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Oldenburger Universitätsreden Nr. 29 Gerd Hohendorf Reformpädagogik und Arbeiterbewegung Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg 1989

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Oldenburger Universitätsreden

Nr. 29

Gerd Hohendorf

Reformpädagogikund Arbeiterbewegung

Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg1989

VORWORT

Die Bildungsforschung hat sich in den vergangenen zehn bisfünfzehn Jahren an der Universität Oldenburg zu einem For-schungsschwerpunkt entwickelt. Sie umfaßt mehrereArbeitszusammenhänge, die sich im Rahmen empirischer,historischer und international-vergleichender Forschungsan-sätze mit der Erforschung des Bildungswesens und derBildungsentwicklung auf verschiedenen Ebenen(Institutionen, Personen, Prozesse, Gegenstände usw.)beschäftigen.

Zur historischen und vergleichenden Bildungsforschung zähltein Forschungsprojekt, das seit 1987 durch die Deutsche For-schungsgemeinschaft gefördert wird und das den Beziehungender frankophonen 'Education Nouvelle' zur deutschenReformpädagogik nachgeht (vgl. Universitätsreden Nr. 5: DieInternationalität der Reformpädagogik).

Gerd Hohendorf, Professor emeritus an der Akademie derPädagogischen Wissenschaften der DDR, hat sich aufEinladung des Projektleiters Professor Dr. Friedrich W. Buschan einem wissenschaftlichen Kolloquium beteiligt, das sichmit der historischen Einordnung der Reformpädagogik, ihrenAuswirkungen und widerstreitenden Einschätzungen in Ostund West auseinandersetzte. Hohendorf, einer derrenomiertesten Historiker der Pädagogik in der DDR,entwickelte Vorstellungen zur Rezeption der Reformpäd-agogik durch die Repräsentanten der Arbeiterbewegung jenerEpoche und versuchte, insbesondere Aspekte der Rezeptionwahrzunehmen, die die vorliegenden literarischenDarstellungen ganz überwiegend ausklammern, die jedochangesichts vieler persönlicher Beziehungen von Vertretern derReformpädagogik zu den mannigfachen Organisationen der

Arbeiterbewegung der Epoche einen Ansatz liefern, einwichtiges Desiderat der bisherigen wissenschaftlichen Dis-kussionen auszufüllen.

Zusammen mit fast gleichzeitig in der DDR-ZeitschriftPädagogik erschienenen Aufsätzen von Karl-Heinz Güntherund Christine Lost geben Hohendorfs Ausführungen der syste-matischen Beurteilung der Reformpädagogik einenbeachtlichen Impuls. Es sieht so aus, als entwickle sich einefür die historische Bildungsforschung fruchtbare neue und kri-tische Kontroverse.

Oldenburg, im April 1989 Hermann Havekost

GERD HOHENDORFGERD HOHENDORF

Reformpädagogik und Arbeiterbewegung

Die Reformpädagogik, die uns noch heute fasziniert und inihren Bann zieht, ist - wenn man die richtigen Lehren aus ihrzieht - noch längst nicht geschichtlich wiederholt. Wir lebenimmer noch in der Epoche, aus deren Widersprüchen sie her-vorgegangen ist. Auch wenn die Umstände ihres Entstehenshundert Jahre zurückliegen und in vieler Hinsichtgeschichtlich gewandelt sind, enthält die Reformpädagogik -ich verwende bewußt diesen Begriff - Botschaften, die zurLösung vor uns stehender bildungspolitischer Probleme undpädagogischer Aufgaben durchaus hilfreich sein können.1

Die Vielfalt und Breite des pädagogischen Spektrums dereinzelnen reformpädagogischen Strömungen entsprechen sehrunterschiedliche gesellschaftliche Zielsetzungen undpolitische Absichten ihrer Urheber. Und dieses komplizierteBeziehungsgefüge zwischen Politik und Pädagogik läßt sichkeineswegs schematisch auflösen. Das erschwert die kritischeBewertung einzelner Richtungen der Reformpädagogik ganzerheblich.

1 M. Honecker betonte in einem Vortrag am 7. Februar 1985 im

Zusammenhang mit Bemerkungen zur Geschichte der Ar-beitsschulbewegung: "Es Versteht sich, daß wir uns beim Aufbau unserersozialistischen Schule mit den reaktionären und reformistischenInhaltender Arbeitsschulbewegung auseinandersetzen mußten; aberebenso wichtig war es, den progressiven Kern, das Progressive in derTradition aufzugreifen, Arbeit und allgemeine Ausbildung zu verbinden."Margot Honecker: Zur Bildungspolitik und Pädagogik in der DeutschenDemokratischen Republik. Ausgewählte Reden und Schriften. Volk undWissen Volkseigener Verlag, Berlin 1986, S. 695.

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Viele Vertreter der Reformpädagogik - besonders in ihrerspäten Phase - segelten unter der Flagge einer autonomenPädagogik, lösten Kind und pädagogischen Prozeß aus denrealen gesellschaftlichen Gegebenheiten und empfahlen denLehrern politische Abstinenz.

Meinem Lehrer am Pädagogischen Institut in Weilburg an derLahn, Prof. Dr. Georg Morgenstern - ich studierte dort1946/47 - verdanke ich eine erste kritische Sicht auf dieReformpädagogik. Ende der vierziger, Anfang der fünfzigerJahre erlebte ich dann in der DDR die zwischen denLeistungsanforderungen der neuen Schule und der Re-formpädagogik entstandenen Divergenzen und Differenzen,die mich dazu veranlaßten, die Reformpädagogik imSpannungsfeld zwischen Politik und Pädagogik, zwischen Er-ziehung und Gesellschaft zu sehen und darzustellen. Meinefrühen Arbeiten zur Reformpädagogik entstanden imKonstituierungsprozeß der marxistischen Pädagogik in derDDR und sind von dem Streben bestimmt, dieTrennungslinien zwischen bürgerlicher und sozialistischerPädagogik deutlich nachzuzeichnen.2 Ich gehe davon aus, daßsich heute die marxistische Pädagogik konsolidiert hat, beiallen Problemen, die noch praktisch zu lösen sind. Sie istlängst weltweit dialogfähig geworden, eine produktiveBegegnung zwischen bürgerlicher und sozialistischerPädagogik ist nicht nur möglich, sondern notwendig, wobeifreilich die ideologische Gebundenheit der Pädagogik nichtübergangen werden sollte. Aber eine neue Kultur des Streitssollte die Auseinandersetzung bestimmen.

2 Vgl. G. Hohendorf: Die pädagogischen Strömungen auf der

Reichsschulkonferenz von 1920. Paed. Diss. Universität Leipzig 1951,veröffentlicht unter dem Titel: Die pädagogische Bewegung in den erstenJahren der Weimarer Republik. Volk und Wissen Volkseigener Verlag,Berlin 1954.

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Mit der Ausarbeitung der sozialistischen Pädagogik in derTheorie wie in der Praxis der sozialistischen Staaten hat sichauch unser Verhältnis zur Reformpädagogik verändert. Eswird jetzt durch die Aufgabe bestimmt, ihre positivenElemente für die weitere inhaltliche Ausgestaltung unsererSchule zu nutzen.3 Diese Entwicklung wird durch das Erbe-und Traditionsverständnis gefördert, das für dieGeschichtswissenschaften der DDR bestimmend ist.

Für die historische Fundierung unseres neuenTraditionsbewußtseins ist die Fragestellung von Bedeutung,ob und wie die Arbeiterbewegung die Reformpädagogik inihren verschiedenen Entwicklungsphasen mitgestaltet,rezipiert bzw. bewertet hat.

I. Über Wurzeln der Reformpädagogik in der Pädagogik derArbeiterbewegung

Bevor ich auf das eigentliche Thema eingehe, möchte ich dieFrage stellen und zu beantworten versuchen, ob nicht eine derWurzeln der Reformpädagogik in der sozialistischenPädagogik zu suchen ist. In den gängigenGesamtdarstellungen zur Reformpädagogik findet man daraufkeine Antwort. Die Beziehungen zur sozialistischenPädagogik sind noch nicht aufgedeckt. Dabei sind diereformpädagogischen Bestrebungen und die internationaleEntwickklung der Arbeiterbewegung sowie das Entstehen

3 Vgl. auch K.-H. Günther/Chr. Uhlig: Zur Rezeption der Reformpädagogik

durch die Pädagogik der Deutschen Demokratischen Republik. In:Pädagogik, 43. Jg. 1988, H. 9, S. 718 ff. sowie von denselben: DieReformpädagogik im Bild der Pädagogischen Traditionen der DDR. In:Ebd., H. 10, S. 794 ff. Verf. stimmt weitgehend mit der Einschätzung derReformpädagogik durch Günther/Uhlig überein, weicht jedoch in derAuffassung, daß die Reformpädagogik bereits vollständig der Geschichteangehört, vom Standpunkt dieser Autoren ab.

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eines sozialistischen Weltsystems parallele Erscheinungen.Bei aller Unterschiedlichkeit ist ihnen gemeinsam die strikteAblehnung der alten Schule, der Pauk- und Drillschule.4

Daß die Reformpädagogik Wurzeln in der sozialistischenPädagogik hat, läßt sich beispielsweise sehr überzeugend andem Konzept einer harmonisch-industriellen Erziehung vonCHARLES FOURIER nachweisen.5 Das pädagogischeElement der Freude durchzieht seinen farbenprächtigen Erzie-hungsplan. Die Selbsterziehung des Kindes in kleinenKollektiven (Banden und Horden) ist für FOURIERsPädagogik ebenso charakteristisch wie die Berücksichtigungder kindlichen Interessen. Durch CHARLES FOURIERwurden die Gedanken AUGUST BEBELs über eine neueErziehung ganz wesentlich geprägt.6

Der Entstehungszeit der Reformpädagogik schon sehr vielnäher stehen pädagogische Arbeiten von ADOLPH DOUAIund ROBERT SEIDEL, auf die zunächst die Aufmerksamkeitgelenkt werden soll. Es sind zwei Exil-Deutsche, der einewirkte in den USA, der andere in der Schweiz. DerAltenburger Republikaner DOUAI wurde nach der 48erRevolution aus seiner thüringischen Heimat vertrieben, derandere, SEIDEL, verließ seine sächsische Heimat, um nicht

4 In ihrer Schulkritik und in der Ablehnung der Pädagogik der Herbartianer

sowie in der Auseinandersetzung mit der Bildungspolitik imwilhelminischen Deutschland gibt es weit mehr Übereinstimmendes alsTrennendes. Das im einzelnen nachzuweisen, würde den Rahmen diesesVortrages sprengen.

5 Vgl. Charles Fourier: Die harmonische Erziehung. Ausgewählt, eingeleitetund übersetzt von Walter Apelt. Volk und Wissen Volkseigener Verlag,Berlin 1958.

6 Vgl. A. Bebel: Charles Fourier. Sein Leben und seine Theorien. 3. Aufl.Stuttgart 1907. Die Erziehungsgedanken Bebels finden sich in der weitverbreiteten Schrift: Die Frau und der Sozialismus. 55. Aufl. Dietz Verlag,Berlin 1946, besonders im 25. Kapitel: Das sozialistischeErziehungswesen.

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im deutsch-französischen Krieg gegen Frankreich kämpfen zumüssen.

