seit den 1940er Jahren sowie die Veränderungen infolge der Globalisierung der Märkte seit den 1970er Jahren Manche sprechen auch von einer „zweiten grünen Revolution“, indem sie die Globalisierung, die ja eher die Rahmenbedingungen betrifft, hier weglassen.

3 Vgl. Informationsdienst ISAAA (International Service for the Acquisitation of Agri-biotech applications) mit regelmäßigen aktuellen Berichten des Vorsitzenden Clive James: www.isaaa.org, hier: Bericht vom 12. 1. 2005: Wachstumsrekorde des weltweiten Anbaus transgener Pflanzen auch für 2004.

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Wirtschaftszweigen und ist Auslöser für einen tiefen Strukturwandel und eine grundlegende Richtungsentscheidung in der Landwirtschaft. Deren Bedingungen und Ziele bedürfen inso-fern einer ethischen und politischen Diskussion, als sie mit existentiellen Chancen und Risi-ken für die gesamte Bevölkerung verbunden sind und in eine Fülle von komplexen Wechsel-wirkungen mit anderen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Handlungsfeldern verknüpft ist.

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen breitet sich derzeit mit rasantem Tempo aus: Waren es im Jahr 2000 noch vier Staaten der Erde, die fast den gesamten Anteil der Anbau-fläche gentechnisch veränderter Pflanzen stellten, wurden im Jahr 2004 bereits 17 Länder mit rund 8,25 Millionen Landwirten gezählt (USA, Argentinien, Kanada, Brasilien, China, Para-guay, Indien, Südafrika, Uruguay, Australien, Rumänien, Mexiko, Spanien, Philippinen, Ko-lumbien, Honduras und – eingeschränkt - Deutschland).4 Wenn man China und Argentinien als Entwicklungsländer betrachtet, wird ein wesentlicher Anteil der gentechnisch veränderten Pflanzen in Entwicklungsländern angebaut.

Der Anbau erfolgt in Argentinien und China unter stark industrialisierten Methoden. Während in Nord- und Südamerika, China und Indien genmanipulierte Pflanzen in erheblichem Um-fang kultiviert werden, spielen sie in der EU bisher eine eher untergeordnete Rolle. Vorreiter im Anbau und teilweise auch in der Forschung zu GVOs in Europa ist Spanien, das im Jahr 2004 ca. 58.000 Hektar Bt-Mais anbaute. Als Importprodukt finden in Europa vor allem gen-technisch veränderte Futtermittel Verbreitung. Nach der Aufhebung des Moratoriums in der EU im Februar 2004 sowie der vor allem nationalstaatlich zu konkretisierenden Einführung von Koexistenzregeln ist auch in der EU der großflächige Anbau von GVOs prinzipiell mög-lich.

Politisch verlagert sich die Diskussion um Grüne Gentechnik in Europa derzeit von der Frage „ja oder nein“ auf die Fragen konkreter Maßnahmen und Regulierungen zur Ermöglichung von Koexistenz gentechniknutzender und gentechnikfreier Landwirtschaft. Der juristische Fachdiskurs um Fragen der Koexistenzregeln kann aber die tiefe Verunsicherung in der Be-völkerung und in der Bauernschaft hinsichtlicht der Grünen Gentechnik und der Zukunft der Landwirtschaft nicht beantworten. Deshalb kommt den vielen kirchlichen Gruppen, die diesen ethischen Diskurs auf einer grundlegenderen Ebene führen und dabei in besonderer Weise auch die sozialen Folgen der Grünen Gentechnik sowie ihre Einbindung in globale Strukturen und Entwicklungen der Agrarpolitik in den Blick nehmen, ein wichtige Bedeutung zu.

1.2 Gentechnik im Kontext ambivalenter Landwirtschaftspolitik Die intensiven Anfragen vieler kirchlicher Gruppen an die Grünen Gentechnik – sei es von Landvolkverbänden, der Landjugend, Diözesanräten, Werken der Entwicklungshilfe oder wissenschaftlicher Theologie aus beiden Kirchen – haben ihren Grund nicht primär in einer höheren Einschätzung der ökologischen und gesundheitlichen Risiken Grüner Gentechnik sondern in dem verstärkten Blick auf die weltweiten sozialen Kontexte ihrer bisherigen Ein-führung. Grüne Gentechnik wird stärker im Gesamtrahmen der Diskussion um die Ausrich-tung der Agrarpolitik erörtert. Dazu haben die Kirchen in den letzten zwei Jahren ein Schwer-punktprogramm aufgelegt und mehrere Schriften veröffentlicht. Zum Teil ist die kritische Diskussion auch in den Kirchen Ausdruck des Unbehagens an der Gesamtausrichtung der Agrarpolitik. Die Kirchen vertreten die Meinung, dass Hunger heute das Gesicht agrarpoli-tisch verfehlter Rahmenbedingungen und zerstörter landwirtschaftlicher Eigenversorgung hat. Der Maßstab, der sich daraus ergibt, ist die Frage: Dient die Gentechnik in der Praxis der 4 Vgl. www.isaaa.org (12. 1. 2005) sowie zu früheren Daten: Kordecki, G.: Siegeszug der Grünen Gentechnik?

Die globale Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen – eine Bestandsaufnahme, in: Grüne Gentechnik. Kirchliches Umweltmagazin Forum 69 (3/2003), hrsg. von der Ev. Kirche im Rheinland u.a., Düsseldorf u.a. 2003, 22-25, hier 23.

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Ausrichtung der Agrarpolitik auf Nachhaltigkeit mit ökologischen, sozialen und wirtschaftli-chen Dimensionen oder dient sie der Verschärfung von problematischen Strukturen?

Auch den Kirchen ist klar, dass es eine Fülle etablierter Anwendungen Grüner Gentechnik gibt z.B. die Prozessbeschleunigung in der Lebensmittelherstellung. Im Rahmen einer sozial-ethisch erweiterten Folgenabschätzung gibt es jedoch gewaltig viele Probleme. So zeigen bei-spielsweise die Analysen von Misereor und anderen zum „Golden Rice“, dass er den ganz Armen nicht wirklich dient, weil diese sich den „Golden Rice“ nicht kaufen können. So schlägt beispielsweise der Landwirtschaftsexperte J.E. Yap auf der Grundlage seiner prakti-schen Erfahrungen mit Kleinbauern in den Philippinen vor, dass es viel einfacher wäre, wenn die Armen den Vitaminbedarf durch zusätzlichen Anbau von Gemüse decken würden.5 Durch die Patentrechte werden Abhängigkeiten geschaffen. Oftmals ist die Forschung stärker ausge-richtet auf eine lineare Maximierung der Produktivität. Wir haben jedoch nicht das Problem, dass wir zu wenig Nahrungsmittel haben, sondern dass oft die ganz Armen keinen Zugang zum Markt und keine Strukturen für die Eigenversorgung haben. Hauptproblem der Grünen Gentechnik ist, dass sie oft eingebunden ist in eine große Schieflage der Agrarpolitik.

2. Theologische und ethische Orientierungen 2.1 Schöpfungstheologische Ausgangspunkte

Bei der theologisch-ethischen Erörterung der Grünen Gentechnik ist zuerst die Frage zu be-antworten, ob der Mensch überhaupt zu derartigen Eingriffen in die Natur befugt ist. Diese Frage ist schöpfungstheologisch zu erörtern. Die häufig anzutreffenden Einwände, dass sich der Mensch bei der Gentechnik an Gottes Stelle setze und in die Schöpfungsordnung eingreife oder dass die Gentechnik widernatürlich sei, sind als solche zu pauschal und nicht begründet. Die Pauschalisierung und damit Unschärfe der Begriffe ist eine der größten Schwächen der ethischen Diskussion um die Grüne Gentechnik, die häufig dazu führt, dass man mit Gemein-plätzen, Vorurteilen und Polarisierungen zwischen Befürwortern und Kritikern aneinander vorbei redet.

Auf Grund des allgemeinen Gärtnerauftrags, den der Mensch der biblischen Schöpfungser-zählung zufolge von Gott erhalten hat, lassen sich keine grundsätzlichen schöpfungstheologi-schen Einwände gegen die Grüne Gentechnik erheben.6 Nach biblischer Überzeugung soll der Mensch die Welt aktiv und eigenverantwortlich gestalten. Dabei ist der „Herrschaftsauftrag“ (Gen 1, 28) immer in Verbindung mit dem „Gärtnerauftrag“ (Gen 2, 15) zu lesen: Herr-schaft/Gestaltung und Verantwortung/Sorge für Gottes Schöpfung gehören untrennbar zu-sammen. Der Mensch hat einen Kulturauftrag, der eine verantwortliche Gestaltung der Natur einschließt und Eingriffe nicht prinzipiell ausschließt. Schöpfungstheologisch ergibt sich kei-ne grundsätzliche Tabuisierung gentechnischer Forschung, sondern vielmehr eine Gestal-tungsverantwortung, die zu jeder Zeit unter umfassender Berücksichtigung der Voraussetzun-gen, Ziele und Folgen des menschlichen Handelns neu zu buchstabieren ist.

5 Vgl. Deutsche Bundesstiftung Umwelt/ Clearingstelle Kirche und Umwelt (Hrsg.): Kirchliche Beiträge zu

einer nachhaltigen Landwirthscaft. Tagung am 25./ 26. 3. 2004 (Dokumentation auf CD-Rom), Pressebericht. 6 Vgl. M. Negele: Natur und Kultur. Grundbegriffe des Wirklichkeitsverständnisses, in: Hausmanninger, T./

Scheule, R. (Hrsg.): ...geklont am achten Schöpfungstag. Gentechnologie im interdisziplinären Gespräch, Augsburg 1999, 55-65; Hafner, J.: Gutheit der Schöpfung und Verbesserung der Natur, ebd. 67-87; Werlitz, J.: „Und sieh es war sehr gut!“ Überlegungen zur Stellung des Menschen zwischen Gott und Mitgeschöpfen nach Gen 1,26-31, ebd. 89-111; Schlitt, M. Gentechnologie in der Landwirtschaft aus der Sicht christlicher Ethik, in Stimmen der Zeit 215 (1997), 183-196. Vogt, M. (2001): Naturverständnis und christliche Ethik, in: Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (Hrsg.): Zum Naturverständnis der Gegenwart (ANL-Berichte 25), Laufen 2001, 109-118.

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Nicht weniger und nicht mehr ist die Aussage der jüngsten Stellungnahme des Vatikans zur Grünen Gentechnik in dem ersten umfassenden Kompendium kirchlicher Soziallehre, das ein eigenes Kapitel zu Fragen der Umwelt und der Biotechnologie enthält.7 Insgesamt ist der Text nicht als eine positive Bewertung Grüner Gentechnik zu verstehen, sondern als theologische Option für eine offene Güterabwägung nach den Kriterien der Verantwortung, Gerechtigkeit und Solidarität. Dafür wird ausdrücklich Forschungs- und Diskussionsbedarf angemahnt. Auch die in den Medien viel beachtete Stellungnahme von Kardinal Martini zur Gentechnik ist in diesem sehr allgemeinen Sinne zu verstehen.8 Hintergrund für die zunächst relativ posi-tive Einschätzung der Chancen Grüner Gentechnik in den Vatikanischen Stellungnahmen ist das sehr frühe und entschiedene Eintreten für ein „Recht auf Ernährung“ als Teil der Men-schenrechte.9 Vor diesem Hintergrund wird Grüne Gentechnik vor allem daran gemessen und künftig zu messen sein, ob sie zur Hungerbekämpfung beiträgt.

In christlicher Sicht ist die Schöpfung als Werk Gottes auch Sein Eigentum, das den Men-schen nur treuhänderisch anvertraut ist, damit als es als „Lebenshaus“ (Zenger) zum langfris-tigen Wohle aller verwaltet wird. Bei dieser Gestaltung ist jedoch zu beachten, dass die von Gott gegebene und vorgegebene Schöpfung einen Eigenwert besitzt, der eine Beachtung der Integrität ökologischer Wirkungszusammenhänge weit über unmittelbare menschliche Ver-wertungszwecke hinaus erfordert. Ehrfurcht, Vorsicht und Behutsamkeit im Umgang mit der Schöpfung sind dabei ganz wesentliche Maßstäbe.10 Ebenso wichtig ist aber auch das Staunen über die Geheimnisse der Schöpfung, das zur Neugier und zum genauen Erforschen der viel-fältigen Zusammenhänge anregt.11 Notwendig ist eine integrierte Abwägung der ökologi-schen, sozialen und ökonomischen Folgen im Sinne des ethischen Prinzips der Nachhaltig-keit, das heute aus christlicher Sicht als „kategorischer Imperativ zeitgemäßer Schöpfungsver-antwortung“ verstanden werden kann.12

Die Schöpfungstheologie hat Konsequenzen für eine wichtige Differenzierung in der Anwen-dung des Patentrechts auf den Bereich der Gentechnik: Lebende Organismen und ihre Be-standteile werden wesentlich in der Schöpfung aufgefunden und nicht vom Menschen „erfun-den“. „Das Leben ist per se nicht patentierbar, nirgendwo auf der Welt. Patentierbar ist nur die technische Lehre, z.B. wie man bestimmte Merkmale einer Pflanze verändern oder hinzu- 7 Vgl. Pontifical Council for Justice and Peace: Compendium of the Social Doctrine of the Church, Vatican

2004, 267-270, bes. 268: “The Christian vision of creation makes a positive judgment on the acceptability of human intervention in nature, which also includes other living beings, and at the same time makes a strong appeal for responsibility.”

8 In den Medien wurde die Stellungnahme freilich als positives Votum wahrgenommen. Vgl. International Coalition to Protect the Polish Countryside: Vatican Boosts Acceptance of Genetically Modified Foods, Bericht vom 6. 8. 2003 (www.icppc.pl) sowie V. Macke, Wohlwollen im Vatikan. Die USA werben bei Geistlichen erfolgreich für Gentechnik, in: Süddeutsche Zeitung vom 14. 10. 2003.

9 So bereits in der Sozialenzyklika Populorum progressio (1967), Nr. 11 und besonders in der Stellungnahme des Päpstlichen Rates Cor Unum „Der Hunger in der Welt. eine Herausforderung für alle: Solidarische Ent-wicklung“; vgl. dazu Hermann, B.: Das Recht auf Ernährung am Beispiel Malis. Wirtschaftsethische Ansätze auf dem Prüfstand (Schriften des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften 48), Münster 2003.

10 In Anknüpfung an das Konzept „Einverständnis mit der Schöpfung“ konkretisiert die Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (AGU) durch folgen-de Kriterien für die Bewertung Grüner Gentechnik: Respekt vor dem Gegebenen, Solidarität mit den Mitge-schöpfen, Eigenwert und Eigenrecht der Mitgeschöpfe, Artgerechtigkeit, Artgrenzen, Artenvielfalt, Fehler-freundlichkeit. Die Überschreitung der Artgrenzen sei nur bei sorgfältiger Prüfung der Gründe ethisch recht-fertigungsfähig. Vgl. Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (AGU): Gentechnik (Reihe: Bewahrung der Schöpfung praktisch), 2. Auflage Iserlohn 2000 (54 Seiten), 43-45; vgl. auch EKD (1997): Einverständnis mit der Schöpfung. Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik, Gütersloh 2. Auflage.

11 Zahlreiche Belege dafür, dass der alttestamentliche Glaube nicht primär durch eine naturreligiöse Tabuisie-rung, sondern durch seine Verbindung mit biologischer Neugier und Erkenntnis Elemente der Nachhaltigkeit gefördert hat, sammeln A.P. und A.H. Hüttermann in ihrem Buch: Am Anfang war die Ökologie. Naturver-ständnis im Alten Testament, München 2002.

12 Die deutschen Bischöfe - Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen: Handeln für die Zukunft der Schöpfung, Bonn 1998, Nr. 106-146.

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fügen kann.“13 An diesem Maßstab ist die konkrete Auslegung und Handhabung des TRIPs-Abkommens ("TRIP" steht für "trade-related aspects of intellectual property rights“) zu mes-sen: Patente dürfen nicht dazu führen, dass Firmen einen Monopolanspruch über Saatgut, Pflanzen und ihren Anbau bekommen. Die Tradition, dass das im Saatgut gespeicherte Wis-sen prinzipiell als frei verfügbar und zugänglich gilt, ist zu respektieren, sowohl aus schöp-fungstheologischen wie aus kulturellen Gründen. Patentrechte auf GVOs sind strikt und mi-nimalistisch auf das berechtigte Anliegen der Unternehmen nach Schutz ihrer Investitionen zu begrenzen und dürfen nie zum Besitzanspruch über Lebewesen werden.14

2.2 Gentechnik als Handwerk

Gentechnik ist zunächst als Handwerk zu verstehen: Als solches ist sie nicht unmittelbar und pauschal als gut oder schlecht zu bewerten, sondern ethisch danach zu beurteilen, ob ihr Ge-brauch, ihre Ziele und Mittel den Kriterien des Guten genügen.15 Zum Handwerk gehört im Sinne von ars oder technē die Methode von Versuch und Irrtum; das Handwerk braucht keine vollständige Kenntnis des Gegenstandes, den es bearbeitet, es bedarf jedoch der Einbindung in einen ethisch-kulturellen Kontext, um die Ziele und Grenzen des technischen Handelns zu bestimmen, die sich nicht aus dem Handwerk heraus ergeben können. Auf eine „schiefe Ebe-ne“16 gerät die Praxis der Gentechnik dann und erst dann, wenn dieser ethische Kontext mit entsprechenden Grenz- und Zielbestimmungen des Handwerks fehlt oder nicht hinreichend in ihrer Gestaltung berücksichtigt wird.

Technik kann nicht aus sich heraus eine Ethik erzeugen, sondern sie braucht einen ethischen Rahmen, der Ziele und Kriterien definiert und ihre Handhabung zum Wohl von Mensch und Schöpfung sicherstellt. Einfach darauf zu vertrauen, dass die „Verfeinerung“ des Gegenstan-des in der Biotechnologie gegenüber der herkömmlichen Chemie automatisch zu einer „Ver-feinerung“ der Methode und damit zu einer Überwindung der „Vergewaltigung der Natur“ führe, wie Peter Sloterdijk in Bezug auf die Rote Gentechnik argumentiert, ist keine tragfähi-ge Grundlage der BioEthik.17 Sie greift tief in den Bauplan des Lebens ein, kann die Folgen dieser Eingriffe nur sehr begrenzt vorhersagen und bedarf deshalb einer verschärften Anwen-dung des Vorsorge- und Vorsichtsgebotes.

Auch wenn also Grüne Gentechnik als eine Form von Handwerk konzipiert werden kann, bestehen doch qualitative Unterschiede zu den meisten anderen menschlichen Praktiken und Techniken, insofern die Folgewirkungen noch weniger als sonst vorhergesehen werden kön-nen. ZuSo kann man beispielsweise ein Taschenmesser wieder einklappen und in die Tasche zurückstecken; bei Freilandanbau von Grüner Gentechnik ist Analoges nicht ohne weiteres möglich. Die möglichen Folgen Grüner Gentechnik betreffen zu einem Großteil Menschen, die nicht an der Entscheidung über den Einsatz von Gentechnik beteiligt gewesen sind. Somit 13 Vgl. Bio Mitteldeutschland (anonym): Was spricht für ein Engagement der katholischen Kirche bei der Nut-

zung der Pflanzenbiotechnologie in Sachsen-Anhalt?, Herbst 2003, 15. 14 Im Unterschied zum Sortenschutz sind Patente 1. definiert durch ein genau beschriebenes Verfahren zur

„Herstellung“ der Pflanze. 2. Der Schutzumfang kann beim Patent größer sein, da ja ein Verfahren geschützt wird, das auch auf andere Pflanzen angewendet werden kann. 3. Der zeitliche Umfang des Schutzes läuft ab dem Datum der Anmeldung 20 Jahre und ist damit kürzer. Die Begrenzung des Patentrechtes auf Verfah-rensschutz darf nicht aufgeweicht werden, wie das derzeit z.B. Monsanto versucht und wie es teilweise auch in der praktischen Handhabung der EU im Patentrecht geschieht.

15 Vgl. Rosenberger, M.: Grünes Licht für grüne Technik? Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelver-arbeitung aus der Sicht der Moraltheologie, in: E. Fulda u.a. (Hrsg.): Gemachte Natur. Orientierungen zur Grünen Gentechnik, Karlsruhe 2001, 64-86, hier 68f.

16 Habermas, J. (2001: Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?, Frank-furt a.M..

17 Sloterdijk, P. (2001): Der operable Mensch. Philosophische Anmerkungen zur Biotechnologie, München; kritisch dazu J. Beaufort/ E. Gumpert/ M. Vogt (Hrsg.): Fortschritt und Risiko. Zur Dialektik der Verant-wortung in (post-)moderner Gesellschaft (Forum für interdisziplinäre Forschung 21), Dettelbach 2003, bes. 159.

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unterliegt die Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft grundsätzlich dem ethischen Verbot, zugunsten vager Vorteile das Bestehende und Funktionierende nachhaltig und gegebenenfalls irreversibel aufs Spiel zu setzen.

Die Charakterisierung der Grünen Gentechnik als Handwerk führt somit von der pauschalen Frage „gut oder schlecht“ zu der differenzierten Frage, in welcher Weise und innerhalb wel-cher Grenzen ihre Anwendung ethisch und demokratisch zu rechtfertigen ist. Ich schlage vor, diese Diskussion durch zwei Leitbegriffe zu strukturieren: Verantwortung und Gerechtigkeit. Alle anderen ethischen Begriffe und Konzepte können und müssen m.E. diesen beiden zuge-ordnet und durch sie in einen Zusammenhang und eine Rangordnung gebracht werden.

2.3 Verantwortung als Methode

Verantwortung wird ermöglicht durch die verbindliche Klärung, wer vor wem für was nach welchen Kriterien rechenschaftspflichtig ist. Es handelt sich also um einen „vierstelligen“ Begriff, dessen Stärke darin liegt, dass er der Anonymisierung der Verantwortung, die ein Grundproblem moderner Technik ist, dadurch entgegentritt, indem er exakt Verantwortungs-subjekt, Verantwortungsobjekt (Gegenstand, Reichweite), Kontrollinstanzen und schließlich Regeln der Entscheidungsfindung definiert.18 Verantwortungsethik hat sich deshalb als Leit-begriff der Technikethik etabliert, weil sie primär (keineswegs ausschließlich) von der Fol-genbewertung ausgeht und damit auch auf unbeabsichtigte Nebenwirkungen des Handelns anwendbar ist, die ja bei technischem Handeln in der Regel ethisch weit problematischer sind als die direkt negativen Intentionen des Handelns. Verantwortung bezieht sich sowohl auf die Folgen des Handelns als auch auf die Folgen des Nichthandelns.19 Sie konkretisiert sich in Kriterien und Regeln der Entscheidungsfindung, die man als eine Art „Handwerkszeug“ für den offenen Prozess ethischer Entscheidungsfindung betrachten kann.