ADOLF DOUAI (1819 - 1888) hatte, als er die Heimat 1852verlassen mußte, in seinem Gepäck das in Preußen verboteneGedankengut FRIEDRICH FRÖBELs. In Bosten gründete ereine Schule und einen mit dieser Schule verbundenenKindergarten. Als er sich 1871 an der Beantwortung einervom deutschen Fröbel-Verein gestellten Pressefrage beteiligte- sie lautete: wie Kindergarten und Schule amzweckmäßigsten zu verbinden seien -, konnte DOUAI aufeine fünfzehnjährige Erfahrung zurückblicken. Daß dennochder Fröbel-Verein die eingereichte Schrift nicht prämierte, lagmit Sicherheit daran, daß der Fröbel-Verein sich von dersozialen Prägung der Gedanken FRÖBELs schon weit entfernthatte, während DOUAI die Verknüpfung der aufgeworfenenFrage mit den Ideen und Zielsetzungen der Arbeiterbewegunghervorhob.

1876 erschien diese Arbeit DOUAIs in der LeipzigerVerlagsgenossenschaft7, vorher war sie in englischer Sprachein den USA gedruckt worden, ausdrücklich mit dem Vermerk,daß die Schrift vom Fröbel-Verein nicht preisgekrönt wordenwar. Wahrscheinlich hat schon der Titel der Schrift "Kin-dergarten und Vorschule als sozialdemokratische Anstalten"den deutschen Preisrichtern mißfallen.

Nicht nur mit dem herkömmlichen Erziehungssystem und derUnterrichtsweise ging DOUAI in dieser Schrift scharf insGericht, auch mit der Pädagogik als Wissenschaft. Er

7 Der Fröbelforscherin Erika Hoffmann verdanke ich den Hinweis, daß

diese Schrift Adolf Douais auch in Japan gedruckt worden ist.

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charakterisierte sie als das "Stiefkind aller herrschendenMächte"8.

"Die Kirche verlangt vom Pädagogen, er solle die Jugend zuMitgliedern einer bestimmten Glaubensgenossenschaft, derStaat, er solle sie zu Untertanen und einseitigen Patrioten, diebürgerliche Gesellschaft, er solle sie zu beruflichenMaschinen und Dutzendmenschen ausbilden. Von einerAusbildung zu vollentwickelten, gesund wahrnehmenden,denkenden, fühlenden, wollenden und körperlich tüchtigenMenschen ist, wenn überhaupt, erst sehr nebenbei die Rede.Die Hand aufs Herz, ob es nicht so ist!" so fragt DOUAI, under fährt fort: "Die Pädagogik ist demnach die einzigeWissenschaft und Kunst, welche zugleich mit allenherrschenden Mächten im Kampfe ist."9

DOUAI verlangt von der pädagogischen Wissenschaft, daß sie"nicht zur Sklavin der herrschenden Gewalten sich hergebenund dadurch die ganze Zukunft des Volkes verderben lassen"soll, er bezeichnet sie als "die unglücklichste allerWissenschaften und Künste..., weil sie durchaus nicht leistensoll, was sie zu leisten sich im Stande fühlt".10

DOUAI entwickelte in dieser Schrift eine einheitlicheErziehungs- und Bildungskonzeption, die vom Kindergartenbis zur Realschule führen sollte. Schon im Kindergarten solltejedes Kind "sein Blumen- und Pflanzenbeet" haben und"Übung in der Gärtnerei bekommen".11 In der anschließendenElementarschule sollten die Schüler ebenfalls ihre "Kräftezweckentsprechend anstrengen und gewissenhaft

8 A. Douai: Kindergarten und Volksschule als sozialdemokratische

Anstalten. Leipzig 1876, S. 12.

9 Ebd., S. 12 f.

10 Ebd., S. 13.

11 Ebd., S. 45.

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gebrauchen"12 lernen:"Die älteren Zöglinge würden alle oderdie meisten Fertigkeiten des Gärtners, Ackerbauers undViehzüchters erlernen, und der Unterricht in der Pflanzen-,Tier- und Gesteinskunde würde im Freien mit vollstemNutzen theoretisch und praktisch zugleich erteilt werdenkönnen."

In mechanischen Werkstätten sollten die Schüler in allenArten von Metall- und Holzarbeiten unterwiesen werden; "dertheoretische Unterricht in der Mechanik würde mit dempraktischen höchst ersprießlich verbunden und durchdieselben Lehrer erteilt werden können. Die Schüler selbstwürden alle beim physikalischen und chemischen Unterrichtgebrauchten Apparate fertigen lernen, sowie Modelle zu allenmöglichen Maschinen."13

Ganz auf eine naturwissenschaftlich-technische Bildungausgerichtet war die von DOUAI konzipierte Realschule, diealle Kinder vom elften bis zum sechzehnten Lebensjahrbesuchen sollten. Folgende Kenntnisse und Fertigkeitensollten sie dort erwerben: die gesamte Mathematik; dieHauptsachen der physikalischen Geographie und derAstronomie; ein gründliches, auf Experimente und eigeneTechnik gebautes Verständnis der Physik und der anorgani-schen Chemie; eine vollständige Übersicht derKulturgeschichte; Beherrschung von ein oder zweiFremdsprachen; Kenntnis der Grundzüge der Politik undStaatsverfassung und eine bedeutende Handgeschicklichkeitin vielen mechanischen Arbeiten.

DOUAI folgte den pädagogischen Auffassungen von KARLMARX, die dieser 1866 im Entwurf der Resolution desGenfer Kongresses der I. Internationale formuliert hat, daß

12 Ebd., S. 40 f.

13 Ebd., S. 45 f.

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das, was "der aufgeklärteste Teil der Arbeiter versteht",nunmehr alle verstehen müssen, nämlich, "daß die Zukunftseiner Klasse und daß deshallb die Menschheit durchaus vonder Ausbildung der werdenden Generation abhängt".14

Bestimmend für das Arbeitsschulkonzept ADOLF DOUAIs istnicht nur das Streben nach harmonischer Menschenbildung,ein Streben, das auch für die bürgerlichen Ar-beitsschulpädagogen späterer Jahre - wenn auch oft nur verbal- charakteristisch ist, sondern vielmehr, daß die geistigeBildung das bestimmende, das dirigierende Merkmal dieserharmonischen Menschenbildung ist. Ganz im Sinne vonMARX verknüpfte DOUAI die praktisch-technische Bildungmit der mathematisch-naturwissenschaftlichen. Damit sindMaßstäbe für die Arbeitsschulbewegung gesetzt, Maßstäbe,die besonders aus heutiger Sicht unerläßlich sind.

Auch auf anderen Gebieten hat DOUAI manchesvorweggenommen, was später in der Reformpädagogik sichwiederfindet. Er erneuerte die die klassische bürgerliche Päd-agogik kennzeichnende Auffassung, daß sich dieUnterrichtsmethodik nicht auf die Autorität des Wortes,sondern auf die Selbsttätigkeit des Schülers gründen müsse.Selbsttätigkeit sei für die Gesundheit und das Glück desjungen Menschen unerläßlich. Er kritisierte die Verarmungder Methodik und deren Schematismus, der auf dieindividuelle Eigenart des Schülers keine Rücksicht nimmt.Vom Lehrer forderte er - und das sei die allerschwersteAufgabe -, "jedes Kind denken lehren..., es selbsttätig undselbstvertrauend erhalten und jede Spur Langerweile aus derSchule zu verbannen".15

14 K. Marx/F. Engels: Über Pädagogik und Bildungspolitik. Ausgewählt und

eingeleitet von H. Schuffenhauer, J. Goldhahn, L. Hartung und G. Krapp.Bd. II. Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin 1976, S. 167.

15 A. Douai a. a. O., S. 34.

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ADOLF DOUAI, der in der modernen Geschichtsschreibungder USA zu den Pionieren des Marxismus auf diesemKontinent gerechnet wird,16 hat in der pädagogischenHistoriographie der DDR eine unterschiedliche Bewertungerfahren. In den "Beiträgen zur Geschichte derVorschulerziehung" wird noch in der jüngsten Auflage gesagt,DOUAI sei kein Marxist, sein pädagogisches Programmkönne daher auch kein marxistisches sein. 17Den Grund fürdieses Urteil muß man wohl in dem Vorschlag suchen, denDOUAI am Schluß seiner Schrift macht, nämlich eineErziehungspartei zu gründen, die alle zusammenfaßt, die aneiner Änderung des Weges, den die Erziehung bishergegangen ist, interessiert sind. DOUAI wollte "dasErziehungswesen den wirklichen Erziehern anheimgeben...Darauf wird eine lange, kräftige Agitation in jedemKulturvolke zu richten sein, welche bloß dann denkbar ist,wenn viele edle und tüchtige Menschen sich zusammenfinden,die an das hier geschilderte Ziel und die Mittel dazu glauben.Haben sich diese zu einer Partei organisiert, welche mitHintansetzung aller anderen Zeitfragen bloß für dieses eineZiel kämpft, so werden sie bald zu BundesgenossenHunderttausende von Lehrern gewinnen, welche im eigenenInteresse und mit Geltendmachung aller ihrer nicht zuunterschätzenden Intelligenz die Partei zahlreich werden

16 Vgl. W. Z. Foster: Geschichte der Kommunistischen Partei der

Vereinigten Staaten. Dietz Verlag, Berlin 1956, S. 26. Aus erzieherischerSicht in Douai von R. David 1934 wiederentdeckt worden. Volker Lenhartverweist auf eine 1883 von Douai publizierte Arbeit und schreibt dazu:"Marxistische Methoden in der Erziehungswissenschaft haben in den USAeine bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende, wenn auch weitgehendverschüttete Tradition." (Zeitschrift für Pädagogik, 25. Jg. 1979, S. 979).

17 E. Barow-Bernstorff: Die Vorschulerziehung in der Schulpolitik und derPädagogik der deutschen Sozialdemokratie in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. In: Beiträge zur Geschichte der Vorschulerziehung. 7. Aufl.,Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin 1986, S. 276.

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machen helfen. Mit einer solchen begeisterten und raschwachsenden Erziehungspartei werden andere politischeParteien Bündnisse zu schließen suchen zu gegenseitigerUnterstützung, durch welche schließlich die herrschendenGewalten zu einem Zugeständnis an die Erziehungsparteinach dem anderen gezwungen werden können".18

Es mag Gründe geben, diesen Vorschlag illusionär zu nennen,wenn man an die Härte der bildungspolitischenAuseinandersetzungen in der zweiten Hälfte des vorigenJahrhunderts und in unserem Jahrhundert denkt, wenn manbedenkt, daß Bildungsfragen letzten Endes immerMachtfragen sind. Diese Erkenntnis hat WILHELMLIEBKNECHT in seinem Vortrag "Wissen ist Macht - Machtgibt Wissen" unwiderlegbar nachgewiesen.19 Ich neige dazuanzunehmen, daß DOUAIs Vorschlägen Gedankengänge zu-grunde liegen, die auch KARL MARX bewegt haben, als erden Entwurf zur "Genfer Resolution" von 1866 verfaßte.

Sind wir nicht in den letzten Jahrzehnten durch denMißbrauch wirtschaftlicher Macht an die moralischenGrenzen wirtschaftlichen Wachstums gelangt? Haben nichtwenige Generationen durch den Raubbau an den materiellenRessourcen unserer Erde und einen rücksichtslosen Umgangmit der Natur überhaupt die Existenzgrundlagen für men-schliches Leben in unverantwortlicher Weise angetastet,während das geistige Potential der Menschheit noch längstnicht ausgeschöpft ist? Müßten nicht heute in viel stärkeremMaße die Möglichkeiten der Pädagogik genutzt werden, damitdiese aus ihre "Stiefkinddasein" heraustritt?