Das primäre Problem des technischen Handelns sind die nicht beabsichtigten Nebenwirkun-gen (Non-target-Effekte). In der Tradition werden diese unter der Rubrik „Handlungen mit Doppelwirkungen“ diskutiert und nach den beiden Leitkriterien der Übelminimierung und der Verhältnismäßigkeit – denen auch im Recht sowie in der ökonomischen Kosten-Nutzen-Abwägung eine wesentliche Rolle für die Entscheidungsfindung zukommt – bewertet.20 Die Methode der Folgenbewertung ist für die Gentechnik deshalb von besonderer Bedeutung, weil hier in der Regel nicht die direkt beabsichtigten Handlungswirkungen das primäre Problem sind, sondern die außer Acht geratenen Nebenwirkungen. Einer „Gesinnungsethik“, die pri-mär auf die Zähmung der Handlungsmotive (Intentionen) zielt, ist dieser Bereich methodisch gar nicht zugänglich. Deshalb hat die nach bestimmten Regeln Güter abwägende und in be-stimmten Bereichen kompromissbereite Form der „Verantwortungsethik“ als „Ethik für die technologische Zivilisation“21 eine Schlüsselbedeutung gewonnen.

Vor diesem Hintergrund schlage ich vor, die Methode der Verantwortungsethik als Ausgangs-punkt für die ethische Bewertung der Grünen Gentechnik zu wählen. Die Organisation der Verantwortung gibt Antwort auf die Frage: „Wer ist für was vor wem nach welchen Kriterien rechenschaftspflichtig?“ Verantwortung ist also wie oben erwähnt ein vierstelliger Begriff, der Handlungssubjekte, die Handlungsfolgen, die Kontrollinstanzen und die Entscheidungsre-

18 Vgl. Vogt, M.: Grenzen und Methoden der Verantwortung in der Risikogesellschaft, in: J. Beaufort/ E. Gum-

pert/ M. Vogt (a.a.O.), 85-108. 19 Die Einbeziehung der Folgen des Nichthandelns wird in der ethischen Systematik häufig vergessen oder un-

terbewertet, z.B. auch bei Hans Jonas in seinem Prinzip Verantwortung; in der katholischen Tradition der Beichtspiegelmoral“ ist es jedoch durchaus geläufig an beides zu denken, indem man bekennt: „Ich habe Bö-ses getan und Gutes unterlassen.“

20 Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen [SRU]: Umweltgutachten 1994, Stuttgart 1994, Nr. 50-60. 21 Vgl. Jonas, H.: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frank-

furt a.M. 1979.

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geln für die Frage der ethischen Zulässigkeit von Handlungen definiert. Wenn nur eine dieser Dimensionen im Dunkeln bleibt, kann Verantwortung gesellschaftlich nicht gesichert werden.

Bei der ersten Dimension, der Frage nach dem Verantwortungssubjekt, ist für eine moderne Gesellschaft und insbesondere für Grüne Gentechnik die Abwehr der Anonymisierung von Verantwortung maßgeblich: Man muss möglichst exakt klären, wie die Abgrenzungen der Verantwortung zwischen Forschern, Anwendern (Bauern), Lebensmittelhändlern und Ver-brauchern sinnvoll bestimmt und kontrolliert werden können. Haftungsregeln müssen so defi-niert werden, dass beispielsweise auch bei Auskreuzungen gentechnisch veränderter Orga-nismen, deren Herkunft nicht mehr eindeutig feststellbar ist, Verantwortungssubjekte greifbar sind, damit nicht der Nutzen privatisiert und der Schaden kollektiviert oder auf einzelne zufäl-lig betroffene Landwirte abgewälzt wird. Hier liegt die Kunst und Aufgabe der Politik darin, verbindliche Strukturen gegen die Anonymisierung von Verantwortung zu schaffen.22

In Bezug auf die zweite Dimension, den Gegenstand der Verantwortung, geht es im Blick auf die Gentechnik vor allem um drei Aspekte: (a) Verantwortung im Umgang mit der Schöp-fung, (b) Verantwortung für eine ausreichende und erschwingliche Ernährung der Mensch-heit, (c) Verantwortung für die sozialen Folgen einer Umgestaltung der Landwirtschaft durch Gentechnik. Zentrales Kriterium im Umgang mit der Schöpfung ist der Schutz der Artenviel-falt. Zur Bewertung des tatsächlichen und möglichen Beitrags Grüner Gentechnik zur Ernäh-rungssicherung braucht es eine Verknüpfung von naturwissenschaftlichen und sozialwissen-schaftlichen Perspektiven.

Zum Aspekt Kontrollinstanzen: Es ist ethisch und moralisch unzulässig, wenn man ein Gesetz erlässt, das man nicht kontrollieren kann. Kennzeichnungspflicht, Transparenz und Haftung müssen national und international so geregelt werden, dass sie auch kontrollierbar sind. Denn Regeln, die diesem Anspruch nicht genügen, führen zur „Erosion der Moral“ und der Erfah-rung, dass der „Ehrliche der Dumme ist.“23 Die Chancen Grüner Gentechnik werden nur dann überwiegen, wenn es gelingt, kontrollierbare Regelungen und Rahmenbedingungen für ihren Einsatz einzuführen. Da der Konflikt zwischen den unterschiedlichen Akteuren, Zielen bzw. Handlungskontexten und Kontrollinstanzen Grüner Gentechnik nicht vermeidbar ist und m.E. – was noch zu prüfen sein wird – auch nicht von einem bestimmten einzelnen Aspekt her eindeutig aufgelöst wer-den kann – gestaltet sich ihre Bewertung als ein Prozess der Güterabwägung unter einem ho-hen Grad von systematischem Unwissen hinsichtlich der nur begrenzt vorausberechenbaren Entwicklungen und Zusammenhänge. Dieser offene Prozess ist rechtlich durch das Verursa-cher- und das Vorsorgeprinzip abzusichern und durch entsprechende Haftungsregeln zu kon-trollieren und zu formalisieren. Je größer die Schwierigkeit ist, inhaltlichen Konsens zu fin-den, desto größer die Bedeutung von formalen Regeln der Konfliktbewältigung. Deshalb ist gerade für Grüne Gentechnik die demokratische Legitimierung ihrer Einführung sowie die Beachtung der „Grammatik der Akzeptanz“ ein unverzichtbares Element der Verantwortung. Verantwortungsethik in dem hier dargelegten Sinne ist eine Methode für die Strukturierung des Diskurses. Sie kann helfen, die unterschiedlichen Problemebenen und Dimensionen deut-licher zu unterscheiden, dadurch manche unnötige Polarisierung des Diskurses zu vermeiden und manche Defizite der rechtlichen Regelung exakter zu benennen.

2.4 Gerechtigkeit aus der Perspektive der Schwachen 22 Vgl. Staatsministerium Baden-Württemberg (Hrsg.)(2004): Expertenanhörung zur Grünen Gentechnik. Do-

kumentation einer Tagung vom 12. 11. 2004, Stuttgart, 46 (Statement Vogt) und 48f (Antwort von Minister-präsident Teufel).

23 Vgl. Homann, K. (1993): Wider die Erosion der Moral durch Moralisieren, in: J. Beaufort u.a. (Hrsg.), Moral und Gesellschaft (Forum für interdisziplinäre Forschung 11), Dettelbach, 47-68.

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Während das Prinzip Verantwortung hervorragend geeignet ist, das Verhältnis des Menschen im Umgang mit der Schöpfung sowie die Frage der Organisation von Haftungspflichten und Konfliktregulierungen ethisch zu strukturieren, kann die Suche nach inhaltlichen Maßstäben für die Lösung der zwischen einzelnen Menschen und Gruppen auftretenden Interessen- und Zielkonflikte im Begriff und Anspruch der Gerechtigkeit ihre leitende Orientierung finden. Diese ist heute notwendigerweise in einem globalen und intergenerationellen Horizont zu denken. Die Folgen technischer Entwicklungen sind also stets im Blick auf ihre langfristigen und weltweiten Wirkungen abzuschätzen. Dabei ist nach christlicher Überzeugung in beson-derer Weise der Perspektive der Schwächsten Rechnung zu tragen (vorrangige Option für die Armen). Ein philosophisches Äquivalent zur christlichen Option für die Armen ist das Diffe-renzprinzip der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls, die gegenwärtig – freilich nur theore-tisch - zu den anerkanntesten ethischen Ansätzen gehört.24

Der gerechtigkeitstheoretische Vorrang der Schwachen ist heute nicht hinreichend im Sinne einer caritativen Solidarität des Teilens zu interpretieren, sondern wesentlich strukturethisch als Fairness in den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Interak-tion. Demnach ist also nicht allein die Frage zu beantworten, ob alle Menschen ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt sind, sondern es sind auch die langfristigen sozialen und kultu-rellen Folgen der Verteilungsstrukturen als solche kritisch zu beleuchten. An diesem Punkt ist daher zu überlegen, ob nicht, wie auch schon angedeutet, eine ungerechte Distributionsver-hältnisse Landverteilung durch den Einsatz von Gentechnik verschleiert und stabilisiert wer-den, anstatt gesellschaftskritisch angeprangert und verändert zu werden.

Die Bewertung der Gentechnik muss abwägen zwischen den kurzfristigen und den langfristi-gen Auswirkungen auf die Ernährungssituation der Menschen in unterschiedlichen Regionen. Für die langfristigen Folgen ist zu untersuchen, wie sich GVOs auf das jeweilige Ökosystem, auf die sozialen Strukturen und Verhältnisse sowie auf die menschlichen Praktiken (langfris-tig) auswirken. Zu vermeiden ist beispielsweise, dass eine ungerechte Landverteilung, die zu Nahrungsmittelmangel führt, obwohl ausreichende Agrarflächen zur Verfügung stehen, mit Hilfe Grüner Gentechnik kaschiert und damit festzementiert wird. Sie ist wesentlich daran zu messen, wie sehr sie zur Überlebenssicherung, Emanzipation und Freiheit gerade der Klein-bauern beiträgt.

Aus kirchlicher Perspektive, die Gerechtigkeit wesentlich als Option für die Armen versteht, kommt der Frage, ob der Einsatz Grüner Gentechnik zur Verbesserung der Welternährung führen wird, besondere Bedeutung zu. Diese Frage jedoch ist höchst vielschichtig und kom-plex. Auszugehen ist von einer umfassenden Analyse der Ernährungskrisen der Menschheit. Diese sind bisher nicht primär ein Mengenproblem, sondern vielmehr Folge mangelnder Kaufkraft der Armen sowie verfehlter Landwirtschafts- und Verteilungspolitik.25 Armut hat heute wesentlich das Gesicht zerstörter landwirtschaftlicher Strukturen. Der Beitrag Grüner Gentechnik ist vor diesem Hintergrund wesentlich daran zu messen, welche Art und Struktur von Landwirtschaft sie fördert.

Des weiteren bedeutet Gerechtigkeit Beteiligungsgerechtigkeit. Diese setzt zunächst Transpa-renz voraus, was z.B. bei den Freilandversuchen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2004 nicht gege-ben war. Ferner erfordert die Beteiligungsgerechtigkeit, dass möglichst viele Betroffene mög-lichst weitgehend mitentscheiden können.26 Gerechtigkeit als Beteiligungsgerechtigkeit ist aufs Engste mit Selbstbestimmung und Wahlfreiheit verknüpft. Diese stellen ethische Güter dar, denen ein unbedingter Vorrang vor wirtschaftlichem Erfolg einiger weniger zukommt.

24 Rawls, J. (1991): Eine Theorie der Gerechtigkeit, 6. Aufl. Frankfurt [Erstveröff.: A Theory of Justice, 1971]. 25 Vgl. dazu unten Kapitel 3.5. (Was kann Grüne Gentechnik zur Lösung der Welternährungsprobleme beitra-

gen?) 26 Vgl. Nationale Konferenz der katholischen Bischöfe der Vereinigten Staaten von Amerika, Gerechtigkeit für

alle, Freiburg i.Br. 1987 (zur Beteiligungsgerechtigkeit als dem zentralen Impuls der Schrift vgl. bes. den Kommentar von F. Hengsbach ebd., 201-310).

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Wird nämlich bei Fragen der Gentechnik über die Köpfe von auch nur mittelbar Betroffenen hinweg entschieden, werden diese zum bloßen Objekt fremden Handelns degradiert, was mit dem grundlegenden Schutz der Würde des Menschen nicht vereinbar ist.27 – Anders sähe es aus, wenn die Ernährungssicherheit von Menschen auf dem Spiel stünde, doch dies ist, wie gezeigt, hier nicht der Fall.

Zuletzt ist Gerechtigkeit in ihrer zeitlichen Dimension, d.h. als intergenerationelle Gerechtig-keit zu bedenken. Die nachfolgenden Generationen haben ein Anrecht auf eine möglichst in-takte und reichhaltige Umwelt. Es wäre ungerecht, dass sie die Folgen sorg- und rücksichtslos eingegangener Risiken ihrer Vorfahren tragen müssen. – Insofern die zukünftigen Generatio-nen keine Stimme in den gegenwärtigen Diskussionen und Entscheidungen haben, ergibt sich aus der kirchlichen Option für die Armen und Schwachen, dass die Kirche unweigerlich in die Pflicht genommen ist, deren Interessen und Rechte zu vertreten. Darüber hinaus steht interge-nerationelle Gerechtigkeit in einem engen Zusammenhang zu dem Glauben, dass die Schöp-fung als Werk und Eigentum Gottes den Menschen, und zwar allen, nur anvertraut ist und daher nicht „verbraucht“, zerstört oder geschädigt werden darf.

2.5 Risiko-Ethik

Methodisch gesehen ist die ethische Bewertung der Grünen Gentechnik vor allem eine Frage des konsistenten Umgangs mit der dialektischen Spannung von Fortschritt und Risiko: Wer kein Risiko eingeht, hat keine Zukunft. Wer zu viel Risiko eingeht, verspielt sie ebenfalls. Die „Heuristik der Furcht“ (Worst-case-Annahme), wie sie Hans Jonas als Entscheidungsregel der Verantwortung vorschlägt, ist dann und nur dann gerechtfertigt, wenn man – wie er es für bestimmte Zusammenhänge der technologischen Zivilisation diagnostiziert - von einem er-drückenden Übergewicht der möglichen negativen Handlungsauswirkungen ausgeht.28 Sie zielt nicht auf eine „apokalyptische Umkehrung der Fortschrittseuphorie“, die jede Hand-lungsfähigkeit lähmt29, sondern auf einen mündigen und differenzierten Umgang mit Risiken. Dies fordert eine Aufklärung zweiter Art: "Der Befreiung aus einer selbstverschuldeten Un-mündigkeit, die uns die erste Aufklärung brachte, muss nun die Befreiung von selbstverschul-deter Unbändigkeit, von Übermut und Maßlosigkeit folgen."30

Christliche Ethik setzt in dem vielschichtigen und offenen Diskurs um die Grüne Gentechnik darauf, dass die Kenntnis der moralischen Grenzen und die Wahrnehmung der möglichen Chancen auch im Bereich der Pflanzenzucht Kreativität zum Wohl von Mensch und Natur freisetzt, ohne aber das, was an Gutem besteht, leichtfertig aufs Spiel zu setzen und ohne die Freiheitsrechte anderer zu beschneiden.31 In dieser Debatte geht es nicht darum, einen Angst-Diskurs zu schüren, sondern positive und ganzheitliche Leit- und Zukunftsbilder zu entwer-

27 Vgl. etwa Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten; insbesondere die Selbstzweckformel des

kategorischen Imperativs. 28 Jonas, H. (1979). Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frank-

furt a.M., 63f.; zu einer Einschätzung der Gentechnik, ebd. 52f. 29 Hasted, H. (1991): Aufklärung und Technik. Grundprobleme einer Ethik der Technik, Frankfurt a.M. 1991,

172; Nida-Rümelin, J. (1996): Ethik des Risikos, in: ders. (Hrsg.): Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung. Ein Handbuch, Stuttgart, 806-830; Höffe, O. (1993): Moral als Preis der Moderne. Ein Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt, Frankfurt a.M., 73-92. Höffe richtet sich ge-gen ein „Privileg der Furcht“, die – wie im Mythos die Büchse der Pandora – die Hoffnungen einsperrt und die Übel freilässt. Die Heuristik der Furcht sei ein notwendiger Kontrapunkt zu schwärmerischen Hoffnun-gen, kein Privileg, sondern eine Option für Nüchternheit (ebd. 85-89).

30 Markl, H. (1992): Die Fortschrittsdroge, Zürich, 30. 31 Vgl. Kommission VI für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz: Überlegun-

gen zur Verantwortbarkeit gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft (April 2004, nicht veröffentlicht, maßgeblichen Anteil an dem Text hat O. Renn).

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fen, die gerade durch die Anerkennung von notwendigen Grenzen richtungsgebende und handlungsleitende Kraft zu entwickeln vermögen.32

Letztlich geht es in der Diskussion um die Grüne Gentechnik um eine neue Definition von Fortschritt: Die Grenzen den Fortschritts sind heute nicht mehr primär die Grenzen menschli-chen Könnens im Verfügungswissen über die Natur, sondern Grenzen der Steuerbarkeit und Ausrichtung dieses Könnens auf das Wohl von Mensch und Schöpfung. Die Leitfrage künfti-gen Fortschritts lautet: Was wollen wir können? Die humane Beherrschung unserer Möglich-keiten ist der maßgebliche Engpass der Zukunftsfähigkeit moderner Zivilisation. Fortschritt nach menschlichem Maß weiß um seine Werte und kennt seine Grenzen.33 Schöpfungsgerech-ter Fortschritt betrachtet die Natur nicht nur als Rand- und Störgröße, sondern nimmt die Vielfalt und Schönheit der Natur sowie die Qualität der ökologischen Grundfunktionen (Pro-duktion, Senken-, Lebensraum- und Informationsfunktion)34 als Bestandteil von Lebensquali-tät in ihre Zielbestimmung mit auf und ist durch die nachhaltige Integration von wirtschaftli-chen, sozialen und ökologischen Handlungsbedingungen definiert.

Man braucht hier für das ethische Handeln unter Risiko vor allem einen methodischen Ansatz, der die unterschiedlichen Arten von Risiken und Unsicherheiten klassifiziert und entschei-dungstheoretisch bewertet. Dazu einige Aspekte aus risikosoziologischer Sicht:

- Risikoabschätzung ist die systematische Kombination von Wissen und Zufall.35 Während es bei der Kernenergie entscheidungstheoretisch vor allem um das Problem des Umgangs mit möglichen Folgen von sehr geringer Wahrscheinlichkeit und extrem großem Scha-densausmaß geht, sind die Risiken hinsichtlich der Grünen Gentechnik vor allem durch ein hohes Maß an „systematischen Unwissen“ über ihr Ausmaß und ihre Wirkungen charakte-risiert.

- Für die Folgenabschätzung unter komplexen Bedingungen sozialethisch besonders virulent sind systemische Risiken, d.h. Beeinträchtigungen mit Querschnittswirkungen in sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Handlungsfeldern36

- Bewertungskriterien rationaler Risikoeinschätzung sind: Eintrittswahrscheinlichkeit mul-tipliziert mit Schadensumfang (Versicherungsprinzip), Ubiquität (geografische Reichwei-te), Persistenz (zeitliche Ausdehnung), Reversibilität (Verzögerung der Effekte, Mobilisie-rungspotential.37

Für den Umgang mit Risiken sind vor allem fünf Elemente, die einer jeweils eigenen Logik folgen, zu beachten: Abschätzung, Wahrnehmung, Bewertung, Management, Kommunikati-on.38 Notwendig sind sowohl risikoorientierte Strategien, die auf der Grundlage weiterer For-schung zur Folgenabschätzung Wahrscheinlichkeit und Reichweite der Risiken möglichst zu begrenzen suchen, als auch vorsorgeorientierte Strategien, die Maßnahmen treffen, um beim Bekanntwerden von negativen Auswirkungen möglichst rasch reagieren zu können (z.B. 32 Beaufort, J/ Gumpert, E./ Vogt, M. (Hrsg.)(2003): Fortschritt und Risiko. Zur Dialektik der Verantwortung in

(post)-moderner Gesellschaft, Dettelbach. 33 Rau, J: Fortschritt nach menschlichem Maß. Rede des Bundespräsidenten zu Gentechnik und Biomedizin,

Berlin 2001. 34 Gemeint ist mit diesen vier Grundfunktionen: Produktion von Ressourcen, Aufnahme/Assimilation von Schad-

und Reststoffen, Stabilität von ökologischen Lebensräumen und Vielfalt/genetische Informationsfunktion als Basis langfristiger Evolutionsfähigkeit; wenn man die ökologischen Aspekte des Nachhaltigkeitskonzeptes dynamisch versteht, dann haben sie nicht die Konservierung eines bestimmten Naturzustandes zum Ziel, son-dern vielmehr die Optimierung dieser vier Grundfunktionen. Vgl. SRU, Umweltgutachten 1994, Stuttgart 1994, Nr. 96-112. Zum Begriff „Schöpfungsgerechter Fortschritt vgl. Korff, W.: Schöpfungsgerechter Fort-schritt. Grundlagen und Perspektiven der Umweltethik, in: Herderkorrespondenz 51(1997), 78-84.

35 Renn, O./ Klinke, A.(2003): Risikoabschätzung und -bewertung. Ein neues Konzept zum Umgang mit Kom-plexität, Unsicherheit und Ambiguität, in: J. Beaufort/ E. Gumpert / M. Vogt (a.a.O.), 21-51, hier 26.

36 Renn/ Klinke 2003, 23; Nida-Rümelin 1996, 806-810. 37 Renn/ Klinke 2003, 29. 38 Renn/Klinke 2003, 25.

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Transparenz, und Rückverfolgbarkeit), als auch diskursive Strategien, die auf eine hinsichtlich der gesellschaftlichen Wertvorstellungen angemessene Risikobewertung zielen und gleicher-maßen Aufklärung, Vertrauensbildung, Konfliktmanagement angesichts bleibender Differen-zen und eine gerechte Verteilung von Nutzen und Lasten umfassen.39 Charakteristisch für die Art des Risikos bei Grüner Gentechnik ist, dass vorsorgeorientierte Strategien nur sehr be-grenzt möglich sind, da die Rückholbarkeit Grüner Gentechnik bei Freilandanbau kaum mög-lich ist. „Solange die Risikoforschung nicht in all diesen Schritten erfolgreich ist, sind neuar-tige Experimente moralisch so erlaubt, wie Autos, die man dem Verkehr überlässt, ohne eine zuverlässige Bremstechnik einzubauen.“40

Für die Risiko-Ethik ist methodisch entscheidend, ist, dass sie nicht mit rein quantitativen und naturwissenschaftlichen Aspekten formuliert werden kann, sondern dass auch die subjektive Seite und der Bezug zu sozialen Werten ein konstitutive Rolle spielen. Definiert man als Risi-ko „unerwünschte Folgen“, dann ergibt sich bereits daraus, dass Risikotheorien sowohl eine analytische als auch eine normative Komponente umfassen. Aber auch die Risikoeinschät-zung selbst hat bereits eine ethisch-normative Komponente, insofern die Menschen Risiken nicht nur in Bezug auf mögliche physische Schäden wahrnehmen, sondern auch als Beein-trächtigungen sozialer und kultureller Werte. Deshalb muss die Risikokalkulation als Folgen-abschätzung unter komplexen Bedingungen eingeordnet werden in eine allgemeine Theorie der Verantwortung.