18 A. Douai a. a. O., S. 55.

19 Vgl. W. Liebknecht: Wissen ist Macht - Macht ist Wissen und anderebildungspolitisch-pädagogische Schriften. Ausgewählt, eingeleitet underläutert von Hans Brumme. Volk und Wissen Volkseigener Verlag,Berlin 1968.

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Sicherlich werden wir dabei die Mahnung LENINs zubeherzigen haben, Politik und Pädagogik nicht zuverwechseln, die Pädagogik nicht an die Stelle der Politiksetzen zu wollen20, wir sollten aber bedenken, daß innerhalbdieses Rahmens die Möglichkeiten der Pädagogik zur Reformder Schule und der Gesellschaft noch nicht genügend genutztwerden.

Während DOUAIs pädagogische Konzeption wohl nur einemkleinen Kreis pädagogisch Interessierter in der deutschenArbeiterbewegung bekannt wurde, haben die pädagogischenSchriften ROBERT SEIDELs (1850 - 1933) einen wesentlichgrößeren Leserkreis erreicht. SEIDEL hatte sich in derSchweiz auf autodidaktischem Wege vom Fabrikarbeiter zumRealschullehrer und zuletzt zum Privatdozenten für Pädagogikan der Universität in Zürich hochgearbeitet. Im Jahre 1884veröffentlichte er die Schrift "Der Arbeitsunterricht, einepädagogische und soziale Notwendigkeit, zugleich eine Kritikder gegen ihn erhobenen Vorwürfe". Diese Arbeit erlebte1915 eine zweite Auflage unter dem Titel "Arbeitsschule,Arbeitsprinzip und Arbeitsmethode".

ROBERT SEIDEL ging davon aus, daß "die Theorie derBildung und Erziehung ... entscheidend von den sozialen undpolitischen Zuständen und Verhältnissen beeinflußt"21 wird.Er leitete die Notwendigkeit der Umgestaltung der Schule zueiner Arbeitsschule aus den Veränderungen in der Produktionab und berief sich ausdrücklich auf

20 W. I. Lenin: Über die Verwechslung von Politik und Pädagogik. In: Lenin

über Volksbildung. Artikel und Reden. Volk und Wissen VolkseigenerVerlag, Berlin 1961, S. 66.

21 R. Seidel: Arbeitsschule, Arbeitsprinzip und Arbeitsmethode. Zürich1910, S. IX.

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die Genfer Resolution von 1866, als er im Vorwort zur erstenAuflage schrieb:Bei der Erziehung der Zukunft werdenArbeit, Gymnastik und Unterricht verbunden sein, weil dasdie einzige Methode zur Herausbildung vollseitig entwickelterMenschen ist."22

Den erzieherischen Wert des Arbeitsunterrichts begründete erdamit, "daß der Arbeitsunterricht den Tätigkeitsantrieb derKinder befriedigt und ausbildet", "lebhaftes Interesse undFreude an der Arbeit und ihren nützlichen Erzeugnissenerweckt", "Selbstvertrauen und innere Befriedigung erzeugt","das Kind zur Sammlung, Aufmerksamkeit und Ausdauerohne künstliche Mittel zwingt", und "dem Denken und WollenNahrung und Richtung auf das Gute und Nützliche gibt".

Die bildende Kraft des Arbeitsunterrichts erblickte ROBERTSEIDEL darin, daß er "Kräfte und Anlagen weckt und bildet",indem er "die denkbar größte Zahl von Sinnen und Kräften inTätigkeit setzt und Kenntnisse und Erkenntnisse vermittelt,die kein anderer Unterricht vermitteln kann", "vielentheoretischen Belehrungen erst eine Unterlage gibt", daß er"die Kenntnisse und Erkenntnisse viel leichter, rascher, ein-drucksvoller und deshalb nachhaltiger vermittelt", "das Kindschätzen, beobachten, untersuchen, prüfen, vergleichen underfinden lehrt" und "zu praktischer Tätigkeit geschickt machtund den Körper gesund und frisch erhält".

Die moralische und soziale Wirkung des Arbeitsunterrichtsbestand nach der Auffasung ROBERT SEIDELs darin, "daßder Arbeitsunterricht den ganzen Menschen nach seinen gutenSeiten erfaßt", "dem Müßiggange, als dem Anfange allerLaster, einen Damm setzt", "zur Erkenntnis seiner Kräfte als

22 R. Seidel: Der Arbeitsunterricht, eine soziale und pädagogische

Notwendigkeit, zugleich eine Kritik der gegen ihn erhobenen Einwände.Tübingen 1885, Vorwort.

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auch zur Erkenntnis der Grenzen seiner Kräfte führt", "einerichtige Berufswahl erst möglich macht" und "zurAusgleichung des Gegensatzes zwischen Schule und Lebenbeiträgt".23

Es ist offensichtlich, daß die Arbeiterklasse klareVorstellungen von der Umwandlung der Schule in eineArbeitsschule gehabt hat. Diese Gedanken knüpften anForderungen an, wie sie z. B. von FRÖBEL und DIESTER-WEG und deren Anhängern in den fünfziger und sechzigerJahren des vorigen Jahrhunderts erhoben worden sind. Alssich der Kapitalismus in Deutschland voll entfaltet hatte,wiesen nicht nur Pädagogen, sondern auch Kulturpolitiker undvor allem Ärzte auf die Schäden hin, die bei Kindern undJugendlichen durch eine falsche Schulerziehung und die durchdie Industrialisierung erschwerten Bedingungen derBerufsausbildung und -tätigkeit verursacht wurden und dieLebenschancen verringerten. Erinnert sei hier an die heutekaum noch bekannten Schriften von BIEDERMANN undGEORGENS, RAWOTH, BESSER und SCHREBER, an diedie reformpädagogische Arbeitsschulbewegung unseresJahrhunderts ebensowenig angeknüpft hat wie an die Pläne,die in der Arbeiterbewegung entwickelt wurden.24 Es muß der

23 R. Seidel: Arbeitsschule..., S. 121 - 129.

In das Arbeitsschulkonzept Robert Seidels flossen bald revisionistischeVorstellungen ein, auf die Karl Kautsky in einer Rezension aufmerksammachte. Seidel hatte 1885 an dem I. Internationalen Lehrerkongreß in LeHavre teilgenommen, auf dem auch das Thema "Arbeitsschule" erörtertwurde. SEidel berichtete über diesen Kongreß und die dort gewonnenenEindrücke in der Schrift: Sozialpädagogische Streiflichter über Frankreichund Deutschland. In der Rezension dieser Schrift weist Kautsky daraufhin, daß "Seidel leider in vorliegendem buche viel zu sehr die Illusionender bürgerlich-radikalen Pädagogik angenommen" habe (Die Neue Zeit, 6.Jg. 1888, S. 95).

24 Über diese Quellen der Arbeitsschulbewegung vgl. "Geschichte derErziehung", 15. Aufl., Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin1987, S. 452 f.

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weiteren Diskussion überlassen werden, die Frage zu erörtern,ob man die Arbeiterbewegung als eine der Wurzeln derReformpädagogik ansehen kann, und festzustellen, welcheKonsequenzen für die pädagogische Geschichtsschreibungsich daraus ergeben.

In allen sozialistischen Staaten gibt es Bestrebungen, diepolytechnische Schule im Sinne dieser Traditiionen alssozialistische Arbeitsschule zu gestalten. Gedanken, die wirbei DOUAI und SEIDEL kennengelernt haben, und ähnliche,die bei OTTO Rühle und HEINRICH SCHULZ, bei CLARAZETKIN und KÄTHE DUNCKER zu finden sind, könnten imProzeß der Weiterentwicklung unserer Schule durchaushilfreich sein.

Richtungsweisend für diese Entwicklung halte ich eine vonCLARA ZETKIN formulierte Wesensbestimmung derArbeitsschule, die sie in ihrer 1904 in Bremen gehaltenenRede gegeben hat:"Eine andere grundlegende Forderung istdie Einführung des Arbeitsunterrichts in den Schulplan. Dasist bedeutsam, weil wir uns mit äußerster Energie gegen dieausgebeutete Kinderarbeit auflehnen. Wir sind überzeugt, daßdie freie Arbeit von hohem sittlichem und pädagogischemWert ist. Wir wollen die verhängnisvolle Spaltung zwischenAusbeutern und Ausgebeuteten aufheben; wir wollen die Ge-sellschaft umwandeln in eine Ordnung von freien Arbeiternbei materiellem und geistigem Schaffen; wir wollen denKindern alle Bildungsmöglichkeiten der Gesellschafterschließen. Darum aber muß auch der Arbeitsunterricht imreformierten Schulplan den ihm zukommenden Platz erhalten.Er knüpft an den Anschauungsunterricht an, vollendet,verinnerlicht ihn, führt in die innere Natur der Gegenständeund Vorgänge ein, entwickelt und schärft die Sinne, erhöhtdie Handfertigkeit, stählt die Muskeln, macht körperlichgewandt, regt das selbständige Denken an, konzentriert denWillen auf eine Leistung und beflügelt den schöpferischen

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Trieb, der in jedem Kinde schlummert. Der Arbeitsunterrichtwird dadurch spätere technische Erfindungen undVerbesserungen anregen und vorbereiten, die Kinder aufirgendeinem Gebiet zu denkenden, schöpferisch tätigenMenschen heranziehen. Von großem Einfluß wird er auchdarauf sein, das künstlerische Empfinden undGestaltungsvermögen zu heben, so daß auch die fabrikmäßigeProduktion in dieser Beziehung eine höhere Stufe erreicht. Sogibt der Arbeitsunterricht Freude an schöpferischer Arbeit,lehrt Ehre und Würde der Arbeit. Durch ihn wird fernerverhindert, daß die Kinder in die Stimmung vonStaatspensionären hineinwachsen. Er erzieht sie zum Be-wußtsein ihrer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, das,was sie an Bildung und Kultur empfangen haben, als freischaffende Menschen mit Zins und Zinseszinszurückzuerstatten."25

II. Zur Kritik der reformpädagogischen Bewegung durchsozialistische Pädagogen vor 1918

Nachdem GEORG KERSCHENSTEINER (1854 - 1932) inseinem bekannten Vortrag 1908 zur Pestalozzi-Feier in Zürichdie Arbeitsschule als die Schule der Zukunft bezeichnet hatte,verringerten sich die Widerstände, gegen die ihre Vertreter bisdahin zu kämpfen hatten. ROBERT SEIDEL begann sogarmit KERSCHENSTEINER um die "Vaterschaft" derArbeitsschule zu streiten.26 Seine Kritik anKERSCHENSTEINER betraf allerdings nur die ungenügende

25 C. Zetkin: Revolutionäre Bildungspolitik und marxistische Pädagogik.

Ausgewählte Reden und Schriften. Eingeleitet und erläutert von GerdHohendorf. Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin 1983, S. 167.

26 R. Seidel: Die Schule der Zukunft eine Arbeitsschule. Kritik undErgänzung des Vortrags von Stadtschulrat Dr. Kerschensteiner ausMünchen. Zürich 1908.