Verantwortung muss sich in dem offenen Prozess der Dialektik von Fortschritt und Risiko bewähren. Um eine Polarisierung und Verhärtung der Fronten zwischen den Gegnern und Befürwortern der Grünen Gentechnik für Landwirtschaft und Ernährung zu vermeiden, um der Verunsicherung von Landwirten und Konsumenten entgegenzutreten, muss ein breiter wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskurs über die spezifischen wirklichen und ver-meintlichen Risiken der Grünen Gentechnik geführt werden. In diesem sind die Chancen und Risiken der Gentechnik sachlich zu erörtern und verständlich zu vermitteln, um einen gesell-schaftlichen Konsens für den Umgang mit dieser neuen Querschnittstechnologie zu ermögli-chen.41 Vor allem ist die Frage zu klären, wie die Gefahren effektiv begrenzt und eine vorsor-georientierte Risikopolitik ausgebaut werden können. Zwar gibt es eine große Anzahl von Stellungnahmen, aber es fehlt bisher an konsensfähigen Methoden für eine bilanzierende Ab-wägung der Vor- und Nachteile, die in ausgewogener Weise die natur- und die sozialwissen-schaftlichen Aspekte berücksichtigen, differenzieren und einander zuordnen.

Streng genommen ist der Begriff der „Koexistenz“, der in der gesellschaftlichen Debatte zwi-schen konventionellem oder ökologischem und durch transgene Nutzpflanzen geprägtem Landbau nach dem Modell der Toleranz des Nebeneinanders unterschiedlicher Optionen vermitteln will, ein Täuschung: Da durch Pollenflug das Erbgut gentechnisch veränderter Pflanzen unbeabsichtigt auf konventionelle Sorten übertragen werden kann, kann es keine Koexistenz im strengen Sinne geben. Pragmatisch versucht man sich auf Mindestbarrieren als Pufferzonen zu verständigen. Da diese aber einen horizontalen Gentransfer langfristig nicht vollständig verhindern können, muss ein gesellschaftliches Niveau der Risikobereitschaft de-finiert werden. Das scheint einerseits gerechtfertigt: Auch in der Natur gibt es Auskreuzung und keine absolut strikten Artgrenzen. Daher wäre es weder naturphilosophisch angemessen noch praktikabel, hier ein „Null-Risiko“ als Norm vorzugeben. Andererseits scheint es prob-lematisch, da durch mögliche Akkumulationseffekte der akzeptierte Grenzwert (derzeit 0,9 %) und die rechtlich zulässigen Pufferzonen zum Einstieg in eine allmähliche und nicht mehr rückholbare und flächendeckende Ausbreitung gentechnisch veränderter Organismen werden kann. Letztlich ist die Definition von „Koexistenz“ nicht aus einem in der Natur vorgegebe-

39 Höffe, 1993, 76-80; Renn/Klinke 2003, 46. 40 Höffe 1993, 80. 41 Vgl. Kommission VI für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz: Überlegun-

gen zur Verantwortbarkeit gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft (s.o.).

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nen Schwellenwert abzuleiten, sondern als eine unter Berücksichtigung naturwissenschaftli-cher Daten wesentlich sozialwissenschaftlich in Bezug auf die gesellschaftliche Willensbil-dung, Risikobereitschaft, Wertvorstellung und Konsensfähigkeit zu eruierende Größe.42

Dieser Prozess der gesellschaftlichen Willensbildung ist derzeit nicht abgeschlossen und höchst konfliktreich. Es ist daher den politisch Verantwortlichen anzuraten, den noch ausste-henden Forschungs-, Diskussions- und Regelungsbedarf abzuarbeiten, bevor ein großflächi-ger Anbau gentechnisch veränderter Organismen zugelassen wird. Hierzu ist eine Intensivie-rung der Forschung als sozialwissenschaftlich erweiterte Folgenabschätzung sowie der gesell-schaftliche Dialog nötig. Das ethische Entscheidungsproblem besteht wesentlich darin, dass es aufgrund dieser höchst komplexen Vielfalt von Aspekten, Fakten, Hoffnungen und Be-fürchtungen auf teilweise sehr unterschiedlichen Ebenen und mit teilweise sehr unterschiedli-chen Wahrscheinlichkeiten und Perspektiven keine eindeutige, objektive Abwägung geben kann. Deshalb kann eine verantwortliche politische Entscheidung nicht jenseits des faktischen wissenschaftlichen Dialogs und der gesellschaftlichen Akzeptanz getroffen werden und ist als ethisches Handeln in nicht auflösbaren Konflikten durch formale Kriterien wie Transparenz, Beteiligung und Gewaltfreiheit zu legitimieren.

Auf der Grundlage dieser allgemeinen theologischen und ethischen Basisreflexion zu schöp-fungstheologischen und gerechtigkeitstheoretischen Maßstäben sowie verantwortungsethi-schen und risikosoziologischen Entscheidungskriterien sollen im folgenden aktuelle Konflikte um die Grüne Gentechnik näher beleuchtet werden.

3. Ethische Analysen aktueller Konflikte

3.1 Unterschiedliche Diskursebenen als Grund für Missverständnisse

Die Grüne Gentechnik umfasst zwei Bereiche, die zu unterscheiden sind: einerseits die An-wendung in der Landwirtschaft (gentechnisch veränderte Tiere und Pflanzen), andererseits die Anwendung in der Lebensmittelverarbeitung (Herstellung in geschlossenen Systemen, z.B. Enzyme, Vitamine, Aminosäuren, Hydrokolloide etc. oder Nutzung in Fermentationsprozes-sen, z.B. bei Milchprodukten). Die Anwendung der Gentechnik für Zusatzstoffe oder Pro-zesshilfen in der Lebensmittelverarbeitung ist kaum mehr wegzudenken aus der gegenwärti-gen Praxis. Der Einsatz von „maßgeschneiderten“ Enzymen ist in der Forschung und Praxis weit fortgeschritten und wird auf breiter Basis eingesetzt, beispielsweise die Nutzung von Cymosin als Prozesshilfe bei der Käseherstellung.43

Ziel der Nutzung transgener Organismen in der Lebensmittelherstellung bzw. -verarbeitung ist es, möglichst haltbare, sensorisch attraktive, ernährungsphysiologisch hochwertige und (z.B. von der Reifungszeit her) gut vermarktbare Produkte zu schaffen und dies möglichst kostengünstig und mit geringer Umweltbelastung. In der ethischen Diskussion um den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft geht es vor allem um die Abwägung zwischen den Vor-teilen und Entwicklungspotentialen für die Ernährung des Menschen (einschließlich der indi-

42 Zu einem in dieser Weise auch sozialwissenschaftlich differenzierten Risikobegriff vgl. Renn, O./ Klinke,

A.(2003): Risikoabschätzung und -bewertung. Ein neues Konzept zum Umgang mit Komplexität, Unsicher-heit und Ambiguität, in: J. Beaufort/ E. Gumpert / M. Vogt (a.a.O.), 21-51.

43 Früher wurde es aus Kälbermägen gewonnen, heute dagegen wird es mit Hilfe genveränderter Bakterien,

Hefen oder Schimmelpilze hergestellt. Hammes geht davon aus, dass die gewachsene Nachfrage nach Käse heute anders kaum zu bewältigen wäre; vgl. Hammes, W.: Gentechnologie und Lebensmittelproduktion, in: Hausmanninger, T./ Scheule, R (Hrsg.)(1999): ...geklont am achten Schöpfungstag. Gentechnologie im inter-disziplinären Gespräch, Augsburg, 39-52, hier 44.

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rekten Verwendung über Futtermittel für Nutztiere) und den möglichen Risiken für Gesund-heit und ökologische Zusammenhänge.

Hinsichtlich der gesundheitlichen und ökologischen Fragen, die ethisch diskutiert werden, sind grundlegend drei Ebenen der Anwendung voneinander zu unterscheiden.44

(1) Lebensmittel, die aus genetisch veränderten Organismen (GVO) bestehen. Transgene Nutzpflanzen sind Pflanzen, die gentechnisch verändert sind, um ihren Ertrag oder ihre Widerstandskraft zu erhöhen. Bisher werden vier Feldfrüchte (Soja, Baumwolle, Mais und Raps) in größerem Maßstab gentechnisch verändert angebaut; aber auch andere gentech-nisch veränderte Organismen wie Chicoree, Kartoffel, Kürbis, Papaya, Tabak, Tomate werden angebaut und vermarktet.45

(2) Lebensmittel, die aus GVOs hergestellt sind, deren Gen- und Proteinstruktur aber che-misch oder thermisch eliminiert ist und damit im Endprodukt, der Nahrung des Menschen oder der Nutztiere, in der Regel nicht nachgewiesen werden kann.

(3) Lebens- und Futtermittel, die mit Hilfe genetisch veränderter Organismen oder von Be-standteilen aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt sind, diese aber nicht enthalten.

Das Gütesigel ‚gentechnikfrei‘ umfasst alle drei der genannten Ebenen, also: aus nicht aus GVOs bestehende, nicht aus GVOs hergestellte und nicht mit GVOs hergestellte Lebensmittel sowie die Verwendung gentechnikfreier Futtermittel.. Insgesamt wird geschätzt, dass 80 - 90 % der im Handel befindlichen Lebensmittel in Deutschland (und ähnlich in den meisten ande-ren Industriestaaten) mit Bio- oder Gentechnik in Berührung gekommen sind.46 Für mögliche direkte gesundheitliche Auswirkungen ist vor allem die erste Ebene relevant. Die biologisch-chemische Nachweisbarkeit des Einsatzes von GVOs auf Ebene zwei und drei ist nicht bzw. kaum möglich.47 In der Alltagssprache ist bei der Rede von „Grüner Gentechnik“ oft nur die erste Ebene gemeint. Das ist insofern ethisch relevant, als dadurch leicht die weniger proble-matischen und vergleichsweise gut etablierten Nutzanwendungen aus dem Blick geraten. Selbst wenn man die Anwendung der Gentechnik in der Lebensmittelindustrie als „weiße Gentechnik“ abgrenzen kann, sollten die verschiedenen Anwendungsfelder der Gentechnik im pflanzlichen Bereich doch in ihrem Zusammenhang gesehen werden, da sich nur so ein aus-gewogenes Bild ihrer Vor- und Nachteile ergibt.

Unterschiedliche Ebenen sind auch hinsichtlich des Verbraucherschutzes bzw. der Verbrau-cherverantwortung und Markttransparenz zu differenzieren und einander zuzuordnen: Zum einen geht es um die Rückverfolgbarkeit der Herkunft von Lebens- und Futtermitteln und damit die Frage der Kennzeichnungspflicht und des Schwellenwertes, ab dem diese eingefor-dert wird. In der Praxis stellt die Lebensmittelkontrolle ein gravierendes Problem dar.48 Dane-

44 Vgl. im Ganzen Hammes (s.o.), 39ff; Kempken, F./ Kempken, R. (2000): Gentechnik bei Pflanzen – Chan-

cen und Risiken. Berlin; Rosenberger, M.: Grünes Licht für grüne Technik? Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung aus der Sicht der Moraltheologie, in: E. Fulda u.a. (Hrsg.): Gemachte Natur. Orientierungen zur Grünen Gentechnik (Karlsruher Beiträge zu Theologie und Gesellschaft Bd. 2), Karlsruhe 2001, 64-86, hier 81.

45 Zu einem Überblick einschließlich der jeweiligen Vorteile/Veränderungen, Anwendungsländer und Firmen, die die Patente halten (allerdings nur bis zum Jahr 1998) vgl. Hammes 1999, 41-43. Hammes folgert aus der Vielfalt der Feldversuche, dass eine „explosionsartige Zunahme der Pflanzen mit vielfältigen neuen Gen-kombinationen“ (ebd. 39) nicht unwahrscheinlich sei.

46 Vgl. Scheper, T.: Biotechnologie am Wirtschaftsstandort Deutschland – ein Beitrag zur Nachhaltigkeit?, in: Zentrum für Umwelt und Kultur (Hrsg.): Biotechnologie – ein Beitrag zur Nachhaltigkeit?, München 1999, 26-31, hier 29. Auch in anderen Bereichen, wie Leder- oder Waschmittelindustrie, ist die Verbreitung der Gentechnik ähnlich hoch.

47 Hammes 1999, 42. 48 Im Juli 2000 fand die Stiftung Warentest GVOs in 31 von 82 untersuchten Lebensmitteln, die nicht gekenn-

zeichnet waren, davon in drei Waren über 20 % des Gesamtanteils. Dies zeigt, dass die Kontrollen in der Praxis höchst unzureichend sind. Vgl. Rosenberger 2001, 84.

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ben ist ethisch zu berücksichtigen, dass der Verbraucher die Vielzahl an Informationen nur sehr begrenzt verarbeiten kann, so dass diese oft mehr Verwirrung als Klarheit stiften: Die Mehrzahl fühlt sich einerseits von Erklärungen und Hinweisen überflutet, andererseits nicht ausreichend und in verständlicher Weise aufgeklärt. Schon heute kann die Informationsfülle von der überwiegenden Mehrheit im täglichen Einkauf nicht so verarbeitet werden, dass sie tatsächlich zur Orientierung dient.

Die Folge ist eine diffuse Angst vor der Unübersichtlichkeit und Anonymität des Marktes. Markttransparenz und Konsumentensouveränität sind also sowohl ein Problem der Informati-on, der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens (als wichtigste „Komplexitätsreduktion“ ange-sichts der Unübersichtlichkeit postmoderner Gesellschaft sowie des ganz normalen Alltags zwischenmenschlicher Beziehungen, wie es Niklas Luhmann beschreibt) als auch der Ver-ständlichkeit und Übersichtlichkeit von Informationen.

In dieser höchst widerspruchvollen Situation, in der Gentechnik einerseits in Teilbereichen selbstverständlich etabliert ist, anderseits aber auf größte Skepsis stößt, ist es wichtig, die un-terschiedlichen Ebenen des ethischen Diskurses um die Grüne Gentechnik zu differenzieren49:

(1) Abschätzung der ökologischen und gesundheitlichen Folgen gentechnischer Eingriffe in der Pflanzenzucht. Hier weisen die bisherigen wissenschaftlichen Forschungen sowohl inhalt-lich als auch methodisch große Lücken und Dissense auf. Langzeitstudien und angemessene Modelle für die mit linearen Vorstellungen oft nicht hinreichend erfassbare Komplexität gene-tischer Wirkungszusammenhänge sind notwendig, um hier in der Forschung empirisch gesi-cherte Grundlagen der Folgenabschätzung zu schaffen.50 Eine interdisziplinäre Folgenab-schätzung muss als selbstverständliche Begleitforschung der Gentechnik etabliert werden.

(2) Ethische Abwägung von Chancen und Risiken der Grünen Gentechnik. Dabei geht es im Kern um die Abwägung, Zuordnung und Integration von ökonomischen, sozialen und ökolo-gischen Erfordernissen. Die Bewertung der Grünen Gentechnik muss letztlich an dem ethi-schen Prinzip der Nachhaltigkeit gemessen werden, das die Fragen der Gerechtigkeit, Wirt-schaftlichkeit und Naturverträglichkeit systematisch zu einem Konzept zukunftsfähiger Ent-wicklung verknüpft. Eine Abstimmung zwischen dem Tempo von technischer und ökonomi-scher Entwicklung und ethisch-gesellschaftlicher Reflexion ist vonnöten.

(3) Internationale Rahmenbedingungen für die rechtliche Durchsetzung und Kontrolle einer verantwortlichen Forschung und Praxis zu GVOs. Diese Ebene betrifft die Fragen eines ethi-schen Grundkonsenses auf europäischer und globaler Ebene sowie dessen Umsetzung in in-ternationales und nationales Recht. Ohne ein sanktionsbewehrtes internationales Recht und dessen Harmonisierung mit nationalen Regelungen sind ethische Normen und die Ausrich-tung von Forschung und Praxis auf das Weltgemeinwohl nicht durchsetzbar.51 Die ethische Bewertung und rechtliche Regelung des Einsatzes Grüner Gentechnik ist letztlich nur möglich im Kontext einer Verständigung über die Leitlinien einer neuen Welt-Agrarpolitik.

(4) Akzeptanz der Bevölkerung und des politischen Umgangs mit Dissenz: Da viele Fragen der Bewertung Grüner Gentechnik aus methodischen Gründen prinzipiell offen bleiben und - da letztlich alle von den Folgen betroffen sind - nur eingeschränkt nach dem klassischen Mo-dell der Toleranz des Nebeneinanders unterschiedlicher Optionen gelöst werden können, ist 49 Vgl. dazu Ignacio Nunez: Opportunities and Risks of Genetically Modified Organisms, in: Promotiae Ius-

titiae Nr. 79, 3/2003, 7-10, hier 8f. (hier frei und mit etwas anderen Akzenten der Interpretation zusam-mengefasst).

50 Zumindest werden die Vertreter der Gentechnik immer wieder mit der Anfrage konfrontiert, wie realistisch ihr Modell sei: Erbeigenschaften sind nicht einfach additiv in den Erbanlagen gespeichert, sondern ergeben sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Komponenten. Der Austausch eines Elementes verändert also nicht bloß eine einzelne Eigenschaft, sondern ein ganzes Beziehungsgefüge. Neben den vorgenommenen und erwünschten Veränderungen ist von weiteren und höchstwahrscheinlich derzeit nicht absehbaren Verände-rungen auszugehen, zu denen keinerlei Folgeabschätzungen vorgenommen werden können.

51 Zum Begriff des Weltgemeinwohls vgl. Papst Johannes Paul II, Sollicitudo rei socialis, Nr. 22 und 35-39.

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der gesellschaftliche Diskurs um die Bewertung der Grünen Gentechik unverzichtbar. Nötig ist eine ausreichende und verständliche Information der Öffentlichkeit, indem Herkunft und Bestandteile von GVOs transparent gemacht werden sowie eine gesellschaftliche Verständi-gung über die Möglichkeiten und Grenzen einer Koexistenz gentechniknutzender und gen-technikfreier Landwirtschaft bzw. Ernährung. Die Frage der Akzeptanz in der Bevölkerung muss in der ethischen Reflexion als eine eigenständige Ebene betrachtet und im politischen Handeln auch tatsächlich ernst genommen werden.52

Zahlreiche Konflikte in der Diskussion über Grüne Gentechnik haben ihre Ursache darin, dass die Gesprächspartner auf unterschiedlichen Reflexionsebenen ansetzen und so aneinander vorbei reden. Jede Ebene hat ihre eigenen Sprachregeln, Voraussetzungen sowie Problemzu-sammenhänge und muss zunächst in sich reflektiert werden, bevor sie mit den anderen Ebe-nen verknüpft wird. Diese zweite Reflexionsstufe der Verknüpfung und Integration dieser unterschiedlichen Ebenen ist jedoch notwendig, da eine ethische Beurteilung und eine ver-antwortbare Praxis der Gentechnik nur möglich sind, wenn alle fünf Problemebenen bearbei-tet werden.

3.2 Ziele und erhoffter Nutzen der Grünen Gentechnik

Sowohl was den eventuellen Nutzen als auch mögliche Risiken der Grünen Gentechnik be-trifft, tragen Umweltschützer und die Befürworter eines weitgehend ungeregelten Umgangs mit GVOs einen heftigen Streit aus. Als besondere Vorteile bzw. erhoffte Nutzanwendungen der Grünen Gentechnik sind insbesondere die folgenden zu nennen:53

(1) Gentechnische Veränderungen sind treffgenauer als konventionelle Züchtungsbemü-hungen. Sie können unerwünschten Nebenwirkungen von Kreuzungszüchtung (etwa ge-ringe Halmfestigkeit) oft vermeiden und Nutzpflanzen bzw. -tiere stärker als bisher auf die gewünschte Nutzwirkung hin optimieren.54 Bei den gentechnisch veränderten Pflan-zen der sog. ersten und zweiten Generation wurden vor allem solche Eigenschaften ge-fördert bzw. initiiert, die ertragssteigernd wirkten oder in Anbau, Ernte, Transport und Lagerung wirtschaftliche Vorteile versprachen.

(2) Mit der Gentechnik können bestimmte erwünschte Eigenschaften wie Pestizidresistenz oder Schädlingsresistenz in die Pflanze „eingebaut“ werden. Mögliche Vorteile geneti-scher Herbizidresistenz sind die Vereinfachung des Unkrautmanagements, die (ökolo-gisch wünschenswerte) Verringerung der erforderlichen Herbizidmengen sowie Ertrags-steigerungen. Wenn gentechnische Veränderung Resistenz gegen Totalherbizide schafft, kann sie auch zur Erhöhung des Pestizideinsatzes führen.55 Die Folge wäre eine stark

52 Vgl. Korff, W.: „Grammatik der Zustimmung“. Implikationen der Akzeptanzproblematik, in: ders.: Die E-

nergiefrage. Entdeckung ihrer ethischen Dimension, Trier 1992, 229-285. Aus ethischer Perspektive gewinnt die Akzeptanzproblematik vor allem deshalb eine eigenständige Bedeutung, weil die Risikoabschätzung an-gesichts von „systematischem Unwissen“ über einige komplexe Wirkungszusammenhänge letztlich nur sehr unvollständig sein kann und weil mehr oder weniger die gesamte Bevölkerung mit den Folgen des Handelns oder Nichthandelns leben muss.

53 Vgl. zum Folgenden u.a. Kommission VI der DBK, Information zur Grünen Gentechnik (unveröffentlicht, maßgeblichen Anteil an dem Text hat O. Renn, in der Darstellung der Chancen und Risiken sind einige Text-passagen direkt übernommen); Umweltbundesamt (Hrsg.) (1996): Gentechnik in Entwicklungsländern – Ein Überblick: Landwirtschaft. Berlin.

54 Vgl. dazu die Tabellen Hammes 1999 (a.a.O.), 41f und 47 sowie insgesamt 39-47. 55 Faktisch ist die Wirkung GVO hinsichtlich von Pestizideinsparung oder -vermehrung ambivalent. Gerade bei

den für den großflächigen Anbau in Europa in Frage kommenden Pflanzen seien die bisherigen Erfahrungen wenig überzeugend; vgl. Evangelische Landeskirche in Baden u.a.: Gentechnik in der Landwirtschaft: Euro-päisches Moratorium muss bestehen bleiben!, in: FORUM 69 (a.a.O.), 40-43, hier 42.

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absinkende Artenvielfalt auf dem Acker.56 Es besteht aber durchaus auch die Möglich-keit und das Ziel, Biodiversität zu fördern.

(3) Mit der Gentechnik können ernährungsphysiologisch erwünschte Eigenschaften wie erhöhter Vitamingehalt oder Anreicherung mit bestimmten Spurenstoffen erzeugt wer-den. Dieser Vorteil wird vor allem bei den gentechnischen Anwendungen der sog. drit-ten Generation angestrebt. Als Beispiel kann hier eine bestimmte Reissorte genannt werden, die gentechnisch mit dem Protein Ferritin versehen wird, das den Eisentransport im Blut verbessert; auf diese Weise könnte den zwei Milliarden Menschen, die an Ei-senmangel leiden, geholfen werden. Der viel gerühmte „Golden Rice“ hingegen, in den ein Vorläufer des Vitamin A eingebaut ist, wird unterschiedlich bewertet.57 Vielerorts wäre es sehr viel einfacher, Mischanbau zu betreiben. Ferner wird die Möglichkeit dis-kutiert, in Reis oder andere Grundnahrungsmittel Impfstoffe einzuschleusen, was in Entwicklungsländern den faktisch angesichts der schwierigen hygienischen Bedingun-gen durchsetzbaren Impfschutz wesentlich verbessern könnte.

(4) Die Gentechnik ermöglicht eine Anpassung von Nutzpflanzen an bestimmte klimatische Bedingungen oder an regionale Besonderheiten. Ein Ziel ist etwa die Entwicklung von Trockenreis, der seinen Stickstoff aus der Luft bezieht. Inwieweit eine solche regional differenzierte Angebotserweiterung tatsächlich auch eintritt, ist vor allem von den Marktverhältnissen und den politischen Rahmenbedingungen abhängig. Angesichts der zu erwartenden Klimaänderungen sowie vor allem der von der UNO prognostizierten Wasserknappheit für zwei Drittel der Menschen bereits in elf Jahren58 könnte die geneti-sche Züchtung von Pflanzen, die weniger Wasser brauchen und Dürreperioden wider-standsfähiger überstehen können, gerade für Entwicklungsländer ein entscheidender Vorteil sein.

(5) In der Lebensmittelverarbeitung können die Produktionskosten und -zeiten sowie teil-weise auch die Energiekosten und Umweltbelastungen gesenkt werden.59 Die Nutzung der Gentechnik als Prozesshilfe oder für Zusatzstoffe in der Lebensmittelverarbeitung gehört heute zum Standard der Lebensmittelindustrie und bringt erhebliche Vorteile für Qualität und Kostensenkung.60 Weitere Ziele und bereits realisierte oder mögliche Vor-teile Grüner Gentechnik bei der Lebensmittelverarbeitung mit Hilfe von Gentechnik sind: Reduktion des hygienischen Risikos, Nutzung des probiotischen Effektes von Mik-roorganismen, Produktion unter verbesserten ökologischen Gesichtspunkten, Erhöhung der Prozesssicherheit, Vereinfachung des mikrobiologischen Geschehens, Verbesserung der ökologischen Anpassung, kostengünstigere Produktion, Effizienzverbesserung, Zu-gang zu neuen Produkten.61

Insgesamt ist deutlich, dass das Potenztial Grüner Gentechnik für ethisch relevante Fragen im Blick auf Nachhaltigkeit mit ihren wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen erheblich ist. Insbesondere bei der Gentechnik in der ersten Generation ist eine einseitige Be-tonung wirtschaftlicher Aspekte im Sinne der linearen Logik von Produktionsmaximierung zu beobachten; bei der Grünen Gentechnik der zweiten und dritten Generation wird der wirt-

56 Eine aktuelle Studie in Großbritannien kommt zu dem Ergebnis, dass es in Bezug auf Insekten und Ackerbe-

gleitkräuter bei Zuckerrüben und Raps zu einer Verringerung der biologischen Vielfalt kommt. (Farm Scale Evaluations published today, Royal Society, UK, 16.10.2003, unter www.pubs.royalsoc.ac.uk

57 Vgl. dazu auch: Irrgang, B./Göttfert, M./Kunz, M. u.a.: Gentechnik in der Pflanzenzucht. Eine interdiszipli-näre Studie (Forum für interdisziplinäre Forschung Bd. 20), Detttelbach 2000, 140-143.

58 Nach Berechnungen der UNEP in dem Milleniumsbericht „GEO 2000“ werden bereits im Jahr 2015 vier Milliarden Menschen an mangelnder Trinkwasserversorgung leiden, was angesichts der Tatsache, dass 70 % des Süßwassers in der Landwirtschaft verwendet und oft verschwendet werden, ganz wesentlich die Land-wirtschaft betrifft. Vgl. UNEP, Global Environmental Outlook, Nairobi 1999, 24-51.

59 Vgl. Hammes 1999 (a.a.O.), 45. 60 Vgl. Hammes 1999 (a.a.O.), 39-52. 61 Hammes 1999 (a.a.O.), 47; Ignacimuthu 2003 (a.a.O.), 23-25.

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schaftliche Aspekt stärker mit ökologisch und sozial bzw. gesundheitlich sinnvollen Perspek-tiven verknüpft.

Die ethische Bewertung der Grünen Gentechnik als Handwerk ergibt sich vor allem daraus, welchen ethischen Zielen sie dient. Sie unterliegt der Ambivalenz der gegenwärtigen weltwei-ten Agrarpolitik und landwirtschaftlichen Entwicklung und verstärkt diese. Verantwortung in der Wissenschaft zeigt sich hinsichtlich der Grünen Gentechnik vor allem dann, wenn sie konsequent auf ihre erheblichen sozialen, volkswirtschaftlichen und ökologischen Potentiale hin weiterentwickelt und verbreitet wird und die damit verbundenen Gefährdungen umsichtig vermieden werden.

3.3 Risiken und soziale Kontexte der Grünen Gentechnik

Gegen die optimistische Sicht lässt sich einwenden, dass der Einsatz von Gentechnik unter den bisherigen Rahmenbedingungen primär die Produzenten und die multinationalen Unter-nehmen begünstigt und für die Verbraucher, die Welternährungslage und die Reduktion von Pestiziden kaum nennenswerte Verbesserungen erbringt. Folgende Probleme werden disku-tiert:

(1) Horizontaler Gentransfer: Insbesondere durch Pollenflug kann es zu unbeabsichtigten Auskreuzungen von GVO kommen. Das Risiko liegt hier darin, dass Eigenschaften von Nutzpflanzen, die gentechnisch verändert wurden, durch Auskreuzen auf Wildpflanzen übertragen werden. Unter Umständen könnte deren Vermehrungsrhythmus gestört wer-den, wie dies im US-Bundesstaat Mississippi im Sommer 1997 bei pestizidresistenter Baumwolle geschehen ist.62 Außerdem könnten sich die dann entstehenden neuen Wild-pflanzen möglicherweise besser ausbreiten und dabei andere Pflanzen verdrängen. Dies könnte negative Folgen für die Biodiversität haben und die Verwundbarkeit von fragilen Ökosystemen drastisch erhöhen. Kritiker der Grünen Gentechnik sehen diese Gefahr vor allem dann gegeben, wenn Nutzpflanzen gegen Schädlinge wie Viren, Insekten, Pilze, Bakterien etc. resistent gemacht werden. Dagegen argumentieren die Befürworter der Gentechnik, dass sich die für menschliche Bedürfnisse maßgeschneiderten Kulturpflanzen kaum mit den wesentlich besser angepassten Wildkräutern im freien Wettbewerb der Pflanzen messen können, da sich die meisten Kulturpflanzen ohne Hilfe des Menschen kaum ausbreiten könnten. Des weiteren besteht die Gefahr der ungewollten Züchtung von „Superunkräutern“, die gegen mehrere Totalherbizide resistent sind (z.B. bei Raps in Kanada). Wenn Auskreu-zungen oder sonstige Einträge von GVO zu Beeinträchtigungen für andere Landwirte füh-ren, indem deren Erzeugnisse als „genetisch verändert" gekennzeichnet werden müssen und/ oder nicht mehr als Öko-Produkte oder mit dem Sigel „gentechnikfrei“ vermarktet werden dürfen, haben sie direkte sozioökonomische Auswirkungen, die derzeit in Deutschland rechtlich relevant sind.

(2) Nichtintendierte mittel- und langfristige Schäden bei bloß kurzfristigem Nutzen: Dieses Problem zeigt sich beispielsweise bei dem Versuch, auf gentechnischem Wege Pflanzen gegen bestimmte Insekten resistent zu machen. Wenngleich zunächst die Aufwendungen für Insektizide deutlich gesenkt und die Erträge gesteigert werden können, kann dennoch nicht gänzlich auf den Einsatz von Insektenbekämpfungsmitteln verzichtet werden, weil die genetische Veränderung die Pflanze nicht gegen alle Schädlinge wappnet. Vor allem aber erwerben die Fraßinsekten in kürzester Zeit eine Resistenz, so dass die anfänglichen Erfolge komplett verschwinden. Zudem werden wiederum Nützlinge und Bodenorganis-men erheblich geschädigt. Als ein weiteres Problem kommt hinzu, dass Herbizide, die re-lativ zielgenau gegen nur wenige Arten wirken und für den konventionellen Landbau eine

62 Vgl. Kommission VI der DBK, Information zur Grünen Gentechnik (unveröffentlicht).

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wichtige Rolle spielen, im Markt von Breitbandherbiziden, die nur für gentechnisch ver-änderten Anbau verträglich sind, verdrängt werden. Darüber hinaus sind die Auswirkun-gen von GVOs auf die sehr komplexen Faktoren der Bodenqualität bisher kaum erforscht; da die Landwirtschaft von der langfristigen Sicherung der Bodenfruchtbarkeit abhängig ist, scheint hier besondere Vorsicht geboten.

(3) Problematische Botenstoffe und Marker: Bei der Gentechnik werden häufig Botenstoffe oder Marker eingesetzt, die auf die Resistenz der Pflanzen Einfluss nehmen (Promotoren, Trailer etc.). Diese Resistenzen etwa gegen Herbizide können sich auf andere Pflanzen (etwa Wildkräuter) übertragen oder auch bei den Konsumenten der Pflanzen (Tiere und Menschen) Probleme erzeugen. So sind etwa viele Kritiker der Meinung, dass diese Bo-tenstoffe unter anderem zur Antibiotika-Resistenz des Menschen beitragen können. Dage-gen argumentieren Befürworter der Gentechnik, dass die als Marker eingesetzten Antibio-tika in der medizinischen Praxis nicht oder nicht mehr eingesetzt werden und mittelfristig ohnehin auf andere Botenstoffe ausgewichen werden kann (und sollte).63 Eine Gesetzes-änderung zum Verbot von Markergenen soll noch 2005 in Kraft treten.

(4) Allergische Reaktionen: Durch die Übertragung von Gensegmenten einer Pflanze, die der Kunde nicht kennt und auf die er möglicherweise allergisch reagiert, auf eine andere Pflanze kann es für den Konsumenten schwierig werden, sich gegen Allergien zu schüt-zen. Befürworter der Gentechnik sehen indes keinen Grund zur Sorge: Man könne dieses Problem durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen und Kennzeichnungen regeln. Kriti-ker befürchten dagegen, dass insbesondere bei einer starken Ausweitung des Einbaus von fremden Gensegmenten Konsumenten sich nicht mehr ausreichend über die Herkunft der Fremdgene informieren könnten und Allergiker die Übersicht verlören, welche potenziell allergenen Stoffe in welchen Lebensmitteln vorhanden sind, so dass allergische Reaktio-nen kaum noch vorhersehbar würden. Zudem sinke die Zahl der Nahrungsmittel, auf die Allergiker ausweichen können.64

(5) Monofunktionalisierung: Wenn wenige Getreidearten durch gentechnische Veränderung so widerstandsfähig und ertragreich gemacht würden, dass sie weltweit Verbreitung fän-den und die Weltgetreideversorgung von ihnen abhinge, könnten neue, bisher noch unbe-kannte Schädlinge oder Virenformen diese Versorgung global gefährden. Dieses Szenario ist zwar auch bei konventioneller Züchtung gegeben (immerhin leben über 80 % der Men-schen von nur noch 10 Nutzpflanzen), aber mit dem Einsatz der Gentechnik kann dieser Trend zu einigen wenigen dominanten Nutzpflanzen noch wesentlich beschleunigt wer-den. Vertreter der Gentechnik versuchen in diesem Zusammenhang darzulegen, dass es gerade mit dem Einsatz der Gentechnik möglich sei, regional angepasste Nutzpflanzen zu erzeugen, und dass ein Markt für regionale Produkte für die Industrie durchaus attraktiv sei und auch genutzt werde. Vor allem ermögliche aber die Gentechnik, Nutzpflanzen an die zu erwartenden Klimaänderungen und die neuen Siedlungsstrukturen von Stadt und Land anzupassen. Wenn man das Spektrum von Nutzpflanzen erweitern will, so komme man mit Gentechnik schneller zu anbaufähigen Sorten als mit konventioneller Genetik.

(6) Abhängigkeit gegenüber agroindustriellen Konzernen: Viele Kritiker der Gentechnik be-fürchten, dass gentechnisch verändertes Saatgut die bestehende Abhängigkeit der Land-wirte von wenigen Großfirmen verstärken könnte. Da es sich bei gentechnisch veränder-tem Saatgut fast ausschließlich um Hybridsorten65 handelt, müssen sich die Landwirte

63 Auch die WHO warnte schon 1991 vor der Übertragung von Antibiotikaresistenzen auf die Darmflora. Eben-

so forderte der SRU im Sondergutachten zur Landwirtschaft 1996, die Markergene wieder herauszuholen; ähnliche Forderungen erhoben Norwegen und inzwischen auch die EU. Vgl. Rosenberger 2001 (a.a.O.), 82.

64 Zur weiterführenden Diskussion und praktischen Information vgl. Bund für Lebensmittelrecht und Lebens-mittelkunde (Hrsg.)(2000): Kompendium Gentechnologie und Lebensmittel, Bonn; Katalyse Institut (1999): Gentechnik in Lebensmitteln. Ein kritischer Ratgeber für Verbraucher, Hamburg.

65 Hybridsaatgut geht aus Sorten übergreifenden Kreuzungen hervor und ist bei der ersten Aussaat sehr ertrag-

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immer wieder neues Saatgut bei dem jeweiligen Hersteller kaufen. Im Gegensatz zu trans-genem Mais, dessen Ernte zur Wiederaussaat nicht taugt, kann transgenes Soja - noch - als Saatgut verwendet werden. Allerdings hat Monsanto beim US-Landwirtschaftsministeri-um bereits die Genehmigung zur Vermarktung von steriler Terminatorsoja eingeholt.66 Da die Firma Monsanto 91 % aller einschlägigen Patente hält und einen überaus aggressiven „Manchesterkapitalismus“ praktiziert, kann sie Monopolansprüche geltend machen und Landwirte ausnützen. Es fehlt an einem offenen Markt, in dem sich unterschiedliche Fir-men zum Vorteil der Kunden Konkurrenz machen. Zudem werden von multinationalen Unternehmen Patente an Nutzpflanzen erworben, durch die sie ihre Macht gegenüber Konkurrenten und Abnehmern ausbauen können. „Die Patentierung von Pflanzensorten wird die Verarmung der Kleinbauern in Entwicklungs-ländern weiter vorantreiben. Wenn die europäischen Staaten das bestehende Patentsystem weiter unterstützen, untergraben sie ihre eigene Entwicklungspolitik.“67 Ferner bieten inzwischen einige Firmen auch Gesamtpakete an (etwa Herbizide mit herbi-zidresistentem Saatgut), die langfristige Abhängigkeiten zementieren. Nach Ansicht der Befürworter der Gentechnik würden die Landwirte langfristig von solchen Arrangements profitieren und könnten auch die armen Landwirte in Entwicklungsländern (und nicht nur die Großgrundbesitzer) mit den gentechnisch veränderten Sorten mehr Einkommen, vor allem aber Einkommenssicherheit, erzielen. Nicht ohne Grund, so die Befürworter, wür-den immer mehr Entwicklungsländer auf gentechnisch veränderte Nutzpflanzen setzen und versuchen, solche auch mit Hilfe eigener Forschungsanstrengungen zu entwickeln. Dennoch sind zahlreiche Beobachter besorgt, dass vor allem die Kleinbauern in den Ent-wicklungsländern in zunehmende Abhängigkeiten geraten, weil sie nicht mehr darüber entscheiden können, welches Saatgut sie kaufen wollen und wie sie ihre traditionellen Rechte wahren können.68

(7) Belastung des sozialen Friedens: Da eine Koexistenz im strengen Sinne nicht möglich ist und die Einführung Grüner Gentechnik durch einzelne Bauern in einem bestimmten Maße alle betrifft, kann sie zu einer erheblichen Belastung des sozialen Friedens werden. Letzt-lich ist eine kollektive Verständigung über das gesellschaftlich gewollte Maß an Risikobe-reitschaft und die Abwägung zwischen ökologischen und gesundheitlichen Risiken, wirt-schaftlichen Vor- und Nachteilen sowie deren Verteilungen auf unterschiedliche Akteure nötig. Da der Wert landwirtschaftlicher Flächen in nicht unerheblichem Maß davon ab-hängig sein kann, ob auf dem Nachbargrundstück GVOs angebaut werden, geht es hier keineswegs nur um "weiche" Faktoren gesellschaftlicher Willensbildung, sondern um ganz handfeste Nachbarschaftskonflikte.

reich, büßt jedoch in der zweiten Generation im allgemeinen stark an Qualität ein; zumeist schaltet ein einge-bautes Terminatorgen die eingeschleusten Funktionen oder die Fruchtbarkeit der Pflanze nach einer Genera-tion aus. Folglich kann das Hybridsaatgut nur einmal verwendet werden, und Bauern sind von der Möglich-keit abgeschnitten, eigenständig Saatgut zu erzeugen. Die Diskussion über Hybridsorten ist so alt wie es die Sorten gibt, d.h. seit ca. 50 Jahren. Wenn ein Landwirt keine Hybridsorten anbauen, sondern jedes Jahr einen Teil seiner Ernte als Saatgut zurücklegen will, dann kann ihn niemand daran hindern. Es hat sich jedoch schon vor 40 Jahren in den USA für die Landwirte als vorteilhafter erwiesen, die Ernte ganz zu verkaufen und sich bei der neuen Aussaat neues Saatgut zu kaufen, da der Saatzuchtbetrieb aufgrund optimaler Lage-rungsbedingungen eine hohe Keimungsrate garantiert und Hybridsorten von Haus aus ertragsfähiger sind.

66 Vgl.: www.dosto.de/gengruppe/texte/landwirtschaft/landw6.html 67 So Prof. Dr. Josef Sayer, Hauptgeschäftsführer von Misereor, zitiert nach Bio Mitteldeutschland (BMD):

Was spricht für ein Engagement der katholischen Kirche bei der Nutzung der Pflanzenbiotechnologie in Sachsen Anhalt?, 5 (unveröffentlicht, keine Angabe von Autor und Datum), wo zu Recht angemerkt wird, dass dies nicht Gentechnik spezifisch ist (was freilich nichts daran ändert, dass sich die Verbreitung der Gen-technik in einem von einseitigen Machtstrukturen geprägten Patentsystem verheerend auf die Gerechtigkeit auswirken kann).

68 Vgl. dazu etwa die Vorgehensweise des brasilianischen Agrarkonzerns ‚Monsanto‘, der mit seinem Produkt‚ Roundup-Ready-Soja‘ in Argentinien und Brasilien eine Monopolstellung zu erringen versucht und dabei das gesetzliche Verbot, in Brasilien transgenes Soja anzubauen, auf Grund der Mängel bei Polizei und Justiz völ-lig ignorieren kann.

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Auf einige Punkte dieser Chancen und Risiken, die für die ethische Diskussion eine zentrale Rolle spielen, soll im Folgenden näher eingegangen werden.

3.4 Hypothesen über die gesundheitlichen Risiken

Die Diskussion um die möglichen gesundheitlichen Risiken der Grünen Gentechnik ist so komplex, dass es sinnvoll ist, sie in einem eigenen Abschnitt zu behandeln. Die gesundheitli-che Unbedenklichkeit gentechnisch veränderter Lebensmittel ist Voraussetzung ihrer Zulas-sung, Verbreitung und Akzeptanz. Die Methoden, nach denen dies festgestellt wird, sind je-doch umstritten. Die Komplexität möglicher Wechselwirkungen kann nicht vollständig erfasst werden. Aufgrund der begrenzten Übertragbarkeit von Versuchsergebnissen bei Tieren auf den Menschen sowie aufgrund der Überlagerungen durch den Einfluss individueller Disposi-tionen, Verzehrgewohnheiten und Zubereitungsformen sowie allgemein durch die jeweiligen Lebensbedingungen ist eine monokausale Zurechnung unmöglicher Langzeiteffekte bestimm-ter toxischer Prozesse kaum methodisch kontrolliert möglich. Die Garantie der gesundheitli-chen Unbedenklichkeit Grüner Gentechnik ist letztlich abhängig von dem Vertrauen in mo-derne Wissenschaft. Hier scheiden sich die Geister: Viele haben dieses Vertrauen verloren. Andererseits ist moderne Wissenschaft nach wie vor sehr erfolgreich und in vielen Bereichen unverzichtbar.

In der Praxis hat sich zur Erleichterung der Risikoabschätzung das Konzept der „substantiel-len Äquivalenz“ in der WHO durchgesetzt und bewährt.69 So kann trotz bestehender Wissens-lücken ein relativ hohes Niveau an Konsistenz und Sicherheit in den wissenschaftlichen Aus-sagen über allergene Potentiale in neuen Lebensmitteln erreicht werden. Die WHO unter-scheidet drei Kategorien der Diskussion um mögliche gesundheitliche Risiken: 1. Übertra-gung von Antibiotikaresistenzen auf die Darmflora; 2. Entstehung giftiger Spaltprodukte im Verdauungstrakt; 3. Allergene Wirkung.70

Insgesamt sind die gesundheitlichen Risiken der Grünen Gentechnik weitgehend als hypothe-tische Risiken einzuschätzen. Denn bisher gibt es keine wissenschaftlich anerkannten empiri-schen Untersuchungen, die eine differenzierte biologische und medizinische Risikoaussage begründen. Es herrscht eine Spaltung zwischen Populärwissenschaft, bzw. Medienaufmerk-samkeit und etablierter Wissenschaft. Aber auch methodische Schwierigkeiten, wie z.B. die Frage der Übertragbarkeit von Ergebnissen bei Tieren und Pflanzen auf physiologische Vor-gänge im menschlichen Körper, sind ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor. Folgende Fälle werden diskutiert:71

69 Substantielle Äquivalenz (substantial equivalence) meint die methodisch gesicherte Übertragbarkeit von

Untersuchungsergebnissen auf Wirkungsannahmen bei anderen, aber vergleichbaren Organismen und Kon-texten. Vgl. dazu Hammes 1999, 48f.