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sozialpolitische Begründung dieser Arbeitsschule, nicht derenKern. Auf diesen machten HEINRICH SCHULZ und CLARAZETKIN aufmerksam. In seinem 1911 erschienenen Buch"Die Schulreform der Sozialdemokratie" wies SCHULZdeutlich auf die Verknüpfung der KERSCHENSTEI-NER'schen Arbeitsschulkonzeption mit der staatsbürgerlichenErziehung hin. Er nannte diese Vermengung "eine elendeHeuchelei", denn erklärtes Ziel der staatsbürgerlichenErziehung sei die Bekämpfung der Sozialdemokratie und derproletarischen Jugendbewegung.27 Als KERSCHENSTEINER1912 in den Reichstag gewählt wurde, setzte sich CLARAZETKIN mit ihm auseinander, dieser, wie sie sagte, "neuenLeuchte der Volkspartei im Reichstag". SeineErziehungspolitik habe das Ziel, einen Schutzwall gegen dieSozialdemokratie zu schaffen, eine, so meinte die ZETKINironisch, "wirklich 'neutrale' Verkörperung des Ideals derErziehung und der bürgerlichen Freiheit".28

Die Theoretiker der Arbeiterbewegung haben dieEntwicklungen innerhalb der bürgerlichen Pädagogik sehraufmerksam beobachtet. Als ein frühes Beispiel für dieseThese möchte ich eine Rezension anführen, die AUGUSTBEBEL zu einer Broschüre PAUL NATORPs (1854 - 1924)von 1894 in der "Neuen Zeit" veröffentlicht hat: "In einem inGährung befindlichen Zeitalter", so schrieb er, "in dem Allesnach neuen Gedanken und neuem Inhalt sucht, ist es natürlich,daß der Blick sich auch nach rückwärts wendet, um in derGedankenwelt vergangener Perioden nach Material für dieGegenwart und Zukunft zu suchen."

27 H. Schulz: Die Schulreform der Sozialdemokratie. 2. Aufl. Dresden 1919,

S. 150.

28 C. Zetkin a. a. O., S. 267.

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Gegenstand der Schrift von PAUL NATROP waren nämlichdie sozialen Ideen PESTALOZZIs. PETALOZZI gehörte, soBEBEL, "zu den Männern, auf die man sich heute öftersberuft, ohne daß man sie kennt oder richtig versteht, undderen Gedanken man fälscht oder verschweigt, sobald manSchaden für bestehende schlechte Zustände zu fürchten hat".Er bescheinigte NATROP, daß er zu den wenigen offiziellenGelehrten gehöre, "die für die Strömungen der Zeit einoffenes Auge bewahren", daß er "dafür von der Zunft, die ihreHauptaufgabe in der Verteidigung des Bestehenden erblicke,sattsam Angriffe erfahren" habe. BEBEL folgte durchausNATROPs Auffassung, "daß PESTALOZZI etwas mehr alsein Reformator der Kindererziehung war, daß er dieselbevielmehr ... als Mittel sozialer Umgestaltung ansah". Aber erbenutzte das Erscheinen dieser Schrift NATORPs, um imGegensatz zu diesem deutlich zu machen, wie PESTALOZZIsGedanken "in mancher Beziehung an die materialistischeGeschichtsauffassung anklingen", wie PESTALOZZI "dieMacht des Eigentums über den Menschen bekämpft" habe,"denn das Eigentum ist um des Menschen, der Mensch nichtum das Eigentum willen da".

Ohne zu dem damaligen Zeitpunkt die gesellschaftlicheZielstellung der NATORP'schen Philosophie und Pädagogikschon vollständig erkennen zu können - die "So-zialpädagogik" NATORPs erschien erst 1898 -, kritisierteBEBEL NATORP bereits an einem wichtigen Punkt.NATROP hatte behauptet: "Es ließe sich ziemlich genauausrechnen, wie PESTALOZZI im Gewirr des heutigenKampfes dastehen werde; nämlich so, wie er (PESTALOZZI)sagte: 'Getreu seiner Wahrheit, aber keiner Partei'".

Darauf reagierte BEBEL wie folgt: "Für uns ist diese Fragegegenstandslos, es bleibt stets eine unmögliche Sache, sagenzu wollen, wie ein Mensch einer früheren Epoche, in einespätere gesetzt, würde gedacht und gehandelt haben. Es

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genügt, daß er in seiner Zeit so gedacht und gehandelt hat,daß man seine Gedanken und sein Handeln für die Fortschritteeiner späteren Zeit mit Fug und Recht verwerten kann, unddas ist bei PESTALOZZI in vollem Maße der Fall."29 Diesekleine Rezension BEBELs ist in mehrfacher Hinsichtinteressant:- Sie verweist auf Zusammenänge und Divergenzen zwischen

der Pädagogik des aufstrebenden und des niedergehendenBürgertums, die ein Bezugspunkt unserer Kritik bleibenmüssen. Sie betrifft den Prozeß der Deformatiion derfortschrittlichen bürgerlichen Pädagogik durch die eigeneKlasse in ihrer spätbürgerlichen Phase.

- Sie enthält wichtige methodologische Hinweise für dieBewertung von Ideen und Persönlichkeiten im Umfeld ihrerZeit, die LENIN später mit noch größerem Nachdruckgefordert hat.

- Sie richtet die Kritik an der sich entwickelndenSozialpädagogik auf den entscheidenden Punkt: dieBehinderung der Formierung des revolutionärenBewußtseins der Massen.

Fragen wir uns, wieso die Sozialpädagogik trotzdem einenwachsenden Einfluß auf das pädagogische Denken bestimmterTeile der Sozialdemokratie erlangen konnte, so finden wir dieAntwort in dem zunehmenden Einfluß des Revisionismus,dessen Sieg etwa in die Zeit des Magdeburger Parteitags von1910 fällt. Diese Behauptung ließe sich mit einer Liste vonArtikeln und Rezensionen in den "SozialistischenMonatsheften" und in d er "Neuen Zeit" belegen.30 Dieunkritische Übernahme der Sozialpädagogik ist Ausdruck des

29 A. Bebels Rezension der Schrift: Pestalozzis Ideen über Arbeiterbildung

und soziale Frage. Eine Rede von Dr. Paul Natorp, Professor derPhilosophie an der Universität Marburg. Heilbronn 1894. In: Die NeueZeit, 12. Jg. 1894, 2. Bd., S. 569 - 571.

30 Vgl. u. a. Albert Ruben: Sozialpädaögogik. In: Sozialistische Monatshefte,8. Jg., 2. Bd., S. 978 ff.; Die Neue Zeit, 21. Jg., I. Bd., 1902/03; 34. Jg., 1.Bd., 1915/16, S. 187 ff.

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Eindringens der bürgerlichen Ideologie in die deutscheSozialdemokratie.

HEINRICH SCHULZ nannte in seiner Schrift "DieSchulreform der Sozialdemokratie" (1911) "PAUL NATORPs'Sozialpädagogik' einen sympathischen und ernsten Versuch,die pädagogische Theorie aus der Umklammerung durch dieindividualistische Weltanschauung zu befreien und siesozialistisch zu fundamentieren".31

Offensichtlich hat diese Bewertung zu dem Irrtum geführt,PAUL NATORP der sozialdemokratischen Pädagogikzuzurechnen. NATORP suchte nach einem Ausweg aus densich verschärfenden sozialen Gegensätzen unter Einsatz allerpädagogischen Mittel, der Einheitsschule, einerGemeinschaftserziehung und einer größeren Selbstverwaltunginnerhalb des Schulorganismus, aber sein Konzept war vonAnfang an gegen die Emanzipation der Arbeiterklassegerichtet, und er hat die Bestrebungen der organisiertenArbeiterbewegung nach der Novemberrevolution aufschlimmste Art verunglimpft.32

Daß trotzdem gerade die Sozialpädagogik großeAnziehungskraft auf Volksschullehrer und pädagogischInteressierte in der Sozialdemokratie ausgeübt hat, liegt anihrem Eintreten für einen einheitlichen Schulaufbau, für eineGemeinschaftsschule und überhaupt für den Abbau derschroffen Gegensätze zwischen dem niederen und höherenSchulwesen und der jeweiligen Lehrerschaft.

CLARA ZETKIN, auf die ich hier noch einmal eingehenmöchte, hat ein gutes Beispiel für eine kritische, aberdurchaus gerechte Wertung dieses Teils der Reformpädagogik

31 H. Schulz a. a. O., S. 164, Hervorhebung von G. H.

32 Vgl. dazu G. Hohendorf: Die pädagogische Bewegung... a. a. O., S. 125 f.

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gegeben. In der Rezension einer kleinen Schrift vonHEINRICH SCHULZ, "Die Mutter als Erzieherin", machtesie die Leser und damit auch den Verfasser darauf aufmerk-sam, daß sich "das Erziehungsideal des Proletariats ... scharfvon dem Ziel bürgerlicher Pädagogik unterscheidet: es mußauch über das der Sozialpädagogik hinausreichen undausgesprochen sozialistisch sein. Der Wert der umfassendenbürgerlichen pädagogischen Bestrebungen, welche dieErgebnisse der Theorie für die Praxis popularisieren, inbreiten Schichten des Volkes die letztere der Höhe derersteren annähern wollen, ist daher für das Proletariat einbedingter. So trefflich, so anerkennenswert mancherleiSchriften und Einrichtungen sind, welche in dieser Absichtinsbesondere unter dem Einfluß der sogenannten'sozialpädagogischen' Richtung entstanden sind, sie tragen einMoment in sich, das sie von dem unterscheidet, dessen dasProletariat bedarf. Sie sind von der bürgerlichenWeltanschauung durchdrungen und wollen die Jugend für einebürgerliche Gesellschaftsordnung erziehen, wie weitgehendauch immer der eine oder andere Sozialpädagoge diesereformiert sehen möchte."33

CLARA ZETKIN anerkannte auch das Streben derSozialpädagogen nach einer einheitlichen Schule, aber sie zogauch da deutlich die Grenze. In ihrer Bremer Rede zurSchulfrage (1904) führte sie aus: "Allzuviel verspreche ichmir übrigens auch von der Einheitsschule nicht. Solange diejetzige Wirtschaftsordnung bestehen bleibt, können dieReichen für ihre Kinder den Elementarunterricht durchPrivatunterricht ergänzen lassen. Damit will ich nur vor einerÜberschätzung der Einheitsschule warnen, wie sie bei den

33 C. Zetkin a. a. O., S. 214.

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bürgerlichen Sozialreformen und Pädagogen vielfach gangund gäbe ist."34

Mit dieser Bemerkung CLARA ZETKINs lassen sich nochheute die Schwierigkeiten zum Teil erklären, mit denen dieGesamtschule zu kämpfen hat.

Während die Pädagogen des rechten Flügels mit derSozialpädagogik sympathisierten, neigten die links Stehendenmehr zur Individualpädagogik.35 ELLEN KEY (1849 - 1926),die die letztere mit ihrem Buch "Das Jahrhundert des Kindes"(1900) begründete, stieß bei den fortschrittlichen Kräften, diemit großer Sorge den zunehmenden Nationalismus undChauvinismus in Deutschland verfolgten, auf begeisterteZustimmung. Beginnt ihr Buch doch mit der Beschreibungeines visionären Bildes: Ein "nacktes Kindlein", das sich zur

34 Ebd., S. 164.

35 Wenngleich auch der Anarchismus und verwandte syndikalistischeGruppierungen in der deutschen Arbeiterbewegung zwischen derJahrhundertwende und der Novemberrevolution keine sonderliche Rollegespielt haben, existierten dennoch kleine, meist von linksstehendenIntellektuellen geführte Gruppen, die vor dem ersten Weltkrieg auchliterarisch von sich reden machten. Namen wie Landauer und Pfempfertmarkieren solche Kreise, die sich um Zeitungen oder Zeitschriftenorganisierten. Ihre pädagogischen Ideen suchten sie bei den Stammväterndes Anarchismus, bei Stirner oder Proudhon, bei Bakunin oder Kropotkin.Sie propagierten Tolstois bäuerlich-volkstümliches Schulmodell vonJasnaja Poljana ebenso wie alle der Individualpädagogik nachfolgendenTheorien. Ludwig Gurlitt suchte und erlangte auf diesem politischenTerrain ebenso Einfluß wie - und das ist ganz erstaunlich - Berthold Ottomit seiner Lichterfelder Hauslehrerschule. Seine monarcho-sozialistischenVorstellungen fügten sich durchaus in jenen Kreis ein, dem GustavLandauer und Erich Mühsam das Gepräge gaben. Anarchistische Gruppenforderten ihre Mitglieder auf, die Kinder der staatlichen Schulpflicht zuentziehen und sich in Schulvereinen nach dem Modell der Freien Schulge-meinden oder der Lichterfelder Hauslehrerschule zusammenzuschließen.Es bedarf nicht des Hinweises, daß diese geschichtlichen Modelle in derEntschulungsbewegung der Gegenwart, in Summerhill oder in der Free-school-Bewegung, ihre Nachahmer gefunden haben.