70 Rosenberger 2001, 81 unter Berufung auf Dokumente der WHO von 1991. Die WHO konzentriert sich inzwischen hauptsächlich auf mögliche Allergenwirkungen: Codex Alimentarius: The Codex Commission agreed in principle that the safety of food derived from genetically modified organisms (GMO) should be tested and approved by governments prior to entering the market. In particular, GMO foods should be tested for their potential to cause allergic reactions. (Pressemitteilung auf der WHO-Website www.who.int/...vom 6. 7. 2001). Grundsätzlich sollten bei der Sortenzulassung solche Tests mit eingeführt werden.

71 Zur Sicherheit von gentechnisch veränderten Lebensmitteln: Spök, A. et al. (2002): Toxikologie und Allergo-logie von GVO-Produkten. Umweltbundesamt Wien, Monographien Band 109. Zur Diskussion um die Um-weltwirkungen von Bt-Mais: Obrycki, J.J., Losey, J.E., Taylor, O. & Hesse, L. (2001): Transgenic insectici-dal corn: Beyond insecticidal toxicity to ecological complexity. BioScience 51, 353-361 (Überblick zur Be-wertung verschiedener Experimente). Hilbeck, A./ Moar, W.J./ Pusztai-Carey, M./ Filippini, A./ Bigler, F. (1998): Toxicity of Bacillus thuringiensis Cry1Ab toxin to the predator Chrysoperla carnea (Neuroptera: Chrysopidae). Env. Entomology 27, 1255-1263. (Die Arbeiten von Hilbeck et al. beziehen sich auf die Wir-kungen von mit Bt-Mais gefütterten Beutetieren auf die Florfliege. Nach www.biosicherheit.de (Link zu Bt-Mais) soll mit neuen Testmethoden gezeigt worden sein, dass die Florfliegenlarven nicht durch Bt-Toxin, sondern infolge eines indirekten Effektes geschädigt werden. Vgl. auch www.soilassociation.org: Studie, die

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- A. Pusztai behauptete am 10. 8. 1998 in einem Fernsehinterview, dass seine Untersuchun-gen mit transgenen Kartoffeln, die er an Ratten verfüttert hatte, negative Auswirkungen auf Wachstum, Organentwicklung und Immunsystem gezeigt hätten. Pusztai hatte in Kar-toffeln das Lectin des Schneeglöckchens eingeführt. Diese Strategie war entwickelt wor-den, um Kartoffeln für Kartoffelkäfer ungenießbar zu machen, hat sich aber nie durchge-setzt. Pusztai baute einen unspezifischen Genschalter (Promotor) ein, was dazu führte, dass das Lectin in allen Geweben der Kartoffel synthetisiert wurde anstatt nur in den Blät-tern. Eine solche Pflanze hätte die Sortenzulassung nie bekommen. Bei seinen Rattenfüt-terungs-Experimenten hat er geringfügige Unterschiede in der Größe der verschiedenen Darmsegmente festgestellt und daraus dann die allgemeine Aussage einer potentiellen Ge-fährlichkeit grüner Gentechnik konstruiert, was sich möglicherweise aber auch einfach durch den unterschiedlichen Effekt der Diät je nach Darmabschnitt erklären lässt. In der Veröffentlichung (The Lancet, 354, 1353-1355) sind weder die einzelnen angeblichen Schäden noch die Zahl der Ratten, mit denen er in den jeweiligen Varianten gearbeitet hatte, angegeben. Das Prüfungskomitee des Rowett Reseach Institute (RRI), des Arbeit-gebers von Pusztai, hat die Ergebnisse nicht bestätigt und seinen Vertrag nicht verlängert, wodurch er erst recht bekannt wurde.72

- Diskutiert werden Schädigungen der Larven des Monarchfalters durch Pollen von Bt-Mais, der sich an Seidenpflanzen anlagert; dies ist einzuschränken auf Bt-176-Mais von Syngenta, wo sich das Bt relativ stark an den Pollen anlagert; andere Maissorten sind we-niger problematisch.73 Auch hier gibt es grundlegende methodische Probleme: Es wurde gleichfalls kein gewebespezifischer Promotor genommen, so dass auch der Pollen giftig wurde. Dieser wurde dann exzessiv auf deren Futterpflanze geschmiert, so dass den Rau-pen gar keine andere Wahl blieb, als diesen zu fressen, um an ihr eigentliches Futter zu gelangen.

- Bekannt ist auch die Diskussion um Florfliegen, die nach dem Verzehr von Maiszünsler-larven, die gentechnisch veränderten Mais gefressen haben, verenden. Dabei ist nicht ge-klärt, in welchem Ausmaß das Bt-Toxin oder die schlechte Qualität der Beute dafür ver-antwortlich ist.

- Zur Ablagerung von Bt-Mais im Boden, was die dortigen Organismen schädigen kann, gibt es bisher keine aussagekräftigen Untersuchungen.74 Dies könnte ein erhebliches Prob-lem sein.

- Über Bienen, die gentechnisch veränderten Raps, aber auch Bt-Mais aufnehmen, kann die Nahrungskette des Menschen unmittelbar einbezogen sein.

Festzuhalten bleibt (für einen naturwissenschaftlichen Laien, der diese Diskussion mit ethi-schem Interesse und sehr begrenzter biologischer Fachkompetenz verfolgt):

1. Es gibt keine methodisch gesicherten Aussagen über direkte gesundheitliche Schäden beim Menschen.

2. Aussagen zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen von GVOs auf Tiere beruhen auf methodisch oder handwerklich problematischen Voraussetzungen.

sich unter dem Stichwort Nutrition Health Study mit der Sicherheit von Gentech-Lebensmitteln befasst). Für Hinweise zu dieser Diskussion danke ich Frau M. Mertens, Gentechnikspezialisten beim BUND, sowie Prof. Dr. A. Hüttermann, Biologe an der Universität Göttingen, Ich habe die Quellen nicht selbst geprüft.

72 Vgl. www.gensuisse.ch/focus/stellarch/kart_rat.html. Originalstudie: Ewen. S.B. & Pusztai, A. (1999): Effect of diets containing genetically modified potatoes expressing Galanthus nivalis lectin on rat small intestine. The Lancet 354, 1353-1355.

73 Arbeiten, die zur Wirkung von Bt-Toxinen auf den Monarchfalter im Jahr 2001 publiziert wurden, sind unter www.pnas.org/cgi/doi/10.1073//pnas.171315698 (bzw. ..... 211277798 oder .... 211287498) zu finden.

74 Vgl. www.biosicherheit.de: Untersuchungen zur Abgabe und Stabilität von Bt-Toxinen im Boden sowie zur Wirkung von Bt-Toxinen auf heimische Schmetterlinge - z.B. Tagpfauenauge, Kohlmotte, Kohlweißlinge.

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3. Die Behauptung, es gäbe keine ökologischen und gesundheitlichen Risiken der Grünen Gentechnik, beruht aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge und der relativ gerin-gen Erfahrungswerte methodisch auf einem verkürzten Begriffsverständnis.

4. Man muss von hypothetischen Risiken sprechen, die Anlass für weitere Forschung sind und im Sinne des Vorsorgeprinzips bestimmte Vorsichtsmaßnahmen begründen.

5. Die populärwissenschaftliche Überzeichnung von Risiken bedient einen Angstdiskurs, der auch nach dem gegenwärtigen Wissensstand keine angemessene Grundhaltung für den Umgang mit Grüner Gentechnik ist.

Ein großes Problem des Vertrauens sowie der wissenschaftlichen und politischen Kontrolle anerkannter Standards im Umgang mit der Grünen Gentechnik sind illegale Einführungen und/oder das Ausnützen von Gesetzeslücken sowie Unkenntnis und mangelnde Einhaltung der guten fachlichen Praxis besonders in Entwicklungsländern, so dass in der Praxis mit einer Anwendung von Grüner Gentechnik jenseits der rechtlichen Regeln gerechnet werden muss.75

3.5 Was kann Grüne Gentechnik zur Lösung der Welternährungsprobleme beitragen?

Der Frage, ob der Einsatz Grüner Gentechnik zur Verbesserung der Welternährung führen wird, kommt gerade aus der Perspektive christlicher Ethik eine zentrale Bedeutung zu: Denn die biblische und sozialethische Option für die Armen misst die Gerechtigkeit einer bestimm-ten Wirtschaftsordnung, Politik, Technik oder Handlung wesentlich an ihrer Wirkung auf die Situation der Armen (siehe oben Abschnitt 2.4). Auszugehen ist von einer umfassenden Ana-lyse der Ernährungskrisen der Menschheit.

Maßgeblich sind hier die Forschungen des Nobelpreisträgers Amartya Sen, die er unter dem Titel „Hunger and Powerty“ und „Development as Freedom“ veröffentlicht hat.76 Sen kommt zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass es weltweit unter den Bedingungen funktionierender kultureller und demokratischer Kommunikation noch nie größere Hungersnot gegeben hat, nennt dies „Entwicklung als Freiheit.“77 Hunger war demnach in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht primär ein Mengenproblem, sondern vielmehr Folge mangelnder Kaufkraft der Armen sowie verfehlter Landwirtschafts- und Verteilungspolitik. Armut wird heute we-sentlich durch zerstörte landwirtschaftliche Strukturen verschärft. Gerechtigkeit, Demokratie, stabile politische und soziale Verhältnisse und kulturelle Faktoren scheinen für die Hungerbe-kämpfung ebenso maßgeblich zu sein, wie die Frage der Menge von verfügbaren Nahrungs-mitteln auf den globalen Märkten.

Das primäre Problem der Armen und Hungernden ist nicht der absolute Mangel an Nah-rungsmitteln, sondern Korruption, fehlende Kaufkraft, instabile politische Verhältnisse sowie kulturelle Entwurzelung durch Kriege und Arbeitslosigkeit. Der Beitrag Grüner Gentechnik 75 Vgl. zum folgenden: Greenpeace: Die Gefahren der Genpflanzen. Unkontrollierte Ausbreitung, ungeplante

Nebenwirkungen Hintergrundpapier vom November 2003 www.greenpeace.org.uk/.. .Genannt werden: Gen-Mais der Firma Prodigene in Texas, 2001, der wohl aus Nachlässigkeit nach der Ernte mit Soja vermischt wurde, so dass 62 ha Gen-Mais vernichtet werden mussten, um unkontrollierte Ausbreitung zu vermeiden. (vgl. The Washington Post, Justin Gillis: Soybeans Mixed With Altered Corns, 13. 11. 2002); StraLinkMais, der eigentlich nur für Tierfutter zugelassen ist, sich jedoch auch in Mais für menschliche Nahrung fand (Greenpeace beruft sich hier auf einen Reuter-Bericht vom 18. 3. 2001); Ausbreitung von Gen-Mais in Me-xiko, wo die Kontrolle besonders schwer ist, weil Mais dort gut in die vielen Wildsorten auskreuzen kann; Ausbreitung von gv Raps in Kanada, wo dessen Wildwuchs große Probleme bereite. In England seien min-destens an 14 Orten illegale Rapssorten gepflanzt worden. In Deutschland hat Greenpeace 2001 in Nieder-sachsen und 2002 in Hessen illegalen Mais-Anbau aufgespürt, der dann vernichtet werden musste.

76 Zu einer deutschen Zusammenfassung der Ergebnisse vgl. Sen, A.: Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft, München/Wien 2000 (Original: Development as Free-dom, New York 1999).

77 Sen 2000, 13-23 und 196 - 229

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zur Hungerbekämpfung ist wesentlich daran zu messen, ob er zur Überwindung oder zur Ver-stärkung dieser Strukturen beiträgt. Das bedeutet auch, dass die traditionellen Anbaumetho-den und Zuchtrechte kleinbäuerlicher Strukturen unter Umständen aufgrund ihrer sozialen Funktion auch dann vorzuziehen sind, wenn ihr Ertrag geringer ist. Jedenfalls ist ihre Bedeu-tung für die Grund- und Krisensicherung der Bevölkerung sowie für kulturelle Zusammen-hänge mit in den Blick zu nehmen. Gerade angesichts von Korruption sowie politischen, sozi-alen und ökologischen Krisen in Entwicklungsländern können diese Aspekte traditioneller Landwirtschaft nicht durch hochtechnisierte, meist marktabhängige Produkte kompensiert werden kann.78 Technik braucht den Rahmen der Kultur und Gerechtigkeit, um segensreich für Mensch und Schöpfung wirken zu können.

Mit dem Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen sind viele Vorteile verbunden, die zu dem Ziel einer ausreichenden und qualitativ hochwertigen Ernährung der Weltbevölkerung beitra-gen können. Dabei ist jedoch immer zu berücksichtigen, dass die Ernährungskrisen der Menschheit weniger das Resultat mangelnder Nahrungsmittel als vielmehr Folge verfehlter Landwirtschafts- und Verteilungspolitik sind oder sich zwangsweise als Konsequenz der mangelnden Kaufkraft, also der weltweiten Armut ergeben. Daran werden auch verbesserte gentechnische Verfahren und Produkte wenig ändern. Die meisten der heute vorgenommenen gentechnischen Modifikationen im Pflanzenbereich dienen überwiegend den Interessen der Hersteller, der Händler und der Agrarindustrie, während die von den Befürwortern beschwo-rene Verbesserung der Welternährungslage von manchen als „uneingelöstes Versprechen“ charakterisiert wird.79

„Ernährungssicherheit ist primär keine (agrar-)technische, sondern eine soziale Frage.“80 Wer verspricht, die Frage des Welthungers allein durch Technik lösen zu können und mit der Grü-nen Gentechnik einen quasi religiösen Heilsanspruch der Hungerüberwindung verknüpft, macht die Technik zur Ideologie. Auch die führenden Gentechnikfirmen, wie z.B. Monsanto sind inzwischen viel zurückhaltender mit diesem Argument geworden, schon deshalb, weil sie auf zahlungsfähige Kunden angewiesen sind, und die ganz armen daher marktwirtschaftlich gesehen kaum ein relevante Zielgruppe sein können. Erst unter der Voraussetzung fairer Weltmarktstrukturen und einer nachhaltigen Ausrichtung der Weltagrarpolitik gibt es eine echte Chance, dass der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft wirklich den Armen zugute kommt. Die äußerst harten Methoden von Monsanto ihre Patentrechte einzuklagen, Bauern vor Gericht zu zerren und nicht selten in den Ruin zu treiben81, lässt große Zweifel daran aufkommen, wie sehr der Nutzen für die arme ländliche Bevölkerung im Blick und In-teresse der führenden Akteure für Grüne Gentechnik ist.

Damit zeigt sich, dass die Frage nach dem Einsatz der Grünen Gentechnik nicht allein unter Berücksichtigung biologischer Gesichtspunkte geklärt werden kann, sondern nicht minder soziale Aspekte und auch Gerechtigkeitsfragen (in globalem Ausmaß) zu bedenken sind. So spielen etwa Zulassung und Anbau von GVOs eine große Rolle bei der Gewährung von Ent-

78 Zur Diskussion dieser vielschichtigen Zusammenhänge vgl. Sen, A.: Ökonomie für den Menschen (a.a.O.)

sowie Umweltbundesamt (Hrsg.) (1996): Gentechnik in Entwicklungsländern – Ein Überblick: Landwirtschaft, Berlin. 79 Vgl. die kritische Bilanz des FAO-Berichtes, Dimensions of Need von 1995, dem sich der Päpstliche Rat Cor

Unum, Der Hunger in der Welt (deutsch hrsg. von der DBK, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 128, Bonn 1996), anschließt (zitiert nach Rosenberger 2001, 73).

80 Rosenberger 2001, 80. Er fährt fort: „Eine faire und gerechte Weltwirtschaftspolitik zu finden gehört daher zu den großen Aufgaben der nächsten Jahrzehnte. Erst dann können einzelne gentechnische Entwicklungen den Entwicklungsländern zum Vorteil gereichen.“ (ebd. 80f). Vgl. dazu auch Höffe, O. (1991): Moral als Preis der Moderne, Frankfurt a.M. , 91f: Höffe kritisiert das Versprechen des „Endsiegs über den Hunger“, das den Blick von jenen Problemen ablenke, deren Lösung den Hunger in der Welt tatsächlich beseitigen könnte: die Veränderung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen.

81 Nach Angaben des „Center for Food Safety“ hat Monsanto bisher 147 Farmer vor Gericht gebracht und insgesamt 15 Mio. Dollar von ihnen erstritten. Der Einsatz von Privatdetektiven und Drohungen im rechtlich unklaren Raum belastet den sozialen Frieden; vgl. www.centerforfoodsavety.org/monsantoversusfarmers-report.cfm oder (zusammengefasst): www.abl-ev.de/gentechnik (Bericht vom 9.2. 2005).

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wicklungshilfe und bei den Verhandlungen über eine Liberalisierung des Welthandels mit Agrarerzeugnissen, wovon insbesondere Entwicklungsländer, die durch die gegenwärtigen Bedingungen im Welthandel deutlich benachteiligt werden, profitieren sollen. Beispielsweise üben derzeit die USA einen enormen Druck auf Sambia aus, gentechnisch veränderte Orga-nismen zuzulassen. Dies könnte jedoch zu der für das Land verheerenden Folge führen, dass europäische Staaten sämtliche Agrarimporte aus diesem Land, die mit GVOs in Berührung gekommen sein könnten, abweisen.

Der großflächige Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft dient meist der Exportorien-tierung. Er drängt teilweise über Jahrhunderte gewachsene Kulturen und Traditionen, die dem jeweiligen Anbaugebiet angepasst sind und einer von sozialen und wirtschaftlichen Krisen relativ unabhängigen Eigenversorgung der ärmeren ländlichen Bevölkerung dienen, zurück. Der Konflikt der Einführung Grüner Gentechnik mit diesen Strukturen, die für Hungerbe-kämpfung eine wesentliche Bedeutung haben, ist nicht zwangsläufig; aber der Konflikt ist wahrscheinlich und es muss bei der Einführung Grüner Gentechnik, die sich gegenwärtig ge-rade bei Kleinbauern in Entwicklungsländern rasant ausbreitet, bedacht werden.

Soll die Steigerung von Ernteerträgen, die größere Resistenz der Anbaupflanzen gegen Schäd-linge, Trockenheiten oder Witterungsextreme wirklich der Hungerbekämpfung dienen, darf die Abhängigkeit der Kleinbauern von Patentrechten der Firmen, von instabilen Exportmärk-ten nicht zu groß sein. Der mit der Einführung Grüner Gentechnik einhergehende Wandel von Sozialstrukturen und kulturellen Gepflogenheiten darf nicht zur völligen Verdrängung klein-bäuerlicher Strukturen durch Großbetriebe oder dem Zusammenbrechen des gewachsenen dörflichen Zusammenhalts führen.82 Wenn Grüne Gentechnik verstärkt auf die Bedürfnisse der Armen, d.h. wesentlich auf die bessere Anpassung ihrer Sorten an die jeweiligen regiona-len Bedingungen und deren mögliche Veränderung durch Klimawandel ausgerichtet würde, ihre Einführung unter Schutz des sozialen und kulturellen Umfeldes stattfände, die Verknüp-fung Grüner Gentechnik mit der Abhängigkeit von teuren Patentrechten und schwankenden Exportmärkten deutlich reduziert würde, dann könnte sie einen wesentlichen Beitrag zur Hungerbekämpfung bieten. Soll Grüne Gentechnik dem Wohl der Armen dienen, setzt sie – wie jede komplexe Technik – ein hohes Maß an Verantwortung und Mündigkeit voraus.

3.6 Wie wirkt sich Grüne Gentechnik auf die Biodiversität aus?

Im Blick auf den ethischen Maßstab der Schöpfungsverantwortung und der Nachhaltigkeit ist eine zentrale Anfrage an die Grüne Gentechnik, ob der massive Einsatz von GVOs die Biodi-versität und genetische Ressourcen reduziere und regional angepasste Kultursorten verdränge. Im Blick auf die Auskreuzung durch horizontalen Gentransfer ist diese Frage bereits oben (Abschnitt 3.3) diskutiert - mit dem Ergebnis, dass dieses Risiko ernst zu nehmen ist, zugleich aber einigermaßen begrenzt scheint, insofern GVOs auf kulturspezifische Funktionen hin op-timiert sind und daher in freier Wildnis bzw. Kulturlandschaft keine überdurchschnittlich ho-hen Ausbreitungschancen haben dürften.

Ein zweiter Aspekt ist die Frage, ob Grüne Gentechnik hinsichtlich der Kultursorten zu einer Reduktion der Biodiversität führt. Im Rahmen der Grünen Revolution vernachlässigen Klein-bauern nicht selten den eigenen Anbau auf ihren kargen Feldern, weil die Hochleistungssorten dort nicht wachsen. Dadurch geraten auch die traditionellen Sorten in Vergessenheit. Infolge dessen wird die eigene Ernährung auf preiswerte Produkte wie weißen, geschälten Reis und

82 So verweisen nicht nur die Hilfswerke Missio und Misereor, sondern auch der Welternährungsgipfel von

Rom 2002 eindringlich auf das Risiko hin, dass die lokale Wirtschaft mit ihren gewachsenen kleinbäuerli-chen Strukturen in den Entwicklungsländern in neue Abhängigkeiten gerät, lokale Märkte zerstört und ange-passte Kultursorten verdrängt werden. Vgl. Misereor: Wem gehört die Welt? Werkmappe zur Fastenaktion 2003, Aachen 2003; FAO: Declaration of the World Food Summit five years later..., Rome 2002; Herrmann, B.: Das Recht auf Ernährung am Beispiel Malis, Münster 2003.

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Weizenmehl umgestellt. Krankheitsanfälligkeit und Mangelernährung sind vielfach die Folge. Wenn der Einsatz grüner Gentechnik auf Kosten des traditionellen Wissens und dessen Pflege und Tradierung geht, ist das Versprechen, dadurch die landwirtschaftlichen Probleme der Entwicklungsländer zu lösen, höchst unsicher.

Die Forschung und der Einsatz Grüner Gentechnik sollte sensibel anknüpfen an die oft ökolo-gisch und ernährungsphysiologisch wertvollen, von den Bauern und Bäuerinnen selbst entwi-ckelten Getreide- und Gemüsesorten, die über Jahrhunderte an die schwierigen Anbaubedin-gungen und an kulturelle Kontexte angepasst sind. Mischanbausysteme und eine Verbesse-rung des Bodens mit natürlichem Dünger aus Mist, Stroh und Kompost sind in der Regel we-niger krisenanfällig als exportoptimierte Monokulturen. Durch geschickte Bewirtschaftung sind oft auch auf kleiner Fläche gute Erträge möglich, die eine gesunde und abwechslungsrei-che Ernährung sichern.83 Sie sind in der Regel arbeitsintensiver, was jedoch – da Arbeit auch in vielen Entwicklungsländern eines der knappsten Güter ist – einen wichtigen sozialen Vor-teil darstellt. All dies spricht nicht prinzipiell gegen die Gentechnik, wohl aber gegen ihre ungeregelte Verbreitung.

Grüne Gentechnik bedingt keinen Zwang zur Monofunktionalisierung. Die ethische Frage ist hier, ob und wieweit die in der gegenwärtigen Form der Globalisierung dominierende Markt-logik, die eher eine Einengung auf einige wenige weltweit einsatzfähige Nutzpflanzen als eine Differenzierung nach kleinräumigen Anforderungen erwarten lässt, mit in die Bewertung ein-bezogen werden soll und welche Rolle die Gentechnik in diesem Kontext spielt und spielen wird. In einer sozialethisch erweiterten Technikfolgenabschätzung für die Grüne Gentechnik ist das Problem der Verstärkung von Monopolstrukturen erheblich.84

4. Demokratische Legitimation und die Grammatik der Akzeptanz

4.1 Einstellungen zur Grünen Gentechnik in der Bevölkerung

Die Debatte um Grüne Gentechnik ist Teil einer Strukturveränderung des ethisches Diskurses um Technikverantwortung: Ihre Folgen lassen sich nur teilweise und mühsam auf die unmit-telbar Beteiligten eingrenzen. Letztlich müssen alle mit den Folgen der Entscheidung für eine Nutzung, einen Nutzungs- und Forschungsverzicht oder eine begrenzte Nutzung leben. Die Vor- und Nachteile, Risiken, Innovationspotentiale und sozialen Kontexte sind so komplex, heterogen oder langfristig, dass eine methodisch gesicherte oder gar rein naturwissenschaftli-che Folgenabschätzung schon im Keim versagt. Ob sie zur Schlüsseltechnologie oder zum Fluch des 21. Jahrhunderts wird, hängt nicht zuletzt von der Einstellung der Bevölkerung und ihrer Bereitschaft und Fähigkeit ab, einen Gestaltungsrahmen zu definieren, global abzustim-men und wirksam zu kontrollieren. Ohne eine breit in der Bevölkerung verankerte Akzeptanz und Grundkenntnis steht die Grüne Gentechnik unter einem schlechten Stern. Deshalb ist die Reflexion auf die Einstellungen in der Bevölkerung ein wesentlicher Teil der ethischen Refle-xion.

83 Vgl. Kordecki, G: Es geht auch ohne Golden Rice! Indische Bauern kehren zu traditioneller Landwirtschaft

zurück, in: FORUM 69 (a.a.O.), 49-52. Kordecki beruft sich vor allem auf Erfahrungen der „Deccan Deve-lopment Society“ (DDS) im indischen Andra Pradesh.

84 Der entscheidende Faktor für die Bewertung der Grünen Gentechnik in ihrem Beitrag zur Überwindung von Ernährungskrisen in Entwicklungsländern ist die Frage, ob und wie eine sozialethisch erweiterte Technikfol-genabschätzung durchgeführt wird. Wenn man diese als nachgeordnete Problemebene einordnet und zu-nächst außen vor lässt wie z.B. die ansonsten sehr gründliche Studie von Irrgang u.a., kommt es zu einer weitgehend positiven Einschätzung, legt man den Akzent auf soziale Zusammenhänge, wie z.B. die Misere-or-Studien, kommt es zu einer negativen Einschätzung. Vgl. exemplarisch: Irrgang, B./Göttfert, M./Kunz, M. u.a.: Gentechnik in der Pflanzenzucht. Eine interdisziplinäre Studie, Detttelbach 2000); Nilles, B.: Patente auf Leben – ein Risiko für Ernährung und biologische Vielfalt, in: Misereor: Wem gehört die Welt? Werk-mappe zur Fastenaktion 2003, Aachen 2003, 51-58.

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Umfrageergebnisse zeigen deutlich, dass gentechnische Anwendungen dann am ehesten ak-zeptiert werden, wenn sie mit Zielen verbunden sind, die von der Bevölkerung als wün-schenswert oder sozial nutzbringend angesehen werden.85 Dies ist zum Beispiel bei medizini-schen und pharmazeutischen Anwendungen der Fall, wo Gentechnik zur Erreichung des uni-versellen Ziels „Gesundheit“ eingesetzt wird. Die gentechnische Herstellung von Insulin, oh-ne die die Behandlung der Zuckerkrankheit heute kaum denkbar wäre, bietet keinen Anlass für medizinethische Diskussionen.

Im Gegensatz dazu fällt die Akzeptanz der Gentechnik bei der Agrarproduktion weitaus kriti-scher aus. Bemerkenswert ist allerdings eine Divergenz zwischen dem informierenden und dem informierten Teil der Bevölkerung. In Untersuchungen über Wissenschaftsjournalismus, Risikokommunikation und Nachrichtenselektion zeigte Scherer, dass die Grundeinstellung gegenüber der Gentechnik bei den darüber berichtenden Journalisten insgesamt eher positiv ist.86

Die deutliche Ablehnung gentechnischer Verfahren in der Nahrungsmittelproduktion doku-mentiert eine Repräsentativbefragung der GFK-Marktforschung, die im Frühjahr 1999 in Deutschland durchgeführt wurde.87 Danach lehnen 76,1 % der Befragten die Entwicklung und Einführung gentechnisch veränderter Lebensmittel ab. Noch höher ist der Anteil derer, die keine gentechnisch veränderten Lebensmittel kaufen wollen. Als Gründe für die Ablehnung werden vor allem gesundheitliche Risiken und die Unkontrollierbarkeit der Risiken der Gen-technik genannt. Immerhin 95 % der Befragten sprachen sich explizit für eine generelle Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel aus. Zu einem vergleichba-ren Ergebnis kamen zuvor schon die Bürgerforen in Baden-Württemberg, die von der Aka-demie für Technikfolgenabschätzung im Jahre 1996 landesweit durchgeführt wurden, sowie Untersuchungen in Großbritannien und den USA.

Fragt man nach den Ursachen für diese deutliche Ablehnung, dann spielt die fehlende Nut-zenwahrnehmung eine größere Rolle als die Risikobewertung durch die Befragten.88 Eine Untersuchung mit Fokusgruppen in sechs EU-Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien und Dänemark) im Zeitraum 1999/2000 kam zu dem Schluss, dass für die meisten Konsumenten der Nutzen gentechnisch veränderter Lebensmittel entweder nicht erkennbar war oder ihres Erachtens nur einer kleinen Interessengruppe zugute komme. Aus den Auswertungen der Fokus-Gruppen, in denen offen die Ängste, Befürchtungen, aber auch Hoffnungen und Visionen der Teilnehmer angesprochen wurden, schälte sich eine Er-kenntnis klar heraus: Je mehr die Menschen die gentechnischen Veränderungen als ein Zei-chen einer anonymen Bedrohung ihrer selbstbestimmten Lebenswelt erleben, desto ablehnen-der stehen sie dem Vormarsch der Gentechnik im Nahrungsbereich gegenüber.

In der Wahrnehmung der Bevölkerung mag die Gentechnik gleichsam als Kulminationspunkt der Abneigung gegen eine hochtechnisierte, hochchemisierte Landwirtschaft dienen, mit der „Turbokühe“, „Hormonkälber“ und „BSE-Rinder“ assoziiert werden und bei der einseitige ökonomische Verwertungsinteressen gegen die Interessen der Konsumenten und der Umwelt stünden. Die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebens-mittel reflektiert das Misstrauen in die großtechnische Lebensmittelproduktion. Wenn ver-

85 Vgl. zum Folgenden: Hampel, J./ Renn, O. (1999): Gentechnik in der Öffentlichkeit. Wahrnehmung und

Bewertung einer umstrittenen Technologie. Frankfurt/M. und New York; Renn, O./ Hampel, J.(2001): Gen-technik, öffentliche Meinung und Ethik, in: M. Weber und P. Hoyningen-Huene (Hrsg.): Ethische Probleme in den Biowissenschaften, Heidelberg, 133-146.

86 Scherer, H.: Gentechnik in den Medien, in: Hausmanninger (s.o.), 161-172. 87 Zitiert nach: Kommission VI der DBK, Information zur Grünen Gentechnik (unveröffentlicht). 88 So Ortwin Renn in der Auswertung der Studien. Vgl. Renn/ Hampel 2001 (a.a.O.), 133-146. Vgl. auch Vor-

holz, F.: Gentechnik ohne Nutzen, in: Die Zeit vom 24. 6. 2004, S. 22 (Wirtschaft).

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sucht werden sollte, Gentechnik durch die „Hintertür” ohne breiten Dialog einzuführen, ist mit erheblichen Irritationen der Öffentlichkeit zu rechnen.89

Vor diesem Hintergrund ist der EU-Beschluss, nach dem die Zulassungs- und Kennzeich-nungsbestimmungen dann nicht gelten, wenn zufällige und technisch unvermeidliche Beimi-schungen gentechnisch veränderter Organismen den Schwellenwert von 0,9 Prozent unter-schreiten, problematisch. Insofern die Verbraucher danach nur noch entscheiden können, ob sie mehr oder weniger gentechnisch veränderte Produkte kaufen wollen, bedeutet dies einen Eingriff in die Verbraucherautonomie. Wie Konsumenten sich bei Transparenz entscheiden, zeigen Beispiele aus Frankreich und England, wo bereits gentechnisch veränderte Lebensmit-tel aus den Regalen der Geschäfte zurückgezogen wurden, weil sie nicht verkaufbar waren. Auch bei den Bauern in Deutschland zeichnet sich eine Ablehnung gentechnischer Verände-rungen ab: 70 % der Landwirte wollen kein gentechnisch verändertes Saatgut anbauen.90

Im Rahmen sozialer Bewegungen ist inzwischen die Gentechnik als Mobilisierungsgrund fest verankert. Im Kampf gegen die „Kolonisierung der Lebenswelt“ betonen die gesellschaftli-chen Protestbewegungen gegen Gentechnik die Notwendigkeit der Besinnung und des zumin-dest vorübergehenden Ausstiegs. Die Angst, nur noch Objekt rein an Effizienz und Gewinn orientierten Wirtschaftens zu sein, äußert sich in der bewussten Abkehr von industriellen Fer-tigungsweisen und zweckrationalem Verwaltungshandeln.

Innerhalb dieses Spannungsverhältnisses von Technisierung und ihren Gegenbewegungen gewinnt die Gentechnologie ein besonderes Gewicht als Symbol für eine rücksichtslose und rein profitorientierte Technologieentwicklung. In der Debatte um Risiken und Probleme der Gentechnik gerät jedoch der Umstand allzu häufig in Vergessenheit, dass die Einstellungen zur Gentechnik weniger von den befürchteten Risiken oder erhofften Chancen beeinflusst werden als durch die grundlegende Fragestellung, ob ein weiteres Voranschreiten in Richtung auf Effizienz, Naturverwertung und Funktionalität wünschenswert sei.

Das Abstimmungsverhalten bei Umfragen passt wenig zum Abstimmungsergebnis mit den Füßen beim Einkauf: Industriell durchgestyltes Convenience-Food ist hochbegehrt. Die Mehrheit will einerseits vor den Risiken verschont bleiben und äußert dies durch entspre-chende Aussagen bei Umfragen und Postulaten an die Politik, will aber andererseits gleichzei-tig die Vorteile haben, was sich beim Kaufverhalten zeigt. Die Diskrepanz zwischen Umfra-ge-Antworten und Alltagsverhalten sowie ein großes Maß an Widersprüchlichkeit des im Ri-sikoverhaltens, das zwischen extremen Sicherheitsbedürfnissen einerseits und leichtfertiger Lust an Risiken andererseits schwankt, findet sich auch in zahlreichen anderen Handlungs-feldern.91

Zuletzt sei auf die Stimmung bei den deutschen Bauern eingegangen: Viele Bäuerinnen und Bauern, konventionelle wie ökologische, sind davon überzeugt, dass eine Koexistenz nicht möglich ist. Sie wollen keine GVO anbauen und wehren sich dadurch, dass sie sich freiwillig zu gentechnikfreien Zonen zusammenfinden.92 So hat sich beispielsweise der Präsident des Deutschen Bauernbundes Kurt-Henning Klamroth in einem offenen Brief an die Bischöfe der ostdeutschen Landeskirchen bei den Kirchen „für ihr aufrichtiges Engagement gegen den Ein-satz gentechnisch veränderter Organismen bedankt“.93 Präsident Klamroth beruft sich darauf, 89 Vgl. Kommission VI der DBK, Information zur Grünen Gentechnik (unveröffentlicht). 90 Umfrage des Wickert-Instituts in Hildesheim Sommer 2002, vgl. W. Hoffmann, Gentechnik in Lebensmit-

teln, in: Grüne Gentechnik. Kirchliches Umweltmagazin Forum 69 (3/2003), hrsg. von der Ev. Kirche im Rheinland u.a., Düsseldorf u.a. 2003, 33f.

91 Vgl. Renn, O./ Klinke, A.: Risikoabschätzung und -bewertung. Ein neues Konzept zum Umgang mit Kom-plexität, Unsicherheit und Ambiguität, in: Fortschritt und Risiko in der Bioethik am Beispiel der Embryonen-forschung, in: J. Beaufort/ E. Gumpert / M. Vogt (Hrsg.): Fortschritt und Risiko. Zur Dialektik der Verant-wortung in (post-)moderner Gesellschaft, Dettelbach 2003, 21-51.

92 Vgl. Gentechnik in der Landwirtschaft – Entschließungsvorlage für den Diözesanrat in der Erzdiözese Frei-burg 3/04.

93 Brief vom 28. 5. 2004 (zitiert nach: www.agrar.de).

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dass die „weitüberwiegende Anzahl der Bauern den Einsatz gentechnisch veränderter Pflan-zen ablehnen.“ Neben ethisch-moralischen Gründen seien dafür „vor allem wirtschaftliche und rechtliche zurzeit überhaupt nicht kalkulierbare Risiken“ ausschlaggebend. Nach Auffas-sung des Deutschen Bauernbundes solle die Einführung zwar vorrangig dem Ziel der Schaf-fung von neuen Arbeitsplätzen dienen, verkenne aber, „dass die Initiative der Agrarindustrie-konzerne vermutlich darauf abzielt, neue Absatzmärkte für gentechnisch verändertes Saatgut, das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit dann auch wieder in den USA produziert wird, zu schaffen.“ Damit würde auch dieser Zweig der Landwirtschaft in eine kolossale Abhängigkeit geraten.

Ausschlaggebend für die inzwischen weitgehend kritische Haltung der Bauern gegenüber der Einführung und Verbreitung Grüner Gentechnik ist vor allem die Abwälzung der Risiken auf die Anwender. Auch durch die großflächige Aussaat von genetisch verändertem Mais als so-genannten Erprobungsanbau im Jahr 2004 in Sachsen-Anhalt wurden die Bauern unnötig stark belastet: Er fand ohne ausreichende Information der Öffentlichkeit statt, was die demo-kratische Legitimation in Frage stellt und zu der vorhersehbaren Konsequenz führte, dass der Konflikt auf dem Rücken der Bauern ausgetragen wurde. Dies sollte in Zukunft vermieden werden.

Die überwiegend kritische Einstellung gegenüber der Grünen Gentechnik unter den deutschen Landwirten und Verbrauchern ist vor allem Ausdruck des verlorenen Vertrauens. Dieser Ver-trauensverlust wurde nicht allein von Fragen der Gentechnik ausgelöst, sondern ist in dem größeren Kontext der Diskussion um die Agrarpolitik insgesamt zu sehen, deren Orientie-rungslosigkeit in vielen Fragen auf das Misstrauen gegenüber der Gentechnik zurückwirkt. Dem lässt sich nur dadurch begegnen, dass die Diskussion um Grüne Gentechnik nicht allein als Diskurs über Risiken geführt wird, sondern in den Zusammenhang der Ziele und Werte der Agrarpolitik gestellt werden sollte. Gerade hierzu haben die Kirchen in den letzten Jahren vielfältige Beiträge geliefert.

4.2 Öffentliche Stellungnahmen kirchlicher Gruppen zur Grünen Gentechnik

Die Diskussion um die Chancen und Risiken der Gentechnik wird in den Kirchen seit gerau-mer Zeit intensiv geführt. Sie ist ein Spiegel der allgemeinen gesellschaftlichen Debatte, wo-bei Fragen der Schöpfungsverantwortung/Ökologie, der Gerechtigkeit sowie der Rolle der Gentechnik für die zukünftige Landwirtschaft und ländliche Entwicklung besonders akzentu-iert werden. Überwiegend kritische Stellungnahmen finden sich vor allem bei den ländlichen Verbänden; in der akademischen Theologie halten sich positive und negative Wertungen in etwa die Waage.

Folgende Stellungnahmen sind von besonderer Bedeutung (zu einzelnen Texten vgl auch An-hang):

katholisch

- Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen (VI) der Deutschen Bischofskonfe-renz: Überlegungen zur Verantwortbarkeit gentechnischer Verfahren in der Landwirt-schaft (Entwurf 22. April 2004, noch nicht veröffentlicht). Hintergrund dieser Stellung-nahme ist eine interne Information, die von der Ökologischen Arbeitsgruppe dieser Kom-mission zur Information der Bischöfe verfasst wurde

- Kongress zur Grünen Gentechnik im Vatikan (10./11. November 2003) und verschiedenen Äußerungen von Kardinal Martino, Päpstlicher Rat Justitia et Pax; Abschnitt zur Biotech-nologie im Kompendium katholischer Soziallehre, das im Oktober 2004 erschienen ist.

- Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe zum Entwurf des Gesetztes zur Neuordnung des Gentechnikrechts (11. Juni 2004).

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- Reflexion zur Grünen Gentechnik in der Erklärung des Zentralkomitees der Katholiken „Agrarpolitik muss wieder Teil der Gesellschaftspolitik werden. Plädoyer für eine nach-haltige Landwirtschaft“ (Nov. 2003), Seite 29-34; eine daran anschließende Stellungnah-me des Zentralkomitees aus Anlass der aktuellen Gesetzgebung wurde am 25.3.2004 unter dem Titel „Freigabe transgener Pflanzen möglichst zurückhaltend handhaben“ veröffent-licht (Bericht vom Generalsekretär S. Vesper über Äußerungen der umweltpolitischen Sprecherin des ZdK C. Nickels); eine weiterführende Diskussion dazu fand u.a. beim Ka-tholikentag in Ulm im Juni 2004 statt).

- Verschiedene Stellungnahmen von Diözesanräten und Katholischen Verbänden zu Fragen der Gentechnik (z.B. Diözesanrat Freiburg: Gentechnik in der Landwirtschaft, März 2004; Verband des Katholischen Landvolks der Diözese Rottenburg-Stuttgart: Resolution zur Grünen Gentechnik vom 16.5.2004; Landvolk des Bistums Hildesheim: Gentechnik in der Pflanzenzucht. Chancen und Risiken und die ethische Beurteilung (Studientag am 29. 1. 1994, Dokumentation von 76 Seiten); Positionspapier von KLJB, KLFB und KLB (1999): Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung, Freiburg/ Münstertal 1999 (www.landpastoral.de); Pressemitteilung des Diözesanrates Augsburg vom 25. 5. 2004: „Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ablehnen!“).

- Chrétiens dans le Monde Rural (CMR) Frankreich/KLB Deutschland; Ländliche Gilden Belgien/ Landfrauenverband Belgien/ KLB Freiburg/ KLB Köln/ KLB Rottenburg-Stuttgart/ Katholische Landvolkshochhschule Ägidius Schneider: Nahrung für alle. Gen-technik – greifbare Hoffnung oder gewinnbringende Illusion? 5. Europäischer Begeg-nungstag vom 14.-17. 11. 2001 (Dokumentation der Tagung in Bad Honnef von 61 Sei-ten).

- CIDSE Internationale Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Solidarität: Patente auf Leben und die Bedeutung der Ernährungssicherheit - eine christliche und entwicklungspo-litische Perspektive. Deutsche Ausgabe hrsg. von Misereor (Misereor: Wem gehört die Welt? Werkmappe zur Fastenaktion 2003, Aachen 2003 - dort insbesondere: B. Nilles. Pa-tente auf Leben – ein Risiko für Ernährung und biologische Vielfalt, 51-58); aktuelle Fort-schreibung der Stellungnahmen: www.patenteaufleben.de.

- Promotiae Iustitiae 79 (3/ 2003): Debate about Genetically modified organisms (GOM) (Internationales Nachrichtenblatt des Sozialapostolats der Jesuiten, Themenheft zur Grü-nen Gentechnik mit zehn Stellungnahmen, zum Teil vor dem Hintergrund eigener Projek-te, unterschiedliche Standpunkte, 27 Seiten Debatte, erscheint in Rom auf englisch, italie-nisch, französisch und spanisch)

- Niemirowicz, K.: Genetische Modifikation in der Landwirtschaft – Pro und Contra, Refe-rat zum Internationalen Symposion der Polnischen und Österreichnischen Bischofskon-ferenz, Landwirtschaft - ländlicher Raum (Warschau 13.-16.5.2004; (www.warszawa.ak. org.pl)

ökumenisch

- Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der evangelischen Kirchen in Deutschland (AGU)/ Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen Diözesen/ Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche in Deutschland (ADL)/ Katho-lische Landvolkbewegung (KLB): Ungelöste Fragen – Uneingelöste Versprechen. 10 Ar-gumente gegen die Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Landwirtschaft und Ernährung, Güstrow 7.10.2003.

- Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland/Sekretariat der Deutschen Bi-schofskonferenz (Hrsg.): Neuorientierung für ein nachhaltige Landwirtschaft. Ein Diskus-sionsbeitrag zur Lage der Landwirtschaft, mit einem Wort des Vorsitzenden der Deut-schen Bischofskonferenz und des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in

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Deutschland, Hannover/Bonn („Gemeinsame Texte 18“, in Nr. 10 kurzer Abschnitt zur Grünen Gentechnik, wichtiger ist hier jedoch der Zusammenhang zu grundlegenden Per-spektiven für die Entwicklung und Zukunft der Landwirtschaft).

- Gudrun Kordecki/ Christina Drepper Gentechnik in Landwirtschaft und Ernährung, in: Clearingstelle Kirche und Umwelt u.a. (Hrsg.): „...es soll nicht aufhören Saat und Ernte“ (Gen 8, 32). Ein Praxisbuch zum Mehr-Wert nachhaltiger Landwirtschaft, München 2004. G. Kordecki arbeitet seit vielen Jahren am Institut für Kirche und Gesellschaft, Iserlohn, zur Grünen Gentechnik und ist die maßgebliche Autorin zahlreicher Stellungnahmen von evangelischer Seite. Christina Drepper ist Umweltbeauftragte des Bistums Essen und ar-beitet am Dezernat für gesellschaftliche und weltkirchliche Aufgaben. Die Darstellung zielt auf Grundinformation und ethische Diskussion für die kirchliche Bildungsarbeit.