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Erde hinabsenkt - aber sich erschrocken zurückzieht bei demAnblick des mit Waffen gespickten (Erd)-Balles, auf dem fürdie neue Zeit nicht ein Zoll Boden frei ist, den Fuß darauf zusetzen. Die Autorin fragt nach den Ursachen dieses für dieKindheit und die Zukunft der Menschheit so gefährlichenZustandes und glaubt zu erkennen, daß die "niedrigenLeidenschaften" schuld sind, die in den Menschen dieser Zeit"auf den ökonomischen und den kriegerischen Schlachtfeldern... entfesselt werden".36

ELLEN KEY, die sich selbst als Sozialistin bezeichnete37 undviele Jahre in der schwedischen Arbeiterbildung tätig war,erwartete den Wandel der Gesellschaft weniger vonpolitischen Veränderungen als vielmehr von der Erziehungeines neuen Menschen. Aber trotzdem hatte sie erkannt, daßihre "geträumte Schule ... solange nicht zustande kommt, wiedie Staaten ihre größten Opfer für den Militarismus bringen.Erst wenn dieser überwunden ist, wird man es in derEntwicklung soweit gebracht haben, daß man einsieht, daßder teuerste Schulplan - der wohlfeilste ist. Denn dann beginntman starke menschliche Hirne und Herzen als den höchstenWert der Gesellschaft zu betrachten!"38

Sie spricht von der "seelenmordenden Schule", von einem"geradezu wahnsinnigen Schulsystem", schon imKindergarten würden die jungen Deutschen "für die Uniformeinexerziert", und "die Schule mit ihrem Kameraden- und

36 E. Key: Das Jahrhundert des Kindes. 6. Aufl., Berlin 1904, S. 1/2.

37 In dem Aufsatz: Meine Arbeit" in "Die neue Gesellschaft", 2. Jg. (1906),2. Bd., Nr. 36 schreibt Ellen Key: "Ich bin so - zum Teil durch eigenefreudige Arbeitserfahrungen - eine Anhängerin des Sozialismusgeworden" (S. 429).

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Korpsgeist" sei es, "die der öffentlichen Gewissenlosigkeitden Weg bahnt".39

So einleuchtend und sympathisch die pädagogischenGedanken ELLEN KEYs von der "geträumten Schule" auchsind, so erscheint mir doch die Kritik berechtigt, die CLARAZETKIN - ohne ELLEN KEYs Namen zu nennen - an denBestrebungen der bürgerlichen Individualpädagogik geübt hat.In ihrer Rede zur Frage der Jugendorganisationen auf derNürnberger Frauenkonferenz 1908 führte sie aus: "DerIndividualismus ist das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft.Ihn im Fühlen und Denken der Massen zu überwinden, isteine der ideellen Vorbedingungen für die Verwirklichungsozialistischen Endziels."40

In dieser Rede machte ZETKIN auch einige interessanteBemerkungen über die Lietz'schen Landerziehungsheime. Sienannte diese "die reifste, höchte Frucht der bürgerlichenPädagogik", die aus der bürgerlichen Jugendbewegunghervorgegangen ist. "Das ganze Leben der Landerziehungs-heime untersteht in weitestem Umfange der Entscheidung derZöglinge, wie auch der Unterricht vor allem aufSelbstbetätigung gestellt ist."41

Diese "Selbstbetätigung und Selbstentscheidung als Mittel derSelbsterziehung" und das Mitbestimmungsrecht der Jugendli-chen hielt CLARA ZETKIN für durchaus fortschrittlicheElemente, "die allerdings in der bürgerlichen Gesellschaftnicht Wachstum, Entfaltungsmöglichkeit für all die Kraft,

38 E. Key a. a. O., S. 301.

39 Ebd., S. 261.

40 C. Zetkin a. a. O., S. 244.

41 Ebd., S. 238.

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Schönheit und schöpferische Frucht finden können, die inihnen steckt".42

Daß auch eine andere Strömung der Reformpädagogik, dieKunsterziehungsbewegung, in der Arbeiter- und in der proleta-rischen Frauenbewegung interessiert verfolgt undaufgenommen wurde, erklärt sich aus deren Grundanliegen,das Leben zu verschönern und zu verbessern. Innerhalb ihrerso vielseitigen pädagogischen und volkserzieherischenBestrebungen möchte ich nur auf die Diskussion zur Frage derKinder- und Jugendliteratur eingehen, die um dieJahrhundertwende sehr intensiv geführt wurde.

In einer Rezension der damals vielbeachteten Schrift vonHEINRICH WOLGAST "Das Elend unserer Jugendliteratur"(1896) in der "Neuen Zeit" wurde dieser als ein Mannbezeichnet, "ausgerüstet mit reichem pädagogischen undliterarischem Wissen und erfüllt von glühender Begeisterungfür wahre Kunst, (als) ein Mann von seltener Konsequenz undZähigkeit, dabei kühn im Ansturm und forsch beim Hiebe."43

Die Auseinandersetzung mit der Jugendliteratur enthielt aucheine Abrechnung mit den seichten religiösen Schriften fürKinder und der patriotischen Phraseologie in den gängigenJugendschriften jener Jahre. Die daraus resultierendeAnerkennung von WOLGASTs pädagogischem Anliegendürfte jedoch nicht, wie das in der Folgezeit vom rechtenFlügel der Sozialdemokratie geschah, zur Ablehnung einerspezifischen sozialistischen Kinder- und Jugendliteratur füh-ren. Wir haben seit langem nachgewiesen, daß geradeHEINRICH SCHULZ eine solche Position vertreten hat.Anträge auf Parteitagen, die die Entwicklung einer sozialisti-

42 Ebd.

43 G. Schönfeld: Pädagogische Reformliteratur. In : Die Neue Zeit, 16. Jg.1897/98, Bd. 1, S. 613.

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schen Literatur für Kinder fördern sollten, wurden meist vonihm mit dem Hinweis auf die Jugendschriftenverzeichnisseder Hamburger Lehrer abgelehnt. Differenzierter bewerteteCLARA ZETKIN die Hamburger Lehrer. Sie würdigte inihrer Mannheimer Rede 1906 die Leistungen des HamburgerVereins für künstlerische Bildung und einiger Verlage undbezeichnete deren Produkte als "alles in allem genommen,vom pädagogischen Standpunkt aus einen kolossalenFortschritt", fuhr dann aber fort: "Wir als Sozialisten könnendiese Kinderliteratur nicht ohne weiteres für unsere Kinderübernehmen. Diese Literatur, so vortrefflich sie zum großenTeil künstlerisch und literarisch ist, steht in Widerspruch mitunserer Weltanschauung, in ihr werden hier und daMilitarismus, Chauvinismus, Krieg, Gläubigkeit usw. einerAuffassung entsprechend behandelt, die unseren eigenenAnschauungen vom Krieg, Vaterlandsliebe, Militarismus usw.geradezu ins Gesicht schlägt... Sie schweigt von den Idealender Bürgerlichkeit, der Solidarität der Arbeits- undKampfgenossen, der proletarischen Freiheitsliebe, kurz, siekennt nicht die sozialen Tugenden, welche der proletarischeKlassenkampf gebiert."44

Diese Bemerkungen wurden so ausführlich zitiert, weil es sichum eine ausgewogene Beurteilung dieser Bewegung handelt,in der deutlich wird, daß es beider Bewertung derideologischen Funktion reformpädagogischer Bestrebungenweder damals noch heute einen Kompromiß geben kann.Wenn darüber Klarheit herrscht, dann, und ich zitierewiederum CLARA ZETKIN, "können wir das von

44 C. Zetkin a. a. O., S. 194 f.

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bürgerlicher Seite Geschaffene als wertvolle Vorarbeitwürdigen und nutzen".45

Zum Schluß dieses Teils meines Vortrags noch eineBemerkung zu Bremen. Dort konnte sich innerhalb derreformpädagogischen Bewegung ein nicht unbedeutendessozialistisches Potential entwickeln, ja man kann von einerregulären sozialistischen Fraktion innerhalb derreformfreudigen Lehrerschaft Bremens sprechen. In den Ar-beiten von DIRK HAGENER46 sind diese Zusammenhängedetailliert beschrieben worden. Lediglich zu JOHANNESKNIEF, einem der Führer der Bremer Linksradikalen, und zurZeitschrift "Roland" möchte ich noch einige Bemerkungenhinzufügen.

In den "Briefen aus dem Gefängnis" urteilte KNIEF über dieSchule, die er selbst in Bremen durchlaufen hatte, ganz imSinne der Kritik, die für die Reformpädagogik charakteristischist:"Die Drillmaschine wirkt monoton, geisttötend." "DieSchule hat nichts Kindliches an sich, sie wird vonErwachsenen dirigiert und ist auf das Interesse vonErwachsenen eingestellt. Das Kind hat damit nichts zu

45 Ebenda, S. 195. Hervorhebung von G. H.; vgl. auch V. Marquardt:

Sozialdemokratische Jugendschriftendiskussion um dieJahrhundertwende. Ein Ansatz zur Grundlegung der Erziehung vonproletarischen Kindern und Jugendlichen mit Hilfe der Literatur. Bielefeldo. J.

46 D. Hagener: Radikale Schulreform zwischen Programmatik und Realität.Die schulpolitischen Kämpfe in Bremen vor dem Ersten Weltkrieg und inder Entstehungsphase der Weimarer Republik. Veröffentlichungen ausdem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Bd. 39, Bremen 1973.In Hamburg ist eine ähnliche Entwicklung innerhalb der Lehrerschaftnachweisbar; vgl. dazu E. Krause: Der Kampf der HamburgerVolksschullehrer gegen die Reaktion. In: Die Neue Zeit, 24. Jg. 1905/06,1. Bd., S. 595 f.; siehe dazu auch die Arbeit von H. Milberg: Schulpolitikin der pluralistischen Gesellschaft. Die politischen und sozialen Aspekteder Schulreform in Hamburg 1890 - 1935. Hamburg 1970.