- Clearingstelle Kirche und Umwelt: Dokumentation der Tagungen „Kirchliche Beiträge zu einer nachhaltigen Landwirtschaft mit Forum zur Grünen Gentechnik im März 2004 in Osnabrück (Tagung auf Einladung der Clearingstelle Kirche und Umwelt in Zusammen-arbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und zehn kirchlichen Verbänden bzw. Arbeitsgemeinschaften (in Vorbereitung).

evangelisch

- EKD: Einverständnis mit der Schöpfung. Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik, Gütersloh 2. Auflage 1997 (grundlegende und umfassende Re-flexion, in der die Linie späterer Stellungnahmen definiert wird).

- Forum Umwelt und Entwicklung/Evangelischer Entwicklungsdienst (Hrsg.): Die Bedeu-tung der aktuellen Gentechnikdebatte in der europäischen Union für den Süden, Bonn Ap-ril 2004 (68 Seiten, im Internet unter www.eed.de).

- Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen in der Evangelischen Kir-che in Deutschland (AGU): Gentechnik (Reihe: Bewahrung der Schöpfung praktisch), 2. Auflage Iserlohn 2000 (54 Seiten).

- Kirchliches Umweltmagazin „Forum“ 69 (3/2003) zur Grünen Gentechnik (repräsentative Zusammenfassung der Diskussion in der Evangelischen Kirche in Deutschland)

- Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer in Deutschland e.V. (AEU): Grüne Gentechnik. Vom ritualisierten Streit zum sachorientierten Diskurs, 2. aktualisierte Auflage München 1999.

- Evangelisches Bauernwerk Baden-Württemberg: Abschluss der Diskursrunde zur Grünen Gentechnik – Stellungnahme als Vertretung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur gesellschaftlichen Debatte, Hohebuch 2002.

wissenschaftlich (theologisch-ethisch und interdisziplinär)

- Rosenberger, M.: Grünes Licht für grüne Technik? Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung aus der Sicht der Moraltheologie, in: E. Fulda u.a. (Hrsg.): Ge-machte Natur. Orientierungen zur Grünen Gentechnik (Karlsruher Beiträge zu Theologie und Gesellschaft Bd. 2), Karlsruhe 2001, 64-86 (Michael Rosenberger ist Moraltheologe an der Universität Linz, und Mitglied der österreichischen Gentechnik-Kommission; in dem Tagungsband sind auch einige andere theologisch und naturwissenschaftlich interes-sante Beiträge).

- Hausmanninger, T./ Scheule, R (Hrsg.): ...geklont am achten Schöpfungstag. Gentechno-logie im interdisziplinären Gespräch, Augsburg 1999 (Thomas Hausmanninger ist Sozial-ethiker an der Universität Augsburg; Rupert Scheule sein wiss. Mitarbeiter; die Studie bietet einen sehr guten interdisziplinären Querschnitt der Debatte) .

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- Hofmeister, G.: Ethikrelevantes Natur- und Schöpfungsverständnis. Umweltpolitische Herausforderungen, naturwissenschaftlich-philosophische Grundlagen, schöpfungstheolo-gische Perspektiven, Fallbeispiel: grüne Gentechnik (Darmstädter Theologische Beiträge zu Gegenwartsfragen, Bd. 4). Frankfurt a.M. 1999 (Dissertation mit Vorwort von Günter Altner, gründliche ethische Hintergrundreflexion).

- Irrgang, B./Göttfert, M./Kunz, M. u.a.: Gentechnik in der Pflanzenzucht. Eine interdiszi-plinäre Studie (Forum für interdisziplinäre Forschung Bd. 20), Detttelbach 2000 (Bern-hard Irrgang ist Philosoph und Theologe, hat den Lehrstuhl für Technikfolgenabschätzung und ist Mitglied der Ökologischen AG der DBK; im Hintergrund der Studie steht ein lang-jähriges Studienprojekt des Hochschulinstitutes).

- Busch, R. J.; Haniel, A.; Knoepffer, N.; Wenzel, G. (Hrsg.), (2002): Grüne Gentechnik. Ein Bewertungsmodell, Frankfurt/M. (im Hintergrund steht die Diskussion des Münchner Instituts „Theologie – Technik – Naturwissenschaft“ (TTN).

- Hampel, J. und Renn, O. (1999): Gentechnik in der Öffentlichkeit. Wahrnehmung und Bewertung einer umstrittenen Technologie, Frankfurt/M. und New York (keine unmittel-bare kirchliche Verbindung, aber indirekt über die Mitgliedschaft von O. Renn in der öko-logischen AG der DBK dort als Hintergrundreflexion maßgeblich berücksichtigt; vgl. auch den neueren Aufsatz, der noch mehr auf spezifisch ethische Fragen eingeht: Renn, O./ Hampel, J.(2001): Gentechnik, öffentliche Meinung und Ethik. In: M. Weber und P. Hoyningen-Huene (Hrsg.): Ethische Probleme in den Biowissenschaften, Heidelberg:, 133-146.

Resümee

Diese Aufzählung ist nicht vollständig, sondern sie ist darauf angelegt, einen repräsentativen Querschnitt der kirchlichen Diskussion zur Grünen Gentechnik zu bieten:

- Generell zeigt dieser Ausschnitt, dass die Diskussion um Grüne Gentechnik in den Kir-chen intensiv geführt wird.

- Die Stellungnahmen sind nicht einheitlich: Auf katholischer Seite findet sich einerseits die sehr strikte Kritik der Umweltbeauftragten, von Misereor sowie internationalen Studien einiger Jesuiten, auf der anderen Seite die deutlich positiver geprägte Haltung in dem vom Vatikan veröffentlichten Kompendium der katholischen Soziallehre. In der Evangelischen Kirche zeichnet sich eine breite Mehrheit mit deutlich kritischer Haltung ab; eine Aus-nahme sind Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Unternehmer und des Münchner Instituts „Technik – Theologie – Naturwissenschaft“ (TTN), die in der Grünen Gentechnik primär Chancen sehen.

- Die Diskussion wird nicht nur theoretisch geführt: Auch die Praxis der Diözesen, die teil-weise große landwirtschaftliche Flächen verpachtet haben, ist derzeit weitgehend restrik-tiv. In den sieben bayerischen Diözesen ist der Anbau GVO genehmigungspflichtig und bisher nirgendwo genehmigt. Auch in den anderen Diözesen Deutschlands ist der Anbau faktisch meines Wissens nirgendwo genehmigt.94

- Einige Texte, die wichtig und/oder nicht leicht zugänglich sind, werden im Anhang zur Information mitgegeben. Für die ethisch bedeutsame und eigenständige Frage der Akzep-tanz Grüner Gentechnik in den Kirchen ist die Auseinandersetzung mit den Argumentati-onsmustern dieser Quellen unverzichtbar.

94 Vgl. Pachtvertrag für die bayerischen Diözesen, § 8: „ ... Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist

nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verpächters im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu-lässig.“ Den besten Überblick zum aktuellen Stand kann Gotthard Dobmeier, der Sprecher der Umweltbeauf-tragten, geben (Erzbischöfliches Ordinariat München und Freising, Pf. 330 360, Tel.: 089-2137-1514).

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Die Unterschiede zwischen den Stellungnahmen sind erheblich. Wenn man die anfangs dar-gestellte Differenzierung unterschiedlicher Diskussionsebenen berücksichtigt, kann man darin teilweise eine wechselseitige Ergänzung sehen. Dennoch spiegeln sie nur einen Teil des Spektrums der Argumente wieder. Mehr sollte man von ihnen auch nicht erwarten. Dann aber sind sie ein wichtiger Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte über die ethische und demokrati-sche Legitimation Grüner Gentechnik, der vor ihrer breiten Einführung berücksichtigt werden sollte.

4.3 Gesetzliche Regelungen zur Frage der Koexistenz

Seit langem wird in der EU über die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) gestritten. Seit 1998 sind keine neuen gentechnisch veränderten Pflanzen und seit 2000 keine solchen Produkte in der EU zugelassen worden. Im Februar 2004 wurde das Moratorium auf-gehoben, wobei die Einzelregelungen für Anbau und Verbreitung als eher restriktiv gelten, jedoch zugleich ein Reihe von ungeklärten Fragen und Lücken aufweisen.95

Zusammen mit dem Forum Umwelt und Entwicklung des Deutschen Naturschutzrings hat der Evangelische Entwicklungsdienst die EU-Gesetzgebung aus globaler Perspektive kommen-tiert und kommt zu folgendem Resümee: „Die Auseinandersetzung um die Frage, ob Gen-technik zum Beispiel als möglicher Beitrag für die Hunger- und Armutsbekämpfung nötig ist, entscheidet sich zunehmend über die Fragen der Möglichkeit, diese Technik zu regulieren“96 Die Entwicklungsländer seien dabei auf die Vorbildrolle der EU angewiesen, viele seien des-orientiert, unter starkem Druck der USA sowie ihrer Verbündeten in der Miami-Gruppe und überhaupt nicht darauf vorbereitet, eine Koexistenz zwischen gentechnikfreier und gentech-niknutzender Produktion sicherzustellen. Bei der allein auf die eigenen Belange abgestellten Aufhebung des Moratoriums sei sich die EU nicht hinreichend der weltweiten Signalwirkung ihres Handelns bewusst.

Innerhalb Europas war die Aufhebung des Moratoriums dagegen durchaus vorbereitet und durch viele Einzelregelungen flankiert. Die EU-Kennzeichnungsverordnung regelt die Kenn-zeichnung und Rückverfolgbarkeit für gentechnisch veränderte Lebensmittel. Kennzeich-nungspflichtig sind demnach Lebensmittel, Zutaten und Zusatzstoffe immer dann, wenn sie aus GVO bestehen, aus ihnen hergestellt oder mit ihnen hergestellt wurden, unabhängig da-von, ob die GVO noch nachgewiesen werden können oder nicht. Sie ist seit dem 18. April 2004 unmittelbar gültig und bedarf keiner weiteren Umsetzung in nationales Recht.

Von zentraler Bedeutung sind die Probleme der Saatgutkontamination mit GVO, der Kenn-zeichnung von Lebens- und Futtermitteln, der Sicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft sowie Haftungsfragen. Für die Koexistenz von landwirtschaftlichen Betrieben, die auf den Einsatz von Grüner Gentechnik setzen oder bewusst darauf verzichten, hat sich die Diskussi-on auf die folgenden drei Aspekte konzentriert:97

(1) Saatgutkontamination: Die Frage ist, ob eine solche Kontamination hinnehmbar ist und wer darüber entscheiden darf; ferner wie hoch die GVO-Kontamination von Saatgut sein

95 Zu einem Überblick vgl. Di Fabio, U./Kreiner, S.: Bio- und Gentechnik, in: H.-W. Rengling: Handbuch zum

europäischen und deutschen Umweltrecht, 2. überarb. Aufl. Köln 2003, Bd. II, Teilband I, 678-762 (= § 63); www.genethisches-netzwerk.de; www.agrar.de.

96 Forum Umwelt und Entwicklung/ Evangelischer Entwicklungsdienst (Hrsg.): Die Bedeutung der aktuellen Gentechnikdebatte in der Europäischen Union für den Süden, Bonn April 2004, 53 (Kapitel 9) (68 Seiten, im Internet unter www.eed.de).

97 Vgl. zum Folgenden Baier, A. et al. (2001): Grüne Gentechnik und ökologische Landwirtschaft. Bericht des Umweltbundesamtes. UBA-Texte 23/01; aktuelle Informationen im Internet: www.genethisches-netzwerk.de; www.greenpeace.de (Datenbank der Verbraucherinitiative); [email protected] (Infodienst); www.novartis,de; www.monsanto.de; www.aventis.de; www.transgen.de; www.biosicherheit.de; www.stmugv.bayern.de.

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darf. Saatgut nämlich steht ganz am Anfang der Produktionskette, und jede Verunreini-gung potenziert sich – vom Züchter zum Landwirt über die Verarbeitung bis in den Ein-kaufsladen.

(2) Kosten durch Einkreuzungen: Was geschieht, wenn der Nachbar eines Bauern gentech-nisch veränderte Pflanzen anbaut? Einkreuzungen durch gentechnisch veränderten Pol-len über weite Entfernungen sind beim landwirtschaftlichen Anbau wahrscheinlich, auch in verwandte Wildformen.98 Pflanzen können auswildern, wenn sie durch konventionel-le oder gentechnische Züchtung bessere Potentiale zum Überleben in nicht vom Men-schen geschaffenen Lebensräumen haben. Eigenschaften können „vertikal“, d. h. über Pollen vermittelt, oder „horizontal“, also über freie DNS, die nicht zellgebunden vor-liegt, auf andere Organismen übertragen werden. Probleme gibt es auch bei den weiteren Stufen der Produktionskette, bei der Verarbeitung und beim Handel. Die zusätzlichen Kosten für Hecken und Abstandsflächen, die solche Auskreuzungen verhindern sollen, können zwischen fünf und 40 Prozent liegen.99 Wer trägt diese Kosten? Nochmals ver-schärft wird diese Problematik im ökologischen Landbau. Denn Ökobauern, die wegen der von ihnen nicht verschuldeten Verunreinigung ihrer Ernten mit gentechnisch verän-derten Pflanzen ihre Erzeugnisse nicht mehr als Ökoprodukte verkaufen können, er-leiden beträchtliche finanzielle Einbußen.

(3) Haftung: Angesichts der Schwierigkeit, die genaue Herkunft von Pollenflug nachzuwei-sen, ergibt sich ein erhebliches Problem, nämlich zu regeln, wer für einen Schaden haf-tet. Soll die Haftungsfrage national oder EU-weit geklärt werden? Der Deutsche Bau-ernverband fordert, die Bedingungen der Koexistenz angesichts des Binnenmarkts und der grenzüberschreitenden Warenströme EU-weit festzulegen und nicht den einzelnen Mitgliedsstaaten zu überlassen. Nach der gegenwärtigen Regelung trägt der Landwirt, der genmanipulierte Erzeugnisse verwendet, das alleinige Risiko, während die Erzeuger der GVOs aus der Haftungspflicht ausgenommen sind. Die Haftungsfrage bringt große organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten mit sich, insbesondere bei kleinräumi-ger Landwirtschaft.100 Gegenwärtig gilt die Frage der ökonomischen Haftung den Versi-cherungsunternehmern als unabschätzbar, weshalb sie keinen Versicherungsschutz an-bieten.

Vor allem aus Angst vor dem Haftungsrisiko lehnen es gegenwärtig die Bauern und auch der Deutsche Bauernverband mehrheitlich ab, gentechnisch verändertes Saatgut auszubringen. Während sich in der Diskussion um „konventionelle“ und „ökologische“ Landwirtschaft die ideologische Polarisierung lockert und teilweise gar auflöst, führt die unterschiedliche Ein-schätzung der Grünen Gentechnik, besonders zwischen den west- und ostdeutschen Bauern, zu neuen Grabenkämpfen.

In Deutschland wurde am 21. 6. ein „Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts“ verab-schiedet. Hauptanliegen der Novelle des Gentechnikgesetzes ist es, „neben dem Schutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit die konventionelle gentechnikfreie und die ökologische Landwirtschaft vor Auskreuzungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu schützen.“101 Bei der Gentechnik haben die EU-Mitgliedstaaten durch umfassende Vorgaben des EU-Rechts nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum. Während die Kennzeichnung

98 Vgl. Gentechnik in der Landwirtschaft – Entschließungsvorlage für den Diözesanrat in der Erzdiözese Frei-

burg 3/04: Die Koexistenz von gentechnikfreier und gentechniknutzender Landwirtschaft wird als prinzipiell unmöglich erachtet, weil die Aussaat von GVOs in der freien Natur weder eingegrenzt noch rückgängig ge-macht werden kann. Damit wird die Freisetzung von GVO zu einem Experiment mit unabsehbaren Folgen.

99 Das haben verschiedene Studien der EU- Kommission, des Öko-Instituts Freiburg und des Forschungsinsti-tuts für biologischen Landbau errechnet.

100 Vgl. Unsöld, D.: Neue EU-Verordnungen beenden Gentech-Moratorium, in: Forum 69 (a.a.O.), 26-31, hier 42. 101 Vgl. BMU, Grüne Gentechnik konkret. Erläuterungen zur Novellierung des Gentechnikgesetzes,

www.bmu.de/... sowie www.genfood.at/Aktuell/News/959/index.html.

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und das Inverkehrbringen von GVOs zu Versuchszwecken oder zum Verkauf weitgehend auf EU-Ebene geregelt sind, haben die Mitgliedstaaten bei der Frage, ob und wie sie das Neben-einander des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und nicht gentechnisch veränderter Pflanzen regeln, einigen Handlungsspielraum. Es gibt aber auch auf EU-Ebene das Bemühen, einheitliche Regelungen hierfür zu etablieren.

Das Gesetz enthält zum Schutze der gentechnikfreien Landwirtschaft insbesondere drei In-strumente:

- „Eine Vorsorgepflicht zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen durch GVO, vor allem eine Pflicht zur Einhaltung der „guten fachlichen Praxis" beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen,

- ein Standortregister, über das Landwirte präzise Informationen über den Anbau gentech-nisch veränderter Pflanzen in ihrer Nachbarschaft erhalten können,

- Ausgleichsansprüche gegenüber dem GVO-Anbauer, wenn es zu wesentlichen Beein-trächtigungen durch Auskreuzungen kommt.“ (ebd.)

Die Vorsorgepflicht umfasst danach vor allem die Vermeidung von drei möglichen Beein-trächtigungen der Nachbarn: 1. Wenn der Nachbar aufgrund von Pollenflug seine Erzeugnis-se nicht mehr in Verkehr bringen darf, weil sie Spuren von GVO enthalten, die noch nicht für ein Inverkehrbringen zugelassen sind. 2. Wenn durch die Auskreuzung von GVO ein Nachbar seine Erzeugnisse als „genetisch verändert" kennzeichnen muss (mehr als 0,9 Prozent gen-technisch veränderte Organismen). 3. Wenn durch die Auskreuzung von GVO ein Nachbar seine Erzeugnisse nicht mehr als aus ökologischem Landbau stammend oder mit dem Hinweis „ohne Gentechnik" kennzeichnen darf.

Damit das Ziel, wesentliche Beeinträchtigungen durch das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO zu vermeiden, erreicht werden kann, zählt das Gesetz verschiedene Grundpflichten auf, wie z.B. die Einhaltung von Mindestabständen zwischen Feldern. Außerdem muss derje-nige, der mit GVO kommerziell umgeht, entsprechende Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertig-keiten und Ausstattung nachweisen. Derjenige, der GVO in Verkehr bringt, muss eine Pro-duktinformation mitliefern („Beipackzettel"), aus der hervorgeht, wie beim Umgang mit dem jeweiligen GVO wesentliche Beeinträchtigungen der Nachbarn vermieden werden können.

Das Standortregister (§ 16a) ist ein auch über das Internet zugängliches, öffentliches Register, in dem Informationen über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland ge-speichert sind (www.bvl.bund.de/standortregister). Wer ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, hat einen Anspruch auf weitere detaillierte Auskunft. Daher kann insbesondere ein möglicherweise beeinträchtigter Nachbar eines GVO-Feldes Auskunft über das betreffen-de Flurstück erhalten.

Zur Regelung der zivilrechtlichen Abwehr- und Ausgleichsansprüche (§ 36a) setzt das Gesetz auf eine gesamtschuldnerische Haftung der betreffenden GVO-Nachbarn, so dass der Beein-trächtigte, wenn er nicht nachweisen kann aus welchem Feld der Pollenflug kann, selbst ent-scheiden kann, gegen welchen Nachbarn er seinen Ausgleichsanspruch geltend macht.

Darüber hinaus muss der Antragsteller künftig einen Entwurf für einen Plan mit Beobach-tungsmaßnahmen (Monitoring) vorlegen, um eine Genehmigung zum Inverkehrbringen von GVO auf EU-Ebene zu erhalten. Damit soll die Sicherheit von Umwelt und Gesundheit so gut wie möglich gewährleistet werden. Genehmigungen zum Inverkehrbringen von GVO werden künftig für höchstens zehn Jahre erteilt. Zum Schutz ökologisch besonders sensibler Gebiete, die zu dem europäischen „Natura 2000"-Netzwerk gehören, gibt es Sonderregeln. Rechtsver-ordnungen, die das Inverkehrbringen und die Koexistenz detailliert regeln sollen, sind geplant und bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

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Die Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist kritisch: "Der Gesetzentwurf schränkt in seinen Auswirkungen die Freiheit der Forschung erheblich ein. ... In § 1 Nr. 1 wird beim Schutzziel des Gesetzes die ’Berücksichtigung ethischer Werte’ neu eingeführt. Das überzeugt nicht. Der vom Gesetz bezweckte Schutz ist selbst ein ethischer Wert. Die ‚Be-rücksichtigung ethischer Werte’ stellt in einem Gesetzestext einen unbestimmten Rechtsbeg-riff dar.“102 In einem Beschluss vom 18. 6. 2004 bezeichnet die Junge Union Bayern das Ge-setz als „Verhinderungsgesetz“ und setzt dagegen das Plädoyer für einen offenen Umgang mit der Gentechnik zur Stärkung des Standorts Deutschland. Die Charakterisierung als „Verhin-derungsgesetz“ scheint nicht unberechtigt103; sie passt allerdings wenig zur in der gleichen Stellungnahme mehrfach geäußerten Einschätzung, dass es gar „kein Risiko“ gebe.

Beide genannten kritischen Stellungnahmen sind eher polemisch als argumentativ differen-ziert. Der Vorschlag eines Haftungsfonds statt der gesamtschuldnerischen Haftung bringt Fi-nanzierungsprobleme, der Vorschlag, die Haftung auf nachweisbare Verstöße gegen die „gute fachliche Praxis“ zu begrenzen, entzieht einen wesentlichen Teil des diskutierten Risikos der rechtlichen Regelung. Gegenwärtig ist das Haftungsrisiko jedoch überproportional auf die Schultern der Landwirte, die GVOs einsetzen wollen, verlagert, wofür wesentlich auch die Gentechnik produzierenden Firmen mit ihrer weitgehenden Ablehnung der Haftungsrisiken selbst die Verantwortung tragen. Es fehlt an wichtigen Erfahrungswerten im Umgang mit GVOs.

4.4 Bedingungen ethischer und demokratischer Legitimation

Statt einer abschließenden Bilanz möchte ich dem Ergebnis des bisherigen Diskurses nicht mehr und nicht weniger Gewicht geben als dem einer Zwischenbilanz. Die folgenden Grund-sätze und Bedingungen104, verstehen sich als Voraussetzungen dafür, dass eine mögliche An-wendung der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ethisch positiv be-wertet werden kann. Die eher restriktive Formulierung zielt nicht auf Ablehnung, sondern auf die Schaffung von Voraussetzungen und Rahmenbedingungen dafür, dass die Entwicklung erkennbar an den Bedürfnissen der Ernährungssicherung für alle Menschen und der Förde-rung nachhaltiger Strukturen in der Landwirtschaft ausgerichtet wird:

(1) Sicherheit: Der Schutz vor Auskreuzen muss auf einem als „sicher“ geltenden Niveau gewährleistet werden. Dazu bedarf es sortenspezifischer Abstandsregeln sowie einer langfristigen Begleitforschung zum Pollenflug von GVOs. Da es in der Regel kaum ein-deutige naturale Schwellenwerte für die Grenze, ab der eine Auskreuzung als „gefähr-lich“ zu gelten hat, gibt, müssen diese in gesellschaftlichem Konsens definiert wer-den.105 Risiken sind immer auch eine abhängige Variable der gesellschaftlichen Risiko-

102 Vgl.: www.dfg.de/aktuelles_presse/reden_stellungnahmen/2004/download/gentechnikrecht_0604.pdf 103 Die Angst vor indirekter Verhinderung von Gentechnik durch Auflagen ist nicht ohne historischen Grund:

Vor gut 20 Jahren war Deutschland führend in einigen Bereichen der „weißen Gentechnik“ (vor allem Fer-mentationsbereich sowohl in der Forschung als auch in der Produktion von Produkten aus Mikroorganismen, z.B. technische Enzyme sowie Insulinherstellung der Firma Höchst) und hat u.a. durch starke Auflagen im ersten Gentechnikgesetz der damaligen Bundesrepublik den Anschluss verloren. Heute teilen NOVO (Ko-penhagen) und Genencor (Palo Alto) den Markt praktisch unter sich auf. Der volkswirtschaftliche Schaden, den dieses Gesetz für den Standort Deutschland verursacht hat, wird auf -zig Milliarden EURO geschätzt.

104 Vgl. dazu auch teilweise Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Agrarpolitik muss wieder Teil der Ge-sellschaftspolitik werden, Bonn 2003 (a.a.O.), 22f.

105 Da Konsens in pluralistischen Gesellschaften nur begrenzt erreichbar ist, gilt hier einerseits das Mehrheits-prinzip mit Minderheitenschutz, andererseits kann man versuchen, Risiken wissenschaftlich abzuschätzen und die Zumutbarkeit von Risiken durch Vergleiche mit der Risikobereitschaft der mittelbar und unmittelbar Betroffenen in anderen Feldern zu eruieren. Dabei muss jedoch auch eine subjektive Komponente der oft in-dividuell sehr unterschiedlichen Risikowahrnehmung berücksichtigt werden. Vgl. Der Rat von Sachverstän-digen für Umweltfragen (SRU), Jahresgutachten 1996, Stuttgart 1996, Kapitel 4 (Grenzwerte) und Renn, O./ Klinke, A: Risikoabschätzung und -bewertung (a.a.O.).

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bereitschaft. Sie sind keine Naturphänomene, sondern aufgrund ihrer Abhängigkeit von technischen Messmethoden, erkenntnistheoretischen Voraussetzungen, kulturellen Prä-ferenzen und politischen Variablen dem Wandel und damit auch der ethischen Verant-wortung unterworfen. Die naturalistische Verbergung der kulturellen Variablen hinter angeblich objektiven toxikologischen Schwellenwerten führt zwangsläufig zu Fehlurtei-len.106 Maßstab für die Sicherheit der Gentechnik kann nicht die Fiktion eines „Null-Risikos“ sein, sondern der gesellschaftliche Konsens auf der Basis der genannten wis-senschaftlichen, kulturellen und institutionellen Voraussetzungen. Ob der auf 0,9 % festgelegte Grenzwert in der EU auf Dauer den Sicherheitserwartungen genügen kann, muss diskutiert und geprüft werden.

(2) Vorsorge: In der aktuellen Gesetzesvorlage ist die Vorsorgepflicht als „Einhaltung der guten fachlichen Praxis" definiert und auf den Schutz der Nachbarn vor Pollenflug, der seine Erzeugnisse im Verkauf als „ohne Gentechnik“ bzw. „ökologisch“ beeinträchtigt, bezogen. Konkretisiert wird dies durch die Forderung nach Mindestabständen zwischen Feldern sowie den Nachweis von bestimmten Kenntnissen, Fertigkeiten und Ausstattun-gen. Im Bereich von Verbraucher- und Gesundheitsschutz geht es wesentlich um Vor-sorgemaßnahmen gegen die Ausweitung der Antibiotika-Resistenz und ein risikoorien-tiertes Überwachungskonzept zur Kontrolle importierter Lebensmittel. Als Entschei-dungsmethode ist Einzelfallprüfung sowie eine Bewertung der Ziele, eine Abschätzung der Folgen und ein Vergleich mit den möglichen Alternativen angesagt.

(3) Haftung: Landwirte müssen selbst entscheiden können, ob sie mit oder ohne Gentechnik wirtschaften. Eine strikte Trennung von gentechnisch veränderten und gentechnikfreien Anbauweisen, Verarbeitungs- und Vermarktungsprozessen ist daher unabdingbar. Die Kosten dafür dürfen nicht den konventionell oder ökologisch produzierenden Landwir-ten auferlegt werden. Im Haftungsrecht ist strikt das Verursacherprinzip bei den Nutzern von GVOs anzuwenden. Die Beweislast liegt bei ihnen. Gesetzlich wurde dafür das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung der betreffenden GVO-Nachbarn eingeführt. Wenn der Beeinträchtigte nicht nachweisen kann, aus welchem Feld der Pollenflug kam, darf er selbst entscheiden, gegen welchen Nachbarn er seinen Ausgleichsanspruch gel-tend macht.

(4) Kontrolle: Wissenschaftliche Begleitforschung zur Beobachtung und Bewertung der möglichen Risiken sowie zum Umgang mit unvorhergesehenen Situationen und Kon-flikten (sozialwissenschaftlich erweitertes Monitoring) muss etabliert werden. Zusätz-lich ist – inzwischen auch gesetzlich - ein öffentlich zugängliches Standortregister, über das Landwirte präzise Informationen zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in ihrer Nachbarschaft erhalten können, erforderlicheingeführt. Allerdings bedarf es dann auch eines Schutzes der Felder vor „Gen-Vandalen“, die sie aus Überzeugung, Angst und/ oder zu Zwecken der politischen Demonstration zerstören.

(5) Transparenz und Wahlfreiheit: Menschen müssen frei entscheiden können, sich so zu ernähren, wie sie es für gesund, ökologisch und ethisch unbedenklich halten. Deshalb ist eine klare und umfassende Kennzeichnung für alle gentechnisch veränderten Lebensmit-tel und Lebensmittelbestandteile unerlässlich. Um echte Kundensouveränität zu gewähr-leisten, bedarf es aber nicht nur der Deklaration der Inhaltsstoffe und der Rückverfolg-barkeit der Herkunft von Lebensmitteln, sondern auch der intensiven und glaubwürdi-

106 Für die ethische Bewertung von Grenzwerten sind deshalb grundsätzlich zwei Dinge zu fordern: a) Offenle-

gung der Kriterien, nach denen sie festgelegt wurden. b) Institutionelle Festlegung der Entscheidungskompe-tenz nach demokratischen Regeln. Nur so kann dem Misstrauen gegenüber Grenzwerten im öffentlichen Be-wusstsein aufgrund der starken Schwankungen, denen Umweltstandards unterworfen sind, begegnet werden.. Vgl. dazu grundlegend: Gethmann, C.F./ Mittelstraß, J.: Maße für die Umwelt, in: Gaia (Ökologische Per-spektiven in Natur-, Kultur- und Wirtschaftswissenschaften) Heft 1, Basel 1992, 16-25, 18.

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gen Verbraucherberatung und öffentlichen Aufklärung, um der Desorientierung durch unverarbeitete Informationen entgegenzuwirken.

(6) Soziale Folgen: Die Weiterentwicklung der Gentechnik hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Struktur der Landwirtschaft. Um diese auch in den komplexen globalen Zusam-menhängen sozial und ökologisch verantwortbar zu gestalten, besteht ein hoher Bedarf an sozialethisch erweiterter Risikoforschung sowie an gesellschaftlich klar vereinbarten und national wie international kontrollierbaren Grenzen. Die Auswirkungen der Grünen Gentechnik für die bäuerliche Landwirtschaft in Entwicklungsländern sind ein vorrangi-ger Maßstab der Gerechtigkeit, der bei ihrem Einsatz berücksichtigt werden muss.

4.5 Verantwortung in der Dialektik von Fortschritt und Risiko

Die ethischen Probleme der mit Hilfe Grüner Gentechnik "gemachten Natur" liegen nicht primär darin, dass die ökologischen und gesundheitlichen Risiken eine neue Qualitätsstufe darstellen würden, sondern darin, dass sie bisher eher problematische Strukturen der landwirt-schaftlichen und agrarpolitischen Entwicklung verstärken oder zumindest in diese einge-spannt sind und es so völlig offen ist, ob die tatsächliche Forschung und Nutzung wirklich konsequent auf Nachhaltigkeit sowie Ernährungssicherung der Ärmsten ausgerichtet sind. Die Chancen, die sich mit Grüner Gentechnik verbinden, sind so groß, dass eine verstärkte For-schung ethisch zu begrüßen und zu fordern ist. Aber nur im Rahmen klarer und international abgestimmter und kontrollierbarer Regulierungen kann sichergestellt werden, dass ihre prakti-sche Anwendung auch wirklich dem Wohl des Menschen dient und sich angemessen in die Ordnung der Schöpfung einfügt. Notwendig ist eine verstärkte spezifisch soziale Folgenab-schätzung.

Letztlich kann aber auch der hochkomplexe ökologische, medizinische und soziologische Fachdiskurs um die Abschätzung der Folgen Grüner Gentechnik keine hinreichende Antwort geben auf die tiefen ethischen Kontroversen, die von ihr ausgelöst wurden und werden: Not-wendig ist eine philosophische, theologische und kulturelle Klärung der Fortschrittserwartun-gen. Der Diskurs um die Grüne Gentechnik ist der derzeit prägnanteste Modellfall für die latente Spannung zwischen höchst widersprüchlichen und oft ungeklärten Fortschrittserwar-tungen und -ablehnungen in der postmodernen Moderne.107

Die „postmoderne Moderne“ lässt sich durch eine paradoxe Mischung aus gebrochenem und gesteigertem Fortschrittsglauben charakterisieren, in der Ablehnung und Überhöhung von Zukunftserwartung und -planung recht unvermittelt nebeneinander stehen. Aus Mangel an einem Konsens über inhaltlich bestimmte Maßstäbe von Fortschritt verständigt man sich als Ersatz dafür auf das Prinzip der quantitativen Steigerung von Produktivität (Wachstum) und Verfügungswissen (Information, technische Naturbeherrschung). Heute stellen (rote und grü-ne) Gentechnik eine wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich zentrale Projektionsfläche für ganz unterschiedliche, oft überhöhte Fortschrittserwartungen und -befürchtungen dar. Die Kirchen stehen mitten in dem Konflikt des Ringens um einen neuen Fortschrittsbegriff: einerseits sind die jüdisch-christliche Konzeption eines linearen statt eines zyklischen Ver-laufs der Geschichte sowie eine Kosmologie, in der Gott und Welt voneinander getrennt sind, letztere also einen Entwicklungsfreiraum besitzt, wesentliche geistesgeschichtliche Voraus-setzungen der Fortschrittsidee. Andererseits besteht ein Spannungsverhältnis zwischen christ-lichem Glauben und neuzeitlichem Fortschrittsglauben, der die Zukunft als ein offenes Pro-jekt unendlicher Progression deutet und dessen vor allem naturwissenschaftlich, technisch 107 Vgl. zum Folgenden: Beaufort, J/ Gumpert, E./ Vogt, M. (Hrsg.)(2003): Fortschritt und Risiko. Zur Dialektik

der Verantwortung in (post)-moderner Gesellschaft (Forum für interdisziplinäre Forschung 21), Dettelbach; Vogt, M. / Ostheimer, J. (20054): Fortschrittsglaube; in: H. Baer u.a. (Hrsg.): Lexikon neu religiöser Grup-pen, Szenen und Weltanschauungen, Freiburg, 385-390.

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und wirtschaftlich erfolgreiches Fortschrittsstreben sich als ‚Säkularisierung des Heilsglau-bens’ verstehen lässt.108 Theologisch ist darauf zu antworten: Jeder Fortschritt ist ambivalent, bringt mit größeren Chancen zugleich auch größere Gefährdungen. Dies gilt auch für die Grüne Gentechnik. Wer sie mit quasi heilsgeschichtlichen Erwartungen verbindet, wie etwa die Überwindung des Hungers oder die Utopie einer aus sich selbst heraus „sanften Technik“, macht sie zur Ideolo-gie.109 Menschliche Geschichte ist immer eine Geschichte von vielfältigen Fortschritten; aber auch eine Geschichte von Rückschlägen und neuen Gefahren. "Der märchenhafte Fortschritt der Verfügbarkeit an wundervollen Möglichkeiten scheint untrennbar verbunden mit dem grauenhaften Fortschritt an Zerstörung und Vernichtung unwiederbringlicher Werte."110 Fort-schritt im Singular gibt es nicht. Nur wer Gentechnik nüchtern in dieser Ambivalenz einzu-schätzen weiß, ist ihr ethisch gewachsen. Es liegt auf der Hand, dass bloßes Wachstum von Wissen und Wohlstand nicht den Gehalt des Fortschritts (im utopischen Sinn) ausmachen kann; notwendige Maßstäbe sind vielmehr Gerechtigkeit, Freiheit und Lebensqualität auf globaler Ebene. Fortschritt braucht Maßstäbe, die ihm Richtung geben, sonst schlägt er in sein Gegenteil um, weil seine Erfolge moralisch und technisch nicht mehr bewältigt werden können. Gerade aufgeklärtes Denken muss sich auf Werte, Regeln und Grenzen verständigen, wenn es einen „Fortschritt nach menschlichem Maß“ ermöglichen will.111 Jeder Fortschritt ist mit Risiken verbunden. Diese weisen jedoch zu Beginn des 21. Jh.s teil-weise eine neue Struktur und Qualität auf, die das bisherige Fortschrittskonzept in Frage stel-len. Aufgrund ihrer Langfristigkeit, Entferntheit und Komplexität entgehen sie oft der sinnli-chen Wahrnehmung. Deshalb reagiert das natürliche „Frühwarnsystem“ des Menschen unzu-reichend - entweder mit Panik oder mit Lethargie. Dies zeigt sich in dem teilweise höchst irrationalen Umgang mit Fortschritten und Risiken in der öffentlichen Diskussion und in der gesellschaftlichen Praxis (dem relativ hohen Risikobewusstsein in Fragen der Grünen Gen-technik steht eine vergleichsweise hohe individuelle Risikofreudigkeit im Mobilitätsverhalten und eine Reaktionsträgheit hinsichtlich der Risiken von Klimaveränderungen gegenüber). Angesichts der dialektischen Dynamik von Fortschritt und Risiko als einer unhintergehbaren Vorraussetzung menschlicher und gesellschaftlicher Entwicklung bleibt nur ein Reflexions-modell von Aufklärung und Technik112: Fortschrittsstreben und damit Risikobereitschaft sind unverzichtbar, da die wissenschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Innovationsfähigkeit die wichtigste Ressource der Zukunftsfähigkeit darstellt. Eine vertiefte Aufklärung über die Bedingungen und Werte des Fortschritts ist jedoch unverzichtbar für seine Verantwortbarkeit. Das Streben nach Verbesserung der individuellen und gesellschaftlichen Verhältnisse ist anth-ropologisch grundgelegt. Dabei ist Fortschritt jedoch keine Kategorie objektiver Geschichts-deutung, sondern vielmehr eine unverzichtbare moralisch-politische Vernunftidee (Kant). Sie bedarf einer Orientierung jenseits von linearen Fortschrittsvorstellungen, die den Menschen

108 Vgl. Blumenberg, H. (1974): Säkularisierung und Selbstbehauptung. Frankfurt/M.; Kaufmann, F.-X. (1989):

Religion und Modernität. Sozialwissenschaftliche Perspektiven, Tübingen. 109 Sloterdijk, P. (1999): Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zu Heideggers Brief über den

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110 Markl, H.: Die Fortschrittsdroge, Zürich 1992, 9. Markl bezeichnte die Faszination des Fortschritts, die unab-hängig von allem Wissen um seine Gefahren wirksam ist als typisches Merkmal einer Sucht - deshalb sein Buchtitel "Die Fortschrittsdroge"

111 Rau, J. (2001): Wird alles gut? Für einen Fortschritt nach menschlichem Maß. „Berliner Rede“ am 18. Mai 2001, hg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin; Spaemann, R. (1981) u.a. (Hg.): Fortschritt ohne Maß? Eine Ortsbestimmung der wissenschaftlich-technischen Zivilisation. München.

112 Hasted, H. (1991): Aufklärung und Technik. Grundprobleme einer Ethik der Technik, Frankfurt a.M., 283-292; entfaltet im Kontext der Biotechnologie: ebd. 83-104.

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für einzelne Verbesserungen seiner Lebenssituation dynamisch motiviert und diese würdigt, ohne die Erfolge in der Behauptung subjektunabhängiger Wertmaßstäbe als geschichtliche Tatsache zu verabsolutieren und gegen Kritik zu immunisieren. Die Suche nach einer solchen human angemessenen Balance von Fortschrittshoffnung und Fortschrittskritik ist eine stets neue Herausforderung.113 Fortschritt gibt es nur in kontingenter, vorläufiger und pluraler Form. An diesem mitzuwir-ken, gehört jedoch zum christlichen und kirchlichen Auftrag, da die Schöpfung prinzipiell gut, in die Dynamik des Heilsgeschehens eingebettet und dem Menschen als Raum von Freiheit, Gestaltung und Verantwortung aufgegeben ist. Von daher ist auch das „Prinzip Verantwor-tung“, das Hans Jonas als Gegenmodell zum Blochschen „Prinzip Hoffnung“ und damit als kritisches Gegenmodell zur neuzeitlichen Fortschrittsutopie versteht, nicht resignativ gegen den Fortschrittsglauben auszuspielen, sondern im Sinne einer intelligenten Selbstbeschrän-kung zu entfalten. Eine solchermaßen differenzierte Zukunftshoffnung jenseits von linearem, utopisch aufgeladenem Fortschrittsglauben ist als kritischer Maßstab an die Grüne Gentechnik anzulegen. Die Diskussion um Grüne Gentechnik bleibt abstrakt und erzeugt nur leere Ge-meinplätze114, wenn sie nicht konsequent in den Kontext der Fragen nach einer Neuausrich-tung der Landwirtschaft insgesamt gestellt wird. Denn der Fortschritt, den sie erzeugt, ist e-thisch gesehen kein Selbstzweck, sondern danach zu bewerten, welche Art von Landwirt-schaft er begünstigt und damit welchen Werten er dient.

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des Fortschritts, das war alles und ergab zwei Gemeinplätze.“ (zitiert nach Hasted 1991, 6.

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Zum Autor Prof. Markus Vogt, Dr. theol. M.A. phil., geb. 1962 in Freiburg i.Br., Studium der Theologie und Phi-losophie in München und Jerusalem, 1992-1995 wiss. Mitarbeiter im Sachverständigenrat für Umwelt-fragen der Bundesregierung. Seit Oktober 1998 Professur für Christliche Sozialethik an der Philoso-phisch-Theologischen Hochschule der Salesianer Don Boscos in Benediktbeuern und Leitung der dor-tigen Clearingstelle „Kirche und Umwelt“ (Gemeinschaftseinrichtung von Hochschule und Kommis-sion VI der Deutschen Bischofskonferenz). Seit 1999 Leitung der Arbeitsgruppe Umwelt des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen. Vom Oktober 2002 bis September 2004 fand an der Clearingstelle Kirche und Umwelt ein von der Deutschen Bundesumweltstiftung (dbu) gefördertes Forschungsprojekt "Kirchliche Beiträge zu einer nachhaltigen Landwirtschaft" statt. Dieses steht im Hintergrund der hier veröffentlichten Reflexion, ebenso wie zwei kirchliche Schriften zu aktuellen Fragen der Landwirtschaft, an denen der Autor mit-gearbeitet hat: - Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland/ Sekretariat der Deutschen Bischofs-

konferenz: Neuorientierung für eine nachhaltige Landwirtschaft. Ein Diskussionsbeitrag zur Lage der Landwirtschaft, Hannover/ Bonn 2004 (Gemeinsame Texte 18).

- Zentralkomitee der Katholiken: Agrarpolitik muss wieder Teil der Gesellschaftspolitik werden. Plädoyer für eine nachhaltige Landwirtschaft, Bonn 2004.

Kontakt und Informationen zur Arbeit der Clearingstelle Kirche und Umwelt: Prof. Markus Vogt, Phil.-Theol. Hochschule Benediktbeuern Don Bosco-Str. 1; 83671 Benediktbeuern, eMail: [email protected]; www.kloster-beneditbeuern.de/clear

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Zusammenfassung für den rückseitigen Buchdeckel Die ethische und gesellschaftliche Brisanz des Konfliktes um Grüne Gentechnik ergibt sich daraus, dass die vielbeschworene „Koexistenz“ gentechniknutzender und gentechnikfreier Landwirtschaft und Ernährung letztlich nur eingeschränkt möglich ist: Deshalb versagt das klassische Modell der Konfliktbewältigung durch die Privatisierung von Entscheidungen und die Toleranz des Gewährenlassens. Interessenkonflikte werden überlagert durch Überzeu-gungskonflikte hinsichtlich einer zukunftsfähigen Technik und Gesellschaft. Grüne Gentech-nik fordert die Gesellschaft zu einer kollektiven Entscheidung darüber heraus, welche Land-wirtschaft und Ernährung sie in Zukunft will.

Die Bewertung Grüner Gentechnik ist eine Querschnittsaufgabe, für die hier das Modell einer sozialethisch erweiterten Folgenabwägung vorgeschlagen wird, die - natur- und sozialwissenschaftliche Aspekte der Risikobewertung kombiniert, - Nachhaltigkeit als kategorischen Imperativ heutiger Schöpfungsverantwortung versteht, - Verantwortung als Methode gegen die Anonymisierung von Handlungssubjekten entfaltet, - Gerechtigkeit im Blick auf Hungerbekämpfung und die Folgen für Kleinbauern bewertet

und - nach der Grammatik der Akzeptanz in der komplexen Beziehung zwischen Wissenschaft,

Ethik und Öffentlichkeit fragt.

Das Buch gibt keine einfachen und abschließenden Antworten, sondern definiert ethische Kriterien als „Handwerkszeug“ für die nötige Verständigung in dem dialektischen Prozess von Fortschritt und Risiko, der sich in der Grünen Gentechnik derzeit in exemplarischer Wei-se bündelt.