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schaffen, und darum ist die Schule eine einzige, große, brutaleZerstörungsmaschinerie. Sie zerstückelt nach wohlerwogenenPlänen und Methoden den nach Ordnung und Zusammenhangdrängenden Geist der Menschen. Sie gibt ein Vielerlei, siekann daher nichts geben."47

Seine Erfahrungen müssen sehr schlimm gewesen sein, dennseine Auflehnung gegen das damalige pädagogische Systemmündete in dem Satz: "Nur der Hass gegen die Schule istnoch in mir lebendig."48

KNIEF sträubte sich deshalb auch gegen den elterlichenWunsch, Lehrer zu werden: "Des ewigen gedächtnisformalenLernens war ich gründlich satt."49

Er wollte einen praktischen Beruf erlernen, mußte dann aberdoch das Bremer Seminar durchlaufen. Sein Zorn über dieihm dort vermittelte Bildung entlud sich in einem"Dringenden Wünsche" überschriebenen Artikel im "Roland"1906. Empört über den "Fluch der Alleslernerei" stellte er -ganz im Banne von ELLEN KEY, ARTHUR BONUS undLUDWIG GURLITT - das "Ideal der sogenanntenallgemeinen Bildung" völlig in Frage. Der Krebsschaden derSeminarbildung sei die "Stoffüberfülle", er verurteilte die"Absurdität dieser Universalgelehrsamkeit", die "Unnatureinseitiger Verstandes- und Gedächtnisbildung".50

Auf die Frage, wie ein Seminar beschaffen sein sollte,antwortete er:"Eine Stätte der Freude, der arbeitsfrohenSchaffenslust; ein Tempel, in dem die Heiligkeit der

47 J. Knief: Briefe aus dem Gefängnis. Berlin 1920, S. 10 und 12.

48 Ebd., S. 14.

49 Ebd., S. 18.

50 J. Knief: Dringende Wünsche. In: Roland, 2. Jg. 1906, H. 2, S. 5 f.

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Menschennatur gepredigt wird; ein Tummelplatz fürkörperliche und geistige Kraftübungen."51

Lehrerbildner müssen "einen unerschütterlichen Glauben andas Gute" besitzen, in den Seminarlisten "die zukünftigenKollegen und Volkserzieher sehen" und den "pädagogischenTakt" vorleben, der in einer Schule nach KNIEFsVorstellungen unbedingt herrschen müsse. Eine wichtigeAufgabe sei es, die Seminaristen zur Selbständigkeit zu er-ziehen und sie zu befähigen, die "Probleme des modernenErziehungs- und Unterrichtswesens vorurteilsfrei" zu sehen,damit sie "hineinwachsen in die Bewegung, deren Träger undVollender sie einst werden sollen."52

Aber in diesem Artikel wird bereits deutlich, daß KNIEF sichan sozialistischen Zielen zu orientieren begann, denn erforderte, "daß auch die Pädagogik ihrer Wurzeln in denSozialismus senkt."53

Die Zeitschrift "Roland" ist ein Produkt des BremerSchulstreiks von 1905 bis 1907, den der SchulinspektorKÖPPE provoziert hatte und in dessen Mittelpunkt derReligionsunterricht stand. In dieser Bewegung kam es zueiner Annäherung eines nicht unbeträchtlichen Teils derLehrerschaft an die Sozialdemokratie. In einer im Jahre 1908im Bremischen Lehrerverein angenommenen Entschließungheißt es: "Die Ziele, für deren Verwirklichung der BremischeLehrerverein in den letzten Jahren gestrebt hat, lassen sich indie Worte zusammenfassen: weltliche Schule, Einheitsschule,Arbeitsschule. Diese Ziele weist auch das Schulprogramm dersozialdemokratischen Partei auf, und die Vertreter dieserPartei habensich ... als die konsequentesten Verfechter jener

51 Ebd., S. 7.

52 Ebd., S. 10.

53 Ebd., S. 10.

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Ideen gezeigt... Der Vorstand ist der Meinung, daß der Vereinim Kampfe für seine gegenwärtigen höchsten Ziele die Hilfe... der sozialdemokratischen Partei nicht verschmähensollte."54

Diese Hinwendung von Lehrern zur Arbeiterklasse suchte dieReaktion mit allen Mitteln zu unterbinden. Der in Hamburglebende Verleger des "Roland" erklärte in einem Brief an dieRedaktion, daß er nicht geeignet sei, ein Unternehmen zufördern, in dem sozialdemokratische und materialistischeAuffassungen an die Lehrerschaft herangetragen werden.EMIL SONNEMANN wurde als verantwortlicher Redakteurabgelöst. An seine Stelle trat FRITZ GANSBERG.

JOHANN KNIEF, der in einem späteren Rückblick"Konsequenz und Weitblick" des "Roland" in seinen erstenJahrgängen anerkannte, ging mit den späteren Redakteurendes "Roland" jedoch scharf ins Gericht. In der Broschüre "ZurJugenfrage" schrieb er 1916, "daß die Zeitschrift ... in dieHände der pädagogischen Reformisten GANSBERG undSCHARRELMANN überging, die sie denn auch im Galopp inden Sumpf der Reaktion hineinritten".55 Dieses harte Urteilresultiert sicher aus der Härte des Kampfes, der zwischenKriegsgegnern und Kriegsbefürwortern 1916 entbrannt war, es

54 Roland, 4. Jg. 1908, H. 2, S. 47.

55 A. Nußbaum (d. i. Johann Knief): Zur Jugendfrage. Bremen 1916, S. 22.Diese Schrift wurde erneut veröffentlicht im Jahrbuch für Erziehungs- undSchulgeschichte, Jg. 24/1984, Volk und Wissen Volkseigener Verlag,Berlin 1985, S. 131 ff., dort mit einer Einführung und Erläuterung vonGerd Hohendorf.

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ist aber auch ein Beleg für ein gewisses Sektierertuminnerhalb der Bremer Linksradikalen.56

Dem Urteil über SCHARRELMANN werden wir nichtshinzufügen haben, während GANSBERG - und das zeigt seinWirken in der Novemberrevolution und in der WeimarerRepublik - eine positivere Bewertung verdient hätte.

56 Zu J. Knief vgl. auch G. Engel: Johann Knief und die Bremer Linken in

der Vorgeschichte der KPD. In: Das Ringen um die Wende. 50 JahreKampf von Kommunisten und linken Sozialisten um eine Alternative,hrsg. vom Rektor der Humboldt-Universität Berlin 1968 und G. Mergner:Johannes Knief und seine Region. In: Archiv für die Geschichte desWiderstandes und der Arbeit. Karin Kramer Verlag, (West)Berlin 1980 ff.,1. Teil in Nr. 1, S. 85 ff. und 2. Teil in Nr. 2, S. 45 ff.

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III. Schulreform, Reformpädagogik und Arbeiterbewegung inder Novemberrevolution und in der Weimarer Republik

Daß sozialistische Gruppierungen vor dem ersten Weltkrieg inder deutschen Lehrerschaft vorhanden waren, zeigte dasBeispiel Bremen. Viele Volksschullehrer waren angesichtsihrer Herkunft, ihrer materiellen Lage, vor allem aber durchihre Arbeit mit den Kindern der Arbeiterschaft in ihremHerzen Sozialdemokraten. Wie groß ihre Zahl war, läßt sichnicht feststellen. Die Erfahrungen des ersten Weltkriegeshaben mit Gewißheit vielen weiteren Lehrern die Augen fürdie politischen Verhältnisse im wilhelminischen Deutschlandgeöffnet und den Boden für sozialistisches Gedankengutbereitet. Geht man von den Stimmungen in den Zeitungen undZeitschriften der deutschen Lehrerschaft nach derNovemberrevolution aus, so könnte man durchaus zu derAnnahme gelangen, daß die Masse der deutschen Lehrerschaftbegeistert die Signale aufgenommen hat, die von der Ok-toberrevolution in Rußland und der Novemberrevolution inDeutschland ausgegangen sind.57 Aber so rasch dierevolutionären Gedanken in den Köpfen der Lehrer ent-flammten, so rasch scheinen sie wieder verglüht zu sein. Dasbesagen jedenfalls die geringen Zahlen der Lehrer, die sich inder Weimarer Republik in sozialistischen undgewerkschaftlichen Lehrervereinigungen zu-sammengeschlossen haben und die in den Arbeiterparteien

57 Vgl. G. Hohendorf: Die Schulpolitik der deutschen Arbeiterklasse in der

Novemberrevolution 1918. In: Pädagogik, 13. Jg. 1958, H. 11, S. 776 ff.Ders.: Die Novemberrevolution 1918 und die Bildungspolitik derArbeiterklasse. In: Pädagogik, 23. Jg. 1968, H. 11, S. 949 ff.Ders.: Herbststurm 1918. Zeitgenössische Reflexionen zurNovemberrevolution. In: Deutsche Lehrerzeitung, 1968, Nr. 45, S. 3

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organisiert waren.58 So hypothetisch alle quantitativenAussagen über die sozialistische Orientierung in der deut-schen Lehrerschaft auch bleiben werden, so sicher ist doch dieAnnahme, daß alle diese Lehrer engagierte Vertreter derReformpädagogik waren. Sie praktizierte neue Unter-richtsmethoden, sie verbanden ihren Unterricht mit demLeben, sie gewährten den Elternvertretungen einen größerenEinfluß auf die Schule, sie lebten ein neues Lehrer-Schüler-Verhältnis vor. Diese Lehrer gehörten zu den Pionieren derArbeiterschulbewegung und leisteten in den Versuchsschuleneine vorbildliche pädagogische Arbeit.

Den Weg von der Reformpädagogik zur sozialistischenPädagogik möchte ich am Beispiel von Dr. THEODORNEUBAUER nachzeichnen, dieses Pädagogen und Politikers,der sich im Sommer 1944 für den Zusammenschluß derkommunistischen und sozialdemokratischen Widerstands-bewegung in Deutschland eingesetzt hatte und der - wie vieleOpfer des 20. Juli - am 5. Februar 1945 ermordet wurde.

Schon bald nach der Jahrhundertwende hatte sich THEODORNEUBAUER in der Gymnasialzeit in Erfurt demWandervogel angeschlossen und mit der Lust am Wandernund der Liebe zur Natur die neue Jugendkultur entdeckt, diemit dem Namen GUSTAV WYNEKEN verbunden ist. Alssich aber auch in der bündischen Jugend vor dem erstenWeltkrieg nationalistischer Ungeist auszubreiten begann,schloß sich NEUBAUER während der Studienzeit in Jena,Berlin und Brüssel der Freideutschen Jugend an. Er gehörteauch zu den etwa 2 000 jungen Menschen, die sich im

58 Vgl. G. Grieb: Der Einfluß der revolutionären deutschen

Arbeiterbewegung auf die Lehrerschaft und ihre Organisationen 1918 bis1923. In: Beiträge zur Bildungspolitik und Pädagogik der revolutionärendeutschen Arbeiterbewegung in der Zeit der Novemberrevolution und derrevolutionären Nachkriegskrise 1918 - 1923. Teil 2, Volk und WissenVolkseigener Verlag, Berlin 1968, S. 214 ff.

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Oktober 1913 aus Protest gegen den nationalistischenRummel, mit dem das monumentale Völkerschlachtdenkmalin Leipzig eingeweiht wurde, auf dem Hohen Meißner beiKassel versammelt hatten und an einem nebelverhangenenOktobertag aus dem Munde von GUSTAV WYNEKEN diemahnenden Worte hörten, sich nicht "derSchreckensherrschaft der nationalistischen Phrase zu beugen"."Wir leben in keiner guten und schönen Zeit." "Unter uns liegteine Welt mit Elend und Lastern, mit Not und Hunger". Indieser gefährlichen Zeit, es sei eine "Zeit des Übergangs",dürfe die Jugend in ihrem Fühlen und Denken nicht an denGrenzen der Staaten und der Sprachen und der Rassenhaltmachen.59

Es gehört zu den schwer erklärbaren Vorgängen, warum vieleder damaligen Zuhörer WYNEKENs auf dem Hohen Meißnerdann doch begeistert in den Krieg gezogen sind, einige vonihnen gehörten schon bei Langemark zu den ersten Opfern.Auch NEUBAUER war unter den Kriegsfreiwilligen. Aberdie schrecklichen Erfahrungen des Krieges - verbunden miteiner Gasvergiftung - machten aus dem Kriegsfreiwilligeneinen Kriegsgegner, der seine Schülerinnen an der Königin-Luise-Schule in Erfurt eine so untadelige politisch-pädagogische Haltung vorlebte, daß, nachdem sichNEUBAUER im Kapp-Putsch offen zu den Zielen der Ar-beiterbewegung bekannt hatte, es den in der Mehrheitreaktionären Eltern nicht gelang, einen Keil zwischen dieSchülerinnen und ihren Lehrer zu treiben.

Politisch führte der Weg NEUBAUERs von der DeutschenDemokratischen Partei über die USPD zur KPD. Und genau indieser Zeit entstanden drei bildungspolitisch-pädagogischeSchriften, mehr Flugschriften, hervorgegangen aus Vorträgen,

59 Zit. nach Ziemer/Wolf: Wandervogel und freideutsche Jugend. 2. Aufl.,

Voggenreiter Verlag, Bad Godesberg 1961, S. 461 - 466.

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mit denen NEUBAUER sich in Erfurt an den bildungspoli-tischen Diskussionen, die die Novemberrevolution ausgelösthatte, beteiligte:

1919: Vom Recht des Kindes.

1920: Schulgemeinde und Schülerrat.

1920: Die neue Erziehung der sozialistischenGesellschaft

Analysiert man diese Schriften, so wird deutlich, daßNEUBAUER viele reformpädagogische Positionen produktivverarbeitet und in sein sozialistisches bildungspolitischesKonzept übernommen hat.60 Das möchte ich mit drei Zitatenaus der zuletzt genannten Schrift belegen:

Zum Lehrer-Schüler-Verhältnis heißt es dort: "Haben dennnicht beide das selbe Ziel?", so fragt er und fährt fort: "Wiekonnte es also in der bürgerlich-kapitalistischen Schule dahinkommen, daß das Verhältnis von Lehrer und Schüler zu einemteils geheimen, teils offenen Kampfe ausartet? Einen Grunddafür haben wir schon gefunden: die mangelnde Lebendigkeitder früheren Erzieher. Als ob die Schulkinder nicht ganzgenau merkten, wenn ein Lehrer keine Lust zu seinem Berufehat, wenn er seine Pflicht nicht tut! Das ist uns doch klar, wernicht lebendig mit den Jungen und Mädchenzusammenarbeiten kann, vor dem verschließen sich auch ihreSeelen. Er wird sie einfach nicht verstehen können, er wirdnicht imstande sein, gerecht zu urteilen und zu handeln, er

60 G. Uhlig ordnet die frühen pädagogischen Schriften Neubauers dem

pädagogischen Anarchismus zu. Vgl. G. Uhlig: Einige Bemerkungen überBeziehungen früher pädagogischer Auffassungen Theodor Neubauers zuanarchistischen Konzeptionen. In: Wissenschaftliche Zeitschrift derPädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhausen. Gesellschafts- undsprachwissenschaftliche Reihe. 19. Jg. 1982, H. 2, S. 32 ff.Nach meiner Auffassung verbietet sich eine solche Zuordnung angesichtsder inneren Disziplin der Persönlichkeit Neubauers.

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wird sie sich zu Feinden machen, und damit hört alle er-sprießliche Erziehung auf."61

Über die Schulbürokratie lesen wir bei NEUBAUER: "Fortanwird nämlich die Erziehungsarbeit in vollster Öffentlichkeitgeleistet werden müssen. Denn die Gesellschaft hat einenAnspruch darauf (zu erfahren), wie die Jugend erzogenwird...Die Schule ... wird künftig eine wahreArbeitsgemeinschaft sein. Die Erzieher werden sich zu innigerZusammenarbeit zusammenfinden... Darum werden wir ihnenkeinen Antreiber, keinen Aufseher, keine Autorität: kurzkeinen Rektor oder Direktor vor die Nase setzen, sondern wirwerden sie als Arbeitsgemeinschaft organisieren. Sie mögenuntereinander ausmachen, was sie für die Leitung derSchulgeschäfte am geeignetsten halten. Nebenbei: Alletechnischen Verwaltungsarbeiten und Schreibereien wird eineeigens dazu bestellte Persönlichkeit verrichten; denn dieseDinge haben mit Erziehung nichts zu tun."62

Dann entwickelte NEUBAUER einen Vorschlag, wiegewählte Vertreter der Schulen Einfluß auf dieSchulverwaltung bis hin zu einer Reichsschulverwaltungnehmen sollen: "Das heißt: Wir werden die Erzieherschaftnach dem Rätesystem organisieren. Damit schaffen wir nichtetwa neue Parlamente, sondern arbeitende Körperschaften, diedie gemeinsamen Aufgaben erledigen."63

NEUBAUER strebte ganz offensichtlich eine optimaleDemokratisierung der gesamten Schulleitung undSchulverwaltung an.

61 Th. Neubauer: Die neue Erziehung der sozialistischen Gesellschaft.

Aufsätze und Reden zur Schulpolitik und Pädagogik. Ausgewählt,eingeleitet und erläutert von Sonja Müller. Volk und Wissen VolkseigenerVerlag, Berlin 1973, S. 80 f.

62 Ebenda, S. 79

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Über die Rolle der Arbeit im Prozeß derPersönlichkeitsbildung können wir in der kleinen Schriftnachlesen: "Die Arbeit werden unsere Kinder als den Inhaltdes Lebens kennenlernen. Aber das Wesen der Arbeit hat sichauch von Grund auf geändert... In unserer neuen Gesellschaftverrichten wir alle Arbeit aus dem Gefühl der Solidarität undmit dem Blick auf das Ganze, die Gesellschaft, und auf dasLetzte: das Glück der Menschheit. Mit unserer Arbeit befreienwir die Menschen von ihren natürlichen Gebundenheiten,verschaffen wir ihnen die Möglichkeit eines höheren Lebens.Nicht eines Schlaraffenlebens, denn das käme dem Todegleich, sondern eines Lebens in höchster Steigerung dermenschlichen Kräfte. Den Weg bis zur heutigen Kultur hatder Mensch zurückgelegt durch seine Arbeit. Siehst du nun,wie die Menschheit durch ihre Arbeit noch weiter geführtwerden kann zu unendlich höherem Leben? Mit dieser Ethikder Arbeit wollen wir unsere Jugend erfüllen."64

NEUBAUER stellte ein Programm der polytechnischenUnterrichtung und der Arbeitserziehung vom Kindergarten biszur Oberschule auf und beantwortete dabei eine Frage, dieauch heute noch aktuell ist: "Aber nun wirst du fragen wollen:wie wollt ihr zu all den vielzuvielen Unterrichtsstoffen derfrüheren Schule noch den Arbeitsunterricht in euren Planaufnehmen? Diese Frage ist falsch gestellt. Denn sieh, die altebürgerliche Schule war ein unorganisches Zusammenschiebselder verschiedenen Fächer, von denen keines auf das andereRücksicht nahm, und wenn ein neues Fach hinzutrat, sobedeutete das nur eine Vermehrung, keine wesentlicheVeränderung des Stoffes. So mußten denn zuletzt die armenKinder ihre Köpfchen vollpropfen mit tausenderleiWissensstoff, und das eine erstickte immer das andere

63 Ebenda, S. 80.

64 Ebenda, S. 83.

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Wissen. Wir werden uns also schön hüten, die Stoffe der altenSchule zu übernehmen. In unserer Kulturschule gibt es ebennur einen Stoff: die Kultur. Dank unserer Arbeitsmethodewerden wir alles Wesentliche der Kultur herausfinden, so wiees in seinem Zusammenhange besteht, wir werden dasEinzelne aus diesen Zusammenhängen herauslösen und näherbetrachten. So entstehen unsere Unterrichtsfächer, wie dusiehst, in organischer Verbindung, und unsere Stoffe stehen innatürlicher Auslese."65

Diese Erkenntnis sollten wir auch heute bei der Entwicklungneuer Lehrpläne bedenken: Die Einführung der produktivenArbeit in den Bildungsplan darf nicht zu einer quantitativenVermehrung des Unterrichts führen, vielmehr muß dadurchder gesamte Unterrichtsprozeß umgestaltet und gehobenwerden.

In einer Vielzahl weiterer Schriften und Aufsätze, die in derNovemberrevolution und der Folgezeit entstanden sind, ließesich der Zusammenhang von reformpädagogischen undsozialistischen Auffassungen und Ziele nachweisen. Aber dasEnde schulreformerischer Bestrebungen in der WeimarerRepublik deutete sich bereits an deren Anfang an, nämlich imWeimarer Schulkompromiß, in dem die deutsche Schule zumSchacherobjekt politischer Interessen wurde. Diese Ent-wicklung setzte sich im Grundschulgesetz von April 1920 undauf der Reichsschulkonferenz fort. PAUL OESTREICH hatteschon recht, wenn er als das Ergebnis dieser Konferenzfeststellte: ein großer Aufwand, schmählich ist vertan!66 DerOrganisator der Reichsschulkonferenz, der zum Staatssekretäravancierte HEINRICH SCHULZ, hat ja auch nichts getan, um

65 Ebenda, S. 84.

66 P. Oestreich: Ein großer Aufwand, schmählich ist vertan! Rund um dieReichsschulkonferenz. Gesammelte Aufsätze. Leipzig o. J.

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den sozialistischen Kräften innerhalb der Lehrerschaft aufdieser Konferenz Geltung zu verschaffen. Selbst JOHANNESTEWS hatte als Repräsentant des Deutschen Lehrervereins imVorfeld der Konferenz Mühe, einen angemessenen Platz inder Rednerliste zu erhalten.67 Sieht man die Teilnehmerlistedurch in dem repräsentativen Band68, der die Ergebnisse derReichsschulkonferenz enthält, so muß man angestrengtsuchen, wenn man Vertreter oder Verbände finden will, dieeine sozialistische Zielsetzung in ihren bildungspolitischenund pädagogischen Bestrebungen verfolgten. Aber diegesamte nicht erneuerte Schulbürokratie und die vielenkonfessionellen Verbände, selbst die kleinsten, hatteHEINRICH SCHULZ eingeladen. Als es diesem in letzterMinute einfiel, die ehemalige Lehrerin, die nunmehrige Re-präsentatin der sozialistischen Frauenbewegung, seine einstigeMitstreiterin auf dem Mannheimer Prteitag, CLARAZETKIN, zur Konferenz einzuladen, mußte sie ablehnen. Ineinem offenen, in der "Roten Fahne" veröffentlichten Briefbegründete CLARA ZETKIN ihre Entscheidung damit, daßihr angesichts der Kürze der Zeit nicht mehr die Zeit bliebe,die umfangreichen Materialien durchzuarbeiten, aber sieerklärte auch ganz grundsätzlich, daß sie nicht geneigt sei,sich "von einem Manne berufen zu lassen, der seinerzeit alsPolitiker, Kämpfer und Schulmann mit mir zusammen dasSchul- und Bildungsprogramm ausgearbeitet hat, um es alsUnterstaatssekretär schnöde im Stich zu lassen... EineGemeinsamkeit der Arbeit ist mir unmöglich mit einemManne, der sogar die grundlegende Forderung der weltlichenEinheits- und Arbeitsschule preisgegeben hat, und zwar nichtetwa getrieben von einer veränderten Einstellung zur Religion

67 G. Hohendorf: Die pädagogische Bewegung..., S. 88.

68 Die Reichsschulkonferenz 1920. Ihre Vorgeschichte und Vorbereitungund ihre Verhandlungen. Amtlicher Bericht, erstattet vomReichsministerium des Innern. Leipzig 1921, S. 19 ff.

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und dem religiösen Schulunterricht, sondern lediglich ausRücksicht auf die Macht des Zentrums als politische Partei,aus Rücksicht auf die Regierungs- und Amtstätigkeit derMehrheitssozialdemokratie von Gnaden des Zentrums, derBourgeoisie."69

Die Bildungspolitik und die Reformpädagogik waren nunauch in den Konflikt zwischen den Arbeiterparteien geraten.Daß sich viele sozialdemokratische Lehrer nicht in dasFahrwasser lenken ließen, in das HEINRICH SCHULZ diesozialdemokratische Bildungspolitik gesteuert hatte, zeigendie sozialdemokratischen Kultur- und Lehrertage und dasZusammenwirken fortschrittlicher Lehrer unabhängig vonihrer Parteizugehörigkeit an der Basis der Schule. Dortnämlich mußte oft in einem erbitterten Kleinkrieg selbst dergeringste pädagogische Fortschritt erkämpft und durchgesetztwerden.

Die Blicke vieler Pädagogen richteten sich auf Sowjet-Rußland, auf dessen Schulwesen, von dem CLARA ZETKINim Januar 1922 in einer Reichstagsrede zum SCHULZschenReichsschulgesetzentwurf sagte, daß dort "eine Titanenarbeitgeleistet (werde), deren Spuren nicht wieder untergehenkönnen". Vieles sei freilich noch mangelhaft, "weil diemateriellen Voraussetzungen für entsprechendeHöchstleistungen fehlen. Ich gebe auch zu (so CLARAZETKIN), daß manchmal experimentiert und getastet wird,daß manches unterbleibt, was nötig wäre, daß manches zufrüh in Angriff genommen wird und wieder abwelkt. Abertrotz alledem hat Sowjetrußland auf dem Gebiete desVolksschulwesens eine Titanenarbeit geleistet, deren Spurennicht wieder untergehen können."70

69 C. Zetkin a. a. O., S. 301.

70 Ebenda, S. 342.

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Die Begeisterung für den im jungen Sowjetrußlandherrschenden pädagogischen Elan teilten die Kommunistendurchaus mit Vertretern der Reformpädagogik. So gehörtenzur I. Internationalen Lehrerdelegation in die Sowjetunion imAugust 1925 auch MINNA SPECHT und KARLRÖSSGER.71 Letzterer beschreibt seinen Besuch beiLUNATSCHARSKI: "Es war für die deutschen Schulmännerein stolzes und zugleich demütigendes Gefühl, inLUNATSCHARSKIs Arbeitszimmer PESTALOZZIs undFRÖBELs Bilder von der Wand herab grüßend zu sehen, sichsagen zu müssen, hier wird voller Ernst gemacht, was dieseGroßen uns lehrten und vorlebten, und wir haben es immernoch nicht gelernt."72

MINNA SPECHT faßte ihre Eindrücke in die Worte:"Westeuropa ist ein totes Museum, die Sowjetunion ist einelebendige Quelle der Kultur."73

Und für den Berliner Schulreformer WILHELM PAULSENging der junge Sowjetstaat "den Weg zu einer großartigenEntwicklung seines Schul- und Bildungswesens", dadurchwerde "das künftige Rußland über den zögernden Westen weithinaustreiben".74

In der frühen Sowjetpädagogik sahen in der Tat viele deutscheReformpädagogen ihre Ziele und Bestrebungen verwirklicht.Warum diese Entwicklung in den dreißiger Jahren und spätersich nicht fortsetzte, möchte ich hier nicht erörtern. Dazu

71 Siehe auch: Fünfzig Jahre erste internationale Lehrerdelegation in die So-

wjetunion - Materialien, ausgewählt, eingeleitet und erläutert von ChristaLeithold. In: Jahrbuch für Erziehungs- und Schulgeschichte, Jg. 15/1975,Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin 1975, S. 207 ff.

72 C. Rößger: Der Weg der Arbeitsschule. Leipzig 1927, S. 261.

73 Zit. nach C. Remer: Deutsche Arbeiterdelegationen in der Sowjetunion.Rütten & Loening, Berlin 1963, S. 135.

74 W. Paulsen: Überwindung der Schule. Leipzig 1926, S. 152.

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liegen in der BRD umfangreiche Untersuchungen vor75, auchvon sowjetischer Seite sind seit langem und jetzt verstärktBestrebungen im Gange, die frühe Sowjetpädagogik neu zubewerten. Auch die deutsche Reformpädagogik bzw. einzelneihrer Strömungen haben erneut das Interesse sowjetischerFachkollegen gefunden.

Auch andere Pädagogen der deutschen Arbeiterbewegunghaben an Positionen angeknüpft, die die Reformpädagogikgesetzt hat. EDWIN HOERNLE betonte, daß "unsereErziehung ... sowohl 'vom Kinde aus' (geht), um mit denReformpädagogen zu sprechen, wie von der Klasse aus".76

Gewiß, die gesellschaftliche Determiniertheit der Erziehunghaben die sozialistischen Pädagogen niemals aus dem Augeverloren, gleichzeitig haben sie jedoch hervorgehoben, wo esan der Reformpädagogik anzuknüpfen lohnt. HOERNLEführte an anderer Stelle aus: "Die Schule des Proletariats wirdnicht nur, wie die Reformpädagogen fordern, 'aufgelockert',sie wird nicht nur durch neue Lehr- und Lernmeth(Montessorimethoden, Daltonplan) in ihren Leistungen'rationalisiert', sie wird immer enger mit dem öffentlichenLeben des Proletariats und dem industriellen bzw.landwirtschaftlichen Betriebe verbunden."77

Er wies darauf hin, daß es durchaus möglich ist, anDaltonplan, Komplexmethoden, MONTESSORI-Methoden,Handfertigkeitsunterricht anzuknüpfen, die sozialistische

75 Vgl. die zuletzt erschienene Arbeit von Marianne Krüger-Potratz:

Absterben der Schule oder Verschulung der Gesellschaft? Die sowjetischePädagogik in der Zweiten Kulturrevolution 1928 - 1931. Erich WewelVerlag, München 1987.

76 E. Hoernle: Grundfragen der proletarischen Erziehung. Pädagogische undbildungspolitische Schriften. Ausgewählt, eingeleitet und erläutert vonWolfgang Mehnert, Herbert Flach und Hans Lemke. Volk und WissenVolkseigener Verlag, Berlin 1983, S. 105.

77 Ebenda, S. 285 ff.

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Pädagogik dürfe sich damit jedoch nicht begnügen: "Siewendet sich an als Stufen auf dem Wege, der höher führt zurEingliederung der Schule in die Industrie und in das gesamteöffentliche Leben."78

CHRISTA UHLIG hat in einem lesenwerten AufsatzHOERNLEs Auseinandersetzung mit der Reformpädagogikam Beispiel reformpädagogischer Versuchsschulen be-schrieben79, dem ich nur die Anmerkung hinzufügen möchte,daß HOERNLEs Positionen zur Reformpädagogik auchgeprägt worden sind durch den Kampf, der zwischenKommunisten, Sozialdemokraten und den sogenannten linkenAbweichlern geführt wurde.

Ich komme zum Schluß:

Es sind wohl mehr Fragen offen geblieben, als ich Antwortenzu dem gestellten Thema zu geben vermochte. Ich konnte dievielfältigen personalen und sachlichen Beziehungen nurandeuten, die zwischen der Reformpädagogik und dersozialistischen Pädagogik bestanden haben und die unserVerhältnis zum pädagogischen Erbe noch heute mitprägen.

Das Bild, das ich zu zeichnen versuchte, wird - so hoffe ich -in der Diskussion ausgefüllt werden und vielleicht auch kor-rigiert werden müssen. Bevor ich aber das Wort abgebe,möchte ich darauf hinweisen, daß neben kommunistischenund sozialdemokratischen Lehrern auch zahlreiche Re-formpädagogen nach der faschistischen Machtergreifunggemaßregelt, strafversetzt, des Amtes enthoben, verfolgt, indie Gefängnisse oder in Konzentrationslager geworfen worden

78 Ebenda, S. 197 f.

79 Ch. Uhlig: Hoernles Auseinandersetzung mit der Reformpädagogik amBeispiel reformpädagogischer Versuchsschulen. In: Jahrbuch fürErziehungs- und Schulgeschichte, Jg. 26/1986, Volk und WissenVolkseigener Verlag, Berlin 1986, S. 138 ff.

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sind oder in die Emigration getrieben wurden. DerInnenminister FRICK erklärte im Mai 1933 unmißverständ-lich, daß selbst alle liberalen Bildungsvorstellungenauszuschließen seien.80 Der Kampf der Nationalsozialistenrichtete sich dabei nicht so sehr gegen die Reformpädagogikals pädagogische Strömung, sondern gegen deren progressivepolitische Zielsetzungen und die ihrer Vertreter.

Es ist schon untersucht und dargestellt worden, daß diefaschistische Pädagogik auch Wurzeln in derReformpädagogik, und zwar in der deutsch-völkischenPädagogik, in der Kulturkritik und in biologisch begründetenErziehungslehrern hatte.81 PAUL DE LAGARDE stand ja mitseiner "Religion der Deutschheit" durchaus Pate zu HITLERs"Mein Kampf", und Julius LANGBEHNs "Rembrandt" erlebtenoch mehrfach Auflagen in der Zeit des Faschismus.

Vorstellbar wäre folgendes Bild: Die Reformpädagogik ist einvielgestaltiges, zerklüftetes Gebirge, das von einer Wasser-scheide durchzogen wird, deren eine Seite in den Strom dersozialistischen Pädagogik einmündet und diesen ganzwesentlich bereichert hat.

80 W. Frick: Kampfziel der deutschen Schule. Langensalza 1933, S. 6.

81 Vgl. H. Kunert: Deutsche Reformpädagogik und Faschismus. Hannover1973; B. Schonig: Irrationalismus als pädagogische Tradition.Weinheim/Basel: Beltz 1973.

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AUTOR

GERD HOHENDORF (1924)

Prof. em., Dr. paed. habil., Dr. h. c.

Studium am Pädagogischen Institut Weilburg/Lahn und an derUniversität Leipzig, 1951 Promotion zum Dr. paed. an derUniversität Leipzig, 1960 Habilitation an der PädagogischenHochschule Potsdam, 1987 Ehrenpromotion durch diePädagogische Hochschule Zwickau.

1949 Lehrbeauftragter für Geschichte der Erziehung an derUniversität Leipzig, 1953 Dozent und 1960 Professor fürGeschichte der Erziehung an der Pädagogischen HochschulePotsdam, 1966 Berufung an das Pädagogische InstitutDresden (ab 1967 Pädagogische Hochschlule). 1981 bis 1987abgeordnet an die Akademie der PädagogischenWissenschaften der DDR, Institut für Theorie und Geschichteder Pädagogik.

Veröffentlichungen und Editionen zu Wolfgang Ratke,Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg. Karl FriedrichWilhelm Wander, Clara Zetkin, zur Reformpädagogik und zurBildungspolitik und Pädagogik der deutschenArbeiterbewegung.